Die Liebesgöttin Freya-Menglöd - Harry Eilenstein - E-Book

Die Liebesgöttin Freya-Menglöd E-Book

Harry Eilenstein

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Beschreibung

Die Reihe Die achtzigbändige Reihe "Die Götter der Germanen" stellt die Gottheiten und jeden Aspekt der Religion der Germanen anhand der schriftlichen Überlieferung und der archäologischen Funde detailliert dar. Dabei werden zu jeder Gottheit und zu jedem Thema außer den germanischen Quellen auch die Zusammenhänge zu den anderen indogermanischen Religionen dargestellt und, wenn möglich, deren Wurzeln in der Jungsteinzeit und Altsteinzeit. Daneben werden auch jeweils Möglichkeiten gezeigt, was eine solche alte Religion für die heutige Zeit bedeuten kann - schließlich ist eine Religion zu einem großen Teil stets der Versuch, die Welt und die Möglichkeiten der Menschen in ihr zu beschreiben. Das Buch Freya ist die wichtigste und bekannteste Göttin der Germanen. Sie ist vor allem die Liebesgöttin, aber auch eine Erd- und Fruchtbarkeitsgöttin. Als Jenseitsgöttin ist sie die Wiederzeugungs-Geliebte, die Wiedergeburts-Mutter und die Wiederstillens-Amme der Toten und des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr - Freya ist daher auch die Sonnenmutter. Ihr goldener Halsreif Brisingamen ist ein Symbol für die Sonne, die sie jeden Morgen wiedergebiert. Sie ist nicht nur die Jenseitsgöttin, sondern auch eine Norne, eine Walküre und eine Kriegerin. Zudem ist sie auch eine Priesterin, Zauberin und eine Heilerin. Freya kann viele Tier-Gestalten annehmen: Schwan, Stute, Ziege, Hindin, Sau u.a. Keine andere germanische Göttin hat einen derart vielfältigen Charakter. Die Göttin mit den Eigenschaften der Freya lässt sich unter verschiedenen Namen bis in die späte Altsteinzeit zurückverfolgen - ihre Symbolik ist ca. 50.000 Jahre lang dieselbe geblieben, da sie das Wichtigste für die Menschen dargestellt: die Muttergöttin im Diesseits und im Jenseits.

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Bücher von Harry Eilenstein:

Astrologie (496 S.)

Photo-Astrologie (428 S.)

Horoskop und Seele (120 S.)

Tarot (104 S.)

Handbuch für Zauberlehrlinge (408 S.)

Physik und Magie (184 S.)

Der Lebenskraftkörper (230 S.)

Die Chakren (100 S.)

Das Chakren-System mit den Nebenchakren (296 S.)

Meditation (140 S.)

Reinkarnation (156 S.)

Drachenfeuer (124 S.)

Krafttiere – Tiergöttinnen – Tiertänze (112 S.)

Schwitzhütten (524 S.)

Totempfähle (440 S.)

Muttergöttin und Schamanen (168 S.)

Göbekli Tepe (472 S.)

Hathor und Re 1: Götter und Mythen im Alten Ägypten (432 S.)

Hathor und Re 2: Die altägyptische Religion – Ursprünge, Kult und Magie (396 S.)

Isis (508 S.)

Die Entwicklung der indogermanischen Religionen (700 S.)

Wurzeln und Zweige der indogermanischen Religion (224 S.)

Der Kessel von Gundestrup (220 S.)

Der Chiemsee-Kessel (76 S.)

Cernunnos (690 S.)

Christus (60 S.)

Odin (300 S.)

Die Götter der Germanen (Band 1 – 80)

Dakini (80 S.)

Kursus der praktischen Kabbala (150 S.)

Eltern der Erde (450 S.)

Blüten des Lebensbaumes 1: Die Struktur des kabbalistischen Lebensbaumes (370 S.)

Blüten des Lebensbaumes 2: Der kabbalistische Lebensbaum als Forschungshilfsmittel (580 S.)

Blüten des Lebensbaumes 3: Der kabbalistische Lebensbaum als spirituelle Landkarte (520 S.)

Über die Freude (100 S.)

Das Geheimnis des inneren Friedens (252 S.)

Von innerer Fülle zu äußerem Gedeihen (52 S.)

Das Beziehungsmandala (52 S.)

Die Symbolik der Krankheiten (76 S.)

König Athelstan (104 S.)

Herz des Tanzes – Tanz des Herzens (160 S.)

Die Themen der einzelnen Bände der Reihe „Die Götter der Germanen“

Die Entwicklung der germanischen ReligionLexikon der germanischen ReligionDer ursprüngliche Göttervater TyrTyr in der Unterwelt: der Schmied WielandTyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 1Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 2Tyr in der Unterwelt: der ZwergenkönigDer Himmelswächter HeimdallDer Sommergott BaldurDer Meeresgott: Ägir, Hler und NjördDer Eibengott UllrDie Zwillingsgötter AlcisDer neue Göttervater Odin Teil 1Der neue Göttervater Odin Teil 2Der Fruchtbarkeitsgott FreyrDer Chaos-Gott LokiDer Donnergott ThorDer Priestergott HönirDie GöttersöhneDie unbekannteren GötterDie Göttermutter FriggDie Liebesgöttin: Freya und MenglödDie ErdgöttinnenDie Korngöttin SifDie Apfel-Göttin IdunDie Hügelgrab-Jenseitsgöttin HelDie Meeres-Jenseitsgöttin RanDie unbekannteren JenseitsgöttinnenDie unbekannteren GöttinnenDie NornenDie WalkürenDie ZwergeDer Urriese YmirDie RiesenDie RiesinnenMythologische WesenMythologische Priester und PriesterinnenSigurd/SiegfriedHelden und GöttersöhneDie Symbolik der Vögel und InsektenDie Symbolik der Schlangen, Drachen und UngeheuerDie Symbolik der HerdentiereDie Symbolik der RaubtiereDie Symbolik der Wassertiere und sonstigen TiereDie Symbolik der PflanzenDie Symbolik der FarbenDie Symbolik der ZahlenDie Symbolik von Sonne, Mond und SternenDas JenseitsSeelenvogel, Utiseta und EinweihungWiederzeugung und WiedergeburtElemente der KosmologieDer WeltenbaumDie Symbolik der Himmelsrichtungen und der JahreszeitenMythologische MotiveDer TempelDie Einrichtung des TempelsPriesterin – Seherin – Zauberin – HexePriester – Seher – ZaubererRituelle Kleidung und SchmuckSkalden und SkaldinnenKriegerinnen und Ekstase-KriegerDie Symbolik der KörperteileMagie und RitualGestaltwandlungenMagische WaffenMagische Werkzeuge und GegenständeZaubersprücheGöttermetZaubertränkeTräume, Omen und OrakelRunenSozial-religiöse RitualeWeisheiten und SprichworteKenningarRätselDie vollständige Edda des Snorri SturlusonFrühe SkaldenliederMythologische SagasHymnen an die germanischen Götter

