Die Göttersöhne - Harry Eilenstein - E-Book

Die Göttersöhne E-Book

Harry Eilenstein

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Beschreibung

Die Reihe Die achtzigbändige Reihe "Die Götter der Germanen" stellt die Gottheiten und jeden Aspekt der Religion der Germanen anhand der schriftlichen Überlieferung und der archäologischen Funde detailliert dar. Dabei werden zu jeder Gottheit und zu jedem Thema außer den germanischen Quellen auch die Zusammenhänge zu den anderen indogermanischen Religionen dargestellt und, wenn möglich, deren Wurzeln in der Jungsteinzeit und Altsteinzeit. Daneben werden auch jeweils Möglichkeiten gezeigt, was eine solche alte Religion für die heutige Zeit bedeuten kann - schließlich ist eine Religion zu einem großen Teil stets der Versuch, die Welt und die Möglichkeit der Menschen in ihr zu beschreiben. Das Buch Dieses Buch enthält die Betrachtungen über Hödur den Wintergott, Wali den Rächer, Widar den Himmelswanderer, Bragi den Skalden, Forseti den Richter, Hofund Tyr-Sohn, Magni den Starken, Modi den Kämpfer, Wali Loki-Sohn, Nari Loki-Sohn, Narfi Loki-Sohn und über den namenlosen Sohn des Freyr und der Freya.

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Photo-Astrologie (428 S.)

Horoskop und Seele (120 S.)

Tarot (104 S.)

Handbuch für Zauberlehrlinge (408 S.)

Physik und Magie (184 S.)

Der Lebenskraftkörper (230 S.)

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Meditation (140 S.)

Reinkarnation (156 S.)

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Göbekli Tepe (472 S.)

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Isis (508 S.)

Die Entwicklung der indogermanischen Religionen (700 S.)

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Der Kessel von Gundestrup (220 S.)

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Cernunnos (690 S.)

Christus (60 S.)

Odin (300 S.)

Die Götter der Germanen (Band 1 – 80)

Dakini (80 S.)

Kursus der praktischen Kabbala (150 S.)

Eltern der Erde (450 S.)

Blüten des Lebensbaumes 1: Die Struktur des kabbalistischen Lebensbaumes (370 S.)

Blüten des Lebensbaumes 2: Der kabbalistische Lebensbaum als Forschungshilfsmittel (580 S.)

Blüten des Lebensbaumes 3: Der kabbalistische Lebensbaum als spirituelle Landkarte (520 S.)

Über die Freude (100 S.)

Das Geheimnis des inneren Friedens (252 S.)

Von innerer Fülle zu äußerem Gedeihen (52 S.)

Das Beziehungsmandala (52 S.)

Die Symbolik der Krankheiten (76 S.)

König Athelstan (104 S.)

