Die gespaltene Frau - Catherine Herriger - E-Book

Die gespaltene Frau E-Book

Catherine Herriger

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Beschreibung

Alte Rollenmuster - ein Unglück für die Frau von heute? Warum haben erfolgreiche Frauen ein latent schlechtes Gewissen ihren Partnern und ihrer Familie gegenüber? Warum sind viele Frauen überzeugt, dass sie rund um die Uhr für alles allein zuständig sein müssen? Kann sich die moderne Frau überhaupt abgrenzen gegenüber den Erwartungen und Ansprüchen, die aus einem längst überholten Frauenbild stammen? Und wie steht es mit dem gesellschaftspolitischen Bewusstsein der Nur-Hausfrauen und der damit verbundenen erzieherischen Verantwortung? Die Schweizer Diplom-Psychologin und Kommunikationsberaterin Catherine Herriger plädiert für ein erweitertes Rollenverständnis der modernen Frau und spricht mit Frauen und Männern – über anerzogene Rollenbilder, über Partnerschaft und über Kinder, Liebe und Karriere.

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Catherine Herriger

Die gespaltene Frau

Frauen zwischen altem und neuem Rollenverständnis

Edel eBooks

Inhalt

--------

Zum Geleit

Frauen – und die patriarchalische Rollenteilung

Frauen – und der ›weibliche Krabbenkorb‹

Frau – und ein kontroverser Kinderwunsch

Interview mit Mira

Frauen und ihre Meinungen (1. Gruppensitzung)

Frauen und ihre Meinungen (2. Gruppensitzung)

Frauen – zwischen Mutterschaft und Beruf

Weibliche Werte – ein Mutterschaftskorsett?

Berufstätige Frauen – Wunsch- oder Feindbild?

Frauen – und ihre prägende Geschichte

Mutter an Tochter – Übergabe eines Wertemusters

Ein Stück Frauengeschichte

Frauen – aus der Sicht von Mädchen

Töchter und ihre Meinungen (Diskussionsrunde)

Frauen – und Hemmschuhe ihrer Entwicklung

Frauenbilder in den Medien

Laßt die Frauen in Frieden …

Männer – und ihre Angst vor Powerfrauen

Männer und ihre Meinungen (Männerrunde)

Frauen – und ihre Überanpassung an den Mann

Männer und ihre Angst vor Vereinnahmung

Frauen – Wetterfrösche männlicher Befindlichkeit

Frauen und ihre Meinungen (3. Gruppensitzung)

Meine eigene Betroffenheit

Frauen – und ihre Karriere

Frauen – und ihre Körperlichkeit

Frauen – und ihr Zweiklassen-System

Frauen – und ihre begrenzte Solidarität

Frauen – und die Überwindung ihrer Gespaltenheit

Sandra – ein fehlendes Selbstwertgefühl

Eine Ansprache – von Frau zu Frau

Ausklang

Literaturverzeichnis

Meinen Enkelkindern

--------

Zum Geleit

»Human rights are women's rights – and women's rights are human rights.« Dies sagte Hillary Clinton, die Gattin des amerikanischen Präsidenten, anläßlich der 4. UNO-Weltfrauenkonferenz in Peking im September 1995.

Hillary Clinton wies auch darauf hin, »daß es sich weltweit bei 70 Prozent der Armen und zwei Dritteln der Analphabeten um Frauen handelt. Obwohl vom Besorgen des Haushaltes über das Aufziehen der Kinder bis zur Arbeit in Firmen ein Großteil der Leistungen überall von Frauen erbracht werde, sei ihre Gleichberechtigung bisher nirgends wirklich durchgesetzt. Es gebe zwar nicht eine allgemein gültige Formel dafür, wie frauenspezifische Probleme gelöst werden können oder wie Frauen ihr eigenes Leben gestalten sollten, aber die Grundvoraussetzung dafür, daß Frauen sich individuell und unbehindert entwickeln könnten, sei weltweit die gleiche: die Respektierung der Menschenrechte. Frau Clinton bezeichnete es als nicht akzeptabel, Frauenrechte als etwas von den Menschenrechten, deren internationale Gültigkeit von der Wiener Uno-Konferenz 1993 ausdrücklich anerkannt worden sei, Abgetrenntes zu behandeln.« (Neue Zürcher Zeitung, 6. September 1995)

Bei der Eröffnung der Weltfrauenkonferenz erklärte deren Generalsekretärin, Gertrude Mongella: »Die Probleme der Frauen weltweit unterscheiden sich nicht von Land zu Land – der Unterschied liegt nur in der Intensität.«

Diese Zitate möchte ich diesem Buch zugrunde legen, welches die Situation der Frau aus den verschiedensten Blickwinkeln heraus hinterfragen und beleuchten soll. Wer meint, daß dieses Thema an Aktualität verloren hat, liegt weit daneben. Frauenfragen und -anliegen sind aktueller denn je, denn noch nie waren so viele Frauen unterwegs zu einem neuen Rollenverständnis, und noch nie war die Kluft zwischen altem und neuem weiblichen Selbstbild so groß wie heute.

