Die Groschenphilosophin - Bianca Jankovska - E-Book

Die Groschenphilosophin E-Book

Bianca Jankovska

0,0

Beschreibung

Zehn Jahre Popkultur und Feminismus im Internet - das Buch zum Blog groschenphilosophin.at Bianca Jankovska war schon immer ihrer Zeit voraus und zeigt mit ihrem Blog auf die Pain Points unserer Gesellschaft, mit feministischem Blick und immer einer ordentlichen Portion Kapitalismuskritik. Sie nennt es "gut konsumierbare Gesellschaftskritik" und pocht auf echte Beziehungsarbeit in Freundschaften, klärt über Phänomene wie Love Dumping auf, wirft den Scheinwerfer auf mamabloggende Millennials und problematische Strukturen im Journalismus. Dieses Buch versteht sich als Best-of des Erfolgsblogs von Bianca Jankovska, der 2020 als Kulturblog des Jahres bei den Goldenen Bloggern ausgezeichnet wurde, als unterhaltsame Rückschau auf das Internet 2014 bis 2024 und gleichzeitig als wertvolles zeitgeschichtliches Dokument. Mit einem Vorwort von Journalistin Tamara Keller "Groschenphilosophin liefert seit zehn Jahren Next-Level-Feuilleton für Millennials: mutig, provokant und sprachlich geschliffen." Julia Hackober, Journalistin, Autorin, Moderatorin, Content Consultant "Bianca Jankovska spricht mit ihrem Blog "groschenphilosophin" immer die Themen an, die sich jeder denkt, aber keiner ausspricht. Ihre unkonventionelle Art, Lebensweisheiten zu teilen, ist erfrischend und lädt dazu ein, das Leben mit einem Augenzwinkern zu betrachten. Für mich ist "groschenphilosophin" ein Original in einer Welt voller Kopien!" Iris Böhm, Moderatorin und Journalistin bei der ÖAW (Österreichische Akademie der Wissenschaften)

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 288

Veröffentlichungsjahr: 2024

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



INHALT

EINLEITUNG

VORWORT VON TAMARA KELLER

2024: ENTWACHSEN

Gesucht: Wohnung ohne Mann

Was Voice-Over-Reels über den Zustand von Instagram aussagen

Wenn das diese Gleichberechtigung ist, will ich sie nicht

2023: EMANZIPATION

Mamablogger made me not wanna have children

Sex and the City

war anti-amatonormativ – und keiner hat’s gemerkt

Warum „Love Dumping“ allen Frauen schadet, die mit Männern leben möchten

Das Ende der Ehe

:

Wie viel Neuigkeitswert hat der Bestseller von Emilia Roig?

Heterosexuelle Männer sind nicht ready für nicht-monogame Beziehungen

2022: DAS PRIVATE IST BERUFLICH

Schönheitsideale für Zuhause: die Obsession mit den eigenen vier Wänden

Thirty everything: junge Männer daten

Warum wir unseren Freunden echte Beziehungsarbeit schulden

2021: 30

Machtmissbrauch: Wie du narzisstische Wutbriefe erkennst und entschlüsselst

Men who don’t read

Die bessere Generation

2020: INSTAGRAM AKTIVISMUS

Sind wir alle dafür gemacht, Insta-Aktivist*innen zu sein?

Katja Krasavices

Bitch Bibel

enthält mehr Empowerment als jedes 08/15-Feminismus-Glossar

CBD ist elitär & schmeckt nach totem Hamster

2019: I HATE THE PUBLISHING INDUSTRY

Warum deine hippe Secondhand-Wardrobe mehr mit Privilegien als mit Klimaschutz zu tun hat

Jia Tolentinos Abrechnung mit unserer digitalen Naivität

Wie Medienhäuser noch Jahre später mit unserer Verletzlichkeit Geld verdienen

Warum die allermeisten Autor*innen nichts (!) an ihren verkauften Büchern verdienen

2018: TSCHÜSS, LIEBE GATEKEEPER

Entschuldigung, aber was ist eigentlich aus diesem Feminismus geworden?

