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»Ganz große Fantasy, die an Der Herr der Ringe heranreicht.« Cincinnati Post »Tad Williams ist ein großer Erzähler und seine Osten Ard-Bücher sind sein Meisterwerk.« Brandon Sanderson Die Geschichte Osten Ards umspannt viele Zeitalter. Sie zu erzählen brauchte viele viele Jahre. Aber jetzt hat Tad Williams, der große Meister der Fantasy, das Werk um den einstigen Küchenjungen Simon, der König wird, vollendet. Die Fantasywelt ist um ein großes abgeschlossenes Epos reicher! Der Hochhorst wird von den Nornen belagert. Einst die Heimat ihrer unsterblichen Brüder, der Sithi, und heute die Hauptstadt des Königreichs der Menschen, wird die sagenumwobene Burg nun angegriffen. Und während alle durch diesen Angriff auf die Menschheit abgelenkt sind, wendet sich die unsterbliche Königin der Nornen mit Namen Utuk'ku dem geheimnisvollen, schicksalhaften Tal Tanakirú zu – dem Tal der Nebel. Unterdessen eilt Königin Miriamel herbei, um den Hochhorst zu retten und den verräterischen Adligen Pasevalles gefangen zu nehmen, muss jedoch feststellen, dass der Verräter entkommen ist.
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Seitenzahl: 898
Veröffentlichungsjahr: 2025
Tad Williams
Die Kinder des Seefahrers 1
Der letzte König von Osten Ard 4
Aus dem Amerikanischen von Cornelia Holfelder-von der Tann und Wolfram Ströle
Klett-Cotta
Wegen des großen Textumfangs erscheint Die Kinder des Seefahrers.
Der letzte König von Osten Ard 4 in zwei Teilbänden.
Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe zum Zeitpunkt des Erwerbs.
Hobbit Presse
www.hobbitpresse.de
J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH
Rotebühlstraße 77, 70178 Stuttgart
Fragen zur Produktsicherheit: [email protected]
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »The Navigator’s Children.
The Last King of Osten Ard, book 4« im Verlag DAW Books, New York
© 2024 by Beale Williams Enterprise
© Karten by Isaac Stewart
Für die deutsche Ausgabe
© 2025 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart
Alle deutschsprachigen Rechte sowie die Nutzung des Werkes für Text und Data Mining i. S. v. § 44 b UrhG vorbehalten
Cover: Birgit Gitschier, Augsburg,
unter Verwendung einer Illustration von © Max Meinzold, München
Gesetzt von C.H.Beck.Media.Solutions, Nördlingen
Gedruckt und gebunden von GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-608-96611-4
E-Book ISBN 978-3-608-12480-4
Alle Bände der Reihe Der letzte König von Osten Ard widme ich meinen Lektorinnen/Verlegerinnen Betsy Wollheim und Sheila Gilbert sowie meiner Frau und Partnerin Deborah Beale.
Widmung
Vorwort
Hakatri
Erster Teil
Opfertanz
1
Die beißen bös zu
2
Das Etwas im Inneren
3
Alles und das Ende
4
Schicksalsgemeinschaft
5
Die Herzogin
6
Eine Falte im Schleier
7
Durch funkelnde Gänge
8
Ein sehr dünnes Schilfrohr
9
Eine unbekannte Stadt
10
Hymne an die Fackel
11
Frösche und Mäuse
12
Eine Kostprobe der Ewigkeit
13
St. Sutrin
14
Himmelwärts
15
Die richtige Wahl
16
Die untote Kreatur
17
Kaninchen und anderes
18
Die letzte Seefahrerin
19
Steuern in der Roten Schweinelagune
20
Im Tanakirú
Zweiter Teil
Heiliger Same
21
Eine Beichte
22
Feuer aus Kienspänen
23
Ein Hammer und drei Balken
24
Der Kampf über der Schlucht
25
Tuchmarkt
26
Das Gift der Verzweiflung
Dank
Glossar
Personen
Erkynländer
Hernystiri
Rimmersgarder
Qanuc
Thrithingbewohner
Nabbanai
Perdruineser
Wranna
Sithi (Zida’ya)
Nornen (Hikeda’ya)
Tinukeda’ya
Andere
Geschöpfe
Orte
Sonstige Namen und Begriffe
Sterne und Sternbilder
Die Feiertage
Die Wochentage
Die Monate
Wurfknöchel
Die Acht Schiffe
Orden der Hikeda’ya
Die Clans der Thrithinge (und ihr Thrithing)
Wörter und Sätze
Qanuc
Sithi (Zida’yaso)
Nornen (Hikeda’yasao)
Anderes
Über dreißig Jahre sind in Osten Ard vergangen, seit der verheerende Sturmkönigskrieg endete – ein Krieg, der beinahe das Ende der Menschheit bedeutet hätte. König Simon und Königin Miriamel, beim Sieg über den Sturmkönig fast noch Kinder, herrschen jetzt auf dem Hochthron über die Länder der Menschen, aber sie haben den Kontakt zu ihren einstigen Verbündeten, den unsterblichen Sithi, verloren. Tanahaya, die erste Sithi-Gesandte seit Kriegsende, wird auf ihrem Weg zum Hochhorst, dem Sitz des Hochkönigspaars, aus dem Hinterhalt überfallen und durch Giftpfeile schwer verletzt.
Während der Gelehrte Tiamak, Ratgeber und enger Freund des Hochkönigspaars, zusammen mit seiner Frau Thelía das Leben der Sitha zu retten versucht, sind Miriamel und Simon auf einer Hochkönigsreise, die sie zuerst in das Nachbarland Hernystir und zu dessen König Hugo führt. Hugo und seine neue Geliebte, Gräfin Tylleth, irritieren das Hochkönigspaar mit ihrem Verhalten. Königinwitwe Inahwen warnt Graf Eolair, die Hand des Throns, dass Hugo und Tylleth den Kult der Morriga wiederbelebt haben, einer mörderischen alten hernystirischen Göttin.
Auch auf der Hochkönigsreise hat Prinz Morgan, Simons und Miriamels Enkel, nichts anderes im Kopf, als mit seinen Kumpanen Astrian, Olveris und dem alten Porto zu trinken und sich mit jungen Frauen zu amüsieren. Morgans Vater, Prinz Johan Josua – Simons und Miriamels einziges Kind – ist vor einigen Jahren an einer seltsamen Krankheit gestorben. Hinterblieben sind seine Kinder Morgan und die kleine Lillia, seine Witwe Idela und das immer noch trauernde Hochkönigspaar.
Wenn Tiamak gerade nicht die vergiftete Sithi-Gesandte pflegt, sammelt er Bücher für eine Bibliothek, die er zum Gedenken an Johan Josua errichten will. Als sein Gehilfe Bruder Etan die Habseligkeiten des verstorbenen Prinzen durchsieht, findet er ein verbotenes, verrufenes Buch: Abhandlung über die ätherischen Flüsterstimmen. Tiamak ahnt Böses, weil die Abhandlung einst dem Schwarzmagier Pryrates gehörte, der zusammen mit dem Sturmkönig die Vernichtung der Menschheit plante, was allerdings scheiterte.
Der Friede, der Simons und Miriamels Herrschaftszeit prägte, ist zunehmend bedroht. Im eisigen Norden, in der Höhlenstadt Nakkiga unter dem Berg Sturmspitze, ist die Nornenkönigin Utuk’ku aus einem langen magischen Schlaf erwacht. Ihr wichtigster Getreuer, der Zauberer Akhenabi, beordert Viyeki, den Großmagister der Bauleute, zu einer Audienz bei der Königin, die erklärt, dass sie einen neuen Angriff auf die Sterblichenlande plant. Bei einer bizarren Zeremonie wird Ommu, eine Dienerin des Sturmkönigs, die beim gescheiterten Angriff der Nornen auf den Hochhorst umkam, von der Nornenkönigin wieder zum Leben erweckt.
In Elvritshalla, der Hauptstadt von Rimmersgard, treffen Simon und Miriamel ihren alten Verbündeten Sludig und dessen Frau Alva sowie ihre Qanuc-Freunde Binabik und Sisqi wieder. Sie lernen auch die Tochter des Trollpaars, Qina, und deren Verlobten Klein-Snenneq kennen.
Das Hochkönigspaar kommt gerade noch rechtzeitig nach Elvritshalla, um Abschied vom sterbenden Herzog Isgrimnur zu nehmen, der Simon und Miriamel zuletzt noch bittet, die Suche nach Prinz Josua (Miriamels Onkel, Simons Mentor und Johan Josuas Namenspaten) sowie dessen Frau Vara und den Zwillingskindern Derra und Deornoth wieder aufzunehmen – alle vier sind vor zwanzig Jahren auf ungeklärte Art verschwunden. Klein-Snenneq, der von Binabik zum Singenden Mann ausgebildet wird, lernt Morgan kennen und prophezeit, dass er für Morgan genauso wichtig werden wird, wie es Binabik für dessen Großvater, König Simon, war.
Auf einer Burg in Südrimmersgard, wo das Hochkönigspaar und sein Hofstaat auf der Rückreise übernachten, wird Simon bewusst, dass er seit langem nicht mehr geträumt hat. Zur Abhilfe gibt ihm Binabik einen Talisman. In dieser Nacht träumt Simon von seinem toten Sohn und von der Stimme des Mädchens Leleth, die er schon vor dreißig Jahren in Träumen gehört hat. Leleth sagt: »Die Kinder kehren zurück.« Nachdem Simon durch sein Schlafwandeln den ganzen Haushalt erschreckt hat, zerstört Miriamel den Talisman, und Simon verliert wieder die Fähigkeit zu träumen.
