Mounds und Megalithe - Werner-Wolf Turski - E-Book

Mounds und Megalithe E-Book

Werner-Wolf Turski

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Beschreibung

Die vorliegende Darstellung gibt Menschen im deutschsprachigen Raum, die sich für die prähistorischen Kulturen im südöstlichen Teil von Nordamerika, im Waldland, interessieren , eine kulturelle Hintergrundbeschreibung, um sich in der riesigen Informationsfülle im englischsprachigen Internet zurechtzufinden.

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Seitenzahl: 413

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Werner-Wolf Turski

Mounds und Megalithe

Großbauten im prähistorischen östlichen Nordamerika

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Grundsätze und Übersicht

Die Mittelarchaische Zeit (6000/5000 bis 4000/3000/2500 v.d.Z.)

Die Spätarchaische Periode (4000/3000/2500 bis 1000/900/500 v.d.Z.

Die Frühe Waldlandzeit (ca. 1000/800 v.d.Z bis 200 v.d.Z/um 1 u.Z.)

Die Mittlere Waldlandzeit (ca. 200 v.d.Z/um 1 u.Z. bis ca. 500/700 u.Z.)

Die Späte Waldland Periode (500 bis 1000 u.Z.)

Die Mississippi-Kulturen (800/1000 bis 1500/1625 u.Z.)

Die Süd-Appalachen Mississippi Kultur/South Appalachian Mississippian

Der Taber Mound/Hill (um 1250 u.Z.) bei Toronto/Kanada

Die (territoriale) Untere-Mississippi-Kultur/Lower Missisipian

Caddoan Mississippian/Caddo Mississippi Kultur (800 bis 1600 u.Z.)

Megalithische und Steinbaustätten, hauptsächlich aus dem Bereich der New England Staaten der USA

Impressum neobooks

Grundsätze und Übersicht

Vorwort

Die vorliegende Darstellung gibt Menschen im deutschsprachigen Raum, die sich für die prähistorischen Kulturen im südöstlichen Teil von Nordamerika, im Waldland, interessieren und dabei in die riesige Informationsfülle im englischsprachigen Internet eintauchen, wo google ein reichhaltiges Bild- und Textmaterial liefert, eine kulturelle Hintergrundbeschreibung über das Wirken von Menschen, die „Großbauten“ aus Erde, Steinen und auch Molluskenschalen errichteten. Sie bietet außerdem durch die Angabe englischer Begriffe die Suchwörter für google, um in das riesige Bildarchivmaterial der US-amerikanischen Archäologen einzusteigen, in dem man sich geistig schnell „verlaufen“ kann.

Im ersten Viertel werden Grundlagen dargelegt und in den weiteren drei Vierteln des Textes werden an ausgewählten Beispielen von Großbauten diese Kulturen verbal illustriert. Auf Bilder wurde hier bewusst verzichtet, da jede Auswahl eine unzulässige Beschränkung des bestehenden Materialpools wäre und gleichzeitig die neugierige Suche nach solchen Objekten im Internet eingeschränkten würde. Und diese Suche ist, wie eigene Erfahrungen belegen, faszinierend bis verwirrend. Neugier kann ich bei der Leserin und dem Leser voraussetzen, der Verwirrung soll mein Text vorbeugen. Es ist der Versuch eines kulturellen Internetführers durch die Großbauten errichtenden Waldlandkulturen von Nordamerika.

Einführung

Als die „zweiten“ Weißen nach Nordamerika kamen (die „ersten“ waren die Grönlandwikinger), kamen sie in „Gottes eigenes Land“ oder korrekter, sie trafen auf keine Staatsmacht mit juristischen/machtbasierten Landansprüchen/-rechten - ein wahres Paradies für Menschen, für die das Produktionsmittel „Grund und Boden“ oberstes Erwerbsziel war. In diesem jetzt von weißen Europäern entdeckten Gebiet gab es nur ein paar „arbeitsunwillige bis -unfähige, bösartige, heimtückische und brutale Personen“, sogenannte „Wilde“, bar jeder auch nur in Spuren von Christen achtbaren Kultur/Zivilisation. (Der Begriff Untermensch oder Underdog war noch nicht erfunden! Der „Wilde“ oder der „Heide“ reichte aus!) Gottes eigenes Land wurde durch eine rigorose Kolonialpolitik gegen die, die Weißen mit deren Ansprüchen störenden Wilden weitgehend von letzteren befreit.

1776 sagten sich, politisch nicht ganz unblutig, die im Wesentlichen anglophonen Kolonialherren von ihrem Mutterland Großbritannien los und „kochten“ ihr eigenes „koloniales Süppchen“. Die wesentlichen Produktionsmittelbesitzer der jetzt etablierten USA und deren Establishment waren „gut situierte und aufgeklärte“ Bildungsbürger, die sich auch in der europäischen Geschichtsauffassung und deren antiken Wurzeln auskannten. Sie waren in dem Bewusstsein groß geworden, die Herrschaft in einem „geschichtslosen“ Land angetreten zu haben. Diese „Geschichtslosigkeit“ war ein von ihnen empfundener mentaler staatspolitischer Mangel gegenüber dem lateinamerikanischen spanischen Machtbereich und erst recht gegenüber europäischen Vater- und Mutterländern.

Die wachen, aufgeklärten Bildungsbürger der neuen, noch kleinen USA entdeckten auf ihrem Gebiet plötzlich „unnatürliche“ Erscheinungen in der Landschaft, die für sie Fragen aufwarfen. Diese „unnatürlichen“ Erscheinungen waren, wie man nach den ersten Untersuchungen feststellte, künstliche, von Menschenhand aufgeschüttete Erdhügel. Diese bzw. ein Teil von ihnen, hatten solche Ausmaße, dass man, nach dem mit ihrer Errichtung verbundenen Arbeitsaufwand, diese Leistung mit keinem in ihrem Gebiet noch dahinvegetierenden Ureinwohner Amerikas in Verbindung bringen wollte. [Die Situation erinnert sehr deutlich an eine Szene aus dem Film „Erinnerung an die Zukunft“ nach Däniken (1970), wo die Ruinen von Simbabwe mit einem optisch nicht sehr attraktiven Afrikaner im Bild gezeigt werden und dazu sinngemäß die Frage gestellt wird: „Und diese Bauten sollen von den Vorfahren dieses Menschen errichtet worden sein?“ Der diffamierend zweifelnde Ton der Frage ist schriftlich leider nicht widerzugeben, aber er hat sich mir tief eingeprägt.] Die Herstellung dieser Erdbauanlagen den verlorenen Stämmen Israels zuzuschreiben war noch der harmloseste Erklärungsversuch. 1830 gründete sich aus dieser Geisteshaltung die spätere Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (engl.: The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints).

Stellvertretend für viele Bildungsbürger, die außerhalb „spiritueller oder phantastischer Wege“ nach einer sachlichen Klärung dieser Frage nach den Schöpfern dieser künstlichen Hügel suchten, seien hier Thomas Jefferson (dritter Präsident der USA, *13.04.1742, †04.07.1826), aber auch viele Bildungs-Clubs und –Zirkel genannt. Es entwickelte sich damit in den Vereinigten Staaten von Nordamerika eine eigene Archäologie. Thomas Jefferson ließ bereits 1781 an einem künstlichen Hügel/engl. Mound im Bundesstaat Virginia die erste schichtbezogene/stratigrafische Ausgrabung durchführen.

Diese nordamerikanische Archäologie formulierte für die von ihr zur Kenntnis genommenen Erdbauanlagen (engl.: mounds, earthworks) und ihre nun als eingeboren/indigen/nativ erkannten Schöpfer den Begriff mound builder/Hügelerbauer bzw. Moundbuilder culture(s)/Kultur(en) der Hügelerbauer. Der Begriff ist kurz und gängig und wird als ältester Fachbegriff für diese kulturellen Erscheinungen auch in der Sekundärliteratur ständig weiter genutzt. Er entwirft ein sehr einfaches, z.Z. seiner Formulierung jedoch völlig ausreichendes, aber nach dem heutigen Erkenntnisstand unzureichendes, zu stark vereinfachendes und damit verfälschendes Bild einer geographisch breit über den Südosten und auch bis in den Nordosten der USA verteilten ungemein komplexen kulturellen Erscheinung.

Die Mounds/Erdbauanlagen (EBA) sind grundsätzlich (und für den Archäologen auffällige) spirituell initiierte Aktivitätszentren von Gemeinschaften, bei denen man manchmal in der engeren und/oder weiteren Umgebung Spuren profaner menschlicher Aktivität (außer den aufgeschütteten Baustoffen selbst) findet (Feuerspuren, feuerrissige Steine, Abfälle, Artefakte, durch Erde überdeckte Reste von Fauna und Flora, Wohnstättenspuren u.ä.). Die Spuren veranlassten zur Definition von Kulturen größerer und kleinerer räumlicher und zeitlicher Ausdehnung. Diese Kulturen erscheinen in einem Geschichts- und Kulturhologramm (3D-Computermodell über Fläche und Zeit) als entsprechende „Wolken“.

Im Gegensatz zu den Mounds wurde jedoch für Nordamerika keine Kultur definiert, die sich an megalithische und/oder aus kleineren Steinen errichtete Bauten anlehnte. Ich muss hier bekennen, dass ich aus informationssuchtechnischen Gründen der IT-Zeit mich auf den knappen Begriff Megalith konzentriert habe und nicht auf die bessere, aber sprachlich unbequeme und sperrige Formulierung Steinbauanlagen, u.a. durch Verwendung von Megalithen. Ein Megalith ist ein Gesteinsstück, bei dem wenigstens eine Dimension größer als ein Meter ist und deren Form plattig, stänglich oder kubisch sein kann.