Inhaltsverzeichnis

Freya in der germanischen Überlieferung

Der Name „Freya“

Altnordisch und Germanisch

Indogermanisch

Die Bezeichnung „Freitag“

Heimskringla

Zusammenfassung

Die Beinamen der Freya

Heimskringla

Gylfis Vision

Skaldskaparmal

Thorsdrapa

Nafnathulur

Gesta danorum

Hymir-Lied

Harbard-Lied

Zusammenfassung

Freya die Wanengöttin

Die Familie der Wanen

Die Bezeichnung „Wanen“

Skaldskaparmal

Heimskringla

Gylfis Vision

Gylfis Vision

Skaldskaparmal

Gylfis Vision

Heimskringla

Gylfis Vision

Lokasenna

Skaldskaparmal

Gylfis Vision

Oddruns Klage

Die Saga über Hervor und König Heidrek den Weisen

Zusammenfassung

Freyas Halle

Grimnir-Lied

Gylfis Vision

Skaldskaparmal

Die Saga über Egil Skallagrimson

Zusammenfassung

Freyas Katzen

Skaldskaparmal

Gylfis Vision

Gylfis Vision

Die Saga über Halfdan Eysteinsson

Islendingarbok

Zusammenfassung

Freyas Eber

Hyndla-Lied

Beowulf-Epos

Eber-Helm der Angelsachsen

Eber-Helm der Angelsachen aus Sutton Hoo

Eber-Kultgefäße

Die Eber-Reiterin

Zusammenfassung

Freya und das Falkenhemd

Skaldskaparmal

Haustlöng

Thrym-Lied

Thor von Haffsgard

Skaldskaparmal

Völsungen-Saga

Zusammenfassung

Freyas Halsreif Brisingamen

Gylfis Vision

Skaldskaparmal

Saga über Hedin und Högni

Skaldskaparmal

Huldar-Saga

Husdrapa

Skaldskaparmal

Gesta danorum

Skaldskaparmal

Ragnarsdrapa

Odins Rabenzauber

Beowulf-Epos

Brakteaten

Gylfis Vision

Nafnathulur

Skaldskaparmal

Zusammenfassung

Freya und Menglöd/Menja

Der Name „Menglöd“

Das Zauberlied der Groa

Das Fiölswin-Lied

Hrolf Kraki und seine Berserker

Merseburger Zaubersprüche

Freya, Menglöd und Menja

Skaldskaparmal

Das Grotti-Lied

Skaldskaparmal

Skaldskaparmal

Groas Zaubergesang

Skaldskaparmal

Die Saga über Orm den Starken Storolf-Sohn

Huldar-Saga

Haleygjatal

Menglöd und Mangold

Zusammenfassung

Freya und Thrudr

Ragnarsdrapa

Thorsdrapa

Zusammenfassung

Freya und die Walküren

Zusammenfassung des Bandes 31 „Walküren“

Die Geschichte über Norna-Gest

Sigdrifa-Lied

Zusammenfassung

Freya und die Riesen

Thrym-Lied / Thor von Haffsgard

Gylfis Vision

Skaldskaparmal

Die Thiazi-Mythe

Zusammenfassung

Freya und der Göttermet

König Half und seine Helden

Die Saga über Bosi und Herraud

Heimskringla

Zusammenfassung

Wiederzeugung und Wiedergeburt

Freya-Statuetten

Das Freya-Amulett von Hagebyhöga

Die Frauenfigur von Revninge

Das Amulett von Lille Soelv

Das Frauenamulett von Tissö

Die Frauen-Statuette von Elkidstrup

Die Statuette von Viborg

Das Amulett von Tuna

Vier Frauen-Statuetten aus Schweden

Messer mit als Frau gestaltetem Griff aus Itzehoe

Statuetten eines Mannes und einer Frau aus dem Braak-Moor

Statuetten eines Mannes und einer Frau aus dem Witte-Moor

Bild eines Mannes und einer Frau aus Gentofte

Brakteat 1

Brakteat 2

Brakteat 3

Brakteat 4

Brakteat 5

Brakteat 6

Zusammenfassung

Der Kult der Freya

Hyndla-Lied

Die Saga über Bosi und Herraud

Die Saga über Thorstein Viking-Sohn

Die Saga über Sturlaug den Mühen-Beladenen

Die Saga über Hervor und König Heidrek den Weisen

Zusammenfassung

Kenningar

„Freya“ in Personennamen

„Freya“ in Ortsnamen

„Freya“ in Pflanzennamen

„Freya“ in Sternennamen

Freya im Brauchtum

Der Stab der Seherin

Die Fruchtbarkeitsgöttin Freya

Das Wetterleuchten der Freya

Freya und Idun

Der Pflug der Gefion

Die dänische Nationalhymne

Zusammenfassung

Freya in Zaubersprüchen

Die Saga über Bosi und Herraud

„Zauberspruch, um eine Frau zum Schweigen zu bringen“

„Pfurz-Runen“

Zusammenfassung

Am Übergang zum Christentum

Die Saga über Hallfredr Ärger-Skalde

Die Saga über Hallfredr Ärger-Skalde

Isländer-Buch

Zusammenfassung

Freya in den Märchen der Gebrüder Grimm

Schneewittchen und die sieben Zwerge

Rapunzel

Die Jenseitsgöttin

Das Jenseitstor

Die Jenseitsreise

Der Seelenvogel

Die Katzen der Freya

Aschenputtel

Der Wolf als Jenseitsführer

Der Schamane

Die Waberlohe

Die Wiederzeugung

Zusammenfassung

Frühe Überlieferungen

Germania

Origo gentis langobardorum

