Die Blödheit der Anderen - Ben Worthmann - E-Book

Die Blödheit der Anderen E-Book

Ben Worthmann

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die ganze Wahrheit über den deutschen Alltag! *** Mal scherz-, mal schmerzhaft: Zwei Deutsche und wie sie ihr Land sehen. *** Das Leben ist schön. Aber manches daran ist eben leider auch ziemlich blöd. Wenn man mit offenen Augen und wachem Blick durch dieses Leben geht und noch nicht völlig abgestumpft ist, stellt man immer wieder fest, dass man sogar von ganz schön viel Blödheit umgeben ist. Wir, die beiden Autoren, haben jedenfalls so unsere Beobachtungen gemacht, und da wir nicht zu denjenigen gehören, die dergleichen einfach für sich behalten können, haben wir beschlossen, den Rest der Welt oder doch zumindest Deutschlands daran teilhaben zu lassen, in dem einige Dinge endlich einmal beim Namen genannt werden – schonungslos, sebstkritisch, ironisch und gnadenlos ehrlich, einschließlich des Bekenntnisses, dass natürlich auch wir selber von der Blödheit unserer Landsleute nicht ausgeschlossen sind. Greta Behrens und Ben Worthmann, beide als Journalisten und Buchautoren tätig, begegneten vor Jahren einander rein zufällig beim Beelitzer Spargelfest und stellten zunächst einmal fest, dass sie sehr verschieden sind: Sie jung und aus dem Osten stammend, er schon ein ziemlich alter Wessi. Aber dann entdeckten sie auch Gemeinsamkeiten, vor allem die Lust am Schreiben und am Lästern. Es gibt kaum ein Thema, das vor ihnen sicher wäre. *** Heitere bis bissige Plaudereien über Gott und die Welt der Deutschen. *** Aus dem Inhalt: ASAP ins Still-Café // Der Ausverkauf der Schönheit // Wallander und die bösen Russen // Hoeneß, Bukowski & Co.// Nichts zu berichten // Mehdorn, Chuck Norris und Schlagsahne// Achtung, Jane Birkin nackt! // Zöllner und der Mann ohne Beine // Mittelpunkt des Universums // Die Blödheit der Anderen // Die berühmte Dichterin // Pinky und Minna // Und immer an den Leser denken! // Beamten-Bashing // Shoppen und Zicken // Ein Zufall namens Volker // Blöde grinsen // Klatsche aus den eigenen Reihen // It's only TV // Betrunken vom Leben

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 161

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ben Worthmann, Greta Behrens

Die Blödheit der Anderen

Geschichten aus dem fast normalen Leben

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Ein Geleitwort von den Autoren

ASAP ins Still-Café

Nichts zu berichten

Der Ausverkauf der Schönheit

Hoeneß, Bukowski und Co.

Zöllner und der Mann ohne Beine

Achtung, Jane Birkin nackt!

Mittelpunkt des Universums

Die Blödheit der Anderen

Pinky und Minna

Wallander und die bösen Russen

Die berühmte Dichterin

Mehdorn, Chuck Norris und Schlagsahne

Ein Zufall namens Volker

Und immer an den Leser denken

Shoppen und Zicken

Beamten-Bashing

Blöde grinsen

Klatsche aus den eigenen Reihen

It's only TV

Betrunken vom Leben

Mehr von den Autoren

Impressum neobooks

Ein Geleitwort von den Autoren

Das Leben ist schön. Aber manches daran ist eben leider auch ziemlich blöd. Wenn man mit offenen Augen und wachem Blick durch dieses Leben geht und noch nicht völlig abgestumpft ist, stellt man immer wieder fest, dass man sogar von ganz schön viel Blödheit umgeben ist. Wir, die beiden Autoren, haben jedenfalls so unsere Beobachtungen gemacht, und da wir nicht zu denjenigen gehören, die dergleichen einfach für sich behalten können, haben wir beschlossen, den Rest der Welt oder doch zumindest Deutschlands daran teilhaben zu lassen, in dem einige Dinge endlich einmal beim Namen genannt werden – schonungslos, sebstkritisch, ironisch und gnadenlos ehrlich, einschließlich des Bekenntnisses, dass natürlich auch wir selber von der Blödheit unserer Landsleute nicht ausgeschlossen sind.