Wenn vom #Girlboss nichts übrig bleibt außer Ernüchterung

Destination Namaste: über die Faszination Laura Himbeere Seiler

2017: HASS IM NETZ

Ich bin nicht meine Texte oder: Was kreative Arbeit mit diesem Liebesleben macht

„Bist du wirklich so gut – oder hast du dich hochgeschlafen?“ – 1 × male tears bitte

Embrace

:

Wenn Body-Positivity zu Clickbait auf Filmlänge verkommt

2016: MILLENNIAL-MEDIEN

How to pitch: Dinge, die mir im Journalismus niemand erklärt hat

Entschuldigung, ich glaube, Sie haben das Internet vollgeschrieben

2015: DRUCK

Was man als Frau in den Zwanzigern so alles abhaken sollte

Hör auf, dich für deinen schlechten Musikgeschmack zu rechtfertigen

Dein Freund sieht aus wie eine Schwuchtel

2014: LENA DUNHAM FEMINISMUS

Entscheide Kind, Brot oder Leidenschaft!

Gedanken einer Social Media Stalkerin

Warum du

NOT THAT KIND OF GIRL

von deinem Weihnachtszettel streichen musst

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

QUELLENVERZEICHNIS

ÜBER DIE AUTORIN

WEITERE MITWIRKENDE AM BUCH

Tamara Keller

Julie Ann Tarr

ÜBER DEN VERLAG

EINLEITUNG

Was soll ich euch sagen? Die Freude ist groß, denn die Groschenphilosophin ist jetzt auch ein Buch. Ein Buch, das ich über die letzten zehn Jahre geschrieben habe; ein Buch, von dem ich nicht einmal wusste, dass ich es schreibe. Ein Buch, das ein Jahrzehnt Internet, Pop und Feminismus vereint und meine ganz persönliche Geschichte als junge Frau in diesem Internet schildert. Mit allem, was dazu gehört – also zum Beispiel Unterlassungserklärungen gegen große Medienhäuser, Instagram-Fatigue und vielen Litern male tears.

Für alle, die die Groschenphilosophin schon seit Jahren lesen: Danke, dass du dieses Buch gekauft hast und mich weiterhin mit Cash Money, Hingabe und deiner Liebe zum radikalen Wort unterstützt. Du weißt wahrscheinlich schon ziemlich genau, was dich erwartet und wirst dieses Buch hoffentlich stolz in dein Bücherregal zu den drei anderen Werken von mir legen.

Für alle, die mich noch nicht kennen: Wo soll ich anfangen? Am besten in dem Jahr, als ich Groschenphilosophin gegründet habe. Wir schreiben das Jahr 2014 und ich sitze in einer flämisch-sprachigen 5er-WG in Antwerpen an einem viel zu kleinen, weißen Schreibtisch. Ich bin das erste Mal weit weg von Wien, gerade 23 geworden und habe massiven Existenzdruck. Was soll nach dem Publizistik-Master aus mir werden? Die Medienjobs damals sind rar, eine Festanstellung bei einem renommierten Haus gleicht einem Sechser-Lotto.

Ich habe keine Follower. Kein Instagram. Keine Möglichkeit, mein Wort an die Öffentlichkeit zu tragen. Ja, ich schreibe ab und zu für linke Wiener Medien, die mir ungefähr 50 Euro pro Text zahlen – aber davon kann doch niemand leben. Außerdem mag ich es nicht, ständig Themen zu pitchen und abzuwarten, ob sie jemand von oben genehmigt. Am besten ein mittelalter, weißer Mann, der alles, was ich schreibe, wie in der Schule mit Rotstift markiert und mir hinterher ein Buch von Wolf Schneider empfiehlt. Damit ich mal richtig schreiben lerne. Ächz.

