Die Hügelgrab-Jenseitsgöttin Hel - Harry Eilenstein - E-Book

Die Hügelgrab-Jenseitsgöttin Hel E-Book

Harry Eilenstein

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Beschreibung

Die Reihe Die achtzigbändige Reihe "Die Götter der Germanen" stellt die Gottheiten und jeden Aspekt der Religion der Germanen anhand der schriftlichen Überlieferung und der archäologischen Funde detailliert dar. Dabei werden zu jeder Gottheit und zu jedem Thema außer den germanischen Quellen auch die Zusammenhänge zu den anderen indogermanischen Religionen dargestellt und, wenn möglich, deren Wurzeln in der Jungsteinzeit und Altsteinzeit. Daneben werden auch jeweils Möglichkeiten gezeigt, was eine solche alte Religion für die heutige Zeit bedeuten kann - schließlich ist eine Religion zu einem großen Teil stets der Versuch, die Welt und die Möglichkeiten der Menschen in ihr zu beschreiben. Das Buch Hel ist die gefürchtete Herrin des Totenreiches - sie ist halb schwarz und halb hellhäutig und reitet auf einem Wolf und benutzt eine Schlange als Zaumzeug. Doch sie ist auch die Wiederzeugungs-Geliebte und die Wiedergeburts-Mutter der Toten. In der Gestalt der Hel konzentrieren sich alle Jenseitsvorstellungen der Germanen von der Bestattung in einem Hügelgrab über den Met der ewigen Jugend bis hin zu dem allabendlichen Tod und der allmorgendlichen Wiedergeburt des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr. Daher ist das Verständnis des Wesens der Hel einer der wichtigsten Schlüssel zum Verstehen der germanischen Religion und vor allem der Göttinnen und Riesinnen, die so gut wie alle auch mit den Vorgängen im Jenseits verbunden sind.

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Bücher von Harry Eilenstein

Astrologie

Astrologie (496 S.)Photo-Astrologie (428 S.)Horoskop und Seele (120 S.)

Magie

Handbuch für Zauberlehrlinge (408 S.)Tarot (104 S.)Physik und Magie (184 S.)Die Magie-Formel (156 S.)Krafttiere – Tiergöttinnen – Tiertänze (112 S.)Schwitzhütten (524 S.)

Meditation

Der Lebenskraftkörper (230 S.)Die Chakren (100 S.)Das Chakren-System mit den Nebenchakren (296 S.)Meditation (140 S.)Drachenfeuer (124 S.)Reinkarnation (156 S.)

Kabbala

Kursus der praktischen Kabbala (150 S.)Eltern der Erde (450 S.)Blüten des Lebensbaumes:
Die Struktur des kabbalistischen Lebensbaumes (370 S.)Der kabbalistische Lebensbaum als Forschungshilfsmittel (580 S.)Der kabbalistische Lebensbaum als spirituelle Landkarte (520 S.)

Religion allgemein

Muttergöttin und Schamanen (168 S.)Göbekli Tepe (472 S.)Totempfähle (440 S.)Christus (60 S.)Dakini (80 S.)Vajra (76 S.)

Ägypten

Hathor und Re 1: Götter und Mythen im Alten Ägypten (432 S.)Hathor und Re 2: Die altägyptische Religion – Ursprünge, Kult und Magie (396 S.)Isis (508 S.)

Indogermanen

Die Entwicklung der indogermanischen Religionen (700 S.)Wurzeln und Zweige der indogermanischen Religion (224 S.)

Germanen

Die Götter der Germanen (Band 1 – 80)Odin (300 S.)

Kelten

Cernunnos (690 S.)Der Kessel von Gundestrup (220 S.)Der Chiemsee-Kessel (76)

Psychologie

Über die Freude (100 S.)Das Geheimnis des inneren Friedens (252 S.)Das Beziehungsmandala (52 S.)Gefühle und ihre Verwandlungen (404 S.)einsgerichtet (140 S.)Liebe und Eigenständigkeit (216 S.)Von innerer Fülle zu äußerem Gedeihen (52 S.)Die Symbolik der Krankheiten (76 S.)

Kunst

Herz des Tanzes – Tanz des Herzens (160 S.)

Drama

König Athelstan (104 S.)

Die Themen der einzelnen Bände der Reihe „Die Götter der Germanen“

Die Entwicklung der germanischen ReligionLexikon der germanischen ReligionDer ursprüngliche Göttervater TyrTyr in der Unterwelt: der Schmied WielandTyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 1Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 2Tyr in der Unterwelt: der ZwergenkönigDer Himmelswächter HeimdallDer Sommergott BaldurDer Meeresgott: Ägir, Hler und NjördDer Eibengott UllrDie Zwillingsgötter AlcisDer neue Göttervater Odin Teil 1Der neue Göttervater Odin Teil 2Der Fruchtbarkeitsgott FreyrDer Chaos-Gott LokiDer Donnergott ThorDer Priestergott HönirDie GöttersöhneDie unbekannteren GötterDie Göttermutter FriggDie Liebesgöttin: Freya und MenglödDie ErdgöttinnenDie Korngöttin SifDie Apfel-Göttin IdunDie Hügelgrab-Jenseitsgöttin HelDie Meeres-Jenseitsgöttin RanDie unbekannteren JenseitsgöttinnenDie unbekannteren GöttinnenDie NornenDie WalkürenDie ZwergeDer Urriese YmirDie RiesenDie RiesinnenMythologische WesenMythologische Priester und PriesterinnenSigurd/SiegfriedHelden und GöttersöhneDie Symbolik der Vögel und InsektenDie Symbolik der Schlangen, Drachen und UngeheuerDie Symbolik der HerdentiereDie Symbolik der RaubtiereDie Symbolik der Wassertiere und sonstigen TiereDie Symbolik der PflanzenDie Symbolik der FarbenDie Symbolik der ZahlenDie Symbolik von Sonne, Mond und SternenDas JenseitsSeelenvogel, Utiseta und EinweihungWiederzeugung und WiedergeburtElemente der KosmologieDer WeltenbaumDie Symbolik der Himmelsrichtungen und der JahreszeitenMythologische MotiveDer TempelDie Einrichtung des TempelsPriesterin – Seherin – Zauberin – HexePriester – Seher – ZaubererRituelle Kleidung und SchmuckSkalden und Skaldinnen62 Kriegerinnen und Ekstase-KriegerDie Symbolik der KörperteileMagie und RitualGestaltwandlungenMagische WaffenMagische Werkzeuge und GegenständeZaubersprücheGöttermetZaubertränkeTräume, Omen und OrakelRunenSozial-religiöse RitualeWeisheiten und SprichworteKenningarRätselDie vollständige Edda des Snorri SturlusonFrühe SkaldenliederMythologische SagasHymnen an die germanischen Götter