In diesem Buch kommen Frauen zu Wort, die versuchen, mit dieser Gespaltenheit zurecht zu kommen und die sich bemühen, neue Lebensmodelle zu entwickeln.

Fragen drängen sich auf, wie: Was bedeutet Mutterschaft für die heutige Frau? Aufopferung und Selbstaufgabe? Oder schlicht ein wesentlicher emotionaler Lebensabschnitt, der ganz selbstverständlich in ihre Selbstverwirklichung integriert wird? Wo liegen Unterschiede zwischen Mutterschaft heute und gestern, zwischen altem und neuem weiblichen Rollenverständnis? Was erleben Frauen, wenn sie ihr Rollenverständnis anders definieren, als noch ihre Mütter es taten? Und wie gehen Frauen miteinander und mit Männern um, wenn Rollenbilder ins Wanken geraten?

Wie solidarisch und loyal sind Frauen untereinander? Und wann ist es für sie bequemer und einfacher, sich an alte Rollenbilder und Gesellschaftsstrukturen zu klammern? Damit eventuell verunsichernde Einsichten und daraus resultierende Konsequenzen umgangen werden können …

Dieses Buch basiert auf Erzählungen, Interviews und Gruppengesprächen von und mit Frauen – Müttern und Töchtern –, die sich ständig und aktiv mit dem Wandel des weiblichen Rollenverständnisses auseinandersetzten und bereit waren, neben ihren Erfolgserlebnissen auch offen über ihre Zweifel, Sorgen, Frustrationen und Ängste zu sprechen. Über den Preis, den sie gelegentlich zahlen, weil sie sich von traditionellen Strukturen und Werten im Geschlechterrollen-Verständnis kritisch distanzieren. Und über die Schwierigkeiten mit sich selbst, wenn anerzogene Verhaltensweisen mit neuen kollidieren.

Auch Männer kommen in diesem Frauenbuch zu Wort. Sie berichten, wie sie ihrerseits auf Werteveränderungen in ihrem Rollenverständnis reagieren. Über ihre Probleme und Verunsicherungen bezüglich Frauen, aber auch über die Freuden einer erweiterten Männer- und Vaterrolle in der Familie.

Dieses Buch hatte einen langen Weg, auf dem sich mir ständig neue Aspekte und Hintergründe in der Entwicklungsgeschichte der Frau offenbarten. Die vertiefte Auseinandersetzung mit dieser Thematik hat mich wohl geduldiger gemacht, was den zeitlichen Ablauf der weiblichen Emanzipation anbelangt, andererseits aber auch konsequenter, was die zu erreichenden Ziele betrifft.

Ich danke hiermit meinen Freundinnen für ihre Bereitschaft, immer wieder und endlos mit mir über Themen zu reflektieren, die uns Frauen hautnah berühren. Ich danke aber auch meinem Mann, meinen Söhnen und meinen Freunden, die gleichermaßen bereit waren, immer wieder und endlos mit mir über Themen zu reflektieren, die eben nicht nur uns Frauen hautnah berühren, sondern menschliche Anliegen überhaupt sind. Und die gerade heutzutage eine gewaltige soziale und kommunikative Bedeutung haben … women's rights are human rights.

Und ich danke allen Frauen und Männern, die bereit waren, mich mit ihren Erfahrungen, Gedankengängen und Erlebnissen in der Entstehung dieses Buches zu unterstützen.