Die Themen der einzelnen Bände der Reihe „Die Götter der Germanen“

Die Entwicklung der germanischen Religion

Lexikon der germanischen Religion

Der ursprüngliche Göttervater Tyr

Tyr in der Unterwelt: der Schmied Wieland

Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 1

Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 2

Tyr in der Unterwelt: der Zwergenkönig

Der Himmelswächter Heimdall

Der Sommergott Baldur

Der Meeresgott: Ägir, Hler und Njörd

Der Eibengott Ullr

Die Zwillingsgötter Alcis

Der neue Göttervater Odin Teil 1

Der neue Göttervater Odin Teil 2

Der Fruchtbarkeitsgott Freyr

Der Chaos-Gott Loki

Der Donnergott Thor

Der Priestergott Hönir

Die Göttersöhne

Die unbekannteren Götter

Die Göttermutter Frigg

Die Liebesgöttin: Freya und Menglöd

Die Erdgöttinnen

Die Korngöttin Sif

Die Apfel-Göttin Idun

Die Hügelgrab-Jenseitsgöttin Hel

Die Meeres-Jenseitsgöttin Ran

Die unbekannteren Jenseitsgöttinnen

Die unbekannteren Göttinnen

Die Nornen

Die Walküren

Die Zwerge

Der Urriese Ymir

Die Riesen

Die Riesinnen

Mythologische Wesen

Mythologische Priester und Priesterinnen

Sigurd/Siegfried

Helden und Göttersöhne

Die Symbolik der Vögel und Insekten

Die Symbolik der Schlangen, Drachen und Ungeheuer

Die Symbolik der Herdentiere

Die Symbolik der Raubtiere

Die Symbolik der Wassertiere und sonstigen Tiere

Die Symbolik der Pflanzen

Die Symbolik der Farben

Die Symbolik der Zahlen

Die Symbolik von Sonne, Mond und Sternen

Das Jenseits

Seelenvogel, Utiseta und Einweihung

Wiederzeugung und Wiedergeburt

Elemente der Kosmologie

Der Weltenbaum

Die Symbolik der Himmelsrichtungen und der Jahreszeiten

Mythologische Motive

Der Tempel

Die Einrichtung des Tempels

Priesterin – Seherin – Zauberin – Hexe

Priester – Seher – Zauberer

Rituelle Kleidung und Schmuck

Skalden und Skaldinnen

Kriegerinnen und Ekstase-Krieger

Die Symbolik der Körperteile

Magie und Ritual

Gestaltwandlungen

Magische Waffen

Magische Werkzeuge und Gegenstände

Zaubersprüche

Göttermet

Zaubertränke

Träume, Omen und Orakel

Runen

Sozial-religiöse Rituale

Weisheiten und Sprichworte

Kenningar

Rätsel

Die vollständige Edda des Snorri Sturluson

Frühe Skaldenlieder

Mythologische Sagas

Hymnen an die germanischen Götter

Inhaltsverzeichnis

A Hödur Odin-Sohn

Hödur in der germanischen Überlieferung

Der Name „Hödur“

Der Ase Hödur

1. a) Asen-Heitis

2. b) Gylfis Vision

Der Sohn des Odin

3. a) Nafna-Thulur

Der Mörder des Baldur

4. a) Die Vision der Seherin

4. b) Gylfis Vision

4. c) Wegtam-Lied

4. d) Gylfis Vision

4. e) Die Vision der Seherin

4. f) Skaldskaparmal

4. g) Die Schädel-Inschrift von Ribe

4. h) Gesta danorum

4. i) Gesta danorum

4. j) Chronicon lethrense

4. k) Kenningar

4. l) Männernamen

4. m) Jakob Grimm: Deutsche Mythologie

Zusammenfassung

Das Aussehen des Gottes Hödur

Die Vorgeschichte des Gottes Hödur

Die heutige Bedeutung des Hödur

Traumreise zu Hödur

Hymnen an Hödur

Der blinde Gott

Ein endloser Kampf

An Hödur

B Widar Odin-Sohn

Widar in der germanischen Überlieferung

Der Name „Widar“

Der Ase Widar

2. a) Thulur

2. b) Skaldskaparmal

Odin und Widar

3. a) Grimnir-Lied

3. b) Lokasenna

3. c) Thulur

Die Widar-Mythe

4. a) Skaldskaparmal

4. b) Grimnir-Lied

4. c) Odins Rabenzauber

4. d) Gylfis Vision

4. e) Gylfis Vision

4. f) Der Seherin Vision

4. g) Gylfis Vision

4. h) Wafthrudnir-Lied

4. i) Lokasenna

4. j) Skaldskaparmal

4. k) Thorwald-Kreuz

4. l) Das Kreuz von Gosforth

4. m) Geisli

4. n) Goldhörner von Gallehus

4. o) Brakteaten

4. p) Runenstein von Ledberg

4. q) Kirchliches Utiseta-Verbot von 650 n.Chr.

