Die Backup-Männer - Ross Thomas - E-Book

Die Backup-Männer E-Book

Ross Thomas

4,5

Beschreibung

Nachdem Padillo, McCorkles Geschäftspartner der gemeinsamen Bar, von seiner Geheimdienst-Vergangenheit eingeholt wird und kurz darauf ein ehemaliger Kollege Padillos in McCorkles Wohnung tot aufgefunden wird, bleibt dem Duo keine Wahl: Es gilt, den zukünftigen König des ölreichen arabischen Staates Llaquah zu beschützen. Auf dem Weg zum entscheidenden Treffen mit den Öl- Gesellschaften entwickelt sich dabei ein erbitter- ter Kampf um Leben und Tod.

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Seitenzahl: 292

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Ross Thomas

Die Backup-Männer

Ein McCorkle-und-Padillo-Fall

Deutsch von Wilm W. Elwenspoek, Heinz F. Kliem und Jochen Stremmel

 

 

 

 

Alexander Verlag Berlin | Köln

Die Ross-Thomas-Edition im Alexander Verlag BerlinHerausgegeben von Alexander Wewerka

Kälter als der Kalte Krieg. Ein McCorkle-und-Padillo-Fall

http://www.alexander-verlag.com/programm/titel/268-Kaelter_als_der_Kalte_Krieg.html

Gelbe Schatten. Ein McCorkle-und-Padillo-Fall

http://www.alexander-verlag.com/programm/titel/290-Gelbe_Schatten.html

Umweg zur Hölle. Ein Artie-Wu-und-Quincy-Durant-Fall

http://www.alexander-verlag.com/programm/titel/275-Umweg_zur_Hoelle.html

Am Rand der Welt. Ein Artie-Wu-und-Quincy-Durant-Fall

http://www.alexander-verlag.com/programm/titel/9-Am_Rand_der_Welt.html

Voodoo, Ltd. Ein Artie-Wu-und-Quincy-Durant-Fall

http://www.alexander-verlag.com/programm/titel/16-Voodoo_Ltd.html

Gottes vergessene Stadt

http://www.alexander-verlag.com/programm/titel/12-Gottes_vergessene_Stadt.html

Teufels Küche

http://www.alexander-verlag.com/programm/titel/274-Teufels_Kueche.html

Die im Dunkeln

http://www.alexander-verlag.com/programm/titel/11-Die_im_Dunkeln.html

Der Yellow-Dog-Kontrakt

http://www.alexander-verlag.com/programm/titel/10-Der_Yellow-Dog-Kontrakt.html

Der achte Zwerg

http://www.alexander-verlag.com/programm/titel/277-Der_achte_Zwerg.html

 

Erste vollständige deutsche Ausgabe Die deutsche (gekürzte) Erstausgabe erschien 1972 unter dem TitelWas ich nicht weiß, macht mich nicht kalt im Ullstein Verlag, Frankfurt/M., Berlin. Die amerikanische Originalausgabe erschien 1971 unter dem TitelThe Backup Men. © 1971 by Ross E. Thomas. Licensed with The Estate of Ross E. Thomas © für diese Ausgabe und die erste bearbeitete und vollständige Übersetzung by Alexander Verlag Berlin 2012 Alexander Wewerka, Fredericiastr 8, D-14050 Berlin

Umschlaggestaltung: Antje Wewerka Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-89581-294-1 (e-book)

[email protected]

Inhaltsverzeichnis

Das Buch, Der Autor

1

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Die Ross-Thomas-Edition im Alexander Verlag

 

 

 

 

 

 

 

Das Buch: Nachdem Padillo, McCorkles Geschäftspartner der gemeinsamen Bar, von seiner Geheimdienst-Vergangenheit eingeholt wird und kurz darauf ein ehemaliger Kollege Padillos in McCorkles Wohnung tot aufgefunden wird, bleibt dem Duo keine Wahl: Es gilt, den zukünftigen König des ölreichen arabischen Staates Llaquah zu beschützen. Auf dem Weg zum entscheidenden Treffen mit den Öl-Gesellschaften entwickelt sich dabei ein erbitterter Kampf um Leben und Tod.