A Digital Room of One’s Own

Vielleicht wollte ich deshalb mit Groschenphilosophin einen digitalen Ort erschaffen, der nur mir gehört. A Digital Room of One’s Own, sozusagen. Einen Ort, an dem ich die Themen behandle, die mich interessieren. Sei es prosaisch, essayistisch oder journalistisch. Klassische journalistische Genres erschienen mir schon an der Uni viel zu streng; ich hasste es, szenische Einstiege („Es ist schon dunkel draußen, als sich eine Gruppe junger Männer auf den Weg macht, …“) nach Schema F zu verfassen und Objektivität zu heucheln. Wenn mein Schreiben eines nie war und eines nie sein wird, dann objektiv.

Also fing ich quasi im Alleingang ohne Redaktion im Rücken an, Bücher und Magazine zu rezensieren, Filme zu kritisieren und Beobachtungen zum Thema Internet, Blogosphäre und Social Media auf dem Blog festzuhalten. Das erschien mir ehrlich gesagt viel sinnvoller, als die x-te mühselige Seminararbeit über Google. Ich war schon immer eine schlechte Akademikerin, beherrsche zwar das Handwerk, habe aber keinerlei Passion dafür.

Obwohl ich das schon damals wusste, habe ich die ersten Jahre auf groschenphilosophin.at trotzdem versucht, den Akademikerinnen-Schein zu wahren und die theorielastigen Inhalte meines Studiums für eine breitere Öffentlichkeit aufzuarbeiten. Sorry for that! Mein Ziel war es, durch den Blog einen festen Gig im Journalismus zu landen. Dafür musste ich meine innere Bitch ein Stück weit zähmen und ein bisschen Professionalität vorgaukeln.

Heute würde ich allen, die das noch vorhaben, davon abraten. Nicht nur, weil die meisten Chefitäten beim Begriff „Blog“ vermutlich erstmal die Nase rümpfen würden („Haben wir 2015, oder was?“), sondern, weil ich mir durch meine Zeit im Journalismus wertvolle Jahre geraubt habe, in denen ich mehr Zeit in meine eigene Plattform und meine Social Media Präsenz hätte stecken können.

Aber dazu später mehr. Denn jedes Jahr in diesem Buch hat seinen eigenen Fokus, eine eigene Einordnung. Ihr werdet also noch mehr als genügend Tipps für angehende Content-Creator und Autorinnen bekommen – sei es moralisch, rechtlich oder praktisch.

Die Groschenphilosophin ist eine feministische Medien-Bibel

Die Groschenphilosophin ist sozusagen ein Must-Have für alle Schreibenden in diesem Internet, weil ich darin meine am eigenen Leib getesteten Ideen, Strategien und auch Fehler für nachfolgende Generationen festhalte. Dieses Buch ist also viel mehr als „nur“ eine Aneinanderreihung alter Texte, sondern ein Stück Historie. Groschenphilosophin wird durch dieses Buch kulturwissenschaftlich, medienwissenschaftlich historisch-relevant.

Wer kann schon von sich behaupten, zehn Jahre gebloggt – und davon gelebt zu haben? Es gab mehrere Jahre, in denen mir mein Schreiben auf groschenphilosophin. at meine Miete plus Lebenshaltungskosten gesichert hat. Und zwar ohne Werbung.

Ich war die erste Österreicherin, die durch die Plattform Steady „a living“ machen konnte. Ich war eine der Ersten, die gesagt hat: „Give your money to independent women – und nicht toxischen Medienhäusern!“ Ich habe zwischen 2018 und 2024 über 1.200 monatlich zahlende Subscriber gehabt, was angesichts der Vielzahl an community-basierten Blogs, Podcasts und Medienportalen immens viel ist. 2020 wurde ich außerdem als Kulturblog des Jahres bei den Goldenen Bloggern in Berlin ausgezeichnet. Und darauf bin ich wirklich stolz. Nicht nur wegen des finanziellen Aspekts, sondern weil ich es geschafft habe, als provokante Stimme für viele marginalisierte, unangepasste, zu laute, nicht normschöne Misfits und Manic Pixie Dream Girls zu agieren. Ich bin quasi ein Resting Bitch Face in Schriftform. Wo wir schon bei den Zahlen sind: 2024 besuchen jeden Monat 8.000 Nutzer meinen Blog und generieren 50.000 Aufrufe – das sind 200 bis 300 Besucher täglich. Insgesamt – also seit 2014 – hatte mein Blog 431.000 Besucher und 2,2 Millionen Aufrufe.

