Die Geliebte des Captains - Kresley Cole - E-Book
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Die Geliebte des Captains E-Book

Kresley Cole

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Beschreibung

Als ihr Vater inhaftiert wird, übernimmt die Kapitänstochter Nicole Lassiter kurzerhand das Kommando auf der Bella Nicola. Denn der einzige Weg, ihm zu helfen und das Geschäft zu retten, ist, das Great Circle Race von England nach Australien zu gewinnen. Für die selbstbewusste Nicole eigentlich kein Problem - wäre da nicht der adlige Kapitän Derek Sutherland. Schon bei ihrem ersten Treffen spürt sie ein unerklärlich starkes Verlangen, doch Derek ist der größte Konkurrent ihres Vaters und damit tabu. Als ein Sturm ihr Schiff zerstört, ist es ausgerechnet Derek, der sie und ihre Crew rettet ...

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Seitenzahl: 524

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Inhalt

TitelZu diesem BuchWidmungMotto12345678910111213141516171819202122232425262728293031DanksagungDie AutorinDie Romane von Kresley Cole bei LYXImpressum

KRESLEY COLE

Die Geliebte des Captains

Roman

Ins Deutsche übertragenvon Barbara Först

Zu diesem Buch

London, 1856: Die eigensinnige Kapitänstochter Nicole Lassiter lässt sich ungern Zügel anlegen. In Seemannskluft fühlt sie sich wohler als in steifen Gewändern. Sie schnuppert lieber Meeresluft, als über staubigen Lehrbüchern zu brüten. Sie will Abenteuer erleben, statt eine gebührliche Dame zu werden. Daher beschließt Nicole, mit ihrem Vater zusammen das Great Circle Race von England nach Australien zu fahren – und für sich zu entscheiden. Mit dem Sieg hoffen sie, der eigenen Reederei mehr Ansehen zu verschaffen. Doch die Konkurrenz schläft nicht – sie ist sogar zur Sabotage bereit. Als Nicoles Vater nach einer Schlägerei mit seinem größten Rivalen, dem adligen Derek Sutherland, ins Zuchthaus muss, beschließt die junge Frau, das Ruder selbst in die Hand zu nehmen. Sie will das Rennen auch ohne ihren Vater gewinnen! Doch auf stürmischer See sinkt Nicoles Schiff, und ihre einzige Rettung ist Derek. Nicole weiß, dass sie eigentlich so schnell wie möglich fliehen sollte, aber ihr Herz lässt ihr keine andere Wahl, als sich dem unwiderstehlichen Kapitän mit Haut und Haaren zu ergeben …

Für meinen unglaublichen Mann Richard.

Womit habe ich dieses Glück verdient?

One ship drives east and another drives west

With the selfsame winds that blow.

’Tis the set of sails,

And not the gales,

That tells us the way to go.

Ella Wheeler Wilcox

1

Ein wenig beklommen betrat Nicole Lassiter die üble Hafenspelunke, wo ihr sogleich ein Schwall säuerlich riechender Luft ins Gesicht wehte.

Schweigen senkte sich über die Menge, während man sie musterte und instinktiv erfasste, dass sie nicht in diese Dirnenschänke gehörte. Nicole trug Kleider, die kein Aufsehen erregten, Knabenhosen und ein Hemd, darüber einen schlichten Umhang. Unter einem Hut hatte sie ihre üppige Haarpracht verborgen, so gut es eben ging. Und dennoch wurde sie angestarrt.

Leicht schaudernd stieß Nicole den Atem aus. Sie war doch nur gekommen, um Captain Jason Lassiter zu finden, redete sie sich ein. Und da sie allein gekommen war, musste sie wenigstens darauf achten, dass ihr nichts geschah. Mit hocherhobenem Kinn und betont gleichgültigem Blick bahnte sie sich einen Weg durch die versammelten Raufbolde. Endlich setzte die blecherne Musik einer schlecht gestimmten Fiedel wieder ein.

Offenkundig war die Information, die sie bezüglich Lassiters Aufenthaltsort erhalten hatte, falsch gewesen. Ihr Vater hätte niemals eine derartige Spelunke aufgesucht, einen Ort, wo Matrosen »Gesellschaft« suchten und fanden, bevor sie in See stachen. Als ein Hafenarbeiter Nicole verraten hatte, wo ihr Vater zu finden war, hatte sie zunächst angenommen, die Mermaid habe während ihrer Abwesenheit einen neuen, ruchloseren Besitzer bekommen.

Doch das war eindeutig nicht der Fall. Ein letztes Mal würde sie sich noch umsehen, dann würde sie losgehen und den Hafenarbeiter erwürgen, der ihr diesen Streich gespielt hatte. Noch ein letztes …

In diesem Augenblick entdeckte sie ihren Vater.

Halb begraben unter einem grell geschminkten Freudenmädchen.

Die Brüste der Frau spannten sich wie zwei Halbkugeln unter dem engen Mieder, drohten es bei jedem kehligen Lachen zu sprengen. Und, Herrgott noch mal, dachte Nicole, während sie angewidert das Gesicht verzog, die Frau lachte wirklich oft.

Sie absolvierte einen Spießrutenlauf durch menschliche Schweißausdünstungen, Gin-gewürzten Atem und nachgiebige Frauenkörper mit schlenkernden Miedern. Als er sie erblickte, fiel ihrem Vater der Unterkiefer herunter, dann schloss er den Mund so rasch, dass sich seine Wangen blähten.

Auf in den Kampf … Wenn Jason Lassiter in Harnisch geriet, sah er furchterregend aus. Seine Augen sprühten Funken, und sein Gesicht wurde so rot, dass es zu Bart und Haaren passte. Nicole erinnerte sich sehr gut an seinen Jähzorn. Aber sie hatte sich Mut zugesprochen, weil sie heute Abend mit ihm sprechen musste. Sie hatte keine andere Wahl. Die Zeit lief ihr davon.

Also setzte sie ihren Weg mit einem schmerzlichen, angespannten Lächeln auf den Lippen fort, bis sie vor ihm stand.

»Nicole«, knirschte der Mann zwischen den Zähnen, »was zum Teufel hast du hier verloren?«

Ihr Blick glitt kurz über die geschminkten Brustwarzen der Hure, die kühn über den Rand des Mieders lugten. Nicole verdrehte die Augen. »Was zum Teufel tust du hier?«

Ihr Vater murmelte ein paar Worte und tätschelte der Frau den Arm, worauf sie sich widerwillig entfernte. Dann bedeutete er Nicole mit einer rüden Geste, sich zu ihm zu setzen. »Ich bin hier, um etwas zu erfahren«, antwortete er barsch.

»Ohhh«, sagte Nicole mit zweifelnder Miene. »So nennt man das heute?«

»Nein, man nennt das clever«, gab er sarkastisch zurück und hob zerstreut seinen Humpen vom Tisch. Nicole rümpfte beim Anblick des zerdellten und schmierigen Blechbechers die Nase. Lassiter schaute in das Gefäß, zog ein finsteres Gesicht und schob es von sich. »Ich wollte hier eigentlich einen Mann treffen, der mir etwas über die Sabotage sagen kann. Zufälligerweise kennt er die Frau, mit der ich gerade gesprochen habe.« Mit leicht gekränktem Blick fügte er hinzu: »Du solltest mich besser kennen.«

Nicole nickte widerwillig und schenkte ihm ein verhaltenes Lächeln als Entschuldigung, das jedoch nur wenige Sekunden anhielt. Dann schlug das Wort »Sabotage« ein: Die Segelschifffahrt war in diesen Zeiten gefährlich genug, weil die Kapitäne danach trachteten, Geschwindigkeitsrekorde aufzustellen, und die Schiffsbauer laufend neue Bootstypen erfanden. Wenn voll aufgetakelte Masten wie Streichhölzer zerbrachen und Ruder im ersten schweren Sturm verloren gingen, dann wurde die Seefahrt zu einem tödlichen Unternehmen.

»Sag, dass du wenigstens eine Ahnung hast, wer dafür verantwortlich ist«, verlangte Nicole zu wissen. Die Schifffahrtsgesellschaft ihres Vaters war zwar noch nicht zum Ziel von Sabotage geworden, aber er hatte dennoch beschlossen, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen.

»Ich habe schließlich doch noch ein paar gute Hinweise bekommen«, sagte Lassiter in einem Ton, der ausdrückte, dass er das Thema als beendet betrachtete. »Also – was in Gottes Namen machst du hier?«

»Nun ja. Ich habe nachgedacht …« Doch gerade als Nicole zu der Rede ansetzen wollte, die sie während ihrer Reise von Paris hierher ausgiebig geprobt hatte und in der sie ihrem Vater sämtliche Gründe aufzählen wollte, warum sie ihn bei dem bevorstehenden Großkreis-Rennen von London nach Sydney einfach begleiten musste, erschien das angemalte Frauenzimmer wieder. Sie bedachte Nicole mit einem boshaften Blick und begann in aufreizender Weise, Lassiter etwas ins Ohr zu flüstern.

Er hatte anscheinend nicht vor, das Weibsbild bald wieder ziehen zu lassen, und Nicole legte keinen Wert darauf, bei dieser gemurmelten Unterhaltung Zuschauer zu sein. Sie wandte sich ab, legte das Kinn auf die Stuhllehne und betrachtete die englischen Matrosen und die schamlos gekleideten Weiber, während sie miteinander »Umgang pflegten«.

