Die Liebe in all ihren Farben - Haidee Sirtakis - E-Book

Die Liebe in all ihren Farben E-Book

Haidee Sirtakis

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Beschreibung

Nachdem sie wegen persönlicher Anfeindungen ihre alte Kirchengemeinde verlassen musste, ist die junge Pfarrerin Christina überglücklich, in einem Sechshundertseelendorf im Berner Oberland wieder ihre Berufung als Seelsorgerin erfüllen zu können. Hier hat sie in der warmherzigen Ramona auch die Liebe ihres Lebens gefunden, ohne ihre lesbische Beziehung verstecken zu müssen. Da beginnt ein neuer erzkonservativer Kirchenvorstand, Christinas Predigten für Toleranz und Nächstenliebe anzugreifen. Außerdem drängt ihre berechnende Ex-Partnerin Lea sich unversehens wieder in ihr Leben. Bald überschlagen sich die Ereignisse und gegen Christina werden schwerste Anschuldigungen erhoben. Es ist einfach die Hölle! Wie soll die junge Liebe von Christina und Ramona all diesen Prüfungen standhalten?

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 1

Christina atmete tief ein und aus. Obwohl sie innerlich vor Aufregung zitterte, versuchte sie, wenigstens nach außen hin souverän und gelassen zu wirken. Vertrauensvoll schaute sie Pfarrer Dominik an, der mit ihr gemeinsam vorn an der Kanzel stand.

Dominik lächelte und nickte Christina aufmunternd zu. »Ein Mensch kann seinen Weg planen, seine Schritte aber lenkt der Herr«, sagte er mit fester Stimme zu ihr. Dann wandte er sich den Kirchenbesuchern zu, die an diesem Sonntag zahlreich zum Gottesdienst erschienen waren.

»Schön, dass ihr alle Christina so herzlich willkommen heißt.« Für Dominik war es ein sehr emotionaler Moment. Er wischte sich kurz über die Augen. »Ich bin sehr glücklich, dass Christina nun die neue Pfarrerin in unserem Bergdorf sein wird. Damit geht für mich ein großer Wunsch in Erfüllung«, fügte er hinzu, drehte sich zu Christina um und umarmte die junge Frau freundschaftlich.

Dann griff er nach dem kleinen antiken Kreuz und der kunstvoll verzierten Bibel. Die beiden kostbaren Raritäten reichte er an Christina weiter, bevor er einen Moment innehielt. Er nahm den Kerzenständer mit der edlen Kerze und drückte ihn Christina in die Hand. »Damit dich das Licht nie verlassen wird. Licht und Wärme sollen dich auf deinem weiteren Lebensweg im Einklang mit dem Herrn stets begleiten und beschützen.«

Christina war zutiefst gerührt, schluckte und nickte wortlos. Nachdem sie die drei Sachen sorgsam vor sich auf ein kleines Tischchen gestellt hatte, umarmte sie Dominik. Sie hielt seine Hand und schaute ihm tief in die Augen. »Vielen Dank, Dominik. Es ist mir eine große Ehre, deine Lebensaufgabe und dein Lebenswerk, das ich unglaublich schätze, in deinem Sinne weiterzutragen und deinen Weg weiterzugehen. Den Weg der Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe. Schritt für Schritt in eine friedvolle und tolerante Zukunft«, sagte sie mit bewegter Stimme. »Möge der Herr mich stets begleiten.«

Anschließend wandte sie sich der anwesenden Gemeinde zu. »Vielen Dank, dass ihr alle mich damals, kurz vor Weihnachten, so herzlich in eurer Mitte aufgenommen habt und ich vom ersten Moment an das Gefühl haben durfte, bei euch willkommen zu sein.« Sie schmunzelte und zwinkerte mit den Augen. »Zuerst noch als Weihnachtspaketbotin. Eine ganz besondere Geschichte.« Um ihre Mundwinkel begann es, verdächtig zu zucken. »Damals hätte ich nicht einmal im Traum daran gedacht, dass ich eines Tages eure Seelsorgerin und Pfarrerin sein würde.« Sie lächelte und bedachte jeden einzelnen der Anwesenden mit einem wohlwollenden Blick. »Ich danke euch allen von Herzen.« Sie räusperte sich. »Ich hoffe, dass ich euren Anliegen gerecht werden kann. Auf jeden Fall will ich immer versuchen, mein Bestes zu geben und für euch da zu sein. Im Namen Jesu Christi«, schloss sie und machte das Kreuzzeichen über der Gemeinde.

Nach und nach erhoben sich die Anwesenden, bis am Schluss die ganze Kirchengemeinde stand. Gemeinsam verbeugten sie sich vor Christina und sagten im Chor: »Schön, dass du, liebe Christina, unsere neue Frau Pfarrerin bist. Wir danken dir dafür und wünschen dir nur das Beste und viel Freude mit deinen Schäfchen.« Dabei strahlten sie Christina entgegen, der ein oder andere lachte herzhaft auf und alle fühlten sich sichtlich wohl.