Von hinten, von vorne

Beim Lesen dieses Buchs könnt ihr übrigens sowohl chronologisch als auch antichronologisch vorgehen. Der Aktualität halber beginnen wir mit 2024 und hangeln uns dann zurück in die früheren Jahre bis 2014. Wer möchte, kann auch 2014 beginnen und quasi von hinten nach vorne lesen. Keine Ahnung, wie das echte Historiker machen, wahrscheinlich haben beide Wege ihre Berechtigung. Wer mit 2024 (Entwachsen) beginnt, wird den Zeitgeist wehen spüren; wer bei 2014 beginnt (Lena Dunham Feminismus), wird sehen, welche Schritte wir bis heute in Punkto feministische Bewegung, Body-Positivity und romantische Beziehungen gemacht haben.

Auch ganz wichtig: Die Blogbeiträge wurden absichtlich im Original übernommen und haben nur ein Korrektorat durchlaufen. Das heißt, dass ich 2015 anders gegendert habe als 2018 oder 2024. Auch eine spannende Entwicklung, falls sich das mal jemand in einer wissenschaftlichen Arbeit (Thema: Gendern im Laufe des Internet-Feminismus) genauer ansehen möchte oder so. Ich habe mich nämlich definitiv an die Schreibweise angepasst, die im jeweiligen Jahr „in“ war, weil ich ein bisschen Angst hatte, von meinen Peers gecancelt zu werden. Sei es nun Binnen-I, Sternchen oder Frauen*. Alles sicher auf seine eigene Weise falsch, was man inzwischen gut auf diversen Insta-Accounts nachlesen kann. Also please don’t judge, ich wusste es nicht besser.

Heute gendere ich übrigens … gar nicht mehr, weil ich meine Sprache so einfach und zugänglich halten möchte wie möglich, ohne an thematischer Komplexität zu verlieren. Ja, ich habe inzwischen eine klare Haltung zum Gendern und finde, dass gegenderte Sprache oft eher exkludierend als inkludierend wirkt und eine zusätzliche, akademisierte Barriere darstellt. Zudem gefällt es mir ästhetisch nicht. Wenn es sich anbietet, versuche ich neutrale Bezeichnungen zu verwenden und auch mal das generische Femininum. Aber bei komplizierten Dativ- und Akkusativkonstruktionen bin ich raus.

So, gut, dass wir das abgehakt hätten.

Was gibt es sonst noch zu sagen? Ich habe Angst, gleich ein paar Tränchen zu verdrücken, denn mit der Ära der Instagram-Reels, TikToks und Newsletter neigt sich die Zeit der Blogs dem Ende. Wenn sie nicht schon längst vorbei ist – denn ich kenne selbst kaum noch jemanden, der klassisch via Wordpress bloggt.

Was mir Groschenphilosophin bedeutet oder bedeutet hat? Zu manchen Zeiten: alles. Sie war der Ort, an den ich ging, um mich auszudrücken und meinen Schmerz, mein Nicht-Verstandenwerden und meine Haltung festzuhalten. Writing is feeling time. Keine Ahnung, von wem das Zitat stammt, aber für dieses Buch gilt es umso mehr.

Während ich dieses Buch kuratiert habe, konnte ich gar nicht anders, als nostalgisch zu werden. Ich bin auf Groschenphilosophin und in diesem Internet der mittleren 10er-Jahre erwachsen geworden und es wird nie wieder zurückkommen.