Inhaltsverzeichnis

Hel in der germanischen Überlieferung

Wortschatz

a) Der Name „Hel“

b) Die Namen der Hel

c) Kenningar

d) Zusammenfassung

Hel die Riesin

a) Anonyme Troll-Liste

b) Lied des Thorbjörn Disenskalde

c) Ynglingatal

d) Die Goldhörner von Gallehus

e) Zusammenfassung

Die Familie der Hel

a) Gylfis Vision

b) Die Saga über Sturlaug den Mühen-Beladenen

c) Skaldskaparmal

d) Sonatorrek

e) Ynglingatal

f) Ynglingatal

g) Ynglingatal

h) Zusammenfassung

Die Höhle der Hel

a) Hel: ein Ort und eine Riesin

b) Odins Rabenzauber

c) Hervor-Saga

d) Grimnir-Lied

e) Wafthrudnir-Lied

f) Gylfis Vision

g) Gylfis Vision

h) Grimnir-Lied

i) Hervor-Saga

j) Zusammenfassung

Der Hund der Hel

a) Die Vision der Seherin

b) Gylfis Vision

c) Gylfis Vision

d) Zusammenfassung

Das Roß der Hel

a) Dänische Redewendungen

b) Der Runenstein von Alskog

c) Zusammenfassung

Der Hahn der Hel

a) Die Vision der Seherin

b) Sonnenlied

c) Zusammenfassung

Der Drache in der Hel

a) Die Vision der Seherin

b) Die Vision der Seherin

c) Zusammenfassung

Jenseitsreisen zu Hel

a) Gylfis Vision

b) Beowulf-Epos

c) Grettir-Saga

d) Wegtam-Lied

e) Hyndla-Lied

f) Die Saga über Norna-Gest

g) Brünhilds Hel-Fahrt

h) Skaldskaparmal

i) Skaldskaparmal

j) Gylfis Vision

k) Havamal

l) Fiölswin-Lied

m) Hymir-Lied

n) Die Saga über Thorstein Haus-Macht

o) Die Saga über Thorstein Haus-Macht

p) Ynglingatal

q) Gesta danorum

r) Sonnenlied

s) Die Saga über Eirek den Weitfahrenden

t) Die berühmte Vision des Bölthorn

u) Zusammenfassung

Schiffsreise zu Hel

a) Ragnarsdrapa

b) Gylfis Vision

c) Das Lied über Helgi Hiörvard-Sohn

d) Gesta danorum

f) Völsungen-Saga

g) Ibn Fadlans Reisebericht

h) Baldurs Bestattung

i) Schiffsbestattungen

j) Zusammenfassung

Hel die Wiederzeugungs-Geliebte

a) Hyndla-Lied

b) Skaldskaparmal

c) Ynglingatal

d) Gesta danorum

e) Hyndla-Lied

f) Wolfdietrich-Lied

g) King Henry

h) Zusammenfassung

Hel die Wiedergeburts-Mutter

a) Zusammenfassung

Hel die Wiederstillens-Amme

a) Wegtam-Lied

b) Zusammenfassung

Begegnungen mit Hel

a) Das Lied über Helgi Hiörvard-Sohn

b) Völsungen-Saga

c) Zusammenfassung

Die Toten in der Hel

a) Das andere Lied über Sigurd Fafnir-Töter

b) Zusammenfassung

Redewendungen

a) „zur Hel fahren“

b) „zur Hel reiten“

c) „zur Hel senden/schicken/treiben“

d) „von Hel gerufen werden“

e) „von Hel umarmt werden“

f) „sich mit Hel vereinen“

g) „Hel holt jemanden“

h) „Hel hat jemanden“

i) „in den Banden der Hel“

j) „Helweg“

k) „Hels Haus/Halle/Behausung/Reich“

l) „Volk/Leute/Gefolge der Hel“

m) Zusammenfassung

Hel, Nornen, Walküren und Hulda

Die Hel-Haut

a) Landnamabok

b) Half und seine Recken

c) Die Saga über Geirmund Hel-Haut

d) Landnamabok

e) Faröische Heldenlieder: Högni-Lied

f) Blauland

g) Zusammenfassung

Sonstiges

a) Heidarviga-Saga

b) Gylfis Vision

c) Gylfis Vision

d) Magnusdrapa

e) Alwis-Lied

f) Brakteaten

g) Runensteine

h) Die Saga über Harald Hart-Rat

i) Oddruns Klage

j) Zusammenfassung

Hel im Christentum

a) Des Teufels Großmutter

b) Die Bartholomäus-Saga

c) Das Evangelium des Nikodemus

d) Zusammenfassung

Jakob Grimm: Deutsche Mythologie

a) Hel

b) Zusammenfassung

Gesamt-Zusammenfassung

Hel in den indogermanischen Religionen

West-Indogermanen

a) Kelten

b) Römern

c) Germanen

d) Slawen

e) West-Indogermanen

Süd-Indogermanen

Ost-Indogermanen

a) Perser

b) Inder

c) Skythen

d) Griechen

e) Ost-Indogermanen

Indogermanen

Hel in anderen Religionen

Finnen

Das Aussehen der Hel
Hymne an Hel

Eine Reise zu Hel

Traumreise zu Hel
Hel heute

Themenverzeichnis

I Hel in der germanischen Überlieferung

Die Jenseitsgöttin hat in der germanischen Mythologie eine sehr umfangreiche Symbolik – und viele Namen. In diesem Band wird Hel, die wichtigste Jenseitsgöttin beschrieben. Sie ist die Riesin im Hügelgrab.

Die Darstellung der Wasserunterwelt-Jenseitsgöttin Ran findet sich in Band 27 und die unbekannteren Jenseitsgöttinnen in Band 28.

Auch die Wanen-Frau Freya-Menglöd (Band 22) und die Asinnen Frigg und Nanna sind Jenseitsgöttinnen (Band 21).

Die Darstellung des Jenseits selber findet sich in Band 49 und die Vorgänge im Jenseits, d.h. die Wiederzeugung und die Wiedergeburt, in Band 51. Das Wiederstillen, also die Symbolik des Göttermets, wird in Band 69 besprochen.

I 1. Wortschatz

I 1. a) Der Name „Hel“

Die indogermanische Wurzel des Namens der germanischen Herrin des Totenreiches ist das Wort „kel“. Dies bedeutet „umhüllen, verhüllen, bergen, verbergen, neigen, zugeneigt“. Mit diesem Wort sind indogermanisch „klei“ für „lehnen“ sowie „kels“ für „kleiner Raum“ und „ket“ für „Kammer, Loch, Vorratsgrube“ verwandt.

Die Ursprungsbedeutung von „kel“ ist somit eine zumindestens teilweise in die Erde eingegrabene Kammer – damit kann sowohl ein Keller und eine Vorratsgrube als auch eine Höhle, eine Schwitzhütte oder eine Grabkammer in einem Hügelgrab gemeint sein.

Aus dieser Wurzel haben sich verschiedene Zweige entwickelt: die Substantive Kammer, Keller, Halle, Hülle, Hülse, Höhle, Helm und Loch sowie die Verben umhüllen, verhüllen, verbergen, bergen, bedecken, schützen, neigen (wegen der schrägen Wand des Loches) und im übertragenden Sinne auch zuneigen (jemanden mögen/ schützen).

Diese Bedeutungs-Zweige zeigen, daß die halbunterirdische Kammer schräge Wände hatte und vor allem als geschützter Ort empfunden worden ist.

Die Verwendung der Ableitungen von dem Wort „kel“ zur Bezeichnung des Grabes, des Totenreiches und der Totengöttin zeigen, daß „kel“ wohl nicht nur den Vorrats-„Keller“, sondern auch die Grabkammer im Hügelgrab bezeichnet haben wird.

Ein „kel“ wird für die Indogermanen daher wohl ein halb in die Erde eingegrabener geschützter Ort für die Lebenden, für die Toten und auch für die Vorräte gewesen sein.

Aus dieser Wurzel entwickelte sich der germanische Göttinnenname „Hludana“, der aus der Zeit um 200 n.Chr. durch Inschriften am Niederrhein bezeugt ist. Diese Göttin wird ihrem Namen nach eine beschützende Göttin gewesen sein, die auch die Toten in ihrer Höhle beschützte.

Aus der Göttin Hludana haben sich im Altnordischen die Namen der Unterwelts-Riesin Hel, der Erdgöttin Hlodyn (= Jörd), der Seherin-Göttin Huld und der Seherin-Riesin Hleidir entwickelt.

Der Name „Hel“ ist Teil einer sehr großen Gruppe von Worten in allen indogermanischen Sprachen. Der folgende Stammbaum zeigt nur einen kleinen Ausschnitt aus ihm.

In dem Stammbaum des Namens „Hel“ auf der nächsten Seite werden folgende Abkürzungen benutzt:

aengl.ager.ahd.aksl.air.aisl.asächs.av.ger.got.gr.idg.lat.mhd.ndt.nengl.nndl.schw.wger.

Die beiden Zweige in diesem Stammbaum, die zu „Hel“ führen, sind hellgrau hinterlegt.

von indogermanisch „kel“ zu altnordisch „Hel“

Indogermanisch

Germanisch u.ä.

Althochdeutsch, Altenglisch, Altisländisch u.ä.