Historia langobardorum

Indiculus superstitionum et paganiarum

Canon episcopi

Historia Regum Britanniae

Zusammenfassung

Jakob Grimm

Jacob Grimm: Deutsche Mythologie

Zusammenfassung

Freya und Frigg

Zusammenfassung

Freya in der indogermanischen Überlieferung

Freya bei den West-Indogermanen

Freya bei den Kelten

Freya bei den Römern

Freya bei den Kelto-Romanen

Freya bei den Germanen

Freya bei den Germano-Romanen

Freya bei den Slawen

Freya bei den Balten

Freya bei den Balto-Slawen

Freya bei den West-Indogermanen

Freya bei den Süd-Indogermanen

Freya bei den Hethitern

Freya bei den Lydern

Freya bei den Süd-Indogermanen

Freya bei den Ost-Indogermanen

Freya bei den Persern

Freya bei den Indern

Freya bei den Indo-Persern

Freya bei den Armeniern

Freya bei den Armeno-Indern

Freya bei den Skythen

Freya bei den Skytho-Indern

Freya bei den Griechen

Freya bei den Thrakern

Freya bei den Gräko-Thrakern

Freya bei den Ost-Indogermanen

Freya bei den Indogermanen

Freya in der jungsteinzeitlichen Überlieferung

Freya bei den Mittel-Völkern

Freya bei den Sumerern und Bayloniern

Freya bei den Süd-Völkern

Freya bei den Semiten

Freya bei den Südost-Völkern

Freya bei den Ägyptern

Freya bei den West-Völkern

Freya auf Kreta

Freya bei den Nord-Völkern

Indogermanen

Freya bei den Ost-Völkern

Freya bei den Elamitern

Freya bei den Bewohnern von Harappa

Freya bei den frühen Völkern

Freya bei den Jägern von Göbekli Tepe

Freya bei den Jägern von Nevali Cori

Freya bei den Bauern von Çatal Höyük

Zusammenfassung

Freya in der altsteinzeitlichen Überlieferung

Die Biographie der Freya

Vorgeschichte

Einzeller

Sexualität I

Tod

Sexualität II

Astralreise

Menschen

Säugetiere

Menschen

Altsteinzeit

Jagdzauber

Schwitzhütten

Zeugungsfest

Seele, Jenseits und Wiedergeburt

Die Sonne

Bestattungen

Zahlen

Vogelstäbe

Mittelsteinzeit

Frauenstatuetten

Höhlenmalereien

weitere religiöse Vorstellungen

Jungsteinzeit

Göbekli Tepe

Jericho

Ackerbau

Çatal Höyük

Die Indogermanen

Die Indogermanen

Die West-Indogermanen

Die Kelto-Germanen

Die Germanen

Die Germanen

Die Südgermanen

Odin wird zum Göttervater der Nordgermanen

Die Edda

Neue Epoche

Das Aussehen der Freya

Wege zu Freya

Hymne an Freya

Im Tempel der Freya

Die Statue der Freya

Die Besitzerin des Brisingamen

Die Göttin der goldenen Tränen

Die Jenseitsgöttin

Die Geliebte im Jenseits

Die Mutter der Toten

Die Amme der Toten

Die Göttin der Liebe

Die Göttin der Geburten

Die Göttin des Wetters

Die Göttin der Mahlsteine

Die Göttin des Herdfeuers

Die Seherin

Die Heilerin

Die Helferin

Die Göttin der Pflanzen

Die Zauberin

Die Norne

Die Walküre

Die Kriegerin

Die Riesin

Die Göttin mit dem Katzenwagen

Die Familie der Wanen

Freyas Halle

Die Eber-Reiterin

Die Große Kuh

Die Weiße Hindin

Die Mächtige Stute

Die zauberkundige Sau

Die fruchtbare Ziege

Das Weiße Schaf

Die Göttin der Seelenvögel

Freyas Erinnerungen

Die Sonnenmutter

Tyr und Loki

Die Meeresgöttin

Die Robben-Göttin

Die Suche nach Odhr

Idun

Gefion

Hel

Die Spindel am Himmel

Die listige Göttin

Freya und Frigg

Weltenbaum und Hügelgrab

Freyas Vision

Christentum

Sagas

Hexen

Märchen

Frauen

Kult

Männer

Wirklichkeit

Weisheit

Frau und Mann

Vefreya

Traumreise zu Freya

Traumreise zu Freya

Traumreise zu den „Großen Göttinnen“

Freya heute

Themenverzeichnis

I Freya in der germanischen Überlieferung

I 1. Der Name „Freya“

Der Göttinnenname „Freya“ wird oft auch „Freyja“ und manchmal auch „Freyia“ geschrieben.

Er bedeutete im Altnordischen „Frau“ im Sinne von „freie Frau“ oder „Herrin“. „Freya“ ist die weibliche Entsprechung zu dem männlichen „Freyr“ für „Herr“.

Die Herkunft dieser beiden Gottesnamen ist ausführlich in dem Band 15 über den Gott Freyr beschrieben worden. Die folgende Darstellung ist nur eine kurze Übersicht über die Entwicklung der Götternamen „Freya“ und „Freyr“.

Diese beiden Namen lassen sich bis in die indogermanische Sprache und noch weiter zurückverfolgen.