Dominik ließ sich sogleich von der allgemeinen Heiterkeit anstecken. »Wunderbar«, meinte er und klatschte begeistert in die Hände. »Lachen ist gesund und erfreut die Herzen. Deshalb wollen wir den heutigen Gottesdienst mit diesen wohlwollenden Worten und einem Lächeln beenden. Ich danke euch.« Er hielt kurz inne. »Christina und ich, wir freuen uns, mit euch draußen im Park noch ein wenig über Gott und die Welt zu philosophieren«, sagte er und marschierte als Erster den Gang entlang, öffnete die große Holztür und trat in den neben der Kirche liegenden Park hinaus.

Was für ein Anblick! Die Landschaft war tief verschneit, der Himmel leuchtete strahlend blau und die gleißende Sonne brachte den Schnee zum Glitzern. Ein schöneres Geschenk hätten die Wettergötter Christina an diesem außergewöhnlichen Tag nicht machen können.

Christina verweilte noch einen Moment allein in der Kirche. Wer hätte das gedacht? Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. Nicht einmal im Traum hätte ich zu hoffen gewagt, dass ich eines Tages wieder dieser erfüllenden Tätigkeit nachgehen darf. Was mir damals widerfahren ist, das war so entsetzlich. Erleichtert atmete sie aus. Aber es ist vorbei. Schnee von gestern. Sie schloss kurz die Augen. Jetzt fühlt sich einfach alles perfekt an. Bestimmt bin ich gerade der glücklichste Mensch auf Erden.

Nach einer Weile folgte Christina den anderen ins Freie, schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken und atmete befreit die reine Bergluft ein. »Was für ein großartiger Tag«, flüsterte sie und fühlte tiefe Zufriedenheit und Dankbarkeit in sich.

Ramona, Christinas Lebensgefährtin, eine hübsche, schlanke Frau mit aparter Kurzhaarfrisur, marschierte freudig auf Christina zu. »Mein Schatz, du hast wirklich schön gesprochen, so aus dem Herzen heraus«, sagte sie, legte voller Zuneigung einen Arm um Christina und holte sie so in die Realität zurück. »Ich bin richtig stolz auf dich«, flüsterte sie ihr ins Ohr und küsste Christina zärtlich auf die Wange. »Man sieht dir schon an der Nasenspitze an, wie glücklich du bist. Und deine Augen leuchten wie Sterne. Das macht mich so froh«, meinte sie und zwinkerte ihrer Liebsten dabei zu.

Während des Gottesdienstes hatte Ramona sich bewusst diskret im Hintergrund gehalten. Dieser spezielle Moment sollte allein Christina gehören. Christina sollte ihn mit jeder Faser ihres Körpers fühlen, wie ein Schwamm in sich aufsaugen und für immer in ihrer Seele bewahren. Ramona lag unheimlich viel daran, dass ihre Lebensgefährtin auch beruflich wieder ihr Glück fand, nach allem, was sie in der Vergangenheit durchmachen musste.

Christina umarmte ihre Freundin strahlend. »Danke.« Sie bedachte Ramona mit einem liebevollen Blick. »Nur durch dich passiert dieses Wunder hier.«

Sie löste sich sanft von Ramona und zeigte auf die Kirche hinter ihr, dann auf die umstehenden Gottesdienstbesucher. »Das schier Unmögliche ist möglich geworden.« Sie atmete tief durch. »Und ich darf tatsächlich wieder als Seelsorgerin arbeiten.« Nun bogen sich ihre Mundwinkel unversehens ein wenig nach unten. »Nach dem schrecklichen Spießrutenlauf in der alten Gemeinde. Nach den bösen Anfeindungen und meiner Kündigung …«, sie verstummte und winkte ab. »Ach, du weißt schon.« Ramona strich ihr sanft über den Rücken. »Es war wirklich eine göttliche Fügung, dass mich kurz vor Weihnachten ein Engel hierher zu dir, fast bis ans Ende der Welt geführt hat«, flüsterte Christina und tauchte tief in Ramonas Blick ein. »Du bist die Liebe meines Lebens.« Sie verschränkte ihre Hand mit der von Ramona.

Allmählich näherten sich die anwesenden Kirchenbesucher dem Frauenpaar. Mit einem Lächeln im Gesicht gratulierten sie der neuen Pfarrerin. Alle wussten, dass Christina und Ramona ein Paar waren, und hatten überhaupt kein Problem damit. Ramona lebte schon seit ihrer Kindheit in diesem Dorf, in dem jeder jeden kannte. Dieses unkomplizierte Miteinander hatte Ramona schon immer gefallen und sie schließlich – nach einem kurzen Abstecher in die Anonymität der Stadt – wieder hierher zurückgeholt, wo sie gerne für immer bleiben wollte. Der harmonische Zusammenhalt unter den Leuten war auch der Hauptgrund gewesen, weshalb Ramona eines Tages beschlossen hatte, hier im Ort ein Bistro zu eröffnen. Mit Leib und Seele führte sie seither ihre kleine Oase des Glücks, die alle zum Verweilen einlud und von vielen Dorfbewohnern regelmäßig und gern besucht wurde.

Niemand in der Gemeinde schien Vorurteile zu haben. Dominik, Christinas Vorgänger, war schwul und hatte als Pfarrer das Christentum besonders menschenfreundlich vorgelebt. Ihm hatten Werte wie Verständnis für den Nächsten, Toleranz und Gleichberechtigung schon immer am Herzen gelegen.