Der Autor: Ross Thomas, geboren 1926 in Oklahoma, richtete in den fünfziger Jahren das deutsche AFN-Büro in Bonn ein und arbeitete als Journalist, Gewerkschaftssprecher und Public-Relations- und Wahlkampfberater für Politiker in den USA. Seine vielfältigen Erfahrungen verarbeitete er in seinen Politthrillern, in denen er vor allem die Hintergründe des (amerikanischen) Politikbetriebs entlarvt und bloßstellt. Ihm wurden zweimal der Edgar Allan Poe Award und mehrmals der Deutsche Krimi Preis verliehen. Bis zu seinem Tod 1995 entstanden 25 Romane.

1

Er sah nicht so aus, als ob er schon alt genug wäre. Nicht alt genug, um vormittags um elf Uhr fünfundvierzig einen Martini zu bestellen. Daher verließ ich, als mir Joan, unsere Cocktailkellnerin, kurz zunickte, die Bar und einen leicht verkaterten Reporter der Washington Post, um nachzusehen, ob der jugendliche Vormittagstrinker irgendwie beweisen konnte, daß er wenigstens einundzwanzig war.

Für das Mittagsgeschäft war es noch zu früh, und der Reporter und ich hatten bei einer Flasche Bier Diättips und Erinnerungen an eine Infanteriegarnison im Norden von Texas ausgetauscht, wo wir beide vor langer Zeit einige Monate verbracht hatten, von denen uns jeder Augenblick verhaßt gewesen war.

Selbst aus nächster Nähe wirkte er noch nicht alt genug. Ich schätzte ihn auf neunzehn, möglicherweise zwanzig, aber das mochte an seinem blaßblonden, beinahe weißen Haar liegen, das ihm über die Ohren hing und das er sorgfältig zu einem revolutionären Entenschwanz zurückgebürstet und gekämmt trug. Die Revolution von 1776, nicht die gegenwärtige.

Er sah mich nicht näherkommen. Er blickte nicht auf, bevor ich sagte: »Bedauere, Sie zu behelligen, aber haben Sie etwas bei sich, aus dem hervorgeht, daß Sie schon einundzwanzig sind? Wir möchten die Lizenz behalten.«

Da blickte er auf, und als ich seine Augen sah, vermutete ich, daß ich einen Fehler gemacht hatte. Als er lächelte, wußte ich es. Manche Leute haben ein dreckiges Lachen, aber er hatte ein dreckiges Lächeln, und er hatte länger als einundzwanzig Jahre gebraucht, um es zu dieser Vollkommenheit zu entwickeln. Er behielt es bei, während er in die Innentasche seiner Jacke griff und mir ein dünnes schwarzes Klappetui reichte. Seine Augen wichen keinen Augenblick von meinem Gesicht, Augen, die von blässestem Blau waren, fast die Farbe von arktischem Eis und annähernd so warm.

Er hatte mir einen Schweizer Paß gereicht, der behauptete, er heiße Walter Gothar, lebe in Genf und sei zweiunddreißig Jahre alt. Ich reichte ihm den Paß zurück.

»Entschuldigen Sie, Mr. Gothar«, sagte ich.

»Das passiert mir oft.«

»Der Drink geht aufs Haus.«

Gothar schüttelte flüchtig den Kopf. »Ich bestehe darauf, ihn zu bezahlen.« Er sprach mit Akzent, aber der schien zu kommen und zu gehen, je nach dem Wort, das er benutzte. Ich zuckte mit den Achseln, zeigte ihm ein durchaus freundliches Lächeln und wollte mich abwenden, als er fragte: »Wo ist Michael Padillo?« Ich wandte mich ihm wieder zu.