Bern, 1996

Catherine Herriger

Frauen – und die patriarchalische Rollenteilung

»Ich weiß, daß ich einem Kind nicht die nötige Zeit und Zuwendung geben könnte – deshalb bleibe ich kinderlos.« Ein Ausspruch, den gerade karriereorientierte Frauen immer wieder machen. Ein Ausspruch, der natürlich zu denken gibt. Basiert er nur auf Egoismus oder auf Verantwortlichkeit? Wie sieht es denn vergleichsweise beim Mann aus? Würde ein Mann, der ›sowieso‹ zielbewußt Karriere machen will, ähnlich denken? Die Erfahrung zeigt: Männer, die noch im tradierten Rollenverständnis ticken, fühlen sich auf ganz natürliche Art weniger bis gar nicht zuständig für die frühe Nestpflege. Sie sehen sich eher als finanzielle Versorger der Familie und nennen dieses Familiensystem Rollenteilung … Frau zu Hause, zuständig für die kleinen Kinder – Mann nicht zu Hause, zuständig für das materielle Auskommen der Familie.

Ein trügerisches System, wie inzwischen die zunehmende Verwahrlosung der Wohlstandsgesellschaft zeigt, die sich in ständig ansteigenden und erschreckenden Ziffern von Drogengeschädigten, jungen Rechtsextremisten und Terroristen, Sektenzugewandten, jugendlichen Kriminellen und weiteren sozialen Auffälligkeiten niederschlägt. Die Zeiten sind längst passé, in denen man selbstgefällig den Kopf über solche Mißstände schütteln konnte in der Meinung, die Wurzeln dieser gesellschaftlichen Übel lägen ausschließlich in der sozialen Misere und Unkenntnis irgendwelcher Randgruppen.

Der Versuch, diese sozialen Mißstände einer vermehrten ›Haus- und Familienflucht‹ der Ehefrau und Mutter zuzuschieben, ist unsinnig! Denn gerade Kinder aus dem gehobenen Mittelstand und der Oberschicht haben meist die Mutter zu Hause, da der materielle Lebensstandard mehr als zur Genüge vom Vater abgedeckt wird. Es könnte ja dem gesellschaftlichen Ansehen des Mannes abträglich sein, wenn die Meinung entstehen würde, seine Frau ›müßte‹ arbeiten … karitative und soziale Engagements natürlich ausgenommen.

Der Mann mit einem tradierten und nicht hinterfragten Rollenverständnis als Versorger der Familie wird kaum in Erwägung ziehen, daß seine physische Anwesenheit im Rahmen der Familie heutzutage einen genauso hohen Stellenwert haben könnte wie die seiner Frau. Er gewichtet seine Verantwortlichkeit mehr auf der materiell-finanziellen Seite und weniger auf der der emotionalen Verfügbarkeit.

Der Ausspruch »Kinder brauchen Väter« löst bei ihm höchstens ein überfordertes »Jaja« aus, verbunden mit der bissigen Frage, ob er sich in seinem geschäftlichen Streß nicht bereits genug abstrample für die Familie? Und bitte, wann und wie sollte er daneben noch zuständig sein für Kindererziehung plus Schulaufgaben und Chauffeurdienste zum Musikunterricht und zur Tennisstunde?! Völlig unmöglich! Dafür hätte seine Frau massenhaft Zeit – die sei nicht so eingespannt. Aber er bemühe sich, wenigstens an den Wochenenden für die Kinder zuständig zu sein.

Aus langer Tradition gespeist, wird sich der Verzicht auf Kinder mangels zeitlicher und emotionaler Verfügbarkeit für den Mann nicht oder nicht in dem Maß aufdrängen wie bei der Frau. Er hat bei seinem Vater und Großvater, bei den männlichen Verwandten und Freunden der Familie, deren Lebensweise eine Richtlinie für sein eigenes Leben ist, vor allem erlebt, wie Männer nur zeitweise, sparsam bemessen, ihren Familien zur Verfügung standen – und das hat sich ihm eingeprägt.

Seine Mutter hingegen und Frauen überhaupt waren aber ständig präsent … woher soll der heutige Mann schon genügend Erfahrungswerte haben, die eine solchermaßen verteilte familiäre Gewichtung relativieren oder gar in Frage stellen? Sagte doch Schiller schon:

»Der Mann muß hinaus

ins feindliche Leben,

muß wirken und streben

und pflanzen und schaffen …«

»Und drinnen waltet

die züchtige Hausfrau,

die Mutter der Kinder,

und herrschet weise

im häuslichen Kreise …«

Heutige Väter, die in diesem Rollenverständnis versteinert sind, sollten daran denken, daß sich die Zeiten seit Schiller um einiges verändert haben. Seit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert sind Familienstrukturen aufgebrochen und in einem fortwährenden sozialen Wandel begriffen. Daraus folgten Werteveränderungen, wie die aufgewertete sozio-politische Stellung der Frau, die allmählich schwindende Rolle der Familie als einziges soziales Sicherungsnetz und die damit verbundene Entmachtung des Vaters als Familienoberhaupt.