Diese Wärme war es auch, die Christina und Ramona bereits vom ersten Moment an gespürt hatten. Hier, in diesem idyllischen Bergdorf im Berner Oberland, durfte jeder so leben und lieben, wie es seiner Natur entsprach, sofern er niemand anderem wehtat, und das war einfach unübertrefflich. Es machte den Eindruck, als könnte man an diesem toleranten Ort ein Stückchen heile Welt erleben.

Christina und Ramona unterhielten sich angeregt mit allen Dorfbewohnern. Es war wirklich ein warmherziges Miteinander.

Nun kam Frau Bachmann auf Christina zuspaziert. Schon von Weitem winkte sie ihr. »Ach, Christina, es ist ein Segen, dass Dominik eine so tolle Nachfolgerin wie Sie gefunden hat.« Sie strahlte Christina an. »Ich mochte Sie von Anfang an. Sie sind so ein lieber und bescheidener Mensch, so selbstlos.« Frau Bachmann zwinkerte Christina vergnügt zu. »Was für ein Glück, dass Sie damals als Weihnachtsengel in unsere Gemeinde geschwebt sind, in unser Sechshundertseelendorf, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen.«

Lächelnd bedankte sich Christina für die freundlichen Worte. Nach und nach dankten Christina und Ramona auch den anderen Anwesenden, die sich allmählich von ihnen verabschiedeten.

Ramona unterhielt sich noch mit Frau Bachmann und ein paar älteren Herrschaften. Unterdessen ging Christina zurück in die Kirche und sammelte mit einem warmen Gefühl im Bauch die Gesangsbücher ein. Doch plötzlich, ohne Vorwarnung, zog sich alles in ihr unangenehm zusammen. Ein undefinierbarer Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Sie blickte um sich und merkte, wie sie aus einiger Entfernung von einem Mann komisch angeschaut, ja schon fast angestarrt wurde. Irgendwie war sein Blick unheimlich.

Doch Christina ließ sich nicht beirren, sammelte weiter die Bücher ein und räumte sie in einen Schrank. Dann nahm sie sich noch ein paar Minuten Zeit für sich. Vor dem großen Kreuz hielt sie inne. Danke. Vielen Dank, Herr. Es ist so schön, dass ich hier sein darf. Danke, dass ich diese Chance bekommen habe. Ich werde mir große Mühe geben, dich nicht zu enttäuschen.

Danach verließ sie die aufgeräumte Kirche und traf draußen wieder auf Ramona, die gerade den letzten Kirchgängern noch einen schönen Sonntag wünschte. Als Ramona Christina erblickte, kam sie zielstrebig auf sie zu.

Lächelnd öffnete Christina die Arme. Die beiden Frauen hielten sich gerade innig umschlungen, als sich hinter ihnen jemand einige Male laut räusperte.

Augenblicklich drehten sich Christina und Ramona zu der Person um, die sie so unschön unterbrochen hatte, und Christina bekam wieder eine Gänsehaut. »Ähm … ja?«, flüsterte sie und strich verlegen ihr gewelltes blondes Haar zurück. »Sie wünschen? Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«

Der Mann von vorhin schaute ihr fest in die Augen und straffte die Schultern. Er mochte um die vierzig sein, war groß gewachsen und hatte markante Gesichtszüge. Doch seine eisgrauen Augen schauten abschätzig. »Ich gratuliere Ihnen zur Anstellung, werte Frau Pfarrerin«, sagte er. Seine schneidende Stimme klang nicht so, als ob er dies ernst meinte. Spöttisch verzog er den Mund. »Nun soll die Gemeinde also mit Ihnen eine zuverlässige Seelsorgerin bekommen haben.« Von oben bis unten musterte er Christina, kalt und abweisend. »Ich erwarte, dass Sie Ihren Pflichten verantwortungsvoll nachkommen«, setzte er dann hinzu. Sein Ton klang geradezu drohend. Christina und Ramona waren wie versteinert. Was nahm er sich heraus? »Schönen Sonntag wünsche ich Ihnen«, zischte der Mann, machte auf dem Absatz kehrt und ging mit schnellen Schritten davon.

Christina rieb sich fröstelnd die Arme. »Was war das denn? Mich schüttelt es. Der Kerl ist mir irgendwie unheimlich.« Verunsichert schaute sie Ramona an. »Kennst du den vielleicht?«

Verneinend zuckte Ramona die Schultern. »Nein, beim besten Willen nicht«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Ich hab den Mann noch nie gesehen.« Sie schaute in Christinas betroffenes Gesicht. »Aber was soll’s. Von dem lassen wir uns bestimmt nicht den Tag vermiesen. Vergiss ihn einfach«, sagte sie aufmunternd und drückte Christina einen zärtlichen Kuss auf den Mund.

Christina versuchte ein Lächeln. »Ja, du hast recht. Ich bin absolut deiner Meinung.« Mit einem warmen Blick schaute sie ihr Herzblatt an. »Mit dir bin ich der glücklichste Mensch auf Erden«, stellte sie fest. Verträumt versank sie in den blauen Augen von Ramona. Sie hauchte ihrer Liebsten noch einen Kuss auf die Lippen, dann strahlte sie über das ganze Gesicht. »Und ich darf wieder meiner Arbeit nachgehen. Das habe ich so vermisst.« Sie bedachte Ramona mit einem zärtlichen Blick und rieb sich die Hände. »Jetzt freu ich mich aber erst mal darauf, mit dir allein zu sein.« Sanft nahm sie Ramonas Hand und streichelte ihr über den Handrücken. Gerade wollte sie noch etwas sagen, da bog Frau Bachmann um die Ecke.

