Die Korngöttin Sif - Harry Eilenstein - E-Book

Die Korngöttin Sif E-Book

Harry Eilenstein

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Beschreibung

Die Reihe Die achtzigbändige Reihe „Die Götter der Germanen“ stellt die Gottheiten und jeden Aspekt der Religion der Germanen anhand der schriftlichen Überlieferung und der archäologischen Funde detailliert dar. Dabei wird zu jeder Gottheit und zu jedem Thema außer den germischen Quellen auch die Zusammenhänge zu den anderen indogermanischen Religionen dargestellt und, wenn möglich, deren Wurzeln in der Jungsteinzeit und Altsteinzeit. Baneben werden auch jeweils Möglichkeiten gezeigt, was eine solche alte Religion für die heutige Zeit bedeuten kann – schließlich ist eine Religion zu einem großen Teil stets der Versuch, die Welt und die Möglichkeit der Menschen in ihr zu beschreiben Das Buch Sif ist die Korngöttin – was soll man viel dazu sagen? Sie ist die Mutter, die Geborgenheit, das Ernährtwerden, der Schutz ...

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Die Themen der einzelnen Bände der Reihe „Die Götter der Germanen“

Die Entwicklung der germanischen ReligionLexikon der germanischen ReligionDer ursprüngliche Göttervater TyrTyr in der Unterwelt: der Schmied WielandTyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 1Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 2Tyr in der Unterwelt: der ZwergenkönigDer Himmelswächter HeimdallDer Sommergott BaldurDer Meeresgott: Ägir, Hler und NjördDer Eibengott UllrDie Zwillingsgötter AlcisDer neue Göttervater Odin Teil 1Der neue Göttervater Odin Teil 2Der Fruchtbarkeitsgott FreyrDer Chaos-Gott LokiDer Donnergott ThorDer Priestergott HönirDie GöttersöhneDie unbekannteren GötterDie Göttermutter FriggDie Liebesgöttin: Freya und MenglödDie ErdgöttinnenDie Korngöttin SifDie Apfel-Göttin IdunDie Hügelgrab-Jenseitsgöttin HelDie Meeres-Jenseitsgöttin RanDie unbekannteren JenseitsgöttinnenDie unbekannteren GöttinnenDie NornenDie WalkürenDie ZwergeDer Urriese YmirDie RiesenDie RiesinnenMythologische WesenMythologische Priester und PriesterinnenSigurd/SiegfriedHelden und GöttersöhneDie Symbolik der Vögel und InsektenDie Symbolik der Schlangen, Drachen und UngeheuerDie Symbolik der HerdentiereDie Symbolik der RaubtiereDie Symbolik der Wassertiere und sonstigen TiereDie Symbolik der PflanzenDie Symbolik der FarbenDie Symbolik der ZahlenDie Symbolik von Sonne, Mond und SternenDas JenseitsSeelenvogel, Utiseta und EinweihungWiederzeugung und WiedergeburtElemente der KosmologieDer WeltenbaumDie Symbolik der Himmelsrichtungen und der JahreszeitenMythologische MotiveDer TempelDie Einrichtung des TempelsPriesterin – Seherin – Zauberin – HexePriester – Seher – ZaubererRituelle Kleidung und SchmuckSkalden und SkaldinnenKriegerinnen und Ekstase-KriegerDie Symbolik der KörperteileMagie und RitualGestaltwandlungenMagische WaffenMagische Werkzeuge und GegenständeZaubersprücheGöttermetZaubertränkeTräume, Omen und OrakelRunenSozial-religiöse RitualeWeisheiten und SprichworteKenningarRätselDie vollständige Edda des Snorri SturlusonFrühe SkaldenliederMythologische SagasHymnen an die germanischen Götter

Inhaltsverzeichnis

Der Name „Sif“

Die germanische Sif-Überlieferung

Skaldskaparmal (1)

Hymir-Lied (1)

Thrym-Lied

Edda-Prolog

Skaldskaparmal (2)

Skaldskaparmal (3)

Fiölswin-Lied

Skaldskaparmal (4)

Skaldskaparmal (5)

Skaldskaparmal (6)

Die Saga über Bosi und Herraud

Erd-Heilungszauber aus dem Buch „Lacnunga“

Gylfis Vision (1)

Harbard-Lied

Lokasenna

Hymir-Lied (2)

Gesta danorum

Beowulf-Epos

Exeter-Buch: Widsith

Die Saga über Hervor und König Heidrek den Weisen

Skaldskaparmal (7)

Eysteinn Voldason

Alwis-Lied

Thorsdrapa

Gylfis Vision (2)