Die patriarchalisch strukturierte Familie, die davon abhängig war, daß der Mann und Vater für Recht und Ordnung sorgte und als einziger in der Lage war, für das Überleben der Familie zu sorgen, gehört in unserer mitteleuropäischen Kultur der Vergangenheit an.

Mit anderen Worten: die Schillersche Familienidylle hat längst ausgedient – das wissen wir und das wissen unsere Kinder. Ein sozialer Wandel hat stattgefunden – diese familiäre Rollenverteilung ist mehr als veraltet – sie ist verstaubt und stimmt längst nicht mehr. Die männlich-väterlichen Werte von einst sind nicht mehr die, welche heute benötigt werden.

Der heutige Vater, der sich noch immer an Schiller orientiert – und »ständig hinaus ins feindliche Leben (Arbeitsplatz) zieht« – wird zur unglaubwürdigen Figur in der eigenen Familie. Der durch seine Leistung alleinseligmachende und andere zu Dank verpflichtende pater familias stellt keinen ernstzunehmenden männlichen Wert mehr dar für Tochter und Sohn.

Papa ist ständig von der Familie abwesend. Warum? Seine Abwesenheit muß doch damit zu tun haben, daß er schlichtweg mehr Spaß hat an seinem Arbeitsplatz als in der Familie. Aus Existenzsicherungsgründen kann er wohl kaum ständig dort sein wollen und müssen, denn zum Überleben der Familie braucht es weder einen neuen Fernsehapparat noch ein größeres Auto, geschweige denn eine Kreuzfahrt … Vielleicht sind das ja Mamas Wünsche – aber Papa könnte auch mit der Faust auf den Tisch hauen und sagen, er brauche weniger Karriere, weniger Luxus, dafür mehr Zeit für seine Lieben zu Hause. Warum tut er es nicht?!

Fazit: Männliche Werte und männliche Selbstverwirklichung liegen nach wie vor außerhalb der Familie – Väter sind noshow – Mütter sollen demzufolge unverändert sowohl emotional wie zeitlich zuständig sein.

Abwesende Väter sind heute ein mangelndes Schutzschild für ihre Kinder. Ungefiltert prallen die von Werbung und Medien propagierten Supertypen auf das nach Richtlinien suchende Kind. Leistungsstärke und Coolness – beides ach so pseudo-männliche Werte, die jeden Pubertierenden in seinen altersbedingten Unzulänglichkeitsgefühlen in die Knie zwingen.

Was muß ein Sohn tun, denken, als Ziel anpeilen, um so zu werden, wie die ihm gezeigten Rambo- und Leistungstypen? Und welche weibliche Idealvorstellung muß eine Tochter erreichen, um so einen Rambo- und Leistungstypen zu erobern? Und wo, bitte, ist der Vater, der dem Sohn oder der Tochter eine subjektivere, zeitgemäße, menschlich faßbare männliche Identifikationsfigur bieten könnte? Der all diesen suggerierten Unsinn, wie ein Mann sein sollte (und sicher nicht ist!) relativiert?

»Kinder brauchen Väter« – heute mehr denn je. Emotional verfügbare, richtliniengebende, schützende Väter. Väter, die ihrer Familie mindestens genauso viel Raum zugestehen wie ihrem Leistungsbereich.

Frauen, die ihrerseits aus Generationen von zuständigen und mehr oder weniger positiv verfügbaren Müttern als Identifikationsfiguren stammen, wissen instinktiv um dieses Bedürfnis, um diese Suche nach Orientierung seitens des Kindes.

Wir dürfen also die Vermutung wagen, daß eine karriereorientierte Frau mit dem Verzicht auf Kinder einen verantwortungsbewußten Entscheid fällt. Ihr ist es anscheinend deutlich bewußt, was einem Kind Verfügbarkeit und damit Identifikationsmöglichkeit bedeuten. Sie hat es erfahren in der eigenen Herkunftsfamilie, aus der eigenen emotionalen Sättigung oder aus schmerzlichen Mankos.