»In Chicago. Geschäftlich.«

»Tut mir leid, daß ich ihn verpaßt habe.«

»Morgen ist er wieder zurück.«

»Ich möchte eine Nachricht für ihn hinterlassen.«

Er schwieg lange, als ob er sich Gedanken machte, wie er die Nachricht formulieren sollte, und das gab mir Gelegenheit, sein dunkelblaues Hemd, die weiße Strickkrawatte und die dicke Rohseide, aus der er seinen neuen Frühlingsanzug hatte machen lassen, zu bewundern. Er trug ein Ziertaschentuch, das er in seinen linken Ärmel gesteckt hatte, und es entsprach genau der Farbe seines Hemdes; ich hätte ihn vielleicht für einen kleinen Stenz gehalten, wenn nicht diese eisigen Augen und dieses dreckige Lächeln gewesen wären, das auftauchte und verschwand wie das Warnzeichen eines Leuchtturms über einem glatten, eigensinnigen Kinn, das wohl nur selten rasiert werden mußte. Auch seine dünne Nase hatte Charakter, aber ich war mir nicht sicher, welcher Art.

»Sie sind der McCorkle?« sagte er, und ich sagte ja, ich sei der McCorkle. Ich drehte mich um und nickte Joan zu, und sie brachte schnell den Martini. Nachdem sie wieder gegangen war, nahm er zwei Eindollarnoten aus einer dünnen braunen Brieftasche, strich sie neben dem Glas glatt, betrachtete nachdenklich seinen Drink, rührte ihn aber nicht an. Er starrte immer noch darauf, als er schließlich begann: »Sagen Sie Michael Padillo ...« Er brach ab und sah schnell zu mir auf, vielleicht um sich zu vergewissern, daß ich ihm wirklich zuhörte.

»Sagen Sie Padillo«, er betonte jedes Wort, »daß wir die Farm nicht kaufen wollen.«

»Das wird er aufrichtig bedauern«, erwiderte ich, nur um überhaupt etwas zu sagen.

Er musterte mich weiter, anscheinend nicht so sehr, um festzustellen, ob ich den Satz gehört, sondern ob ich ihn verstanden hatte. Ich glaubte schon, sah aber keinen Grund, Gothar das wissen zu lassen. Manchmal habe ich einen vorsichtigen Tag.

»Uber die Gründe muß ich mit ihm persönlich sprechen.«

»Kommen Sie morgen vorbei.«

»Wann ist die beste Zeit?«

»Im allgemeinen kommt er zwischen zehn Uhr dreißig und elf hierher.«

»Sie werden die Nachricht nicht vergessen?«

»Nein.«

»Auch meinen Namen nicht?«

»Walter Gothar.« Ich habe ein gutes Gedächtnis für Namen und Gesichter. Es ist ungefähr die einzige Befähigung, die man braucht, um eine erfolgreiche Kneipe zu betreiben.

Gothar erhob sich hinter dem Tisch mit einer glatten, fließenden Bewegung. Ich sah, daß er annähernd so groß wie ich war, etwas über einsachtzig, und solange er die Augen geschlossen hielt und niemanden anlächelte, hätte er als junger Quarterback eines Provinzcolleges gelten können. Er betrachtete mich noch einmal aufmerksam, als überlege er noch, ob ich genug Verstand besäße, seine Nachricht weiterzugeben, nickte auf eine abgehackte teutonische Art, nachdem er offenbar zu dem Schluß gekommen war, daß es sich so verhielt, wandte sich ab und ging auf den Ausgang zu, ohne sich zu verabschieden oder guten Tag oder gar Auf Wiedersehen zu sagen, was vermutlich die Sprache gewesen wäre, in der er sich am sichersten fühlte.

Ich nahm sein unangetastetes Glas und brachte es zur Bar zurück, überlegte, ob ich den Drink selber trinken oder noch einmal verkaufen sollte, und während ich an der Bar saß, den Martini schlürfte und die ersten eintreffenden Gäste beobachtete, dachte ich über die Mitteilung nach, die ich an Padillo weitergeben sollte. Es war ein Spruch aus dem Zweiten Weltkrieg, und ich fand, daß Gothar noch etwas zu jung dafür sei, sich seiner zu bedienen; aber schließlich hatte ich auch gedacht, daß er zu jung wäre, sich um Viertel vor zwölf einen Martini zu bestellen.

Jene, die während des Zweiten Weltkriegs die Farm gekauft hatten, waren natürlich die gewesen, die gestorben waren, und wenn Gothar sie nicht kaufen wollte, bedeutete das, daß er nicht sterben wolle und Wert darauf legte, daß Padillo es erfuhr.