Die derben Szenen ließen Nicole die Augen aufreißen. Vermutlich würden sie Wasser auf die Mühlen ihrer Träume sein, jener Träume, in denen ein dunkler, gesichtsloser Mann … Dinge mit ihr tat. Dinge, die sie bei Pärchen auf dem Kai beobachtet hatte. Nicole seufzte. Was sie wohl heute Nacht träumen würde …?

Ein lauter Knall riss sie aus ihrer Versunkenheit. Sie drehte den Kopf und sah drei Männer aus der Kälte in die Taverne kommen.

Ihre Kleidung war teuer und erlesen und wies sie als Gentlemen aus. Betrunkene Gentlemen, berichtigte sich Nicole, nachdem sie genauer hingeschaut hatte. Diese Männer waren verlebt aussehende, übersättigte Herren, auf eine billige Saufnacht und noch billigere Ausschweifungen erpicht. Nun, da waren sie hier genau an den richtigen Ort gekommen!

Obwohl die Männer nicht einmal entfernt das Aufsehen erregten, das Nicole bei ihrem Eintreten hervorgerufen hatte, senkte sich erneut Schweigen über die Gästeschar. Vermutlich lag es daran, dass einer der Eintretenden so hochgewachsen war – über sechs Fuß groß und sichtlich gut gebaut.

Aber das war es nicht, was Nicoles Aufmerksamkeit auf ihn lenkte, sondern das Gefühl der Bedrohung, das so greifbar von ihm ausging. Selbst nachdem er Platz genommen und die langen Beine ausgestreckt hatte, sich ein wenig entspannte, spürte sie seine verborgene Anspannung. Auch die anderen schienen sie zu bemerken: die Matrosen, die Musiker, die grell geschminkten Dirnen – alle benahmen sich wie scheue Tiere, wenn sie in die Nähe seines Tisches kamen.

Er war der Einzige der drei, der nicht sichtlich betrunken war, und seltsamerweise lag in seinen Augen ein angewiderter Ausdruck, als er sie über die Menge schweifen ließ. Aber warum war er an diesen Ort gekommen, wenn er ihn derart abstieß?

Als hätte Nicoles Neugier seine Aufmerksamkeit erregt, ließ der Mann seinen forschenden Blick auf ihr ruhen. Einen Moment später verengten sich seine Augen. Vor Schreck schnappte sie nach Luft: Er durchschaute ihre Verkleidung! Er vermochte durch ihre Knabenkleider hindurchzusehen, und Nicole kam sich wie nackt vor.

Als sein Blick sich veränderte und unverhohlene Bewunderung ausdrückte, schwanden alle vernünftigen Gedanken dahin wie Nebel unter der Sonne des Südens. Nicoles geheime Vorstellungen erwachten mit frischer Kraft.

Der Mann starrte sie an, als wäre sie die einzige Frau in einer Taverne voller williger, halbnackter Dirnen. Wie es wohl sein mochte, wenn sie eine dieser Frauen wäre und er sie zu sich riefe? Wie würde es sich anfühlen, wenn sie sich rittlings auf ihn setzte, ihn in ihre buntscheckigen Röcke hüllte, während er zerstreut an seinem Krug nippte und ihre nackte Haut zwickte und tätschelte?

Das Gefühl aus ihren Träumen kehrte zurück – diese namenlose Mischung aus Angst, Überraschung und Hunger in ihrem Bauch. Jetzt war er die Ursache dafür. Und das Gefühl wurde immer stärker, während er sie von Kopf bis Fuß musterte.

»Wie ich sehe, hast du Captain Sutherland bereits bemerkt«, unterbrach die Stimme des Vaters ihre Träume.

Nicole riss sich vom Anblick des Fremden los, während ihr die Gluthitze ins Gesicht stieg. Doch dann begriff sie: Der Mann war Sutherland, der zügellose Kapitän der Southern Cross, der Eigentümer der im Niedergang begriffenen Peregrine-Reederei – und der erbittertste Konkurrent ihres Vaters.

»Das ist Derek Sutherland?«, hauchte sie erstaunt und starrte ihren Vater fragend an. Dass seine Wege sich so oft mit denen jenes gefährlich aussehenden Mannes kreuzten, nötigte ihr einerseits Hochachtung ab, doch andererseits fragte sie sich, ob er noch ganz bei Trost war.

»Der einzig Wahre«, gab ihr Vater zurück und stand auf. Er wünschte dem Frauenzimmer eine gute Nacht und bedeutete Nicole voller Ungeduld, ihm zu folgen. »Wir sollten wohl besser gehen.« Sein Gesicht bekam einen zornigen Ausdruck. »Denn wenn er dich weiter so anstarrt, muss ich meine Drohung wahrmachen und den Bastard umbringen.«

Während Nicole ihm durch die Menge folgte, befiel sie der Drang, sich noch einmal nach Sutherland umzudrehen. Sie gab der Versuchung nach – und stellte fest, dass er sie immer noch anstarrte.

Wobei »starren« bei Weitem zu harmlos war – sein Blick ruhte geradezu besitzergreifend auf ihr, als wollte er ihr befehlen, sich ja nicht von ihm zu entfernen.

Doch ebendies tat sie gerade.

Was für ein faszinierend aussehender Mann, trotz seines zerklüfteten Gesichts. Was für eine Verschwendung, sinnierte Nicole ironisch, während sie sich abwandte.

Sekunden später spürte sie lange, kräftige Finger, die sich um ihr Handgelenk legten. Nicole wusste, dass es Sutherlands Hand war, noch bevor sie sich umdrehte. Heiß brannte seine Hand auf ihrer Haut, sie spürte die Schwielen.

»Bleiben Sie«, sagte er schlicht.

Seinem Auftreten nach zu schließen schien er zu glauben, dass sie seinem Ansinnen willfährig gehorchen würde. Glaubte er etwa, er könne ihr Befehle erteilen? Welch Arroganz! Doch warum musste sie dann gegen den äußerst heftigen Wunsch ankämpfen, zu bleiben?

»Nehmen Sie Ihre Hand fort, Captain.«

Er gehorchte nicht, also entwand sie ihm ihren Arm. Seine Erwiderung bestand in einer spöttisch angedeuteten Verbeugung. Wie konnte er nur so gleichgültig sein? Wie konnte er so gelangweilt aussehen, während in ihr ein Feuer loderte, das durch seine Präsenz angefacht wurde? Erzürnt warf sie ihm einen abweisenden Blick zu. »Sie geben sich unbekümmert, Captain? Wie viel wird wohl von Ihrer Gelassenheit übrig bleiben, wenn Sie das Großkreis-Rennen mit einem Rückstand von, sagen wir …«, nachdenklich tippte sie auf ihre Wange, »… eintausend Meilen verlieren?«

Nicole hätte schwören können, dass sie seine Mundwinkel zucken sah, bevor ihr Vater sie unsanft von dem Mann fortzog.

»Verdammt, Nicole, wann wirst du es endlich lernen?«, herrschte er seine Tochter an, noch bevor ihre Stiefelspitze die mit Unrat übersäte Straße berührt hatte. »Marschierst in die Mermaid rein, als ob sie dir gehören würde! Verflucht, wegen solcher Männer solltest du so eine Kaschemme gar nicht erst betreten!«

»Ich bin schon in schlimmeren gewesen«, entgegnete sie, während er sie von dem verrufenen Ort fortzerrte.

»Aber erst Sutherlands Aufmerksamkeit erregen und ihn dann auch noch gegen dich aufbringen?« Er warf einen Blick über die Schulter. »Sieht so aus, als wolltest du unbedingt Ärger bekommen.«

»Nun, der Ärger und ich sind alte Bekannte«, keuchte Nicole zwischen kurzen Atemzügen, während sie sich bemühte, mit ihrem Vater Schritt zu halten. Er fuhr herum und sah sie finster an, dann verlangsamte er das Tempo. »Wenn er so ein übler Kerl ist, warum suchst du dann seine Gesellschaft?«

»Ich habe meine Gründe, Sutherland zu schikanieren. Gute Gründe. Außerdem ist er Engländer.« Der Blick, den Lassiter ihr zuwarf, besagte, dass er ihr doch schon längst erklärt hatte, was man als Amerikaner von diesem Volk zu halten hatte.

»Mama war auch Engländerin«, machte Nicole geltend, obwohl sie diesen Punkt schon oft diskutiert hatten.

»Sie war auch die Einzige von diesem Pack, die ich je respektiert habe.« Seine Augen verrieten mehr als simple Achtung für seine verstorbene Frau. Laurel Banning Lassiter war eine Adlige von englischem Geblüt gewesen, und die Erinnerung an sie war Vater und Tochter stets gegenwärtig.

Während Lassiter seine Tochter betrachtete, wurde sein Ton wieder barsch. »Der Mann ist ein Herumtreiber und ein Wüstling, und du darfst dich nicht mit ihm einlassen. Er würde dich benutzen und wegwerfen, ohne dir auch nur Lebewohl zu sagen. Besonders jetzt, wo er weiß, dass wir uns kennen.« Er hielt kurz inne, dann fuhr er schonungslos fort: »Wenn er erfährt, dass du meine Tochter bist, will ich mir gar nicht erst vorstellen, wozu dieser kaltblütige Bastard imstande ist.«

Schweigend schritten sie weiter. Nicole dachte an Sutherland. Sie hielt es für wenig wahrscheinlich, dass er sie wiedererkennen würde, da sie nach ihrer Mutter schlug und wenig Ähnlichkeit mit ihrem Vater hatte – abgesehen von ihrem rötlichen Haar. Und ihrem Temperament.

