Die Legende von Yranisar - Klingenhüter - Hendrik M. Bekker - E-Book

Die Legende von Yranisar - Klingenhüter E-Book

Hendrik M. Bekker

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Beschreibung

Aus den Händen der Orks entriss Turek ein Bruchstück der Klinge von Yranisar - ein mächtiges, magisches Artefakt. Doch nur mit dem vollständigen Schwert kann der Kronprinz seinen Thron aus den Händen des Königsmörders Jarawan zurückfordern.

Nur einige wenige Gefährten sind Turek geblieben, um die beiden fehlenden Teile zu finden: seine zauberkundige Schwester Jelina und der treue Ritter Joran, außerdem der Zwerg Pedrog Steinschädel und der Halbling-Priester Jeno. Doch diese kleine Schar von Verbündeten wird kaum reichen, um Jarawan die Stirn zu bieten. Zudem drängt die Zeit: Denn während Turek nach den Klingensplittern sucht, überzieht der Thronräuber das Land mit Krieg und Zerstörung ...

Ein junger Held und das Abenteuer seines Lebens, eine atemberaubende Welt im Stile von J.R.R. Tolkien, High Fantasy mit Schwert und Magie: Das ist die Legende von Yranisar!

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Inhalt

Cover

Weitere Titel des Autors

Über dieses Buch

Über den Autor

Titel

Impressum

KAPITEL 1: ALTE BEKANNTE

KAPITEL 2: HAMMERICH

KAPITEL 3: DIE BITTE EINES FÜRSTEN

KAPITEL 4: DIE GESANDTE

KAPITEL 5: DER STAMMESKRIEGER

KAPITEL 6: ANGRIFF AUF DIE HAFENSTADT

KAPITEL 7: DIE EWIGE STADT

KAPITEL 8: IN ARTHARUS RÜCKEN

Weitere Titel des Autors

Die Legende von Yranisar, Band 1: Thronraub

Die Legende von Yranisar, Band 3: Schicksalsschmied (Juni 2019)

Über dieses Buch

Aus den Händen der Orks entriss Turek ein Bruchstück der Klinge von Yranisar – ein mächtiges, magisches Artefakt. Doch nur mit dem vollständigen Schwert kann der Kronprinz seinen Thron aus den Händen des Königsmörders Jarawan zurückfordern.

Nur einige wenige Gefährten sind Turek geblieben, um die beiden fehlenden Teile zu finden: seine zauberkundige Schwester Jelina und der treue Ritter Joran, außerdem der Zwerg Pedrog Steinschädel und der Halbling-Priester Jeno. Doch diese kleine Schar von Verbündeten wird kaum reichen, um Jarawan die Stirn zu bieten. Zudem drängt die Zeit: Denn während Turek nach den Klingensplittern sucht, überzieht der Thronräuber das Land mit Krieg und Zerstörung …

Über den Autor

Hendrik M. Bekker, geboren 1991, schreibt Fantasy, Science Fiction, Krimis und historische Romane. Auf die Frage, warum er gerade Fantasy schreibt, lautet seine Antwort: »Grundsätzlich schreibe ich Geschichten, die ich selbst gerne lesen würde. In der Fantasy kann buchstäblich alles passieren, was überhaupt vorstellbar ist, denn die Magie sprengt alle Grenzen.«

Mit den Yranisar-Romanen schuf er eine klassische Fantasy-Saga in der Tradition von Terry Brooks, Dennis L. McKiernan und David Gemmell.

Hendrik M. Bekker

KLINGENHÜTER

Fantasy-Roman

beBEYOND

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Catherine Beck

Lektorat/Projektmanagement: Lukas Weidenbach

Covergestaltung: Massimo Peter-Bille unter Verwendung von Motiven © Shutterstock Sk_Advance studio | Liu zishan | Dmitrijs Bindemanis

eBook-Erstellung: 3WplusP GmbH, Rimpar

ISBN 978-3-7325-6337-1

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

KAPITEL 1: ALTE BEKANNTE

So sagt man aber, das Dunkle Volk herrschte mehr als vierhundert Jahre über das Land. Es brauchte niemanden zu fürchten, denn die Elben hatten sich nach der verlorenen Schlacht in ihre Wälder zurückgezogen. Es gibt nicht wenige, die behaupten, die Elben selbst seien verantwortlich für das Dunkle Volk, doch für derartige Berichte fehlen die Belege.

Bedeutend hingegen sowie gut belegt ist, dass König Hokor von Penakil bereits in jungen Jahren den Plan fasste, der Gewaltherrschaft des Dunklen Volkes ein Ende zu machen.

Die Geschichte wurde an anderer Stelle zur Genüge erzählt. Interessanter hingegen ist die Legende der Klinge von Yranisar. Das Schwert ist für jeden sichtbar in der Klaue des Adlers von Hertharas verewigt. Es ist aber nicht nur die Waffe, die König Brodor von den Zwergen überreicht wurde. Es gibt auch verbriefte Beobachtungen, dass die Zwerge die Waffe verzauberten. Nicht nur der König, sondern jeder in der Nähe der Klinge soll daran gehindert werden, eine Lüge auch nur auszusprechen. Wir sehen dort erneut die häufige Spitzfindigkeit der Zwerge, vor der man sich in Acht nehmen muss.

- AUS: »ÜBER VERBRIEFTE UND ERFUNDENE MAGISCHE WAFFEN« VON FEROBALD VON SCHLICHTENBERG, PROFESSOR DER AKADEMIE VON ARTHORUM

Turek von Hertharas sah zu, wie seine Schwester Jelina mit dem Zwerg Pedrog im magischen Portal des Felsens vor ihnen einfach verschwand. Sie trat in den Fels und war fort. Jeno und der alte Joran folgten ihr. Turek blieb allein zurück. Er hatte Angst, durch das Portal zu schreiten, doch nur auf der anderen Seite konnte er die weiteren Bruchstücke der Klinge von Yranisar finden. Sein Onkel Jarawan hatte seinen Vater ermordet, um an dessen Thron zu gelangen. Und nur, indem er die Klinge von Yranisar wiederherstellte, konnte Turek seinen Vater rächen. Er seufzte und holte tief Luft, bevor er ebenfalls durch das Portal schritt.

Sofort wurde ihm eiskalt. Wasser drückte von allen Seiten auf ihn ein. Er war auf dem Grund des Seanasees und schluckte Wasser.

Er stieß sich mit den Beinen ab und kam an die Wasseroberfläche. Seine Lunge füllte sich mit frischer kalter Luft, die in seiner Brust biss. Zu seiner Überraschung war es hier weniger kalt als bei den Halblingen. Es musste ein milder Herbsttag sein, ging es ihm durch den Sinn. Um ihn herum kämpften die anderen darum, die wenigen Schritte bis zum Land zu schwimmen. Jeno kam am wenigsten damit zurecht, sodass Turek kurzerhand den Halbling am Kragen packte und hinter sich her zum Ufer zog.