I 1. a) Altnordisch und Germanisch

Im Altnordischen und im Germanischen sind mit den Namen „Freya“ und „Freyr“ mehrere Worte verwandt:

Die Wortfamilie „Freya“

germanisch

altnordisch

Bedeutung

fri

frijan

lieben

fraea

helfen

frijathwae

fraeja

Liebe

friudilaz

fridill

Geliebter, Gatte, Freyr

friudila (Geliebte)

fridila, frilla

Geliebte, Gattin

frijae (Gattin)

Freya

Freya

húsfreyja

Hausherrin

frijaend

Freund

fraewe

frouva

Frau

frijaen

friols

frei

fro-samr

fruchtbar

frae

Samen

frjova

befruchten

froeda

Sperma

fraehals

frelsi

Freiheit

frithu

fridar

Frieden

fregji

fraegd

Ruhm

fregi (Wissen)

frod

Weisheit

froedi

Zaubersprüche

fridandi

gut

frida

verehren

?

freykja

Spuk, Geist

fraeda

frid

Schönheit

Wenn man alle Bedeutungen der Wortfamilie, zu der die Namen der beiden Gottheiten „Freya“ und „Freyr“ gehören, zusammenfaßt, ergibt sich ein erstes Bild dieser beiden Gottheiten, das nicht auf ihren Mythen, sondern auf den sprachlichen Assoziationen der Germanen zu diesen beiden Namen beruht:

Freya und Freyr sind das hilfsbereite Friedens-Herrscherpaar und die den Frieden liebenden Beschützer der Menschen und ihrer Verwandten, also der Sippe. Sie sind die Göttin und der Gott der Fruchtbarkeit, der Zeugungskraft und der Liebe und daher auch die Beschützer der Liebenden. Sie sind auch die Gottheiten der Ahnen.

Freya und Freyr werden verehrt, weil sie die Freiheit derjenigen Menschen bewahren, die diese beiden Gottheiten verehren. Sie sind die guten Gottheiten der Weisheit, der Schönheit und der inneren und der äußeren Harmonie. Für diese Qualitäten werden sie weithin gerühmt.

I 1. b) Indogermanisch

Von der nostratischen Sprache, die von den frühen Ackerbauern in Mesopotamien gesprochen worden ist und in der das „Haus“ die Bezeichnung „per“ hatte, stammen sowohl die indogermanische Sprache als auch das Altägyptische sowie das Semitische, Babylonische, Kretische, Elamische und noch einige andere Sprachen ab.

Ein „priheh“ ist bei den ursprünglichen Indogermanen, die zwischen 7000 v.Chr. und 2800 v.Chr. in der Steppe nördlich des Schwarzen Meeres gelebt und sich hauptsächlich von der Viehzucht ernährt haben, jemand gewesen, der zu dem eigenen Haus („per“), also zu dem eigenen Haushalt und somit zu der eigenen Sippe gehörte: ein Verwandter.

Schon bei den Indogermanen hat diese Bezeichnung für die „Verwandten“ auch die Bedeutung „Geliebter, Ehemann“ und „Geliebte, Ehefrau“ („priheh“) erhalten – diese Liebe zwischen den Menschen bezog sich anfangs offensichtlich vor allem auf den Sippenzusammenhalt.

Schon bei den Indogermanen hat sich von diesem Wort die Nebenform „parikeh“ mit der Bedeutung „Nebenfrau, Hure“ gebildet.

Es gab bei der Wortfamilie um „priheh“ auch eine deutliche Assoziation zum Besitz, denn „prihos“ hatte sowohl die Bedeutung „das, was man liebt“ als auch „das Eigene“ und „das, was einem gehört“.

Vermutlich gab es bei dieser Wortfamilie auch schon eine Assoziation zu der Zeugung und der Fruchtbarkeit, da es auch das Wort „prehktos“ gegeben hat, daß „Anus, Genitalien“ bedeutet hat und sich im Altgriechischen als „proktos“ und im Armenischen als „erastank“ erhalten hat. Diese Bedeutung hat sicherlich auch bei der Entstehung des Substantivs „parikeh“ für „Nebenfrau, Hure“ mitgewirkt.

Es ist denkbar, daß es bei den Indogermanen auch schon erste Ansätze dazu gegeben hat, aus „priheh“ den Beinamen eines Gottes oder Ahnen bzw. einer Göttin oder Ahnin zu machen. Das mythologische Motiv, mit dem diese Gottheiten in Zusammenhang gestanden haben werden, ist die Wiederzeugung, die der Wiedergeburt der Toten durch die Muttergöttin im Jenseits vorausging. Bei dieser Wiederzeugung war die Muttergöttin die Geliebte des Toten im Jenseits.

Dieses Motiv wird die Wurzel der beiden germanischen Götternamen „Freya“ und „Freyr“ sein – Freya ist die Wiederzeugungs-Geliebte und die Wiedergeburts-Mutter, während Freyr das Urbild des sich wiederzeugenden Toten bzw. Gottes ist, der dann anschließend von der Göttin wiedergeboren wird (siehe dazu auch den Band 51).

Bei dem indogermanischen „priheh“ finden sich somit schon mehrere der Eigenschaften der beiden germanischen Gottheiten Freya und Freyr: die enge Verwandtschafts-Bindung, die Liebe, der Geliebte, die Geliebte, die Zeugungskraft und die Fruchtbarkeit.

Die Assoziationen „Herr, Weisheit, Frieden, Freiheit und Ruhm“ scheinen somit Eigenschaften sein, die sich erst später im Charakter der beiden Gottheiten Freya und Freyr herausgebildet haben. Sie werden allerdings auch schon bei den frühen Indogermanen wesentliche Qualitäten dargestellt haben.