Noch weiter im Norden wird die Opfermutige Nezeru, Tochter des Nornenadligen Viyeki und seiner menschlichen Geliebten Tzoja, als Teil einer »Hand« genannten Gruppe von Nornenkriegern ausgeschickt, die Gebeine von Hakatri, dem Bruder des besiegten Sturmkönigs Ineluki, nach Nakkiga zu holen. Angeführt von Makho finden Nezeru und ihre Kameraden die Gebeine, die von den sterblichen Inselbewohnern verehrt werden, und entführen sie. Auf der Flucht vor den Inselbewohnern schafft es Nezeru nicht, ein Kind zu töten, und wird dafür von Makho streng bestraft.
Doch bevor die Hand die Gebeine nach Nakkiga bringen kann, trifft sie auf den Erzzauberer der Königin, Akhenabi, der die Gebeine übernimmt und die Hand mit dem neuen Auftrag, das Blut eines lebenden Drachen zu beschaffen, auf den Berg Urmsheim schickt. Als Unterstützung gibt er dem Trupp den versklavten Riesen Goh Gam Gar mit.
Auf dem Weg zum Berg Urmsheim begegnet die Hand dem Sterblichen Jarnulf, der einst Sklave in Nakkiga war und geschworen hat, die Nornen und ihre unsterbliche Königin Utuk’ku zu vernichten. Da die Hand ihren Echo – ihren ausgebildeten Nachrichtenübermittler – verloren hat, kann Jarnulf die Nornen überzeugen, ihn als Führer mitzunehmen, wobei er jedoch seine eigenen Ziele verfolgt. Der Trupp zieht zu dem Berg, der die letzte bekannte Heimstatt von Drachen ist, und unterwegs hört Jarnulf die Nornen darüber reden, dass ihre Königin die Sterblichen besiegen will, indem sie etwas namens »Hexenholzkrone« zurückerlangt.
In Zentralrimmersgard trifft die Nornenhand auf die königliche Reisegesellschaft, und Jarnulf kann Miriamel und Simon heimlich die Botschaft zukommen lassen, dass die Nornenkönigin nach der geheimnisvollen Hexenholzkrone sucht. Simon, Miriamel und ihre Ratgeber sind alarmiert: Sie haben genügend Anzeichen für die wiedererwachte Aggression der Nornen wahrgenommen, um Jarnulfs Botschaft ernst zu nehmen, obwohl sie noch nie von ihm gehört haben.
In Nabban kümmert sich eine Wranna namens Jesa um Serasina, die kleine Tochter von Herzog Saluceris und Herzogin Canthia, loyalen Verbündeten des Hochthrons. Allerdings ist Nabban wachsenden Spannungen ausgesetzt: Graf Dallo Ingadaris paktiert mit dem Bruder des Herzogs, Graf Drusis. Sie schüren die Angst vor den nomadischen Thrithingbewohnern, deren Lande an Nabban grenzen. Drusis beschuldigt Saluceris, zu feige zu sein, um die Barbaren in ihre Schranken zu weisen und tiefer in ihr Grasland zurückzutreiben.
Unterdessen überfallen Thrithingmänner eine nabbanaische Siedlung. An dem Überfall beteiligt sind der grauäugige Unver, ein adoptiertes Mitglied des Kranich-Clans, und sein Clanbruder Fremur. Bei der anschließenden Flucht rettet Unver Fremur das Leben, vielleicht auch, weil er sich Hoffnungen macht, Fremurs Schwester Kulva heiraten zu können.
Der hernystirische Ritter Aelin erreicht die königliche Reisegesellschaft mit Briefen für seinen Großonkel, den Grafen Eolair. Großkanzler Pasevalles, Eolairs temporärer Vertreter auf dem Hochhorst, schreibt von seinen Befürchtungen Nabban betreffend, und Königinwitwe Inahwen von Hernystir berichtet, dass König Hugo und Gräfin Tylleth immer offener die Verehrung finsterer alter Gottheiten betreiben. Eolair schickt Aelin mit diesen schlechten Nachrichten zu einem vertrauenswürdigen Verbündeten, dem Grafen Murdo. Doch wegen eines Unwetters übernachten Aelin und seine Männer in einer Grenzfestung unter dem Befehl von Baron Curudan, einem Hauptmann der Elitetruppe König Hugos. In der Nacht sieht Aelin außerhalb der Festung schemenhaft ein großes Heer von Nornen, und er beobachtet, wie Curudan sich mit diesen schlimmsten Feinden der Menschheit trifft. Doch ehe Aelin und seine Männer losreiten und diesen Verrat melden können, werden sie von Curudans Soldaten festgesetzt.
In der Nornenstadt Nakkiga wird Viyeki mit seinen Bauleuten von Akhenabi auf eine geheime Mission in die Sterblichenlande geschickt, begleitet von einer kleinen Nornenstreitmacht. Tzoja erkennt, dass sie in Viyekis Abwesenheit in Lebensgefahr ist, denn Viyekis Frau Khimabu hasst sie, weil Tzoja ihm ein Kind – Nezeru – geboren hat, während Khimabu keines bekommen konnte. Tzoja weiß, sie muss fliehen, wenn sie überleben will.
Als Tzoja an ihre Zeit bei den Astalinischen Schwestern in Rimmersgard und an ihre Kindheit in Kwanitupul zurückdenkt, wird klar, dass sie in Wirklichkeit Derra ist, eins der verschwundenen Zwillingskinder des Prinzen Josua und seiner aus den Thrithingen stammenden Frau Vara. Tzoja flieht in Viyekis leerstehendes Festzeithaus an einem See in einer Höhle tief unter der Stadt.
Als die königliche Reisegesellschaft wieder auf dem Hochhorst ist, ersuchen Simon und Miriamel den Ratgeber Tiamak, Isgrimnurs letzte Bitte zu erfüllen und eine neue Suche nach Prinz Josua und dessen Familie einzuleiten. Tiamak schickt seinen Gehilfen Bruder Etan in den Süden, um herauszufinden, was vor zwanzig Jahren passiert ist.
Indessen erklettert Morgan, von Snenneq herausgefordert, den verrufenen Hjeldinsturm und kommt dabei beinahe um. Er glaubt, ganz oben im Turm den längst verstorbenen Pryrates gesehen zu haben, und nimmt Klein-Snenneq ein Schweigeversprechen ab.
Die Anzeichen für neue Angriffspläne der Nornen mehren sich und Simon und Miriamel erkennen, dass diese uralten Feinde mit ihren magischen Kräften zu stark sind, um ihnen allein entgegenzutreten. Daher beschließen sie, Kontakt mit den Sithi aufzunehmen, speziell mit ihren alten Verbündeten Aditu und Jiriki. Auf Simons Drängen willigt Miriamel widerstrebend ein, Prinz Morgan mit Eolair und einem Trupp Soldaten in den Wald Aldheorte zu schicken, um die Sithi zu finden und ihnen die Gesandte Tanahaya zu übergeben, damit sich Sithi-Heilerinnen weiter um sie kümmern können.
Viyeki zieht von Nakkiga in Richtung der Sterblichenlande, begleitet von einer Nornenstreitmacht, die die Sterblichenfestung Naglimund anzugreifen plant. Viyeki erfährt, dass er und seine Bauleute das unter der Festung gelegene Grab des legendären Tinukeda’ya Ruyan Ve ausgraben und dessen magische Rüstung bergen sollen. Viyeki kann sich nicht vorstellen, wie das gehen soll, ohne einen neuen Krieg mit den Sterblichen zu verursachen. Die Tinukeda’ya oder »Wechselwesen« kamen einst mit den Sithi und Nornen nach Osten Ard, sind aber von anderer Art als diese Unsterblichen. In Osten Ard haben die Tinukeda’ya vielerlei Gestalt angenommen und verschiedene Aufgaben erfüllt.
Prinz Morgan und Graf Eolair können schließlich am Rand des Aldheorte tatsächlich Kontakt mit den Sithi aufnehmen. Die Unsterblichen haben ihre Siedlung Jao é-Tinukai’i verlassen, und ihre Matriarchin Likimeya ist, nachdem sie von Sterblichen angegriffen wurde, in einen tiefen, magischen Schlaf gefallen. Khendraja’aro aus dem herrschenden Sithi-Geschlecht namens »Haus der Tanzenden Jahre« hat sich selbst zum Protektor seines Volkes ernannt und weigert sich, den Sterblichen zu helfen, was zu Reibereien mit Likimeyas Kindern Jiriki und Aditu führt. Aditu ist schwanger, bei den Sithi eine Seltenheit. Der Kindsvater ist Yeja’aro, Neffe und militanter Anhänger Khendraja’aros.
In den Thrithingen tötet Unver seinen Rivalen um Fremurs Schwester Kulva im Zweikampf. Kulvas Bruder, Than Ordrig, will seine Schwester jedoch keinem Außenseiter geben und schneidet ihr stattdessen die Kehle durch. Unver tötet Odrig, flieht aus dem Kranich-Clan und kehrt in den Hengst-Clan seiner Mutter Vara zurück. Unver, so erfahren wir, ist in Wirklichkeit Deornoth, das andere Zwillingskind von Josua und Vara. Als Unver von seiner Mutter wissen will, warum er weggeschickt wurde und wo seine Schwester geblieben ist, erklärt ihm Vara, er sei auf Befehl ihres Vaters, des Thans Fikolmij, weggeschickt worden und Derra sei kurz danach weggelaufen.
Than Gurdig, Ehemann von Varas Schwester Hyara und Fikolmijs Nachfolger, greift Unver an, und in der allgemeinen Verwirrung tötet Vara ihren inzwischen alten und siechen Vater Fikolmij. Ein riesiger Krähenschwarm taucht aus dem Nichts auf und attackiert Gurdig und seine Männer, woraufhin viele Thrithingbewohner behaupten, Unver sei der neue Shan, der Herrscher über die gesamten Thrithinge. Unver tötet Gurdig und wird neuer Than des Hengst-Clans.
Hoch im Nordosten schaffen es Makhos Hand und Jarnulf, einen jungen Drachen zu fangen, aber der Mutterdrache taucht auf und es gibt einen Kampf, bei dem Handführer Makho von Drachenblut schwer verbrannt wird und ein anderes Mitglied der Hand umkommt. Die Übrigen machen sich daran, den jungen Drachen den Berg hinabzutransportieren.