Was auch immer mit Groschenphilosophin passieren wird: Es war eine wunderbare Erfahrung, mein Herz nach draußen zu tragen, und ich würde es immer wieder machen. Groschenphilosophin ist mein langjährigstes Projekt, das mir in unsicheren Zeiten versichert, dass ich Dinge durchziehen und auch dabeibleiben kann, wenn es einmal schwer wird. Ich habe auf und mit Groschenphilosophin schreiben gelernt und ich wäre heute nicht Buchautorin, hätte ich nicht diese Möglichkeit gehabt, mir selbst diese Möglichkeit gegeben.

Eure Bianca Jankovska im März 2024

VORWORT VON TAMARA KELLER

Sie ist ihrer Zeit voraus. Das ist eine der vielen Gaben, die Bianca, besser bekannt als Groschenphilosophin, besitzt. Problematische Arbeitsstrukturen im Journalismus (oder im Allgemeinen), White-Capitalist-Feminism, die „bessere Generation“ Gen Z oder Online-Phänomene wie die Tradwife oder Male Tears. Wenn diese Themen in der breiten Masse auftauchen, kann man sich sicher sein: Bei Groschenphilosophin wurden sie schon mindestens vier Jahre vorher thematisiert, analysiert und bis ins kleinste Detail auseinandergenommen.

Für viele ist Groschenphilosophin ein Blog, das mit Kritik nicht spart und das sich gehalten hat in einer Zeit, in der Blogs eigentlich out sind. Schließlich ist die neue Internetwährung zehn Sekunden Videos mit Millionenreichweite – wo ich das gelesen habe? Na klar, bei der Groschenphilosophin. Das Blog kämpft weiter, auch wenn die Reichweite von Links auf Social Media immer mehr gedrosselt wird. Zehn Jahre Groschenphilosophin – ein Achievement, das nicht jede*r Blogger*in geschafft hat.

Für mich ist Groschenphilosophin aber mehr. Es ist die Entwicklung einer Freundschaft. Klar, denn Groschenphilosophin schafft als Account wie als Plattform ein Miteinander für seine Community. Vor allem aber ist die Autorin von der „Groschi“ meine Freundin Bianca Jankovska. Hätte mir jemand vor zehn Jahren gesagt, dass ich Bianca im Jetzt zu meinen Freundinnen zählen kann, hätte ich die Person ausgelacht oder ihr zumindest nicht geglaubt. Denn unser gemeinsamer Start war etwas holprig in der Medienwelt.

Das Private ist beruflich – so lautet der Untertitel ihres Blogs. Für Groschenphilosophin und mich trifft das genau so zu: Mit 21 betrat ich als Praktikantin die Bento-Redaktion, damals die „junge Redaktion“ von Spiegel Online. Ich war aufgeregt, für mich war das ein großer Schritt. Der erste in so ein richtig großes Medienhaus. Und nur einige Bürosessel weiter im selben Raum saß sie: die Groschenphilosophin. Mein Eindruck: Mit ihrer scharfen Zunge und ihrer besonderen Art, irgendwie mit ihrer Kritik die Gesellschaft dort zu treffen, wo es wehtut, hatte sie es von der Halftime-Bloggerin (neben dem Studium!) direkt in die Redaktion geschafft. Wer jetzt hier eine „Wir-sindein-Herz-und-eine-Seele“-Story erwartet, di*en muss ich leider enttäuschen.

Denn so war das nicht – zumindest nicht am Anfang: Ich war „nur“ die Praktikantin, mein Imposter-Syndrom kickte hart und ich blickte zu Bianca auf, die damals Texte über die Russenhocke genauso schrieb wie einfühlsame Essays, die ihr Privatleben mit Feminismus verbanden. Durch sie lernte ich zum Beispiel, dass Frauen auf Fotos nicht immer lächeln müssen. Teile ihrer Analysen waren so persönlich, dass es mir manchmal den Magen umdrehte. Ich fragte mich: Muss ich so viel Persönliches preisgeben, um am Ende als Journalistin erfolgreich zu sein? Später rechnete die Groschenphilosophin mit dem System ab, in das sie nur mit dieser Art von Clickbait hineinkommen konnte: mit dem Text Selbst schuld, wenn du das teilst! – Wie Medienhäuser noch Jahre später mit unserer Verletzlichkeit Geld verdienen, den ihr auch in diesem Buch findet.