Vermutlich werden diese Eigenschaften umso mehr mit „priheh“ verbunden worden sein, umso mehr sich die Bedeutung des „priheh“ von „Geliebte“ zu „Geliebte-Aspekt der Wiedergeburts-Göttin im Jenseits“ verschoben hat: Der Fürst war sowohl bei seiner Krönung (die im Wesentlichen eine Jenseitsreise gewesen ist) als auch während seiner Herrschaftszeit (Schutz seiner Herrschaft) und natürlich auch bei seiner Bestattung während seiner Wiederzeugung, die seiner Wiedergeburt im Jenseits vorausging, der „Geliebte der Muttergöttin im Jenseits“.

Der Göttinnenname „Freya“ ist aus dem früh-jungsteinzeitlichen Substantiv „per“ für „Haus“ entstanden und bedeutete zunächst „Frau, die im selben Haus wohnt“, d.h. „Frau aus der eigenen Sippe“. Daraus entstanden dann die Bedeutungen „Freie“, „Geliebte“, „Weise“, „Herrin“ usw. und schließlich der Göttinnenname „Freya“.

I 1. c) Die Bezeichnung „Freitag“

Der Freitag, der bei den Römern der Venus geweiht war, wurde von den Germanen mit „Freya-Tag“ übersetzt. Freya ähnelt von ihrem Wesen her folglich der römischen Venus bzw. der ihr entsprechenden griechischen Aphrodite.

Freya entspricht Venus und Aphrodite.

I 1. d) Heimskringla

Schon Snorri Sturluson, der Verfasser der Prosa-Edda und der Heimskringla, hat den ethymologischen Zusammenhang zwischen „Freya“ und „Frau“ erkannt.

Snorri schwankt in seiner Schrift „Heimskringla“, in der er über die norwegischen Könige berichtet, zwischen der früheren Auffassung der Asen als Götter und der damals modernen christlichen Auffassung der Götter als Könige der Vorzeit.

Freya war die einzige der Gottheiten, die noch übriggeblieben war. Daher wurde sie so sehr verehrt, daß alle vornehmen Weiber mit ihrem Namen bezeichnet wurden wodurch der Titel „Frau“ entstand. Daher wird jedes Weib „Frau“, d.h. „Herrin über ihren Besitz“ genannt und die Gattin wird als „Frau des Hauses“ bezeichnet.

Snorri leitet stets die Worte in seiner Sprache von den Namen der Gottheiten ab. Dieser Vorgang wird jedoch umgekehrt abgelaufen sein: Die Namen der Gottheiten sind aus umschreibenden Beinamen, die sich auf die Eigenschaften der Gottheiten bezogen haben, entstanden.

I 1. e) Zusammenfassung

Der Name der Göttin Freya bedeutete ursprünglich „die zu dem eigenen Haus gehört“, also „Sippenmitglied, Verwandte“ – auf indogermanisch „Priheh“. Diese Bedeutung verschob sich über „Geliebte“, „Freie“ und „Herrin“ bis hin zu der allgemeinen Bezeichnung für „Frau“.

Aus der Bedeutung „Geliebte“ des Wortes „Priheh“ wurde der Name für die Jenseitsgöttin als der Wiederzeugungs-Geliebten der Toten („Freya“) und auch des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr bei der Wiederzeugung („Freyr“), die seiner Wiedergeburt durch die Göttin vorausging.

Schließlich wurde „Freya“ bei den Germanen zu dem wichtigsten Namen der Göttin.

I 2. Die Beinamen der Freya

Die Beinamen der Götter und Göttinnen sind oft eine wertvolle Quelle für das Erfassen ihres Charakters, da sich diese Beinamen in vielen Fällen auf die wesentlichen Eigenschaften und Mythen der betreffenden Gottheit beziehen.

I 2. a) Heimskringla

„Freya“ war nicht der einzige Name der Göttin. Die Vielzahl der Namen der Freya wird von Snorri u.a. in seinem Geschichtswerk „Heimskringla“ („Erdkreis“) erwähnt:

Freya hatte auch noch viele andere Namen.

I 2. b) Gylfis Vision

Einige der Beinamen der Freya werden in der Vision des Königs Gylfi aufgezählt:

Sie heißt Mardöll, Hörn, Gefn und Syr.

Diese vier Beinamen der Freya haben folgende Bedeutungen:

- „Mardöll“: Dieser Name setzt sich aus „mar“ für „Meer“ und „döll“ für „Tag“ oder „dalr“ für „Tag“ zusammen. Freya-Mardöll wäre dann entweder der „Meer-Tag“ oder das „Meer-Tal“.

Der zweite Teil dieses Namens („-dall“) könnte mit dem Tagesgott „Delling“ oder dem Namen des Gottes „Heimdall“ identisch sein. „Mardöll“ wäre dann das „Meer des Delling/Heimdall“.

Da es das Bild einer Wasserunterwelt gab und sowohl Delling als auch Heimdall mit der Sonne bzw. dem Sonnengott-Göttervater verbunden gewesen sind, könnte sich der Name „Mardöll“ auf das Motiv des Unterwelt-Meeres, aus dem die Sonne des Morgens zurückkehrt, beziehen. Freya als Mardöll wäre dann die Jenseitsgöttin gewesen, die am Morgen bzw. im Frühjahr den Sonnengott-Göttervater wiedergebiert – die Sonnenmutter.

Wenn man „Mardöll“ als „Meeres-Tag“ deutet, wäre Freya-Mardöll die Göttin, die die Sonne am Morgen aus der Wasserunterwelt aufsteigen läßt. Wenn man „Mardöll“ als „Meeres-Tal“ deutet, wäre die Tiefe des Meeres, d.h. die Wasserunterwelt gemeint.

Die Auffassung der Freya als der Frau des Odin ist wahrscheinlich erst um 500 n.Chr. entstaden, als Thor und Odin den ehemaligen nordgermanischen Göttervater abgesetzt haben und Odin an die Stelle des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr getreten ist und dabei dessen Frau (die Jenseitsgöttin Freya) übernommen hat.

- „Hörn“: Möglicherweise ist ein (Trink-)Horn gemeint. Dann würde dieser Name auf Freya, Gunnlöd, die Walküren u.a. hinweisen, die den Toten im Jenseits den Göttermet reichen. Auch dieser Beiname wäre dann eine Bezeichnung der Freya als Totengöttin.

