Die drei ??? und der Zauberspiegel (drei Fragezeichen) - M.V. Carey - E-Book

Die drei ??? und der Zauberspiegel (drei Fragezeichen) E-Book

M.V. Carey

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  • Herausgeber: Kosmos
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

Wenn jemand erzählt, in einem spanischen Spiegel spuke es, und nachts sind auch noch seltsame Geräusche zu hören, dann kriegt vor allem Justus weniger eine Gänsehaut, als vielmehr Lust, diesen Dingen auf den Grund zu gehen. Doch kaum beginnen die drei ??? zu ermitteln, häufen sich merkwürdige Zwischenfälle.

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Seitenzahl: 178

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und der Zauberspiegel

erzählt von M.V. Carey nach einer Idee von Robert Arthur

Aus dem Amerikanischen übertragen von Leonore Puschert

Kosmos

Umschlagillustration von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)

Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage der Gestaltung von Aiga Rasch

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele weitere Informationen zu unseren Büchern, Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und Aktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2014, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

Based on characters by Robert Arthur.

ISBN 978-3-440-14062-8

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Ein Wort von Albert Hitfield

Dieses Vorwort erübrigt sich für den Leser, der die drei ??? bereits kennt. Bitte sehr: gleich zum ersten Kapitel weiterblättern und hinein ins Abenteuer!

Wer aber Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews noch nicht begegnet ist, dem erteile ich mit Vergnügen Auskunft über die drei und ihr Detektivunternehmen. Also: Die hoffnungsvollen Jünglinge wohnen in Rocky Beach in Kalifornien, einer Kleinstadt in der Nähe von Hollywood. Justus Jonas, dem gewichtigen und gewitzten Burschen, der als Erster Detektiv dem Trio vorsteht, sind verblüffende Geistesgaben (und leider auch manchmal ein recht arrogantes Auftreten!) zu eigen. Peter Shaw, Zweiter Detektiv, ist ein Athlet und Aktivist, aber jedem Leichtsinn abhold, und Justs Wagemut macht ihm oft sehr zu schaffen. Bob Andrews, ein gescheiter Kopf und Bücherfreund, geht bei seinen Recherchen zur Aufklärung der zu bearbeitenden Fälle immer äußerst gründlich vor.

Die Jungdetektive haben ihr Hauptquartier in einem alten Wohnwagen, der auf dem Schrottplatz von Justs Onkel abgestellt ist. Ihre Unternehmungen beschränken sich nicht nur auf Rocky Beach. Des Öfteren spinnen sich geheimnisvolle Fäden auch zu anderen Ländern und Erdteilen. In dem hier vorliegenden Fall begegnet den Jungen in einer alten Villa in Hollywood – notabene einem berüchtigten Spukhaus – eine Geistererscheinung, und sie versuchen, das Geheimnis jenes Mannes zu ergründen, der in einem Spiegel verschwand und nie mehr auftauchte.

Oder doch? Dies, geschätzter Leser, entscheide selbst.

Albert Hitfield

P. S. Wichtig für alle Leser!

Ich kenne meine Leser als intelligent und hoffe, ihr seid alle gut beschlagen in Geografie und Zeitgeschichte. Deshalb war ich in diesem Fall vorübergehend versucht, euch die Sache mit dem Zauberspiegel aus dem rätselhaften Lande Ruffino einfach ohne weitere Erklärung vorzulegen. Die Mehrzahl unter euch hätte sicherlich Lunte gerochen und sich gesagt: »Aha – hier mussten Persönlichkeiten und Vorgänge aus Gründen der Vorsicht in abgewandelter Form dargestellt werden.«

Doch mittlerweile habe ich mich dafür entschieden, einen Hitfield-Leser lieber nicht an der Nase herumzuführen. Also kurzum: Die Geschichte, worin die drei ??? und einige mehr oder minder hochgestellte Leute hier verwickelt sind, spielte sich in Wahrheit in einem gewaltigen Konzern, einer Mammut-Firma, in einem südamerikanischen Staat ab. Die drei ??? und ich haben uns darauf geeinigt (wie gesagt: aus Vorsicht und aus Rücksicht), die Hintergründe dieses spannenden Falles hier im Buch ganz und gar verändert darzustellen und das Gras, das inzwischen über die Sache gewachsen ist, ruhig weiterwachsen zu lassen. So wurde also – um nur ein Beispiel zu nennen – aus dem Generaldirektor jenes riesigen Unternehmens eben … der Staatspräsident des erfundenen Minilandes »Ruffino«.