Ein frischer Wind wehte durch die Zweige der Bäume. Turek musterte sie genauer.

Das rote und braune Laub des Herbstes war verschwunden. Frische junge grüne Triebe waren zu erkennen.

»Es ist Frühling«, sagte er leise. Dann drehte er sich zu Joran herum. »Es ist Frühling«, wiederholte er und deutete auf die Bäume.

»Das ist nicht möglich!«, rief Joran zurück. »Wir waren nur eine Handvoll Tage bei den Halblingen. Wie sollte da schon der Winter vorbei sein?«

»Wir wissen nicht, wo wir waren«, sagte Jelina. »Magische Portale ...« Sie zögerte und zog ihre Kutte aus. Dann wrang sie das Wasser heraus. »Magische Portale fühlen sich wie eine Tür an. Ich gehe hindurch und bin woanders. Aber das ist Unsinn. Sie tragen einen über weite Strecken, es vergeht Zeit. Als wir bei den Halblingen waren, mag hier der Winter begonnen haben, und als wir zurückkehrten, endete der Winter.«

»Das heißt, wir haben den ganzen Winter verloren?«, rief Turek aus. Angst packte sein Herz. »Jarawan hat diese Zeit gewonnen, wir haben sie verloren.«

»Nein, Turek, wir haben sie nicht verloren«, beruhigte ihn Joran. »Er mag dich für tot halten, weil wir so lange weg waren. Das dient uns durchaus.«

»Wir brauchen ein Feuer«, sagte Pedrog. Der Zwerg zitterte am ganzen Leib. »Ich erfriere sonst noch!«

»Sammelt Holz«, entschied Turek und deutete auf Jelina. »Und du mach uns ein Feuer. Wir müssen uns trocknen.«

Sie beeilten sich, Feuerholz zu sammeln, und bald darauf knisterten die Flammen hoch. Rund um das Feuer saßen sie am Strand des Seanasees, und ihre Kleidung begann zu dampfen.

Sie teilten ihre Vorräte untereinander. Einen Großteil hatten sie mit den Pferden verloren, doch die Halblinge hatten ihnen einen herzhaft schmeckenden Zwieback gegeben, in dem gedörrtes Fleisch eingebacken war. Er schmeckte erstaunlich kräftig und machte ziemlich satt. Zu Tureks Überraschung war er in den dicken Blättern einer fremden Pflanze, in die die Halblinge den Zwieback eingewickelt hatten, trocken geblieben.

Turek merkte, wie er schläfrig wurde.

Jeno stemmte sich mit seiner Halblingssense Fino‘Mar hoch und streckte sich. Die Sense war, anders als eine gewöhnliche, weiter nach oben gebogen und auf die Größe des Halblings abgestimmt. »Ich werde noch mehr Feuerholz holen gehen«, sagte er.

Turek wollte ihn gerade berichtigen, dass sie noch genug hatten, merkte dann aber, dass der Halbling wohl eher dem Ruf der Natur folgen wollte. Er spürte, wie ihm die Augen zufielen.

»Was ist nun unser Plan?«, fragte Jelina.

Er öffnete die Augen wieder und gähnte herzhaft. »Wir müssen zu den Säulenbergen«, sagte er. »Dort fiel Großvater Brodor in der Schlacht gegen die Trolle. Die Trolle wurden damals zurück zu den Bergen getrieben und sind seitdem unser unfreiwilliger Verteidigungswall gegen das Dunkle Volk.«

»Das Dunkle Volk wurde unter die Erde verbannt«, sagte Pedrog altklug. »Sie werden dort nicht mehr hinaufkommen. Die Trolle bewachen nur leere Höhlen.«

»Das glaube ich nicht«, sagte Jelina. »Im Orden gibt es Schriften, die nahelegen, dass das Dunkle Volk einen anderen Lebenszyklus hat als wir. Wie bei Heuschrecken dauert es zwischen einer Plage und der nächsten oft viele Winter. Darum ist es wichtig, dass die Trolle in diesen Höhlen leben. Wenn das Dunkle Volk zurückkehrt, werden sie erst mal auf die Trolle stoßen.«

»Wenn sie zurückkehren?« Pedrog spuckte ins Feuer. »Unsinn. Sie wurden vernichtend geschlagen von Fürst Brodor von Penakil, der danach zum König gewählt wurde. Das Dunkle Volk kommt nicht mehr zurück.« Er wrang sich den noch immer nassen Bart aus. »Die Zwerge haben damals mit mehreren Hundert Kriegern an Brodors Seite gekämpft, ebenso die Drachenkrieger. Die hätte ich gern in Aktion gesehen.« Pedrog blickte zu Turek. »Hast du so einen schon mal gesehen?«

Turek schüttelte den Kopf. »Ich weiß, dass das Reich der Drachenkrieger im Norden an unseres grenzt. Kre-Dal, das Drachenreich, ist ein Königreich voller Wunder. So erzählt man sich jedenfalls.«

»Wunder?«, fragte Joran und lachte. »Nein, aber voller fremdartiger Biester.«

»Hast du schon mal einen Drachen gesehen?«, fragte nun Pedrog neugierig. Joran nickte.

»Ich war in der freien Handelsstadt Talitze. Dort gibt es Lastdrachen, die sie aus Kre-Dal bekommen. Einen der Drachenkrieger habe ich nicht gesehen.«

»Vielleicht hast du sie ja gesehen«, sagte Pedrog verschwörerisch.

»Wie meinst du das?«, fragte Joran. Er sah den Zwerg neugierig an.

»Na ja. Es heißt doch, dass die Drachenkrieger sich verwandeln können. Dass sie nicht nur auf Drachen reiten, sondern manche von ihnen wirklich welche sind. Dass sie sich willentlich in einen Drachen verwandeln. So richtig mit Schuppen und Klauen und Feuer.« Pedrog sprach nun etwas leiser.

»Das ist Unsinn«, meinte Joran. »Diese Gerüchte gab es immer. Brodor hat nie etwas dergleichen gesagt.«

»Hast du ihn gefragt?«, erwiderte der Zwerg scharfzüngig. »Hast du genau danach gefragt? Je einen Drachenkrieger im Kampf gesehen zu haben? Mein Volk fürchtet die Drachenkrieger, sie haben unreines Blut.«

»Er spricht die Wahrheit«, sagte Jelina, bevor Joran etwas erwidern konnte. »Sie können sich in Drachen verwandeln. Der Orden der Freien weiß davon.«

»Könnt ihr es auch?«, fragte Turek neugierig. »Euch verwandeln?«

»Dazu darf ich nichts sagen«, erklärte Jelina mit einem entschuldigenden Lächeln. Pedrog klatschte in die Hände.

»Also ja«, rief er fröhlich aus.

Jelinas Wangen röteten sich. Turek war sich sicher, dass das nicht von den Flammen herrührte.

»Hüte deine Zunge, Zwerg.«

Pedrog lachte, sagte aber nichts. Aus seiner Gürteltasche zog er die kleine Schnapsflasche, die er sich bei den Halblingen gekauft hatte. Zufrieden verzog er das Gesicht nach einem Schluck.