Die nordamerikanischen Steinbauanlagen, die teilweise megalithsch waren, wurden erst sehr spät zur Kenntnis genommen, wofür es außer Ignoranz mehrere Gründe gibt.

Der Verbreitungsschwerpunkt solcher Steinbauanlagen ist das Gebiet der New England Staaten, ein im Maßstab der USA relativ kleiner Bereich (Die Ausstrahlungszone ist hierbei vorerst unberücksichtigt!).

Die erkennbaren Reste der Steinbauwerke weisen keine Bestattungen, keine objektbezogenen Artefakte und keine nachgewiesenen dörflichen Anbindungen auf. Der Mangel an zuverlässig angebundenen Artefakten und datierbarem Probenmaterial ist ein gravierendes Problem für die archäologische Erschießung einer solchen Stätte. Damit sind solche Anlagen für professionelle Archäologen und ihre Finanzierer wegen „offensichtlicher Ergebnislosigkeit/Unergiebigkeit“ weitgehend uninteressant.

Im Gebiet von Neu England hinterließen die kolonialen Bauernwirtschaften nach ihrer Aufgabe zahlreiche Steinbau-/-anlagenreste, die von Hausfundamenten über Feldrand-Steinablagestellen bis zu baulichen Anlagen wie möglichen Kellern und Unterständen reichen. Damit wurden sie für frühe (vor 1960) Archäologen weitgehend uninteressant. Auch in der 1991 erschienenen ausgezeichneten Publikation „Das frühe Nordamerika / Archäologie eines Kontinents“ von Brian M. Fagan wird diese Seite der indigenen Kultur Nordamerikas nicht erwähnt.

Das Feld der Erkundungs- und Erfassungsarbeiten für solche Anlagen wird den hochzuachtenden lokalen Heimatkundlern und Amateurarchäologen überlassen, die keine akademische Ausbildung für die sowieso nicht praktizierten Ausgrabungen brauchen und deshalb auch ohne die dafür notwendigen Finanzen auskommen. Ein solcher Freiwilligen-Verein z.B. ist die New England Antiquities Research Association (NEARA), eine Gruppe von Hobby-Archäologen, die sich als Verein 1964 gegründet hat und für die Suche und das Studium der New England Steinkonstruktionen interessierte und auch noch heute aktiv ist. Ihre akademische Ungebundenheit sicherte ihnen aber gleichzeitig eine interpretatorische Freiheit, die neben ernsthaften und hochzuschätzenden Aktivitäten und Schlüssen auch zu vielen phantastischen Interpretationsblüten bezüglich der Erbauer dieser Anlagen führte (Megalithiker, alte Kelten, irische Mönche, Phönizier u.v.a.).

Die Erkenntnisgeschichte der Steinbauanlagen incl. Megalithen ist also sehr diffus – im Gegensatz zu den Erdbauwerken der Moundkulturen, für die bereits 1848 mit der Publikation „ANCIENT MONUMENTS OF THE MISSISSIPPI VALLEY“ von E.G. Squier, AM. und E.H. Davis, M.D. die Grundlage gelegt wurde. Aus diesem Grund war die mediale Aufmerksamkeit für die nordamerikanischen Steinbauanlagen meist nur regional beschränkt und erlangte nicht die Stellung, die die prähistorischen Steinbauanlagen in der Alten Welt erlangten. Aber sie existieren und sollen deshalb hier mit genannt werden.

Außer den beiden Stichworten „Mounds“ und „Megalithe“ steht im Titel auch der lokalisierende Begriff „Großbauten im prähistorischen östlichen Nordamerika“. Großbau ist ein „schwammiger“, unpräziser Begriff und kennzeichnet nur ein bauliches, architektonisches Objekt, dass – gemessen an der Erwartungshaltung der heutigen Menschen – eine unerwartete, den Erbauern nicht oder kaum zugetraute Größe (Volumen, Fläche, Arbeitsaufwand) aufweist. Solche, in ihrer Größe den Erbauern nicht zugetrauten Bauwerke existieren in Nordamerika in den Kategorien „Erdbauwerke“/Mounds und „Steinbauwerke“/Megalithe. Die räumliche Betrachtungsbegrenzung auf den größeren Südosten von Nordamerika schließt eine Berücksichtigung der baulichen Anlagen des nordamerikanischen Südwestens (prähistorische Pueblo-Kulturen), die teilweise auch sehr groß waren, in dieser Publikation aus.

Die Betonung der sogenannte „Großbauten“ impliziert zwangsläufig die Vorstellung, dass es auch sogenannte „Kleinbauten“ gibt. Das ist richtig. Von jedem Bau gibt es große und kleine Ausführungen, Bauten, die für ihre Errichtung mehr oder weniger Arbeitsaufwand erfordern. Die sogenannten großen, gesellschaftlich bedeutenderen als die kleinen, stehen im Mittelpunkt der Betrachtung. Alle diese Bauten, ob groß oder klein, sind architektonische Zeugnisse indigener nordamerikanischer Kulturen, deren mehr oder minder gut erhaltenen Überreste die Grundlage für die folgenden Betrachtungen sind.

Aus Wikipedia – Architektur: In der engeren Bedeutung des klassischen Architekturbegriffs meint Architektur die Kunst und/oder Wissenschaft des planvollen Entwurfs der gebauten menschlichen Umwelt, d.h. die Auseinandersetzung mit dem vom Menschen geschaffenen Raum und insbesondere der Wechselbeziehung zwischen Mensch, (vom Menschen geschaffenen) Raum und Zeit.

Größe der Großbauten

Die Größe der baulichen Anlagen (Mounds/Earthworks/Effigy mounds, Megalithe/Stoneworks, Shellworks) korrespondiert mit der Populationsgröße der erbauenden Gemeinschaft(en), der Größe/ökonomischen Ergiebigkeit des von ihr belegten/beanspruchten Subsistenzrevieres/Ressourcengebietes, der Zeitdauer seiner Errichtung und/oder der Dauer seiner Nutzung. Die baulichen Anlagen sind, unabhängig von ihrer direkten Funktion, Reviermarker und spirituelle Zentren der sie errichtenden Gemeinschaften.

Die Anlagen entstanden als eine bewusste, geplante Arbeitsleistung, konnten aber zu ihrer optisch-funktionellen Hervorhebung und/oder auch zur Minimierung bestimmter Arbeitsleistungen bestimmte topografische Erscheinungen (Hügel, Rücken, Ebenen, erhöhte Ebenen, Felsen, Findlinge u.ä.) sowie Abfallhaufen/midden zur Gestaltung der geplanten Anlage mit nutzen.

Ob ein Bau nach unseren heutigen Ansichten ein Großbau ist, hängt nicht schlechthin von irgendeiner absoluten Größe der Anlage oder der Größe und/oder Masse/Anzahl der Bauelemente ab, sondern allein von der Tatsache, dass die heutige patriarchale, staatsgetragene Gesellschaft einer urgesellschaftlichen Gemeinschaft keine solche physische und mentale Leistung zugetraut hat, wie sie sich in den sichtbaren oder erkannten Überresten ihrer Leistungen in unseren Augen darstellt. „Groß“ ist also primär die Größe unseres „Nichtzutrauens“ bezüglich der freiwilligen Leistungsfähigkeit urgesellschaftlicher Gemeinschaften und des Mehrproduktes ihrer wirtschaftlichen Aktivität.

Vom Grundsatz her darf man einer nicht produzierenden, sondern nur sammelnden, jagenden und/oder erntenden Subsistenzwirtschaft kein Mehrprodukt zuschreiben, da sie als aneignende Erwerbsform nichts produziert. Das natürliche Potenziel und das auf dem Geschick der menschlichen Akteure aufbauende „Erwerbspotenzial“ erlaubten jedoch eine so hohe und über das unmittelbare lebensnotwendige Maß hinausgehende ausreichende und zuverlässige Nahrungsstoffversorgung, dass dadurch „freie Zeit“ erlangt wurde, die für „unproduktive“, spirituelle Aktivitäten, u.a für die Errichtung von Erdbauanlagen verwendet werden konnte. Hätten die Menschen diese ihre „Freizeit“ für darstellende (wie Gesang, Tanz) und nicht für bildende (wie bauliche Anlagen) Kulturaktivitäten genutzt, hätten die Archäologen nichts gefunden und diese Menschengruppen wären in unseren Augen „kulturlos“ geblieben – „sie hätten (für UNS) nichts dauerhaftes erschaffen. Eine etwas sehr einseitige/halbblinde Sicht auf die Kulturleistung „nichtzivilisierter“ Menschen.

Erscheinungsgebiet und Erscheinungszeit der nordamerikanischen Großbauten

Die baulichen Anlagen erschienen zu unterschiedlichen Zeiten, in unterschiedlichen Konzentrationen und für die verschiedensten Funktionen im fast gesamten Mississippi-/Missouri-Gebiet und den Unter- und Mittelläufen der Mississippi-Nebenflüsse, in den östlichen und südlichen Flussbereichen der Appalachen, im Küstenbereich des Golfes von Mexiko, des Atlantiks und in Florida und um die Great Lakes. Dies ist eine Fläche von ca. 2500 x 2500 km, ca. 6 Mio km². (Die analogen Großbauten Eurasiens erstrecken sich über eine Fläche, die von Nord nach Süd ca. 2.600 km und von Ost nach West ca. 4.500 km misst.)

Das genannte nordamerikanische „Großbauten-Gebiet“ war durch Waldländer unterschiedlicher Öko- und Klimazonen mit einer sehr hohen Biodiversität gekennzeichnet, die besonders durch Wasserläufe, stehende Gewässer/Seen und Küstenbereiche gekennzeichnet waren. Die potenziellen Nahrungsstoffressourcen waren vielfältig, quantitativ umfangreich und wiesen einen relativ hohen Grad an Konstanz (= Zuverlässigkeit) auf.