Unser Erster Detektiv hatte die Grundidee zu dieser Verwandlung, und ich stelle anerkennend fest, dass Justus beileibe nicht immer nur nüchtern und realistisch ist, sondern viel Fantasie besitzt. Bob, der Schreibgewandte unter den drei ???, steuerte in seiner »entschärften« Form des Protokolls mit großem Vergnügen hübsche und passende Einzelheiten bei. Und Peter, der Vorsichtige, konnte aufatmen – denn insbesondere er fand es riskant, wenn nicht sogar gefährlich, eine so heikle Geschichte wie Erpressung in einem machtvollen Großkonzern unverhüllt in einem Buch über die drei ??? auftauchen zu lassen. So etwas wird ja leicht zur politischen Affäre und kann großen Schaden anrichten. Daher also ließen wir lieber den Inselstaat »Ruffino« aus dem Meer auftauchen!

A. H.

»Haltet den Dieb!«

»Onkel Titus ist selig«, sagte Justus Jonas. Der stämmige Junge lehnte am Kotflügel des Transporters, der dem Gebrauchtwaren-Center T. Jonas gehörte. »Hat er doch an einem einzigen kurzen Nachmittag vier Buntglasfenster, einen Marmorkamin, eine antike Badewanne und sieben Mahagonitüren erstanden.«

Peter Shaw stöhnte und setzte sich auf den Bordstein. »Wenn du mich fragst: Ganz so kurz war dieser Nachmittag nicht«, beschwerte er sich. »Mindestens nicht für uns, solange wir all das Zeug auf den Wagen laden mussten. Die Badewanne war ohnehin eine Tonne schwer!«

Bob Andrews grinste. »Es war harte Arbeit«, sagte er, »aber es macht Spaß, dabei zu sein, wenn Justus Onkel so einen richtigen Großeinkauf tätigt.«

Justus wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. Gleich nach dem Mittagessen waren er, Bob und Peter mit Onkel Titus von Rocky Beach weggefahren. Ein altes Haus in den Bergen über Hollywood sollte abgerissen werden, und Onkel Titus hatte sich vorgenommen, es regelrecht auszubeinen. Jetzt war es fast vier Uhr und die Augustsonne brannte kräftig aufs Bergland nieder. Die Stadt unten schien in Hitzewallungen zu flimmern.

»Justus«, sagte Peter, »was macht dein Onkel eigentlich so lange da drinnen?«

»Höchstwahrscheinlich vergewissert er sich, dass er nicht etwa eine Kostbarkeit übersehen hat«, meinte Justus Jonas.

Die anderen beiden nickten. Der jonassche Trödelmarkt, der Justus’ Onkel und Tante gehörte, war entlang der ganzen Pazifikküste für sein vielseitiges Warenangebot bekannt. Onkel Titus graste in regelmäßigen Abständen den Großraum Los Angeles nach antiken Türen, ausgefallenen Lampen, Toren, Zäunen, Haushaltsgeräten und Gebrauchtmöbeln ab. Manchmal kaufte er Dinge, die sich nur äußerst schwer wieder absetzen ließen. Tante Mathilda schimpfte dann ein bisschen, aber sie gebot doch immer den beiden irischen Brüdern Patrick und Kenneth, die im Schrottlager arbeiteten, für die neuesten Kuriositäten auch noch Platz zu schaffen. Über kurz oder lang fanden auch die bizarrsten Möbelstücke ihren Käufer und dann trumpfte Onkel Titus gehörig auf.

Justus lächelte, als Onkel Titus endlich aus der riesigen, dem viktorianischen Stil nachempfundenen Villa kam, die ganz oben am Ende der Höhenstraße, Crestview Drive, lag. Mr Jonas blieb noch einmal kurz stehen, um mit dem Vorarbeiter der Abbruchkolonne zu reden, die demnächst das Haus niederreißen würde, um Platz für einen neuen Wohnblock zu schaffen. Dann schüttelten sich die beiden Männer die Hand und Onkel Titus kam den Fußweg herunter zum Wagen.