»Oh, das wärmt von innen. Herrlich. Wie Feuer.«

Er reichte die Flasche an Jelina. »Frieden«, sagte er und nickte auch Joran zu. Der lachte. Jelina nahm einen Schluck und reichte sie Joran, der es ihm gleichtat.

Turek bekam sie als Letzter und trank ebenso einen Schluck. Der Schnaps brannte in seiner Kehle und kratzte. Doch er wärmte ihn von innen, wie es keine heiße Suppe vermocht hätte.

Er gab die kleine Flasche an Pedrog zurück.

»Wo ist dieser verdammte Knirps denn so lange?«, fragte der Zwerg und sah in die Wälder. Er erstarrte und griff nach seinem Beil.

Dann erhob er sich und ging einige Schritte zum Waldrand. Seine vom Feuer geblendeten Augen hatten Schwierigkeiten, in der Dunkelheit des Waldes etwas zu erkennen. »Wer bist du?«, schaffte er noch zu sagen, als ihn ein dunkler Arm nach hinten warf.

Turek war sofort hellwach und auf den Beinen. Er zog in einer fließenden Bewegung sein Schwert und wirbelte herum.

Ein Mann stand am Waldrand. Er hatte dunkles kurzes Haar, das an den Schläfen ausrasiert war. Wie Jelina hatte er dort Zeichen eintätowiert. Er trug eine bodenlange Kutte und hielt ein Schwert in der Hand. Seine weißen Augäpfel ließen es Turek eiskalt den Rücken hinunterlaufen.

»Turek von Hertharas«, sagte der Mann mit kratzender Stimme. Es war, als würde jemand Nägel über ein Schwert ziehen. Er warf Jelina einen Blick zu. »Das trifft sich. Jelina von Hertharas, ergib dich, und deinen Freunden wird nichts geschehen.« Er bewegte sich langsam auf die Gruppe zu. Seine Kutte bestand aus vielen kleinen Stücken verschiedenfarbigen Leders. Wie eine Echsenhaut bewegte sie sich.

»Ich werde mich Euch nicht ergeben«, zischte Jelina. »Ihr solltet das noch einmal durchdenken, wer sich hier wem ergibt. Wir sind zu fünft, Ihr allein.«

Vared Nakan zuckte mit den Schultern und schenkte ihr ein eisiges Lächeln. »Das bin ich niemals, Kindchen. Aber nun, wie Ihr wollt«, sagte er. In diesem Augenblick malte er ein Zeichen mit der linken Hand in die Luft, und Blitze zuckten über seine Schwertklinge. Er sprang vor, und sein Schwert traf auf die Klinge von Joran.

Joran taumelte zurück. Die Blitze sprangen auf sein Schwert über und ließen seine Hand krampfhaft zucken. Sein Schwert fiel dampfend zu Boden. Noch einige wenige Blitze zuckten über die Klinge, bevor sie verloschen. Joran taumelte rückwärts und versuchte, seinen Arm unter Kontrolle zu halten. Pedrog war sofort heran und hieb mit seinem Beil in den Rücken des Angreifers. Es blieb in der dicken ledrigen Kutte stecken. Der Mann knurrte und drehte sich herum. Dabei schaffte es Pedrog, seine Axt in der Bewegung herauszureißen. Vareds Schwert traf auf die Axt des Zwerges. Pedrog blockte mit Mühe den Hieb durch den Stiel der Axt ab. Zeichen flammten auf dem Axtkopf auf, als die Blitze auch über die Axt zuckten. Was auch immer für eine Magie in die kunstfertige Axt des Zwerges eingewoben war, sie verhinderte, dass Vareds Zauber wirkte. Vared bekam hingegen die Wirkung selbst zu spüren. Er schrie auf wie ein getretener Hund. Turek kam es vor, als hörte er zwei Stimmen gemeinsam schreien.

»Du widerliches kleines ...«, begann Vared zu rufen. Turek war sich nun sicher, dass er zwei Stimmen sprechen hörte. Aus dem rechten Arm Vareds drang ein dunkler Partikelstrom. Wie Pech ergoss er sich über Pedrog, der aufschrie und zurückwich. Im nächsten Moment floss das dunkle Etwas wieder in den Arm und erstarrte. Der Arm war nun doppelt so lang und von diesem dunklen Etwas umgeben. Er holte damit aus und wischte den Zwerg von den Beinen. Pedrog krachte wenige Schritte vom Wasser entfernt auf den Hosenboden.

»Genug mit dieser Spielerei«, zischte Vared und stach in einer fließenden Bewegung Joran in die Brust. Der Mann schrie auf und sackte dann zurück. Sofort war Turek bei Vared und hieb ihm mit seinem Schwert in den Rücken. Die Klinge drang eine Handbreit ein. Als er sie zurückzog, quoll dunkel die pechartige Flüssigkeit hervor.

Vared wirbelte herum und erwischte Turek mit seinem dunklen Arm. Turek wurde zurückgeschleudert und verlor seine Klinge. Der Arm war hart wie Stein gewesen und Turek war schwindelig. Vared holte zum Schlag gegen Turek aus. In diesem Augenblick sprang der Halbling Jeno mit seiner Fino‘Mar in den Händen vor und stach in die Brust Vareds. Dunkles, zähflüssiges Blut tropfte herunter. Vared war völlig überrascht durch die Ankunft des Halblings. Er taumelte zurück und fuhr sich mit der freien Hand über die Wunde. Dabei glühte das dunkle zähflüssige Blut kurz von innen auf. Die Wunde schloss sich augenblicklich. Er atmete schwer.

In diesem Augenblick begannen die Flammen des Feuers hochzulodern und Vared Nakan einzuhüllen. Er schrie auf. Dabei bewegte sich seine freie Hand hektisch, während er Zeichen in die Luft malte. Sein rechter Arm kam langsam frei, als die dunklen Partikel wegschmolzen. Blaue Flammen tanzten über seine Kleidung.

Seine Lederkutte wurde immer schwärzer, doch verbrannte sie nicht. Vareds Haut warf kleine Blasen. Dunkle Partikel schossen daraus hervor und verbrannten sofort. Noch immer beschrieb er eine schnelle Zeichenfolge mit der linken Hand. Er verbrannte nicht, doch ganz heilten seine Wunden auch nicht.

Jelina murmelte eine Beschwörung vor sich hin, während sie mit beiden Händen in die Luft schrieb. Die Flammen loderten noch einmal höher. Ihre braunen Augen leuchteten schwach. Turek sah sich nach seinem Schwert um, entdeckte es aber nicht. Also zog er den Griff der Klinge von Yranisar hervor. Das kleine Stück Klinge hatte scharfe Zacken an der Bruchkante.