Greta Behrens und Ben Worthmann, beide als Journalisten und Buchautoren tätig, begegneten vor Jahren einander rein zufällig bei einem Beelitzer Spargelfest und stellten zunächst einmal fest, dass sie sehr verschieden sind: Sie jung und aus dem Osten stammend, er schon ein ziemlich alter Wessi. Aber dann entdeckten sie auch Gemeinsamkeiten, vor allem die Lust am Schreiben und am Lästern. Es gibt kaum ein Thema, das vor ihnen sicher wäre.

ASAP ins Still-Café

Achtung, Achtung, jetzt wird es ein bisschen indiskret-privat, ich warne Sie, liebe Leserinnen und Leser und dich, lieber Ben, lieber schon mal vor. Ich habe nämlich etwas an mir festgestellt, von dem ich gern vor anderen behauptet habe, dass ich es nicht habe: das Spanner-Gen. Aber ich habe es doch. Und das leicht Unheimliche dabei: ich fühle mich, als hätte man bei mir, zusätzlich zum Spanner-Gen auch noch eine neumodische Spanner-Krankheit diagnostiziert, eine für die es noch keine Medikamente gibt und die man nur behandeln kann, indem man dem Spanner eine ordentliche Backpfeife verpasst.

Wenn in Berlin Unfälle passieren, und Unfälle passieren in einer Großstadt wie dieser ja öfter mal, bleibe ich nie stehen und schaue dabei zu, was in den folgenden Minuten passiert, die ja im Grunde meist gleich ablaufen: Jemand ruft einen Krankenwagen, dann steigen zwei Sanitäter aus, versorgen den Verletzten und fahren mit Sirenengeheul und Karacho davon.

Ich gehöre für gewöhnlich zu denjenigen, die sich gnadenlos über andere Spanner auslassen: Was stehen die da so blöde rum? Was gibt’s da zu glotzen? Haben die kein Zuhause? Und ja, ich weiß auch, dass so ein Unfall unsere Urängste anspricht und man im Grunde genommen auch nicht spannt, um sich künstlich an der Szenerie aufzugeilen, nein, der Mensch per se ist erst von dem Geschehen so gelähmt, dass er stehenbleibt, stehenbleiben muss. Und guckt. Und spannt. Wie ein neugieriger Zombi. Und manche verarbeiten das Ereignis nicht so schnell und kriegen es nicht auf die Reihe, wenn ihr Kopf ihnen sagt: so, jetzt kannste eigentlich mal langsam wieder weitergehen.

Folgendes hat mich kürzlich vollends gelähmt. Kein Unfall. Diese Begebenheit löste mehrere Kurzschlüsse und Kettenreaktionen in meinem Hirn aus. Wie althergebracht schlurfe ich durch meinen Kiez. Die Dunkelheit brach bereits an. Ich bummle die Schönhauser Allee im Prenzlauer Berg entlang, laufe vorbei an Bio-Märkten und Natur-Märkten und Bio-Bio-Bio-Märkten. Und stehe plötzlich vor einem Café. Von draußen schaue ich durch die Scheibe und sehe: Eine Mutter. Sie stillt ihr Kind. Am Tisch. Dazu trinkt sie ein Heißgetränk. Früher waren mir stillende Mütter in der Öffentlichkeit immer ein bisschen unangenehm, um nicht zu sagen, nicht ganz geheuer, aber heute macht mir das nichts mehr aus. Ich denke, dass das jeder Mutter selbst überlassen sein sollte, ob sie ihr Kind öffentlich stillt. Und sowieso, wir sind ja alle aufgeklärt und sehr modern.

Die Kellnerin kommt und streichelt des Babys Köpfchen. Ich werde bei diesem Anblick nun innerlich ein bisschen überheblich und kann nicht verstehen, wie die Kellnerin das Köpfchen des Kindes streicheln kann, wo es doch gerade an des Mutters Brust hängt. Nun gut, denke ich, vielleicht ist die Kellnerin ja die Hebamme der Stillerin oder deren Schwester oder deren Freundin oder, oder, oder. Ich möchte gerade weitergehen, als mir plötzlich dutzende Kinderwagen vorm Eingang des Ladens, im Eingang selbst und im Vorraum des Cafés auffallen. Also schaue ich noch einmal in das Café-Fenster. Und erblicke noch eine stillende Mutter. Und noch eine. Und hinten in der anderen Ecke des Raumes sitzen zwei Frauen an einem Tisch, die das Kind gemeinsam stillen. Also jede ihr eigenes natürlich.