Zusammenfassung

Das Aussehen des Gottes Widar

Die Vorgeschichte des Gottes Widar

Die heutige Bedeutung des Widar

Traumreise zu Widar

Hymnen an Widar

An Widar

C Bragi Odin-Sohn

Bragi in der germanischen Überlieferung

Der Name „Bragi“

Der Ase Bragi

2. a) Asen-Heitis

Bragi der Skalde

3. a) Gylfis Vision

3. b) Grimnir-Lied

3. c) Skaldskaparmal

3. d) Lokasenna

3. e) Skaldskaparmal

3. f) Thulur

3. g) Odins Rabenzauber

3. h) Sigrdrifumal

3. i) Lokasenna

3. j) Hakonarmal

3. k) Eiriksmal

3. l) Half und seine Recken

3. m) Landnamabok

3. n) Sonatorrek

3. o) Heimskringla

Der Bragi-Trunk

4. a) Hervor-Saga

4. b) Die Saga über Hakon den Guten

4. c) Helgi Hiörvard-Sohn

4. d) Snäfridardrapa

4. e) Egil-Saga

4. f) Skalden-Lohn

4. g) Ynglinga-Saga

4. h) Fagrskinna

4. i) Hervor-Saga

4. j) Die Saga über Eilifir den Weitfahrenden

Bragi der Harfner

5. a) Bosi-Saga

5. b) Beowulf-Epos

5. c) Gesta danorum

5. d) Der Seherin Vision

Zusammenfassung

Das Aussehen des Gottes Bragi

Die Vorgeschichte des Gottes Bragi

Die Biographie des Gottes Bragi

Traumreise zu Bragi

Die heutige Bedeutung des Bragi

Hymne an Bragi

An Bragi

D Wali Odin-Sohn

Wali in der germanischen Überlieferung

Der Name „Wali“

Der Ase Wali Odin-Sohn

2. a) Gylfis Vision

2. b) Asen-Heitis

Die Wali-Mythe

3. a) Wegtam-Lied

3. b) Die Vision der Seherin

3. c) Skaldskaparmal

3. d) Hyndla-Lied

3. e) Odins Rabenzauber

3. f) Wafthrudnir-Lied

3. g) Gylfis Vision

3. h) Gesta danorum

3. i) Chronicon Lethrense

3. j) Die Saga über Illugi Grid-Ziehsohn

3. k) Skaldskaparmal

3. l) Kenningar

Zusammenfassung

Das Aussehen des Gottes Wali Odin-Sohn

Die Vorgeschichte des Gottes Wali Odin-Sohn

Die heutige Bedeutung des Wali Odin-Sohn

Traumreise zu Wali Odin-Sohn

Hymne an Wali Odin-Sohn

Lied des Wali

E Wali Loki-Sohn

Wali Loki-Sohn in der germanischen Überlieferung

Der Name „Wali“

Die Wali-Mythe

2. a) Gylfis Vision

2. b) Kenningar

Zusammenfassung

Das Aussehen des Gottes Wali Loki-Sohn

Die heutige Bedeutung des Wali Loki-Sohn

F Nari und Narfi Loki-Söhne

Nari und Narfi in der germanischen Überlieferung

Die Namen „Nari“ und „Narfi“

1. a) Der Name „Nari“

1. b) Der Name „Narfi“

Die Mythe des Nari und des Narfi

2. a) Skaldskaparmal

2. b) Lokasenna

2. c) Gylfis Vision

2. d) Ynglingatal

2. e) Alcis

2. f) Heimskringla

Zusammenfassung

G Forseti Baldur-Sohn

Forseti in der germanischen Überlieferung

Der Name „Forseti“

Der Ase Forseti

2. a) Asen-Heitis

Forseti der Richter

3. a) Gylfis Vision

3. b) Grimnir-Lied

3. c) Skaldskaparmal

3. d) Skaldskaparmal

3. e) Forsetlund

3. f) Forseti und Tyr

3. g) Die Heiligenlegenden des Liudger und des Willibrord

3. h) Die Lex Frisionum

3. i) Sankt Willibrordi, 789 n. Chr

3. j) Sankt Willehadi, ca. 710 n. Chr.

3. k) Sankt Liudger, ca. 780 n. Chr.

3. l) Die Saga über Hervor und König Heidrek den Weisen

Zusammenfassung

Das Aussehen des Gottes Forseti

Die Vorgeschichte des Gottes Forseti

Die heutige Bedeutung des Forseti

Traumreise zu Forseti

Hymnen an Forseti

An Forseti

H Hofund Baldur-Sohn

Hofund in der germanischen Überlieferung

Der Name „Hofund“

Die Hofund-Mythe

2. a) Die Saga über Hervor und König Heidrek den Weisen

Zusammenfassung

I Magni Thor-Sohn

Magni in der germanischen Überlieferung

Der Name „Magni“

Modi und Magni

Die Magni-Mythe

3. a) Skaldskaparmal

3. b) Gylfis Vision

3. c) Wafthrudnir-Lied

3. d) Kenningar

Zusammenfassung

J Modi Thor-Sohn

Modi in der germanischen Überlieferung

Der Name „Modi“

Modi und Magni

Modi in den Mythen

3. a) Gylfis Vision

3. b) Wafthrudnir-Lied

3. c) Kenningar

Zusammenfassung

K Fiölnir Freyr-Sohn

Fiölnir in der germanischen Überlieferung

Der Name „Fiölnir“

Die Fiölnir-Mythe

2. a) Grotten-Lied

2. b) Heimskringla

2. c) Historia norwegiae

2. d) Isländer-Buch

2. e) Gesta danorum

2. f) Grimnir-Lied

2. g) Regin-Lied

2. h) Gylfis Vision

2. i) Der Seherin Ausspruch

2. j) Veraldur-Ballade

2. k) Byggvir

2. l) Beowa

2. m) Waraldan Olmay

Zusammenfassung

L Der Sohn des Freyr

Der Sohn des Freyr und der Freya in der germanischen Überlieferung

Die Mythe über den Sohn des Freyr und der Freya

1. a) Lokasenna

Zusammenfassung

Themenverzeichnis

A Hödur Odin-Sohn

I Hödur in der germanischen Überlieferung

Hödur ist eine der Gottheiten, die in den Mythen nur eine einzige Funktion haben wie z.B. auch die Götter Wali, Bragi und Hermod oder die Göttinnen Eir, Nanna und Ran.

1. Der Name „Hödur“

Der Name dieses Gottes leitet sich von dem Substantiv „had“ für „Kampf, Schlacht“ ab. „Hödur“ bedeutet somit „Kämpfer“ – was ein recht merkwürdiger Name für einen blinden Gott ist.

Hödur wird daher wohl nicht schon immer ein blinder Gott gewesen sein. Vielleicht war er nur zeitweise blind oder unter bestimmten Umständen. Dazu würde z.B. die Symbolik von Odins blindem Auge passen, da Odin dadurch, daß er dieses Auge geopfert hat, nun auch im Jenseits sehen kann – mit dem „toten“ Auge kann man im Reich der Toten sehen. Diese Symbolik würde am ehesten zu einem Priester- und Schamanengott wie Odin oder Hönir passen.

2. Der Ase Hödur

1. a) Asen-Heitis

Hödur findet sich als einer der Asen auch in einer Aufzählung der Namen der Asen, deren Verfasser unbekannt ist:

Ich werde euch

die Asen-Heitis sagen:

Dies sind Yggr und Thor

und Yngvi-Freyr,

Vidar und Baldur,

Vali und Heimdall,

das sind Tyr und Njörd,

weiterhin Bragi,

Hödur, Forseti,

und schließlich ist da noch Loki.

2. b) Gylfis Vision

Hödur heißt einer der Asen. Er ist blind, aber sehr stark, und die Götter möchten wohl wünschen, daß sie seinen Namen nicht nennen müßten, denn nur allzu lange wird seiner Hände Werk Göttern und Menschen im Gedächtnis bleiben.

Die „Stärke“ des Hödur entspricht seinem Namen, der „Kämpfer“ bedeutet.

3. Der Sohn des Odin

3. a) Nafna-Thulur

In den Namenslisten am Ende der Skaldskaparmal werden die Söhne des Odin aufgezählt. Diese Liste beginnt damit, daß Burri als Vater des Odin genannt wird.