Turek sprang auf die Beine und rannte zu Vared. Dessen weiße Augen weiteten sich, doch er reagierte zu spät. Turek spürte die Hitze der Flammen, als er Vared den Griff genau in die Brust rammte. Er spürte, wie warmes dunkles Blut über seine Hand floss und die Flammen auch auf ihn übersprangen. Er bekam keine Luft. Dann war es vorbei. Die Flammen verschwanden so schnell, wie Jelina sie hergeleitet hatte, wieder zurück zur Feuerstelle, und nur eine kleine kniehohe Flamme blieb übrig.

Turek taumelte zurück. Sein Gesicht glühte, und er fühlte sich wie von tausend Wespen zerstochen. Vared Nakan sank auf die Knie. Leuchtende grüne und blaue Blitze tanzten um den Griff der Klinge von Yranisar. Erst glaubte Turek, dass der Wind heulte, dann begriff er, dass dieser lang gezogene jaulende Laut von Vared kam. Der Mann hatte den Mund geöffnet, einzelne Speichelfäden liefen heraus. Ein dünner Strom von kleinen schwarzen Teilchen kam aus ihm hervor. Wie ein Mückenschwarm stoben sie in die Luft und umschwirrten ihn. Funken sprühten aus dem Griff der Klinge von Yranisar. Der Partikelstrom zerstob mit einem infernalischen Geräusch von berstendem Metall in alle Himmelsrichtungen. Vared sackte nach hinten und blieb schwer atmend auf dem Rücken liegen. Seine Brust hob und senkte sich langsam. Dunkelrotes Blut sickerte aus seiner Brust hervor.

»Los, hilf ihm«, befahl Turek zu Jelina gewandt. Er deutete auf Joran.

Sie nickte und eilte zu ihm. Er selbst eilte zu Vared und kontrollierte, wie es ihm ging. Die Wunde durch das Schwert war nicht sonderlich tief, dafür ein wenig ausgefranst. Doch hätte sie ihn eigentlich nicht derart aus der Bahn werfen dürfen. Es musste mit der Magie zu tun haben, die durch die Klinge von Yranisar kanalisiert wurde. Was auch immer mit diesem Mann passiert war, es war nun vorbei und er atmete noch. Seine Augen waren allerdings geschlossen.

»Wie geht es Joran?«, rief Turek zu Jelina. Er warf ihr einen besorgten Blick zu.

»Er lebt«, knurrte Joran.

Turek lächelte erleichtert.

Joran biss die Zähne beim Sprechen zusammen vor Schmerzen. Jelina untersuchte eifrig Jorans Wunden.

»Er ist nicht schwer verletzt. Seine Rippen haben den Stich abgelenkt. Das wird ihn eine Weile beschäftigen und bei allem behindern, aber die Wunde ist nicht tief. Er wird es überleben«, erklärte sie, malte ein Zeichen in die Luft, und Joran schlief sofort ein. »Tut mir leid«, sagte sie, und Röte stieg in ihre Wangen. »Es ist leichter so.«

Sie legte ihre eigene Kutte unter den Kopf von Joran und begann damit, mit einem kleinen Nähzeug die Wunde zu nähen.

Turek ging indessen von Pedrog zu Jeno. Der Zwerg hatte eine Stelle im Gesicht, an der sich ein blauer Fleck abzuzeichnen begann. Er tastete vorsichtig dorthin und fluchte herzhaft. Ansonsten waren sie aber unverletzt.

»Dieser dreckige ...«, knurrte Pedrog und griff an seinen Gürtel, um die Schnapsflasche hervorzuholen. Zu seiner Enttäuschung war sie angeknackst. Ein dicker Riss lief darüber, und sie tropfte.

»Na, muss weg«, sagte er und trank sie in einem Zug leer. Erst dann sah er zu Turek und Jeno. »Wolltet ihr auch was?«

»Nein«, sagte Jeno trocken. Zu Turek fügte er hinzu: »Was machen wir mit dem Angreifer? Lebt er?«

»Er atmet. Die Klinge ist nicht tief eingedrungen. Ich denke, wir sollten ihm helfen.«

»Ihm helfen«, erboste sich Pedrog. »Wirklich, Turek? Bist du des Wahnsinns? Dieser Magier hat uns umbringen wollen! Hast du das schon vergessen?«

Turek schüttelte den Kopf. »Nein, Pedrog. Ich will aber wissen, für wen er uns töten wollte. Und auch warum, und dazu will ich noch hören, was wir verpasst haben, als hier Winter war.«

Seine Stimme klang entschieden, sodass Pedrog es nicht wagte, ihm zu widersprechen.

»Ich danke dir dafür, dass du mein Leben gerettet hast«, sagte Turek an Jeno gewandt.

Der Halbling nickte. »Hätte ich weniger getrunken, wäre ich auch rechtzeitig hier gewesen.«

»Ist ja alles gut gegangen«, sagte Turek. Er schritt zu Joran. Jelina hatte den Stoff um die Wunde aufgerissen und den Stich vernäht.

»Warum heilst du ihn nicht mit Magie?«, fragte Turek.

Sie warf ihm einen genervten Blick zu und biss den Faden ab. Dann wusch sie sich die Hände im Wasser des Sees. »Weil alles seinen Preis hat«, sagte sie. »Jeder Zauber.« Sie sah zu Vared. »Und für den werde ich nichts riskieren. Die Wunde wird genäht und mit Schnaps gereinigt. Wenn er lebt, lebt er.« Sie sah zu Pedrog. »Bring mir was von deinem Schnaps. Du hast bei den Halblingen doch neuen geholt.«

Schuldbewusst verzog der Zwerg den Mund. »Die Flasche ist im Kampf beschädigt worden«, sagte er. Sie ignorierte ihn und setzte sich neben Vared.

Turek half ihr, die Kutte mit dem Messer etwas aufzutrennen. Dann zog sie den Griff Yranisars heraus und reichte ihn Turek. Währenddessen setzten sich Pedrog und Jeno zu Joran. Er schlief durch einen kleinen Zauber von Jelina tief und fest, und sein Gesicht verriet keinen Schmerz. Sie begann, die Wunde von Vared zu nähen. Es war eine saubere Naht.

»Ist das nicht jener, der uns in Jorans Haus angegriffen hat?«, fragte Turek. »Bist du dir sicher, dass es nicht ein Magier deines Ordens ist, der dich wegen Befehlsverweigerung jagt?«

Jelina lachte. »Nein, ist er nicht. So wichtig bin ich nicht, Turek. Eher einer von den anderen Orden. Denn, wirklich, zaubern kann er. Das war keine gute Magie. Es gibt zwei Arten von Magiern: Jene, die damit geboren werden, und jene, die es erwerben. Wenn du es erwirbst, hat es einen hohen Preis. So eine Fähigkeit bekommst du nicht einfach so.«

Sie biss den Faden durch. Der Mann stöhnte und öffnete die Augen. Seine Lieder flatterten.

»Willst du ihn töten?«, fragte Jelina, sie klang nicht sonderlich abgeneigt.

Turek schüttelte den Kopf. »Ich will wissen, was uns erwartet. Wir waren eine Weile weg.« Die Kälte seiner eigenen Stimme überraschte ihn.