Das Trinken des Göttermets ist bei den Indogermanen an die Stelle des Wiederstillens durch die Göttin nach der Wiedergeburt getreten. Schließlich hat das Trinken dieses Ritualtranks die Symbolik der Wiedergeburt übernommen und ist zum Unsterblichkeitstrank geworden: der Met der Germanen und Kelten, das Nektar ambrosia („Unsterblichkeitstrank“) der Griechen, das Soma amrita („ Unsterblichkeitstrank“) und das Haoma der Perser.

Der Freya-Beiname „Hörn“ bezieht sich wie ihr Beiname „Mardöll“ auf die Wiedergeburt.

Es gab in Schweden zwei Orte, die diesen Göttinnennamen enthalten: Härnevi und Järnevi, die beide „Tempel der Hörn“ bedeuten. „Hörn“ muß also ein wichtiger Beiname der Freya gewesen sein. Dazu paßt, daß in einigen Sagas rituelle Trinkhörner beschrieben werden, die eine wichtige Rolle spielen („Die Saga über Sturlaug den Mühen-Beladenen“, „Die Saga über Thorstein Viking-Sohn“, „Die Saga über Thorstein Haus-Macht“ u.a.), und daß sehr aufwendig hergestellte Trinkhörner aus Gold gefunden worden sind (Goldhörner von Gallehus).

Möglicherweise ist „Hörn“ aber auch als „Gehörnte“ aufzufassen – dann würde er Freya als die Urkuh oder als die Ziege Heidrun bezeichnen, die beides die Gestalt der Göttin bei der Wiederzeugung, der Wiedergeburt und dem Wiederstillen sind.

- „Gefn“: Dies ist Variante von „Gefion“, was „Geberin“ bedeutet und schon bei den germanisch-keltisch-römischen Matronen einer der wichtigsten Namen der alle Dinge in Fülle spendenden Göttin gewesen ist.

- „Syr“: Dieser Name bedeutet „Schwein“ und bezieht sich sowohl auf das Reittier der Göttin Freya als auch auf das Schwein als Opfertier bei den Bestattungen. Der Ursprung dieses Motivs ist die Vorstellung, daß die Jenseitsgöttin und der Tote bei der Wiederzeugung die Gestalt von zwei Herdentieren annehmen, um ihre Fruchtbarkeit bzw. ihre Zeugungskraft abzusichern – sie wurden daher zu Stier und Kuh, Hirsch und Hindin, Hengst und Stute, Keiler und Bache, Eber und Sau, Widder und Schaf, Ziegenbock und Ziege usw. (siehe dazu auch die Bände 42 und 51).

I 2. c) Skaldskaparmal

In Snorri Sturlusons Skaldenkunst-Lehrbuch finden sich ebenfalls einige Beinamen der Freya, von denen „Syr“ auch in „Gylfis Vision“ erwähnt wird:

- „Vanadis“: „Wanen-Göttin“

- „Valfreya“: „Wiedergeburtsgöttin der Gefallenen“

- „Thröng“, „Thrungva“: Dieser Name bedeutet „Enge, Gedränge“. Möglicherweise ist damit die Enge im Grab oder in der Unterwelt gemeint, aber die Deutung dieses Namens ist unklar. Es wäre auch denkbar, daß die Germanen bei dem Namen „Thröng“ an den engen Eingang in die Unterwelt gedacht haben ist. Der Begriff könnte evtl. auch eine Umschreibung für Freyas Schoß sein, der alle Seelen im Jenseits wiedergebiert.

Es könnte schließlich auch noch das Kampfgedränge in einer Schlacht gemeint sein, wodurch Freya als Walküre bezeichnet werden würde.

I 2. d) Thorsdrapa

Der Beiname „Thröng“ muß schon recht alt sein, da er auch schon in dem um ca. 985 n.Chr. von dem Skalden Eilifir Godrunason verfaßten „Loblied für Thor“ benutzt worden ist:

Thröngs alter Freund

Mit dieser Umschreibung ist der Gott Thor gemeint. Über diese Freundschaft zwischen Freya und Thor ist ansonsten nichts bekannt. Da man davon ausgehen kann, daß den damaligen Zuhörern des Skalden Eilifir diese Anspielung auf Thor und Freya sofort verständlich gewesen sein wird, muß diesem Motiv eine allgemein bekannte Mythe zugrundegelegen haben. Es wäre denkbar, daß es sich um eine Wiederzeugungs- und Wiedergeburtsmythe des Thor gehandelt hat, da sicherlich auch Thor zu den Liebhabern der Freya zählen wird, wenn Loki in der Lokasenna von „allen Asen“ als den Geliebten der Freya spricht.

I 2. e) Nafnathulur

Auch in diesen Namens-Listen, die Snorri seinem Skaldenkunst-Lehrbuch beigefügt hat, erscheinen einige Beinamen der Freya. Von ihnen sind „Gefn“, „Hörn“, „Mardöll“, „Syr“ und „Thrungva“ bereits erwähnt worden.

Namen der Freya:

Freya weinte

Gold(-Tränen) für Odi.

Ihre Namen sind

Hörn und Thrungva,

Syr, Skjalf und Gefn

und auch Mardöll.

Ihre Töchter heißen

Hnoss und Görsemi.

- „Hörn“ erscheint in diesen Listen sowohl als Beiname der Freya als auch als Name einer Troll-Frau. Da Trolle und Riesen und „Götter im Jenseits“ praktisch identisch miteinander waren, könnte „Hörn“ hier statt als Göttin (Freya) oder Riesin (Gunnlöd) als Trollfrau aufgefaßt worden sein – alle drei Wesen sind dieselbe Gestalt: die Mutter der Wiedergeburt im Jenseits.