»Alles klar, ihr drei«, sagte er. »Jetzt gibt es da drinnen nichts Lohnendes mehr. Trotzdem ist es schade. Häuser wie dieses hier baut man heute nicht mehr. Es muss prachtvoll gewesen sein, als es neu war. Jetzt sind überall die Termiten und der Hausschwamm.« Onkel Titus seufzte, strich sich den großen schwarzen Schnurrbart glatt und stieg ins Führerhaus des Transporters. »Los!«, rief er.

In wenigen Sekunden hatten sich die Jungen hinten im Laderaum zwischen den Mahagonitüren und den Buntglasfenstern verstaut. Langsam begann der Wagen die steil abfallende Straße nach Hollywood hinunterzurollen. Beim Hinausschauen sah Justus, dass die meisten Grundstücke in der Nachbarschaft recht gepflegt waren. Sehr große alte Häuser säumten die Straße. Ein paar waren im Stil englischer Landhäuser erbaut, andere ähnelten französischen Schlössern und viele waren Villen im Stil der spanischen Kolonialzeit mit stuckverzierten Mauern und mächtigen roten Ziegeldächern.

»Da!« Bob tippte Justus auf die Schulter und zeigte auf ein wahrhaft gewaltiges spanisches Haus rechts an der Straße. Davor parkte ein Wagen – ein ganz besonderer Wagen. Ein schwarzer Rolls-Royce mit vergoldeten Beschlägen.

»Das ist ja unsere Prachtkutsche!«, rief Justus. »Dann muss auch Morton irgendwo in der Nähe sein.«

Vor einiger Zeit hatte Justus bei einem Preisausschreiben einer Mietwagenfirma gewonnen. Der Preis war die Nutzung jenes Rolls-Royce-Veteranen für die Dauer von dreißig Tagen samt Chauffeur Morton, einem würdigen Briten. Morton hatte die drei Jungen damals oft gefahren, wenn sie im Verlauf ihrer Ermittlungen Geheimnisse ergründen, verborgene Schätze aufspüren und manch schlimmen Plan vereiteln mussten. Als die gewonnenen dreißig Tage um waren, hatte ein dankbarer Kunde dafür gesorgt, dass der Rolls-Royce den Jungen jederzeit zur Verfügung stand, wenn sie ein Transportmittel brauchten.

Onkel Titus schaltete herunter und fuhr vorsichtig an dem blinkenden Rolls-Royce vorüber. Und da öffnete sich plötzlich die Haustür der großen Villa. Ein magerer kleiner Mann in einem dunklen Anzug lief eilig heraus und rannte weg, so schnell ihn seine dünnen Beine trugen.

»Halt! Stehen bleiben, elender Schuft!«

Morton lief in großen Sätzen hinter dem Mann her.

Onkel Titus trat voll auf die Bremse, und Peter sprang aus dem Wagen und sauste los, um der flüchtenden Gestalt den Weg abzuschneiden.

»Haltet den Dieb!«, schrie Morton.

Peter stürzte sich auf den Mann und versuchte, ihn um die Mitte zu packen. Der Kerl war klein, aber flink. Seine Faust schnellte vor und Peter spürte einen jähen, betäubenden Schmerz unter dem rechten Auge. Dann sackten ihm die Beine weg und er stürzte seitwärts hin. Rasche Schritte entfernten sich und er hörte eine Autotür zuschlagen.

»Hol’s der Kuckuck!«, rief Morton empört.

Peter öffnete die Augen und schüttelte den Kopf, um wieder klarzukommen. Morton war über ihn gebeugt.

»Alles in Ordnung, Peter?«, erkundigte sich der Chauffeur.

»Ich glaube schon. Ich muss nur wieder zu Atem kommen.«

Bob und Justus kamen angerannt.