Das hübsche Paar räusperte sich, und die beiden fühlten sich irgendwie ertappt. Etwas betreten schauten sie der älteren Frau entgegen.

Frau Bachmann lächelte jedoch wohlwollend. »Ich will nicht lange stören«, sagte sie entschuldigend. »Aber ich bin so glücklich, dass Sie jetzt da sind, Christina. Sie sind ein Segen für unser Dorf, wie es schon Dominik war.« Während sie sprach, waren ihre Blicke zwischen den beiden hin und her gewandert, um schließlich an Christina hängen zu bleiben. »Das musste ich Ihnen einfach noch mal sagen«, flüsterte sie und nickte zur Bestätigung.

Christinas Blick verweilte in Frau Bachmanns Augen. Hm, es kommt mir fast so vor, als hätte Frau Bachmann noch was auf dem Herzen. Sie ist irgendwie anders als sonst, dachte sie.

Ein Schatten huschte über Frau Bachmanns Gesicht. »Ich lass euch beide jetzt besser allein. Genießt diesen feierlichen Tag miteinander.« Ihr Blick schweifte zum Friedhof hinüber. »Ich gehe noch meinen Friedrich besuchen. So wie jeden Tag«, meinte sie matt und hob ein wenig kraftlos die Schultern. Dann verabschiedete sie sich von Christina und Ramona. Mit vorsichtigen Schritten ging die ältere Dame mit den grauen Locken zu den Grabsteinen hinüber. Auf halber Strecke drehte sie sich noch einmal um. »Bis morgen, Ramona. Ich freu mich schon auf meinen ersten Milchkaffee bei dir im Bistro. Gehört ja inzwischen fest zum Tagesprogramm«, rief sie und winkte den beiden ein letztes Mal zu.

Christina und Ramona schauten Frau Bachmann noch einen Augenblick hinterher. Dann nahm Ramona ihre Liebste an der Hand und spazierte mit ihr in Richtung Pfarrhaus. »Ich freu mich so auf dich. Endlich hab ich dich ganz für mich allein, werte Frau Pfarrerin«, sagte sie schelmisch und warf Christina einen verheißungsvollen Blick zu.

»Hm, was soll man dazu sagen?«, erwiderte Christina schmunzelnd. Ihr Blick schweifte kurz zur Kirche hinüber. »Da hat der liebe Gott bestimmt auch nichts dagegen einzuwenden, wenn ich dich jetzt verwöhne«, scherzte sie, und die beiden öffneten die Haustür.

Eigentlich wäre es üblich gewesen, dass Christina, da sie unverheiratet war, mit einer Haushälterin zusammen ins Pfarrhaus einzog. Sie hätte sich die Frau sogar selbst aussuchen und sie einstellen können. Kein einziger Pfarrer und auch keine Pfarrerin in der Umgebung hätten auf diesen Luxus freiwillig verzichtet. Doch Christina sah für sich in der Anstellung einer Haushälterin keinen Sinn. Sie war es gewohnt, sich um ihren Haushalt, ihre Kleider, das Essen und all die Arbeiten, die so anfielen, selbst zu kümmern. Deshalb hatte sie auf dieses Angebot verzichtet, jedoch den Wunsch geäußert, das eingesparte Geld in ein christliches Hilfsprojekt, zum Beispiel in Afrika, zu investieren.

Im Pfarrhaus angekommen, zogen sich die beiden gemütliche Freizeitkleidung an und machten es sich bei einer Tasse Tee eng aneinandergekuschelt auf dem Sofa bequem.

Zärtlich streichelte Christina Ramona über die Wange. »Weißt du, ich bin fest davon ausgegangen, meinen Beruf nie wieder ausüben zu können«, fing sie an. Sie schloss die Augen und holte tief Luft. »Seit damals … seit dieser schrecklichen Zeit.« Sie schluckte mehrmals. »Ich konnte mir das wirklich nicht mehr vorstellen. Ich hatte so große Angst davor.« Doch nun begannen ihre Augen wieder zu leuchten. »Und jetzt, jetzt darf ich wieder in meinem absoluten Traumberuf arbeiten. Und das habe ich nur dir zu verdanken, mein Engel.« Sie schmiegte sich enger an Ramona. »Du bist mein ganz persönliches Wunder«, flüsterte sie.

Ramona wischte sich mit dem Ärmel des Pullovers über die Augen. »Schön, wenn ich etwas dazu beitragen konnte«, entgegnete sie mit weicher Stimme. Dann schaute sie Christina eindringlich an und hielt lange ihren Blick gefangen. »Jetzt mal Hand aufs Herz …«

»Was denn?«, fragte Christina mit sanfter Stimme und streichelte Ramona zärtlich über ihr kurzes Haar.