»Ich glaube nicht, dass er sich morgen früh überhaupt noch an mich erinnert«, sagte sie schließlich, obwohl ihr die Vorstellung widersinnigerweise missfiel. »Vermutlich wird er sich heute Abend betrinken.«

Der Vater grunzte. »Nicht so sehr, dass er dich vergisst.« Er legte Nicole eine Hand auf die Schulter und steuerte sie um die Abfallhaufen herum, die sich vor den Schiffen türmten. »Aber genug von diesem Teufel. Warum bist du nicht in der Schule?«

Nicole hüstelte verlegen. »Mein Ausscheiden geschah in beiderseitigem Einvernehmen.« Lassiter runzelte im Gehen die Stirn, und sie fügte ein wenig atemlos hinzu: »Zur großen Freude meiner Direktorin.«

Als sie zum Liegeplatz seines Schiffes, der Bella Nicola, kamen, stiegen Nicole die Tränen in die Augen. Ihr Schiff war ein auffälliger Klipper mit einem scharf geschnittenen, marineblauen Bug, einem Rumpf voller auffälliger Verzierungen in Rot und Weiß, ein Schiff, das neben den Klötzen im Hafenbecken hervorstach wie ein Diamant unter Kohlebrocken.

Das ist mein Zuhause. Nicole sehnte sich danach, wieder an Bord gehen zu dürfen. Sie hatte das Schiff vermisst wie einen alten Freund. Ihr stockte der Atem, aber sie wollte ihren Vater nicht merken lassen, dass sie von ihren Gefühlen übermannt wurde. Daher bemerkte sie leichthin: »Wirklich, Vater, ich verstehe nicht, warum du immer noch wütend auf mich bist.«

»Das verstehst du nicht?«, gab er zurück. »Wie soll ich denn reagieren, wenn man dich aus dem besten Mädcheninternat des Kontinents hinausgeworfen hat? Soll ich mich da etwa freuen?«

»Es war nicht wirklich ein Verweis, so wie bei den anderen Schulen«, sagte Nicole, die allmählich wütend wurde. »Ich würde es eher einen Abschluss nennen.«

»Nun, wenn bei diesem Abschluss das herausgekommen ist« – Lassiter drehte sie herum, um ihre unter die Kappe gestopften Haare und die Knabenhose zu mustern –, »dann sollte deine Großmutter wohl besser das Schulgeld zurückfordern.«

»Pfff. Als ich in der Schule eintraf, sagte man mir als Erstes, ich müsse sieben Fächer von neun bestehen, was ich auch … geschafft habe.« Er sollte nie erfahren, wie viel sie das gekostet hatte. Nicole fand es höchst schwierig, sich Eigenschaften anzueignen, mit denen man einen wohlhabenden Ehemann einfing, der möglichst aus dem Adel stammen sollte. Denn mit ihren zwanzig Jahren und ihrem eigenwilligen Aussehen war es nicht nur an der Zeit, dass sie einen Mann fand, es war allerhöchste Zeit.

»Und es ist natürlich der pure Zufall, dass du sieben Prüfungen bestanden hast und gerade noch genug Zeit hattest, um wenige Tage vor Beginn des Großkreis-Rennens in London einzutreffen.«

Nicole wandte den Blick ab. Seit zwei Jahren träumte sie davon, das Rennen mitzusegeln, seit dem Tag, an dem sie gelesen hatte, dass Königin Victoria einen Wettkampf ausgeschrieben hatte, an dem Seeleute sämtlicher Nationalitäten teilnehmen durften. Damals hatte Nicole beschlossen, sich durch nichts von der Teilnahme an diesem Rennen abhalten zu lassen, weder durch Klapse auf die Hand, wenn sie bei Tisch wieder einmal das falsche Essutensil gewählt hatte, noch durch höhnische Tanzlehrer und sicherlich nicht durch die ständigen Hänseleien, dass sie für ein Mädcheninternat eigentlich schon zu alt sei. Und ganz besonders wollte sie sich nicht von der eisernen Direktorin abhalten lassen, die Nicole unbedingt in eine damenhafte Gussform zwängen und alles, was darüber hinausragte, einfach kappen wollte.

Dieses Rennen würde das berühmteste in der Geschichte der Seefahrt werden – ein Sieg würde ihre Reederei auf der ganzen Welt berühmt machen –, und Nicole wünschte sich nichts sehnlicher, als Teil dieses großen Ereignisses zu sein.

Da sie nicht antwortete, zog Lassiter ihr neckend die Kappe vom Kopf und fragte in versöhnlicherem Ton: »Also, nun sag schon, welche Fächer hast du nicht bestanden?«

Nicole zog ihre Kappe wieder zurecht und machte ein langes Gesicht. »Ich fürchte, dass ich die Kunst, Blumen zu arrangieren, leider nie beherrschen werde und das Harfenspiel ebenso wenig. Wie du dir vorstellen kannst, finde ich es niederschmetternd, derart unfähig zu sein.« Sie wischte eine imaginäre Träne fort.

Lassiter schien das spaßig zu finden. Zumindest zeigte sein unterdrücktes Lächeln, wie froh er war, sie wieder bei sich zu haben. Doch dann trat erneut Strenge in seine Züge. »Hör zu, Nicole. Ich möchte, dass wir vor dem Auslaufen eine schöne Zeit haben, also lass mich wegen des Rennens mal eines klarstellen.«

Nicole runzelte die Stirn. Mein Gott, das durfte nicht sein … Ihr Vater öffnete den Mund, und seine Miene verriet ihr bereits, dass er sagen würde, sie dürfe nicht … mitfahren. »Sag noch nichts – bitte!«, sprudelte sie hastig hervor. »Gib mir nur ein paar Tage, damit ich dir beweisen kann, dass du mich bei dem Rennen brauchen wirst.« Und auf jeder Fahrt, die noch folgen sollte.

»Nicole, das wird doch kein …«

»Bitte!« Sie packte ihn am Unterarm und wollte etwas sagen, doch er hielt eine Hand hoch, vernarbt von den rauen Schiffstauen, und gebot ihr zu schweigen.

Da erkannte Nicole, dass sie dieses Scharmützel nicht gewinnen konnte. Aber es war noch nicht vorbei. Für die nächste Runde hatte sie andere Pfeile im Köcher. Doch vorerst zügelte sie ihr Temperament und zwang sich, den Streit ruhen zu lassen.

Und schwieg sogar, als Lassiter fortfuhr: »Ich werde es dir so klar wie möglich sagen, Nicole. Es gibt verflucht noch mal keine Möglichkeit, dass du mitsegelst. Und du kannst Sutherland dafür danken, dass er mir die Entscheidung erleichtert hat. Solange ich noch einen Atemzug im Leibe habe, wirst du nicht in meiner Nähe sein, wenn ich gegen ihn antrete.«

Ich bring die Biester um, dachte Nicole grimmig, während sie am Schreibtisch saß und mit der Stirn auf die Unterarme schlug. Dann richtete sie sich auf, blies sich eine Haarsträhne aus den Augen und starrte auf die Tischplatte, die mit Seekarten bedeckt war. Wütend funkelte sie all die verworrenen Zahlen und Gleichungen an.

Sie konnte nicht denken und sich noch viel weniger darauf konzentrieren, einen Kurs zu berechnen, um ihren Vater zu beeindrucken. Wie sollte sie auch, wenn das Vieh im Laderaum bereits seit einer Viertelstunde schrie?

Natürlich musste das ausgerechnet dann passieren, wenn kein anderer an Bord war, um die aufgeregten Tiere zu beruhigen. Lassiter hatte sich zu einer Besprechung aufgemacht, die er über das Weib in der Spelunke eingefädelt hatte, und fast die ganze Besatzung erfreute sich ihres großzügigen Landgangs.

Das Gekreische ebbte ab. Nicole hielt die Luft an und befahl den Kreaturen stumm, für den Rest der Nacht still zu sein. Gerade als sie die Feder wieder zur Hand nehmen wollte, brach der Lärm erneut aus. Verärgert warf sie das Schreibutensil auf die Karten. Warum konnten sich die beiden Matrosen, die heute Nacht Wache hielten, nicht darum kümmern?

Weil sie vermutlich eingeschlafen waren. Sie würde niemals während der Wache einschlafen.

Nicole streckte die Arme hoch über den Kopf, bevor sie sich von dem festgeschraubten Stuhl in ihrer Kabine erhob. Obwohl sie nicht weit gehen musste, nahm sie ihren wollenen Umhang und hüllte sich darin ein.

Mit der scheppernden Laterne in der Hand schritt sie auf den Niedergang zu, wobei sie versuchte, nicht zu viel von der fauligen Luft bei Ebbe einzuatmen; das Gähnen ließ sich allerdings nicht unterdrücken. Sie musste an den anderen Grund denken, aus dem sie heute so wenig zustande gebracht hatte: Sie hatte kaum Schlaf gefunden und war erschöpft. Wollüstige Träume hatten dazu geführt, dass sie sich unruhig hin und her gewälzt, die Laken zwischen den Beinen verdreht, den zarten Stoff des Nachthemds zu kratzig auf der empfindlichen Haut gefunden hatte.

In diesen Träumen war der Mann, der sich auf sie gestürzt hatte, kein gesichtsloser Fremder gewesen, sondern – Sutherland.

Nicole sagte sich, dass die Ablehnung ihres Vaters, sie an der Seereise teilnehmen zu lassen, zum großen Teil auf diesen Mann zurückzuführen war. Und dass die beiden wieder einmal ihre Kräfte messen und die Feindseligkeiten zunehmen würden. Warum also spürte sie immer noch seine warmen, starken Finger auf ihrem Handgelenk?