Eolair und Morgan kehren von der Mission bei den Sithi in ihr Lager am Rand des Aldheorte zurück, aber ihr Begleittrupp wurde inzwischen überfallen. Alle Soldaten sind getötet worden, und es sind immer noch Thrithingbewohner vor Ort, um zu plündern. Eolair und Morgan werden getrennt, und der Prinz irrt allein durch den Aldheorte.
Auf dem Hochhorst werden Simon und Miriamel zu einer wichtigen Hochzeit in das von Unruhen zerrissene Herzogtum Nabban eingeladen. In der Hoffnung, die Präsenz des Hochkönigspaars werde zur Schlichtung des Konflikts zwischen Herzog Saluceris und dessen Bruder Drusis beitragen, nehmen sie die Einladung an. Wegen der wachsenden Nornengefahr und beunruhigender Nachrichten aus Hernystir können sie nicht beide reisen, also beschließen sie, dass Miriamel zu der Hochzeit fährt und Simon auf dem Hochhorst bleibt.
Großkanzler Pasevalles trifft seine heimliche Geliebte, Johan Josuas Witwe Idela. Als sie ihm einen Brief aus Nabban gibt, den er verloren hat, sieht Pasevalles, dass das Siegel erbrochen ist. Er befürchtet, dass Idela den Brief gelesen hat, und stößt sie die Treppe hinunter. Als er feststellt, dass der Sturz sie nicht getötet hat, bricht er ihr das Genick.
Im Aldheorte erholt sich die Sitha Tanahaya endlich von ihrer schweren Vergiftung und ist nun wieder bei Jiriki und Aditu. Trotz ihrer Genesung sieht die Zukunft düster aus, denn es ist klar, dass die Nornenkönigin Utuk’ku einen Krieg gegen die Sithi und die Menschenwelt plant.
Nach Jahren des Friedens versinkt Osten Ard in Chaos und Krieg. Und König Simon und Königin Miriamel haben sich zu einer Zeit, in der sie einander am meisten brauchen würden, weit auseinandergelebt.
Während Simon zu Hause auf dem Hochhorst in Erkynland bleibt, fährt Miriamel mit dem Schiff nach Nabban zu einer Hochzeit, die zwei mächtige Familien vereinen soll. Drusis, der streitbare Bruder von Herzog Saluceris, heiratet die junge Turi Ingadaris, deren Angehörige die größten Rivalen des Herzogs sind. Doch noch bevor Miriamel sich näher mit der Politik von Nabban befassen kann, kommt von zu Hause die schreckliche Nachricht vom Tod ihrer Schwiegertochter, Prinzessin Idela. Alle glauben an einen Unfall, doch in Wahrheit wurde Idela von Großkanzler Pasevalles ermordet.
Simon muss auf dem Hochhorst nicht nur mit dem Tod seiner Schwiegertochter fertigwerden, sondern auch mit dem Verschwinden seines Enkels, Prinz Morgan, des Thronerben. Morgan und Graf Eolair haben sich mit Jiriki und Khendraja’aro vom Volk der Sithi getroffen und sind dann im weiten Grasland westlich von Erkynland von Thrithingmännern überfallen worden. Eolair wurde gefangen genommen, Morgan ist in dem riesigen Waldgebiet Aldheorte verschwunden. Während der alte Ritter Porto und die vier Trolle Binabik, Sisqi, ihre Tochter Qina und deren Verlobter Klein-Snenneq Morgan suchen, droht der vermisste Prinz im Wald zu verhungern. Doch dann rettet er ein eichhörnchenähnliches Tier, das er Riri nennt und gesund pflegt. Anschließend lebt er mit Riri und deren Artgenossen, die er Tschikri nennt, in den Bäumen und lernt, in der fremden Umgebung zu überleben.
Graf Eolair wird von den Banditen, die ihn entführt haben, zum Thantreffen gebracht, zu dem alljährlich um Mittsommer die Thrithingbewohner zusammenkommen. In diesem Jahr hat der mächtigste Than, Rudur Rotbart, Berichte von Unver gehört (eigentlich »Deornoth«, eines der Zwillingskinder von Josua und Vara), den viele Grasländer für den Shan halten, einen großen Anführer, der in Sagen angekündigt wird. Der eifersüchtige Rudur nimmt Unver gefangen und verurteilt ihn zu Folter und Aussetzung, aber Unver, der grausam ausgepeitscht und über Nacht an einen Pfahl gekettet wird, überlebt und es finden sich Hinweise darauf, dass Wölfe ihn aufgesucht und ihm gehuldigt haben – zumindest ist das eine Geschichte, die sein Freund Fremur und seine Mutter Vara bei den Thrithingleuten verbreiten. Rudur gerät in Bedrängnis und will Unver vergiften, aber irgendwie gibt der Schamane Volfrag Rudur den falschen Becher und er trinkt das Gift selbst. Mit seinem Tod kommt Unver frei und wird zum Shan der Thrithingbewohner ausgerufen.
Unterdessen scheint es Königin Utuk’ku von den Nornen – den ebenfalls unsterblichen Verwandten der Sithi – nach dem Land der Sterblichen zu gelüsten. Sie denkt sogar trotz ihrer katastrophalen Verluste im Sturmkönigskrieg an einen regelrechten Angriff auf die Sterblichen. Die Nornen schließen ein Abkommen mit König Hugo, dem Sterblichenkönig von Hernystir, das es ihnen erlaubt, heimlich sein Land zu durchqueren. Sein Verrat an den Menschen wird allerdings von Ritter Aelin entdeckt, Graf Eolairs jungem Verwandten. Hugos Soldaten wollen Aelin und seine Männer einsperren, aber sie können fliehen und beschließen, andere vor Hugos Verrat und der heranrückenden Nornenarmee zu warnen.
Inzwischen macht sich Großmagister Viyeki, ein wichtiger Nornenführer, wegen Königin Utuk’kus Plänen zum ersten Mal wirkliche Sorgen. Nach der vernichtenden Niederlage der Nornen im letzten Krieg hält er einen zweiten Angriff auf die Sterblichen für eine schlechte Idee. Aber er ist nur einer von wenigen, die Zweifel haben, und bald stellt sich heraus, dass die Nornen Naglimund, die wichtige Festung der Sterblichen, angreifen wollen.
Ritter Aelin und seine Männer eilen nach Naglimund, um die dortige Garnison zu warnen, aber die Armee der Nornen trifft am Abend desselben Tages ein wie sie. Es kommt zu einem grausamen und kurzen Kampf. Die Nornen reißen die Mauern von Naglimund ein und töten die meisten Verteidiger. Es überleben nur die, die Viyeki als Arbeiter für die ihm gestellte Aufgabe braucht, nämlich das Grab Ruyans des Seefahrers zu öffnen, eines Helden des Volks der Tinukeda’ya (oder »Vao«). Dieses Volk von Wechselwesen ist vor Jahrtausenden zusammen mit den Sithi und den Nornen auf den Acht Schiffen nach Osten Ard gekommen, als ihre gemeinsame Heimat, der Garten, von einer tödlichen, unaufhaltsamen Gewalt namens Nichtsein zerstört wurde.
Viyekis sterbliche Geliebte Tzoja wurde als »Derra« geboren und ist das andere verschollene Zwillingskind von Josua und Vara. Nachdem Viyeki Nakkiga im Auftrag der Königin verlassen hat, bekommt Tzoja die Rache von Viyekis mordlustiger Frau Khimabu zu spüren. Sie kann aber fliehen und versteckt sich in den Tiefen Nakkigas, wo sie seltsam deformierten Leuten begegnet, den sogenannten Verborgenen. Sie wird schließlich erwischt, zu ihrer Überraschung aber nicht der rachsüchtigen Khimabu ausgeliefert. Stattdessen soll sie aufgrund ihrer früheren Erfahrungen mit der Sekte der Astalinnen Königin Utuk’ku als Heilerin dienen. Utuk’ku, die als Einzige aller Lebewesen den Garten noch mit eigenen Augen gesehen hat, leidet an ihrem hohen Alter und dem Verlust der Hexenholzbäume, deren Früchte ihr Leben um viele tausend Jahre verlängern konnten. Und als Königin Utuk’ku zum ersten Mal seit einer Ewigkeit Nakkiga verlässt und sich auf den Weg zum eroberten Naglimund im Land der Sterblichen macht, nimmt sie Tzoja und außerdem hunderte von Nornen-Adligen mit.
Im Hochhorst in Erkynland haben König Simon und andere vom Überfall der Thrithingmänner auf ihre Gesandtschaft zu den Sithi und vom Verschwinden Graf Eolairs und des königlichen Erben Prinz Morgan erfahren. Im Glauben, der neue Shan der Grasländer, Unver, halte Morgan womöglich als Geisel fest, entsendet Simon eine Armee unter Morgans anderem Großvater Herzog Osric, um mit Unver über Morgans Freilassung zu verhandeln. Shan Unver hat unterdessen Graf Eolair von den Banditen, die ihn gefangen hielten, gekauft und will ihn als Gesandten für Verhandlungen zwischen sich und dem Hochthron von Erkynland einsetzen. Doch Eolair wird von Ritter Astrian und Ritter Olveris befreit. Vor der Flucht aus Unvers Lager will Eolair noch Vara überreden, mit ihm zu kommen, da Simon und Miriamel sie und ihren verschollenen Mann, Prinz Josua, schon seit Jahren suchen. Aber Vara weigert sich und greift Eolair mit einem Messer an. Zufällig verletzt sie dabei ihre Schwester Hyara, gibt aber Eolair die Schuld daran, der flieht. Unver und die anderen Anführer der Thrithinge fühlen sich durch König Simon verraten, und als es durch einen unglücklichen Zufall zum Kampf zwischen Herzog Osric und den Grasländern kommt, beschließt Unver, in Erkynland einzufallen, um an König Simon Rache für dessen vermeintliches Doppelspiel zu nehmen.