»Der Bursche ist auf und davon«, berichtete Bob. »Sein Auto hatte er unten an der Straße geparkt.«

Morton erhob sich zu seiner vollen Größe von fast zwei Metern. Sein langes, normalerweise liebenswürdiges Gesicht war rot vor Zorn und Anstrengung. »Wie konnte ich den erbärmlichen Kerl nur entwischen lassen?«, rief er. Dann hellte sich seine Miene wieder ein wenig auf. »Immerhin haben wir ihm tüchtig Angst eingejagt!«, verkündete er.

Ein Spiegelkabinett

»Morton, ist er weg? Ich habe die Polizei angerufen!«

Justus sah verdutzt auf. Peter, noch ganz benommen, rieb sich das Gesicht, und Bob starrte mit offenem Mund die Frau an, die im Türrahmen der spanischen Villa erschienen war.

»Ich fürchte, er ist entkommen, Madam«, sagte Morton.

Die Frau kam den Gartenweg entlang. Justus bemerkte plötzlich, dass sein Mund ebenfalls offen stand, und er machte ihn zu. Justus Jonas war nicht leicht aus der Fassung zu bringen, aber wer bliebe schon gefasst beim Anblick einer Dame in einem Gewand aus schwerem Brokat mit gebauschtem Reifrock? Als sie näher kam, sah Justus, dass das weiße, hoch aufgetürmte Haar in Wahrheit eine gepuderte Perücke war.

»Mrs Darnley«, sagte Morton, »ich möchte Ihnen meine Freunde, die drei Detektive, vorstellen.«

»Ach?« Die Dame wirkte sekundenlang verblüfft. Dann lächelte sie. »O ja. Die drei jungen Detektive. Morton hat mir von euch erzählt. Lasst euch mal anschauen.« Sie nickte Justus zu. »Ich meine, du müsstest Justus Jonas sein.«

»Ja«, sagte Justus.

Morton stellte noch Bob und Peter vor. »Peter hat versucht, den Eindringling aufzuhalten«, erklärte er.

»Dir ist nichts passiert, oder doch?«, erkundigte sich Mrs Darnley.

»Nein, Madam«, sagte Peter. Langsam stand er auf.

»Das ist ein Glück. Einbrecher können bekanntlich sehr gefährlich werden.«

Onkel Titus stieg nun auch vom Transporter herunter.

»Mrs Darnley, das ist Mr Titus Jonas«, sagte Morton.

Die Dame lächelte gewinnend. »Oh, das ist mir ein Vergnügen! Ich habe von Ihnen und Ihrem berühmten Trödelmarkt gehört. Ich wollte Sie immer schon aufsuchen, um nachzufragen, ob Sie vielleicht interessante Spiegel auf Lager haben.«

»Spiegel?«, wiederholte Onkel Titus.

»Ja, die sammle ich nämlich. Kommen Sie doch herein und schauen Sie sie sich an.«

Sie wandte sich um und eilte leichtfüßig zum Haus zurück, wobei ihr weiter Rock raschelte.

»Zieht sich die Dame immer so an?«, fragte Peter.

»Sie ist eine höchst bemerkenswerte Persönlichkeit«, erklärte Morton. »Ich fahre sie ziemlich häufig, da sie sich nicht mit einem eigenen Wagen belasten will. Ihr Haus wird euch faszinieren.«

Das Haus war faszinierend. Die Jungen und Onkel Titus folgten Morton durch eine dämmrige und ungewohnt kühle Eingangshalle. Zur Linken schwang sich eine mächtige Treppe majestätisch ins Obergeschoss hinauf; dahinter bog ein langer, enger Korridor ab, der die Tiefe des Hauses fast ganz durchmaß. Zur Rechten führte eine reich verzierte Flügeltür in einen Raum, der zu dunkel war, als dass man sein Inneres erkennen konnte. Die Besucher wurden geradeaus in einen geräumigen Salon geführt – und hier schienen die Wände von tanzenden und zitternden Schatten belebt. Schwere Vorhänge schirmten das Sonnenlicht ab, und jetzt erst merkten die Jungen, dass die beweglichen Schatten ihre eigenen Abbilder waren. Sie fanden sich in Spiegeln wieder – in dutzenden von Spiegeln, vielleicht auch hunderten. Sie sahen ihr Spiegelbild gespiegelt. Im Raum schienen nicht drei Detektive, sondern dreißig oder dreihundert zu sein.