Mit einem Kopfschütteln vertrieb sie ihn abermals aus ihren Gedanken. Sie hatte keine Zeit für Ablenkungen.

Vor dem Niedergang blieb sie kurz stehen und suchte das Deck nach den Wachen ab. Doch da war niemand, dem sie eine scharfe Rüge erteilen konnte, also stieg sie mühelos den steilen, schmalen Niedergang hinunter wie schon tausende Male zuvor. Als das Licht der Laterne auf die Tiere fiel, drehte eine gleichgültige Ziege lediglich den Kopf in Nicoles Richtung. Aber die Schweine und Schafe hatten große Angst und gaben dies in der hallenden Enge des Laderaums deutlich zu verstehen.

Nicole spitzte die Lippen und schnalzte beruhigend, doch die Tiere waren so verängstigt wie vor einem schweren Gewitter. Sie fluchte leise vor sich hin, stellte die Laterne ab und streckte die Hand nach der Schaufel aus, um ihnen etwas mehr Futter hinzuwerfen.

Ihr Arm verharrte mitten in der Bewegung.

Das Licht fiel schwach auf einen Umriss in Bodennähe, eine Gestalt, die halb verdeckt hinter einer der mächtigen Holzspanten des Schiffrumpfes kauerte.

Ein Mann?

Nicole schob sich das Haar aus der Stirn und verstaute es sicher unter ihrer Kapuze, während sie mit zusammengekniffenen Augen zu erkennen versuchte, wer der Seemann war. Wer auch immer er war, er musste begreifen, dass er zu dieser späten Stunde hier unten nichts zu suchen hatte. Und falls er die Tiere aufgescheucht hatte, dann hätte er wenigstens versuchen müssen, sie wieder zu beruhigen.

»Was hast du hier unten zu suchen, Matrose?«, herrschte sie ihn an, jedes Wort akzentuiert vom festen Tritt ihrer Stiefel, als sie nähertrat.

Doch dann meldete sich ein oft ignorierter Instinkt und riet Nicole, vorsichtig zu sein.

Der Mann gab keine Antwort, sondern erhob sich und drehte sich zu ihr um. Nicoles Atem entwich in einem erschrockenen Zischen.

Der Mann hatte eine tiefrote, bucklige Narbe, die sich über seine Stirn und eine leere Augenhöhle zog. Ein fauliger Geruch ging von ihm aus, ein Gestank nach Gin, Unrat und … Blut. Nicole würgte. Die Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie musste schlucken, um den Brechreiz zu unterdrücken.

Nach mehreren flachen Atemzügen konnte sie wieder klar denken. Dieser Mann konnte nicht zu Vaters Mannschaft gehören. Was bedeutete … dass sie in Schwierigkeiten war. Wieder einmal.

Der Widerstreit der Gefühle auf ihrem Gesicht amüsierte den Narbengesichtigen anscheinend, denn er grinste, wobei er Zahnstummel entblößte, die wie verbrannte Holzstümpfe aussahen. Nicole vermochte nichts gegen die Angst zu tun, die ihr die Augen weitete, und sie konnte ihren Füßen nicht befehlen, nicht vor dem Mann zurückzuweichen.

Beim nächsten Schritt holte sie tiefer Luft – und bedauerte es sogleich, denn seine stinkende Gestalt folgte ihr. »Mach weiter, Matrose. E-entschuldige die Störung«, brachte sie heraus.

Sie wartete eine Sekunde, dann zwei, auf seine Antwort. Wie konnte sie die Schiffswachen auf sich aufmerksam machen, wenn diese nicht einmal auf die schreienden Tiere reagiert hatten? Konnte sie vor dem Mann davonlaufen? Immerhin trug sie Hosen – sie konnte es aufs Deck schaffen. Sie sollte es versuchen … sie sollte sich jetzt wirklich bewegen.

Gerade als Nicole sich zu dem Niedergang umdrehte, rief der Mann: »Glaub nich, dass wir sie irgenswohin lassen wolln, Clive.«

Und aus dem Schatten trat ein hünenhafter zweiter Mann. Instinktiv spürte Nicole, dass er noch gefährlicher war als der erste.

Zwei fremde Männer, im Laderaum. Mit ihr.

Voller Verwunderung starrte sie die Gestalt des zweiten Mannes an, beinahe krankhaft fasziniert von seinem absolut flachen Gesicht, aus dem nur die Lippen wulstig hervortraten. Sie betrachtete ihn wie ein Passant, der zufällig Zeuge eines schweren Kutschenunfalls wird, mit offenem Mund, zu erschrocken, um sich zu rühren.

Einen Augenblick später gewann Nicoles Kampfeswille die Oberhand, und sie sah sich verzweifelt nach einem Gegenstand um, der ihr als Waffe dienen könnte. Aber sie würde es nicht schaffen, Schaufel oder Forke zu packen, bevor die Männer angriffen.

Dann erspähte sie auf dem Boden neben dem zweiten Mann einen kleinen Werkzeugstapel. Diese Bastarde waren gekommen, um Sabotage zu begehen! Die Wut durchzuckte sie heiß, bevor sie sich wie ein Gewicht auf ihre Brust senkte, doch sie nahm sich zusammen und sagte: »Tut mir leid, dass ich euch beim Reparieren gestört habe. Ich gehe jetzt in meine Kabine … Gute Nacht.«

»Sie gehn gar nich nirgenswo hin, Lady«, stieß der Mann namens Clive zwischen seinen fleischigen Lippen hervor. »Ich würd sagen, Sie bleibn schön hier bei uns un leisten mir un Pretty ’n Weilchen Gesellschaft.« Seine Stimme klang kehlig, und seine anzüglichen Blicke glitten über ihren Körper. Nicole packte der Ekel. Rasend öffnete und schloss sie ihre Hände, während sie um Beherrschung rang. »Du glaubs doch nich, dass ich so ’ne hübsche Mieze wie dich gehn lass, ohne sie orntlich anzubuffen, he?«

»Nu mach mal ’alblang, Clive«, protestierte Pretty, der kaum fünf Fuß von Nicole entfernt stand. »Der Boss hat nix davon gesagt, dass wir heut Abend eine bespringen solln.« Er kratzte sich ausgiebig den fettigen Schopf. »Lass uns mal hier fertich wern, bevor sie uns schnappen, dann kümmern wir uns um die Kleine.«

»Du blöder Arsch«, sagte Clive und streckte die Hand nach Nicoles Umhang aus. Ein Schrei der Panik entrang sich ihren Lippen, und sie trat nach dem Mann. Ihre schwere Stiefelspitze traf ihn am Knie, dann flitzte sie um ihn herum und entging nur knapp seinem wütenden Angriff.

»Hilfe! So helft mir doch!«, stieß sie hervor, bevor sie den Niedergang erreichte. Doch Nicole wusste, dass ihr niemand zu Hilfe kommen würde. Heute Abend musste sie ihr Überleben selbst in die Hand nehmen.

So schnell sie auch zum Niedergang stürzte, der hünenhafte Grobian war schneller, und sie schaffte gerade mal drei Stufen, bevor er ihre Beine packte und wie in einem Schraubstock festhielt. Brutal zerrte er sie zurück. Nicole fühlte sich einen Sekundenbruchteil lang schwerelos, dann schlug sie wie ein Ball gegen die Sprossen. Vor Schreck wie betäubt, spürte sie kaum den Schmerz, als die Holzkanten sie in Bauch und Brust schnitten und ihr die Luft nahmen.

Neben ihren keuchenden Atemzügen hörte sie schwach, wie der Narbige ihnen etwas zurief, das den Lärm der verängstigten Tiere übertönte. Der Schmerz ebbte ab, und vor ihren Augen wurde es schwarz … bis Clive sie ganz hinunterzerrte, ihren schlaffen Körper zu sich hinzog und mit seinen Händen an ihrem Bein hochfingerte.

Wehr dich, verdammt noch eins, wehr dich! Mit letzter Kraft trat Nicole zu. Ihr Absatz traf den Mann voll in den widerlichen, weichlippigen Mund.

Das Blut spritzte. Er schrie vor Schmerz auf, ließ ihr Bein aber nicht los. Ein weiterer wütender Tritt traf, er lockerte seinen Griff, und Nicole zog sich mit der verbliebenen Kraft ihrer Arme an den Sprossen hoch.

Sie hatte sich losgerissen. Sie hatte …

»Ich erschieß dich, wenn du das noch mal versuchst.« Die Worte wurden von dem Kratzen begleitet, mit dem man einen Pistolenhammer spannt.

Nicole spähte über die Schulter zurück. Der Narbige hielt eine Pistole auf sie gerichtet. Zitternd schaute sie auf Clive, der langsam auf die Beine kam und auf sie zuwankte, das blutige Gesicht in grausigem Hohn verzerrt.

Ein Blick in seine Steinaugen, die voller Raserei auf sie gerichtet waren, entschied über ihr Schicksal.

Nicole ignorierte die Waffe und krabbelte nach oben, stützte sich mit den Händen ab, um schneller zu sein, wusste jedoch, dass sie zu schwach war … zu langsam.

Auf halber Höhe spürte sie den Pistolenhammer mehr, als dass sie ihn hörte. Der Schuss hallte in dem düsteren Laderaum wider.

2

Derek Sutherland war ein zorniger Mann.