In Nabban, tief im Süden, trifft Königin Miriamel sich unterdessen mit den Ältesten der Niskies und erfährt, dass diese (und andere Nachfahren der Tinukeda’ya, des Volks der Wechselwesen, das mit den Sithi und Nornen aus dem verlorenen Garten gekommen ist) lebhafte Träume haben, die sie aufrufen, nach Norden zu ziehen. Aber Miriamel hat größere Sorgen und gerät schon bald mitten in den tödlichen Machtkampf zwischen Herzog Saluceris und dem mächtigen Haus Ingadaris (in das der Bruder des Herzogs, Drusis, eben erst eingeheiratet hat), der zu einem Bürgerkrieg auszuarten droht. Während die Anhänger der beiden Lager auf den Straßen der alten Stadt aneinandergeraten und Miriamel Lüge und Verrat sogar im Haushalt des Herzogs entdeckt, wird Drusis ermordet. Natürlich gibt man die Schuld daran Saluceris. Die Witwe des Toten, die Kindsbraut Turia Ingadaris, legt Miriamel nahe, Nabban wegen der bevorstehenden gewalttätigen Auseinandersetzungen zu verlassen. Es ist mehr eine Drohung als eine gutgemeinte Warnung.
Im Wald Aldheorte wird Prinz Morgan von der kleinen Riri und ihrer auf Bäumen hausenden Truppe von Tschikri getrennt, als sie über steile Hügel in ein geheimnisvolles Tage voller Nebel und seltsamer Geschöpfe gelangen. Bevor Morgan den anderen noch durch das Tal folgen kann, greift ihn ein riesiges Ungeheuer im Nebel an und er überlebt nur, weil Tanahaya ihn rettet, die Sithi-Gesandte, die im ersten Band, Die Hexenholzkrone, auf dem Weg zum Hochhorst angegriffen wurde und fast ums Leben gekommen wäre. Morgan hat sie zusammen mit Graf Eolair zu ihren Leuten zurückgebracht, die sie heilen konnten. Auf dem Rückweg nach Erkynland hat sie zufällig Morgans Spur entdeckt und ist ihr gefolgt. Auch eine Gruppe von Nornen-Soldaten ist hinter ihm her, doch er und Tanahaya können aus dem Tal fliehen und entkommen. Tanahaya will ihn an einen sicheren Ort in den Bergen bringen, das Zuhause ihres Lehrers Meister Himano, aber sie müssen feststellen, dass die Nornen vor ihnen da waren und den alten Mann ermordet haben. Bei seiner Leiche findet Tanahaya ein Pergament, auf dem steht, dass die Nornen auf der Suche nach Hexenholzsamen sind, die vor langer Zeit unter dem Hochhorst vergraben wurden, der damals noch eine Festung der Sithi war und Asu’a hieß. Tanahaya will diese Nachricht unbedingt an Jiriki und Aditu weitergeben, ihre beiden engen Verbündeten bei den Sithi, aber sie hat keinen »Zeugen«, einen Gegenstand, mit dem man sich auf magische Weise verständigen kann. Deshalb sucht sie mit Morgan die alte Sithi-Stadt Da’ai Chikiza auf, in der Hoffnung, dort einen zu finden. Die beiden werden allerdings von den gegenwärtigen Bewohnern der Stadt gefangen genommen, einer Sekte namens die Reinen, die sich von den Sithi abgespalten hat. Weil Morgan ein Sterblicher ist, droht ihm die Hinrichtung. Als Tanahaya den Reinen allerdings von Himanos Tod und dem Pergament erzählt, erlauben sie ihr widerstrebend, Jiriki mittels eines Zeugen über die Hexenholzsamen zu benachrichtigen, die vielleicht unter dem Hochhorst versteckt sind. Tanahaya kann Jiriki gerade noch sagen, dass Utuk’ku wahrscheinlich versuchen wird, den Hochhorst zu erobern, da werden sie gewaltsam von einer Truppe von Nornensoldaten unterbrochen, die Da’ai Chikiza angreift. Es kommt zum Kampf. Tanahaya kann die Decke eines Saals zum Einsturz bringen. Viele Nornen werden getötet, aber auch sie und Morgan und die anderen Reinen werden unter den Trümmern begraben.
Nicht weit entfernt gelingt Aelin und seinen letzten Männern die Flucht aus Naglimund, sie werden allerdings gleich wieder im Aldheorte gefangen genommen. Doch haben sie Glück: Diesmal sind sie in die Hände der Sithi gefallen, nicht der Nornen.
Auf dem Hochhorst kämpfen Simon, Tiamak und dessen Frau Thelía mit vielen Problemen. Tiamaks Gehilfe Bruder Etan ist im Süden und sucht dort nach Nachrichten von dem seit vielen Jahren vermissten Prinz Josua. Von Bischof Boez erfahren sie, dass mehrere tausend Goldstücke aus der königlichen Schatzkammer fehlen. Es scheint nur noch schlechte Nachrichten zu geben – soeben hat Simon vom Ausbruch des Bürgerkriegs in Nabban erfahren. Er hat Angst um Miriamel, die sich noch dort aufhält.
Und tatsächlich hat sich die Lage in Nabban weiter verschlechtert. Aufgebrachte Bürger, deren Zorn durch verschiedene geheimnisvolle Morde und die Propaganda der Ingadaris geschürt wurde, stürmen den Herzogspalast. Herzog Saluceris wird vom Mob getötet, aber Königin Miriamel hilft seiner Frau, Herzogin Canthia, mit ihren beiden Kindern und dem Kindermädchen Jesa, die aus dem Wran kommt, zu fliehen. Sie gibt Canthia ihren Ehering, damit Simon weiß, dass die Botschaft, die die Herzogin überbringen soll, auch wirklich von Miriamel stammt. Doch dann entgeht Miriamel selbst nur knapp dem Mob und der Zerstörung des Palastes. Allein muss sie durch unwegsames Gelände nach Norden reiten und versuchen, ins sichere Erkynland zurückzukehren. Doch wird sie von Banditen überfallen. Zwar kann sie entkommen, aber ihr Pferd wird getötet und sie fällt einen Hang hinunter und verliert das Bewusstsein. Canthia und Jesa haben sogar noch weniger Glück. Ihre Kutsche wird von Söldnern aus den Thrithingen verfolgt und angezündet. Die Herzogin und ihr kleiner Sohn werden getötet, Canthia verbrennt im Wagen, der von Brandpfeilen getroffen wurde. Das Kindermädchen Jesa kann mit der kleinen Serasina aus der Kutsche fliehen, aber die beiden sitzen jetzt mittellos in einem fremden Land fest und werden immer noch gnadenlos gejagt.
Im Aldheorte suchen Binabik und die anderen Trolle Prinz Morgan, aber der Überfall der Nornen auf Da’ai Chikiza verhindert, dass sie ihn finden. Außerdem stellen sie fest, dass viele Lebewesen und Kreaturen – Menschen, Ghants und sogar Kilpa – wie von einer unsichtbaren Kraft angezogen nach Norden ziehen. Sie beschließen, sich aufzuteilen. Binabik und Sisqi sollen den Hochhorst darüber benachrichtigen, was im Süden passiert, ihre Tochter Qina und deren Verlobter Klein-Snenneq wollen im Wald weiter nach Morgan suchen.
Inzwischen ist Königin Utuk’ku persönlich in der eroberten Festung Naglimund eingetroffen – zum ersten Mal seit Menschengedenken hat sie Nakkiga verlassen, die Stadt im Berg. Viyeki, sein Orden der Bauleute und seine zwangsrekrutierten sterblichen Sklaven öffnen das alte Grab Ruyans des Seefahrers und finden die sagenumwobene Rüstung des Tinukeda’ya-Fürsten. In einer sonderbaren Zeremonie stecken die Zauberer von Utuk’kus Sängerorden die Gebeine Hakatris in Ruyans Rüstung. Hakatri ist der Bruder des Sturmkönigs. Er hat sich am Blut eines Drachen verbrannt und bis zu seinem Tod schreckliche Schmerzen gelitten. (Die Gebeine wurden zuvor von Nezeru und ihren Nornengefährten gefunden und geborgen.) Anschließend wird der Drache, den Nezeru und die anderen auf dem Urmsheim gefangen haben, geopfert. Das Blut wird in die Rüstung gegossen, während Königin Utuk’ku einen schrecklichen Zauber beschwört. Jarnulf, ein Sterblicher, der sich in die Expedition zum Urmsheim eingeschleust und sie dann wieder verlassen hat, hofft auf eine Gelegenheit, die Nornenkönigin von einer Stelle, von der aus er die Zeremonie überblicken kann, mit einem Pfeil zu töten. Aber die Kräfte, die Utuk’ku entfesselt, sind so schrecklich, dass er in Panik flieht. Sogar Viyeki, der bereits erlebt hat, wie Ommu die Flüsternde in einer Zeremonie wiederbelebt wurde, empfindet Ekel, als Ruyans Rüstung, nunmehr beseelt von Hakatris gequältem Geist, zum Leben erwacht. Der auferstandene Sitha tut einen so grässlichen Schrei, dass sogar Vögel tot vom Himmel fallen.
Auf dem Hochhorst erfahren Simon und seine engsten Berater neben anderen schrecklichen Nachrichten – vom Angriff der Nornen auf Naglimund im Norden und vom Vorrücken von Unvers Grasländern über die westliche Grenze –, dass man an der Grenze zwischen Nabban und Erkynland in der Asche einer Kutsche eine Leiche gefunden hat. Sie ist bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, trägt aber Miriamels Ehering. Simon ist am Boden zerstört und ganz Erkynland trauert um seine geliebte Königin.