Im überlieferten Mutterbild steht für die Frau nicht (oder noch nicht) die Leistung im Vordergrund, sondern die Zuständigkeit im häuslich-familiären Bereich. Ihre Verantwortung gewichtet sie somit stärker auf der emotional-verfügbaren Seite. Das heißt, sie überlegt weniger, was sie ihrem Kind materiell ›bieten‹ könnte oder müßte, sondern wie groß ihre emotionalen Ressourcen noch sein würden, falls sie sich für eine berufliche Karriere entschiede. Die Grundlagen für ihre Entscheidung sind demnach zeitgemäßer und realistischer als die des Mannes, der emotional-unreflektiert ›sowieso gerne‹ Kinder möchte.

Beim Kinderwunsch überlegt sich der Mann eher den materiellen Aspekt: Können wir uns ein Kind, zwei, drei, leisten? Eine sogenannte emanzipierte Frau weiß dagegen um das Dilemma des Hin- und Hergerissenseins zwischen familiärem und beruflichem Engagement und wie schnell ihr alles zu viel – und dem Kind zu wenig werden könnte. Vom gesellschaftlichen Aspekt her braucht sie keine harmonische Familienkulisse, um sich den beruflichen Alltag und Aufstieg zu erleichtern. Wiederum im Gegensatz zum Mann, der nach wie vor ein möglichst integres Familienleben mit Kindern als notwendige Ergänzung bzw. Referenz für ein erfolgreiches Karriere-Climbing aufweisen sollte.

Vergessen wir doch bitte nicht, daß auch und gerade in der heutigen Leistungsgesellschaft – trotz Wertewandel – von der Ehefrau noch immer erwartet wird, daß sie ihrem erfolgreichen Karriere-Tiger den Rücken frei hält. Zudem sie und die gemeinsamen Kinder seinen Ruf als seriösen und sozial angepaßten Mann sichern. Gleichzeitig übernimmt sie diskret und selbstverständlich die nötigen Kleinarbeiten für ihn, damit er ungestört seine berufliche Laufbahn hinaufeilen kann.

Ab und zu wird ihr die Firmendirektion oder Belegschaft eine Anerkennung zukommen lassen für all die still geleisteten Dienste … was sie wiederum motiviert, nicht nachzulassen in ihrem Einsatz und dem damit verbundenen Verzicht auf Partnerschaft und Selbstverwirklichung – im Namen der erfolgreichen Karriere und des lukrativen Verdienstes ihres Ehemannes.

Sie: »Ich sehe zu, daß ich alles von meinem Mann fern halte, er ist so eingespannt« (…auch die Kinder und ich sind manchmal zuviel).

Er: »Ich bin meiner Frau dankbar. Ohne sie wäre ich heute nicht dort, wo ich bin« (…ich, ich bin der Mittelpunkt).

Frauen – und der ›weibliche Krabbenkorb‹

Eine Frau, die an die ›Front‹ will, weiß um den gefühlsmäßigen Streß, dem sie sich aussetzen wird, falls sie Mann und Kinder hat. Vor allem dann, wenn der Mann eben noch im alten Rollenverständnis tickt und sich mehr oder weniger weigert, einen Finger krumm zu machen im häuslichen Bereich.

Nicht nur leidet sie unter Schuldgefühlen, weil sie den Eindruck hat, es nicht allen – der Familie und dem Beruf – recht machen zu können, sprich überall mütterlich verfügbar und zuständig zu sein; gleichzeitig fehlt es ihr oft an Unterstützung und Ermutigung seitens der eigenen Geschlechtsgenossinnen. Da braucht es leider wenig, um Abwehr und Mißgunst hervorzulocken.

»Manchmal kommen mir Frauenkreise in ihrem Selbstverständnis wie ein großer Krabbenkorb vor! Kaum will eine Krabbe da raus, klammern sich die anderen an sie und holen sie wieder in den Korb, in weiblich-angepasste ›Normalität‹ zurück«, erinnert sich die Mutter zweier Kinder.

Sie lebte in einer Wohnsiedlung und teilte jahrelang das Los mit anderen jungen Müttern auf dem Spielplatz und im gemeinsamen Hütedienst. Dann entschloß sie sich in der eigenen Wohnung einen Schreibdienst aufzubauen. Nachdem sie ihren Mann dazu gebracht hatte, ihr einen Computer zu kaufen und sie einen Kurs besuchen zu lassen, ging es nur noch darum, die Zeit zu finden, um Aufträge zwischen den verschiedenen familiären Belastungen und Pflichten ausführen zu können.