Ich bin von dem Anblick elektrisiert. Mein Gemütszustand ist plötzlich... fast nicht mehr vorhanden. Ich habe ihn unbewusst ersetzt in einen Zustand der verzweifelten Verwunderung oder verwunderten Verzweiflung oder anders gesagt, ich merk schon, ich bin unfähig zu einer treffenderen Bezeichnung: einen Zustand der Fassungslosigkeit. Meine Gesichtszüge entgleiten. Mir klappt die Kinnlade runter, in der Gusche wird’s schon langsam etwas zügig. Ich – verwirrt. Wegen stillender Mütter, wegen eines Still-Cafés. Ich merke allmählich wie ich gehässig werde: Packen die hier in aller Öffentlichkeit ihre Brüste aus, diese jungen Mütter?, erdreiste ich mich zu fragen. Und stelle mir vor, was diese Damen so bestellen und ob es inzwischen nicht nur normal, sondern sogar en vogue ist, zum Stillen extra ins Café zu gehen. Ich bin so was von festgefahren! Und Passanten, die die Busen-Szenerie mitkriegen, ebenso. Sie schauen, raunen, zischen, tuscheln. Kopfschütteln. Unverständnis. Eine Omi verschluckt sich fast bei dem, wie sie es nennt, "obszönen Anblick der Barbusigen".

Während es dem Land in seiner kollektiven Borniertheit schnurz ist, wenn blanke Möpse überall auf Werbe-Plakaten kleben, reibt es sich an neu eröffneten Still-Cafés auf. Ich kann von Glück reden, dass ich mir vom vielen Kopfschütteln nicht irgendwas ausgerenkt habe, einen Halswirbel womöglich oder gleich das ganze Gehirn.

Ich entschließe mich, schleunigst weiter zu gehen, bevor der Wahnsinn mit mir durchgeht. Dachte ich doch allen Ernstes: Demnächst eröffnen sie hier noch Cafés, wo man gemeinsam (Nein, ich sage es nicht, ich spreche es nicht aus!) ...kann. Ich habe wirklich Angst, dass jemand diesen, meinen Gedanken für ein neues Hipster-Geschäftsmodell halten könnte und demnächst beim Arbeitsamt (neumodisch: Jobcenter) einen Business-Plan einreicht. Ich bin sicher, im Prenzlauer Berg würden sie das sogar genehmigen. Werbeslogan: Scheiß dich glücklich! (Denn die Cafés: "Kauf dich glücklich" und "Stillen macht glücklich" gibt’s ja bereits) Nicht, dass mir das einer der Leser klaut. Warnung: Ich werde die Idee patentieren lassen! Findet Ihr mich auch so unglaublich intolerant?

fragt Greta.

***

Liebe Greta,

Du weißt ja, wir Männer sind ein bisschen anders, neigen eher zum Theoretisieren und Analysieren und wollen alles verstehen und ergründen, während Ihr Frauen Euch meist mit Ausflügen in Eure eigene Welt der hormongesteuerten Emotionen begnügt. Das ist einfach so und hat nichts mit Alter und Herkunft zu tun, sondern einzig und allein mit dem spezifisch männlichen Ticken der evolutionsbiologischen (Eier)-Uhr (entschuldige bitte den kleinen platten Scherz). Wir möchten den großen Zusammenhang begreifen. Und was den nun betrifft, so sage ich gleich vorweg, dass mich das Vorhandensein dieser sogenannten Still-Cafés kein bisschen überrascht.

Ich könnte jetzt ziemlich weit ausholen zu einem Exkurs in die Kulturgeschichte. Die wimmelt ja von Beispielen dafür, was schon so alles an intimen Verrichtungen vor den Augen einer mehr oder minder großen Öffentlichkeit stattgefunden hat. Könige und Kaiser hielten Hof, während sie auf dem Lokus saßen, Hochzeitsnächte wurden regelrecht dokumentiert, öffentliche Badehäuser waren die reinsten Swingerclubs - nicht zu reden von den alten Griechen, bei denen die Olympiateilnehmer nackt waren und in deren Gymnasien so manches abging, was relativ wenig mit der Bildung von Körper und Geist zu tun hatte. An dieser Stelle könnte ich jetzt auch noch etwas zum Themenbereich Päpste/Putin/Homophobie einflechten, aber das würde nun tatsächlich etwas zu weit führen.