»Sind sie nicht schön?« Mrs Darnleys Gestalt geisterte durch all die Spiegel, als sie nun an Justus herantrat.

»Mir wird ganz schwindlig«, sagte Peter.

»Dann setz dich hin«, empfahl Mrs Darnley. Sie ließ sich auf einem kleinen Stuhl am Kamin nieder. »Meine Spiegel sind fast nur antike Stücke«, erklärte sie, »und sie alle haben eine Geschichte. Ich habe mein ganzes Leben damit zugebracht, diese Sammlung aufzubauen. Als kleines Mädchen fing ich damit an. Kennt ihr die Geschichte von Alice im Wunderland, die durch den Spiegel geht und jene wundersame Welt entdeckt, in der alles umgekehrt ist? Als ich noch klein war, glaubte ich, das könnte ich auch, wenn ich nur den richtigen Spiegel dafür hätte.«

Ein Junge, etwa von Peters Alter und Größe, kam ins Zimmer. Er hatte feuerrotes Haar und seine Nase war mit Sommersprossen übersät. Hinter ihm kam ein Mädchen, fast ebenso groß wie er, aber mit dunklerem Haar. Sie lächelte Morton zu, der steif an einem Fenster stand. Dann blickte sie Onkel Titus und schließlich die Jungen an.

»Das sind meine Enkelkinder«, sagte Mrs Darnley. »Jenny und Jeff Parkinson. Kinder, das ist Mr Titus Jonas, dem der berühmte Trödelmarkt gehört, das ist sein Neffe Justus und das sind die Freunde, Bob und Peter.«

»Die drei Detektive!«, rief Jeff.

»Das trifft sich ja gut!«, sagte das Mädchen. »Wo wir gerade einen Einbrecher hier hatten – allerdings hat er nichts mitgenommen.«

»Fehlt wirklich nichts?«, fragte Mrs Darnley.

»Soviel wir bis jetzt feststellen können, nein«, antwortete Jenny.

Da hörten sie vom Tal her einen näher kommenden Sirenenton.

»Das wird die Polizei sein«, sagte Mrs Darnley. »Jenny, du machst dann auf. Und Morton, setzen Sie sich doch bitte hin. Es sieht richtig unbequem aus, wie Sie dastehen – wie eine Bildsäule.«

»Sehr wohl, Madam«, sagte Morton und ging zu einem Stuhl.

Jenny führte zwei junge Streifenpolizisten ins Zimmer. Dem einen fiel die Mütze aus der Hand, als er Mrs Darnley in ihrem Brokatkleid sah. Sie nahm sein Staunen nicht zur Kenntnis und berichtete den beiden kurz, was geschehen war.

»Ich war oben und trank gerade eine Tasse Tee«, sagte sie. »Mein Diener John Chan war auch da, er servierte. Beide hörten wir nichts Ungewöhnliches. Der Einbrecher glaubte zweifellos, es sei niemand im Haus. Als dann aber Morton und meine Enkel vom Markt aus der Stadt zurückkamen, überraschten sie den Einbrecher. Er war in der Bibliothek und nach unseren Feststellungen hat er nichts mitgenommen. Vielleicht blieb ihm dazu keine Zeit mehr.«

Morton und die Jungen gaben dann eine Beschreibung des Mannes, der aus dem Haus geflüchtet war – klein, sehr mager, dunkelhaarig und drahtig, mittleren Alters, aber stark und flink. Justus beschrieb den Wagen, in dem der Mann entkommen war.

»Diese Automarke gibt es zu tausenden«, sagte der eine der Polizisten. »Hast du dir das amtliche Kennzeichen gemerkt?«

»Leider nicht«, sagte Justus. »Der Wagen und das Nummernschild waren ganz verdreckt.«

Der Polizist schrieb etwas in sein Notizbuch und seufzte.