Grimnir-Lied

Kenningar

Die Saga über Yngvar den Fern-Reisenden

schwedische Folklore

Goldenes Frauenhaarmoos

Die Namen „Sif“ und „Freya“

Jakob Grimm: Deutsche Mythologie

Die wilden Frauen im Wunderberge

Die Roggenmuhme

Zusammenfassung

Entsprechungen zu der Göttin Sif bei den Indogermanen

Biographie der Göttin Sif

Das Aussehen der Göttin Sif

Zugang zu der Göttin Sif

Hymnen an Sif

Getreidegöttin

Sifs Geliebte

Beschützerin-Zauberspruch

Ernte-Zauberspruch

Bitte um Hilfe an Sif

Traumreise zu der Göttin Sif

Sif heute

Themen-Verzeichnis

I Der Name „Sif“

Der Name der Göttin Sif bedeutet „(angeheiratete) Verwandte“. Im Altenglischen lautete dieses Wort „Sib“, im Gotischen „Sibbia“, im althochdeutschen „Sibba“ und im Hochdeutschen „Sippe“. Im ursprünglichen Germanischen kann „Sibja“ aber auch allgemein die Blutsverwandten bezeichnen.

Im Altnordischen erscheint das Wort „Sib“ normalerweise nur im Plural als „sifjar“. Der Singular dieses Wortes, also „Sif“ wurde nur zur Bezeichnung der Göttin verwendet.

„Byggja sifjar“ bedeutete im Altnordischen „heiraten“. Das germanische Wort „bugjan“ hatte die Bedeutungen „winden, tauschen, verleihen, kaufen, verpachten, beschaffen, heiraten“. „Byggja sifjar“ wäre wörtlich übersetzt in etwa „eine Verwandte erhalten“. Die Verwendung von „sifjar“ in diesem Zusammenhang ließ dann aus der ursprünglichen Bedeutung „Blutsverwandte“ mit der Zeit „angeheiratete Verwandte“ werden.

Der Name der Göttin „Sif“ bedeutete zur Zeit der Niederschrift der germanischen Mythen demnach „angeheiratete Verwandte“, d.h. im engeren Sinne „Ehefrau“. Sif ist zu dieser Zeit somit als die Frau eines Gottes aufgefaßt worden.

Die ursprüngliche Bedeutung von „Sif“, also „Blutsverwandte“, könnte durchaus eine ehrerbietige Umschreibung für die wichtigste Blutsverwandte, also für die Mutter gewesen sein. Es wäre also gut denkbar, daß Sif vor allem eine Muttergöttin gewesen ist.

Der Charakters der Sif läßt sich mithilfe ihrer Mythen genauer beschreiben.

II Die germanische Sif-Überlieferung

Die Göttin Sif erscheint in der germanischen Überlieferung nur an wenigen Stellen. Sie hat jedoch in ihren Mythen einige markante Merkmale, sodaß sie deutlich mehr als nur „die schöne Frau des Thor“ gewesen zu sein scheint.

Die Hauptquelle der Kenntnisse über die Göttin Sif ist die Edda, die aus einer anonymen Zusammenstellung von alten Liedern sowie den Prosa-Texten des isländischen Skalden (Dichter) Snorri Sturluson ist. Diese Sammlung stammt aus dem Jahr 1220, aber sie enthält deutlich ältere Vorstellungen, wie sich u.a. daran zeigt, daß einige Motive aus der Edda auch auf den Runensteinen abgebildet sind, die bis zu 800 Jahre älter als die Edda selber sind.

II 1. Skaldskaparmal (1)

In der Skaldskarpamal, dem in der Edda enthaltenen Skalden-Lehrbuch, werden einige Umschreibungen für die Göttin Sif angeführt:

Wie soll man Sif umschreiben? Indem man sie Frau des Thor, Mutter des Ullr, Göttin mit dem schönen Haar, Mit-Frau der Jarnsaxa und Mutter der Thrudr nennt.

Zunächst einmal findet sich hier ein Teil der Familie der Sif dargestellt: Sie ist die Frau des Donnergottes Thor und sie hat zwei Kinder: den Gott Ullr („Großer, Ruhm“) und die Göttin Thrudr („Stärke“). Daneben wird auch ihr schönes Haar betont, das daher eine besondere Bedeutung haben sollte.

Die Bezeichnung der Sif als „Mit-Frau“ der Jarnsaxa stellt sie als eine Göttin dar, die zusammen mit Jarnsaxa einen Mann teilt. Jarnsaxa ist eine Riesin, mit der zusammen Thor die Kinder Magni („Stärke“) und Modi („Wut“) hat. Schon Snorri Sturluson, der Verfasser der Edda, vermutete, daß Sif und Jarnsaxa dieselbe Göttin seien.