Lieber erwähne ich zwecks Herstellung des großen Zusammenhangs Alice Schwarzer, auch wenn die noch nie in einem Still-Café aktiv geworden sein dürfte. Denn letztlich geht es auch hier um Gesellschaftspolitik - um die Wechselwirkung und Trennung bzw. Nicht-Trennung zwischen Politischem und Privatem. In jenen Zeiten, da sich Frau Schwarzer ihre unbestrittenen Verdienste - und zwar die, die sich nicht in Geldbeträgen ermessen ließen - erwarb, galt bekanntlich die progressive These, dass das Private politisch sei und umgekehrt. Heute sagte Frau Schwarzer, ihr Schwarzgeld sei ihre Privatangelegenheit. Und gleichzeitig finden Millionen und Abermillionen Menschen längst nichts mehr dabei, ihr Privatleben via Internet oder, sofern sie aufgrund einer wie immer gearteten B-, C- oder D-Prominenz irgendwelche Deals mit dem Boulevard gemacht haben, per TV oder in Klatschblättern öffentlich zu machen.

Kurz: Die Maßstäbe auf diesem Gebiet sind total verrutscht. Der öffentliche Raum ist durch und durch pornografisiert, aber das hindert bestimmte Leute nicht daran, sich über den Anblick einer zum Zweck der Kleinkindernährung gezückten Mutterbrustwarze zu echauffieren. Frau Schwarzer kämpft gegen die Prostitution, fand aber nichts dabei, für die BILD zu kolumnieren, ein Blatt, das Sex-Inserate und Fotos aus der Abteilung weibliche Fleischbeschau druckt und nicht gerade für linke Gleichberechtigungspropaganda bekannt ist.

Überhaupt habe ich den Eindruck, dass auf dieser Welt das Widersprüchliche, Paradoxe, Unangemessene immer mehr Lebensbereiche erobert. Um noch mal auf die Still-Cafés zurückzukommen: Ja, doch, mich stört es schon, dass es so etwas gibt, und zwar insofern, als diese Lokalitäten ein Zeichen dafür sind, welch ein Bohai heute manche um die schlichte Tatsache einer geglückten Fortpflanzung machen - so als sei das Kinderkriegen nicht die natürlichste Sache der Welt Sie zelebrieren ihre Mutter- bzw. Elternschaft förmlich und machen daraus eine neuartige Religion um ihr heiliges Kind. Die stillende Mutter im Café wird somit fast zu einer Art trivialem Abklatsch der Pieta, wobei ihr Kind im Unterschied zur echten Pieta allerdings lebendig ist - zum Glück.

Die amtierenden deutschen Politiker geben aus Sorge um die Rentenkassen allenthalben Parolen zur Vermehrung aus - so als gäbe es nicht jede Menge Länder, denen es mit wesentlich weniger Einwohnern als Deutschland sehr gut geht. Aber längst nicht einmal allen Kindern, die in Deutschland geboren werden, geht es wirklich gut. Und vielen, sehr vielen Kindern, die irgendwo sonst zur Welt kommen, geht es dermaßen beschissen, dass man ihnen beinahe wünschen würde, sie wären gar nicht erst geboren, weil in ihrer Heimat Not und Krieg herrschen.

Währenddessen machen sich unsere sogenannten politischen Eliten neuerdings einen Kopf darüber, ob nicht mehr deutsche Soldaten hinaus geschickt werden müssten, um überall für Recht und Ordnung zu sorgen. Dabeisein ist bekanntlich alles, nicht nur bei Olympia, sondern auch im Krieg. Und die stark mutterkreuzverdächtige deutsche Verteidigungsministerin - ob die ihre siebenköpfige Brut mit Warze oder Flasche großgekriegt hat, sei dahingestellt - träumt polit-programmatisch von einer besseren Vereinbarkeit des Soldatenberufs mit familiären Belangen. Vermutlich müssen wir uns den familienfreundlichen deutschen Soldaten der Zukunft so vorstellen, dass er vormittags irgendwo in der Welt ein paar Erwachsene totschießt und damit einige Kinder zu Waisen macht und nachmittags seinen eigenen Nachwuchs aus der Kita abholt oder ein Handyfoto von seiner stillenden Gattin auf Facebook postet, das aber von Herrn Zuckerberg prompt gelöscht wird, weil sich so etwas nun mal einfach nicht gehört.