In dieser Thulur-Liste erscheint nur ein einziger ansonsten nicht erwähnter Name:

- „Skjalf“ bedeutet „Schüttlerin, Zitternde“. In der Heimskringla trägt auch ein finnischer König diesen Namen, wobei die Könige der Finnen oft Saga-Varianten des Tyr und Jenseits sind.

Vermutlich ist mit „Skialf“ eine Schäre bzw. ein Schelf gemeint, also eine bei Flut von Wasser bedeckte Insel – dann wäre mit „Skjalf“ die Jenseitsinsel gemeint. Das „Zittern“ einer Schelf-Insel ist der ständige Wechsel von „überfluteter Insel“ und „trockenliegender Insel“.

Diese Deutung paßt auch gut zu dem Finnenkönig Skialf, der evtl. eine Saga-Vaiante des Tyr im Jenseits ist, und zum anderen stimmt diese Deutung auch gut mit den beiden Namen „Walaksialf“ („Toteninsel“) und „Hlidskialf“ („Totentor-Insel“) der Jenseitsinsel, zu der der ehemalige Sonnengott-Göttervaters am Abend gelangt, überein.

Freya ist somit die „Göttin auf der Jenseitsinsel“ oder die „JenseitsinselGöttin“. Auf dieser Insel trifft der Abendsonnen-Gott Tyr die Göttin Freya, die dann seine Wiederzeugungs-Geliebte ist und am Morgen dann zu seiner Wiedergeburts-Mutter wird. Der neugeborene Tyr ist am Morgen „eine Nacht alt“ wie es in den Mythen des Wali heißt (siehe „Wali“ in Band 19).

I 2. f) Gesta danorum

Die Erzählung über Syrita und Ottar in der „Geschichte der Dänen“ könnte dieselben Wurzeln wie die Mythe über Freya und Odr sowie das Hyndla-Lied haben, in dem Freya auf dem in einen Eber verwandelten Helden Otar reitet – offenbar eine späte Version der Wiederzeugungs-Vereinigung im Jenseits des Toten und der Göttin, die dabei die Gestalt eines Keilers und einer Bache annehmen.

Daher ist es recht sicher, daß Odhr-Ottar ursprünglich der ehemalige Kriegsgott und Sonnengott-Göttervater Tyr in der Wasserunterwelt gewesen ist. Dort in den tiefen Wassern wird in den alten Mythen Freya den Sonnengott wiedergeboren haben.

Für die Deutung des Ottar als Tyr spricht auch, daß Loki in der Völsungen-Saga den Ottar mit einem Steinwurf tötet und dieses Motiv des Mordes des Tyr durch Loki aus den Mythen über den endlosen zyklischen Kampf zwischen dem Sommergott Tyr und dem Wintergott Loki bekannt ist.

Der Frauenname „Syrita“ wird in den Übersetzungen der Gesta danorum oft fälschlicherweise mit „Sigrid“ eingedeutscht – er lautet im lateinischen Original jedoch „Syrita“, also „kleine Syr“. „Syr“, d.h. „Sau“ ist einer der Beinamen der Freya, die auf einem Wildschwein reitet, was eine verharmlosende Variante für ihre Verwandlung in eine Wildsau ist.

In dem folgenden Text ist die Moral-Auffassung des christlichen Mönches Saxo des Schriftkundigen, der ihn verfaßt hat, des öfteren sehr deutlich zu spüren. Auch sein Stil ist sehr weit von der knappen und sachlichen Darstellungsweise der Germanen entfernt und ist ganz von der damals im gelehrten Christentum üblichen bilderreichen und langatmigen Schreibweise in sehr langen, verschachtelten Sätzen geprägt.

Siwalds Tochter Syrita war von solch erlesener Sittsamkeit, daß es, obwohl viele Werber sie wegen ihrer Schönheit heiraten wollten, schien, daß sie nicht dazu bewegt werden konnte, auch nur einen von ihnen anzublicken. Im Vertrauen in diese Kraft der Selbstbeherrschung bat sie ihren Vater um einen Ehemann, der durch die Süße seiner Schmeicheleien von ihr einen Blick zu ihm erlangen konnte. Denn in den alten Zeiten war bei uns die Selbstbeherrschung der Mädchen eine starke Verteidigung gegen lüsterne Blicke, da durch sie die Gesundheit der Seele nicht durch die Unzüchtigkeit der Augen beschmutzt werden konnte – und die Frauen hatten das Verlangen, die Reinheit ihrer Herzen durch die Selbstbeherrschung in ihren Gesichtern zu beweisen.

Dann verlangte es einen gewissen Ottar Ebb-Sohn, der von seinem Vertrauen in die Größe entweder seiner Großtaten oder der höflichen und beredten Weise, mit der er sie ansprach, entflammt war, beharrlich und inbrünstig danach, sie zu ehelichen. Doch obwohl er mit der ganzen Kraft seines Verstandes versuchte, ihren Blick zu erweichen, konnte er mit keinem Hilfsmittel – was auch immer er versuchte – ihre niedergeschlagenen Augen bewegen, sodaß er schließlich fortging und voller Verwunderung über die Standhaftigkeit ihrer unbezwingbaren Standfestigkeit war.

Einen Riesen verlangte nach demselben, aber als er sah, daß er in gleicher Weise gescheitert war, verleitete er eine Frau dazu, der Maid Freundschaft vorzutäuschen und sie schließlich in geschickter Weise weit von ihres Vaters Haus fortzulocken, woraufhin der Riese herbeisprang und sie zu seiner abgelegenen Festung auf einem Bergrücken im Gebirge trug.

Andere glauben, daß er sich als Frau verkleidet hatte und die Maid in verräterischer Weise durch seine fortwährenden Listen dazu verleitete, sich von ihrem eigenen Haus zu entfernen und sie schließlich davontrug.

Diese Variante klingt sehr nach der Geschichte über Odin und Rindr, in der sich Odin schließlich als Heilerin verkleidet, um Rindr verführen zu können, mit der er dann den Wali zeugt, der im Alter von einer Nacht seinen Halbbruder Baldur an Hödur rächt. Dieses Alter von einer Nacht zeigt, daß es sich bei ihm um den am Morgen wiedergeborenen Sonnengott-Göttervater Tyr handelt.