»Wie ist dein Name?«, fragte er den Mann.

Vared blinzelte. Turek merkte, dass die Augen des Mannes nicht mehr weiß waren. Er hatte nun normale blaue Augen. Es war eine kräftige Farbe, aber nichts Ungewöhnliches.

»Vared Nakan«, murmelte er. »So nennt man mich.«

Er schien auf etwas zu lauschen. Irritiert sah er sich um. Er versuchte sich hinzusetzen, hielt aber inne wegen der Schmerzen, die die Brustwunde verursachte.

»Bleib liegen, sonst reißt es. Noch mal nähe ich das nicht«, zischte Jelina. Sie hob drohend die rechte Hand, bereit, einen Zauber zu wirken oder ihn einfach niederzudrücken. Ihre braunen Augen funkelten wütend.

»Wo ist er?«, fragte Vared. Angst und Hoffnung mischten sich in seiner Stimme. »Wo ist er hin?«

»Wer? Du warst allein«, stellte Turek klar und sah misstrauisch zum Waldrand.

»Er meint seinen körperlosen Gefährten. Von dem redet er«, sagte eine bekannte Stimme nicht weit entfernt. Turek sah über die Schulter. Er entdeckte Desilthawan und Brinwen, die sich dem Lager näherten. Brinwens Glatze glänzte vor Schweiß, als er versuchte, das Tempo des hochgewachsenen Elben zu halten. Dabei verursachten sie beide erstaunlicherweise kein einziges Geräusch. Brinwen war nicht nur der menschliche Diener des Elben Desilthawan, sondern sprach auch für diesen. Es war nicht so, dass der Elb die Sprache der Menschen nicht beherrschte, er verspürte nur keinerlei Neigung, sich zu ihrem Gebrauch herabzulassen.

Brinwen fuhr fort. »Er gehört uns.« Seine Stimme klang fest und autoritär.

»Was?«, fragte Turek. »Wieso? Er hat uns angegriffen!«

»Er hat einen Elben getötet. Er muss die Strafe erhalten, die ihm gebührt.«

Turek schüttelte den Kopf.

»Ich will wissen, wer ihn geschickt hat. Ich will wissen, warum und was außerhalb der Wälder passiert ist.«

»Wer schon«, schnaubte Jelina.

Desilthawan und Brinwen waren nun herangetreten. Der Elb legte die Stirn in Falten und musterte Vared. Er trat hinunter und berührte dessen Stirn. Vared stöhnte schmerzerfüllt auf.

Desilthawan sagte etwas zu Brinwen.

»Er ist anders?«, fragte Brinwen an den Elb gerichtet. »Ich verstehe nicht, Herr. Bitte erklärt mir das.«

Der Elb zog missgestimmt eine Augenbraue hoch und fuhr fort in seiner kleinen Ansprache. Brinwen nickte langsam, während er sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn tupfte.

»Was habt Ihr mit ihm gemacht?«, fragte Brinwen an Turek gewandt. »Sein Gefährte ist weg. Mein Herr will wissen, wie Ihr das getan habt.«

»Was ich getan habe? Gar nichts! Ich habe lediglich versucht, ihn hiermit zu erstechen«, erklärte Turek. Er hielt den Griff der Klinge von Yranisar hoch. »Irgendetwas wurde durch die Magie der Klinge ausgelöst.«

An dem kleinen Stück des Klingenhefts, das noch am Griff war, klebte das Blut Vareds. Der Elb Desilthawan nahm die Klinge in die Hand und musterte sie mit seinen bernsteinfarbenen Augen. Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht. Dann sprach er erneut in seiner fremdartigen Sprache zu Brinwen.

»Die Klinge von Yranisar ist voller Bannzauber. Ihr habt ungewollt diesen Magier von seinem Leid erlöst«, übersetzte der Glatzköpfige.

»Was für einem Leid?«, fragte Jelina etwas überrascht. »Er ist doch nicht tot?«

»Noch nicht. Sie meinen den Dämon«, murmelte Vared.

Alle Blicke richteten sich auf ihn. Turek vermochte nicht zu sagen, wie lange er schon wieder bei vollem Bewusstsein war. »Ich habe die Magie erst mit mehr als zehn Wintern entdeckt. Wer sie so spät findet, muss meist einen hohen Preis dafür zahlen. Seitdem habe ich die Stimme des Dämons, so wie jeder Magier der Tasare vor mir.«

»Was für einen Preis?«, fragte Turek. Er war sich nicht sicher, ob er es wirklich wissen wollte, doch die Neugier überwog. Vared hustete.

»Ein Mann kam zu uns. Meine Eltern sind früh gestorben, mein Onkel zog mich groß. Er diente hin und wieder als Knecht, und den Rest des Tages diente er dem Branntwein. Der Fremde fragte mich, ob ich ihm dienen würde, wenn er mich dafür von meinem Onkel befreite.«

Vared hustete erneut. Niemand machte Anstalten, ihm etwas zu geben, also nahm Turek den Trinkschlauch. Er reichte ihn dem Mann, der gierig in großen Zügen trank. Jelina warf Turek einen missbilligenden Blick zu, sagte aber nichts.

»Mein Onkel verschwand, und der Mann kochte uns ein Essen. Ich sollte es aufessen, dann wäre die Abmachung besiegelt. Was ich nicht wusste, war, dass es das Fleisch meines Onkels war, das ich aß. Es gibt Menschen, die die Magie zu schwach spüren, um zu zaubern. Man kann durch Verbrechen dieser Art eine Tür öffnen zur Anderen Seite. Von dort beziehen wir Magier vom Orden der Tasare unsere Macht. So kam der Dämon zu mir und verlieh mir die Kraft, Worte zu weben.« Er hustete erneut.

Turek war sprachlos und angewidert.

Der Elb Desilthawan sprach einige Worte an Brinwen gerichtet.

»Dir wurde der Dämon genommen«, sagte Brinwen zu Vared. Der Elb beugte sich über Vared und legte ihm den Daumen auf die Stirn. Kurz leuchteten die Augen Vareds auf. Er ächzte vor Schmerz. »Du hast deine Strafe erhalten«, vollendete Brinwen seinen Satz.

Desilthawan richtete sich wieder auf und verließ wortlos die Gruppe.

Brinwen sah ihm nach. Die anderen sahen ihn fragend an.

»Es ist üblich, dass die Elben Blut fordern von jenen, die Blut vergossen haben«, sagte er. »Aber dieses Mal nicht. Dieses Mal ist es anders.«

»Wieso denn nicht?«, fragte Turek.

»Weil er nicht ganz der ist, der das Blut vergossen hat. Das ist schwierig bei ihnen, aber ihrem Rechtsempfinden nach ist er jetzt jemand anderes. Er kann also nicht genauso bestraft werden wie der, der die Taten beging. Darum haben sie etwas getan, das das Mal der Schande heißt.« Er deutete auf die Stirn Vareds. Dort, wo der Daumen des Elben ihn berührt hatte, bildete sich nun ein dunkler Leberfleck. Vared blickte etwas fahrig in ihre Richtung. Hätte Turek es nicht besser gewusst, wäre er der Meinung gewesen, der Angreifer sei plötzlich betrunken.