Am Ende des Vorgängerbands Das Reich der Grasländer bekommt König Simon, der allein auf dem Hochhorst in Erkynland regiert, nachdem seine geliebte Frau Miriamel nach Süden in die von Unruhen erfasste Hauptstadt von Nabban gereist und sein Enkel (und Erbe) Prinz Morgan in den Tiefen des Walds Aldheorte verschollen ist, die Nachricht (und den scheinbaren Beweis), dass Königin Miriamel auf der Flucht vor Aufständischen ums Leben gekommen ist. Simon ist am Boden zerstört, aber er ist der König und muss um seines Volkes willen weitermachen.
In Wirklichkeit hat Miriamel überlebt und konnte aus Nabban fliehen. Allein und ohne Orientierung versucht sie, sich zu Fuß nach Norden zum Hochhorst durchzuschlagen. Unterwegs wird sie von einer in einem Fluss lebenden Kreatur namens Kallypuck angefallen und ertrinkt beinahe. Ein Fischer namens Agga rettet sie, doch wird schnell klar, dass der labile Fremde, der Visionen von einer nahen Zukunft hat, zu der er »gerufen« wird, sie zu seiner Geisel gemacht hat. Agga kettet sie an und will sie in der zukünftigen Welt, von der er träumt, zu seiner Frau machen.
Prinz Morgan, der sich in der alten Sithi-Stadt Da’ai Chikiza verirrt hat, wurde von einer geheimnisvollen Soldatin der Hikeda’ya (Nornen) gefangengenommen, die Nezeru heißt und die halb sterbliche Tochter von Viyeki und Tzoja ist. Ihr militärischer Nornenorden hat sie fälschlich zur Verräterin erklärt, und als die Nornen Da’ai Chikiza angreifen, steht sie zwischen ihnen und ihren eigentlichen Feinden, den Sithi, die die Stadt verteidigen. Morgan soll ihr als Schutzschild dienen und zur Flucht verhelfen; nach einigen Verwicklungen ist Morgan von Nezerus Kampfkünsten stark beeindruckt und die beiden kommen sich ein wenig näher.
Die Sitha Tanahaya, die Morgan bisher begleitet hat, überlebt die Kämpfe in Da’ai Chikiza, obwohl sie von einem einstürzenden Dach begraben wird. Nach einigen sonderbaren, symbolträchtigen Träumen und ihrer Flucht aus den Trümmern merkt sie, dass sie schwanger ist.
Simon und sein wichtigster Berater Tiamak erfahren derweil auf dem Hochhorst Unschönes über die königliche Buchführung – aus der Schatzkammer wurden heimlich große Mengen Goldes entwendet. Als Schuldige kommen nur wenige in Frage: Simon selbst, Tiamak, Herzog Osric und die amtierende Hand des Throns, Pasevalles. Simons anderer vertrauenswürdiger Berater, Graf Eolair, beschließt, in seine Heimat Hernystir zurückzukehren. Grund sind das zunehmend erratische Verhalten von Hernystirs König Hugo und Gerüchte, denen zufolge dieser sich an obskuren magischen Ritualen versucht. Doch als Eolair auf seinem Wohnsitz in Hernystir eintrifft, wird er von Soldaten König Hugos verhaftet und abgeführt.
König Simon erfährt außerdem, dass im Osten Erkynlands eine Schlacht gegen die Thrithing-Männer verloren wurde und Herzog Osric mit seinem erkynländischen Heer vom Anführer der Thrithinge, Shan Unver, in einer Burg namens Winstowe belagert wird. Simon und seine Berater beschließen, eine Armee zu entsenden, um Osric zu befreien. Gegen den Rat Tiamaks besteht Simon, dem nach Miriamels scheinbarem Tod die Lust auf das Leben vergangen ist, darauf, die Armee persönlich nach Winstowe zu führen.
Doch nachdem Simon und die anderen vom Hochhorst nach Winstowe aufgebrochen sind, wird Bischof Boez, der den Diebstahl aus der Schatzkammer entdeckt hat, vergiftet, bevor der Dieb gefunden werden kann, und die Lage auf dem Hochhorst verschlechtert sich rapide. Pasevalles, der Dieb des Goldes und Mörder von Simons und Miriamels Schwiegertochter Idela, versucht, Tiamak und dessen Frau Thelía zu verhaften, um ihnen die Schuld an seinen Verbrechen in die Schuhe zu schieben, doch die beiden können im letzten Moment fliehen, bevor er in ihren Gemächern auftaucht, und niemand weiß, wo sie sind.
Im Aldheorte wird Graf Eolairs junger Verwandter Aelin, der gerade noch entkommen konnte, als die Nornen die erkynländische Festung Naglimund erobert haben, durch Jiriki und Aditu vor den Nornen gerettet. Aditu ist auf dem Weg nach Anvi’janya, um eine wichtige Zeremonie zum Jahresende anzuführen, während Jiriki den Sithi-Kriegern im fernen Tal des Dunkelschmal helfen will. Ayaminu aus Anvi’janya und Yeja’aro, der Vater von Aditus ungeborenem Kind, begleiten sie. Jiriki schickt Aelin und dessen Männer wegen der dortigen unruhigen Lage nach Hernystir zurück. Yeja’aro soll sie hinführen. Yeja’aro ist wütend über diese Aufgabe, bricht aber, obwohl er zuvor versehentlich versucht hat, Aelin zu erwürgen, trotzdem zusammen mit den Sterblichen auf.
Viyeki, Oberhaupt des Bauleute-Ordens der Nornen, reitet auf Befehl der unvorstellbar alten Nornenkönigin Utuk’ku zusammen mit ihrem königlichen Nachfahren, dem Prinz-Templer Pratiki, nach Norden, um dort eine wichtige Aufgabe auszuführen. Er erfährt zwar nicht, worin diese Aufgabe besteht, kommt aber gut mit Pratiki zurecht und bewundert ihn sogar ein wenig.
Im Aldheorte werden Simons Trollfreunde Binabik und dessen Frau Sisqi von ihrer Tochter Qina und deren Verlobtem Klein-Snenneq getrennt. Binabik wird von einer Schlange gebissen und muss erst genesen, bevor er und Sisqi nach den jungen Trollen suchen können. Inzwischen begegnen Qina und Snenneq in einem anderen Teil des Walds Kreaturen wie Kilpa und Ghants, die so hoch im Norden eigentlich nichts zu suchen haben, aber anscheinend zu einem unbekannten Ziel gerufen wurden. Die beiden Trolle lernen auch ein sonderbares Paar kennen, zwei Tinukeda’ya namens Kuyu-Kun und Tih-Rumi. Kuyu-Kun nennt sich »Stimme des Träumenden Meeres« – den Bewahrer der Geschichten und Traditionen der Tinukeda’ya – und behauptet, in prophetischen Träumen das bevorstehende Weltende gesehen zu haben. Diese Auskunft ist der allgemeinen Stimmung nicht zuträglich.
Jesa, vormals Freundin und Kindermädchen der Herzogin von Nabban, überlebt die Ermordung der Herzogin durch Thrithing-Söldner auf ihrer Flucht aus Nabban und kann das Kind ihrer Freundin, die kleine Serasina, retten. Mit dem Säugling versucht sie sich durch das südliche Erkynland nach Norden durchzuschlagen, in der Hoffnung, irgendwann zum Hochhorst zu kommen, wo Miriamel, die Jesa sehr bewundert, Königin ist. Unterwegs begegnet ihr ein scheinbarer Verbündeter, Erbgraf Matreu, den sie aus Nabban kennt, doch wird ihr klar, dass Matreu an der Ermordung der Herzogin beteiligt gewesen sein muss. Durch eine List bewirkt sie, dass er in ein Ghant-Nest stürzt, wo er ein unerfreuliches Ende findet.
Auf dem Hochhorst folgt unterdessen Prinzessin Lillia, Simons und Miriamels jüngeres Enkelkind, heimlich Pasevalles und entdeckt eine Geheimtür, die zu einem Keller unter dem Hochhorst führt. Doch als sie neugierig in die Tiefe steigt, fällt die Tür über ihr zu und sie sitzt in der Falle.
Simon und seine Verbündeten reiten nach Winstowe, wo sie die Thrithing-Leute zurückdrängen können. Simon fordert den jungen Anführer der Thrithinge, Shan Unver, zum Zweikampf heraus. Als in einem entscheidenden Moment Unvers Mutter Vara auftaucht, erkennt Simon plötzlich, dass Shan Unver der Sohn seines alten Verbündeten Prinz Josua ist, des Onkels von Miriamel – Josua und seine gesamte Familie gelten seit Jahrzehnten als vermisst. Simon erklärt, nicht gegen Josuas Sohn kämpfen zu können, und entblößt seine Brust vor Unver. Im nächsten Moment sinkt er in der Annahme, von dessen Schwert tödlich getroffen worden zu sein, bewusstlos zu Boden.
Der Sitha Hakatri, der seit Langem tote Bruder des Sturmkönigs Ineluki, wurde durch einen Zauber Königin Utuk’kus wieder zum Leben erweckt. Sie will ihn für ihre Ziele einsetzen und redet ihm deshalb ein, die Sterblichen hätten seine Familie zerstört. Hakatri, verwirrt durch seine Auferstehung und die Rückkehr der schrecklichen Schmerzen, die die letzten Jahre seines Lebens unerträglich gemacht haben – er hatte sich beim Versuch, seinen Bruder Ineluki zu retten, schwer am Blut eines Drachen verbrannt –, ist zu fast allem bereit, um wieder im Zustand des Vergessens versinken zu können und den furchtbaren Qualen zu entkommen, die ihn fest im Griff haben. Er existiert nur als eine Art Geist, zusammengehalten von der Rüstung Ruyans des Seefahrers. Ruyan, der berühmteste aller Tinukeda’ya, war seinerzeit der Erbauer und Kapitän der Acht Großen Schiffe, auf denen die Tinukeda’ya, Zida’ya (Sithi) und Hikeda’ya (Nornen) nach Osten Ard gekommen sind. Philosophen der Nornen hatten zuvor ein schreckliches Etwas namens Nichtsein geschaffen und auf den Garten losgelassen, in dem sie alle lebten. Dieses Nichtsein verschlang und zerstörte ihr altes Zuhause.