Manchmal träume ich davon, dass die Menschheit etwas normaler wäre.

In diesem Sinne und mit besten Grüßen

Ben

Nichts zu berichten

Lieber Ben, liebe Leser,

manchmal könnte ich mich ohne Punkt und Komma aufregen, pausenlos. Immerzu. Nicht selten über die Medien im Allgemeinen oder die Berichte über Michael Schumacher im Besonderen. Michael Schumacher, der berühmte Rennfahrer, den alle und jeder zu kennen meint, die Person des öffentlichen Lebens, der als Mensch aber gar nicht mehr wahrgenommen wird. Michael Schumacher hatte einen schweren Unfall. Das wissen alle. Das ist schlimm, und es ist traurig, genauso wie es traurig ist, wenn so etwas einem Unbekannten passiert. Aber diese Medien, nein diese Medien! Was sind deren Macher doch für ein widerliches, penetrantes Volk! Und was sind wir doch für ein widerliches, penetrantes Volk, rund um die Uhr zu glauben, Medien konsumieren zu müssen. Weil heutzutage ja alles so schnell sein muss. Weil unsere Gehirne ja mit Infos geflutet werden müssen. Und unter dem Deckmäntelchen der Information erlauben wir boulevardesken Arschkrampen uns Dreistigkeiten, dass es einem übel wird. Die Familie von Michael Schumacher hat um die Achtung ihrer Privatsphäre gebeten, mehrmals wohlgemerkt. Aber das ist doch den werten Herrschaften von der Presse wurscht! Man hat schließlich eine Aufgabe! Das Volk zu unterrichten, denn das gemeine Volk hat ein Recht darauf zu erfahren wie es dem Michael Schumacher geht, ob er in seinem Krankenbett einen Schlafanzug trägt, welche Farbe der Schlafanzug hat und ob auf seinem Nachttischchen frische Blumen stehen. Private Schicksale interessieren die Leute eben, dafür schnüffelt man auch schon gern mal ein bisschen tiefer rum oder bohrt nach, obwohl von den Verwandten inständig und mehrfach um ein bisschen Ruhe und Rücksicht gebeten wurde. Wie ein interner, geheimer und bis dato nicht veröffentlichter Mail-Verkehr aussieht, wenn die Familie von Michael Schumacher zum x-ten Male einen widerlich penetranten, hier nicht namentlich erwähnten Reporter darum bittet, dass man ihre Privatsphäre doch bitte akzeptieren solle, das lest Ihr jetzt:

Familie von MS: "Die Familie von Michael Schumacher bittet erneut um Respekt für ihre Privatsphäre, das Arztgeheimnis und darum, die behandelnden Ärzte nicht in ihrer eigentlichen Arbeit zu stören. Gleichzeitig möchte sie sich nochmals ausdrücklich für die weltweite Anteilnahme bedanken. Michaels Narkosemittel werden seit kurzem reduziert, um ihn in einen Aufwachprozess zu überführen, der sehr lange dauern kann. Es war ursprünglich die klare Absprache zwischen allen Beteiligten, diese Information zum Schutz der Familie erst zu kommunizieren, wenn sich dieser Prozess konsolidiert hat. Über Zwischenschritte werden wir keine Auskunft geben, bitte respektieren Sie das..."

Im Grunde ist an dieser Aussage ja eigentlich nichts falsch zu verstehen, oder? Dort steht nicht, das man die Presse bittet, mal eben vorbei zu kommen, weil man so gern ein Interview geben möchte oder sich sonst wie über den Koma-Patienten unterhalten möchte. Die Familie möchte weder ein Statement abgeben, noch sich darüber äußern, ob Schumacher mit der Wimper gezuckt oder mit dem kleinen Zee gewackelt hat. Die Familie möchte ihre Ruhe, meine Fresse, ist das so schwer zu begreifen? Doch anscheinend schon, denn was antwortet der werte TV-Redakteur, nenne wir ihn an dieser Stelle der Einfachheit halber Herr Schwervonkapie, auf dieses Anschreiben? Folgendes:

Herr Schwervonkapie: "Liebe Familie Schumacher,

danke für die Info. Um Ihr schriftliches Statement ins Fernsehen zu transportieren, würden wir Sie gerne ins Programm schalten und ein TV-Team schicken, um einen kurzen O-Ton von jemandem aus der Familie aufzuzeichnen. Bitte rufen Sie mich zurück, damit wir schnell reagieren können. Und wäre es möglich, auch eine kurze Stellungnahme vom behandelnden Arzt zu bekommen? Oder von einer der Krankenschwestern? Vielleicht sogar vom Sohn?