Bei dieser Grundcharakteristik darf aber keinesfalss außer Acht gelassen werden, dass das nacheiszeitliche (ab 10.000 v.d.Z.) Nordamerika und auch der hier betrachtete Bereich erheblichen allseitigen Veränderungen (Eisabschmelze, eustatische Hebungen, Meeresspiegelanstieg, Gefälleverminderung von Fließgewässern, großräumige Klimaveränderungen) ausgesetzt war, die einen erheblichen, Anpasssung erfordernden Einfluss auf die Flora und Fauna und die von ihr lebenden Menschen in diesen Gebieten ausübten.

Diese Veränderungen gingen nach menschlichen Maßstäben sehr langsam vonstatten, erforderten aber trotzdem eine hohe Anpassungsfähigkeit der Gemeinschaften mit entsprechender Flexibilität bei den Nahrungsbeschaffungstechniken und –technologien. Dies drückte sich in Wanderungen zur Suche nach bestmöglichen Nahrungsstoffressourcen und der Entwicklung passender Nahrungsstoffbeschaffungstechnologien und –verarbeitungstechnologien aus. Ein wesentliches Erkenntnisproblem dieses Sachverhaltes liegt darin begründet, dass fast ausschließlich nur steinerne, knöcherne und gegebenenfalls aus Molluskenschalen hergestellte Werkzeuge/Objekte und deren Reste für eine Interpretation dieser Verhältnise erhalten geblieben und die zweifelsfrei vorhandenen Ausrüstungen (Netze, Fallen, Reußen u.ä.) aus organischem Material zerfallen sind und so für eine Beurteilung fehlen. Auf Fähigkeiten und Methoden lässt sich nur sehr spekulativ und mangelhaft aus den erhaltenen physischen Resten extrapolieren. Die Bevölkerungsdichte und –stärke war, gemessen am Ressourcenpotenzial, sehr gering.

Die ältesten Mounds von Nordamerika wurden bereits im Archaikum errichtet: Grabmound von L‘Anse Amour von 5.500 v.d.Z. (Bestattungsmound, Labradorküste/Kanada), die Monte Sano Mounds (Zeremonialmounds) in Louisiana um 4.500 v.d.Z. und der Molluskenschalenring Fig Island 3 in Carolina von 2075±125 v.d.Z. Die Erbauung/Gestaltung und Nutzung von Mounds endete im 16. Jahrhundert u.Z., auch wenn auf einigen Mounds noch Bestattungen in historischer Zeit erfolgten. Der Beginn megalitischer und/oder allgemeiner Steinbauanlagen wird ab 2000 v.d.Z angesetzt. (In Eurasien begann die Errichtung von Mega-Bauten wie Megatlih-Anlagen und Erdbauwerke um/ab 5600 v.d.Z.)

Baumaterialien der nordamerikanischen Großbauten

Diese Anlagen entstanden - räumlich und zeitlich sehr verstreut – aus unterschiedlichen natürlichen Rohstoffen wie kohäsionslosen und bindigen Böden, natürlich geformten und/oder teilbearbeiteten Steinstücken und Schalen/Gehäusen/shells von marinen, limnischen (aus Binnengewässern wie Teiche, Seen etc. stammend) und riverinen (aus Fließgewässern stammend) Mollusken und auch aus Baumstämmen/-pfosten. Im Allgemeinen standen diese Rohstoffe lokal in der Umgebung der baulichen Anlage (ca. 1 km) zur Verfügung. Es gibt fallweise aber auch Indizien für einen Transport des Baumaterials über größere Entfernungen. Die drei genannten nicht verrottbaren Baumaterialien (Boden, Stein, Molluskenschalen) konnten das einzige Baumaterial einer Anlage gewesen sein, konnten aber auch vermischt oder schichtweise in der Anlage auftreten – z.T. bewusst farblich differenziert. In Anlagen aus Molluskenschalen waren auch Abfallknochen vertreten. In, bei, um und/oder unter solchen baulichen Anlagen – speziell bei Grabmounds – konnten auch Kammern eingerichtet worden sein, die aus Baumstämmen und/oder gesetzten/gestapelten Steinen (Krypten) gestaltet worden waren. Aus Baumstämmen/Pfosten wurden auch palisadenartige Anlagen, Hendges (prähistorische Wall- oder Ringanlagen, wie das berühmte Stone Henge in England) und Tempel/Beratungshäuser/ggf. auch Beinhäuser gestaltet.

Die megalithischen Anlagen von New England waren im Wesentlichen Steinsetzungen, Dolmen sowie künstliche Höhlenbauten mit teilweiser oder vollständiger Erdüberdeckung.

Formen der Erdbauanlagen

Die baulichen Anlagen existierten in positiver Form (Aufschüttung, Steinlegung) und/oder in negativer Form (Erdaushub), oft - aus bautechnischen Gründen - unmittelbar benachbart, aber auch vereinzelt.

Die baulichen Anlagen aus dem Hauptbaustoff Erde oder Molluskenschalen hatten je nach Zeit, Lokalität, Rohstoff und geplanter Funktion bei ihrer Entstehung sehr unterschiedliche Formen:

1. “Punktförmige“ Anlagen mit runden, elliptischen, ovalen, quadratischen, rechteckigen Grundrissen {= Mounds}

Die runden Anlagen sind meist mehr oder minder – bewusst oder erosiv - abgerundete Kegelstümpfe oder Kugelabschnitte; seltener korrekte Kegelstümpfe (unter Beachtung der zeitbedingten Verwitterung/Erosion!) und abgerundete Kegel (unter Beachtung der zeitbedingten Verwitterung/Erosion!); elliptische/ovale Anlagen werden oft als „brotförmig“ oder Rückenmounds beschrieben. Quadratische/rechteckige Anlagen sind unter Beachtung der zeitbedingten Verwitterung/Erosion Pyramidenstümpfe, die oft mit an- oder eingebauten Aufstiegsrampen versehen sind. Zwischen den runden und den rechteckigen Anlagen sind als „Übergang“ oder Zwischenstufe rechteckige Anlagen mit abgerundeten Ecken anzusehen.

Eine Zwischen- oder Anfangsstufe ist – allerdings nur beim Einsatz von Molluskenschalen als Baumaterial – die Phase, in der die primäre Ablage nur eine sporadische Ansammlung von sog. Küchenabfällen ist und die noch keine bewusste oder planmäßige, auf eine Nutzung orientierte Ablage/Aufhäufung von Molluskenschalen (und Knochen) darstellt. In dieser Entstehungsphase eines potenziellen Mounds wird die Anhäufung als Shell heap/Shell midden/Muschelschalen-Abfallhaufen bezeichnet. Erst wenn dieser Haufen eine bewusste funktionelle Nutzung erfährt und eventuell auch entsprechend weiter gestaltet wird, ist aus dem Midden ein Mound geworden. Der Übergang vom Shell Midden zum Shell Mound ist eine Grauzone. Wenn Shell heaps von den Indigenen als Gewinnungsstelle von Baumaterial für die Errichtung von Shell Mounds benutzt wurden, blieb die „Gewinnungsstelle“ trotz ihrer funktionellen Nutzung als Rohstoffquelle auf dem Niveau von Midden.

2. “Langgezogene“ Anlagen bestehen aus Wällen, die unterschiedliche Verlaufsformen von streng geometrisch (Kreis, Oval, Ellipse, Quadrat, Rechteck, Linearer Damm/Wall, Parallele Wälle) bis irregulär (meist an natürliche Formen angepasst) aufweisen {Erdbauanlagen/Earthworks, Molluskenschalen-Ringe}

3. “Figurenförmige“ Anlagen sind vom Grundsatz her als „positiv“ gestaltete Erdzeichnungen/Geoglyphen anzusehen, die – als Einzeldarstellung oder als Gruppe oder in Gruppen angeordnet – Tiere (Totemtier, Geistertier o.ä.) und vereinzelt auch Menschen darstellen. Nach den Umriss-Formen sind u.a. Vögel, Reptilien (Eidechse, Schlange), Bären, Katzen, Krabben zu erkennen bzw. zu interpretieren {Figurenmounds/Effigy mounds}.

4. Punktförmige und langgezogene positive Erdbauanlagen sind oft mit negativ geformten Anlagen in Form von Gräben und/oder Gruben kombiniert. Beide Anlagenklassen entstanden bei der bewussten Erdstoffgewinnung für die Errichtung entsprechender Mounds und/oder Erdbauanlagen/Earthworks (minimaler Transportweg für die Erdstoffe). Die Gräben waren mit den Mounds und/oder den Wällen zu funktionellen Einheiten verbunden, nicht nur technisch durch die Transportminimierung. Die Gruben waren unter technischen Gesichtspunkten (Transportweg, Bodenart, Bodenfarbe u.ä.) ausgesuchte Erdentnahmestellen und wurden sehr selten bewusst funktionell gestaltet oder in funktionelle Gestaltungen einbezogen. Einige Grabenanlagen werden als Defensiv-Anlage [gegen Menschen; gegen Geister] interpretiert. Eine spezielle Grabenanlage stellen eindeutige und kilometerlange Transportkanäle, speziell in Florida, dar; Bewässerungskanäle spielen in diesem wasserreichen Gebiet keine Rolle. Eine flächige Gewinnung von Erdstoffen für eine Aufschüttung von Mounds und/oder Erdbauanlagen/Earthworks ist möglich und z.T. sehr wahrscheinlich, aber archäologisch kaum nachweisbar. Bausteine wurden in der Landschaft gesammelt und/oder an stark klüftigen Fundorten (quarry) gebrochen/abgelöst.