Zwei weitere Besonderheiten sind mir aus unserer Kennenlernzeit hängen geblieben: wie Bianca in der Redaktion aneckte, indem sie versuchte, mehr Offenheit für alternative Themen zu schaffen. (Ich finde, im Nachhinein betrachtet hat sie sich da sehr gut durchgesetzt. Sie selbst würde wahrscheinlich etwas anderes sagen.) Und wie wichtig es ihr war, Qualität zu schaffen. Ich denke, das ist es, was mich und Groschenphilosophin auch am meisten verbindet: der Wunsch nach einer besseren Medienwelt mit mehr Qualität statt Quantität.

Bianca fiel damals übrigens nicht nur durch ihre Äußerungen auf, sondern auch durch ihren Look: kurzer, schwarzer Bob mit glattem, kurzem Pony (bevor es alle in Berlin getragen haben!). Normalerweise würde ich einen Menschen nie aufgrund seines Äußeren allein charakterisieren. Aber das hier zu erwähnen, ist wichtig: Über die vergangenen zehn Jahre hat Bianca ihren Look genauso oft verändert, wie das Blog ein Make-Over mit neuem Design bekommen hat. Doch im tiefsten Kern sind sich Bianca und auch Groschenphilosophin immer treu geblieben.

Ich denke, das ist das, was uns bis heute zusammenschweißt: In der „Nach-Bento-Zeit“ (für mich als Praktikantin dauerte diese Zeit nur sechs Wochen, für Bianca als Redakteurin ein Jahr) blieben wir über das Internet und über Groschenphilosophin verbunden. Textnachrichten wurden ausgetauscht und irgendwie haben sich unsere Wege über die Jahre hinweg immer wieder gekreuzt. Im Austausch wurde dann schnell klar, dass wir die gemeinsam erlebte Zeit gleich einordneten – wie sehr uns die hierarchischen Strukturen im Journalismus und der Medienbranche stören und auch die Ellenbogen-Mentalität unter Kolleg*innen, die leider bis heute nicht verschwunden ist. Geht es nicht auch miteinander?

Empowerment in der Medienbranche, „Lift up each other“, sich gegenseitig zuhören, Ideen und Gedanken austauschen – egal ob zum Job oder zum Datingleben: Das ist es, was Biancas und meine Freundschaft ausmacht. Und das ist auch das, was Groschenphilosophin für euch sein soll: die große Schwester, die euch den Rat gibt, den ihr im Jetzt vielleicht gerade braucht, auch wenn ihr es selbst noch nicht wisst.

Bianca und mich verbindet auch der Glaube an und unser Traum von einer utopischen Welt. In der wir Schreiberinnen sein können ohne den Einfluss des Kapitalismus, des Patriarchats, des Klassismus – und all der weiteren -Ismen, die uns und unserem Umfeld das Mitmischen in dieser Gesellschaft erschweren. Dafür kämpfen wir, dafür kämpft die Groschenphilosophin! Ich hoffe, dieses Buch gibt euch die Inspiration, die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu sehen, und regt euch zum Nachdenken und Diskutieren an. Aber am wichtigsten ist für mich, dass euch dieses Buch empowert, so wie mich die Freundschaft und Beziehung zu Bianca empowert hat – damit wir am Ende alle gemeinsam in diesen Kampf ziehen können.