Wer ihn gut kannte, und das waren nicht viele, fürchtete, dass er mit den Jahren zu einem verbitterten Mann werden könnte. Und die Geschehnisse der letzten vier Jahre schienen seine Entwicklung in diese Richtung zu garantieren.

Spät in dieser kalten und trostlosen Nacht war er nicht nur zornig, sondern auch betrunken. Wie üblich.

Um ehrlich zu sein, war nur eines nicht wie sonst: Er wurde bereits wieder nüchtern, hoffte jedoch, diesem Übel in der nächsten Hafenkneipe abhelfen zu können. Sutherland bahnte sich einen Weg durch die Menge. Selbst unter den vielen Menschen, die voller Neugier auf das bevorstehende Rennen zu den Docks geströmt waren, kam er rasch vorwärts, denn in weiser Voraussicht machte man ihm überall Platz.

Das lag nicht nur daran, dass er ein groß gewachsener Mensch war, der die meisten um Haupteslänge überragte. Und auch nicht an seinem strengen Gesicht, dem anzusehen war, dass sein Träger täglich zorniger wurde. Nein, der Grund war der, dass er zu einem Mann geworden war, der nichts mehr zu verlieren hatte, der gefährlichsten Spezies von allen.

Sutherland wusste um diese Wirkung auf seine Mitmenschen, er war seit Jahren daran gewöhnt. Es gab nur einige wenige, die nicht vor ihm zurückschreckten. Zu ihnen gehörte Amanda Sutherland, seine Mutter – leider, dachte er, als er an den letzten nutzlos vertanen Abend im Londoner Stadthaus der Familie zurückdachte.

Er war kurz davor gewesen, das Haus zu verlassen, als seine Mutter ihn in ihren ausgesprochen femininen Salon rief. Sutherland musste nicht lange rätseln, welche Richtung das Gespräch nehmen würde, und wunderte sich lediglich, dass sie so lange gewartet hatte, um ihn wieder einmal ins Gebet zu nehmen.

Als er ins Zimmer geschlendert war, hatte er es verabsäumt, der Mutter einen Kuss auf die Wange zu drücken, und den Schmerz ignoriert, der kurz in ihren Augen zu lesen war. Er begab sich geradewegs zu dem am wenigsten zerbrechlich aussehenden Stuhl und setzte sich auf das unbequeme Möbel.

Als er seine langen Beine an den Knöcheln übereinanderschlug, bemerkte er lässig: »Ich kann mir nicht vorstellen, warum du mich sprechen willst, Mutter.«

Sie presste die Lippen aufeinander, aber nachdem sie ihre frisch geplätteten Röcke glatt gestrichen hatte, war sie wieder gefasst. »Wirst du heute in deinem Club übernachten?«

Er lachte über diese groteske Frage, doch es klang fremd und gezwungen. Abrupt verstummte er und kämpfte wieder gegen den heillosen Zorn an, der sein Leben an den Tiefpunkt gebracht hatte, an dem er sich nun befand.

Bevor er antwortete, beugte er sich auf dem Stuhl vor und ließ ihr mit seinen funkelnden Augen eine Warnung zukommen. »Ich will verdammt sein, wenn wir das alles noch einmal durchkauen. Du weißt verdammt gut, dass ich nicht in den Club oder auf einen deiner Bälle oder deine Soireen oder sonst wohin gehe, wo ich … mir anhören müsste, in welcher Lage ich stecke«, fauchte er voller Groll.

Obgleich sie mittlerweile hätte daran gewöhnt sein sollen, wirkte seine Mutter ob seines Zorns erschrocken. Dann fasste sie sich. »Du hast mit deinem Titel auch eine Verantwortung übernommen, Derek. Es ist Zeit, allerhöchste Zeit, dass du einen Erben zeugst.«

»Grant ist mein Erbe«, sagte er, wobei er sich auf seinen Bruder bezog.

»Aber einen Sohn …«

»Kann und wird es nicht geben.«

Doch ausnahmsweise einmal verfehlte sein unheilvoller Ton seine Wirkung. Seine Mutter holte tief Luft und setzte zu einer Wiederholung des alten Disputs an. Diese Gelegenheit ließ sie sich nie entgehen – jedes Mal, wenn Derek in London war, hatten sie den gleichen Streit.

Ungefähr die halbe Nacht lang, so schätzte er, hatte er abwechselnd Tiraden und Bitten gelauscht, die sie fachmännisch einzusetzen wusste. Endlich war er so wütend geworden, dass er aufgesprungen war, um aus dem Haus zu stürmen und seine Familie erst wiederzusehen, wenn er in See stach.

Aber so wollte sie ihn nicht ziehen lassen.

»Wohin soll es denn diesmal gehen? China? Südamerika?«, fragte sie, bevor Derek in die Eingangshalle entweichen konnte.

Widerwillig drehte er sich zu ihr um, sein Gesicht war aschfahl. »Von London nach Sydney.«

»Sydney?«, wiederholte seine Mutter mit gespielter Begeisterung. »Ach ja, Königin Victorias Großkreis-Rennen. Ich habe kürzlich in der Zeitung etwas darüber gelesen. Wie patriotisch von dir.« Ihr sprödes Lächeln strafte das Lob Lügen. »Und wie überaus günstig, dass du wieder einmal eine Route gefunden hast, die dich so weit weg wie möglich führt.«

Dem konnte Derek nicht widersprechen.

Sie studierte sein Gesicht. »Wie lange wird die Reise dauern?«

»Ein halbes Jahr.« Als er die Enttäuschung in ihren kieselgrauen Augen gewahrte, Augen, die so sehr den seinen glichen, hatte er sich wieder zur Tür gewandt.

Wie erwartet war der Konflikt wieder einmal nicht gelöst worden. Doch ihr Abschiedsgruß hallte ihm noch in den Ohren nach, »Ich frage mich oft, ob du zur See fährst, weil du das liebst … oder weil du ein niederträchtiger Feigling bist.«

Herrgott, er brauchte einen Drink.

Was sollte er denn ihrer Meinung nach tun? Und nach Meinung seines Bruders Grant, der ihn mit verlegenem Mitleid angeschaut hatte, als Derek an ihm vorbei aus dem Haus gestürmt war? Jeder in seiner Familie wusste, dass er keinen Ausweg, keine Erlösung finden würde. Er selbst wusste das auch ganz genau, und verdammt, er verhielt sich danach.

Was Mutter und Bruder wohl sagen würden, wenn sie erführen, dass kürzlich doch ein Pfeil durch den Panzer des müden Verdrusses gedrungen war, in den er sich hüllte? Dass eine junge Hafenhure mit schmachtenden dunklen Augen den gräflichen Puls beschleunigt hatte. Eine Dirne in Knabenkleidern, die ausgerechnet in der Mermaid arbeiten musste …

Schreie irgendwo vor ihm unterbrachen seine Überlegungen. Neugierig, was den Mob heute Abend so in Rage brachte, trat Derek näher an eine Reihe Kisten heran, die in Segeltuch gewickelt am Straßenrand standen, und stellte sich auf eine, um besser sehen zu können. Unter einem Dach aus billigen Hüten konnte er einen kleinen Burschen ausmachen, der den Kai entlangrannte und mitten in eine Gruppe empörter Frauen hineinstolperte. Derek hob das Kinn und erspähte in einiger Entfernung zwei grobschlächtige Kerle, die den Burschen durch die Menschenmenge verfolgten.

Er sprang von der Kiste und setzte seinen Weg fort. Der Junge hatte sich wohl mit den falschen Leuten angelegt, sinnierte er gleichgültig. Diese Kerle waren Halsabschneider – schon gegen einen von ihnen hätte der Kleine nicht die geringste Chance. Dies wusste Derek zwar, doch er beschloss, sich nicht darum zu scheren, wie die meisten anderen am Hafen. Er war eben keinen Deut besser als die Teerjacken und Hafendirnen, die sich abends hier herumtrieben.

Er würde einfach weitergehen. Sich nicht einmischen.

Doch als der Bursche direkt an ihm vorbeirannte, fuhr Derek herum und musste zusehen, wie er sich in einem alten Hanftau verhedderte, das zusammengerollt auf dem Weg lag. Der Junge ging mit fuchtelnden Armen zu Boden und landete im Matsch. Dort lag er, schüttelte den Kopf, als könnte er seinen Sturz nicht fassen, doch dann stützte er sich auf die Arme auf, schien aber seine Beine nicht bewegen zu können.

Was von Dereks verkümmertem Gewissen noch übrig war, schrie ihm zu, er solle den Burschen retten, doch er wehrte sich standhaft. Er war nicht mehr der Mann, der er früher gewesen war. Außerdem sah er bereits das Schild des Wirtshauses. War dem allzeit willkommenen, betäubenden Laster bereits so nahe …

Doch nach dem Lärm zu schließen kamen die Kerle näher.

»Pass auf, du Scheißkerl!«, schrie ein extravagant gekleidetes Weibsbild und schlug einem der beiden Strolche ihren Stoffbeutel gegen den Kopf. Als er herumfuhr und sie ansah, erstarrte sie vor Schreck, um dann rasch wie eine Ratte in der Nacht zu verschwinden. Derek konnte ihre Reaktion gut verstehen – der Mann wirkte wie aus einem Albtraum entsprungen.

Fast ohne es zu wollen warf er einen Blick auf den kleinen Burschen. Der versuchte immer noch tapfer, auf die Beine zu kommen, mit seinen Stiefelchen auf dem schmierigen Pflaster Halt zu finden. Seltsamerweise hatte Derek Mitleid mit ihm – ein Gefühl, das ihm zunehmend fremd geworden war.