Der Begriff ‘Erdbauanlagen/Earthworks‘ kann aber nicht nur für die „Langgezogenen“ Anlagen, sondern prinzipiell für alle durch Erdaufhäufung oder auch Erdstoffaushub erzeugten architektonischen Erscheinungen verwendet werden.

Die Nutzung von Holz (Stämme/Pfosten) ist wegen der Vergänglichkeit dieses Materials heute nicht mehr sichtbar und nur durch Ausgrabungen nachweisbar (Brandzerstörung, Grabkammern, als Pfostenlöcher von Hausbauwerken wie Karnern (Bein- oder Knochenhäuser), Tempeln und Beratungs-/Repräsentationsräumen, Palisaden und Hendges).

Formen der Molluskenschalenanlagen

Die Formen der Bauwerke aus Molluskenschalen sind vom Prinzip her ähnlich denen der Erdbauwerke. Es sind mehr oder minder hügelige und rückenförmige Aufhäufungen. Letztere weisen mehr oder minder regelmäßige U-förmige und ringförmige (Bogen, Halbringe mit und ohne Lücken, geschlossene Ringe) Grundrisse mit einem mehr oder minder differenzierten Breiten- und Höhenprofil auf. Hügelige Aufhäufungen mit geometrischem oder auch mit irregulärem Grundriss können miteinander und auch mit Wällen untereinander verbunden und mit Rampen ausgestattet sein. Ebenso können Ringanlagen mit Wällen verbunden sein. Es gibt auch Anlagen aus mehreren parallelen Ringsegmenten sowie lineare Parallelwälle. Vereinzelt erscheinen auch Aufschüttungen in Tierform (Krabbe). Eine Sonderform stellen Inselanlagen mit Kanälen, Hafenanlagen und Tempelhügeln bei den Calusa dar. Analog zu profanen Fischfangwehren (für Reußen-Einsatz) aus Steinsetzungen in flachen Flüssen sind ringförmige Fischfang-Anlagen mit Öffnung im Ebbe-Flut-Bereich anzutreffen.

Formen der Steinbauanlagen

Wand-/wallartige Steinbauanlagen erscheinen in einem großen Teil des nordamerikanischen Südostens, spielen jedoch wegen der Steinressoucenabhängigkeit in den Schwemmlandbereichen des Mississippi und auf Florida sogut wie keine Rolle.

Die Steinwand-/wallstrukturen lassen sich in folgende Bauwerksgrundtypen einteilen:

Wand-/Wallkomplexe (engl. wall complexes)

Verbindungswände/-wälle (engl. linking walls)

Gerichtete Wände/Wälle (engl. directional walls)

Schlangenförmige Wände/Wälle (engl. serpent effigy walls)

U- und D-Förmige Wände/Wälle (engl. U- and D-shaped walls)

Steinerne Fischwehre (engl. stone fish weirs)

Wände/Wälle auf oder entlang von geologischen Bruch- und Verwerfungslinien (engl. fault line walls)

Wände/Wälle zu Findlingen und/oder großen Felsen (engl. walls to boulders)

Wände/Wälle auf, an oder als Spirituelle Pfade (engl. spirit path walls)

Contour Walls // Konturenwände/-wälle (engl. contour walls)

„Torwegwände/-wälle (engl. gateway walls)

Hügelkuppenumschließungen (engl. hilltop enclosures)

Steinwände/-wälle im Zusammenhang mit Felsschutzräumen (engl. rock shelter stone walls)

Fischwehre/Reußen aus Steinwällen/Steinlegungen sind die einzigen profanen/utilitaristischen Anlagen. Sie wurden an geeigneten, ausreichend flachen und fischreichen Fließgewässern angelegt. Sie sind, wenn man sie noch findet, quer über den nordamerikanischen Kontinent verbreitet und wurden in Florida auch als ringförmige Molluskenschalenaufhäufungen gebaut.

Außer den oben genannten Steinwänden/-wällen gibt es jedoch im Gebiet der New England Staaten und der Staaten New York und Pennsylania noch weitere architektonische Formen, die aus Steinen errichtet und/oder offensichtlich spirituell bedeutsame Plätze mit großen Steinen waren. Diese Formen sind:

Stehende Steine (bretonisch menhire)

Dolmen (kornisch)

Ausgewogene Steine (engl. balanced rocks)

Steinhaufen/Steinstapel (schottisch-gälisch cairns)

Steinkammern (engl. stone chambers).

Bei bestimmten Dolmen und Ausgewogenen Steinen steht die Frage, ob ihre Erscheinungsform von Menschen geschaffen oder natürlichen Ursprungs ist – was jedoch nichts von ihrer spirituellen Wirkung auf die Indigenen reduziert.

Anzahl der prähistorischen Großbauten

Im erweiterten Südosten von Nordamerika schätzte man die Anzahl der Großbauten unterschiedlicher Quantität und Qualität auf ca. 100.000 Stück, von denen die meisten zivilisatorisch ausgelöscht worden sind. Für die New England Staaten wird bei einem sehr dürftigen archäologischen Erschließungsstand die Anzahl der zum Teil megalithischen Steinbauten mit ca. 500 bis 700 Stück angegeben. Ob alle erfassten Stein-Bauten indigenen Ursprungs sind, wird noch diskutiert und prähistorisch ist nicht automatisch mit indigen gleichzusetzen.

Warum wurden Großbauten errichtet?

Die Errichtung von Großbauten war offensichtlich neben vielen anderen Gründen vom Wunsch (an die spirituellen Kräfte) getragen, einen akzeptablen Status Quo (ausreichende und zuverlässige Subsistenz und zuverlässig erreichbares Mehrprodukt mit dem entsprechenden Ressourcenrevier) zu erhalten (Sicherung eines zufriedenstellenden status quo).

Großbauten erscheinen als Folge eines gravierenden ideologischen (religiösen, spirituellen und rituell-zeremoniellen) Wandels innerhalb der Urgesellschaft und eines ausreichenden Mehrproduktes der Erbauer. Dabei ist es offensichtlich relativ uninteressant, ob das Mehrprodukt durch eine aneignende oder eine produzierende Wirtschaftsweise erlangt wird.

Der Wunsch nach einer extragroßen Gestaltung spiritueller architektonischer Ausdrucksformen kann mit großräumigen klimatischen Veränderungen und deren positiven oder negativen Folgen auf die Subsistenzressourcen der sie nutzenden Gemeinschaften korrespondieren beziehungsweise von diesen initiiert worden sein. Auch der postglaziale Meeresspiegelanstieg kann, speziell in den flachen Küstenbereichen, durch „maritime Landnahme“ und im Hinterland durch Gefällereduzierungen der Wasserabflüsse und deren geografische und subsistenzielle Auswirkungen initiierend gewirkt haben. Um 3700 v.d.Z. lag der Meeresspiegel bei -2 m NN, im Vergleich zu ca. -60 m NN um 10.000 v.d.Z..

Es ist davon auszugehen, dass die Idee oder das Bedürfnis zu den ersten Großbauten als Beobachtungszentren der natürlichen Zeitzyklen (astronomische Ausrichtung {relativ gut nachweisbar} zur Kontrolle der Zeitabläufe – zu welchem Zweck auch immer – und/oder als Stätten des Werdens und Vergehens (auch ein zeitlicher Prozess) entstanden. Grundlage sind chtonische (weib- und mutterorientierte, fruchtbarkeitsorientierte) und sphärische (auf das geozentrierte Himmels-„gewölbe“ orientierte) Weltanschauungen und entsprechende spirituelle Modelle der Errichtergemeinschaft(en). Gegebenenfalls sind sie auch (in späterer Zeit) Manifestationen von Ahnenkulten und daraus abgeleiteten Machtansprüchen.

Die Vorbilder der Großbauten/-anlagen waren natürliche Erscheinungsformen wie Hügel, Berge, Bergspitzen, Felsgrate, Bäume und Baumalleen (Lichtstrahlen- und Schattenwurf entsprechender Marker) und sogenannte Horizontkalender und auch Höhlen mit ihren inneren Erscheinungen von Licht und Finsternis. Nachweisbar ist nur das, was sich so weit erhalten hat, dass es der Archäologe ein paar Tausend Jahre später sehr bruchstückhaft ausgraben und/oder gegebenenfalls auch erfassen kann. Eine Baumallee, ein heiliger Hain, ein heiliger Baum kann nur aus Berichten viel späterer Zeit mit einer gewissen Plausibilität vermutet, aber nicht mehr nachgewiesen werden. Welche spirituellen Vorstellungen und Rituale die Erbauer dieser Anlagen damit verbanden und wie sich diese bei scheinbar gleicher Manifestation über Raum und Zeit veränderten, bleibt vollends eine Hypothese oder nur eine Spekulation. (Aber es ist reizvoll, sich darin zu bewegen und es lässt sich auch trefflich darüber streiten – ohne auf stichhaltige Beweise zurückzugreifen oder zurückgreifen zu können.) Bauwerke gleicher Form müssen nicht gleichen Funktionen gedient haben.

Aufgaben und Funktionen von Großbauten

Die hier avisierten Großbauwerke von Nordamerika sind künstliche, von Menschenhand und nach Menschenvorstellungen angelegte bauliche Anlagen unterschiedlichster Konfiguration und Funktion. Nur für einen kleinen Teil der Anlagen können die heutigen Menschen mit unterschiedlicher Plausibilittät einige Funktionen angeben. Für einen Teil der Anlagen bleibt die Zielstellung/Motivation der Erbauer/Gestalter im Dunkel oder ist nur stark spekulativ zu vermuten.