2024: ENTWACHSEN

Als Anne vom Verlag und ich über das Konzept dieses Buchs sprachen, war relativ schnell klar: Da muss eine Einordnung her! Jedes Jahr soll von mir liebevoll und bedächtig kommentiert und zusammengefasst werden. Kurz dachte ich darüber nach, eine Art Popkultur-Rückschau zu machen, aus jedem Jahr das erfolgreichste Buch oder den meistgestreamten Track herauszusuchen. Bis mir dann auffiel, dass das Ganze nichts mit mir zu tun hätte. Ihr habt das Buch schließlich wegen meiner Entwicklung als Autorin gekauft und nicht für eine Wiederholung der Top-100-Charts, oder?

Jedenfalls fällt mir dieses Vorhaben für das Jahr 2024 besonders schwer, denn zu dem Zeitpunkt, als ich das Manuskript abgebe, schreiben wir erst März. Was wohl noch alles passieren wird bis zum Buchlaunch im November? Erfahrungsgemäß schaffe ich es immer wieder, in zwölf Monaten mein ganzes Leben auf den Kopf zu stellen, drei Mal umzuziehen oder doch noch ein neues Studium anzufangen. Während ich das hier schreibe, überlege ich ernsthaft, nach Spanien auszuwandern. Wir werden sehen, von wo aus ich im Dezember schreibe.

Was anders als meine Umzugspläne sehr sicher ist: So ein Buch über die letzten zehn Jahre zu kuratieren, führt automatisch dazu, sich kritisch mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Die Texte, die mir vorliegen, sind ein Stück Geschichte, ein Stück Wertekanon, ein Stück Realität, das in Worte gegossen wurde. Groschenphilosophin reflektiert so viele Erfahrungen meines Lebens, dass es mir manchmal schwerfällt, zu sagen, wer ich bin, und wer Groschenphilosophin ist.

Der erste Artikel aus 2024 Gesucht: Wohnung ohne Mann spiegelt meine aktuelle Wohnsituation wider. Ich wohne das erste Mal seit 2017 alleine, und das sogar die bislang längste Zeit meines bisherigen Lebens. Ich wollte diesen Text unbedingt schreiben, weil ich lange Angst davor hatte, mein Bett nicht mehr mit jemandem zu teilen.

Meine Lebensumstände haben sich von selbst geregelt. Ich bin mit der Zeit nicht softer geworden, wenn, dann wohl eher radikaler. Auch das werdet ihr im Verlauf dieses Buchs merken, wenn ihr bis zum Jahr 2014 lest.

Und sonst so? 2024 ist das Jahr, in dem ich Groschenphilosophin nochmal eine richtige Chance gebe. Bis März habe ich alle Texte und Thesen umgesetzt, die in meinen Notizen standen. Darauf bin ich ein bisschen stolz, denn es kostet sehr viel Zeit und Energie – und natürlich auch Kreativität –, sich neue Takes zu überlegen, die so noch nicht im Internet stehen. Ich glaube, das macht Groschenphilosophin bis heute aus. Dass ich nur das schreibe, wovon ich selbst überzeugt bin, dass es das noch braucht.

Nach langer Gegenwehr habe ich mich 2024 auch endlich den verhassten Reels gebeugt. Ich filme mich beim Essen, ich filme mich beim Zähneputzen, ich filme mich im Bett beim Lesen, damit ich kleine Auszüge meiner Blogposts über das Video legen und so mehr Reichweite bekommen kann. Sieht schön aus, führt aber nicht unbedingt zu mehr Aufrufen auf dem Blog. Menschen sind es inzwischen so sehr gewöhnt, kurze Textschnipsel zu konsumieren und dann weiterzuscrollen, dass ich mich manchmal schon frage, ob es noch einen Blog braucht.

Im Text Was Voice-Over-Reels über den Zustand von Instagram aussagen gehe ich genau diesen Fragen auf den Grund.

Ob ich Ende 2024 doch wieder mit einem Mann zusammenwohnen werde? Ob ich alleine in Barcelona sitze, und meinen Alltag als Autorin mittels Reels dokumentiere?

Only time will tell.And of course, this blog.