Ramona schaute ernst. »Pfarrerin zu sein ist für dich doch viel mehr als nur ein Beruf, hab ich recht?« Sie verweilte in den smaragdgrünen Augen ihrer Liebsten. »Das ist für dich doch eine echte Berufung, oder etwa nicht?« Sie legte den Kopf leicht schief und wartete auf eine Antwort.

Christina hielt nachdenklich inne und ließ ihren Blick einen Moment zum Fenster hinüberschweifen, bevor sie Ramona antwortete: »Ja, wahrscheinlich schon. Jetzt, wo du das so sagst.« Sie nahm Ramonas Gesicht zwischen ihre Hände und näherte sich behutsam ihren Lippen. »Vor allem Seelsorgerin zu sein ist für mich eine Berufung, sehr sogar. Es erfüllt mich zutiefst, wenn ich Menschen helfen und ihnen in einer schwierigen Phase ihres Lebens beistehen kann, ihnen vielleicht einen ganz neuen Weg aufzeigen darf«, murmelte sie und küsste Ramona zärtlich. »Dafür bin ich dir so dankbar.« Mit einem Augenzwinkern tauchte sie tief in Ramonas klare blaue Augen ein. »Und was wünschst du dir jetzt von mir? Womit kann ich dir eine Freude machen, mein Liebling?«, raunte sie mit verführerischer Stimme.

Spielerisch verdrehte Ramona die Augen »Ach … du mal wieder.« Ihr Blick ging bedeutungsvoll in Richtung Schlafzimmer. »Ich würde mich jetzt einfach gern entspannen und von dir verwöhnen lassen«, flüsterte sie und errötete leicht. »Meinst du, das wäre der Seelsorgerin möglich?«, fragte sie etwas keck und lächelte.

Christina strich zärtlich durch Ramonas weiches Haar, während sie ihr einen betörenden Blick schenkte. Dann stand sie entschlossen auf und reichte ihr die Hand. »Schöne Frau, darf ich bitten«, sagte sie und zog ihre Freundin ohne Umwege ins Schlafzimmer.

Dann streichelten Christinas Fingerspitzen zärtlich über Ramonas Wangen, weiter an ihrem Hals entlang hin zu ihrem verführerischen Dekolleté. Ihre Lippen näherten sich Ramonas und küssten sie erst sanft, dann leidenschaftlich auf den Mund.

Ramona sog tief die Luft ein, während in Christina jede Zelle ihres Körpers Feuer fing und sie von einer unerträglichen Hitzewelle durchflutet wurde. Christina brannte vor Verlangen bald lichterloh und wünschte sich nichts sehnlicher, als Ramona spüren und lieben zu dürfen.

Während die beiden sich innig weiterküssten, ließen sie ihre Kleidungsstücke, eins nach dem andern, zu Boden gleiten. Jede fühlte die Erregung der anderen, nahm sie tief in sich auf und gab sich diesem wundervollen Gefühl voll und ganz hin.

Gemeinsam legten sie sich auf Christinas weiches Bett. Ihre Blicke verweilten lange und tief ineinander, erfüllt von ihrer unendlichen Liebe füreinander. Christina verlor jegliches Gefühl für Raum und Zeit. Jetzt gab es nur noch Ramona und sie und ihre tiefe Liebe, die sie miteinander verband und die sie immer wieder aufs Neuste miteinander verschmelzen und in höhere Sphären schweben ließen.

»Ich liebe dich über alles. Du machst mich so glücklich«, stöhnte Christina ihrer Liebsten ins Ohr, während ihre Zungenspitze zärtlich um Ramonas Ohrläppchen kreiste.

Ramona stellten sich die Nackenhärchen auf und ein wohliger Schauer überzog ihre Haut. Ein elektrisierendes Kribbeln breitete sich bis in ihre Finger- und Fußspitzen aus und löste einen unaufhaltsamen Flächenbrand auf ihrer Haut aus. Bei jeder Berührung von Christina stöhnte sie leise auf. Einen Moment lang stockte ihr Atem, nur um sich im nächsten Moment wieder zu beschleunigen.

Christina rutschte langsam nach unten, ohne ihren Blick von Ramonas Augen abzuwenden. Zärtlich schob sie eine Hand zwischen Ramonas feste Schenkel.

Genüsslich spreizte Ramona ihre Beine und offenbarte so ihre Mitte, die sich bereits nach Christinas Liebkosungen sehnte.

»Was ich gerade sehe, bringt mich um den Verstand«, raunte Christina, während ihre Fingerspitzen zärtlich über Ramonas Scham fuhren, die sie mit einer verheißungsvollen Nässe empfing.

Ramona zuckte vor Lust und Begehren, stöhnte auf und begann, sich unter Christinas zarten Berührungen zu winden. »Mehr, bitte mehr«, wisperte sie und drückte ihr Lustzentrum verlangend Christina entgegen. »Ich liebe es, von dir angefasst zu werden«, hauchte sie und zuckte erneut auf.

Zufrieden lächelnd näherte sich Christina Ramonas Knospen, die sich augenblicklich in harte Murmeln verwandelten und sich ganz offensichtlich mehr von ihr wünschten.