Der Name „Jarnsaxa“ bedeutet „Eisenmesser“. Sie erscheint auch als eine der neun Töchter der Göttin Ran, die gemeinsam den Gott Heimdall geboren haben.

In der Edda wird häufig nicht genau zwischen Riesen und Asen unterschieden – die Götter stammen von den Riesen ab und vereinen sich auch oft mit den Riesinnen.

Die Riesinnen scheinen im Großen und Ganzen die Muttergöttin im Jenseits zu sein, die Asen und Menschen ihre Wiedergeburt in der Unterwelt gibt. Am deutlichsten wird dies bei Odin, der als Schlange in die Unterwelt reist, sich dort mit der Riesin Gunnlöd vereint, ihren Göttermet trinkt und dann als Adler nach Asgard zurückkehrt. Diese Odin-Mythe enthält die wichtigsten Motive der Jenseitsreise:

Symbolik der Jenseitsreise

Symbol

Bedeutung

Odin

Urbild des Jenseitsreisenden

(Odin als) Schlange

Jenseitsweg, Jenseitsreisender

Vereinigung mit Gunnlöd

Wiederzeugung (vor der Wiedergeburt)

Met

Wiederstillen (Met des ewigen Lebens)

(Odin als) Adler

(Wiedergeburt als) Seelenvogel

Die Vorstellungen über die Ankunft der Toten im Jenseits sind bei fast allen Völkern eine Analogie zu der Ankunft der Menschen im Diesseits und bestehen aus der (Wieder-)Zeugung, der (Wieder-)Geburt und dem (Wieder-)Stillen. Der wichtigste Teil dieser Symbolik ist die Wiedergeburt, die durch die beiden anderen Motive ergänzt wird.

Da Jarnsaxa die Tochter der Göttin Ran ist und zudem eine der neun Mütter des Gottes Heimdall, kann sie recht sicher auch als Göttin aufgefaßt werden. Die „neun Töchter“ als Mutter des Heimdall sind vermutlich eine Umschreibung für „Jenseits-Muttergöttin“, da die „9“ bei den Germanen ein Symbol des Jenseits gewesen ist. Da Ran eine Göttin der Wasserunterwelt ist, wird man die „neun Töchter“ vermutlich als Beinamen der Ran auffassen können.

Sif-Jarnsaxa wird daher ursprünglich wohl auch nicht die Tochter der Ran gewesen sein. Es wird wohl eher eine große Charakterähnlichkeit von Sif, Jarnsaxa und Ran gegeben haben, die zu einer teilweisen Gleichsetzung dieser Göttinnen/Riesinnen bzw. zu ihrer Auffassung als Verwandte geführt hat. Diese Verwandtschaft zwischen Sif, Jarnsaxa und Ran liegt wahrscheinlich in deren Jenseitsbezug begründet.

Die Verbindung der Sif mit der Unterwelt ergibt zumindestens einen ersten Verdacht, daß sie nicht nur eine Muttergöttin, sondern auch eine Erdgöttin sein könnte. Zu einem solchen Charakter würde auch ihr Name „Sif“ mit der vermuteten ursprünglichen Bedeutung von „verehrte Mutter“ gut passen.

II 2. Hymir-Lied (1)

Im Hymir-Lied wird Thor dreimal als „Sifs Gatte“ umschrieben. Die Auffassung von Thor und Sif als Paar scheint zu Snorris Zeit demnach sehr ausgeprägt gewesen zu sein.

II 3. Thrym-Lied

Auch im Thrym-Lied wird Thor „Sifs Gatte“ genannt.

II 4. Edda-Prolog

Im Vorwort des Snorri Sturluson zur Edda beschreibt er die germanischen Götter als Könige der Vorzeit. Dieselbe Ansicht über die germanischen Götter findet sich auch in der „Gesta danorum“ („Geschichte der Dänen“) des Saxo grammaticus („Saxo der Schriftkundige“).

Im nördlichen Teil der Welt traf und heiratete Thor eine Prophetin, die Sibyl genannt wurde, während wir sie Sif nennen. Ich kenne Sifs Vorfahren nicht, aber sie war die schönste aller Frauen mit Haaren wie Gold. Lorodi, der wie sein Vater wurde, war der Sohn von Thor und Sif.