Odins Söhne:

Burri erzeugte Odin;

Baldur und Meili,

Widar und Nepr,

Vali, Ali,

Thor und Hildolfr

Hermodr, Sigi,

Skjöldr, Yngvi-Freyr

und Itreksjod,

Heimdallr, Saemingr,

Hödr und Bragi.

4. Der Mörder des Baldur

4. a) Die Vision der Seherin

Hödurs einzige Funktion in den überlieferten Mythen ist es, seinen Halbbruder Baldur durch eine List des Loki ungewollt zu töten, wodurch dann schließlich der Ragnarök begann. Dieser „lange Winter“ ist die Umdeutung des ständigen Wechsels von Tag und Nacht sowie von Sommer und Winter zu einem einmaligen Ereignis, dem Fimbulwinter („gewaltiger Winter“).

Die Mistel als „Tatwaffe“ ist als immergrüne Pflanze vermutlich ursprünglich ein Symbol dafür gewesen, daß es nach der Nacht einen neuen Morgen, nach dem Winter einen neuen Sommer und nach dem Tod eine Wiedergeburt geben wird.

Ich sah dem Baldur, dem blutenden Gott,

dem Sohn des Odin, sein Schicksal bestimmt:

Berühmt und schön stand hoch über den Wiesen

zu voller Kraft herangewachsen, der Mistelzweig.

Aus dem Zweig, der so schlank und schön schien,

wurde ein schädlicher Stab, den Hödur schießen sollte;

aber schon nach kurzem wurde Baldurs Bruder geboren

und als er eine Nacht alt war, kämpfte Odins Sohn.

Seine Hände wusch er nicht, seine Haare kämmte er nicht,

bis er Baldurs Feind zum Todesfeuer trug.

Doch in Fensalir weinte Frigg bitterlich

um Walhalls Verlust – wollt ihr noch mehr wissen?

„Baldurs Bruder“ ist der Odin-Sohn Wali, der im Alter von einer Nacht schon seinen Halbbruder rächte. Diese kurze Zeitspanne erklärt sich daraus, daß Wali ursprünglich der Sonnengott-Göttervater Tyr gewesen ist, der am Abend stirbt und am Morgen wiedergeboren wird. Hödur ist der „abendliche Mörder“ des Göttervaters – er hat also die Funktion des Loki in den alten, Tyr-zentrierten Mythen vor 500 n.Chr. übernommen.

Baldur ist die Verkörperung des Schönen, Guten und Richtigen. In den Mythen der Indogermanen findet sich des öfteren ein solcher Gott, von denen der griechische Apollon der bekannteste sein wird. Er ist aus einer Verselbständigung des Aspektes des Richtigkeit-Erhalters des Sonnengott-Göttervaters entstanden.

Da der Tod und die Wiedergeburt des Göttervaters und allgemein die Wiedergeburt der Toten dem Sonnenuntergang bzw. dem Sonnenaufgang gleichgesetzt wurden, hat dieser „Gott der Richtigkeit und der Schönheit“ oft auch Charakterzüge eines Sonnengottes – insbesondere den zyklischen Tod.

In diesem Zusammenhang ist Hödur das, was dem Guten, dem Schönen und der Richtigkeit ein Ende bereitet: die Nacht, der Winter und das Chaos.

4. b) Gylfis Vision

Am ausführlichsten werden der Tod des Baldur und die Ereignisse, die dazu führten, in „Gylfis Vision“ berichtet:

Da frug Gangleri: „Haben sich noch andere Abenteuer mit den Asen ereignet? Eine gewaltige Heldentat hat Thor auf dieser Fahrt verrichtet.“

Har antwortete: „Es mag noch von Abenteuern berichtet werden, die den Asen bedeutender scheinen.

Und das ist der Anfang dieser Sage, daß Baldur, der gute, schwere Träume träumte, die seinem Leben Gefahr deuteten. Und als er den Asen seine Träume sagte, pflogen sie Rat zusammen und beschlossen, dem Baldur Sicherheit vor allen Gefahren auszuwirken.

Da nahm Frigg Eide von Feuer und Wasser, Eisen und allen Erzen, Steinen und Erden, von Bäumen, Krankheiten und Giften, dazu von allen vierfüßigen Tieren, Vögeln und Würmern, daß sie Baldurs schonen wollten.

Als das geschehen und allen bekannt war, da kurzweilten die Asen mit Baldur, daß er sich mitten in den Kreis stellte und einige nach ihm schossen, andere nach ihm hieben und noch andere mit Steinen warfen. Und was sie auch taten, es schadete ihm nicht; das dünkte sie alle ein großer Vorteil.

Aber als Loki, Laufeyjas Sohn, das sah, da gefiel es ihm übel, daß den Baldur nichts verletzen sollte. Da ging er zu Frigg nach Fensal in Gestalt eines alten Weibes.

Da frug Frigg die Frau, ob sie wüßte, was die Asen in ihrer Versammlung vornähmen.

Die Frau antwortete, daß sie alle nach Baldur schießen würde, aber ihm nichts schade.

Da sprach Frigg: „Weder Waffen noch Bäume mögen Baldur schaden: ich habe von allen Eide genommen.“

Da frug das Weib: „Haben alle Dinge Eide geschworen, Baldurs zu schonen?“

Frigg antwortete: „Östlich von Walhall wächst eine Staude, Mistel genannt, die schien mir zu jung, sie in Eid zu nehmen.“

Darauf ging die Frau fort; Loki nahm den Mistelzweig, riß ihn aus und ging zur Versammlung. Hödur stand zuäußerst im Kreise der Männer, denn er war blind.