Mittelhochdeutsch u.ä.

Neuhochdeutsch u.ä.

idg.:

kel

(umhüllen,

ager.:

hel

(Hülle, Halle, Höhle,

ahd., asächs. und aengl.:

helan (

bedecken, verbergen, verstecken

)

nhd.:

hehlen

nengl.:

hall

verhüllen,

Totenreich, Totengöttin)

ahd.:

heel

,

hellia

mhd.:

helle

nhd:

hüllen, Höhle, Helm, Halle, Hülse

bergen, verbergen,

ager.:

haljo

aisl. bis heute:

hel

(Hel)

schüt-zen,

(Höhle, Unterwelt)

got.:

halja

(Hülle u.a.)

neigen,

aengl. bis nengl.:

hell

(Hölle)

zugeneigt)

ahd.:

hellea

(Hölle)

nhd.:

Hölle

air.:

ceilid

(verbergen, verhüllen)

lat.:

celo

(verbergen),

celere

in

oc-culere

(verbergen verstecken)

gr.:

kalupto

(Bedeckung),

kalytein

(umhüllen, verbergen)

ager.:

hol (Loch)

nndl.:

hol

(Loch)

aengl.:

hole

(Loch)

nengl.:

hole

(Loch)

aisl.:

holr

(Loch)

germ.:

haltha

aengl.:

hyldu

(Gunst, Gnade, Freundlichkeit Treue, Schutz)

(geneigt, zugeneigt,

aengl.:

hold

(gnädig, günstig, angenehm)

schief, schräg)

aisl.:

hylli

(Gunst, Zuneigung)

schwe.:

huld

(gnädig, freundlich)

ahd.:

huldi

(Gunst, Freundlichkeit, Treue)

mhd.:

hulde

nhd.:

Huld

,

Hulda

ahd.:

hold

(günstig, gnädig,)

mhd.:

holt

nhd.:

hold

ahd.:

halda

(Abhang)

mhd.:

halde

nhd.:

Halde

,

Helling

idg.:

klei

ger.: hleu

ager.: Hludana (Göttin)

(lehnen)

(Schutz, Geborgenheit)

aisl. bis heute: Hel (Totengöttin), Hlodyn (Erdgöttin), Hleidir (eine Seherin)

idg.:

kels

lat.:

cella

(Lagerraum)

nhd.:

Keller

(kleiner Raum)

gr.:

kalia

(Hütte)

idg.:

ket

aengl.

heador

(Umzäunung, Gefängnis)

(Kammer,

aksl.:

kotici

(Kammer)

Loch,

av.:

kata

(Kammer),

catti

(Loch)

Vorratsgrube)

skr.:

catvalla

(Loch für das Ritualfeuer)

Tocharisch:

kotai

(Loch)

I 1. b) Die Namen der Hel

Die drei Namen der Jenseitsgöttin sind „Hel“ („Höhle“), „Hyndla“ („Hündchen“) und „Hyrrokkin“ („Rußgeschwärzte“).

Der Name „Hel“ bezieht sich auf die Grabkammer im Hügelgrab, der Name „Hyndla“ bezieht sich vermutlich auf Hels Bruder Fenrir, und der Name „Hyrrokkin“ bezieht sich auf die Brandbestattung, durch die Toten und sekundär auch Hel sozusagen rußgeschwärzt waren.

Weitere häufige Namen der Jenseitsgöttin, die jedoch als Göttin von Hel unterschieden wurden, sind Huldar, Gerdr, Laufey und Sigyn (siehe dazu auch den Band 28).

I 1. c) Kenningar

Der größte Teil der Kenningar, in denen Hel eine Rolle spielt, bezieht sich auf Hel-Hyndla-Hyrrokkin als Wolfsreiterin.

Es gibt auch einige Umschreibungen der Hel selber:

Schließlich gibt es noch einige vereinzelte andere Verwendungen des Namens „Hel“ in den Kenningarn:

I 1. d) Zusammenfassung

Der Name „Hel“ bedeutet „Höhle“ und bezieht sich auf die Grabkammer im Hügelgrab. „Hel“ bezeichnet sowohl die Unterwelt selber als auch die Jenseitsgöttin in der Unterwelt, also die „Göttin im Hügelgrab“.

Der Name „Hyndla“ bedeutet „Hündchen“ und bezieht sich vermutlich auf Fenrir, den Bruder der Hel, auf dem Hel des öfteren reitet.

Der Name „Hyrrokkin“ bedeutet „Rußgeschwärzte“ und bezieht sich auf die Brandbestattung.

I 2. Hel die Riesin

Die Troll-Frauen und die Riesen sind fast alle Varianten der Jenseitsgöttin und somit auch der Hel.

I 2. a) Anonyme Troll-Liste

Hyrrokkin wurde zu den Riesinnen gezählt:

Gjölp, Hyrrokkin,

Hengikepta,

Gneip und Gnepja,

Geysa, Hala,

Hörn und Hruga,

Hardgreip, Forad,

Hrydja, Hvedra

und Hölgabrudr.

I 2. b) Lied des Thorbjörn Disen-Skalde

Auch hier erscheint Hyrrokkin in einer Liste von vier Riesen (Keila, Kjallandi, Lutr, Leidi) und vier Riesinnen (Buseyra, Hengjankjapta, Hyrrokkin, Svivör), die von Thor getötet worden sind:

So sang Thorbjörn Disen-Skalde:

„Du hast den Kopf des Keila zertrümmert,

und Kjallandi vollständig zerschmettert,

ehe Du Lutr und Leidi vernichtet hast,

ehe Du das Blut der Buseyra vergossen hast,

ehe Du Hengjankjapta zurückhieltst;

Hyrrokkin starb zuvor,

jedoch noch früher wurde Svivör

in derselben Weise ihr Leben entrissen.“

I 2. c) Ynglingatal

- 16. König: Adil (31./32. Strophe) -

Ich habe gehört, / daß der Zauber-Frau

bestimmt war, / das Leben

des Adil zu zerstören, / und daß der Taten-durstige König,

der Sohn des Freyr, / von dem Sattel

seines Rosses fallen mußte, / und daß die Hirn-Flut

des Sohnes des Königs / sich mit dem Staub

vermischen sollte / und daß dem berühmte Feind

des Ali / in Uppsala der Tod bestimmt war.

(Der König und Pferdenarr Adill starb in Uppsala bei einem Sturz von seinem Pferd, bei dem sein Kopf auf einen Felsen aufschlug.)

I 2. d) Die Goldhörner von Gallehus

Auf dem 4. Bildstreifen des kleineren der beiden Goldhörner von Gallehus, die um 400 n.Chr. in Dänemark angefertigt worden sind, ist vermutlich eine dreiköpfige Hel zu sehen.

Diese Szene spielt im Himmels-Wasser-Jenseits, wie die vielen Sterne und die Wasserstreifen oben und unten zeigen.

In dieser Sternenwelt sind ein Bogenschütze, ein dreiköpfiger Mensch, der eine Axt und eine Ziege an einem Seil hält, sowie eine Hirschkuh, die ihr Junges säugt, und eine Schlange mit zwei Jungen sowie zwei Fische in jeweils ähnlicher Geste zu sehen. Schließlich finden sich noch drei Wildschweine und ein Zeichen, daß einer Kornähre ähnelt.

Da die dreiköpfige Gestalt Brüste zu haben scheint, ist sie vermutlich eine Variante der drei Matronen, wozu auch die stillende Hirschkuh in dieser Szene passen würde. Sie wäre dann auch eine Entsprechung zu den drei germanischen Nornen, den drei griechischen Moiren, den drei römischen Parzen, zu der dreigestaltigen römischen Ceres, zu der dreifachen Göttin der Kelten, zu der griechischen dreiköpfigen Jenseitsgöttin Hekate und zu der indischen, dreiköpfigen Muttergöttin Durga. Diese Dreigestalt reicht bis zu den ursprünglichen Indogermanen um ca. 2.400 v.Chr. und früher zurück.