Hier wird eine neue Eigenschaft der Sif beschrieben: Sie ist eine Seherin. Da die Seherinnen ihre Kenntnisse von den Ahnen und den Göttern im Jenseits erhielten, paßt diese Fähigkeit der Sif zu ihrer bisherigen Beschreibung. Sif erhält als Seherin auch eine Ähnlichkeit mit den Nornen, die die Schicksalsgöttinnen in der Unterwelt gewesen sind. Diese Aussage bestätigt ihren vermuteten Jenseitsbezug.

Ihre „schönen Haare“ werden hier als „goldene Haare“ konkretisiert. Sie erscheint auch insgesamt als schöne Göttin. Ihre Haare scheinen wichtig zu sein.

Möglicherweise ist Snorris mangelnde Kenntnis der Vorfahren der Sif kein Zufall, denn die Muttergöttinnen im Jenseits sind oft „Erste Wesen“ und haben daher keinen Stammbaum. Aber das ist nur ein vager Anfangsverdacht. Diese Aussage des Snorri Sturluson bestätigt aber, daß man Ran nicht als als Mutter der Sif-Jarnsaxa auffassen kann.

II 5. Skaldskaparmal (2)

Die Schönheit der Sif wird indirekt auch im Hrungnir-Lied betont. In dieser Mythe wird beschrieben, daß der Riese Hrungnir alle Asen und Asinnen außer Freya und Sif töten wollte. Diese beiden Asinnen will er hingegen entführen. Dies läßt vermuten, daß Freya und Sif möglicherweise dieselben Göttinnen waren oder sich zumindest von ihrem Charakter her sehr ähnelten.

Freya ist eine Göttin der Schönheit und der Liebe, aber auch eine Göttin der Toten. Diese Kombination ist durch das Motiv der Wiederzeugung entstanden, durch das die Wiedergeburt im Jenseits ergänzt wurde. Durch diese Wiederzeugung war die Muttergöttin, die die Toten wiedergebar, vorher bei der Wiederzeugung auch die Geliebte der Toten. Aus der Kombination der Motive „Tod“ und „Geliebte“ zusammen mit der Vorstellung, daß das Jenseits eine Wasserunterwelt ist, haben sich die „verführerischen und gefährlichen Frauen am Wasser“ wie die Nixen oder die Loreley gebildet.

In den Mythen der Freya wurden die Motive „Tod“ und „Geliebte“ kombiniert, während die Vorstellungen über die Meeresgöttin Ran von den beiden Motiven „Tod“ und „Wasserunterwelt“ geprägt sind.

Falls auch Sif eine solche „Jenseits-Liebes-Göttin“ gewesen sein sollte, würde dies ihren Jenseitsbezug und die Betonung ihrer Schönheit erklären.

Das Hrungnir-Lied beginnt mit der folgenden Szene:

Thor war nach Osten gezogen, Unholde zu töten.

Odin ritt auf Sleipnir gen Jötunheim und kam zu dem Riesen, der Hrungnir hieß. Da frug Hrungnir, welchen Mann er da sehe mit dem Goldhelm, der Luft und Wasser reite? Er sagte auch, er reite ein sehr gutes Roß.

Da sagte Odin, er wolle sein Haupt verwetten, daß kein so gutes Roß in Jötunheim sei. Hrungnir sagte, jenes Roß möge gut sein; aber sein eigenes Roß, das Gullfaxi heiße, mache viel weitere Sprünge.

Hrungnir wurde zornig, sprang auf sein Roß und setzte Odin nach und gedachte, ihm seine Prahlerei zu lohnen. Odin ritt so schnell, daß er eine gute Strecke voraus war; aber Hrungnir war in so großem Jotenzorn, daß er nicht merkte, daß er schon innerhalb der Asenmauer war. Als er nun an das Tor der Halle kam, luden ihn die Asen zum Trinkgelage.

Er trat in die Halle und begehrte einen Trunk. Sie nahmen die beiden Schalen, aus welchen Thor zu trinken pflegte, und Hrungnir leerte sie beide. Und als er trunken wurde, ließ er das Großsprechen nicht; er sagte, er wolle Walhall nehmen und nach Jötunheim bringen, Asgard versenken und alle Götter töten außer Freyja und Sif, die wolle er mit sich heimführen.

„Thor“ bedeutet „Donner“. Er ist der Donnergott – der stärkste der Asen.

„Odin“ bedeutet „Wut, Ekstase“. Er ist der Schamanengott, der Kriegsherr und der Göttervater.