Er zögerte noch einen Augenblick. Der Bursche war vermutlich ein Taschendieb und verdiente jegliche Strafe, die diese beiden Kerle ihm zugedacht hatten. Derek schüttelte den Kopf und wandte sich entschlossen ab. Strebte dem Wirtshaus zu.

Nur eine weitere Bestätigung dessen, was für ein Schweinehund er geworden war.

Wie ein fremdes Wesen wuchs die Angst in ihrem Inneren, schnürte ihr die Kehle zu. Nicole bemühte sich hochzukommen, wusste aber nicht, wie lange sie noch durchhalten würde. Jede Bewegung löste einen stechenden Schmerz in ihren erschöpften Gliedern aus. Jeder abgehackte Atemzug brannte wie Feuer in ihren Lungen.

So wollte sie nicht das Bewusstsein verlieren – nicht in den Schmutz einer Londoner Straße sinken und darauf warten, von Clive aufgelesen zu werden.

Ich will in einem Taumel verglühen. Sie hielt mit aller Macht die Tränen zurück, doch wider Willen löste sich ein Schluchzen und drang mit dem nächsten Atemzug aus ihrem Mund.

»Verdammter Mist!«, brummte eine tiefe Männerstimme unmittelbar hinter ihr. Eine Reihe besonders bunter Kraftausdrücke folgte; plötzlich fühlte sie sich hochgehoben, und die Arme eines gereizten, zornigen Hünen umfingen sie. Als er auf eine kaum wahrnehmbare Lücke zwischen zwei Teespeichern zusteuerte, war Nicole wie erstarrt; es schien nicht einmal klug, sich zu verteidigen, denn schließlich war er keiner der beiden Männer.

War endlich ein Retter in dem schmutzigen Gassengewirr des Hafens aufgetaucht? Unwahrscheinlich, aber der Mann hielt sie fest, wenn auch behutsam.

»Hab keine Angst«, sagte er barsch. »Ich will dir nichts tun.«

Sein Tonfall war der eines Gentlemans, und Nicole spürte instinktiv, dass von ihm keine Gefahr ausging. Vor Kurzem erst war auf sie geschossen worden, doch merkwürdigerweise hatte sie vor diesem Mann keine Angst. Manhataufmichgeschossen, wurde ihr nun erst richtig bewusst. Auf ihrem eigenen Schiff war ihr eine Kugel um die Ohren gepfiffen. Holz war gesplittert.

Die Erinnerung klärte ihre Gedanken. Sie fürchtete diesen Mann zwar nicht sehr, wollte aber auch nicht zu seiner leichten Beute werden. Hatte keine Zeit, ihm zu erklären, warum … sie musste auf ihre eigene Sicherheit bedacht sein. Sie wand sich in seinen Armen und trat um sich, trommelte mit ihren Stiefelabsätzen gegen seine Beine.

»Ich will doch nur helfen. Verdammter Hurens– wirst du wohl damit aufhören?«

Ihre Tritte zeitigten keinerlei Wirkung. Nicole glaubte zu spüren, dass ihre Gegenwehr ihn erzürnte, daher zog sie den Kopf ein und machte sich auf einen Hieb oder Schlimmeres gefasst.

Doch der Mann hielt sie lediglich fester. Er wog gewiss doppelt so viel wie sie, war ein Hüne mit Armen wie Eisen. Sie zu bezwingen sollte ihm nicht schwerfallen. Noch während Nicole sich zappelnd seinen Armen zu entwinden versuchte, gewann sie den Eindruck, dass er sich tunlichst bemühte, ihr nicht wehzutun.

»Ruhig jetzt! Verdammt, ich kann dich ja kaum halten«, brummte er gereizt.

Während ihrer Bemühungen erhaschte Nicole einen flüchtigen Blick in das Gesicht ihres Retters. Erkenntnis wurde von Ungläubigkeit abgelöst: Sogar während sie sich wehrte, vermochte ihr verwirrter Kopf zu begreifen, dass der Mann, der sie auf den Armen trug, niemand anderer war als Captain Derek Sutherland.

Wäre sie nicht in Todesgefahr gewesen, hätte sie laut gelacht. Da bin ich ja vom Regen in die Traufe gekommen.

Er wandte alle möglichen Griffe an, um sie feszuhalten, versuchte und verwarf einen nach dem anderen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er ihrer Herr geworden war, aber Nicole wehrte sich verbissen. Doch plötzlich drehte er sie in seinen Armen herum, und seine Hand tastete nach einem besseren Halt.

Und dann geschah … das Undenkbare.

Seine Hand glitt unter ihren Umhang, kroch an ihrem Hemd empor und … landete auf ihrer Brust.

Trotz ihrer heftigen Atemzüge erstarrte Nicole. Sie wusste nicht genau, warum: Weil er plötzlich so still geworden war? Oder weil sie an nichts anderes denken konnte als an seine … Hand?

Groß, schwielig und vor Hitze lodernd brannte sie auf ihrer Haut wie ein Feuermal. War das ein Finger, der über ihre Brustwarze strich? Seine Hand schien sie zu erforschen, sein Griff war nicht mehr roh, sie schien ihre Brust zärtlich … zu umschließen. Nein, jetzt war es sein Daumen.

Sie sollte wieder zutreten. Wirklich, sie sollte sich wehren. Aber ihr Körper fühlte sich willenlos an. Captain Derek Sutherland hatte eine Hand auf ihre Brust gelegt, dieser Satz ging ihr im Kopf herum wie ein Mantra.

Seine Hand lag auf ihrer Brust.

Hatte er gerade einen Fluch ausgestoßen? Plötzlich spürte sie Kälte, denn er riss seine Hand so hastig fort, als habe er sich verbrannt. Er drehte sie herum, und nun pressten sie sich von Angesicht zu Angesicht aneinander.

Nicole versuchte vergeblich, ihre zerstreuten Gedanken einzufangen. Der Erzfeind ihres Vaters hielt sie in einer dunklen Gasse fest – warum wehrte sie sich nicht? Weil sie schwach war. Atemlos.

Dann ließ er seine Hände über ihre Arme hinabgleiten und legte sie auf ihre Hüften. Wieder wurde ihr Körper von Wärme durchflutet, die sich in ihrem Bauch sammelte.

Nicole hatte die meiste Zeit ihres Lebens unter Männern verbracht, hatte über lange Zeiträume eng mit ihnen zusammengelebt, doch nie zuvor hatte sie diese unerklärliche Sehnsucht verspürt, von der sie so unvermittelt und mächtig ergriffen wurde.

Sie schüttelte den Kopf, wollte es nicht wahrhaben. Sie hatte sich zu Tode gefürchtet, und dann war er gekommen und hatte sie in die Sicherheit seiner Arme geschlossen. Dieser Mann wärmte sie, so lautete die vernünftige Erklärung, er war in dieser eisigen Nacht wie ein Kokon. Und sein sauberer, frischer Geruch stieg ihr in die Nase. Männlich. Sein Geruch war … männlich. Er roch nicht nach Schnaps und billigem Rasierwasser, wie sie es von einem Unhold wie ihm erwartet hätte, sondern verströmte einen anziehenden Duft. Am liebsten hätte sie ihr Gesicht an seiner breiten, harten Brust verborgen und ihn eingeatmet.

Noch während sich ihr Gesicht zu seiner Brust neigte, sagte eine Stimme in ihr, dass Sutherland ihr Gesicht noch nicht richtig gesehen haben konnte. Denn ihre Kapuze war nicht verrutscht. Sie konnte immer noch unerkannt fliehen …

Als hätte er ihre Gedanken gelesen, schloss Sutherland sie fester in seine Arme. Ungläubig keuchend und im Banne eines Gefühls, das sie nicht benennen konnte, spürte Nicole seine Erregung in Höhe ihres Bauches. Erschrocken wollte sie sich losmachen, doch das führte nur dazu, dass sie sich noch stärker an diesen Teil von ihm presste.

Er sog scharf die Luft ein, und jetzt erstarrte sein ganzer Körper. »Sachte«, mahnte er. Das Wort grollte wie Donner nach einem Gewitter.

»Lassen Sie mich gehen – ich muss … gehen«, bettelte Nicole. Zu mehr war sie nicht fähig, während sich Anspannung und ein warmes, fließendes Gefühl in ihrem Körper die Waage hielten. Sie starrte ihn an, diesen unnachgiebigen Mann, der keinerlei Anstalten machte, sie loszulassen. Er ließ sie nur los, um ihr die Kapuze abzustreifen. Das wollte sie nicht, das konnte sie nicht zulassen, aber sie war unfähig, sich zu bewegen, völlig seiner Hitze und Kraft unterworfen.

Noch nicht ganz ergeben musterte sie sein hartes Antlitz, die straff gespannte Haut, die ärgerlich gefurchte Stirn. Seine Augen fanden die ihren und hielten sie fest. Vom Vorabend wusste sie, dass der Ausdruck in ihnen kalt war. Jetzt aber sah sie mehr.

Sutherland wirkte auf sie wie ein Mann auf einem sinkenden Schiff, der sich keinen Illusionen mehr hingab.

Ein Luftzug streifte ihr Gesicht, als seine Hand nach ihrer Kapuze griff. Während er sie aufschnürte und den Stoff über ihr Haar zurückschob, streiften seine Finger sanft und liebkosend ihre Wange. Nicoles ganzer Körper erbebte unter der Berührung. Sie zitterte immer noch, als er ihr Gesicht betrachtete … und ihr Haar streichelte … und als er sie mühelos hochhob und über seine Schulter warf.