»Er wird sich sein Leben lang seiner Taten erinnern, immer und immer wieder. Echte Reue soll seine Strafe sein«, erklärte Brinwen. »Ob da der Tod nicht gnädiger gewesen wäre, weiß ich nicht.«

Der Diener des Elben erhob sich ebenso. »Nun lebt wohl und viel Glück auf Euren Reisen.«

Brinwen verbeugte sich und wollte seinem Herrn zum Waldrand folgen. Desilthawan stand dort regungslos und betrachtete den Wald.

»Wartet«, rief Jeno.

Brinwen hielt inne. »Ja?«

Der Halbling warf einen Blick zu Turek. Es schien Jeno sichtlich Mühe zu machen, seine Gedanken zu ordnen. »Ist es wahr ... Ich will wissen, ob die Elben schuld sind an den Orks! Ich will wissen, ob sie wirklich dafür verantwortlich sind und uns nur als lebende Schutzschilde missbrauchen!«

Er schrie nun fast, sein Gesicht war gerötet.

Turek schwieg und sah fragend zu Brinwen. Auch er hatte sich Derartiges schon überlegt nach ihren gemeinsamen Erlebnissen in der Weißen Marsch.

Brinwen sah fragend zu Desilthawan, der noch immer am Waldrand stand, und zurück. Der Elb legte den Kopf schief und musterte den Halbling, während er gemessenen Schrittes wieder näher kam. Er sprach kein Wort, bis er schließlich direkt vor dem Halbling stand. Turek merkte, dass er unwillkürlich die Luft angehalten hatte, und atmete aus.

Desilthawan sah Jeno lange an, bis dieser sich sichtlich unwohl zu fühlen begann.

»Ich habe ein Recht, das zu erfahren«, rief er aufgebracht, doch die Mundwinkel des Elben zuckten nur, um schließlich einige wenige Worte in seiner Sprache zu sagen.

Brinwen übersetzte: »Ihr habt nur das Recht, das man euch gewährt oder das ihr euch nehmen könnt«, sagte Brinwen, Desilthawan lächelte weiterhin herablassend.

Jeno holte wütend zum Tritt gegen den Elben aus, doch dieser wich der Bewegung gekonnt aus. Es sah beinahe aus, als hätte der Elb sich kaum bewegt und Jeno einfach in die Luft getreten. Aus dem Gleichgewicht gebracht, fiel der Halbling auf den Hosenboden.

Erneut sprach Desilthawan.

»Da siehst du, welches Recht du hast«, übersetzte Brinwen.

Der Elb drehte sich darauf auf dem Absatz um und ging in den Wald, gefolgt von Brinwen, der Turek einen entschuldigenden Blick zuwarf.

Dann waren die beiden fort. Turek half Jeno auf die Beine, der sich den Dreck von der Hose klopfte und fluchte.

»Was für eine Frechheit«, knurrte Pedrog. »Was für ein arroganter Sack!« Er sprach laut und hob die Faust drohend in Richtung der Baumgrenze.

»Lass es«, sagte Jeno und schüttelte den Kopf. »Du hast gehört, wie sie von uns denken. Wir sind nichts in ihren Augen.« Bitterkeit sprach aus seiner Stimme.

»Du wirst sicher Antworten auf deine Fragen finden«, sagte Turek und klopfte dem Halbling aufmunternd auf die Schulter.

Der nickte nur und sah nachdenklich zum Wald.

Turek wandte sich dem immer noch am Boden liegenden Kopfgeldjäger zu.

Vared sah mit starrem Blick in den Himmel.

»Vared?«, versuchte er ihn anzusprechen, doch er war völlig in sich gekehrt. Turek schüttelte ihn ein wenig, doch es half nichts.

»Nichts zu machen«, sagte er an Jelina gewandt. Die sah inzwischen nach Joran und schien zufrieden mit seinem Zustand.

Truchsess Jarawan von Penakil hob den rechten Arm. Der Diener neben ihm schnürte den Schulterschutz fest und machte sich dann daran, den Armpanzer anzubringen. Der Armpanzer war mit dünnen Bronzeplättchen besetzt, die ein verschlungenes Bändermuster bildeten. Als er endlich fertig war, bewegte Jarawan den Arm sorgfältig. Zufrieden mit seiner Beweglichkeit, packte er sein Schwert. Es lag auf dem schweren Holztisch in seinem Zelt. Er zog es aus der Scheide und führte ein paar leichte Hiebe in der Luft aus.

»Sitzt alles zu Eurer Zufriedenheit, mein Herr?«, fragte der Diener. Er war einen Kopf kleiner als Jarawan und hatte einen kahlen Schädel. Er stand völlig steif da und wartete auf Anweisungen. Keine Furcht und kein Interesse waren in seinen Augen zu sehen. Jarawan mochte ihn, denn er wusste, wo sein Platz war. Er lebte, um zu dienen.

»Es ist alles gut, danke«, sagte er, und der Diener verneigte sich. Er verließ das Zelt. Jarawan drehte sich zu General Tellon um. Der junge Mann stand schweigend in voller Rüstung nahe dem Eingang und wartete ab.

»Nun General, was denkt Ihr?«

Der General musterte Jarawan. »Eine feine Rüstung, mein Truchsess.«

»Ich meine über die Schlacht heute.«

General Tellon nickte. »Natürlich, mein Truchsess. Die Katapulte sind einsatzbereit. Inzwischen haben wir vierzehn und sind in der Lage, den ganzen Tag ein Bombardement durchzuführen.«

Jarawan nickte zufrieden. Er trat zum Tisch, füllte sich aus der Weinkaraffe etwas in einen Kelch und trank daraus.

»Wir werden heute einen Großangriff starten«, sagte er. »Ich habe Eure Bedenken zur Kenntnis genommen.«

General Tellon nickte untertänig.

»Eure Protestnote«, fuhr Jarawan fort und hob das Dokument vom Tisch, das ihm ein Bote im Morgengrauen übergeben hatte, »ist voller kluger Gedanken. Dennoch will ich diese Belagerung nicht ewig hinziehen. Diese Zeit und vor allem das damit verbundene Geld haben wir nicht. Es ist schade um die Einberufenen, aber das Wohl des Reiches braucht eine schnelle Entscheidung.«

General Tellon nickte erneut. Er sah eindeutig keinen Anlass, etwas zu sagen, die Entscheidung war immerhin gefallen.