Der Charakter der drei Gestalten der Muttergöttin wird in den Mythen der Indogermanen mit verschieden Bildern beschrieben, wobei das der Spinnerinnen das älteste zu sein scheint. Man sollte allerdings davon ausgehen können, daß am Anfang die Wiedergeburtssymbolik stand, auch wenn diese nicht explizit als Bild im Zusammenhang mit der dreifachen Göttin erwähnt wird.

Möglicherweise ist die dreiköpfige Frau mit der dreiköpfigen Riesin Gryla identisch.

Die Vielköpfigkeit findet sich vor allem in Indien, aber auch bei den Germanen, Griechen, Römern, Kelten und Slawen. Durch diese Darstellung wurde auf verschiedene Aspekte des Wesens der betreffenden Gottheit hingewiesen. Eine ganz ähnliche Vorstellung ist die christliche Dreieinigkeit.

Da Schlangen und Fische keine Säugetiere sind, ist das „Stillen“ bei ihnen ein wenig merkwürdig – vielleicht ist dies ein Bild, das aus der Kombination von Stillen, Wasserunterwelt (Fisch) und allgemein Unterwelt (Schlange) entstanden ist.

Die Axt in der Hand der dreiköpfigen Göttin und die Ziege, die sie an einer Leine hält, lassen vermuten, daß die Ziege geopfert werden soll.

Vermutlich ist die dreiköpfige Frau sowohl die drei Nornen als auch allgemein die Jenseitsgöttin, also auch die Hel.

I 2. e) Zusammenfassung

Hel bzw. Hyrrokkin wurde als „Zauberfrau“ bezeichnet.

Sie wurde um 400 n.Chr. als dreiköpfig dargestellt und vermutlich mit den drei Nornen assoziiert. Da die „3“ von den Indogermanen als Adjektiv mit der Bedeutung „zum Sonnenzyklus gehörig“ benutzt worden ist, ist Hel hier wohl auch als Wiederzeugungs-Geliebte und Wiedergeburts-Mutter des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr anzusehen.

Als Jenseitsriesin wurde Hel-Hyrrokkin von Thor getötet – wobei sie zu der Zeit der Entstehung dieser Mythe (nach 500 n.Chr.) vermutlich nicht mehr als Jenseitsgöttin erkannt worden ist.

I 3. Die Familie der Hel

I 3. a) Gylfis Vision

Loki hatte noch andere Kinder. Angurboda hieß ein Riesenweib in Jötunheim; mit der zeugte Loki drei Kinder: das erste war der Fenris-Wolf, das andere Jörmungand, die Midgardschlange, das dritte war Hel.

Als aber die Götter erfuhren, daß diese drei Geschwister in Jötunheim erzogen wurden, und durch Weissagung erkannten, daß ihnen von diesen Geschwistern Verrat und großes Unheil bevorstehe, indem sie Böses von Mutter-, aber noch schlimmeres von Vaterswegen von ihnen erwarten zu müssen glaubten, schickte Allvater die Götter, daß sie diese Kinder nahmen und zu ihm brachten.

Als sie aber zu ihm kamen, warf er die Schlange in die tiefe See, welche alle Länder umgibt, wo die Schlange zu solcher Größe heranwuchs, daß sie mitten im Meer um alle Länder liegt und sich in den Schwanz beißt.

Die Hel aber warf er hinab nach Niflheim und gab ihr Gewalt über neun Welten, daß sie denen Wohnungen anwiese, die zu ihr gesendet würden: solchen nämlich, die vor Alter oder an Krankheiten starben. Sie hat da eine große Wohnstätte; das Gehege umher ist außerordentlich hoch und mit mächtigen Gittern verwahrt. Ihr Saal heißt „Regennasser“, „Hunger“ ihre Schüssel, „Gier“ ihr Messer, „Träg“ ihr Knecht, „Langsam“ ihre Magd, „Gefahrenstelle“ heißt ihre Schwelle, ihr Bett „Kümmernis“ und ihr Vorhang „drohendes Unheil“.

Sie ist halb schwarz, halb menschenfarbig, also kenntlich genug durch grimmiges, furchtbares Aussehen.

Die Totengöttin ist wie der Schamanengott Odin mit seinem einen lebenden und seinem einen blinden („toten“) Auge ein halb lebendes und halb totes Wesen: Sie ist halb schwarz wie eine Leiche und halb von der Farbe eines lebenden Menschen.

Die Namen der Dinge und Personen in ihrer Halle zeigen, daß man sich die Halle der Hel schrecklich vorstellte und daher fürchtete.

Die Abstammung der Hel von Loki ist vermutlich ein neueres Motiv, da die Jenseitsgöttin in den frühen Mythen zu den ursprünglichsten Gottheiten überhaupt zählt. Die Zusammenstellung von Hel, Fenrir und Jörmungandr als Geschwister läßt vermuten, daß sie einfach deshalb Lokis Kinder geworden sind, weil Loki als der allgemeine Verursacher des Chaos und des Leides angesehen worden ist.

Der Name „Angurboda“ der Mutter der Hel bedeutet „Angstbotin“ – ein passender Name für Hel selber. Vermutlich ist dies ursprünglich ein Beiname der Hel gewesen.

I 3. b) Die Saga über Sturlaug den Mühen-Beladenen

In dieser Saga rauben Sturlaug und seine Männer ein magisches Horn aus einem Thor-Tempel, der von einer Priesterin bewacht wird, die allerdings schon leicht verzerrt dargestellt wird, um der Saga eine größere Dramatik zu geben.

Sturlaug blickt in den Tempel und sieht nun den sehr großen Thor dort auf dem Ehrenplatz sitzen. Vor ihm steht ein schöner Tisch, der mit Silber überzogen war. Auf ihm sieht er das Auerochsen-Horn vor Thor stehen. Es war schön und voller Gift. Dort war auch ein Tafl-Spiel und Tafl-Spielfiguren – eine jede von ihnen war aus Gold gefertigt.

Tafl-Spiele wurden ursprünglich zu Orakel-Zwecken benutzt (siehe „Tafl“ in Band 57). Das Tafl-Spiel stellte den endlosen, zyklischen Kampf zwischen dem Sommergott Tyr und dem Wintergott Loki dar.

Dort befanden sich Pfosten, an denen Kleider und goldene Ringe hingen.

Diese Kleider waren vermutlich Kleider für die Statuen. Die Ringe waren wahrscheinlich Eid-Ringe.

Dort drinnen in dem Tempel waren sechzig Frauen und eine von ihnen fiel unter ihnen allen besonders auf. Sie war groß wie eine Riesin, so blau wie der Tod und so fett wie eine Stute, schwarz-äugig und böse blickend.

Diese Frau ist offenbar nach dem Bild der Unterweltsgöttin Hel geschildert worden.

Doch sie war trotzdem gut gekleidet. Sie diente an dem Tisch (vor den Göttern).

Sie sangen das folgende Lied:

„Hier kommt Sturlaug, / der Mühen-beladene,

er sucht das Horn, / und einen Hort aus Ringen.

Hier in dem Horn, / auf dem Heiligen Fest,

sind Schätze und Gold. / Wir sind ihm übel gesonnen!“

Da antwortete die Priesterin und sprach: „Er wird diesen Ort niemals lebend verlassen, wenn es nach meinem Willen geschieht oder wenn meine Glaube und meine Gebete erfüllt werden!“

Dann sang sie:

„Im Grab wird unser Gast / Ruhe finden,

und viele Wunden / werden seine Ruhe stören.

Dann wird an ihm, Sturlaug / dem Mühen-Beladenen,

an seinem Fleisch genagt werden / mit den Messern des Gaumens!“

Danach machte sich Sturlaug bereit hineinzugehen und verbot seinen Eid-Brüdern, ihm zu folgen.

In dem Tempel standen drei Felsen, die so hoch wie die Rippen eines Mannes reichten und zwischen denen tiefe Gruben voller Gift waren, sodaß Sturlaug über sie springen mußte, um zu dem Platz zu gelangen, an dem sich das Auerochsen-Horn befand.