»Lass dich gehen und genieß es einfach«, raunte Christina, während ihre Zungenspitze schneller und fordernder um die eine, dann um die andere Knospe kreiste, an ihnen lutschte und saugte. Ihre Hand erkundete Ramonas Nässe nun leidenschaftlicher und steigerte Ramonas Lust. Plötzlich hielt Christina einen Moment inne und genoss schweigend den Anblick ihrer Geliebten. »Du bist so unglaublich schön«, wisperte sie. Vertraut und voller Liebe tauchte sie tief in Ramonas wunderschöne Augen ein, die wie Glitzersteine funkelten.

Ramona legte eine Hand in Christinas Nacken und zog sie zu sich heran. Leidenschaftlich suchten ihre Lippen die ihrer Liebsten. »Bitte leg dich auf mich«, raunte sie und drückte Christina fordernd ihre Mitte entgegen, während ihre Zungenspitze um Einlass bat und mit Christinas Zunge zu spielen begann, was in einem feurigen Tanz gipfelte.

Geschickt legte Christina sich auf Ramona und stützte sich dabei mit einem Arm ab. Pochende Lust ließ die beiden laut aufstöhnen. Jeder Muskel in Christina spannte sich an, und sie war kurz davor, einen Vulkanausbruch der Lust zu erleben. Diese Hitze, dieses Verlangen, diese Leidenschaft - das Zusammenspiel ihrer Gefühle ließ sich kaum noch ertragen und war dennoch einfach nur köstlich und unglaublich erfüllend.

Ungestüm umklammerten Ramonas Hände Christinas Hüften. Während sie sich ihrer Liebsten immer fester entgegendrückte, zog sie Christina fest an sich. Tausend Blitze schossen durch Ramonas Körper, ließen sie aufzucken und laut aufstöhnen. Mit jeder Faser wollte sie Christina fühlen und lieben.

Christina stieg in den Rhythmus ihrer Liebsten ein, konnte und wollte sich nicht mehr zurückhalten. Beide gaben sich ihrem Verlangen voll und ganz hin. Es begann zu beben, bis sie auf wundervolle Art ganz eins wurden und im Höchstgefühl purer Ekstase explodierten.

Als sie sich einigermaßen erholt hatten, lagen sie erschöpft, aber voller Zufriedenheit eng umschlungen nebeneinander und schauten sich verliebt an.

»Du bist eine wunderbare Liebhaberin«, flüsterte Ramona und strich Christina eine Haarsträhne hinters Ohr. »Es ist so schön, dass du an meiner Seite bist und mit mir durchs Leben gehst.«

Christina hauchte Ramona einen sanften Kuss auf die Lippen, dann noch einen auf die Stirn. Verträumt schaute sie ihr in die Augen. »Und du bist das Beste, was mir in meinem ganzen Leben passiert ist. Ich wünsche mir, dass unsere Liebe ein Leben lang hält, bis dass der Tod uns scheidet«, sagte sie feierlich, so tief empfand sie für Ramona.

Aus Ramonas Augenwinkel stahl sich eine Träne. »Ja, das wünsche ich mir auch«, flüsterte sie und schenkte Christina einen liebevollen Blick. »Mehr als alles andere auf der Welt. Bis zum letzten Atemzug wünsche ich mir dich an meiner Seite.«

Christina schwelgte immer noch in den höchsten Sphären des Glücks und ließ ihren Gedanken freien Lauf. Ich habe wirklich die liebenswerteste Frau der Welt. Ramona macht mich so unglaublich glücklich. Sie ist der wichtigste Mensch, das Wichtigste überhaupt in meinem Leben.

Eng aneinandergekuschelt verwöhnten sie einander weiter mit Zärtlichkeiten, bis ihnen irgendwann die Augen vor Müdigkeit zufielen und sie in eine erholsame Traumwelt abtauchten.

Kapitel 2

Ein paar Tage später war Christina, wie jeden Tag, in der Kirche beschäftigt. Sie musste noch Vorbereitungen für die am Nachmittag stattfindende Beerdigung treffen. Gerade war sie dabei, in jeden Kerzenständer eine dunkelblaue Kerze zu stecken, so wie die Angehörigen des Verstorbenen sich dies gewünscht hatten, als sie plötzlich hinter sich ein Husten hörte. Reflexartig drehte sie sich um und erblickte in der letzten Sitzreihe Lisbeth Bachmann.

Christina wartete einen Moment. Soll ich zu ihr hingehen? Oder möchte sie vielleicht lieber allein sein? So gut kenne ich sie ja auch wieder nicht. Schließlich legte Christina die restlichen Kerzen zur Seite und ging bedächtig auf Frau Bachmann zu.

»Schönen guten Morgen, Frau Bachmann. Schon so früh unterwegs? Wie geht’s Ihnen denn?«, fragte sie und reichte ihr freundlich die Hand.

Frau Bachmann begrüßte Christina, schien jedoch mit den Gedanken weit weg zu sein.

»Darf ich?«, fragte Christina und zeigte auf die Sitzbank.

Lächelnd nickte Frau Bachmann und rückte ein Stück zur Seite, um für Christina Platz zu machen.

Immer noch zögernd setzte sich Christina neben die Kirchenbesucherin und wartete geduldig.

In Lisbeth Bachmanns Gesicht begann es zu zucken, was Christina nicht entging.

»Möchten Sie lieber allein sein, Frau Bachmann?«, fragte Christina leise und war schon im Begriff, wieder aufzustehen.