3

Nichts konnte Derek mehr überraschen. Er erwartete stets das Schlimmste, nahm von jedem Menschen das Schlechteste an und wurde meistens nicht enttäuscht. Doch als er unter der Kapuze das Mädchen aus der Mermaid wiedererkannte, wurde ihm ganz anders.

Und das war auch nicht zu verbergen: Seine pochende Erektion war so schnell und heftig gekommen wie die eines brünstigen Tieres, das eine läufige Gefährtin witterte. Er wusste nicht, ob er überrascht war, weil er dieser Prostituierten nun schon wieder begegnete, oder weil seine Reaktion auf sie so heftig war.

Sie war völlig überrascht, als er sie über die Schulter geworfen hatte, den Hintern in die Luft gereckt, das Gesicht an seinem Rückgrat. Doch nach kurzer Zeit trat und kratzte sie ebenso wild wie zuvor.

»Lassen Sie mich runter! Sofort!« Jedes Wort wurde von einem Hieb oder Tritt begleitet. »Setzen-Sie-mich-unverzüglich-ab!«

Derek grinste nur über ihre fruchtlosen Bemühungen. Dieses zarte Frauenzimmer besaß einfach nicht die Kraft, um ihm wehzutun. Doch während er sich noch damit brüstete, spürte er einen stechenden Schmerz – die Walküre hatte ihre scharfen kleinen Zähne in seinen Oberarm versenkt.

»Was zum Teufel …?« Er schüttelte sie ab. »Verdammt, ich will Ihnen doch nur helfen! Die Männer sind nicht mehr in der Nähe, aber das muss nicht bedeuten, dass sie von Ihrer Verfolgung abgelassen haben.«

Als die Kratzbürste aufhörte, sich zu wehren, wartete Derek, bis er sicher war, dass sie ihm zuhörte. »Ich bringe Sie an einen sicheren Ort, und wenn Sie kratzen und beißen, dauert es bloß länger.«

»Na schön, ich füge mich!«, schnaubte die Frau ungnädig. »Aber nur darein.«

Fast hätte er laut losgelacht, wie sie so vornehm tun konnte, wenn sie wie ein Lumpensack über seiner Schulter hing, den Umhang wenig elegant bis zur Taille hochgeschoben. An der nächsten Straßenecke wurde Derek jedoch wieder angespannt und aufmerksam. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass die Männer weitergelaufen waren, schlug er die entgegengesetzte Richtung zu seinem Schiff ein.

»Sie können mich jetzt runterlassen. Ich renne auch bestimmt nicht weg«, sagte das Mädchen nach ein paar Schritten, während sie schlaff über seiner Schulter gehangen hatte. Derek war klar, dass er sie eigentlich absetzen sollte, aber er wollte verhindern, dass sie erneut davonlief. Erst musste sie ihm einiges erklären.

»So sind wir schneller.« Und dann fügte er hinzu: »Sind Sie nicht erschöpft?«

Er spürte ihren schweren Atem und ein Seufzen an seinem Rücken. »Doch«, gab sie widerwillig zu.

Zorn erfüllte Derek bei der Vorstellung, dass diese Männer eine zarte, schutzlose junge Frau verfolgt hatten. Doch wütender als auf die Schweinehunde war er auf sich, denn fast hätte er sie ihrem Schicksal überlassen. Schroff fragte er: »Wer hat Sie verfolgt, und warum?«

Er fühlte, wie sie sich steif machte. »Das geht Sie nichts an.«

»Doch, durchaus, weil ich Ihnen nämlich die Haut gerettet habe.«

Als sie nichts darauf erwiderte, stieß er mit dem Arm leicht gegen ihr Hinterteil. »Nun reden Sie schon.«

»Da müssen Sie mich schon fester anstoßen, um mich zum Reden zu bringen. Und da Sie das nicht tun werden, sollten wir nicht unsere Zeit verschwenden«, lautete ihre übellaunige Erwiderung.

Dieses Mädchen wollte ihn … herausfordern?

»Da würde ich nicht drauf wetten, Süße.« Sein leise schwelender Zorn lief Gefahr, an Kraft zu verlieren. »Offenbar haben Sie nicht genug Verstand, um sich vor mir zu fürchten.«

Sie stemmte sich etwas von seinem Rücken weg. »Sollte ich mich denn fürchten?«

Darauf konnte es nur eine Antwort geben. »Das hängt davon ab, ob Sie mich bei Laune halten oder nicht. Denn im Augenblick bin ich richtig schlecht gelaunt.«

»Sie sehen nicht so aus, als ob Sie jemals gute Lauen hätten«, murmelte sie. Ihre Wange ruhte wieder an seinem Rücken.

Derek verlangsamte das Tempo. »Was soll das nun wieder heißen?«

Er spürte, wie sie Atem holte und sich wieder von seinem Rücken wegstemmte. »Sie haben eine tiefe Falte zwischen den Augenbrauen, die kommt von Ihrem finsteren Blick, aber Lachfältchen haben Sie keine. Sie runzeln oft die Stirn, nicht wahr? Wahrscheinlich auch jetzt.«

Verdammt, dieses Frauenzimmer! Derek konnte es nicht leiden, wenn man ihn derart auseinandernahm. »Sie wissen nicht das kleinste verdammte bisschen über mich …«

»Es ist völlig klar, dass Sie nie lachen.«

Es reichte. Er warf sie unsanft von seiner Schulter, als wollte er sie fallen lassen.

»O-ha!«, quiekte sie im Fallen, aber er fing sie auf, bevor sie unsanft mit dem Pflaster Bekanntschaft gemacht hätte.

Als die Frau wieder sicher auf ihren Beinen stand, schob sie sich das üppige, zerzauste Haar aus dem Gesicht und legte den Kopf schief. Mit gekränkter Miene fragte sie: »Warum haben Sie das gemacht?«

Derek öffnete den Mund, dann schloss er ihn wieder. Das Weibsbild besaß prachtvolles Haar. Er betrachtete ihre Locken, wirr von den dramatischen Ereignissen. Sie waren weder rot noch golden, sondern irgendetwas dazwischen. Sie rahmten ein eigenwilliges, aber hübsches Gesicht ein und ringelten sich um einen schlanken Hals. Seine Lippen brannten darauf, diesen Hals zu küssen …

Derek schüttelte den Kopf über sich selbst. »Ich weiß nicht recht, ob ich Sie überhaupt noch retten will. Sie haben eine reichlich spitze Zunge und wissen nicht, was Dankbarkeit bedeutet. Sie gehören in die Mermaid.«

Sie reckte ihr Kinn in die Höhe. »Sie«, sagte sie mit lauter werdender Stimme, »waren doch auch dort. Oder waren Sie zu betrunken, um sich an mich zu erinnern?«

»Lady, ab jetzt sind Sie wieder auf sich allein …«, setzte Derek an, doch dann sah er, wie ihre Augen angstvoll zur Seite glitten, denn keine zwanzig Yards hinter ihnen brach eine Rauferei aus. Sie verlor die Beherrschung und begann am ganzen Körper zu zittern. Trotz ihrer Tapferkeit war sie voller Angst.

Bevor sie ihm davonrennen konnte, schlang Derek einen Arm um ihre Taille und warf sie sich wieder wie einen nassen Sack über die Schulter. Während er auf sein Schiff zumarschierte, fühlte er sich seltsam zufrieden.

Er hätte nicht sagen können, was ihn an diesem Mädchen so faszinierte. Vielleicht der Umstand, dass er noch nie zuvor von einer Frau so angesehen worden war wie gestern Abend von ihr in der Mermaid.

Als ob sie sterben müsste, wenn er nicht mit ihr schlief.

Derek hatte sich eingeredet, dass er sie nur finden wollte, um seine Neugier zu stillen. Es war ihm ein Rätsel, warum eine junge Frau, die ganz offensichtlich in der Mermaid ihren Körper verkaufte und sich obendrein ausgerechnet mit einem Mann wie Lassiter einließ, ihn auf diese Weise angesehen hatte: erst voller Verlangen, dann voller Zorn.

Außerdem hatte er in Erfahrung bringen wollen, ob er sie wirklich so heftig begehrte, oder ob es nur am Alkohol gelegen hatte.

Es hatte nicht nur am Alkohol gelegen.

Was war mit ihm geschehen? Sie war eine scharfzüngige, freche Dirne, die mit seinem Erzfeind herumschäkerte. Und sie hatte ein eigenwilliges Gesicht. Unglaubliche Augen, zu groß und dunkel für ihr schmales, knabenhaftes Antlitz, und dazu dieser Schmollmund. Es war, als hätte ein einfallsreicher Künstler Augen und Haar gemalt, während ein anderer sich um den makellosen Lippenbogen bemüht hatte …

Das Frauenzimmer wurde schon wieder unruhig. Sie musste ihn mittlerweile wohl als größere Gefahr einstufen, denn sie wand sich auf seinem Rücken hin und her und versuchte sich seinen Händen zu entwinden. Sie war jedoch so klein und schmal, dass er sie ganz leicht festhalten konnte.

Jetzt ballte sie ihre Hände zu Fäusten und begann auf seinen Rücken einzuhämmern. Es war schon erstaunlich, wie hart sie zuschlagen konnte, doch Derek ließ sich davon nicht beirren, sondern versetzte ihr lediglich einen festen Klaps auf das wohlgeformte Hinterteil, das sich deutlich unter der eng anliegenden Hose abzeichnete.