»Emetha hat drei vorgeschobene Festungstürme. Zwei davon sind wie Spitzen aufgebaut, der dritte ist ein runder Turm, der mit einer Verbindungsbrücke an die Stadtmauer angeschlossen ist«, erklärte General Tellon und trat zur Karte der Umgebung an den Tisch heran. Er deutete auf die entsprechenden Türme. »Den runden sollten wir ignorieren. Er lässt sich zu leicht von der Mauer abtrennen. Sein Gewinn bringt uns nichts. Ihr, mein Truchsess, werdet den Angriff auf den mittleren Spitzturm führen. Wenn wir es schaffen, genug Leitern heranzubringen und Männer hinaufzubekommen, können wir das Tor öffnen.« Er sah den Truchsess an und schien kurz zu überlegen. Jarawan konnte General Tellon ansehen, dass er nicht wollte, dass Jarawan den Angriff anführte. Es war ein ziemliches Risiko, das war ihm bewusst. Aber mehr noch als dem General war Jarawan bewusst, dass die Sicherheit und Stabilität des Thrones, seines Thrones, davon abhingen, dass ihn die Männer an vorderster Front sahen.

Er war nicht so weit gekommen, um jetzt Angst zu haben.

»Wo werdet Ihr sein?«

»An Eurer Seite, mein Truchsess.«

Ein Horn erschallte. General Tellon sah kurz hinauf und nickte dann.

»Alles ist bereit. Wir können den Angriff beginnen.«

Sie eilten hinaus. Vor dem Zelt wartete ein Stallbursche mit zwei gesattelten Pferden. Eines war ein stattlicher schwarzer Rappe, das andere in blendendem Weiß. Jarawan schwang sich in den Sattel des Weißen.

Sein Diener eilte heran und reichte ihm und General Tellon jeweils einen Helm. Die Helme spitzten sich nach oben etwas zu, sodass ein Schwertschlag abgefangen werden sollte.

Das Zelt des Truchsesses lag ein wenig außerhalb des Belagerungsrings. Die ganze Bucht um die Stadt war umspannt von einem Graben, an dem Soldaten Wache schoben. Holzpflöcke waren angespitzt in den Boden gerammt worden. Eine Stelle hatte man freigelassen, sodass sich dort nun der Strom der Soldaten staute. Auf der anderen Seite, im Inneren des Belagerungsrings, sortierte sich die Armee neu. Sie waren knapp außerhalb der Bogenreichweite, sodass den Verteidigern von Emetha nur übrig blieb, ihnen zuzusehen.

Große Zwei-Personen-Holzschilde wurden herangetragen. Damit sollte den Leiterträgern Deckung von oben gegeben werden. Die Leitern waren gigantisch und aus dem groben Holz der umliegenden Wälder gezimmert worden. Sie waren lang genug, um über die Mauerkrone zu ragen, und mit umgeschmiedeten Eisenschwertern versehen. Diese waren so angebracht, dass sie nach vorne klappen und sich an der Mauerkrone verkeilen sollten. Dafür hatte man extra eine Krümmung hineingeschmiedet.

Jarawan und Tellon gesellten sich zu den anderen Offizieren inmitten der sich rechteckig aufstellenden Kampfgruppen. Die Sonne stieg höher, bis endlich alle Gruppen an ihrem Platz waren.

Jarawan sah fragend zu General Tellon. Dieser nickte. Es war alles bereit.

»Männer«, sagte Jarawan und erhob die Stimme. Köpfe drehten sich ihm zu. »Wir werden heute die Bewohner von Emetha lehren, dass wir ein Königreich sind, ein Königreich mit Regeln und Pflichten, die für alle gelten, auch für die reichen und selbstgefälligen Kaufleute von Emetha.«

Jubel brandete auf. Frohe Zurufe waren zu hören.

»Wir werden sie bluten lassen, sodass ihr bald wieder eure Felder bestellen könnt. Ich danke euch, dass ihr heute hier dem Reich auf dem Feld der Ehre dient. Dieser blutige Tag wird viele weitere verhindern, indem er klarmacht, dass sich die reichen Kaufleute nicht einfach alles herausnehmen können!«

Erneut Zurufe und Gejohle.

»Holen wir uns, was sie uns vorenthalten.«

Er zog sein Schwert und reckte es in die Luft. Jubel brandete auf.

»Schultert die Leitern. Hebt die Schilde«, rief nun General Tellon und begann die Koordination des Angriffes. Mehrere Männer der Reiterei flankierten ihn und den Truchsess mit erhobenen Schilden. Die Befehle wurden weitergegeben, Hörner erschallten und Männerstimmen mischten sich. Die Männer hoben die großen schweren Leitern auf die Schultern und neben sie stellten sich andere, die Schilde hielten. Dann begann im Hintergrund ein großes Geschrei, und die Katapulte feuerten.

In den letzten Tagen waren die Soldaten damit beschäftigt gewesen, Heu auf Holzkreuze zu binden. Die wurden nun mit Pech übergossen und angezündet, bevor man sie auf die Stadt Emetha abfeuerte. Im Flug sahen diese Konstruktionen aus wie Feuerbälle. So flogen brennende Kugeln der Stadt entgegen. Sie krachten in Häuserdächer und setzten Dachstühle in Brand. Glocken wurden geschlagen, als die Löschmannschaften versuchten, der sich schnell ausbreitenden Flammen Herr zu werden.

Die vorderen Kampfgruppen kamen nun in Reichweite der Bogenschützen von Emetha. Pfeilwelle um Pfeilwelle prasselte auf die Angreifer nieder. Männer brachen zusammen, als Pfeile durch den Schildwall schlugen. Blut spritzte in hohen Fontänen, wenn Arterien getroffen wurden. Doch der Großteil der Kampfgruppe kam immer näher an die Mauer. Rufe wurden laut und man begann, die Leitern aufzurichten. Endlich krachten die ersten Leitern gegen die Mauer und hakten sich ein. Sofort waren Kämpfer überall dabei, die Leitern hinaufzuklettern. Zwei Männer konnten, wenn sie aufpassten, aneinander vorbeiklettern. Jarawan selbst gelangte, begleitet von Männern der Reiterei, zur Mauer, sprang vom Pferd und erklomm die Leiter. Ein Pfeil schlug dicht neben ihm gegen die Mauer und prallte ab. Die Spitze schnitt durch sein Gesicht. Es schmerzte höllisch, doch Jarawan biss die Zähne zusammen und kletterte weiter. Er wollte, dass ihn seine Männer in der vordersten Reihe sehen konnten.

Die Pfeile sah er nicht als ernste Bedrohung. Die Leitern waren zu nahe an den Bogenschützen, als dass ihre Pfeile noch echte Wirkung gehabt hätten. General Tellon hatte sich genau die richtige Stelle für seinen Angriff ausgesucht, das musste Jarawan ihm lassen. Dann endlich war er oben und zog sich über die Brüstung. Der Schweiß brannte in der Wunde auf seiner Wange. Er zog sein Schwert und hatte es sofort mit mehreren Angreifern zu tun. Der erste war jung und unerfahren. Jarawan lächelte traurig. Der Angreifer würde nie zum Mann werden. Er gehörte gewissermaßen nur zu denen, die zwischen dem Truchsess und seinem Thron standen. Jarawan duckte sich unter einem schlampig ausgeführten Senkrechthieb hinweg und stach dem Angreifer seine Klinge in den Bauch. Als die Stadtwache entsetzt auf ihren blutigen Unterkörper starrte, holte Jarawan zum Tritt aus und befreite sein Schwert. Der Mann taumelte zurück.