Eilig wandte sich Frau Bachmann ihr zu. »Bitte bleiben Sie doch noch einen Moment«, bat sie und lächelte verlegen. »Es ist schön, Sie zu sehen, Christina«, sagte sie und strich sich die weißgrauen Haare glatt.

In dem beschaulichen Dorf war es üblich, dass die meisten Bewohner die Pfarrerin einfach beim Vornamen nannten. Selten sagte jemand Frau Pfarrerin oder Frau Gerber.

Frau Bachmann stieß einen Seufzer aus. »Ich bin jeden Tag hier. Manchmal vormittags, manchmal nachmittags. Und manchmal auch abends. Aber mindestens einmal am Tag«, sagte sie und nickte, fast so, als müsste sie sich selbst in ihrem Handeln bestätigen.

Christina musterte Lisbeth Bachmann unauffällig von der Seite. Sie hatte die ältere Dame schon öfter in der Kirche getroffen, wollte sie aber nicht jedes Mal ansprechen. Nachdenklich wickelte Christina sich ihren Schal fester um den Hals, da sie sich in der leicht zugigen Kirche keine Erkältung einfangen wollte.

»Ganz schön kalt hier drinnen«, setzte sie das Gespräch fort. »Ich muss unbedingt noch etwas heizen, damit später niemand friert«, meinte sie und rieb sich die Hände. Sie bedachte Lisbeth Bachmann mit einem sanften Blick. »Gibt es einen speziellen Grund, weshalb Sie jeden Tag hier vorbeischauen?«, fragte sie und versuchte, im Gesicht der Kirchenbesucherin eine Antwort zu finden.

»Ja … wegen Friedrich, meinem verstorbenen Mann«, begann diese zögerlich. »Irgendwie ist es inzwischen zu einem Ritual geworden.« Sie hob verlegen die Schultern. »Der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier, und in meinem Alter sowieso«, sagte sie leise. »Friedrich, mein Mann, ist vor fünf Jahren gestorben.« Sie hielt inne. »Und nun hat es auch den tüchtigen Walter erwischt«, meinte sie matt. »Der liebe Gott hat nun auch ihn zu sich geholt«, redete sie irgendwie geistesabwesend weiter und schaute himmelwärts. »Es geht ihm bestimmt gut dort, wo er jetzt ist«, murmelte sie.

Christina kam es so vor, als wäre Lisbeth Bachmann mit ihren Gedanken einmal mehr in einer anderen Welt, jedenfalls weit weg vom Hier und Jetzt. »Frau Bachmann, geht es Ihnen nicht gut?«, fragte sie mitfühlend und legte eine Hand auf den Arm der älteren Dame.

Die zuckte überrascht zusammen. »Wie? Was?«, fragte sie nervös und starrte Christina entgeistert an. Dann winkte sie ab. »Ach, Christina«, sagte sie und lächelte verlegen. »Bitte sagen Sie doch einfach Lisbeth zu mir. Wir sehen uns schließlich fast jeden Tag. Da muss es für meinen Geschmack wirklich nicht so förmlich zugehen.«

»Sehr gerne. Aber nur, wenn du ab sofort dann auch du zu mir sagst«, entgegnete Christina erfreut und schaute Lisbeth beschwörend an.

Lisbeth blickte einen langen Moment nach vorne. Dann wandte sie sich wieder Christina zu. »Einverstanden«, sagte sie und streckte Christina nochmals die Hand entgegen. »Auf das Du. Soll gelten.«

Christina nickte. »Auf das Du«, sagte sie und schüttelte Lisbeth herzlich die Hand.

»Ramona und du, ihr seid so ein schönes Paar. Und ihr habt einen so liebevollen Umgang miteinander«, flüsterte Lisbeth einen Moment später und lächelte Christina an. »Bitte hege und pflege eure noch so junge Liebe. Ihr beide seid mir in der kurzen Zeit schon so ans Herz gewachsen«, murmelte sie und ließ ihren Blick prüfend durch die Kirche schweifen.

Eine gefühlte Ewigkeit war es ganz still. Christina räusperte sich. »Friedrich … fehlt er dir denn sehr?«, fragte sie kaum hörbar. »Fühlst du dich sehr einsam und allein?« Oh, Christina! Wie kannst du nur so eine bescheuerte Frage stellen? Wie soll man sich denn bitteschön fühlen, wenn man den Menschen verliert, den man am meisten geliebt hat? Also ehrlich, so was Blödes, schimpfte sie innerlich auf sich selbst. »Entschuldige bitte, Lisbeth. Das war eine dumme Frage«, stammelte sie und errötete bis unter die Haarwurzeln.

»Ist schon gut«, entgegnete Lisbeth und geriet ins Grübeln. Dann hob sie nachdenklich die Schultern. »Ja, Friedrich fehlt mir. Natürlich fehlt er mir. Aber vor allem …«, sie räusperte sich und verstummte. Dann streckte sie den Rücken und riss sich zusammen. »Friedrich und Walter haben eben früher oft zusammen Karten gespielt. Sie waren gute Freunde«, sagte sie und fixierte Christinas Blick. »Und jetzt sind beide von mir gegangen, und ich bin die Einzige, die noch übrig geblieben ist von unserem Freundeskreis.« Lisbeth schwieg einen Moment. »Aber weißt du, Ramona und du, ihr passt wirklich gut zueinander«, sagte sie, schon wieder mit Bewunderung in der Stimme.