Tanahaya flieht aus Da’ai Chikiza und verbringt einige Tage mit der Suche nach Prinz Morgan. Sie fühlt sich verantwortlich für den jungen Sterblichen, den sie nach Da’ai Chikiza gebracht hat, aber als sie ihn nicht findet, bricht sie nach Norden auf. Sie will nach Anvi’janya, wo ihre engste Freundin Aditu die Jahrtanz-Zeremonie leiten wird, eine Feier, die nur einmal alle sechzig Sterblichenjahre stattfindet. Auf dem Weg dorthin begegnet sie Aditu und Ayaminu – der Quasi-Herrscherin von Anvi’janya – und schließt sich ihnen an. Sie fragt die beiden nach Nachricht von Aditus Bruder (und Tanahayas Geliebtem) Jiriki und erfährt, dass er nach Norden gezogen ist, um an einem geheimnisvollen Ort namens Tanakirú am nördlichen Ende des Dunkelschmal-Tals tief im Aldheorte mit den Sithi gegen Utuk’kus Armee zu kämpfen.
Was König Simon angeht, den viele für tot halten, so begreift er nach einer Reihe von Träumen, in denen er Jirikis und Aditus Mutter Likimeya begegnet und offenbar auch mit ihr spricht – sie ist in der wirklichen Welt in einen todähnlichen Schlaf gefallen –, dass er gar nicht tot ist, sondern einen Schlagfluss gehabt hat. Er sitzt jetzt als Gefangener in einer Zelle tief unter dem Hochhorst, bewacht von dem Verräter Pasevalles. Pasevalles verspottet ihn und erzählt ihm, dass er schon lange darauf wartet, das Königreich von Simon und Miriamel zu Fall zu bringen, Idela ermordet und verschiedene andere schreckliche Verbrechen begangen hat. Simon, angekettet und ihm ausgeliefert, muss wohl oder übel ertragen, wie der Verräter sich an seinem Unglück weidet.
Im südlichen Erkynland ist Jesa aus dem Wran mit der kleinen Serasina auf Miriamel gestoßen und hilft ihr, aus ihrem Gefängnis zu fliehen. Verfolgt von dem tobenden Agga, führen sie ihn in den Tod. Der Kallypuck, den Agga am Leben gelassen hat, um ihn später zu häuten, bekommt ihn mit seinen Schwimmhänden zu fassen. Anschließend machen sie sich auf den Weg zum Hochhorst, doch ohne jemandem zu verraten, wer sie sind, denn Miriamel hat in Nabban von Pasevalles’ Verrat erfahren und weiß nicht, wer jetzt tatsächlich im Hochhorst herrscht. Unterwegs hören sie die Nachricht von Simons angeblichem Tod in den Kämpfen bei Winstowe. Miriamel ist untröstlich, aber sie ist weiterhin die Königin und muss um ihres Volkes willen die Reise zum Hochhorst fortsetzen.
Der Sterbliche Jarnulf, einst Nezerus Gefährte, nachdem er zu ihrer Gruppe von Nornensoldaten gestoßen war, hat die Nornen verlassen, um sein eigentliches Ziel zu verfolgen – den Tod Utuk’kus –, doch er scheitert. Sein Pfeil scheint geradewegs durch Utuk’ku hindurchzugehen, als diese mit einer gewaltigen Armee von Nornen-Opfermutigen nach Süden zum Hochhorst zieht. Jarnulf wird gefangen genommen und soll von dem Nornenzauberer Akhenabi verhört werden, kann jedoch verhindern, sämtliche ihm bekannten Geheimnisse auszuplaudern. Dabei hilft ihm das getrocknete Drachenblut, das er gefunden hat, als er den Nornen half, einen lebenden Drachen zu fangen (der später dazu verwendet wurde, Hakatri in einer magischen Zeremonie aufzuwecken). Jarnulf steckt einen Finger in das Gefäß mit dem Blut und leidet daraufhin solche Schmerzen, dass Akhenabi seine Gedanken nicht lesen kann. Er wird in die Zelle zurückgebracht, die er mit dem Riesen Goh Gam Gar teilt, und entdeckt dort, dass das Blut die Spitze seines Fingers verbrannt hat.
Jiriki ist im Dunkelschmal-Tal eingetroffen und trifft dort seinen Onkel Khendraja’aro. Inzwischen weiß er von Utuk’kus Marsch nach Süden in die Sterblichenlande und bittet seinen Onkel um Hilfe bei der Verteidigung der Sterblichenburg Hochhorst gegen die Nornen. Khendraja’aro weigert sich zunächst, weil die Sithi im Tal gegen die restliche Nornenarmee kämpfen müssen, gesteht Jiriki aber schließlich zu, ein paar Sithi zu rekrutieren und mit ihnen nach Süden zu ziehen, um seinen Sterblichenfreunden zu helfen. (Jiriki weiß noch nicht, was Simon und Miriamel zugestoßen ist.) Der kleine Trupp macht sich auf den langen Weg nach Erkynland und zum Hochhorst.
Nezerus Mutter Tzoja, eins der beiden lange verschollenen Zwillingskinder Josuas und Varas, wie wir inzwischen wissen, wird wegen ihrer Heilkünste verpflichtet, für Königin Utuk’ku persönlich zu arbeiten, bis die Nornenkönigin das eroberte Naglimund verlässt, angeblich um die Nornenarmee nach Süden zum Hochhorst zu führen. Tzoja und ihre Mitsklavin Vordis verstecken Jarnulf, der seinen Nornenhäschern entkommen konnte, aber obwohl sie ihm helfen, sich von den Soldaten fernzuhalten, sind sie trotzdem alle Gefangene der Nornenarmee und werden zusammen mit den anderen Sklaven und Nornenadligen gezwungen, Naglimund zu verlassen und in einer großen Gruppe nach Norden zum Dunkelschmal-Tal zu marschieren. Warum ihnen diese Strapaze zugemutet wird, wissen sie nicht.
Morgan und Nezeru, der Sterbliche und die Hikeda’ya-Kriegerin, haben eine seltsame Beziehung zueinander entwickelt und sind sogar ein Liebespaar geworden, obwohl Nezeru darauf beharrt, dass sie das nur aus Bequemlichkeit sind, wohingegen Morgan doch ziemlich verliebt ist. Sie reisen zum Dunkelschmal-Tal, weil Nezeru mit keiner der beiden Parteien zu tun haben will – sie wird von ihren eigenen Leuten und den Sithi, den Feinden ihres Volks, gleichermaßen gejagt –, müssen aber bald feststellen, dass auch Nornen scharenweise dorthin unterwegs sind.
Als sie und Morgan endlich im Tal ankommen, begegnen sie dem sagenhaften Uro’eni, einem unvorstellbar großen Oger, der so hoch ist wie ein Kirchturm. Genaueres können sie nicht erkennen, weil er immer nur nachts auftaucht. Sie können gerade noch verhindern, von ihm zerquetscht zu werden. Morgan rettet Nezeru im letzten Moment, was ihre ohnehin schon schwierige Beziehung weiter kompliziert, da bisher in der Regel sie ihn gerettet hat.
Als Jirikis Verwandter, der Sitha Yeja’aro, bei Simon auftaucht und ihm eine Nachricht überbringt, glaubt der König, er würde aus seiner Zelle unter dem Hochhorst befreit. Doch die Nachricht hilft ihm in seiner gegenwärtigen Not nicht, weil Yeja’aro sich buchstabengetreu an das hält, was Jiriki ihm aufgetragen hat, und sich weigert, Simon bei der Flucht zu helfen. Dafür lässt er ihm ein Sithi-Hexenholzmesser da, mit dem er sich, wenn er will, selbst töten kann. Simon ist verärgert. Er versucht sich mit Hilfe des Messers von seinen Ketten zu befreien, kann aber nur eine davon entfernen.
Inzwischen kämpft – ebenfalls unter dem Hochhorst, aber noch tiefer – Simons kleine Enkeltochter Lillia ums Überleben. Sie isst Dinge, die ihr ein roter Dämon hinstellt, um sie anzulocken. Der Dämon ist ein geheimnisvolles, höchst bedrohliches Wesen, das Fallen stellt, Stricke herunterfallen lässt und vergiftete Nägel verteilt. Außerdem kann er die unterirdischen Gänge verändern, indem er Wände verschiebt. Lillia überlebt einen körperlichen Angriff des Dämons, entdeckt auf der Flucht einen Weg nach oben und folgt ihm in ihrer Verzweiflung.
Südlich des Hochhorsts sind Jesa und Königin Miriamel in der Stadt Meremund eingetroffen, die treu zu Erkynland steht. Miriamel will mit einem kleinen Heer zum Hochhorst ziehen und Pasevalles stürzen, dem sie jetzt die Schuld an Simons angeblichem Tod und anderen Verbrechen gibt. Jesa will die Königin unbedingt zusammen mit dem Säugling begleiten, Miriamel stimmt dem widerstrebend zu.
Tanahaya, Aditu und Ayaminu treffen in Anvi’janya ein, einer Sithi-Stadt in einer riesigen Höhle im Berg, und Tanahaya sagt Aditu, dass sie von Jiriki schwanger ist. Auch Aditu ist schwanger, allerdings schon länger. Sie macht eine Prophezeiung zu dem Kind, das Tanahaya bekommen wird. Aber Tanahaya ist empört über ihre Freunde Aditu und Jiriki, als sie von dem Geheimnis hinter dem Kampf um das Tanakirú im fernen Tal des Dunkelschmal erfährt, einem Ort, den zu betreten vor Jahrhunderten Amerasu die Schiffgeborene, größte aller Sithi-Matriarchinnen und im Sturmkönigskrieg getötet, allen Sithi verboten hat. Doch sie liebt ihre Freunde und ist nach Kräften bemüht, ihnen zu verzeihen. Das Bewusstsein, so lange mit einer Lüge gelebt zu haben, lastet allerdings schwer auf ihr. Uns anderen wird das Geheimnis des Tanakirú noch nicht enthüllt.