Da allen bekannten Anlagen bis auf zwei Typen keinerlei utilitaristischer Zweck unterstellt werden konnte, haben alle diese Großbauten einen spirituellen Charakter. D.h. sie wurden in der „Freizeit“, der Zeit, die nicht für den unmittelbaren physischen Lebenserhalt erforderlich war, errichtet. Die Arbeit der Erbauer dieser Großbauten für den eigenen Lebenserhalt war im Rahmen der verfügbaren und genutzten Ressourcen für Nahrungsstoffe, für Baumaterial für Schutzräume/Wohnräume und für Feuerungszwecke so effektiv (erbrachte ein solch umfangreiches Mehrprodukt), dass mindesten(!) ein der Größe des heute noch erkennbaren spirituellen Bauwerks entsprechender Zeitfonds für die errichtende Gemeinschaft verfügbar war. Die Arbeit zur Errichtung der spirituellen Bauten war eine freiwillige, auf Überzeugung und Sinnhaftigkeit für den einzelnen Menschen und seiner Gemeinschaft beruhende Tätigkeit. Die errichteten Bauten bzw. ihre Stätten als Gesamtheit und die damit verknüpften spirituellen Vorstellungen und Aktivitäten waren für die Gemeinschaft und auch den Einzelnen identitätsfördernd/-bildend und stärkten die mentale Immunität gegen nicht voraussehbaren Existenzstress.

Die gesamte, als animistisch anzusehende Spiritualität war auf das Begreifen und möglicherweise für den Einzelnen und/oder die Gemeinschaft positive Beeinflussen von als spirituell angesehenen Kräften (des „Schicksals“) ausgerichtet. Dies umfasst die Prozesse des Werdens und des Vergehens, also „Bewegungsabläufe“. Das Phänomen des scheinbaren „Bewegungsendes“, des Todes, wurde spirituell zu einer weiteren Bewegung in den und in dem spirituellen Raum (dem „Jenseits“) extrapoliert. Der Endzustand eines Prozesses, der “Tod“, kann für Archäologen einen End-„Punkt“, ein Indiz für einen abgelaufenen Prozess ergeben. Eine in einem Abfalhaufen aufgefundene Mollusskenschale ist ein Indiz für den Prozess des Aufsuchens, des Sammelns, ggf. des Zubereitens und des Verzehrs der Molluske. Ähnlich verhält es sich mit der aufgefundenen Bestattungsstätte eines/einer Verstorbenen. Der Endpunkt ist dem Archäologen bekannt, was davor war, lässt sich bestenfalls nur durch Erfahrung, Untersuchung und Anschauung in Spuren erschließen oder man glaubt, es erschlossen zu haben.

Riten des Vergehens, des Sterbens und des Todes – konkret für den einzelnen Menschen – sind in den archäologisch erfassbaren Indizien der Grabstätten manifestiert. Die zweifellos vorhandenen Riten zur Geburt und dem Erwachen des Lebens waren aber offensichtlich meist nur darstellender Art und entziehen sich so weitgehend der archäologischen Erkenntnis und der medialen Aufmerksamkeit. (Die Erkenntnis des Umgangs mit einer „Monatsbinde“ oder einer Nachgeburt ist für einen Archäologen – vor allem für einen männlichen - problematischer als die Bestattung einer Leiche zu erfassen.) Damit ist die Erkenntnis der Großbauten errichtenden Kulturen für uns stark an den Toten- und Bestattungskult gebunden. Ein sehr einseitige Angelegenheit, die durch die Medien noch gefördert wird. Grabbeigaben sind interessant, Geschenke bei der Geburt jedoch nicht oder werden nicht wahrgenommen oder sind nicht nachweisbar.

Viele der heute zur allgemeinen Kenntnis genommenen medial „sensationellen“ Großbauten/-anlagen stammen aus dem Kontext der Bestattungsriten und –zeremonien. Diese Bemerkung kann man aber so einseitig auch nicht stehen lassen, denn es gab auch Großbauten, die vermutlich den spirituellen Vorstellungen über Leben und Fruchtbarkeit gewidmet waren. Im Prinzip kann man alle Anlagen, die keinen direkten Bezug zu Bestattungen haben – allerdings sehr spekulativ! – als spirituell mit dem Leben, dem Werden und der allumfassenden Fruchtbarkeit verbunden anzusehen. Ein Teil der Anlagen diente - ganz und/oder teilweise - auch „kalendarischen“ Beobachtungsaufgaben, einer menschgeschaffenen Unterteilung der unendlichen Zeit in für den Menschen überschaubare Abschnitte, und könnte möglicherweise im Rahmen von weibgetragenen Fruchtbarkeitskulten rituell wirksam geworden sein. Die spirituell dem Leben gewidmeten baulichen Anlagen bieten durch ihre Prozessorientierung keine oder nur sehr wenige und dann meist medial „unattraktive“ Artefakte. Dazu kommt die „Angewohnheit“ der Nutzer, keine „Reste“ (= Artefakte) in Bereichen zurückzulassen, die für sie gemäß unserer heutigen Ansicht sakral (wichtig) waren. Abfälle gehörten nicht auf eine solche Stätte und vergegenständlichte Bitten/Gebete (sogenannte Opfer) wurden nur den Verstorbenen zur spirituellen Weitergabe an die Geister mitgegeben.

Lebendige Bitten/Gebete wurden im Rahmen darstellender Aktivitäten (z.B. Tanz, Gesang, Pantomime) ausgesendet und sind für Archäologen „unfassbar“. Sie existierten, aber können durch ihre nichtphysische/energetische Form nicht einer archäologisch basierten Kulturbeschreibung dienen. Eine Ausnahme spielen in sakralen Stätten verbliebene figürliche Darstellungen aus unvergänglichem Material, die Indizien für spirituelle Aktivitäten zur Fruchtbarkeit, zur Weiblichkeit, zum Leben geben. Aber diese Stücke wie die „Cahokia-Madonna“ und die kupfernen Reliefplatten passen meist in eine Vitrine und haben für den „normalen“ Betrachter nichts von „groß“ an sich – es ist aber die gleiche Kultur, die die Indizien des Bestattungskultes hervorbrachte.

Die nordamerikanischen baulichen Anlagen aus Erde, Stein und/oder Molluskenschalen sind die arbeitsaufwendigsten unproduktiven (spirituellen) physischen(!) Erscheinungen von indigenen Kulturen, die die Archäologen im Südosten und Nordosten von Nordamerika feststellen konnten (= größte physische Gemeinschaftsleistung). „Am Rande“ sind hier jedoch auch die in den New England Staaten auftretenden megalithischen und Steinbauanlagen (Tunnel, bienenkorbähnliche Kammerbauten und Steinsetzungen) aus der Spätarchaik und der frühen Waldland-Zeit (ab 2000 v.d.Z. bis ca. 100 u.Z.) zu erwähnen. Die Erdüberdeckung einiger dieser Bauten (Höhlen) brachte aber die Archäologen nicht dazu, diese mit den Mounds gleichzusetzen, die Kammergräber aus Trockensteinmauerwerk oder aus Holzstämmen aufwiesen.

Eine funktionell diffuse Zwitterrolle spielen negative Erdbauanlagen/Erdaushubstellen oder –bereiche. Diese sind meist Gräben oder seltener flächige oder gar flächig-figurale Bodenentnahmebereiche. Diese Bodenentnahmestellen können eine bewusste spirituelle Anlage, aber auch eine technische und damit utilitaristische Maßnahme sein (Erdstoffgewinnung für die Moundaufschüttung), ein temporäres Aufbewahrungsbecken für lebende Fische oder auch ein defensives Element einer Verteidigungsanlage gegen menschliche oder spirituelle Feinde sein (nach Meinung einiger Archäologen). Diese Interpretationen existieren und sollen so stehen bleiben. Steingewinnungsstellen (quarries) werden nur technisch gesehen. Als weitere utilitaristische Erscheinung können Molluskenschalenanhäufungen angesehen werden, die als Unterbau oder als „Wind“-Schutz einer Wohnstätte dienten.

Über den spirituellen Hintergrund dieser Anlagen kann aber von den Heutigen nur spekuliert werden. Auf bestattungsbezogene spirituelle Kontexte lässt sich durch Grab- und Skelettfunde noch mit relativ großer Wahrscheinlichkeit schließen, bleibt aber auch hier nur auf die physische Überrest-Erscheinung und die Grabbeigaben beschränkt. Da die zeitlich-energetischen Aufwendungen und Ansichten außerhalb der physischen Leistung des Anlagenbaus auch nicht annähernd eingeschätzt werden können, sind ihre Bedeutung innerhalb der Kultur ihrer Erbauer nur spekulativ/hypothetisch zu erfassen. Hinzu kommen noch die physischen und spirituellen Aufwände für die Herstellung/Ausführung nichtutilitaristischer, spiritueller Objekte und Handlungen und die Beschaffung oft nichtlokaler/exotischer Rohstoffe für deren Herstellung.

Jede bauliche Anlage (in irgendeiner Form!) der oben genannten Kategorien und auch deren Errichtung mit dem oder im„Fleisch“ der Mutter Erde (Erdstoff) oder den Überresten/“Spenden“/Gaben (Molluskenschalen) der Leben/Nahrung gebenden Mutter „Meer“ (südöstliche Küstenbereiche vom Golf von Mexiko über Florida und die Atlantikküste hinauf) stellt ein geoglyphisch gestaltetes und manifestiertes Gebet („Gottesdienst“) an die Kräfte der spirituellen Welt, die Geister, dar und ist eine spirituelle Sonderzone in der Landschaft/im Revier. Geistkräfte sind überall und immer vorhanden; an so markierten Orten/Gebieten besteht für den indigenen Menschen jedoch ein spezieller Kontakt oder eine Möglichkeit für einen speziellen Kontakt. Steine sind wahrscheinlich weniger als „Fleisch“ der Mutter Erde anzusehen, sondern eher wegen ihrer Härte/Festigkeit als Energiesymbol der Erde.