Da entschloß sich Sturlaug und sprang kühn und geschickt über die drei Steine hinein, ergriff schnell und ohne behindert zu werden das Horn und rannte zurück.

Die drei Steine in der Unterwelt finden sich auch in der Loki-Mythe, in der er in der Hel auf drei Felsen gefesselt worden ist. Der Tempel, in den Sturlaug geht, um das Horn zu rauben, scheint eher die Grabkammer eines Hügelgrabes zu sein, das von Hel bewacht wird, die hier als Hohepriesterin erscheint.

Die Priesterin stand angeschwollen vor Wut und hielt ein zweischneidiges Kurzschwert. Er konnte an den Schneiden des Kurzschwertes etwas sehen, daß wie brennendes Feuer aussah. Sie schrie ihn auf eine schreckliche Weise an und fletschte ihre Zähne in seine Richtung, obwohl sie sich zurückhielt, ihn tatsächlich anzugreifen.

Als Sturlaug zu den Steinen kam, sah er Hrolf Neb über die Steine springen. Hrolf rannte dorthin, wo Thor und Odin waren, schnappte sich das Tafl-Spiel, steckte sie in seine Tasche und rannte durch die Tempelhalle zum Ausgang.

Da sah er die Priesterin ihm hinterherrennen, ihre Zähne fletschen und knurren. Er sprang über die Steine, um hinauszukommen, aber die Priesterin bekam seine Tunika zu fassen, riß ihn in die Höhe und schleuderte ihn nieder gegen die Steine, sodaß sein Rückgrat sofort zerbrach. So starb Hrolf Neb in großer Kühnheit.

Diese Szene ist vermutlich ein umgedeutetes Menschenopfer.

Danach rannte die Priesterin hinaus und schrie mit solch schrecklichem Eifer und Toben und Drohungen, daß die Echos von jeder Klippe und jedem Hügel ringsum antworteten.

Sie erblickte Sturlaug und jagte ihm hinterher und griff ihn an. Er verteidigte sich gut und mutig und mit großem Geschick.

In dem Augenblick sah Sturlaug jemanden aus dem Wald kommen, dann eine weitere und eine dritte Gestalt und im nächsten Augenblick kamen sie aus allen Richtungen.

Sturlaug zog sich zurück, aber sie griff ihn umso härter an, als sie sah, daß die anderen herbeirannten.

Er sprang sie mit Horn Nebs Geschenk (einer Hellebarde) an und stieß sie ganz durch sie hindurch, sodaß ihre Spitze zwischen ihren Schultern wieder herauskam. Sie zuckte so heftig zurück, daß er die Hellebarde aus seinem Griff verlor und so blieb sie dort, aber sie starb augenblicklich.

Sturlaug rannte zu dem Schiff und zerschnitt das Haltetau.

I 3. c) Skaldskaparmal

In diesem Lied wird bestätigt, daß Loki der Vater der Hel ist.

„Wie soll man Loki umschreiben?“

„So: Nenne ihn Sohn des Farbauti und der Laufey, … … …, Vater des Ungeheuers von Van (das ist der Fenris-Wolf) und des riesigen Ungeheuers (das ist die Midgardschlange) und der Hel, … … … .“

I 3. d) Sonatorrek

In diesem Klagelied des Skalden Egil Skallagrimsson, das er um ca. 960 n.Chr. verfaßt hat, wird Hel als die Schwester des Feindes des Odin, d.h. des Fenris-Wolfes bezeichnet.

Nun ist mein Pfad schwer: / die Riesen-Schwester

von Odins Feind, / steht auf der Landzunge:

mit Entschlossenheit / und ohne Bedauern

will ich froh / mein Los erwarten.

Odins Feind ist Fenrir (Fenrir tötet Odin beim Ragnarök); dessen Schwester ist Hel.

Die Landzunge, auf der Hel steht, ist der Ort, an dem Egil das Hügelgrab für seinen verunglückten Sohn errichtet hat.

I 3. e) Ynglingatal

- 9. König: Agni (16./17. Strophe) -

Ich halte es / für eine erstaunliche Sache,

daß Agnis Leute / Skjalfs Taten

ganz normal fanden, / als Logis Schwester

den Fürsten / an ihrem goldenen Halsband emporhob:

ihn, der dazu bestimmt war, / das eiskalte Roß

des Mannes der Signy / in Taur zu zähmen.

(Agni ist durch eine List von Skjalf erhängt worden.)

I 3. f) Ynglingatal

- 24. König: Halfdan der Sanftmütige (47./48. Strophe) -

Und der König / wurde zu Thridjas Thing gerufen,

Hvedrungs Maid rief / ihn in ihr Heim,

Halfdan, der lange / in Holtum lebte,

mußte dem / Schicksalsspruch der Nornen folgen.

Das Hügelgrab / steht in Borre:

dort legten sie / den Sieg-Besitzer nieder.

(Halfdan starb an Altersschwäche.)

I 3. g) Ynglingatal

- 7. König: Dygve (12./13. Strophe) -

Es kann nicht / geleugnet werden,

daß Glitnis Verwandte / nun die Leiche des Dyggvi

zum Huren hat, / denn die Schwester des Wolfes

und des Narfi / wählten den königlichen Mann aus,

ja, Lokis Tochter hat nun / den mächtigen Herrscher

von Yngvis Volk / und spielt mit ihm.

(Hel ist die Wiederzeugungs-Geliebte der Toten im Jenseits.)

In diesem Lied ist das Motiv der Vereinigung der Toten mit der Göttin im Jenseits noch deutlich zu sehen. Diese „Jenseits-Hochzeit“ war die der Wiedergeburt vorausgehende Wiederzeugung.

Hier wird Hel offenbar noch nicht als gefürchtete Riesin, sondern noch als ein Aspekt der Göttin Freya angesehen, in deren Mythen und in deren Beschreibung sich das Motiv der Wiederzeugung sich mit der Zeit zu dem Motiv der Liebesgöttin gewandelt hat.

I 3. h) Zusammenfassung

Hel ist halb schwarz und halb Leben-farbig – sie steht anscheinend auf der Schwelle zwischen Diesseits und Jenseits.

Sie ist die Tochter der Angurboda und des Loki. Dies ist vermutlich eine relativ neue Auffassung, die aus der Zeit stammt, als die Gottheiten nicht mehr primär Teile einer Mythe waren, sondern in Analogie zu den Menschen in Stammbäumen angeordnet worden sind. Diese Neuordnung wird um 500 n.Chr., als die alten Tyr-Mythen aufgelöst und ihre Bestandteile umgedeutet und in die neugeschaffenen, Odin-zentrierten Mythen eingefügt worden sind, einen starken Schub erhalten haben.

In demselben, vermutlich relativ neuen Stammbaum haben Angrboda und Loki noch zwei weitere Kinder: den Fenris-Wolf und die Midgardschlange Jörmungandr. Offenbar ist Loki zu der Zeit der Formung dieses Stammbaumes als Vater allen Übels angesehen worden. Diese Umdeutung zeigt sich auch darin, daß die Mitglieder dieser „Familie“ ziemlich verschiedene Ursprünge gehabt haben:

Angrboda ist wie ihre Tochter Hel sehr wahrscheinlich die Jenseitsgöttin. Möglicherweise stammt ihr Erscheinen in zwei Generationen aus der Vorstellung, daß sich die Jenseitsgöttin zusammen mit dem ehemaligen Sonnengott-Göttervater Tyr wiederzeugt und wiedergebärt und dadurch zu ihrer eigenen Tochter wird (siehe auch „Inzest“ in Band 51).Fenrir ist der Name des Tyr als Gott der Ulfhedinn (Wolfskrieger). Als Sonnengott-Göttervater ist Tyr in den alten Mythen von der Jenseitsgöttin wiedergeboren worden (siehe den Band 3 über Tyr).Hel („Höhle“) ist ursprünglich ein Beiname der Jenseitsgöttin gewesen – vermutlich ein Beiname der Freya.Jörmungandr ist ursprünglich der Gegenspieler des Thor gewesen: Die Riesenschlange raubt im Frühjahr den Regen und der Donnergott holt den Regen im Herbst von der Riesenschlange zurück (siehe den Band 17 über Thor).Loki ist in den Mythen vor 500 n.Chr. der Wintergott gewesen und Tyr der Sommergott. Durch den endlosen Kampf zwischen den beiden sind die Jahreszeiten entstanden. Im Frühjahr hat Tyr den Loki getötet und drei Monate später im Herbst hat Loki den Tyr getötet. Anschließend hat sich der tote Gott im Jenseits zusammen mit der Göttin Freya wiedergezeugt und ist dann an der nächsten Jahreszeiten-Wende zusammen mit der Göttin wiedergeboren worden. Dadurch sind Loki und die Göttin zu Geschwistern geworden und ebenso Tyr und die Göttin. Somit sind der Sommergott-Göttervater, der Wintergott-Jenseitsgott und die Muttergöttin-Jenseitsgöttin Geschwister. Diese Konstellation stammt noch von den Indogermanen selber, da sie sich z.B. auch bei den Griechen als die Geschwister Zeus, Hades und Demeter findet.