Das obere Ende des Turms war ein großer, beinahe dreieckiger Platz. Man hätte hier sicher ein Katapult aufstellen können. Warum das nicht geschehen war, konnte Jarawan nur mutmaßen.

Über eine Luke im Boden kamen neue Angreifer hinauf. Sie waren besser ausgerüstet und trugen dicke Kettenhemden.

Mit Hellebarden drängten sie die Männer von Jarawan langsam, aber sicher zurück. Jarawan fluchte, er kam einfach nicht nahe genug heran. Diese Gegner waren keine Einberufenen, das war ihm sofort klar. Es waren Söldner und Männer der Stadtwache, gut ausgebildete Kämpfer, denen das Töten nicht fremd war.

Dann brach das Ende der Welt über sie herein. Eines der Katapulte schoss daneben und ein brennendes heuumwickeltes Kreuz krachte in die Angreifer-Gruppe. Die Flammen züngelten hoch, und Jarawan spürte, wie ihm die Augenbrauen verbrannten. Er taumelte zurück gegen die Brüstung des Turmes und bekam keine Luft mehr.

Das Kreuz war auseinandergebrochen, brennende Trümmerstücke hatten sich überall verteilt. Jarawan schaffte es, sich umzudrehen und Luft zu holen. Ein leichter Wind trug den Rauch und die Flammen von ihm weg.

Der Schuss hatte sie zwar vor den Verteidigern gerettet, dafür war nun an ein Vorankommen nicht zu denken. Es gab keine Möglichkeit, zur Luke zu gelangen, um den Turm hinabzuklettern.

Jarawan fluchte. Dann drehte der Wind ein wenig und trieb ihm brennenden und beißenden Rauch in die Augen.

»Rückzug«, krächzte er. Er nickte seinen Männern zu und deutete auf die Leitern. Sofort machten sie sich an den Abstieg. Die Männer, die ihnen entgegenkamen, waren verwirrt, dass nun alle wieder hinunterstiegen. Der ganze Verband gelangte ins Stocken, und Jarawan war froh, dass durch das Feuer dort oben niemand auf sie schießen konnte.

Er ahnte, während er die Leiter hinunterkletterte, dass diese Schlacht kein gutes Ende für ihn nehmen würde.

Das Erste, was Vared Nakan auffiel, als er die Augen öffnete, war der wunderschöne sommerlich blaue Himmel. Einzelne Wolken waren wie dünne Fetzen darauf verstreut. Das Zweite, was er bemerkte, war die Stille. Nicht, dass nicht Stimmen um ihn herum zu hören waren und Menschen sich eindeutig um ihn herum bewegten. Er war allein mit seinen Gedanken. Die Präsenz, die seit seiner Kindheit stets da gewesen war und ihn nicht mehr verlassen hatte, war fort. Er war allein, und für eine kurze Sekunde bereitete ihm dieses Gefühl Angst. Sein Dämon war weg. Es gab Zeiten, in denen er in den Hinterkopf verschwunden war, wie eine Spinne in ihrem Netz auf Vareds Schwäche wartend. Doch dieses Mal war das Gefühl anders, der Dämon war ganz und gar verschwunden.

»Wie geht es dir?«, fragte jemand neben ihm.

Vared setzte sich langsam auf, und seine Brust explodierte beinahe vor Schmerzen. Er wusste, dass er einen Stich in die Brust abbekommen hatte, aber der Schmerz war ungeheuerlich. Reflexartig begann er, mit der linken Hand ein Zeichen zu malen, damit die Wunde schneller heilte.

Er hielt überrascht inne, der Schmerz war kurz wie vergessen.

»Ist etwas nicht in Ordnung?«, fragte Turek neben ihm. Vared sah ihn an, doch irgendwie durch ihn hindurch. Er konzentrierte sich auf die Linien der Kraft und den Fluss der Magie in der Welt. Sein Gesicht verzog sich vor Anspannung. Er konnte den Fluss der Macht wahrnehmen wie ein Echo dessen, was da eigentlich hätte sein sollen. Auf einmal fühlte er sich elend. Es war, als hätte man ihm nur die halbe Sehschärfe gelassen, als wäre alle Farbe aus der Welt verblasst. Er konnte die Welt noch wahrnehmen, aber doch nicht mehr so, wie es vorher gewesen war.

»Ich ... bin allein«, stellte er fest.

Turek nickte verständnisvoll. »Das ist sicher erst mal eine Umgewöhnung.«

»Ihr habt ja keine Ahnung.«

Vared sah sich um. Sie hatten das Lager nicht verlassen. Der Zwerg schnitzte einen Wanderstab, der eindeutig zu klein für ihn war, und der Halbling saß mit der jungen Magierin zusammen bei dem Verletzten. Sie unterhielten sich.

Als sie Vareds Blick sahen, verstummten sie.

Turek verlagerte sein Gewicht. Vared bemerkte erst jetzt, dass er die Hand auf seinem Schwertgriff hatte.

»Ich werde dir nichts tun, Turek von Hertharas«, sagte Vared ruhig.

»Dann berichte mir, wer du bist und warum du geschickt wurdest.«

»Und was du bist«, konnte sich Pedrog nicht verkneifen.

»Was schon, ein Magier der Tasare«, zischte Jelina und stand auf. »Ich muss mir das nicht anhören.«

Sie ging ans Ufer, einige Schritte von ihnen entfernt, und begann einen Zauber zu weben. Wieder spürte Vared einen Stich, als er begriff, dass er kaum spürte, was sie dort tat. Bildete er sich vielleicht nur ein, dass er es überhaupt noch spürte?

Es war, als wäre er taub, und nur durch seine Erinnerung wusste er noch, wie die Welt klingen sollte.

»Ich bin Vared Nakan«, erklärte er an Turek gewandt und versuchte sich hinzusetzen, was er sofort bereute und bleiben ließ. »Ich wurde von Truchsess Jarawan geschickt, um Euch zu töten. Er sagte zwar, dass er Euch wohlbehalten zurückwill, doch ich konnte seine Gedanken hören.« Vared machte eine kurze Pause. »Er will Euch tot sehen. Ich nahm den Auftrag an, denn wir benötigen das Geld.« Er lächelte traurig und sah kurz in die Flammen, während er seine Gedanken sortierte. »Nein, ich benötige es nicht mehr. Aber zu dem Zeitpunkt brauchten wir es. Ich bin ein Tasar«, erklärte er freimütig. »Der Dämon legte großen Wert darauf, dass ich meinen nächsten Schüler finde und ausbilde. Ich sollte einen sicheren Ort finden für die Ausbildung eines Jungen, der mein Nachfolger sein sollte. Dafür brauchte ich Geld und Einfluss, beides hätte Jarawan mir bieten können.«

»Doch der Dämon schweigt?«, fragte Turek.

Vared nickte.