Ich fand das etwas merkwürdig, denn zu einer gewissen Zeit hatte Padillo im Dienst einer geheimen Dienststelle der Regierung einer ganzen Anzahl von Personen die Farm verkauft, und es gab Leute, die meinten, daß er auf diesem Gebiet nicht schlecht gewesen sei. Es gab auch eine Reihe andere, die wünschten, daß er sich schon seit langem selbst eine gekauft hätte.

2

Vor einigen Jahren hatten Padillo und ich eine Kneipe mit Namen Mac’s Place in Bonn am Rhein besessen. Genau genommen war das in Bad Godesberg gewesen, und es hatte einigen Ärger gegeben, bei dem das Lokal in die Luft gesprengt worden war, und dann war Padillo über ein Jahr lang verschwunden gewesen. Ich hatte geheiratet und in Washington ein paar Blocks nördlich der K Street und etwas westlich von der Connecticut Avenue eine andere Kneipe eröffnet. Auch sie hieß Mac’s Place, und noch hatte niemand sie in die Luft gesprengt; obwohl es, als Padillo wieder auftauchte, einige Schwierigkeiten mit einem schwarzen Washingtoner Gangster, einem Agenten des Rauschgiftdezernats und dem sterbenden weißen Ministerpräsidenten eines südafrikanischen Landes gegeben hatte, der von Padillo verlangte, er solle ihn durch ein Attentat töten; doch war es nichts, was nicht geregelt werden konnte, ohne daß mehr als drei oder vier Personen dabei ums Leben kamen. Ich träume kaum noch davon.

Manche sagen, Mac’s Place sei inzwischen etwas abgenutzt, aber ich sehe darin lieber ein Anzeichen von Reife. Die Beleuchtung ist angenehm gedämpft, und deshalb kann das Lokal gut als Zuflucht für Leute dienen, die gern mal mit der Frau eines anderen zu Mittag essen oder einen Drink nehmen. Der Service ist schnell, leise und unaufdringlich, die Getränke angemessen gekühlt und vielleicht mehr als großzügig, und wer sich für den jüngsten Klatsch interessiert, kann sich an die Bar setzen und zuhören, wie Karl, der Chefbarkeeper, jeden beliebigen Charakter oder Ruf völlig unvoreingenommen seziert. Die Speisekarte ist zugegeben beschränkt und zugegeben teuer, aber wenn man Geschmack an Hähnchen oder Steaks hat, findet man hier die besten Hähnchen und Steaks der Stadt.

Padillo und ich hatten daran gedacht, ein weiteres Lokal in einer von vier Städten zu eröffnen, und deshalb befand er sich in Chicago, als Walter Gothar kam und ihn sprechen wollte. Die Städte, die wir uns ausgesucht hatten, waren neben Chicago New York, Los Angeles und San Francisco. Ich hatte gerade eine Woche damit verbracht, mich in New York umzusehen, um festzustellen, daß die Stadt wirklich nicht noch eine weitere Kneipe brauchte. Sobald Padillo von Chicago zurück war, beabsichtigte ich, mir San Francisco anzusehen, weil ich dort geboren war, und Padillo würde Los Angeles überprüfen, weil er vor langer Zeit mal dort gelebt hatte.

Der einzige Grund, weshalb wir an eine Erweiterung dachten, war der Rat unserer Steuerberater gewesen, wir sollten mit unseren Gewinnen etwas unternehmen, sonst würden wir bald ein neues Raketenabwehrsystem oder Napalm oder etwas vergleichbar Nützliches mitfinanzieren. Eine weitere Kneipe erschien sinnvoller als das, und obgleich keiner von uns ein leidenschaftlicher Expansionist war, fanden wir es doch ganz nett, im Lande herumzureisen und uns anzusehen, was sich eines Tages zur Konkurrenz auswachsen könnte.

Als Padillo am nächsten Morgen kam, wirkte er entspannt, sogar sorglos, deshalb war ich der Überzeugung, daß auch Chicago keinen Bedarf an einer weiteren Kneipe hatte. Nachdem wir uns begrüßt hatten, holte er sich eine Tasse Kaffee und kam damit zur Bar.