Ein Bote kommt nach Anvi’janya und berichtet, dass die Sithifestung am Dunkelschmal von einer Nornenarmee unter Führung eines untoten Kriegers eingenommen worden ist – der Untote ist der frühere Anführer von Nezerus Hand, Makho. Außerdem ist Aditus und Jirikis Onkel Khendraja’aro gefallen. Die wenigen überlebenden Sithi haben sich zum nördlichen Talende zurückgezogen, dem Tanakirú, um Utuk’kus Armee dort in einem letzten Entscheidungskampf entgegenzutreten. Allerdings wissen nicht einmal die, die das Geheimnis des Tals kennen, warum die Nornenkönigin es so unbedingt in ihren Besitz bringen will.
Auf dem Hochhorst stellt Bruder Etan, zurückgekehrt mit der Nachricht von den Kämpfen um Burg Winstowe und von Simons angeblichem Tod, fest, dass Tiamak und Thelía vor Pasevalles geflohen und verschwunden sind. Er selbst wird als ihr Komplize gefangen genommen. Pasevalles hat den Hochhorst verlassen, angeblich um mit Königin Utuk’ku zu verhandeln, aber kurz darauf taucht eine überraschend große Nornenarmee vor der Burg auf und überrennt die schwachen Mauern. Nornensoldaten dringen ein und zünden alles an. Etan kann sich befreien und versucht nach Kräften anderen zu helfen, die vom scheinbar unaufhaltsamen Vormarsch der Nornen bedroht sind.
Zur gleichen Zeit, als die Burg zu brennen beginnt, findet die kleine Lillia einen Weg aus den unterirdischen Gängen zum Kerker, wo sie auf ihren Großvater Simon stößt. Simon hat mit Hilfe des Messers, das Yeja’aro ihm dagelassen hat, einen Kampf auf Leben und Tod gegen einen Schergen Pasevalles’ für sich entschieden, obwohl sein einer Arm noch gefesselt ist. Lillia schließt die Fessel auf, und sie steigen gemeinsam vom Kerker nach oben. Dort müssen sie feststellen, dass die Burg brennt und von einer riesigen Nornenarmee eingekreist ist. Simon begegnet Jiriki, der mit seinen Sithi zum Hochhorst gekommen ist, den Opfermutigen der Nornen aber nicht standhalten konnte. Doch sobald die beiden vereint sind, stellen sie erstaunt fest, dass die vielen tausend Opfermutigen vor der Burg zusammen mit Königin Utuk’ku wie durch Zauberei schlagartig verschwunden sind. Nur einige Nornenleichen bleiben zurück. Dass die Burg in Flammen steht, ist dagegen keine Einbildung.
Eine groteske, in brennende Binden eingewickelte übernatürliche Gestalt nähert sich ihnen taumelnd. Es ist Ommu die Flüsternde, ebenfalls von Utuk’ku vom Tod auferweckt. Doch dann bricht die schreckliche Erscheinung vor ihnen zusammen. Im nächsten Moment schreit Simons Enkelin auf, weil sie in sich etwas spürt. Ommus Geist ist aus dem sterbenden brennenden Leib in Lillia gefahren.
Und in den fernen nördlichen Bergen um das Dunkelschmal-Tal und das Tanakirú entdeckt Magister Viyeki, betraut mit der gigantischen Aufgabe, mit seinen Bauleuten einen Tunnel durch einen Berg zum Tal hinunter zu treiben, damit die Soldaten der Nornenkönigin den Sithi-Verteidigern in den Rücken fallen können, dass der untote Sitha Hakatri, der Geist in der uralten Rüstung Ruyans des Seefahrers, aus seinem Sarkophag entkommen ist und auf den Berghöhen umherwandert. Viyeki und Prinz-Templer Pratiki wissen zwar beide immer noch nicht, welchem Zweck der Wiedergänger dient, aber sie wissen, dass sie ihn einfangen müssen, weil Utuk’ku sie sonst hinrichten lässt. Also nehmen sie mit einigen Soldaten die Verfolgung auf. Sie finden ihn hoch in den Bergen, wo er am Rand eines Abgrunds sitzt, in das neblige Tanakirú hinunterblickt und auf etwas lauscht, das sie nicht hören, das den auferstandenen Hakatri aber zu faszinieren scheint. Sie bringen ihn ins Lager zurück. Die Flucht ist verhindert, das Geheimnis aber weiter ungelöst.
Warum hast du mich in diese Welt zurückgerufen?, fragte er, als er wieder aus dem Dunkel ins Wachsein gezogen wurde. Obwohl er keinen Körper aus Fleisch und Blut hatte, peinigte ihn immer noch Schmerz, den er mit dem Leben selbst hinter sich gelassen zu haben glaubte, und quälten ihn Gedanken, die nicht von ihm weichen wollten. Warum hast du mich aus dem seligen Vergessen gezerrt? Und wie übst du solche Macht, aus, die Bande des Todes selbst zu zerreißen?
Stell keine Fragen, Hakatri vom Haus der Tanzenden Jahre, beschied ihn die Stimme von Dreien. Du bist gerufen worden, weil nur du tun kannst, was getan werden muss. Du als Einziger von uns bist vom Blut des Drachen berührt worden. Es hat dich verbrannt, aber es hat dich auch verändert. Nur du kannst die Brücke zu der Macht herstellen, die ich brauche.
Du allein von unserem Volk kannst diese Macht in den Dienst dessen zwingen, wonach mich so dringend verlangt – ich meine, wonach uns so dringend verlangt.
Viele haben ein dringendes Verlangen verspürt, seit Jenjiyana die Nachtigall uns aus dem Garten in diese neuen Lande geführt hat. Bei der Erwähnung Jenjiyanas fühlte Hakatri eine Welle des Missfallens von der Stimme ausgehen, was ihn verwunderte. Aber wenige von uns haben je die Kunst gemeistert, die Toten aus ihrer Ruhe zurückzuholen. Wie kommt es, dass ich wieder lebe – wenn man das denn Leben nennen kann?
Du suhlst dich in deinem eigenen Leiden, sagte die Stimme von Dreien, und er fühlte die Verachtung darin. Siehst du nicht, dass du über alle anderen Gartenkinder erhoben worden bist, Hakatri? Ich habe die Drei-die-eins-sind versammelt – der mächtigste Zauber, der je in diesen Landen gesungen wurde –, nur um dich zurückzuholen. Und ich muss ständig von dieser Kraft Gebrauch machen, um dich in der Welt der Lebenden zu halten, aber jeder Moment, den der Gesang anhält, kostet mich einen hohen Preis. Doch ich tue es für unser Volk, um uns vor dem Sterblichengeschmeiß zu retten, das uns zerstört und deine Familie ermordet hat. Willst du da nicht tun, was du kannst?
Es sollte ihn beschämen – das spürte er selbst in seiner traumartigen Verwirrung –, doch stattdessen erzeugte es einen Funken von Widerstand. Und welche von den Dreieinigen bist du, die du für alle drei sprichst?
Das braucht dich nicht zu beschäftigen. Die Gedankenstimme wurde sanfter. Es ist sehr schwer für dich, wie nur ich von allen Lebenden wirklich weiß. Denn auch ich war in den Gefilden hinter dem Schleier, und ich weiß, wie anders dort alles sein kann. Du bist es müde, ins Sein zurückgeholt zu werden, gepeinigt von Schmerz, den du hinter dir gelassen zu haben glaubtest, und verwirrt von Erinnerungen und Dingen, die wie Erinnerungen wirken, aber nur Träume sind. Traue dem allem nicht. Höre nur meine Stimme.
Diese Worte weckten Zweifel in ihm. Konnte das stimmen? Konnten manche der Erinnerungen, die wieder auf ihn eingestürmt waren, nur Phantome sein, Dinge, die nie geschehen waren? Wenn ja, was war dann real? Er wusste, er war Hakatri von den Zida’ya, und er wusste, er war nach jahrelangem Leiden gestorben, aber alles Übrige schien jetzt zweifelhaft.
Schlaf wieder, Prinz der Jahrtänzer, sagte die Stimme von Dreien, und er fühlte eine Kraft jenseits der Worte, die sich seiner bemächtigte. Vor dir liegt eine große Aufgabe, aber noch ist es nicht so weit. Schlaf und ruh dich aus. Du bist für eine große Aufgabe erweckt worden – eine, die deinem Volk Ruhm und ewigen Frieden bringen wird, eine Aufgabe, die nur du erfüllen kannst.
Die Fragen, die ihn immer noch umtrieben, begannen sich aufzulösen und davonzudriften wie Nebel, den ein frischer Wind verweht. Die Stimme sprach wahr, befand er: Zu viel Denken brachte nur Sorgen und Nöte. Erschöpft überließ er sich wieder der Leere.
Ein weiteres Mal trieb er ins Wachsein empor, aber diesmal konnte er nicht ausmachen, was ihn aufgestört hatte: Die Stimme von Dreien hatte nicht gesprochen, aber etwas hatte ihn in der Leere erreicht, während er vor sich hin dämmerte, weder tot noch lebendig, weder richtig schlafend noch richtig wach, ein Stäubchen des Leidens in einem großen, einförmigen Nichts.
Ist es jetzt so weit?, fragte er sich. Soll ich nun die große Aufgabe erfüllen, von der die Stimme von Dreien gesprochen hat, um dann wieder in seliges Vergessen entlassen zu werden?