Ein Rest dieser alten Mythe ist die Auffassung des Tyr-Logi, dessen Name „Lohe, Feuer“ bedeutet und ein Hinweis auf das Sonnenfeuer ist, als Bruder der Hel.

I 4. Die Höhle der Hel

Hel ist nach der Grabkammer („Höhle“) im Hügelgrab benannt worden – sie also die „Göttin im Hügelgrab“.

I 4. a) Hel: ein Ort und eine Riesin

In den Texten läßt sich oft nicht sicher unterscheiden, ob „Hel“ ein Personenname oder ein Ortsname ist, d.h. ob „Hel“ einfach „Höhle“, also „Grabkammer in einem Hügelgrab“ und somit auch allgemein „Unterwelt unter der Erde“ bedeutet, oder ob „Hel“ der Name der Jenseitsgöttin ist.

Der Ursprung des Namens der Riesin des Totenreiches wird jedoch sicherlich das germanische Wort „hellir“ für „Höhle“ gewesen sein. Ab wann man mit „Hel“ auch die Totengöttin, also Freya/Frigg bezeichnete, ist unsicher, aber zumindest ab 1000 n.Chr. ist „Hel“ mit Sicherheit auch als Göttin/Riesin aufgefaßt worden. Vermutlich ist „Hel“ zunächst als Beiname für die Jenseitsgöttinnen Frigg und Freya gewesen, die oft zu in einer Höhle in einem Berg, d.h. in der Grabkammer eines Hügelgrabes wohnende Riesinnen wie z.B. Gunnlöd umgedeutet worden sind.

Vermutlich ist der Beiname „Hel“ im Sinne von „Höhlenbewohnerin“, d.h, „die in der Grabkammer“ so häufig gewesen, daß sich dieser Beiname verselbständigen konnte. Dies spricht wiederum dafür, daß die Reise zu der Göttin im Hügelgrab, mit der sich der Tote vereinte und dann anschließend von ihr wiedergeboren wurde, ein Motiv gewesen sein muß, das die Jenseitsvorstellungen schon lange Zeit vor 1000 n.Chr. geprägt hat.

Die Mythe, in der Hel als die Tochter des Loki beschrieben wird, ist auf jeden Fall jünger als die Auffassung der Hel als einer Riesin bzw. Göttin. Da die Auffassung der Hel als Loki-Tochter vermutlich aus der Zeit vor der Neustrukturierung der nordgermanischen Mythologie um 500 n.Chr. nach der Absetzung des nordgermanischen Sonnengott-Göttervaters Tyr durch Thor und Odin stammen wird, ist der Name „Hel“ vermutlich vor 500 n.Chr. entstanden.

I 4. b) Odins Rabenzauber

In diesem Lied wird die Gesamtheit der Welt als „Himmel, Hel und Erde“ umschrieben. „Hel“ ist hier die Unterwelt.

Der Weise frug die Wächterin des Tranks,

Es frug der Nachkomme der Asen und seine Weggefährten,

Ob sie den Ursprung, die Dauer und das Ende

des Himmels, der Hel und der Erde wisse.

I 4. c) Hervor-Saga

In dieser Saga und auch in einigen anderen Sagas wird ein „todloser Acker“ erwähnt. Er ist manchmal das Jenseits und manchmal auch ein Land im Diesseits, in dem die Menschen unsterblich sind oder zumindestens sehr viel länger leben als üblich. Vermutlich wird mit diesem Begriff ursprünglich die Welt der Toten, also das Reich der Hel gemeint gewesen sein – allerdings eine Jenseits-Version, zu der man nach dem Tod gerne ging.

Einer der Könige in Jötunheim hieß Godmund. Sein Heim wurde Grund genannt und sein Land Glasisvellir („Glanz-Gefilde“). Er war ein treuer Verehrer der alten Götter. Er war ein weiser und machtvoller Mann und so alt – wie auch alle seine Leute – daß sie alle vielfach die normale Zeitspanne lebten.

Deshalb glauben die Heiden, daß der „todlose Acker“ in seinem Reich zu finden sein muß: der Ort, der jeden heilt, der dorthin kommt, und der von jedem das hohe Alter abfallen läßt, sodaß dort niemand sterben kann. Es wird gesagt, daß das Volk Godmund nach seinem Tod Opfer brachte und ihn wie einen Gott verehrte.

I 4. d) Grimnir-Lied

In „Gylfis Vision“ wird Hel von Odin „hinab nach Niflheim“ geworfen. Entsprechend wird im Grimnir-Lied gesagt, daß Hel „unter“ einer der Wurzeln der Weltesche wohnt:

Drei Wurzeln strecken sich nach dreien Seiten

Unter der Esche Yggdrasil:

Hel wohnt unter einer, unter der andern Hrimthursen,

Aber unter der dritten Menschen.

I 4. e) Wafthrudnir-Lied

Manchmal wird statt von einer Unterwelt von neun Unterwelten gesprochen. Diese Formulierung stellt jedoch keinen Hinweis auf eine Differenzierung der Welt der Toten in neun klar unterscheidbare Bereiche dar, da die „9“ von den Indogermanen als eine Art Adjektiv mit der Bedeutung „zum Jenseits gehörend“ benutzt worden ist (siehe auch „9“ in Band 47).

Von der Joten und aller Asen Geheimnissen

Kann ich Sicheres sagen,

Denn alle durchwandert hab ich die Welten,

Neun Reiche bereist ich bis Nifelheim nieder;

Da fahren die Helden zu Hel.

I 4. f) Gylfis Vision

Die „neun Unterwelten“ werden auch in Gylfis Vision erwähnt. Hier wird zudem zwischen dem „guten Jenseits“ im Gimle (im südlichen Himmel) und dem „bösen Jenseits“ in der Hel unterschieden.

Da hub Gangleri an zu sprechen: „Wer ist der höchste und älteste aller Götter?“

Har sagte: „Allvater heißt er in unserer Sprache und im alten Asgard hatte er zwölf Namen. Der erste ist Allvater, der andere Herran oder Herian, der dritte Nikar oder Hnikar, der vierte ist Nikuz oder Hnikud, der fünfte Fiölnir, der sechste Oski, der siebente Omi, der achte Biflidi oder Biflindi, der neunte Swidur, der zehnte Swidrir, der elfte Widrir, der zwölfte Jalg.“

Da frug Gangleri: „Wo ist dieser Gott, und was vermag er? Oder was hat er Großes getan?“

Har sagte: „Er lebt durch alle Zeitalter und beherrscht sein ganzes Reich und waltet aller Dinge, großer und kleiner.“

Da sprach Jafnhar: „Er schuf Himmel und Erde und die Luft und alles, was darin ist.“

Da sprach Thridi: „Das ist das wichtigste, daß er den Menschen schuf und gab ihm den Geist, der leben soll und nie vergehen, wenn auch der Leib in der Erde fault oder zu Asche verbrannt wird. Auch sollen alle Menschen leben, die wohlgesittet sind, und mit ihm sein an dem Orte, der Gimle heißt oder Wingolf. Aber böse Menschen fahren zu Hel und danach gen Niflheim; das ist unten in der neunten Welt.“

I 4. g) Grimnir-Lied

In diesem Lied werden der Jenseitsfluß und das Gitter am Tor zur Halle der Hel beschrieben:

Thundr ertönt, wo Thiodwitnirs

Fisch in der Flut spielt;

Des Stromes Ungestüm dünkt zu stark

Durch Walglaumir zu waten.