Der Ort/die Landschaft, wo diese Geoglyphen/Erdbauanlagen/Earthworks/Steinbau-Anlagen errichtet wurden, ist eine physische und spirituelle Reviermarkierung und Geisteranrufung durch eine Gemeinschaft, ist heilig/geheiligt (würdig/gewürdigt) und auch die Geoglyphe selbst ist heilig. Mit der Würdigung und Markierung eines heiligen Ortes wird gleichzeitig auch das Subsistenzrevier der errichtenden Gemeinschaft „geheiligt“ (Anspruchsbestätigung für den Lebenserhalt, Nutzungsberechtigung von der und für die Gemeinschaft). Das Subsistenzrevier und der damit verbundene würdige/„heilige“ Ort (des Friedens) [= die Hauptstätte] bilden die Heimat bzw. das Heimatsymbol der Gemeinschaft.

Durch Zeremonien und Rituale und gegebenenfalls auch durch klimatische und biologische Erscheinungen (Regen, Schnee, erhöhter und/oder niedriger Grund- oder Oberflächenwasserstand u.ä.; Pflanzenbewuchs, Tiere, Vögel, Fische u.ä.) erhalten die heute scheinbar statischen/toten physischen Anlagen ein/ihr „spirituelles Leben“. An als heilig durch Geoglyphen/Erdbauanlagen/Earthworks/Steinbau-Anlagen gekennzeichneten Orten und Landschaften gelten spezielle Verhaltensregeln, Achtung und Beachtung für die Beziehungen von Menschen zu spirituellen Kräften/Geistern und für die Menschen untereinander, die an einem solchen Ort zusammentreffen/sich treffen.

Die Gründe für die Auswahl eines Platzes für einen Großbau, eine Erd- oder Steinbauanlage, sind sehr vielfältig und für die Heutigen nur spekulativ nachzuvollziehen. Sie konnten auf einer Ebene, einer Terrasse, im Tal, auf einer Erhebung (Hügel, Berg, Bergrücken), an einem Hang und auch zwischen markanten („heiligen“?) Punkten (Felsen, Findlingen u.ä.) errichtet worden sein. Die Auswahlgründe selbst für topographisch gleiche „Bauplätze“ müssen jedoch (auch spekulativ!) durchaus nicht identisch sein. Sie waren nur alle „etwas spirituell Besonderes“ nach der Mentalität und der Überzeugung der errichtenden Gemeinschaft. Oft (nicht immer!) ist zur „Geburtsstundes“ eines späteren Großbaues nicht seine heute sichtbare Größe vorausgesehen oder gar geplant worden. Der Bau war ein Prozess in der gemeinschaftlichen Willensgestaltung. Eine Ausnahme davon sind flächige oder lineare Großbauanlagen aus Erdstoff oder Steinen.

Eine bauliche Anlagen-Stätte wurde (rein logisch) durch eine Gemeinschaft, die Nutzergemeinschaft und gegebenenfalls auch die Erbauergemeinschaft genutzt und/oder rituell betrieben. Sie konnte auch ein zeitweiser Sammelpunkt für mehrere Gemeinschaften/Gastgemeinschaften aus einem größeren Bereich sein, mit denen die „Urgemeinde/-gemeinschaft“ freundschaftliche, solidarische und interaktive Kontakte unterhielt und die sie durch gemeinsame Aktivitäten an einer solchen spirituell wichtigen Stätte und zu einem spirituell wichtigen Zeitpunkt stärkte/pflegte. Spezielle Verantwortliche für diese spirituellen und sicher auch profanen Aktivitäten werden von den Archäologen gern mit dem sehr dehnbaren Begriff „Elite“ bezeichnet.

Die Nutzung und der Bau einer/an einer Erd- oder Steinbauanlage konnte saisonal, multisaisonal, fallweise, ganzjährig und/oder verteilt über Generationen erfolgen, wobei bereits eine Bauaktivität oder deren Vorbereitung eine spirituelle Handlung und/oder Nutzung der Stätte sein konnte. Welchen spirituellen Wert eine archäologisch nachweisbare Handlung/Manifestation für die damaligen Akteure hatte, ist nur spekulativ zu unterstellen. Bis auf relativ kleine „Großbauten“ wie kleine Grabmounds/Grabhügel wurden alle Erdbauanlagen in zeitlichen Stufen/mit Unterbrechungen unterschiedlichster Weise geschaffen, bis sie die für uns heute erkennbare (End-)Form erlangt hatten. Jeder Großbau fing naturgemäß einmal ganz klein und bescheiden an und konnte unter weitgehender Wahrung seiner „Embryonalform“ vergrößert werden. Er konnte seine Ur-Form aber auch durch symmetrische und asymmetrischen An- und Aufsätze bis zum Endstadium verändern. Die Endform der baulichen Anlage konnte einen planmäßigen Abschluss darstellen oder auch einfach eine Einstellung der Bau- und Nutzungsaktivitäten dieser Stätte manifestieren. Sie war kulturell gestorben. Dies änderte nichts daran, dass später zu dieser aufgelassenen Stätte gekommene Menschen diesen markanten Bau in ihrem spirituellen Sinne weiter oder wieder nutzten, was nichts mit der Nutzung der ursprünglichen Erbauer gemein hatte oder zu haben brauchte.

Die rituelle Nutzung einer Stätte ist äußerst komplex und vielgestaltig und nicht oder kaum mehr nachvollziehbar; man kann nur spekulieren. Eine kompliziertere Erdbaustätte besteht u.a. aus kontinuierlichen und/oder durch gates/„Tore“unterbrochenen Aufwallungen und möglicherweise auch Gräben (selten außen, meist innerhalb der Umwallung), die eine Fläche/einen Platz umgeben, der frei oder auch mit einem Erdbau oder manchmal mit einem Holzbau/„Tempel“ besetzt ist. Es gibt noch heute erkennbare Zugänge zur Stätte, innerhalb der Stätte und auf Erdbauten. Wann und in welchem Kontext wurden die Stättenteile gestaltet und wie wurden sie genutzt? Wurden auf den Wällen und/oder in den Gräben oder nur auf dem zentralen Platz oder dem Mound spirituelle Aktivitäten zelebriert? Spielte es eine und wenn ja, welche spirituelle Rolle, ob die Gräben trocken lagen oder (saisonal?) mit Wasser gefüllt waren? Es gab in Florida Anlagen, die mit einem Fluss verbunden waren und bei hoher Wasserführung desselben Teile der Stätte fluteten – war das eine „Pegeluhr“ für Rituale? Welche Aufgaben hatten gates/Tore/Lücken in Wall- und Grabenverlauf? Dafür hat man sich viele/mehrere Möglichkeiten ausgedacht – sie bleiben aber nur Spekulation. Waren der Wall oder der Graben einer Erdbauanlage für Zeremonien oder als „Gebet“ eventuell wichtiger als der umschlossene Platz? Fragen, Fragen, Fragen!

Die Erdbauanlage lag in freier Natur. Die Standfläche des sich einmal entwickelnden Großbaus war im Allgemeinen von Muttererde und Bewuchs befreit und oft auch einplaniert worden. Wurde die in der Stätte und ihrer Umgebung vorhandene, nachwachsende und neuwachsende Vegetation (und wenn ja welche) genutzt? Und wie? Gab es Aktivitäten zur „Pflege“ der Stätte (Bewuchsförderung, Bewuchsbeseitigung, Grabenentschlammung u.ä.) durch eine spirituelle oder utilitaristische „Parkbrigade“? Die heute vorhandene Vegetation muss nicht zwangsläufig mit der identisch sein, die dort zur Zeit der Anlage der Stätte bestand. Die Erdbauanlage hatte bei starkem Schneefall ein anderes Bild als bei Regen oder schönstem Sonnenschein, desgleichen bei Tag und bei Nacht. Welches Bild, welcher Zustand war maßgeblich für die Nutzergemeinschaft oder welche Rituale dieser naturverbundenen Menschen standen dahinter?

Außer der Flora gab es auch Fauna (Grasfresser, Fleischfresser, Vögel) in der Natur auf der heiligen Stätte und in ihrer Umgebung. Waren diese begehrt, verehrt oder wurden sie allgemein oder selektiv vertrieben? Entsprechend aufgefundenen Artefakten wurden von den erbauenden Menschen eine Vielzahl von Vögeln (Greifvögel wie Adler, Falken, Eulen, aber auch Wasservögel wie Enten, Gänse, Reiher, Kraniche u.ä.) spirituell geschätzt und geehrt. Dasselbe ist von Echsen und Lurchen (z.B. Eidechsen, Schildkröten, Frösche) zu sagen, auch von Grasfressern wie Rotwild (Geweihhelme, Geweihmasken). Raubtiere wie Bären, Wölfe und Katzenartige waren seltener vertreten. Wurden diese Vertreter der Fauna direkt und/oder nur symbolisch in der heiligen Stätte in Rituale eingeschlossen? Waren die wallartigen Erdbauanlagen rituelle Jagdflächen bei oder für Zeremonien (Jagdorakel, Orakeljagden, Zeremonialjagden)? Die „Schanzen“-Eingänge/-Öffnungen bei den „Hill Forts“ sollten vielleicht spezielle Geister am „Eindringen oder Entweichen“ hindern (Geisterfalle) oder einen speziellen Eintrittsritus für Ritualteilnehmer „erzwingen“. Die Wall-Alleen waren Zeremonialräume bis Prozessionsstraßen; richtige Straßen brauchte man nicht! Fragen über Fragen, die unabhängig von spekulativen Gedanken und Interpretationen die „Vielfarbigkeit“ und mögliche Komplexität der spirituellen Welt der Erbauer dieser Stätten und deren Zeremonien und Rituale andeuten.