Ihr Mann, voller Abwehr und Mißtrauen, konnte und wollte ihr nicht helfen, die eigene Mutter schüttelte nur den Kopf über die unnötigen Investitionen und prophezeite Unheil für die Kinder und eine gescheiterte Ehe. Und als sie sich hilfesuchend an die vielen Spielplatz- und Hütedienstfreundinnen wandte, hatten die plötzlich weder Verständnis noch Zeit, um ihr ab und zu die Kinder abzunehmen.

»Meine Freundinnen gaben mir unterschwellig den Eindruck, ich sei eine Verräterin in den eigenen Reihen. Nur weil ich ausgebrochen war aus dem Kinder-Küche-Einkaufsreigen.« Es schien ihr, als würden alle nur darauf warten, daß sie endlich zugab, zuviel gewollt zu haben und reumütig zu ihnen allen zurückkehrte, zurück in den alten, aber vertrauten Trott, den schon ihre Mutter ihr vorgelebt hatte.

Nun, sie kehrte nicht zurück – sie ließ sich nicht in den Krabbenkorb zurückziehen. Ihr Schreibdienst weitete sich nach großen anfänglichen Schwierigkeiten langsam aus, und selbst ihre Ehe hielt stand, trotz vielen Krisen. Die Schuldgefühle den Kindern gegenüber seien zwar noch immer da. Ständig hätte sie den Eindruck, sie würde ihre Kinder der Arbeit wegen vernachlässigen.

Die Gegenbeweise seien da, es nütze aber wenig, sie müsse damit leben. Und hin und wieder sei sie richtig stolz, weil ihre Tochter bereits ein anderes und selbständigeres Frauenbild vor Augen habe, als sie es bei ihrer Mutter erlebt hatte. »Sie wird es einmal viel leichter haben als ich. Für mich war der Preis hoch – ich weiß nicht, ob ich es auf die Art nochmals wagen würde. Aber ich habe auch Glück gehabt.«

Das war ihr Abschlußkommentar zu der Krabbenkorb-Geschichte und zu einigen Jahren an mehr oder weniger einsamen Kämpfen, Ängsten und Zweifeln, hin und her gerissen zwischen Mutterpflichten und beruflichen Anforderungen, beobachtet von einem lange Zeit nicht-kooperativen Ehemann. Glück gehabt …?

Warum verspüren wir Frauen die Gespaltenheit zwischen altem und neuem Rollenverständnis, zwischen Beruf und Mutterschaft derart ausgeprägt? Könnte es sein, weil wir beide Umfelder stärker mit Emotionen besetzen als Männer, Väter es tun?

Eine liebe Freundin von mir pflegt zu sagen, sie hätte es viel leichter im Leben, wenn sie selbst nicht eine so tolle und fürsorgliche Mutter gehabt hätte. Sie sei derart mit mütterlicher Liebe und Aufmerksamkeit eingedeckt worden, daß sie heute nur feststellen könne, wie mangelhaft ihre eigene Zuwendung zu ihren Kindern sei. Immer habe sie Schuldgefühle deswegen und warte förmlich darauf, daß ihre Kinder irgendwie mißraten – ihretwegen. Sie hätte derart hohe Maßstäbe für mütterliche Fürsorglichkeit auf den Weg mitbekommen, daß sie nur und ständig ihre eigene Unzulänglichkeit fühle. Ihre Mutter hätte zwar für nichts anderes als für die Familie Platz gehabt und es im Alter auch öfters beklagt …

»Aber weißt du«, fügt dann meine Freundin hinzu, »irgendwie scheint das nur mein Problem zu sein. Meine Kinder gedeihen prächtig trotz meiner beruflichen Anspannung. Und mein Mann macht auch einen ganz zufriedenen Eindruck. Etwas stimmt mit meinem Selbstbild nicht. Ich versuche eine Mutter zu sein, wie meine es war, lebe aber ein anderes Leben mit anderen Gegebenheiten – wie etwa, daß mein Mann genauso zuständig ist für die Familie wie ich. Zudem habe ich Spaß in meinem Beruf. Ich kann mich also nicht mehr an meinem Mutterbild orientieren – und das macht immer noch Mühe. Ich fühle mich wie gespalten – mit zwei total verschiedenen Ichs.«

Meine Freundin kaut mühsam an ihren überlieferten weiblichen Werten, die beinhalten, daß nur eine allzeit verfügbare Mutter eine gute Mutter sein kann. Und wenn eine Frau eine solche Mutter hatte und sie als positiv erlebte, dann wachsen die Selbstansprüche bezüglich eigener Fürsorglichkeit und Zuwendung ins Unermeßliche. Das schlechte Gewissen ist da, der Konflikt in der Gespaltenheit zwischen altem und neuem weiblichen Selbstverständnis programmiert.