»Wie war es?« sagte ich.

Er schüttelte den Kopf. »Es mangelt dort am richtigen Ambiente.« Es war der gleiche Satz, mit dem ich New York abgetan hatte. Uns beiden gefiel der Ausdruck, weil einer der Washingtoner Journalisten über Mac’s Place einmal geschrieben hatte, das Restaurant habe »ein ungewöhnliches Ambiente, das erforscht zu werden verdiene«, und es waren Tage vergangen, bevor Karl zugab, daß er nach dem Lexikon gegriffen habe, um sich zu vergewissern, daß die Gesundheitsbehörde daraufhin nicht unser Lokal schließen konnte.

»Wann willst du dich in Los Angeles umsehen?« sagte ich.

»Nächsten Monat, denke ich. Hast du immer noch vor, nächste Woche nach San Francisco zu fliegen?«

Ich nickte. »Nächste oder übernächste Woche.«

»Was hörst du von Fredl?«

»Das übliche ›Ich wollte, du wärst hier‹.«

»Vielleicht hättest du sie begleiten sollen.«

»Ich habe mir nie viel aus Frankfurt gemacht«, sagte ich. Meine Frau war Washingtoner Korrespondentin einer Frankfurter Zeitung, jener, die in ihren Leitartikeln immer noch sorgenvolle Überlegungen anstellte, ob England in die EWG aufgenommen werden solle; sie war zur jährlichen Redaktionskonferenz nach Deutschland geflogen. Die meisten Auslandskorrespondenten in Washington nannten sie entweder Fredl oder Freddie, in Frankfurt jedoch war sie Frau Dr. McCorkle, was bestimmt mit einem schönen gutturalen Gurgeln ausgesprochen wurde. Neben einem scharfen Verstand besaß meine Frau Aussehen, Stil und Witz, und wir stritten uns selten öfter als zwei- oder dreimal im Jahr, und mich überraschte es nicht, daß ich sie sehr vermißte.

»Hat irgendwer für mich angerufen?« fragte Padillo.

Ich griff nach einigen Zetteln und reichte sie ihm. Es waren telefonische Nachrichten, die entweder ich oder Herr Horst, unser Zuchtmeister von einem Oberkellner, der zwei Prozent unserer Nettoeinnahmen erhielt und der Ansicht war, daß Padillo schon längst hätte heiraten sollen, entgegengenommen hatten. Die Anrufe kamen meistens von jungen, atemlosen Frauenstimmen, die wissen wollten, wann Mr. Padillo wohl wieder in der Stadt sei und ob es mir schrecklich viel ausmachen würde, ihn zu bitten, Margaret oder Ruth oder Helen anzurufen, sobald er zurück sei. »Die eine, die sich Sadie nannte, hörte sich nett an«, sagte ich. »Irgendwie altmodisch.«

Padillo blätterte durch die Zettel und nickte abwesend. »Sie spielt Waldhorn bei den Symphonikern«, sagte er. »Sonst noch etwas?«

»Ich habe eine Nachricht von Walter Gothar für dich.«

Padillos glattes olivfarbenes Gesicht nahm einen Ausdruck an, den ich manchmal als seine spanische Miene bezeichne. Seine dunkelbraunen Augen wurden schmal, und sein Mund spannte sich zu einer dünnen Linie. Ich fand, er sah dann irgendwie wie ein Matador aus, dem man einen gefährlichen Stier untergejubelt hat. »Telefonisch?«

»Nein, er hat sie persönlich überbracht.«

»Helles Haar, beinahe weiß? Sieht aus, als ob er nächste Woche als Rekrut eingezogen werden würde?«

»Das ist er.«

»Was wollte er?«

»Ich soll dir sagen, daß er die Farm nicht kaufen will.«

Padillo stellte seine Kaffeetasse ab, ging hinter die Bar, suchte die bauchige Haig-Flasche und schenkte sich einen ordentlichen Drink ein. Er sah mich an, und ich schüttelte den Kopf. Padillo schlürfte seinen Scotch und ließ die Augen durch den leeren Raum wandern, als ob er sich fragte, wieviel das alles bei einer Zwangsversteigerung einbringen würde.