Da sprach Loki zu ihm: „Warum schießt Du nicht nach Baldur?“

Er antwortete: „Weil ich nicht sehe, wo Baldur steht; zum anderen habe ich auch keine Waffe.“

Da sprach Loki: „Tu doch wie andere Männer und biete Baldur Ehre wie alle tun. Ich will Dich dahin weisen wo er steht: so schieße nach ihm mit diesem Reis.“

Hödur nahm den Mistelzweig und schoß nach Baldur nach Lokis Anweisung. Der Schuß flog und durchbohrte ihn, daß er tot zur Erde fiel, und das war das größte Unglück, das Menschen und Götter betraf.

Als Baldur gefallen war, standen die Asen alle wie sprachlos und gedachten nicht einmal, ihn aufzuheben. Einer sah den anderen an; ihr aller Gedanke war wider den gerichtet, der diese Tat vollbracht hatte; aber sie durften es nicht rächen: es war an einer heiligen Freistätte.

Als aber die Asen die Sprache wieder erlangten, da war das erste, daß sie so heftig zu weinen anfingen, daß keiner mit Worten dem anderen seinen Gram sagen mochte. Und Odin nahm sich den Schaden um so mehr zu Herzen, da niemand so gut wußte wie er, zu wie großem Verlust und Verfall den Asen Baldurs Ende gereichte.

Als nun die Asen sich erholt hatten, da sprach Frigg und frug, wer unter den Asen ihre Gunst und Huld gewinnen und den Helweg reiten wolle, um zu versuchen ob er da Baldur fände, und der Hel Lösegeld zu bieten, daß sie Baldur heimfahren ließe gen Asgard.

4. c) Wegtam-Lied

Wegtam (Odin):

„Schweig nicht, Wala, ich will Dich fragen

Bis ich alles weiß. Noch wüßt ich gerne:

Wer wird uns Rache gewinnen an Hödur,

Und zum Bühle bringen Baldurs Mörder?“

Wala (Jenseitsgöttin):

„Rinda wird Wali in den Hallen des Westens gebären;

dieser Odins-Sohn wird töten, wenn er eine Nacht alt ist.

Er wäscht nicht die Hand, er kämmt nicht das Haar

Bis er Baldurs Mörder zum Bühle brachte.

Genötigt sprach ich, nun will ich schweigen.“

Odins Sohn Wali rächt seinen Bruder Baldur, indem er Hödur tötet.

4. d) Gylfis Vision

Snorri Sturluson berichtet auch, was nach dem Ragnarök geschieht, der mit Baldurs Tod beginnt:

Da sprach Gangleri: „Leben denn dann noch Götter und gibt es noch eine Erde oder einen Himmel?“

Har antwortete: „Die Erde taucht aus der See auf, grün und schön, und Korn wächst darauf ungesäht.

Widar und Wali leben noch, weder die See noch Surturs Lohe hatte ihnen geschadet. Sie wohnen auf dem Idafeld, wo zuvor Asgard war. Auch Thors Söhne, Modi und Magni, stellen sich ein und bringen den Miölnir mit. Danach kommen Baldur und Hödur aus dem Reiche Hels: da sitzen sie alle beisammen und besprechen sich und gedenken ihrer Heimlichkeiten, und sprechen von Dingen, die vordem sich ereignet, von der Midgardschlange und dem Fenriswolf.“

Entsprechend der ursprünglichen zyklischen Mythe, die aus dem Gleichnis zwischen dem Sonnenlauf und dem Leben der Menschen entstanden ist, werden sowohl Baldur als auch Hödur wiedergeboren – denn sonst gäbe es nicht mehr Tag und Nacht und auch nicht mehr Sommer und Winter. Auch Widar, Wali, Modi und Magni sind Göttersöhne und entsprechen somit dieser Symbolik.

4. e) Die Vision der Seherin

Die Rückkehr des Baldur und des Hödur wird auch in „Die Vision der Seherin“ berichtet, die vermutlich das älteste der Lieder in der Edda ist.

Da werden unbesät die Äcker tragen,

Alles Böse bessert sich, Baldur kehrt wieder.

In Heervaters Himmel wohnen Hödur und Baldur,

Die walweisen Götter. Wißt ihr, was das bedeutet?

4. f) Skaldskaparmal

„Wie soll man Hödur umschreiben?“

„So: Indem man ihn den blinden Gott nennt, Baldurs Mörder, Schütze der Mistel, Sohn des Odin, Genosse der Hel, Feind des Wali.“

Diese Namen ergeben sich, von einer Ausnahme abgesehen, schon aus den bisherigen Texten und Betrachtungen.

Hödur ist zunächst einmal ein Genosse der Hel, weil er von Wali getötet wurde und daher anschließend in der Unterwelt war. Es ist jedoch auffällig, daß er mit dieser Kenning umschrieben werden kann, da jeder Tote so genannt werden könnte und diese Formulierung daher eigentlich nicht besonders spezifisch ist. Wenn man jedoch bedenkt, daß Hödur der Gott der Nacht und des Winters gewesen ist und das Jenseits beidem gleichgesetzt wurde, dann ist der Nacht/Winter-Gott Hödur der Unterwelt-Riesin Hel sehr nah verwandt: Aus dieser Perspektive her gesehen ist die Umschreibung des Hödur als „Genosse der Hel“ doch ausreichend präzise.