Christina hielt Lisbeths Blick fest. Warum betont sie das mit Ramona und mir dermaßen? Irgendwie spricht Lisbeth für mich in Rätseln. Aber ich sehe in ihren Augen so einen eigenartigen Glanz. Warum eigentlich? Was hat das zu bedeuten?

Lisbeth rieb sich verlegen die Nase. Dann zupfte sie an ihrem Wintermantel. »Ich komme gern hierher, zu dir in die Kirche.« Sie ließ erneut einen Moment verstreichen. »So wie ich auch jeden Tag zu Ramona ins Bistro gehe. Ich fühle mich bei dir in der Kirche und bei Ramona im Bistro einfach gut aufgehoben«, sagte sie mit festerer Stimme. »Und es gibt meinem Alltag eine gewisse Struktur. Das ist eine gute Sache. Gerade wenn man älter wird und viel allein ist«, sagte sie und schaute Christina noch einmal in die Augen.

Dann stand sie entschlossen auf und reichte Christina die Hand. »Ich muss jetzt weiter. Am Nachmittag sehen wir uns wieder. Ich werde an Walters Beerdigung teilnehmen und ihm so die letzte Ehre erweisen.« Damit drehte sie sich um und verließ die Kirche.

Die schwere Tür fiel laut ins Schloss und holte Christina in die Realität zurück. Lisbeth war heute irgendwie eigenartig. Sie schaute auf die Uhr. Oje, schon so spät! Jetzt muss ich mich aber beeilen.

Nachdem Walters Beerdigung vorüber war, entschloss Christina sich spontan, bei Ramona im Bistro vorbeizuschauen, denn sie konnte es kaum erwarten, sie in die Arme zu schließen und ihr zumindest einen kurzen Moment ganz nah zu sein.

Wenig später schon machte es das vertraute Klingeling und Christina betrat voller Vorfreude das Bistro. Es war kurz vor Feierabend und deshalb war Ramona, die gerade die Spülmaschine in Betrieb setzte, allein anzutreffen.

Christina umarmte sie zärtlich von hinten. »Hallo, mein Schatz. Endlich Feierabend«, stöhnte sie und gab ihr einen Kuss. »Ich bin fix und fertig«, meinte sie und schaute Ramona an. Unter ihren Augen lagen dunkle Schatten. »Beerdigungen nehmen mich immer sehr mit«, sagte sie und besann sich. »Aber sag, wie geht’s dir? Wie war dein Tag?«

»Du Arme«, erwiderte Ramona und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen. »Mein Tag war ganz okay. Nette Menschen und ab und zu eine anregende Unterhaltung.« Mitfühlend blickte sie Christina ins Gesicht. »Also dein Job wäre nichts für mich. Mich würde jede Beerdigung, die ich abhalten müsste, in ein tiefes Loch stürzen. Ich bewundere dich, dass du das kannst.«

Müde winkte Christina ab. »Ist ja auch viel Schönes dabei«, hielt sie dagegen. »Hochzeiten, Taufen, Sonntagsgottesdienste …« Sie lächelte Ramona beruhigend an. »In meinen Augen bist du bewundernswert.« Sie schmunzelte. »Wenn ich mich daran erinnere, was für ein Durchhaltevermögen du an den Tag legen kannst«, sagte sie und küsste Ramona auf die Stirn. »Sonst hätten wir nie so richtig zueinandergefunden. Ich war ja wirklich ein schwieriger, ja fast schon hoffnungsloser Fall.«

»Das stimmt allerdings«, gab Ramona zurück und grinste. »Du warst schon eine harte Nuss.« Liebevoll musterte sie Christina. »Wie wär’s mit einem Tee? Deinem Lieblingstee?«

»Gute Idee. Etwas Wärmendes kann jetzt bestimmt nicht schaden.« Christina rieb sich die kalten Hände, um ihre Durchblutung wieder ein wenig anzukurbeln.

Während Ramona zwei Tassen Hagebuttentee zubereitete, setzte Christina sich ans hinterste Tischchen, das im Lauf der vergangenen Monate zu so etwas wie ihrem Stammplatz geworden war. So oft wie möglich schneite Christina kurz vor Feierabend in Ramonas Bistro. Meist saßen sie dann noch eine halbe Stunde oder auch länger gemütlich bei einem Tee oder einem Punsch zusammen, eben an diesem, an ihrem Tischchen.

Es vergingen einige Minuten, während sie einfach nur entspannt dasaßen und den fein duftenden Tee genossen.

Doch nach einer Weile bedachte die junge Pfarrerin ihre Freundin mit einem eindringlichen Blick, da Ramona schweigsam mit dem Teebeutel in ihrer Tasse herumspielte. »Bedrückt dich irgendetwas?«, fragte sie behutsam.

Ramona verzog die Mundwinkel nach unten. »Na ja, dieser unverschämte Typ, der Kerl, der dich nach der Amtseinführung so blöd angeredet hat, der ist heute hier im Bistro aufgetaucht.«