»Wir wissen, wie er hereinkam«, sagte Jenny Parkinson. »Er hat das Schloss am Eingang zur Küche aufgebrochen.«

Der Polizist nickte. »Immer das alte Lied«, sagte er. »Hintertüren haben einfach nie ordentliche Schlösser.«

»Aber meine Hintertür hat … das heißt, hatte ein sehr gutes Schloss«, entgegnete Mrs Darnley. »Ich bin in diesen Dingen sehr vorsichtig. Sie haben vielleicht schon bemerkt, dass an diesem Haus vor sämtlichen Fenstern Eisengitter angebracht sind. Und es gibt nur zwei Eingänge, die Haustür und den Durchgang von der Küche zur Garage. Beide haben doppelte Schubriegelschlösser. Der Mann hat die Tür mit einer Brechstange aufgebrochen. Jeff, führ die Herren in die Küche und zeig’s ihnen!«

Die Männer gingen hinter Jeff hinaus und kamen sehr bald wieder zurück. Einer trug die Brechstange, die der Eindringling benutzt hatte, um ins Haus zu gelangen.

»Vielleicht können sie im Labor mit den Fingerabdrücken was anfangen«, meinte er.

»Der Mann trug aber Handschuhe«, sagte Peter.

»Bestimmt?«

»Ganz bestimmt. Ich muss es ja wissen – er hat mir eine geklebt.«

Danach gingen die Polizisten wieder. Sie versprachen noch, Mrs Darnley zu verständigen, sollten sich irgendwelche Anhaltspunkte ergeben, die zur Identifizierung des Einbrechers führen könnten. Auch Morton verabschiedete sich, um den Rolls-Royce zum Autohaus zurückzubringen.

»Weiteres werden wir aller Voraussicht nach nicht erfahren«, sagte Mrs Darnley. »Na, es ist ja nicht viel passiert. Möchtet ihr euch das Haus ansehen? Es hat früher dem Zauberkünstler Drakestar gehört. Er hat es gebaut.«

»Drakestars Haus?« Justus, der über Bühnenkünstler recht gut Bescheid wusste, setzte sich plötzlich kerzengerade auf. »Das ist also Drakestars Haus? Ich habe davon gelesen.«

Mrs Darnley nickte. »Drakestar starb hier, und man sagt, dass es im Haus spukt. Ich selbst habe bisher nie etwas Außergewöhnliches gesehen oder gehört. Aber kommt nun mit, wenn ihr Gefallen an reizvollen alten Dingen habt.«

Sie schritt durch das Wohnzimmer und öffnete eine Flügeltür. Onkel Titus, die drei ??? und Jenny und Jeff Parkinson folgten ihr in einen riesigen Speisesaal. Hier waren die Vorhänge zurückgezogen und auf die mit schwerem rotem Damast bespannten Wände schien die im Westen stehende Sonne. Über der Anrichte hing ein Spiegel in verschnörkeltem Goldrahmen. Er wirkte sehr alt und an mehreren Stellen war die Quecksilberschicht von der Scheibe abgeblättert.

»Das ist eine meiner ganz besonderen Kostbarkeiten«, sagte Mrs Darnley. »Der Spiegel stammt aus dem Zarenpalast im früheren St. Petersburg. Sicher weiß man es natürlich nicht, aber möglicherweise hat sich Katharina die Große darin angeschaut. Das ist das Faszinierende an Spiegeln. Sie haben so viele Bilder in sich aufgenommen, und man kann sich leicht vorstellen, dass doch ein klein wenig von jeder Person im Spiegel haften bleibt.«

Hinter dem Speisezimmer lag die Anrichte und dahinter die Küche, wo die Jungen John Chan, Mrs Darnleys Diener, antrafen. Er war schlank, etwa Mitte zwanzig, und obwohl es ersichtlich war, dass seine Vorfahren aus dem Fernen Osten stammten, sprach er gepflegtes Englisch. Er berichtete, dass Zimmerer und Schlosser bereits verständigt seien und dass die Küchentür noch vor dem Abend wieder instandgesetzt werde.

»Gut«, sagte Mrs Darnley. Sie wies auf eine weitere Tür. »Hier geht es zu Johns Zimmer«, sagte sie, »und darin darf ich keinen einzigen Spiegel aufhängen.«

Der Diener lächelte. »Ich sehe mich im Vorübergehen ohnehin viel zu oft«, erklärte er.