Der Charakters des Hödur ist nah mit dem Reich der Riesen in Utgard verwandt, da die Riesen die „Ahnen der Götter“ sind und ihr „Land jenseits des großen Wassers“ das Jenseits ist. Daher kann man mit einiger Berechtigung eine Riesin wie z.B. Jörd oder Grid, mit denen Odin den Thor und den Widar gezeugt, hat als Hödurs Mutter vermuten.

Baldur und Hödur scheinen die Nachfolger von Tyr und Loki aus den älteren Mythen zu sein, deren Mittelpunkt noch Tyr und noch nicht Odin gewesen ist.

4. g) Die Schädel-Inschrift von Ribe

Um ca. 800 n.Chr. wurde in Ribe im Südwesten von Dänemark in einen menschlichen Schädel eine Runen-Inschrift graviert, die ein Heilungs-Zauberspruch ist.

Die Verwendung eines Bruchstückes eines Menschenschädels für diese Inschrift ist sicherlich im Zusammenhang mit dem Schädelkult zu sehen, der sich am deutlichsten in Mimirs sprechendem Haupt und in der Verwendung von Schädelschalen im Kult zeigt. Durch beides sollte eine Verbindung zu den Ahnen hergestellt und ihr Segen herbeigerufen werden.

Es ist beachtenswert, daß das Schädelstück ein Loch aufweist, durch das es an einem Band als Amulett getragen werden konnte (unten in der Mitte).

menschliches Schädelfragment mit Runen-Inschrift aus Ribe in Dänemark

Die Inschrift auf diesem Schädel-Bruchstück lautet wie folgt:

Die Übersetzung lautet also: „Loki und Odin und Hödur, helft Buris gegen diese Schmerzen und Zwergenschlag! Buur.“

In diesem Zauberspruch steht Hödur an der Stelle, an der man eigentlich den Priester-Gott Hönir erwarten könnte. Er wäre als Gott der Priester, Heiler und Schamanen auch derjenige, dessen Hilfe man wohl am ehesten anrufen würde.

Eine Dreiheit von Göttern ist mit großer Wahrscheinlichkeit Woden (Odin), Wili (Loki/Lodur) und We (Hönir), da diese sehr häufig als Wanderer in der germanischen Überlieferung auftreten und u.a. die drei Stände verkörpern: Odin die Fürsten und Krieger, Loki die Bauern und Handwerker sowie Hönir die Priester und Heiler.

„Odin“ läßt sich in dem Zauberspruch sicher identifizieren. „Wolfsgott“ im Sinne von „Vater des Wolfes“ ist auch in der Edda eine geläufige Umschreibung des Loki. Somit wäre als dritter Gott Hönir zu erwarten.

Wenn an dessen Stelle jedoch ein Name erscheint, der recht deutlich nach einer Vorform von „Hödur“ klingt, dann stellt sich die Frage, ob Hödur und Hönir evtl. einmal derselbe Gott gewesen sind.

Die Blindheit des Hödur würde zu einem Seher passen, da das Sehen der Ahnen und der Götter ein zentraler Aspekt der Tätigkeit der (indo-)germanischen Priester gewesen ist. Das Töten des Baldur könnte als Umdeutung der Opfertätigkeit oder der Begleitung der Totenseelen ins Jenseits entstanden sein – aber das ist eine ziemlich unsichere Hypothese.

Hödur scheint diesem Zauberspruch zufolge zu den Heilungsgöttern gerechnet worden zu sein – aber auch das ist unsicher.

4. h) Gesta danorum

Um 1.185 n.Chr. wurde der Mönch Saxo von seinem Bischof damit beauftragt, eine Geschichte Dänemarks zu schreiben. Sein Beiname „grammaticus“ bedeutet, daß er des Schreibens mächtig war.

Der Titel der daraufhin von dem Mönch verfaßten mehrbändigen Schrift lautet „Gesta danorum“ („Geschichte der Dänen“).

Im dritten Band erscheint Baldur (Balder) als Gott, Hödur (Hother) und Nanna jedoch als Menschen. Aus der Götter-Mythe ist in der Gesta danorum eine Heldensage geworden.

Die Auffassung der heidnischen Götter als Könige und Helden früherer Zeiten war um 1200 n.Chr. in Nordeuropa weit verbreitet.

Nachdem Hiarthuar gestorben war, wurde Hother, den ich bereits oben erwähnt habe, der der Bruder des Athisl und außerdem der Ziehbruder des Königs Gwear war, König beider Reiche. Es wird einfacher sein, seine Zeit zu beschreiben, wenn ich am Anfang seines Lebens beginne. Denn wenn die frühen Jahre seines Schicksals nicht dem Schweigen verdammt werden, können die späteren ausführlicher und besser berichtet werden.

Als Helgi Hodbrodd getötet hatte, verbrachte sein Sohn Hother seine ganze Kindheit unter der Obhut König Gwears. Als er noch ein unerfahrener Jüngling war, übertraf er an Körperkraft all seine Ziehbrüder und die Gleichaltrigen, die mit ihnen waren. Er war sehr geschickt im Schwimmen und Bogenschießen und ebenso mit den Handschuhen (Boxen); und er war beweglich wie ein solcher Jüngling nur sein konnte und sein Übung in diesen Dingen war genauso groß wie seine Kraft. Obwohl er noch nicht zu seinen vollen Jahren gekommen war, übertraf sein reichbegabter Geist alle anderen.