Walgrind heißt das Gitter, das auf dem Grunde steht

Heilig vor heilgen Türen.

Alt ist das Gitter; doch ahnen wenige

Wie sein Schloß sich schließt.

„Thundr“ bedeutet möglicherweise „Donner“. Dieser Name wäre dann eine Alternative zu dem Namen „Gjallar“, d.h. „Tosender“ des Jenseitsflusses.

Der Name „Walgrind“ bedeutet „Toten-Gitter“, d.h. „Gitter-Tor am Totenreich“.

I 4. h) Grimnir-Lied

Manchmal wurden der Jenseitsfluß auch als eine Vielzahl von Flüssen aufgefaßt. In der folgenden Strophe ist es nicht ganz klar, ob alle sechzehn Flüsse oder nur die beiden letzten in die Hel fließen und daher wohl Jenseitsflüsse sind.

Wina heißt einer, ein anderer Wegswinn,

Ein dritter Diotnuma.

Nyt und Nöt, Nönn und Hrönn,

Slid und Hrid, Sylgr und YIgr,

Wid und Wan, Wönd und Strönd,

Giöll und Leiptr: diese laufen den Menschen näher

Und von hier zur Hel hinab.

I 4. i) Hervor-Saga

Das Motiv des Feuers als Jenseitstor wird in der Hervor-Saga sehr ausführlich und dramatisch geschildert. Die folgenden Zeilen sind nur ein sehr kurzer Auszug aus dieser Schilderung des Tores zur Hel (siehe „Hervor“ in Band 31).

Da öffnete sich der Grabhügel und es war, als ob der gesamte Hügel Feuer und Flamme wäre.

Und Angantyr sprach:

„Das Tor zur Hel steht weit aufgesperrt

und die Gräber öffnen sich,

alles ist Feuer

auf der Höhe der Insel;

es ist schrecklich hier draußen

ringsum anzusehen;

gehe fort, Mädchen,

wenn Du kannst, zu Deinen Schiffen.“

I 4. j) Zusammenfassung

Hel ist sowohl die Unterwelt als Ort als auch die Göttin an diesem Ort: Hel ist die Göttin im Hügelgrab.

Himmel, Hel und Erde sind die drei Teile der Welt. Hel ist auch eine der drei Welten unter den drei Wurzeln des Weltenbaumes – diese recht ungenaue Zuordnung (statt Erde in der Mitte, Himmel oben, Unterwelt unten) wird recht neu sein und evtl. auch aus der Zeit der Mythen-Neuordnung um 500 n.Chr. stammen.

In den neueren Mythen oder zumindestens in den Texten, die von Nordgermanen aufgeschrieben worden sind, die schon der christlichen Religion angehört haben (wie z.B. Snorri Sturluson) ist die Zahl „9“, die bei den „neun Unterwelten“ auftritt, nicht mehr als Adjektiv mit der Bedeutung „zum Jenseits gehörend“ verstanden worden. Stattdessen sind sie die „neun Unterwelten“ ganz wörtlich als neun verschiedene Orte aufgefaßt worden – vielleicht auch von den sieben Himmeln aus dem Mittelmeerbereich inspiriert, die den sieben Planeten entsprechen.

Man gelangt zur Hel, indem man den Jenseitsfluß „Gjallar“ („Tosender“), der anscheinend auch „Thundr“ („Donnernder“?) genannt wurde, überquerte und dann durch das Gitter „Walgrind“ („Toten-Gitter“) in die Halle der Hel schritt. Dieses Toten-Gitter wird auch ein Name für die Steinplatte gewesen sein, mit der man nach der Bestattung das Tor eines Hügelgrabes verschlossen hat, bevor man den Gang zu diesem Tor mit Erde und Steinen zugeschüttet hat.

In und auf den Hügelgräbern brannte Feuer. Daher konnten die Totengeister in diesen Hügelgräbern, die oft die Gestalt von Schlangen oder Drachen angenommen haben, Feuer speien. Der Ursprung dieser Feuer-Motive ist die Brandbestattung. Durch dieses Motiv hat Hel auch ihren Beinamen „Hyrrokkin“ (Rußgeschwärzte“) erhalten.

Die Vorstellung des „Glasisvellir“-Jenseits, also des „Glanzgefildes“ stammt aus den Jenseitsvorstellungen, die mit der goldenen Himmelshalle des Tyr verbunden waren – dort lebten die Lichtalfen.

I 5. Der Hund der Hel

Der Hund der Hel (Garm) bzw. der Wolf der Hel (Fenrir) erscheint als ihr Reittier und als der Wächter am Tor der Halle der Hel.

I 5. a) Die Vision der Seherin

Der Hund „Garm“ als Wächter der Unterwelt erscheint auch in diesem Lied. „Gnipahellir“ bedeutet „überhängende Höhle“. Damit ist der Eingang zu Hels Hallen gemeint. Das „Überhängen“ bezieht sich vermutlich auf die Deckplatte der Grabkammer.

„Garm“ bedeutet schlicht „Hund“.

Gräßlich heult Garm vor der Gnipahöhle.

I 5. b) Gylfis Vision

In „Gylfis Vision“ wird der Tod des Gottes Tyr durch den Hund Garm, der den Eingang zum Reich der Hel bewacht, beschrieben:

Inzwischen ist auch Garm, der Hund, losgeworden, der vor der Gnipahöhle gefesselt lag: Das gibt das größte Unheil, da er mit Tyr kämpft und einer den anderen zu Fall bringt.

Der gefesselte Hund Garm vor dem Eingang zur Unterwelt ist sicherlich identisch mit dem gefesselten Fenrir an demselben Ort.

I 5. c) Gylfis Vision

Hel bzw. ihr gleichende Riesinnen werden oft mit den Wölfen in Verbindung gebracht. Auch der Wolf, der die Sonne tötet, stammt von einer Riesin ab. Aufgrund der engen Verbindung zwischen dem Göttervater und der Sonne kann man davon ausgehen, daß der Hund Gram, der den alten Göttervater Tyr tötet, der Fenris-Wolf, der den neuen Göttervater Odin tötet, sowie der Wolf, der die Sonne tötet, Varianten ein- und desselben Themas sind.

Besonders prägnant ist Tyrs Tod durch den Hund Garm („Hund“) am Eingang zur Halle der Hel, da dieses Bild in doppelter Hinsicht Tyrs Eintritt in die Unterwelt darstellt.

Da frug Gangleri: „Die Sonne fährt schnell, fast als wenn ihr bange wäre. Sie könnte ihren Gang nicht mehr beschleunigen, wenn sie für ihr Leben fürchtete.“

Da antwortete Har: „Das ist nicht zu verwundern, daß sie so schnell fährt, denn ihr Verfolger ist nah, und sie kann sich nicht anders fristen, als daß sie ihre Fahrt beschleunigt.“

Da frug Gangleri: „Wer ist es, der sie so in Angst versetzt?“

Har antwortete: „Das sind zwei Wölfe; der eine, der sie verfolgt, heißt Sköll ('Schatten'): Sie fürchtet, daß er sie greifen möchte; der andere heißt Hati ('Haß'), Hrodwitnirs ('Listenreicher'?) Sohn, der läuft vor ihr her und will den Mond packen, was auch geschehen wird.“

Da frug Gangleri: „Von welcher Herkunft sind diese Wölfe?“

Har antwortete: „Ein Riesenweib wohnt östlich von Midgard in dem Wald, der Jarnwid ('Eisenwald') heißt. In diesem Walde wohnen die Zauberweiber, die man Jarnwidur ('Eisenwald-Frauen') nennt. Jenes alte Riesenweib gebiert viele Riesenkinder, alle in Wolfsgestalt und von ihr stammen die Wölfe.