Denn etwas hatte ihn aus schläfrigem Dunkel emporgerufen, das wusste er, obwohl er nicht sagen konnte, woher oder warum er es wusste. Er versuchte, außerhalb seiner selbst nach dem zu suchen, was ihn erreicht hatte, aber seine Sinne waren fast gänzlich verhungert. Im Dunkel dieses Sarkophags war Sehen bedeutungslos, und der schwere Helm des Seefahrers aus Bronze, Kristall und Golddraht verwehrte ihm auch Hören und Riechen. Doch selbst im Tod konnte er sich erinnern, wie es war zu fühlen. Noch im quälenden Elend seiner letzten Tage, als sein Schiff ziellos dahinsegelte und er sich hilflos in seiner Koje wand, war immer noch der Duft von Bergrosen und Rosmarin und der süß-strenge Geruch von Sanddorn von der nahen Küste zu ihm herübergeweht. In seiner Pein hatte er diese Gerüche kaum zur Kenntnis genommen, aber jetzt, da er in der Rüstung des Seefahrers so hermetisch eingeschlossen war wie eine Grabbeigabe in einem alten, dicht versiegelten Krug, erinnerte er sich daran und sehnte sich danach, seine Sinne wieder zu nähren.
Doch etwas hatte ihn geweckt, und obwohl alles außer Fühllosigkeit ihm wieder schreckliche Pein brachte, war Pein ja Hakatris altvertraute Gefährtin und konnte ihn nicht davon abhalten, fühlen zu wollen.
Also kämpfte er jetzt tief in seinem dunklen Gefängnis darum herauszufinden, was ihn geweckt hatte. Nach einer Zeit pulsender Stille fand er es schließlich – ein schwaches, aber andersartiges, geordnetes Pulsen, etwas, von dem er wusste, dass er es noch nie gefühlt hatte, das ihm aber seltsam bekannt vorkam. Auf- und wieder absteigend hatte es die Form und Kadenz von Musik.
Musik? Konnten die Toten Musik hören?
Hakatri hatte sich daran gewöhnt, in Dunkel und Stille dahinzutreiben, abgesehen von den gelegentlichen Störungen durch die Stimme von Dreien. In den kurzen Momenten, für die die Stimme ihn in die Welt der Lebenden hinausholte, hatte er das, was jenseits seines Rüstungsgefängnisses war, als ein wildes Durcheinander von unkenntlichen Formen und schwachen Leuchterscheinungen wahrgenommen. Jetzt aber war seine Aufmerksamkeit erregt und zum ersten Mal, seit er in dieses seltsame Leben nach dem Tod zurückgezerrt worden war, fühlte Hakatri sich wirklich wach. Und etwas in ihm schwang mit den fernen Phrasen der Musik mit, ja, sehnte sich sogar danach, zu ihrer Quelle zu gelangen. Doch in seinem Sarkophag konnte er sich wohl nur danach sehnen, so wie ein Verdurstender sich nach Wasser sehnt, das er fließen hört, aber nicht erreichen kann.
Was ist da draußen, außerhalb meines Gefängnisses? Ich will es wissen. Das war ein ganz neuer Gedanke. Woher kommt diese Musik? Bin ich der Einzige, der ihren Ruf fühlt?
Getrieben von einem Bedürfnis, das er so lange nicht verspürt hatte, dass er es nicht benennen konnte, schickte er sein Denken hinaus, auf die Suche nach Leben und Bewegung jenseits seines entkörperten Selbst. Wenn er sein Denken bündelte, konnte er allmählich sogar einzelne Gruppierungen dieser Präsenzen unterscheiden. Jede dieser Präsenzen, begriff er, musste ein Lebewesen darstellen. Viele solcher Lebewesen waren um ihn herum versammelt, manche in Bewegung, manche unbeweglich.
Erregt ob dieser neuen Freiheit, ließ Hakatri seine Gedanken weiter nach draußen schweifen, über die Gruppen von Lebewesen in seiner unmittelbaren Umgebung hinaus. Als sich seine Wahrnehmung erweiterte, spürte er kleine Gedankenwirbel, die von diesen schemenhaften Wesen ausgingen, aber es waren unbedeutende Gedanken, kaum mehr als die alltäglichen Vorgänge des Lebens unter den Lebenden.
Können so unbedeutende Wesen wie diese mich zurückgeholt haben? Nein, ihre Präsenzen sind zu gering. Sie müssen die lebenden Diener der Stimme von Dreien sein.
Aber etwas anderes als diese Schatten hatte ihn in seinen Bann gezogen, hatte sein träumerisches Interesse geweckt, und jetzt, da er es erspürt hatte, griff er danach – zuerst nur vage, so wie er einst vielleicht eine ganze Zeitlang auf einen Bach zugegangen wäre, bevor er dessen Murmeln erkannt hätte. Doch als er seine Aufmerksamkeit auf das ferne, unerklärliche Tönen richtete, spürte er, dass es etwas Mächtigeres war als alles andere um ihn herum, selbst die Stimme von Dreien.
Und es sang. Getrennt und unterschieden von allem anderen in dem Dunkel um Hakatri sang es. Und auf irgendeine Art fand der Gesang eine Resonanz in Hakatri selbst, als ob die Rüstung, die ihn umschloss, den Gesang ebenfalls hörte und sogar mit dessen langsamer, komplizierter Melodie mitklänge – eine unerwartete Resonanz, die er in seinem innersten Sein fühlte. Zum ersten Mal brachte ihm dieses Gehäuse aus Kristall und Gold etwas, statt ihn nur hermetisch abzuschotten. Als er seine Gedanken auf die Musik konzentrierte, konnte er den rätselhaften Gesang immer deutlicher hören. Er konnte ihn fühlen. Und der Gesang rief ihn.
Hakatri nahm seine ganze Kraft zusammen, entschlossen, dem mysteriösen Gesang zu folgen. Es war nicht das Spiel von Muskeln und Knochen, das er zu vollbringen versuchte, sondern etwas viel Seltsameres – das schiere Stählen seines Willens, um ihn anstelle des Fleisches zu gebrauchen. Seine nervenlosen, fleischlosen Glieder und damit sein Rüstungsgehäuse zu bewegen war eine Sache kalter Berechnung, einer komplizierten Entscheidung nach der anderen. Er hob die Panzerhandschuhe, in denen Hände hätten stecken sollen, und versuchte sich zu erinnern, wie sich seine lebenden Hände angefühlt, wie sie sich bewegt hatten. Als die leeren Handschuhfinger sich schließlich spreizten, drückte er mit der Kraft, die ihm ein Körper verliehen hätte, gegen den Sarkophagdeckel. Zuerst geschah nichts, und Hakatri verzagte schon – er konnte sich nicht mal sicher sein, ob seine Hände und Arme sich überhaupt bewegt hatten. Er versuchte es noch einmal, ignorierte den Schmerz, der ihn fast immer peinigte, obwohl er keinen Körper mehr hatte – als hätte das Drachenblut nicht nur seine Haut und sein Fleisch verbrannt, sondern auch seinen Geist. Dann bündelte er seinen Willen, bis er nichts mehr war als eine aufwärts gerichtete Kraft, und schließlich hob sich der Deckel einen Spaltbreit an, und einfallendes Licht spielte auf dem zerkratzten Kristall seiner Helm-Augenlöcher. Es war nur das Schummerlicht im Inneren seines Wagens, aber es fühlte sich so erlösend an wie ein Sonnenaufgang.
Er hatte keine Ahnung, wie lange er brauchte, um aus dem mächtigen Hexenholzkasten hinauszukommen. Seine Panzerbewegungen waren grotesk langsam und schwierig, aber das Locken des mysteriösen Gesangs drängte jetzt alles andere in den Hintergrund. Dieser Gesang versprach, ihm wiederzugeben, was er verloren hatte – Sinne, Verstehen, selbst seine Freiheit. Er rief ihn, und langsam, qualvoll, kletterte er aus dem Wagen und in das blendend helle Sternenlicht der Nacht, um dem Ruf Folge zu leisten.
Er stieg jetzt bergauf, dem Gesang folgend, obwohl Richtungen wie Aufwärts und Abwärts für ihn nur noch insofern von Bedeutung waren, als er die Rüstung des Seefahrers aufrecht halten musste. Manche Schritte waren mühsamer als andere, manche Winkel schwieriger, doch obwohl er oft stehen bleiben und nachdenken musste, was tun, stieg er immer weiter bergan. Der mysteriöse Gesang wurde immer mächtiger – eine wilde, vielstimmige Musik, wie er noch keine gehört hatte. Anders als bei der Stimme von Dreien konnte er keine einzelnen Bestandteile des Gesangs hören, nur einen einzigen, herrlichen Chor, der immer kraftvoller wurde, je höher er hinaufstieg, bis er kaum noch an etwas anderes denken konnte.
Doch schließlich kam er nicht mehr weiter. Obwohl das Locken des Gesangs unwiderstehlicher denn je war, gähnte jetzt vor ihm ein Abgrund, ein tiefes Dunkel. So einladend war der Gesang, dass er fast versucht hätte, weiter auf ihn zuzugehen, durch die leere Luft, aber er wusste, dass, auch wenn er keinen fleischlichen Körper mehr hatte, die Rüstung, die ihn umschloss, doch real war und er ohne sie nicht existieren konnte. Er faltete sich in eine ungelenke Sitzposition am Rand des Kliffs, lauschte dem erhabenen Gesang und vergaß eine Zeitlang alles andere.
Doch bald schon schlichen sich Töne einer anderen Art von Gesang in den herrlichen, nahtlosen Chor. Diese neue Musik schien außer Takt mit der pulsenden Perfektion, die ihn hierhergezogen hatte, besaß aber eine eigene Kraft. Um sich nicht von der erhabeneren ursprünglichen Musik abbringen zu lassen, versuchte er, den anderen Gesang auszublenden, konnte es aber nicht. Vielmehr schwoll die Eindringlingsmelodie an und flocht sich in und um den Gesang, der ihn hergebracht hatte, bis er die beiden nicht mehr unterscheiden konnte. Er spürte Lebewesen in der Nähe, schwache, bewegliche Flecken von Wärme, Atem und Geist, und wusste, dass die Diener der Stimme von Dreien gekommen waren, um ihn in die Gefangenschaft zurückzubringen.