Niemand war geschickter auf der Leier oder der Harfe; und er konnte sehr gut mit dem Tamburin, der Flöte und jedem Saiteninstrument umgehen. Mit dem Wechsel der Tonarten konnte er die Gefühle der Menschen in die Leidenschaften führen, in er sie bringen wollte; er wußte, wie man die Herzen der Menschen mit Freude oder Trauer erfüllte, mit Mitleid oder mit Haß und er hüllte die Seelen seiner Zuhörer oft in den Schrecken und das Entzücken des Ohres.

Alle diese Vollkommenheiten des Jünglings gefielen Nanna, der Tochter des Königs Gwear, sehr und sie begann seine Umarmungen zu suchen. Denn der Heldenmut eines Jünglings entflammt oft eine Jungfrau und der Mut von denen, die kein so gutes Aussehen haben, macht sie dennoch akzeptabel. Denn die Liebe hat viele Wege; der Pfad der Lust wird für manche durch Anmut geöffnet, für andere durch eine mutige Seele und für wieder andere durch vollendete Fertigkeiten. Höflichkeit bringt einigen den Segen der Liebe, aber den meisten öffnet sich die Liebe durch das Strahlen der Schönheit. Und die Tapferen verursachen auch keine geringeren Wunden bei den Jungfrauen als die Gutaussehenden.

Nun geschah es, daß Balder, der Sohn des Odin, beim Anblick der badenden Nanna in Unruhe geriet und von unbändiger Liebe zu ihr ergriffen wurde. Er wurde entzündet von ihrem schönen und scheinenden Körper und sein Herz entbrannte beim Anblick ihrer ihm geoffenbarten Schönheit. Daher beschloß er, Hother mit dem Schwert zu erschlagen, der, wie Baldur fürchtete, sicherlich seine Wünsche behindern würde, damit seine Liebe, die keinen Aufschub duldete, nicht durch irgendein Hindernis an der Erfüllung seiner Begierde gehindert würde.

Um diese Zeit herum geschah es, daß Hother, als er auf Jagd war, von einem Nebel in die Irre geführt wurde und zu einer Hütte gelangte, in der Waldjungfrauen lebten; und als sie ihn mit seinem Namen begrüßten, frug er, wer sie seien. Sie erklärten ihm, daß es vor allem ihre Führung und Herrschaft war, die das Kriegsglück entschied. Denn sie nahmen oft unsichtbar an den Schlachten teil und gewannen für ihre Freunde die begehrten Siege. Sie offenbarten ihm, daß sie wirklich Siege schenken und Niederlagen verhängen konnten wie sie wollten; und weiterhin erzählten sie ihm, wie Balder seine Ziehschwester Nanna gesehen hatte, als sie badete und in Leidenschaft für sie entzündet worden war; aber rieten Hother, ihn nicht im Krieg anzugreifen, auch wenn er seinen tödlichsten Haß verdiente, denn sie verkündeten ihm, daß Baldur ein Halbgott war, der im Geheimen aus göttlichem Samen entsprungen war.

Als Hother dies gehört hatte, löste sich der Ort auf und ließ ihn ohne Hütte um ihn herum zurück. Er fand sich im Freien stehend wieder, mitten in den Feldern ohne irgendeinen Überrest eines Schattens. Am meisten wunderte er sich über das schnelle Verschwinden der Jungfrauen, die Veränderung des Ortes und die trügerische Erscheinung des Gebäudes. Denn er wußte nicht, daß alles, was um ihn her geschehen war, nur ein Spott und ein Werk magischer Künste gewesen war.

Als er heimkehrte, berichtete er König Gwear das Täuschungswerk, das er nach seiner Verirrung gesehen hatte, und bat ihn geradeheraus um die Hand seiner Tochter. Gwear antwortete ihm, daß er ihn von Herzen gern bevorzugen würde, aber daß er fürchte, daß er, wenn er Balder zurückweisen würde, seinen Zorn entflammen würde; denn Balder habe, sagte Gewar, ihn ebenfalls um seine Tochter gebeten. Und Gwear sagte, daß die geheime Stärke von Baldurs Körper ihn sogar vor Stahl schütze. Aber er ergänzte, daß er ein Schwert kenne, daß ihm den Tod bringen könne, das aber so gut wie nur möglich bewacht würde. Dieses Schwert befand sich im Besitz des Miming, eines Satyrs aus den Wäldern, der auch einen Armreif besaß, der die geheime, magische Gabe besaß, den Wohlstand seines Besitzers zu mehren.

Außerdem waren die Pfade zu dieser Gegend unwegsam und voller Hindernisse und daher für sterbliche Menschen nur schwer zu begehen. Der größte Teil des Weges war ständig von außergewöhnlicher Kälte umgeben. Daher riet er ihm, ein Rentier-Gespann zu benutzen, durch dessen große Geschwindigkeit er die hartgefrorenen Berge schnell überwinden könne. Und wenn er dann schließlich an den Ort komme, solle er sein Zelt solcherart fern von der Sonne aufschlagen, daß der Schatten der Höhle, in der Miming lebte, auf das Zelt fallen würde. Aber er solle auf keinen Fall den Schatten seines Zeltes auf Miming fallen lassen, damit keine ungewohnte Dunkelheit auf den Eingang falle und den Satyr am Herauskommen hindere.