„Sleipnir“ ist Odins achtbeiniges Pferd. Dieses Doppelpferd ist eine Zusammenfügung der beiden Pferde vor dem Wagen des indogermanischen Göttervaters Dhyaus, der bei den Germanen „Tyr“ heißt. Diese Pferdezwillinge sind am besten unter dem griechischen Namen „Dioskuren“ bekannt. Der Name „Sleipnir“ von Odins „Doppelpferd“ bedeutet „Dahingleitender“. Sleipnir kann auch durch Luft und Wasser reiten. Dieses Motiv ist eine häufige Weiterentwicklung der Fähigkeit eines Tieres, eines Schiffes (Freyrs Skidbladnir), eines Schuhpaares (Lokis Schuhe) o.ä., die alle ursprünglich einmal Hilfsmittel gewesen sind, um in das Jenseits zu reisen.

„Jötunheim“ ist der Wohnort („Heim“) der Riesen („Jötun“). „Jötun“ ist eine Bezeichnung für die Riesen und bedeutet „Gefräßiger“.

„Hrungnir“ bedeutet „Lärmer“. Er ist einer der vielen Riesen, als der der ehemalige Sonnengott-Göttervater Tyr im Jenseits erscheint.

„Gullfaxi“ bedeutet „Goldmähne“. Der Name erinnert sehr an Freyrs Eber „Gullinborsti“ („Goldborste“). Da dieser Eber auch durch Luft und über Wasser laufen kann und strahlend golden leuchtet, könnte er ein Symbol für die Sonne (Tyr-Hrungnir) sein.

„Walhalla“ bedeutet „Totenhalle“. Dorthin lädt Odin die im Kampf gefallenen Germanen ein.

„Asgard“ bedeutet „hoher Ort“ und ist die Wohnstätte der Asen – sozusagen der germanische Olymp.

II 6. Skaldskaparmal (3)

Sifs goldene Haare sind mit einer Mythe verbunden, die ihre goldenen Haare anderen wichtigen Dingen, die die Asen besitzen, gleichsetzt. Dies bestätigt die Annahme, daß Sifs Haare nicht nur einfach Haare sind, sondern darüber hinaus eine wichtige mythologische Symbolik haben.

Loki, Laufeyjas Sohn, hatte der Sif in hinterlistiger Weise alles Haar abgeschoren. Als Thor das gewahrte, ergriff er Loki und würde ihm alle Knochen zerschlagen haben, wenn er nicht geschworen hätte, von den Schwarzelfen zu erlangen, daß sie der Sif Haare von Gold machten, die wie anderes Haar wachsen sollten.

Darauf fuhr Loki zu den Zwergen, die Iwaldis Söhne heißen. Diese machten das Haar und zugleich Skidbladnir und den Spieß Odins, der Gungnir heißt.

Da verwettete Loki sein Haupt mit dem Zwerge, der Brock heißt, daß dessen Bruder Sindri nicht drei ebenso gute Kleinode machen könnte, wie diese wären.

Und als sie zu der Schmiede kamen, legte Sindri eine Schweinshaut in die Esse und gebot dem Brock zu blasen und nicht eher aufzuhören, bis er aus der Esse nähme, was er hineingelegt. Aber sobald Sindri aus der Schmiede gegangen war und Brock blies, setzte sich eine Fliege auf seine Hand und stach ihn. Dennoch hörte er nicht auf mit Blasen bis der Schmied das Werk aus der Esse nahm. Da war es ein Eber mit goldenen Borsten.

Darauf legte er Gold ins Feuer und gebot ihm, zu blasen und nicht eher mit Blasen abzulassen, bis er zurückkäme. Er ging hinaus; aber die Fliege kam wieder, setzte sich jenem auf den Hals und stach nun noch einmal so stark; doch fuhr er fort zu blasen bis der Schmied aus der Esse einen Goldring zog, der Draupnir heißt.

Darauf legte er Eisen in die Esse und hieß ihn blasen und sagte, alles sei vergebens, wenn er mit Blasen innehielte. Da setzte sich ihm eine Fliege zwischen die Augen und stach ihm in die Augenlider, und als das Blut ihm in die Augen troff, daß er nichts mehr sah, griff er schnell mit der Hand zu, während der Blasebalg ruhte, und jagte die Fliege fort. Da kam der Schmied zurück und sagte, beinahe wäre das nun völlig verdorben, was in der Esse läge. Darauf zog er einen Hammer aus der Esse.

Alle diese Kleinode legte er darauf seinem Bruder Brock in die Hände und hieß ihn damit gen Asgard fahren, die Wette zu lösen.

Als nun er und Loki ihre Kleinode brachten, setzten sich die Götter auf ihre Richterstühle, und es sollte das Urteil gelten, das Odin, Thor und Freyr sprächen.