»Also gehen wir weiter, zu meinen anderen Schätzen.« Mrs Darnley öffnete noch eine Tür und trat auf den langen, schmalen Flur, den die Besucher schon beim Betreten des Hauses gesehen hatten.

»Zu Drakestars Zeit«, sagte sie, »war die vordere Hälfte des Hauses ein Ballsaal. Ich ließ Zwischenwände einziehen, und so entstand eine Reihe von … nun, ich denke, man könnte die Räume historische Szenerien nennen.«

Nun standen alle dicht gedrängt in einem Eckzimmer, dessen Wände lehmfarben gestrichen waren. Es gab ein schmales Bett, eine lederbezogene Truhe, einen Holzstuhl und einen Tisch aus roh zubehauenen Brettern. Über dem Tisch hing ein einfacher Spiegel in einem Ahornrahmen.

»Dieser Spiegel gelangte zur Zeit des Goldrauschs nach Kalifornien«, sagte Mrs Darnley. »Angefertigt wurde er in Neuengland auf Bestellung eines Amerikaners, der die Tochter eines spanischen Gutsherren heiraten wollte. Der Spiegel war das Brautwerbegeschenk.«

»Und haben die beiden geheiratet?«, erkundigte sich Bob.

»Ja, und es endete mit einer Tragödie. Er war eine Spielernatur und hat alles verloren. Das hier ist die getreuliche Wiedergabe des Zimmers, in dem die Frau zuletzt wohnte. Am Ende ihres Lebens hatte sie nichts – überhaupt nichts.«

Der nächste Raum war ein schmucker Salon, den Mrs Darnley ihr viktorianisches Zimmer nannte.

»Es ist ein Abbild des Salons, den Königin Victoria mit ihrer Mutter benutzte, als sie ein ganz junges Mädchen und noch nicht Königin war. Die Möbel sind Neuanfertigungen, aber der Spiegel über dem Kamin hat tatsächlich der Königin gehört. Oder auch ihrer Mutter. Ich stelle mir gern vor, wie Victoria in diesen Spiegel schaut und all die Jahre der Macht noch vor sich hat. Ich sitze manchmal hier und dazu trage ich ein passendes Stilkleid. Ich fühle mich natürlich nicht als die junge Victoria. Dazu bin ich viel zu alt. Manchmal stelle ich mir vor, ich sei ihre Mutter.«

Nun zeigte Mrs Darnley den Besuchern das sogenannte Lincoln-Zimmer. Es war eine dunkle Kammer mit vorgelegten Fensterläden, vollgestellt mit Möbeln. »Das ist das Ebenbild des Raumes, den Mary Todd Lincoln bewohnte, als sie eine einsame, müde alte Frau war, lange nach dem Tod des Präsidenten. Dieser Spiegel hat ihr gehört.«

Onkel Titus, der neben Justus stand, trat unbehaglich auf der Stelle. »Ein tristes Zimmer«, sagte er.

»Trist, o ja«, pflichtete Mrs Darnley bei. »Aber viele angesehene Leute sind ja gerade ihres besonders schweren Schicksals wegen berühmt.«

Sie schloss die Tür hinter dem kleinen Raum und fand plötzlich wieder ihre forsche Art. »Mein Marie-Antoinette-Zimmer ist oben. Darin habe ich ein Handspiegelchen, das der Königin gehörte, und ein paar kleine Dinge aus ihrem persönlichen Besitz. Dieses Kleid, das ich gerade trage, wurde nach einem ihrer Porträts geschneidert.«

»Aha«, sagte Justus. »Ist das auch ein tristes Zimmer?«

»In gewisser Weise vielleicht schon«, sagte Mrs Darnley. »Es ist ein sehr hübsches Zimmer. Ich sitze gern darin, und dann versuche ich, nicht daran zu denken, wie sie starb – die arme, törichte kleine Königin. Ich werde euch das Zimmer zeigen. Es ist eine Kopie eines Raumes im Palast von Versailles. Aber erst müsst ihr euch noch die neueste Erwerbung in meiner Kollektion anschauen.«

»Ein ekelhaftes Stück«, sagte Jenny Parkinson.

»Ihr werdet es unter Garantie scheußlich finden«, setzte Jeff hinzu.