Ist es verwunderlich, daß Frauen sich diesen programmierten Konflikt ersparen wollen? Zu dem ständigen Hin-und-her-gerissen-Sein zwischen Mutterpflichten und Berufsalltag? Und der Sorge, dem Kind tatsächlich das geben zu können, was sein »unverbrieftes Recht« ist? Und dem Gedanken, daß der Partner nicht kooperativ sein könnte und daß frau die ganze Verantwortung für die Nestpflege (doch) tragen müßte? Genauso wie sie es eben befürchtet hatte und vermeiden wollte?

Nun, wenn nach all diesen Überlegungen eine Frau auf Mutterschaft verzichtet, wird sie deswegen nicht ›weniger weiblich‹ sein. Dieser Entscheid weist auch nicht darauf hin, daß sie nicht zur Mutterschaft geeignet wäre – sondern daß sie sich einfach bewußt und verantwortungsvoll einer Konsequenz stellt. Der allzuleicht geäußerte Vorwurf seitens anderer Frauen, solch eine Frau sei eine Egoistin, sie denke nur an sich, ist schlichtweg falsch.

Wie sieht es aus, wenn eine alleinstehende Frau Karriere und Mutterschaft vereinen will? Und welches sind ihre Überlegungen?

Frau – und ein kontroverser Kinderwunsch

Interview mit Mira

Mira will ein Kind. Sie ist freiberufliche Lektorin, 38 Jahre alt und alleinstehend.

Nein, sie lebt in keiner festen Beziehung und, nein, sie gedenkt auch nicht im Entferntesten, eine solche einzugehen.

Nach ihren Motiven zu diesem späten Kinderwunsch befragt, erklärt Mira, daß ihre biologische Uhr unbarmherzig ticke. Und Kinderkriegen über vierzig sei eben doch ein Risiko.

Und warum keinen Mann?

Hier lacht Mira: Zum Zeugen schon – das ginge ja nicht ohne.

Anders gefragt: Warum keine feste Beziehung? Das Kind braucht doch einen Vater …

Mira schüttelt entschieden und überlegen den Kopf. Nein, diesem Unsinn sei sie selbst jahrelang aufgesessen. Inzwischen habe sie aber genug gesehen und mitgelitten bei ihren Freundinnen und Bekannten, die in sogenannten festen Beziehungen lebten wegen Kindern. Nur abschreckende Beispiele.

Was heißt das?

Mira wird ärgerlich: Jede dieser Frauen hätte doch geglaubt, der Mann würde sich als gleichgestellter Partner erweisen und Verantwortung übernehmen in der Beziehung. Weit gefehlt! Die Kerle lassen sich bedienen, wie schon deren Väter, und sind sowieso unsichtbar, sobald sie Beziehungsinitiativen übernehmen sollten. Als Väter nur sporadisch verfügbar, sofern es in den Terminkalender und zu den Gemütsschwankungen passe. Nein danke – da sei sie, Mira, klüger. Ihre Freundinnen, ihr weiblicher Bekanntenkreis und Frauen überhaupt würden sich seelisch aufreiben im Privatbereich. Und selbstverständlich leide der Beruf darunter. Männer zum Spaßhaben, so zwischendurch, sei o.k. Nur um Himmels willen nicht mit den Kerlen zusammenziehen, oder meinen, frau könne sich emotional auf irgendeinen Mann längerfristig verlassen. Ihre eigene Mutter sei diesbezüglich ein armes, kaputtes Schwein – gleichzeitig würde sie Mira aber immer wieder auf die weiblichen Freuden der Ehe und Familie hinweisen. Vermutlich glaube sie inzwischen selbst daran …

Aber warum denn ein Kind? Kinder sind doch eine Riesenbelastung, auf jeden Fall, so lange sie noch klein sind …

Mira denkt nach. Für sie sei es immer klar gewesen, daß sie Kinder haben möchte. Jahrelang habe sie ganz konventionell nach dem ›Richtigen‹ Ausschau gehalten, mit dem sie eine Familie gründen wollte. Jetzt wisse sie – es gibt ihn nicht, er bleibt ein Märchenprinz. Männer würden zwar gerne und meistens als Prinzen auftreten, kaum aber werde es ernster, erweisen sie sich als Frösche: nichts für sie!