Auch die geometrische Figur einer baulichen Anlage, ihre Größe und die Kombination von (verschiedenen?) Figuren (Quadrate, Kreise, Rechtecke, Parallelogramme, Ellipsen, Achtecke, Parallelwälle u.ä.) hatten eine spirituelle Bedeutung mit entsprechenden spirituellen Adressen und Zeremonien, aber welche? Für die präzise und wiederholte Zeichnung solcher Figuren müssen die Erbauer auf Beobachtung aufbauende Messmethoden und gegebenenfalls auch Maßeinheiten (Maß-Stäbe oder –leinen) benutzt haben. Welche und auf welcher wissenschaftlichen oder rituellen Grundlage wurden sie geschaffen?

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass fast alle diese baulichen Anlagen spirituell motiviert waren und in irgendeiner Form heilige Plätze/Orte für die Erbauer der Anlagen waren. In Nordamerika mutierten sie erst in der späten Zeit (ab 800 bis 1000 u.Z., Mississippi-Kultur) offensichtlich auch zu Zentren mit zunehmender weltlicher, mehr oder minder theokratisch fundierter Machtausübung (z.B. u.a. Menschenopfer [nur vereinzelt; Ausnahmeerscheinung!]), aber dieser Übergang ist (noch) eine erkenntnistheoretische Grauzone.

Die oben erwähnten speziellen Verhaltensregeln an heiligen Orten drücken sich in variablen Ritualen aus, je nach den Bedürfnissen der Menschen und den vermuteten/unterstellten Bedürfnissen der Geister und deren möglicher Befriedigung (durch Gaben, Opfer, Gebete/Bitten). Es gibt Regeln für die Gesamtgemeinschaft, für Teile der Gemeinschaft (Sippe, Clan {Gruppen auf der Basis der Blutverwandtschaft und/oder einer Geistverwandtschaft mit einem gemeinsamen Totem/einer gemeinsamen Sippenahnin} oder sippenunabhängige Sakralbünde/-gemeinschaften {Schwesternschaft, Bruderschaft, Mannschaft, Funktionsgemeinschaft u.ä.}) und für Individuen (Gebete, Opfer). Oberstes Gebot oder oberste Regel ist FRIEDEN, der auf einer spirituell/ideologisch getragenen Gleichschaltung beruht. Ohne innere und äußere Ruhe und Harmonie kann der eigenen spirituellen Kraft/Seele keine lebensfördernde oder lebenserhaltende Energie zugeführt werden und kann auch kein positiv auf den menschlichen Bedürftigen wirkendes spirituelles Feedback von den Geistern erlangt werden. Der spirituellen Kontakt suchende Mensch muss sich selbstdefiniert in eine aktive (aussendende/abgebende) oder passive (empfangende, erbittende) Rolle (bei Zeremonien/Ritualen) einbringen.

Ein Teil der Erd- oder Steinbauanlagen wurde als defensiv und/oder als militärisch relevant gedeutet. (Die Deutungen wechseln bzw. ändern sich auch im Laufe der Erkenntnisgeschichte!) Wenn ein Mensch/eine Menschengemeinschaft nach spiritueller Stärkung sucht, d.h. den eigenen Energiekörper zu stärken versucht, dann stellt dies eine Form von Abwehr dar (ein spirituelles/mentales Immunsystem) und dient so einer Abwehr (defensive Handlung) von lebensfeindlich empfundenen Einflüssen. Alles Leben ist ein dialektisches Wechselspiel von in irgendeiner Form lebensfreundlichen und lebensfeindlichen Einflüssen und Faktoren (siehe die Ur-Triebkräfte LUST und ANGST). In diesem Sinne – und nurin diesem Sinne - sind alle Erdbauanlagen/Geoglyphen defensiv.

Wenn für die Gemeinschaft (der Anlagenerbauer) lebensfeindliche Kräfte in Form menschlicher Feinde das „Allerheiligste“ angreifen und damit alle sonst üblichen Regeln für diesen Ort negieren, dann wird eine solche Anlage natürlich gegen eine „Eroberung“ verteidigt, dann und erst dann kann oder wird sie – unabhängig von ihrer Gestaltung – zu einem „Kampfort“ werden. Der oft unterstellte Festungscharakter bestimmter Anlagen wird von mir prinzipiell abgelehnt – der gesellschaftliche Zustand dieser Gemeinschaften war nicht auf dem Niveau permanenter Kriegsführung mit Festungsbau und Festungsverteidigung, auch wenn der Grundriss mancher irregulär geformter Anlagen schanzenbau-ähnlich wirkt. Aber was macht man bautechnisch nicht alles, um bestimmte Geister anzulocken, anzusprechen, zu halten oder abzuschrecken.

[Einfügung: Christliche Kirchen waren im Allgemeinen ein Ort des Friedens und ein meist starkes physisches Gemäuer, in das bei militärischer Gefahr für das Leben der Kirchengemeindemitglieder diese in den Schutz dieser physischen und spirituellen Mauern („Ein feste Burg ist unser Gott“) flüchteten und sich gegebenenfalls auch passiv und/oder aktiv dort verteidigten. Es gab sogar spezielle Wehrkirchen in häufiger gefährdeten Gebieten. Trotzdem kommt keiner auf die Idee, diesen Sakralbau Kirche als eine militärische Festung zu bezeichnen, selbst wenn er es unter bestimmten Bedingungen einmal wurde. Auch ein Friedhof ist ein friedlicher Ort, der oft mit einer Mauer umgeben wurde, die den sakralen Bezirk markierte und abgrenzte, aber nie als Verteidigungsanlage konzipiert war, obwohl er unter bestimmten „lebensfeindlichen“ Bedingungen auch zum Kampfplatz werden konnte.]

Die Erbauer der Anlagen waren keine Menschen, für die Krieg schon zu einem Erwerbszweig, einem gesellschaftlichen Kennzeichen, geworden war. (Die sogenannte „militärische Demokratie“ und das Gefolgschaftswesen waren noch weitgehend unbekannt und erscheinen in irgendeiner Ausprägung erst mit der Mississippi-Kultur, mit dem Entstehen von Formen säkularer und/oder theokratischer Machtausübung.) Für zweifellos auftretende Konflikte gab es zu deren Vermeidung oder Verminderung im Interesse eines grundsätzlich friedlichen Lebens gesellschaftliche Regelmechanismen. Die Gesellschaft war noch nicht so weit entwickelt, dass ein „Festungsbau“ und dementsprechend eine „Festungsverteidigung“ zu ihrer Lebenseinstellung gehörten.

Dass Menschen sich bei einer Bedrohung an einem markanten und traditionellen Versammlungsort, noch dazu mit sakralem und zentralem Charakter, versammelten, ist eine völlig logische und naheliegende Erscheinung und gegebenenfalls wurden an dieser Stelle von der versammelten Gemeinschaft und ihren traditionellen FührerInnen auch physische und mentale Abwehrmaßnahmen organisiert, aber deshalb war der heilige Ort [z.B. „Fort Hill“, „Fort Ancient“ u.ä.] noch lange keine Festung im heutigen militärischen Sinn, auch wenn bestimmte prähistorische Erdbau-Anlagengrundrisse heutigen Vorstellungen für barbarische Schanzwerke vollauf genügen. Aber was wissen wir über die Vorstellungen von „Hopewell-Menschen“ zur Gestaltung/Kennzeichnung eines für sie sakralen Bereiches einer Landschaft - noch dazu über eine längere Zeit und den sich dabei auch noch möglicherweise verändernden Vorstellungen? Praktisch NICHTS! In eine interpretatorische Grauzone kommt man bei der Bewertung von Stätten aus der Mississippi-Kultur, die ganz oder teilweise zu einer bestimmten Zeit mit einer palisadenartigen Wandkonstruktion umgeben waren. Der Begriff ’Palisade’ suggeriert eine Schutzumschließung a la Western Fort. Diese Vorstellung stimmt technisch aber nicht überall mit den von den Archäologen freigelegten Spuren (Stammreste in Pfostenlöchern) überein. Aus diesem und auch aus weiteren Gründen wird in zunehmendem Maße eine echte militärische Relevanz einer solchen Anlage an vielen (nicht allen) Erscheinungsorten heute angezweifelt.

Als der „erste Spatenstich“ für die Errichtung von „Fort Ancient“ (Wallanlagen von geschätzten 5,5 bis 8,0 km Länge , daraus errechnete ca. 40,5 ha umwallte Fläche und geschätzte ca. 481.000 m³ Erdbewegung ), „Fort Hill“ (20 ha umwallte Fläche, 2.508 m Wall-Länge) und „Fortified Hill“ durchgeführt wurde, hatte man mit Sicherheit nicht geplant, eine starke Festung gegen den Einfall eines mächtigen Feindes zu errichten, aber eine Gestaltung eines heiligen Platzes/Berges mit einer Wall-Umschließung ist erklärlich – ein Motiv für die zu leistende Arbeit. Wie lange und mit welcher Intensität an den Wall-Anlagen gebaut wurde und wie sich die Vorstellungen der Erbauer in Laufe der Gestaltung eventuell veränderten, ist ebenfalls eine offene Frage.