»Hat Gothar gesagt, daß er sie nicht kaufen will oder daß wir sie nicht kaufen wollen?«

Ich versuchte, mich zu erinnern. »Er hat ›wir‹ gesagt.«

Es gibt Menschen, die niemals die Stirn zu runzeln scheinen, und Padillo war einer von ihnen. Doch diesmal tat er es, und es verlieh seinem Gesicht einen merkwürdig abweisenden Ausdruck. »Hat er noch was gesagt?«

»Daß er heute um diese Zeit vorbeikommt, um dich zu sehen. Ist er ein alter Freund von dir?«

Padillo schüttelte den Kopf. »Sein Bruder war einer, sein älterer Bruder. Wir haben ein paarmal zusammen gearbeitet und waren uns gegenseitig Gefälligkeiten schuldig. Ich glaube, ich schuldete ihm noch eine, als er im vergangenen Jahr in Beirut getötet wurde. Man sagte, es sei in Beirut gewesen.«

»Mir kam die Nachricht etwas offenkundig vor.«

Padillo seufzte. Das tat er etwa ebensooft wie die Stirn runzeln – ein- oder zweimal im Jahr. »Wenn man versucht, am Leben zu bleiben, kann man sich allzuviel Subtilität nicht leisten. Aber er hat ›wir‹ gesagt, nicht wahr?«

»Er hat ›wir‹ gesagt.«

»Sie arbeiten als Team.«

»Was tun sie beruflich?«

Padillo zündete sich eine Zigarette an, bevor er antwortete. »Mehr oder weniger das gleiche, was ich mal getan habe. Es liegt ihnen im Blut. Die Gothars treiben das seit den Tagen Napoleons. Karl Schulmeister hat sie Anfang des achtzehnten Jahrhunderts in das Geschäft eingeführt. Sie sind Schweizer und haben immer für den Meistbietenden gearbeitet. ›Nur Verstand und kein Herz‹«, sagte er, als sei es ein Zitat.

»Wer hat das über sie gesagt?«

»General Savary hat es über Schulmeister gesagt, als er ihn Napoleon vorstellte. Es paßt aber auch auf die Gothars – auf das, was von ihnen übrig ist. Deshalb erscheine ich vielleicht etwas überrascht. Sie gehören nicht zu der Sorte, die vorbeikommt und um Hilfe bittet.«

»Wer ist die andere Hälfte des Teams?«

»Gothars Zwilling.«

Ich zeigte auf den Haig. »Ich glaube, ich leiste dir doch Gesellschaft. Ein gleichaussehendes Paar von Gothars kommt mir ein bißchen üppig vor.«

»Sie sehen nicht direkt gleich aus«, sagte Padillo und schenkte mir einen Drink ein.

»Willst du damit sagen, daß sie keine richtigen Zwillinge sind?«

»Richtige Zwillinge sind sie schon, aber man hat keine Schwierigkeiten damit, sie auseinanderzuhalten.«

»Wieso?«

»Weil Walter Gothars Zwilling Wanda heißt.«

3

Sie kamen etwa eine halbe Stunde später zusammen, blinzelten in unserem ständigen Zwielicht und sahen sich so ähnlich, wie das bei zwei Personen verschiedenen Geschlechts nur möglich ist – etwa wie zwei vernickelte Kugellager, die »Er« und »Sie« beschriftet sind.

Obwohl Wanda Gothar die gleichen eisigen Augen wie ihr Bruder hatte, entsprach die Niedertracht in ihrem Lächeln nicht ganz der ihres Bruders, aber andererseits sah ich sie nur zweimal lächeln, und ich glaube, daß sie es beide Male nicht wirklich versucht hatte.

Padillo drehte sich auf seinem Barhocker herum und sah ihnen entgegen. Auch er lächelte nicht. Statt dessen behielt er sie im Auge, etwa so, wie ein Mungo Zwillingskobras im Auge behalten würde. Ich begann mich zu fragen, ob ich Herrn Horst nicht das gute Silber wegschließen lassen sollte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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