Wird denn das Kind seinen Vater nicht vermissen? Andere Kinder haben doch auch einen Vater.

Mira lächelt. Das werde von ihr und ihrem Verhalten abhängig sein, ob dem Kind ein Vater abgehen werde. Besser eine alleinstehende Mutter als eine beziehungskaputte und überforderte Mutter, weil zusammen mit einem sowieso kaum verfügbaren Vater. Kinder brauchen in erster Linie ein gutes Familienklima, und das könne sie gewährleisten.

Warum denn überhaupt einen körperlich präsenten Erzeuger? Und nicht direkt ab Samenbank? Vielleicht stellt der Erzeuger sonst einmal väterliche Ansprüche?

O nein, dem werde sie vorbeugen. Der Erzeuger werde möglichst von nichts wissen. Und wenn, dann werde sie sich und das Kind total von ihm abgrenzen. Sie wolle auch keinen Zahlvater.

Warum dann nicht Samenbank?

Viel zu unpersönlich und steril. Sie möge ja Männer und Sex. Nein, sie möchte das Kind zwar gezielt, aber lustvoll empfangen.

Ob das Ganze nicht sehr einseitig, ja egoistisch geplant sei?

Mira zuckt die Schultern. Das haben sie schon viele gefragt. Es stimme nicht. Sie sei lebenserfahren genug, beruflich erfolgreich, selbständig mit genügend Freiheit. Mehr könne sich ein Kind ja gar nicht wünschen …

Frauen und ihre Meinungen (1. Gruppensitzung)

Miras Kinderwunsch und ihre auch heute noch etwas außergewöhnlichen und provokativen Bedingungen wurden einer Frauengruppe zur Diskussion vorgelegt.

Mira selbst war an der Teilnahme an der Gesprächsrunde nicht interessiert, ebenfalls nicht an den Ergebnissen. Die Gesprächsrunde, die ich leitete, bestand aus drei Frauen:

Eva, 36 Jahre alt, ledig, eine 3jährige Tochter, bei einer Wochenzeitung zu 80% festangestellte Journalistin.

Claude, 53 Jahre, geschieden, zwei erwachsene Kinder, Wiedereinsteigerin als Kosmetikberaterin einer führenden Marke.

Barbara, 48 Jahre alt, verheiratet, ein 18jähriger Sohn, Hausfrau.

Die Gesprächszeit wurde auf zweimal eine Stunde festgesetzt. Die folgenden Protokolle sind ab Tonband, auf das Wesentliche gekürzt:

Barbara: Ich bin völlig und total dagegen. Das arme Kind. Anscheinend meint diese Mira, jetzt brauche sie noch ein Kind. So wie ein Abschlußzeugnis.

Eva: Ich frage mich, ob sie überhaupt weiß, was auf sie zukommt? Weiß man denn, was sie mit dem Kind machen wird? Gibt sie es in eine Krippe oder nimmt sie ein Kindermädchen?

Barbara: Sie arbeitet anscheinend zu Hause, als freiberufliche Lektorin.

Eva: Aha. So kann es ja funktionieren …

Claude: Nein – sicher nicht. So funktioniert sowas ganz und gar nicht. Und das Kind? Wenn es mal nach dem Vater fragt? Vater nicht gewollt – oder wie lautet dann die Antwort? Tolle Basis für ein Leben!

Barbara: Was mich schockiert ist diese Männerfeindlichkeit, die ich hinter dieser Geschichte spüre.

Eva: Warum Feindlichkeit? Vielleicht will sie sich bloß abgrenzen. Hat vermutlich massenhaft schlechte Erfahrungen mit irgendwelchen Kerlen gemacht.

Barbara: Und das Kind? Muß das darunter leiden? Ohne Vater, und so …

Ich: Verstehe ich euch richtig, daß ihr alle Miras Vorhaben, ein Kind ohne Vater aufzuziehen, ablehnt? (Allgemeines Kopfnicken)

Ich: Eva, du bist ledig und erziehst deine Tochter größtenteils alleine …

Eva: Ja, eben, größtenteils. Meine Kleine hat aber einen Vater, den sie regelmäßig sieht und heiß liebt. Kunststück, er bietet ihr eben hauptsächlich seine Schokoladenseite.

Ich: Macht dich das nicht manchmal sauer?

Eva: O doch! Und wie …

Ich: Hast du dir noch nie überlegt, daß es ohne ihn einfacher wäre mit deiner Tochter?