Jeder Großbau, jede Geoglyphe/jede Erd- oder Steinbauanlage (in irgendeiner Form) ist ein ikonographischer Ausdruck eines speziellen spirituellen Bedürfnisses in seinem Raum und in seiner Errichtungszeit. Raum und Zeit sind als flexibel anzusehen. Das gleiche Bild drückt keinesfalls immer den gleichen konkreten spirituellen Inhalt aus (siehe „Mound A von Spiro“, „Grave Creek Mound“, „Cahokia Mound“). Jeder der genannten Mounds verweist nur auf die spirituelle Besonderheit dieser Erdbauanlage und ihres Errichtungsstandortes, deutet mit Form und Ausrichtung und seinem Kontext auf heute kaum nachvollziehbare spirituelle Inhalte. Die Inhalte und Kontexte wechselten jedoch über Raum und Zeit.

Die Großbauten aus Erde, Stein und/oder Molluskenschalen können im Wesentlichen in vier funktionelle Gruppen unterteilt werden:

Erdbauwerke/Steinsetzungen ohne primäre Bestattungsfunktion

Erdbauwerke/Steinbauten mit Bestattungsfunktion

Kultanlagen mit und ohne Bestattungsfunktion

Sonderformen (wegen Baustoff; aus architektonischen Gründen)

Diese allgemeingültige Grobeinteilung muss allerdings für Nordamerikadurch die sogenannten Tempelmounds ergänzt werden, die sonst nur mit starken Einschränkungen zu den Kultanlagen mit und ohne Bestattungsfunktion zu rechnen wären. Desweiteren sind in Nordamerika als regionale Sonderform die Molluskenschalenmounds in den Küstenbereichen des östlichen Golfes von Mexiko und am Atlantik ansehen.

Eine für alle Regionen gültige Klassifizierung von Großbauten gibt es nicht, da die regionalenUnterschiede zu groß sind. Viele Verbreitungsgebiete von Großbauten weisen zwar territoriale Zusammenhänge auf, sind aber auch durch regional bedingte Besonderheiten gekennzeichnet, die eine alle Gebiete umfassende Systematisierung nach Techniken, Gestaltung, Materialien und Verbreitung unzweckmäßig erscheinen lassen. Dies gilt sowohl für Eurasien als auch für Nordamerika.

Kommunikations-, Interaktions- und Verkehrslinien, -wege und -bedimgungen

Das Verbreitungsgebiet der Großbauten hatte eine sehr gute natürliche „infrastrukturelle“ Erschließung durch permanente Wasserläufe, Seen, Teich-/Sumpfgebiete und Meeres-/Seenküsten, die in dem mehr oder minder dichten Waldgebiet natürliche „Straßen, Wege und Orientierungshilfen“ ergaben. Diese „Wasserstraßen“ waren gute Wanderwege, da sie den Wandernden direkt die Aquafauna selbst und im Umfeld terrestrische Fauna als Nahrungsstoffressourcen boten; von den floralen Ressourcen (dann meist etwas tiefer im Auen- und Waldgebiet) ganz zu schweigen. Diese Wasserstraßen und ihre Ressourcen regten zur besseren Nutzung ganz „natürlich“ zum Bau von Wasserfahrzeugen an. Alles, was mit „längeren“ geplanten Wegen und/oder „größeren“ Trage-/Transportlasten verbunden war, wurde vorzugsweise auf dem Wasserweg abgewickelt. Die mit Paddeln beherrschte Bewegung von Einbaumbooten gehörte zur normalen Fortbewegung in diesem Gebiet und war neben der Fußwanderung eine Grundlage der Mobilität.

Im östlichen Nordamerika wurden nachweislich (!) Einbaumboote bereits im/ab dem Mittelarchaikum (5000 bis 2000 v.d.Z.) genutzt. Das älteste aufgefundene und als solches identifizierte Objekt von Florida stammt aus der Zeit von ca. 4000 v.d.Z. Um/ab 4000 v.d.Z. begannen auch die zwangsläufig von hochseetauglichen Einbaumbooten getragenen Einwanderungen von Menschen aus Yucatan auf einige karibische Inseln.

Man kann von einer regional unabhängigen Entwicklung/Herstellung und Nutzung von Einbaumbooten im östlichen Nordamerika ausgegehen, denn für Bootsverkehr nutzbare Gewässer waren praktisch überall vorhanden. Das archäologische Kernproblem der Boote ist deren gute Verrottbarkeit, die meist nur unter speziellen, luftabschließenden Bedingungen unterbunden wird.

Eine Nutzung von Flößen, speziell auf fließenden Gewässern, ist möglich, ist aber archäologisch auch nicht bewiesen/beweisbar. Das gleiche gilt für Wasserfahrzeuge, deren Außenhaut aus organischem Material wie Häuten, Leder oder Rinde bestand (z.B. „Bullboote“, Rindenkanus u.ä.). Ausgehend von den Beutetieren (Knochennachweis), die die Menschen ab 2000 v.d.Z. an der kanadischen Atlantikküstenregion erlegten, vermutet man den Einsatz von hautüberzogenen hochseefähigen Booten („Verwandte“/Vorgänger von Umiak und Kajak der Inuit). Daraus wäre dann auch die binnenländische Entwicklung von Rindenkanus (im „Birkenrindenbereich“) abzuleiten. Der Einsatz von Segeln war im prähistorischen Nordamerika offensichtlich unbekannt bis nicht üblich/unpraktisch. Plankenboote sind nur im südkalifornischen Bereich nachgewiesen, allerdings nicht exakt seit wann.

Diese „natürliche“ und orientierungssichere Infrastruktur des östlichen Nordamerika führte gemeinsam mit den Fähigkeiten und Bedürfnissen ihrer NutzerInnen zur Entstehung und Ausprägung von Austausch- und Kommunikationssystemen. Über diese „Straßen“ „flossen“ nicht nur utilitaristische, kulturelle und spirituelle Ideen und Vorstellungen, sondern auch begehrte Rohstoffe und Objekte.

Neben den Transportaufgaben waren die Boote unterschiedlicher Bauart aber auch wichtig für die Nutzung der riverinen, limnischen und marinen Aquafauna.

Interaktions- und Kommunikationsnetze der Großbauten erschaffenden Kulturen

Austauschbeziehungssysteme, Interaktionssysteme und/oder sogenannte „Handelsnetzwerke“ überzogen zu unterschiedlichen Zeiten und mit unterschiedlicher/wechselnder regionaler Dichte und Intensität den gesamten Südosten, das Waldland von Nordamerika, das Gebiet der sogenanten Moundkultur(en). Die sozialen Aspekte eines solchen Austausches waren im Bereich der Moundkultur(en) und der kulturell undefinierten Steinbaukultur(en) vermutlich weitestgehend gleich.

Nach den nordamerikanischen Quellen waren diese Interaktions- und Austauschsysteme etwas ganz besonderes, d.h. sie waren für die Archäologen auch etwas „großes“. Sie waren aber eine ganz normale menschliche gesellschaftliche Erscheinung, quasi ein „Nebenprodukt“ der lebenswichtigen kommunikativen und solidarischen Beziehungen zwischen Menschengemeinschaften und noch fern von irgendwelchen kommerziellen Inhalten. Die Basis war die gegenseitig anerkannte annähernde Gebrauchswertgleichheit der zu tauschenden Objekte und Informationen/Gedanken, sofern sie nicht Gastgeschenke (Heute hat sich das bis zur Korruption entwickelt!) zur Herstellung oder Stärkung von Solidarbeziehungen waren (Vielleicht wäre der Blumenstrauß an die gastgebende Hausfrau oder die Flasche Wein an den gastgebenden Hausherren ein besserer Vergleich aus unserer heutigen mitteleuropäischen Kulturtradition.).

Für die Archäologen beschränken sich die Belege für solche Tausch- und Interaktionssysteme zwangsläufig auf unzerstörbare Objekte/Überreste wie Steine/Steinrohstoffe/Kristalle, Keramik, gediegenes Kupfer, Mineralfarbstoffe und Molluskenschalen bzw. Artefakte aus diesem Material. Alles Vergängliche hat die Zeit „gefressen“.

Die Aufnahme, das Sammeln, die Speicherung, die Verarbeitung von Informationen und deren Weitergabe innerhalb der Gruppe und zwischen Gruppen ist lebensnotwendig, lebenserhaltend und solidarisch verbindend. Die Weitergabe der „Energie-Einheit“ Information ist als gleichrangig mit der Weitergabe einer physischen Einheit anzusehen. Die solidarische Weitergabe von physischen und energetischen Einheiten potenziert für beide Seiten (empfangende und gebende) die Möglichkeit des Lebenserhaltes, einer besseren Lebensqualität. Aus dieser Situation entwickeln sich Netzwerke, die sich über Hunderte und auch Tausende Kilometer über viele Stationen erstrecken können, wobei die Gruppen an den Endpunkten dieses Netzes durchaus nichts konkretes voneinander wissen müssen und sich auch nie gesehen zu haben brauchen. Auf diesen Netzwerkadern wandern physische und energetische Einheiten, die bei allen Berührten lebensfördernd/kulturell wirksam werden (physich und spirituell). Solidarnetze entstehen nur zwischen ökonomisch/subsistenziell und demzufolge auch spirituell gleichrangigen Gruppen/Kulturen auf Gebrauchswertebene. Hier wird nicht gehandelt, hier besteht keine Warenproduktion. Es gibt Bedürfnisse, aber keinen Markt. Es ist auf dieser Stufe aber möglich, zugriffbereite Depots von Rohmaterial und Halbfertigprodukten anzulegen, um für Besucher diese interessierende Gaben griffbereit zu haben (man kennt die gegenseitigen Bedürfnisse! → das verbindet auch!). Die Verarbeitung eines Rohstoffes zu einem Halbfertigprodukt erfolgt primär nicht aus Gründen der „Wertsteigerung“, sondern wegen der Transportoptimierung (keine unnütze Last transportieren) für Geber und Nehmer.