So würde er sowohl den Armreif als auch das Schwert in seine Hände bekommen. Das eine würde ihm Gedeihen des Wohlstandes bringen und das andere Glück im Krieg – beide würden somit ihrem Besitzer einen großen Schatz verschaffen.

So sprach Gwear und Hother zögerte nicht, diese Anweisungen auszuführen. Nachdem er sein Zelt in der eben beschrieben Weise errichtet hatte, verbrachte er die Nächte mit gespanntem Warten und die Tage mit Jagen. Aber zu beiden Zeiten blieb er sehr wach und ohne Schlaf – er verbrachte die Zeiten des Tages und Nacht solcherart, daß er in der einen gespannt auf das lauerte, was geschah, und in der andern Nahrung für seinen Körper beschaffte.

Einmal, als er die ganze Nacht über wachte und seine Sinne durch die viele Anspannung schläfrig und dämmerig geworden waren, warf der Satyr einen Schatten auf sein Zelt. Er zielte mit dem Speer auf ihn und warf ihn mit dem Wurf zu Boden. Dann ergriff und fesselte er ihn, sodaß er nicht fliehen konnte. Dann drohte er ihm mit fürchterlichen Worten das schlimmste an und verlange von ihm das Schwert und den Armreif. Der Satyr zögerte nicht, ihm das Lösegeld für sein Leben zu zahlen, das von ihm verlangt wurde, denn allen ist ihr Leben mehr wert als ihr Reichtum – nichts wird von den Sterblichen höher geschätzt als der Atem ihres eigenen Lebens. Hother frohlockte über den Schatz, den er errungen hatte und zog wieder heim mit seinen Kostbarkeiten, die zwar nur wenige waren, aber dafür edle.

Als Gelder, der König der Sachsen, hörte, daß Hother diese Dinge erlangt hatte, drängte er seine Krieger dazu, auszuziehen und diese herrliche Beute zu rauben – und die Krieger machten gemäß dem Befehl ihres Königs eilends eine Flotte bereit zum Auslaufen. Gwear, der sehr bewandert in der Wahrsagung und sehr erfahren im Deuten von Omen war, sah dies voraus. Daher rief er Hother zu sich und riet ihm, daß er, wenn Gelder den Kampf mit ihm eröffnete, dessen Speere mit Geduld abwarten und sich seine eigenen Geschosse aufsparen solle bis die des Gegners erschöpft waren. Außerdem solle er die gebogenen Sichel-Schwerter mitnehmen, mit denen die Schiffe eingeschlagen werden konnten und mit denen auch die Helme und Schilde von den Kriegern gerissen werden konnten.

Hother folgte diesen Ratschlägen und sah, daß sie gute Früchte trugen. Denn als Gelder mit seinem Angriff begann, befahl er seinen Männern, stehen zu bleiben und ihren Körper mit ihren Schilden zu schützen. Er versicherte ihnen, daß der Sieg mit Geduld errungen werden mußte. Die Feinde sparten sich jedoch nirgends ihre Speere auf und verschossen sie alle in ihrer großen Kampfeswut. Um so geduldiger sie Hother ihre Speere und Wurfspieße empfangen sahen, um so wütender begannen sie sie gegen ihn zu werfen. Einige von ihnen steckten in den Schilden und andere in den Schiffen, aber sie verursachten nur wenige Wunden. Man konnte sehen, daß viele von ihnen ohne Mühe abgewehrt wurden und keinen Schaden anrichteten. Denn die Krieger folgten dem Befehl ihres Königs und wehrten den Angriff mit den Speeren durch ein Schutzdach von sich überlappenden Schilden ab und nicht wenige der Speere schlugen nur leicht gegen die Schildbuckel und fielen in die Wogen.

Als Gelder seinen ganzen Vorrat an Speeren erschöpft hatte und sah, daß seine Feinde die, die er zu ihnen hinübergeworfen hatte, aufsammelten und sie nun geschwind zu ihm zurückwarfen, bedeckte er die Spitze seines Mastes mit einem blutroten Schild als Zeichen des Frieden und der Unterwerfung, um sein Leben zu retten. Hother empfing ihn mit dem freundlichsten Gesicht und gütigen Worten, durch die er seinen Gegner genauso sicher unterwarf wie vorher durch sein Kampfgeschick.

Zu dieser Zeit sandte Helgi, der König von Halogaland (Nord-Norwegen), immer wieder Boten zu Kuse, dem König von Finnland und Permland (Königreich südöstlich von Moskau), um um die Hand seiner Tochter Thora anzuhalten. Wie auch hier kann Schwäche immer daran erkannt werden, daß nach Hilfe von anderen gesucht wird. Denn während in dieser Zeit alle anderen jungen Männer mit ihren eigenen Lippen nach einer Heirat suchten, war dieser Mann mit einem solchen Sprachfehler geschlagen, daß er sich schämte, von Fremden gehört zu werden und nur mit den Menschen in seinem eigenen Haus sprach. Eine Behinderung scheut Zeugen, denn körperliche Behinderungen irritieren um so mehr, je größer sie sind.