Es wird gesagt, der Mächtigste dieses Geschlechts werde der werden, welcher Managarm ('Mondhund') heißt. Dieser wird mit dem Fleisch aller Menschen, die da sterben, gesättigt; er verschlingt den Mond und überspritzt den Himmel und die Luft mit seinem Blut; davon verfinstert sich der Sonne Schein und die Winde brausen und sausen hin und her. So heißt es in der Wöluspa:

Östlich sitzt die Alte im Eisenwald

Und füttert dort Fenrirs Geschlecht.

Von ihnen allen wird eins das schlimmste:

Des Mondes Mörder übermenschlicher Gestalt.

Ihn mästet das Mark gefällter Männer,

Der Seligen Saal besudelt das Blut.

Der Sonne Schein dunkelt in kommenden Sommern;

Alle Wetter wüten; wißt ihr, was das bedeutet?“

Diese Zauberweiber, die die „Alten im Eisenwald“ genannt werden, werden vermutlich eine durch die Assoziation mit den drei Nornen vervielfältigte Hel sein.

Das Eisen ist in vielen alten Religionen ein Symbol für das Jenseits gewesen, da man Eisen zuerst nur aus Meteoriten kannte und man diese Meteoriten für heruntergefallene Teile des Himmels gehalten hat, den man sich daher als eine Eisenschale vorgestellt hat. So ist z.B. auch in den Pyramidentexten der Thron des Pharaos im Jenseits aus Eisen. „Eisen“ ist daher wie die „9“ eine mythologisches Adjektiv mit der Bedeutung „zum Jenseits gehörend“. Der „Eisenwald“ ist folglich das Jenseits und die Eisenwald-Frau die Hel.

I 5. d) Zusammenfassung

Der Riesen-Wolf Fenrir ist ursprünglich der ehemalige Göttervater Tyr als Gott der Wolfskrieger („Ulfhedinn“) gewesen. Er wurde um 500 n.Chr. bei der Absetzung des Tyr als Göttervater in mehrfacher Weise umgedeutet:

Er wurde zu einem Kind des Loki und der Hel-Angurboda und dadurch zu einem Bruder der Hel und des Jörmungandr. Hel und die Riesinnen allgemein benutzen seitdem Fenrir bzw. einen nicht näher benannten Wolf als Reittier.Der Wolf/Hund als Begleiter des Jägers ist in vielen Kulturen auch zu dem Begleiter des Schamanen geworden – beide gehen in das unbekannte Land. Aus dem Wolf/Hund als Schamanen-Begleiter hat sich oft ein Wolf/ Hund als Jenseitswächter entwickelt, also ein Wolf/Hund am Jenseitstor statt auf dem Jenseitsweg – bei den Germanen ist dies Garm am Tor zur Hel. Am bekanntesten ist sicherlich der dreiköpfige Cerberus am Tor zur Unterwelt bei den Griechen.Beim Ragnarök tötet der Hel-Hund Garm den Tyr. Dies entspricht sehr wahrscheinlich dem Abbeißen der rechten Hand des Tyr durch Fenrir. Fenrir/Garm ist der ehemalige Göttervater Tyr als Wolfskrieger. Das Ragnarök ist ursprünglich der Kampf zwischen Loki und Tyr um die Herrschaft gewesen, bei der Loki dem Tyr im Herbst die rechte Hand abgeschlagen hat. Diese alten Vorstellungen sind dazu benutzt worden, um zwei Bildern des Tyr dadurch, daß man sie zu Feinden umgedeutet hat, ihre Kraft zu nehmen – wie der Lateiner sagt: „teile und herrsche“ …

Das im Vergleich zu Garm deutlich prägnantere Bild des Fenrir ist von dem neuen Göttervater Odin für sich beansprucht worden: Er wird beim Ragnarök durch Fenrir getötet.

Das Fressen der Sonne durch einen Wolf ist eine weitere Version dieses Motivs, da die Sonne der ehemalige Sonnengott-Göttervater Tyr ist.

Ein zweiter Wolf frißt den Mond.

Fenrir wurde zwar als Bruder der Hel angesehen, aber da man die Wölfe allgemein als Kinder der Hel-Jarnvidur („Eisenwaldfrau“) angesehen hat, ist deutlich, daß die Wölfe zwar mit der Unterwelt assoziiert worden sind, aber ihr Verwandtschaftsverhältnis mit Hel eine sekundäre Zuordnung ist.

I 6. Das Roß der Hel

I 6. a) Dänische Redewendungen

Helhest ist das dreibeinige Pferd der Hel. Sein Name bedeutet schlicht „Pferd der Hel“ (englisch: „hel-horse“). Seine drei Beine sind eine Assoziation zu den drei Nornen und möglicherweise auch zu dem dreibeinigen Triskelis (Sonne mit drei Beinen) der Kelten und Griechen sowie zu dem ihm entsprechenden germanischen Hrungnir-Herz (Sonne als Dreieck – siehe „Hrungnir-Herz“ in Band 67).

Dieses Pferd ist vermutlich mit dem Pferd, das auf den Runensteinen dargestellt ist und die Toten ins Jenseits trägt, sowie mit den Reitpferden der Walküren identisch.

Man wird auch von einer Assoziation zwischen Helhest und Fenrir ausgehen können, da beide die Reittiere der Hel gewesen sind.

Wie Hel selber wurde Helhest in den Legenden und Bräuchen von Dänemark und dem angrenzenden Schleswig als Bringer von Krankheit und Tod aufgefaßt.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein sagte man in Dänemark über einen Menschen, der laut polternd in einen Raum kam:

„Er kommt herein wie ein Hel-Pferd.“

Ebenfalls aus Dänemark stammt die folgende Redewendung:

„Helhest läuft auf seinen drei Beinen über den Friedhof und holt die Toten.“

In Schleswig sagte man, wenn eine Epidemie ausgebrochen war:

„Hel reitet auf einem dreibeinigen Pferd umher und zerstört die Menschen.“

Wenn es einem Menschen gelungen war, aus einer beinahe tödlichen Situation lebend herauszukommen, sagte man in Dänemark über ihn:

„Er hat dem Tod eine Handvoll Eicheln gegeben.“

Diese Eicheln könnten eine Bestechung des Hel-Pferdes gewesen sein, das den Betreffenden eigentlich in die Unterwelt holen sollte, aber dann doch lieber die Eicheln gefressen hat.

In Dänemark wird folgende Geschichte erzählt:

Eines Abends blickte ein Mann aus dem Fenster seines Hauses auf die Kathedrale von Aarhus und rief plötzlich aus: „Welch ein Pferd ist denn das!?“

Ein Mann, der neben ihm saß, sagte: „Vielleicht ist es das Hel-Pferd.“

„Dann will ich es sehen!“ rief der Mann aus und während er aus dem Fenster blickte, wurde er leichenblaß, aber wollte nachher nicht erzählen, was er gesehen hatte.

Kurze Zeit später wurde er krank und starb.

Bei der Kathedrale von Roskilde spuckten die Leute früher auf einen Stein, von dem gesagt wurde, daß unter ihm ein Helhest begraben liege.

Es wird berichtet, daß

„in früherer Zeit auf jedem Friedhof, noch bevor der erste Mensch dort beerdigt wurde, ein Pferd bestattet wurde. Dieses Pferd erschien dann später von Zeit zu Zeit und wurde 'Hel-Pferd' genannt.“

Dieses Pferd ist von seiner Funktion her offensichtlich mit dem Pferd auf den Runensteinen identisch. Es wird ursprünglich der „Träger zu Hel“ gewesen sein, bevor es zum „Pferd der Hel“ wurde.

I 6. b) Der Runenstein von Alskog

Runenstein von Alskog

Vereinzelt wird auch berichtet, daß Hel auch einen Wagen besessen hat, in dem sie Reisen unternahm, d.h. in dem sie die Toten geholt hat.