»Sie! Oooh, das können Sie doch n–«

Er ließ seine Hand dort liegen. »Und ob ich das kann.« Sie sprühte nun vor Zorn, was Derek zum Grinsen brachte. Doch dann begann sie, ihn mit Kraftausdrücken zu beschimpfen, die selbst seine hartgesottene Besatzung zum Erröten gebracht hätten. Es waren nicht nur ihre farbige Ausdrucksweise oder ihre giftigen Worte, die ihn in Staunen versetzten. Etwas anderes hätte er von einem Weib ihrer Sorte gar nicht erwartet.

Nein, schon vorher war ihm aufgefallen, dass sie nicht den Akzent einer englischen Hafendirne hatte, jetzt aber, wo sie vor Wut kochte, kam ihm ihre Aussprache noch klarer und präziser vor. Tatsächlich war ihm ihr Akzent unbekannt. Leicht beunruhigt stellte Derek fest, dass er ihre Sprache nicht einordnen konnte, dass sie aber, abgesehen von den farbigen Kraftausdrücken, gebildet klang.

Er tat seine Bedenken als gegenstandslos ab. Immerhin hatte er sie zuerst in einer Hafenspelunke gesehen, die für ihre Dirnen berüchtigt war. Und sie war mit einem doppelt so alten Mann fortgegangen. So etwas dürfte wohl kaum zu den abendlichen Aktivitäten einer vornehmen Dame gehören.

Wer auch immer dieses Mädchen war, er würde sie heute Nacht mehrmals nehmen und später herausfinden, was es mit ihr und ihrem frechen Mundwerk auf sich hatte. Besser hätte es gar nicht kommen können, da das Rennen erst in fünf Tagen losging. Gerade genug Zeit, um diese Frau ausgiebig zu genießen.

Und dann, wie immer … ihrer müde zu werden und fortzusegeln.

Captain Sutherland hatte sich Nicole noch immer wie ein Wäschebündel mühelos über die Schulter geworfen, als er an Bord seines Schiffes ging und den beiden verdutzten Deckswachen im Vorbeigehen lässig zuwinkte. Nicole schämte sich ihrer Lage, aber der Anblick der Southern Cross verschlug ihr den Atem, und einen kurzen Moment vergaß sie ganz, ihren Peiniger zu beschimpfen. So nahe war sie Sutherlands Schiff noch nie gekommen, und sie konnte nicht anders, als sich voller Staunen umzusehen.

Nicole hatte immer nur Hohn für das Seemannsgarn übrig gehabt, dass ein Kapitän Ähnlichkeit mit seinem Schiff habe. Doch die Southern Cross – massiv, kühn und dunkel – schien diesen Aberglauben zu bestätigen: Sie bestand beinahe ausschließlich aus harten Oberflächen und scharfen Linien.

Und wirkte abweisend.

Gerade als Nicole beschlossen hatte, einen neuerlichen Fluchtversuch zu wagen, gelangte Sutherland an den Niedergang. Er stellte sie auf die Beine und musterte sie, als müsse er eine Entscheidung treffen. Schließlich sagte er: »Da runter.«

Nicole warf ihm einen ungläubigen Blick zu. Das würde sie selbstverständlich nicht tun! Hielt er sie etwa für verrückt? Sie wusste nicht, warum Sutherland sie auf sein Schiff gebracht hatte, wusste nicht, ob er inzwischen erraten hatte, wer sie war, und vor allem nahm sie nicht gern Befehle entgegen, insbesondere von einem Mann wie ihm. Sie öffnete den Mund, um sein Ansinnen höflich, aber bestimmt abzulehnen.

»Sofort.«

»Nein.«

»Nein?«

Seiner Miene war zu entnehmen, dass er dieses Wort nur selten hörte. »N-e-i-n«, buchstabierte Nicole. »Nicht, bevor Sie mir gesagt haben, warum Sie mich hergebra–«

»Sofort«, dröhnte er, und jeder Gedanke an Rebellion wurde im Keim erstickt. Sein Ton ließ Nicole zu der Treppe springen, um so rasch wie möglich in den Bauch des Schiffes zu gelangen.

Er hatte ihr aber keine Angst gemacht, redete sie sich ein; er hatte sie bloß erschreckt.

Gewandt stieg er hinter ihr den Niedergang hinunter, dann kam er langsam auf sie zu und maß sie mit seinen Blicken. Geschickt wich er einem Deckensparren aus, wodurch Nicoles Aufmerksamkeit wieder auf seine Größe gelenkt wurde. Eigentlich hätte sie nervös sein müssen, nachdem er sie so angeschrien hatte. Nach allem, was sie über den Mann gehört hatte, hätte sie sogar vor Angst vergehen müssen. Chancey, der Erste Offizier ihres Vaters, hätte wieder einmal gesagt, sie besäße mehr Schneid, als gut für sie war. Und vermutlich hätte er in diesem Fall sogar recht gehabt.

Und dennoch machte Sutherland nicht den Eindruck, als wollte er ihr wehtun. Nein, er sieht eher aus, als wollte er mich zum Abendessen verspeisen. Sein Blick liebkoste Nicole wie eine Berührung, und sie erbebte. Man konnte diese dunkelgrauen Augen durchaus als grausam bezeichnen, aber gegen sie hegte er offenbar keinen Zorn. Nicole redete sich ein, in ihren kalten Abgründen ein freundlicheres Gefühl erkennen zu können. Konnte das der Grund sein, warum er sie an Bord seines Schiffes gebracht hatte? Um sie zu küssen?

In ihrem Leben war auf etwas Verbotenes meist gleich die Strafe gefolgt. Und Sutherland zu küssen war ja wohl etwas absolut Verbotenes …

Und dennoch so verlockend.

Aber das wäre verrückt – Sutherland, der Schurke, der vermutlich schon mit Legionen schöner Frauen geschlafen hatte, sollte ausgerechnet sie begehren, ein dürres Mädchen von zweifelhafter Schönheit?

Nicole wich vor ihm zurück, als wollte sie höfliche Distanz wahren. Dabei kam sie an einer Tür vorbei und konnte nicht anders, als sie mit neugierigen Augen zu mustern. Das Gleiche passierte bei der nächsten Tür, so begierig war sie, alles auf seinem Schiff in Augenschein zu nehmen.

Sutherland sah ihre Blicke hin und her flitzen, und da er zu wissen glaubte, was sie so nervös machte, sprach er ihr sanft zu: »Nur die Ruhe, meine Süße, hier ist niemand. Nur du und ich. Abgesehen von den Deckswachen haben wir das Schiff für uns allein.« Er streckte die Hand aus, um ihr eine Haarlocke aus dem Gesicht zu streichen, und fuhr mit heiserer Stimme fort: »Ich werde dich auch fürstlich bezahlen.«

Fürstlich bezahlen? Eine Ahnung blitzte in Nicole auf, aber sie schob sie entrüstet von sich.

Was auch immer er in ihrer Miene zu lesen glaubte, es machte ihn wachsam. »Ich sage es dir nur ein Mal«, warnte er. »Denk nicht einmal daran, mit mir zu spielen.«

Nicole kämpfte mit ihrer Verwirrung. Sie wusste weder, wovon er sprach, noch, warum er plötzlich so zornig wirkte.

Sutherland packte sie am Oberarm. »Warum sind sie dir gefolgt?«

»Wozu haben Sie mich hergebracht?«, stellte sie eine Gegenfrage und versuchte vergeblich, sich loszureißen.

Beinahe hätte er gefeixt. »Ich habe dich hergebracht, weil ich dich haben will.«

Nun, das erklärte entweder alles oder nichts. Jetzt wollte sie es genau wissen. »Wozu?«

Gereiztheit flackerte in seinen Augen auf. Fast wäre Nicole vor Schreck zusammengezuckt. Bevor sie eine neue Frage stellen konnte, legte er seine andere Hand um ihren Hinterkopf. »Wozu? Hierzu.« Und zog sie zu einem Kuss an sich.

Nicole wehrte sich und stieß ihn vor die Brust, es war jedoch eher ein instinktives Sich-zur-Wehr-setzen als der Wunsch, ihm zu entkommen. Doch nun strich er ihr mit der Hand über den Hals und vergrub sie in ihrem Haar. Sie konnte sich nicht entsinnen, jemals am Hals gestreichelt worden zu sein. Die Empfindung war so neu, so köstlich, dass sie jede Gegenwehr aufgab.

Sutherland musste ihre Kapitulation gespürt haben, denn sein Mund presste sich noch fester auf ihren. Nicole gab nach und schmiegte sich an ihn. Seine Zunge berührte ihre Lippen, forderte Einlass, stachelte ihre Neugier an. Neugier ist der Katze Tod, Nicole.

Aber was für eine schöne Art zu sterben …

Sie gehorchte ihm und öffnete kühn den Mund. Ihre Zungen berührten sich, und da war es wieder, dieses Gefühl – heiß, feucht, unverkennbar. Sein Atem ging stoßweise. Sie spürte seine heiße Erregung an ihrem Bauch – oh Gott, er presste sich gegen sie, und ihr Kopf fiel vor Lust und Schreck nach hinten, ihr Mund öffnete sich zu einem stummen Schrei. Sie durfte ihm nicht gestatten, sie auf diese Weise zu berühren. Sie musste ihm Einhalt gebieten … Aber dort, wo ihre Körper sich berührten, pulsierte es bereits. Ihre Brüste spannten sich, sehnten sich nach ihm. Im Zwiespalt zwischen ihrem Verlangen und ihrem Willen gewann das Verlangen. Und beherrschte sie.