Freundlich grüßt,

Herr Schwervonkapie"

Was muss die Managerin, die die Belange der Familie vertritt, nun erneut antworten? Würde sie nämlich nicht reagieren, stünde ja das Scheiß-TV-Team eine Stunde später vor ihrer Tür!

Familie von MS: "Sehr geehrter Herr Schwervonkapie,

nochmals: die Familie steht für ein Gespräch nicht zur Verfügung. Vielen Dank für Ihr Verständnis."

Da fragt man sich doch, ob Herr Schwervonkapie sich nicht schon sämtliche Gehirnstränge aus seiner weichen Birne gespült hat. Aber das Lächerliche an der ganzen Diskussion ist schlicht, dass sich nichts, aber auch rein gar nichts ändern wird. Dass man eben Bilder braucht, Nachrichten machen muss, egal welchen Inhalts, es muss eben immer irgendetwas berichtet werden. Wie war das noch, als Robert Enke sich wegen seiner Depression das Leben genommen hat? Oh, da war die Schelte der Medien untereinander so groß. Journalisten sind sich in TV-Sendungen fast gegenseitig an die Gurgel gegangen, weil sie sich von einem Kollegen nicht ans Bein pinkeln lassen wollten. Aber gelernt hat man: Nichts! Medien haben nämlich so etwas wie eine Lernresistenz! Wenn es etwas zu berichten gibt, okay, aber wenn es nichts zu berichten gibt, einfach mal die Fresse halten!

Schweigend grüßt Euch,

Greta.

***

Liebe Greta, werte Leserinnen und Leser,

manchmal träume ich wirklich davon, dass irgendwann ein Tag anbricht, an dem Folgendes geschieht: Man guckt morgens in die Zeitung und entdeckt lauter weiße Flecken und über den entsprechenden Rubriken wie Politik oder Vermischtes steht jeweils nur der Hinweis: "Liebe Leser, es tut uns Leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass ausnahmsweise gar nichts passiert ist, über das zu berichten sich lohnen würde. Höchstens irgendwelcher Mumpitz, der nicht mal uns wirklich zu interessieren hat und Sie schon gar nicht. Also machen Sie sich einen schönen Tag und beschäftigen Sie sich heute mal nicht mit Dingen, die Sie im Grunde einen feuchten Kehricht angehen. Bis demnächst."

Und dann schaltet man den Fernseher ein und der Nachrichtensprecher erklärt einem Ähnliches: "Guten Abend, meine Damen und Herren, mangels wirklich relevanter Ereignisse zeigen wir Ihnen jetzt einen preisgekrönten Kurzfilm über das Leben der Feuerlandindianer" oder "es folgen Ausschnitte aus dem legendären Unplugged-Konzert von Nirvana".

Allerdings befürchte ich, dass dieser Traum niemals in Erfüllung gehen wird. Denn offenbar ist es so, dass in der Medienbranche, speziell in der Abteilung Boulevard, mittlerweile immer mehr Typen beschäftigt sind, mit deren Berufsethos es auch nicht wesentlich weiter her ist als mit dem von Bankern, Bischöfen und Versicherungsheinis. Klar, die Leute stehen alle mächtig unter Druck, wegen der Gier und wegen der Quoten und überhaupt des Marktes mit seinen allmächtigen Gesetzen, gegen die weder ein Kraut gewachsen ist noch der normale menschliche Verstand und Anstand etwas ausrichtet. Irgendwo sitzen immer gelackte, gegelte Ober-Medien-Fuzzis mit synergetisch-controlling-verseuchten Hirnen und geben den Tagesbefehl aus: "Los, nun liefert Sensationen! Bringt mir das Foto vom Pimmel des Neuen von Jenny Elvers, kratzt einen Sperma-Fleck von Heidis Bettlaken, ich will ein Video von der Verteidigungsministerin, wie sie beim Truppenbesuch in Afghanistan auf dem Donnerbalken hockt. Aber bitte dalli!"

Und wenn das alles partout nicht klappen will, die große Enthülle scheitert und auch sonst keine Mega-Sensation weit und breit in Sicht ist wie beispielsweise ein umfallender Reissack in China, dann wird sich halt selber eine gemacht.