Ein Riese, der eine Frau raubt, die auf Freya zurückgeht, könnte der Gott Tyr als Riese in der Unterwelt sein.

Als Ottar davon hörte, durchsuchte er alle Winkel in den Bergen auf der Suche nach der Maid, fand sie, erschlug den Riesen und trug sie fort.

Das Erschlagen des Riesen gehört zu der Mythe der Wiedergeburt des Sonnengott-Göttervaters Tyr, da diese Geburt schon früh bei den Indogermanen zu einem Töten des alten Göttervaters durch den jungen, wiedergeborenen Göttervater geworden ist. Nach der Völkerwanderungszeit, in der Tyr durch Odin und Thor als Göttervater abgesetzt worden ist, ist daraus dann das Töten der Tyr-Riesen (alter Göttervater) durch Thor, der an die Stelle des jungen Göttervaters getreten ist, geworden.

Doch der eifrige Riese hatte die Locken der Maid zurückgebunden und ihr Haar in solch einer Weise fest verdreht, daß die verfilzte Masse von Strähnen in einer Art von gebogenem Bündel lag, sodaß es für niemanden einfach war, dieses geflochtene Gestrüpp zu entwirren ohne den Stahl zu benutzen.

Wieder versuchte er mit den verschiedensten Verführungskünsten die Maid dazu zu verleiten, ihn anzublicken, doch als er eine lange Zeit vergeblich ihre bewegungslosen Augen belagert hatte, gab er sein Vorhaben auf, da sich seine Absichten sich so wenig nach seinen Wünschen entwickelten. Doch er konnte sich selber nicht dazu bewegen, sich die Maid mit Gewalt zu nehmen, da er es verabscheute, sie wegen ihrer vornehmen Geburt mit einer verabscheuenswürdigen Vereinigung zu beschmutzen.

Dann wanderte sie lange Zeit und lief durch verschiedene Einöden und auf gewunden Pfaden bis sie schließlich zu der Hütte einer gewissen riesigen Waldfrau kam, die ihr die Aufgabe gab, ihre Ziegen zu hüten.

Der Wald und die Berge, also die Wildnis, sind in den Sagas, die mythologische Wurzeln haben, oft ein Bild für das Jenseits: der Wald Myrkvid („Düsterwald“) und das Randgebirge außen um das Weltmeer, in dem die Riesen wohnen („Utgard“). Die Riesin dort ist die Jenseitsgöttin Hel. Die Ziegen, die dort bisweilen anzutreffen sind, können manchmal die Totengeister sein, die durch die für sie bei ihrer Bestattung geopferten Ziegenböcke die Gestalt dieser Ziegenböcke angenommen haben. Die junge Frau bzw. die Königstochter bei der alten Frau ist der Aspekt der Wiederzeugungs-Geliebten der Jenseitsgöttin, also Freya.

Wieder bot Ottar ihr seine Hilfe bei ihrer Befreiung an und wieder bemühte er sich, sie zu erweichen, und sprach sie in folgender Weise an:

„Würdest Du nicht lieber auf meinen Rat hören und mich in der Weise umarmen, nach der es mich verlangt, als hier zu bleiben und die Ziegenherden zu hüten?

Weise die Hand Deiner üblen Herrin zurück und fliehe von Deiner grausamen Zuchtmeisterin und komme mit mir zu den Schiffen Deiner Freunde zurück und lebe in Freiheit!

Verlasse die Sorge um die Schafe, die Dir anvertraut worden sind; verschmähe es, den Schritten der Ziegen zu folgen; teile mein Bett mit mir und erfülle mir schnell meine Bitten!

O Du, die ich mit so vielen Mühen gesucht habe, bewege Deine reglosen Blicke – erhebe nur einen Augenblick – es ist doch nur eine leichte Geste – Dein Antlitz!

Ich werde Dich von hier fort und zu dem Haus Deines Vaters bringen und Dich wieder in Freude mit Deiner Dich liebenden Mutter vereinen, wenn Du mir nur ein einziges Mal Deine Augen, die von sanftem Verlangen erfüllt sind, zuwendest!

Du, die ich so oft aus den Verliesen der Riesen befreit habe, gib mir die mir zustehende Belohnung für meine Bemühungen in alter Zeit; habe Mitleid mit meinen steten Bemühungen und sei nicht mehr hart gegen mich!

Wodurch bist Du so verstört und geisteskrank geworden, daß Du lieber die Herden eines anderen hütest und zu den Mägden eines Ungeheuer gezählt wirst, als daß Du unserer Heirat zustimmst – einer Verbindung in gegenseitiger und standesgemäßer Übereinkunft?“

Doch sie hielt ihre Lider unbeweglich niedergeschlagen und beherrschte ihren Blick, damit ihr keuscher Geist nicht dadurch, daß sie auf die Welt draußen blickte, in Versuchung gebracht werden würde.

Seht nur, wie selbstbeherrscht die Frauen jenes Zeitalters gewesen sein müssen, daß sie selbst durch die stärksten Verführungskünste ihrer Liebhaber nicht zu der geringsten Bewegung ihrer Augenlider bewegt werden konnten!

Als Ottar erkannte, daß er selbst durch die Verdienste seiner doppelten Hilfe nicht den Blick der Maid zu ihm lenken konnte, ging er zu seiner Flotte zurück und war müde vor Scham und Verdruß.

Syrita lief in ihrer gewohnter Weise über die Felsen fort und geriet auf ihren ziellosen Wanderungen schließlich zu dem Heim des Ebb, wo sie vor Scham wegen ihrer Nacktheit und ihrer Verzweiflung vorgab, die Tochter von armen Leuten zu sein.

Ebb ist der Vater von Ottar.

Die Mutter des Ottar sah jedoch, daß diese Frau, obwohl sie schmutzig und abgemagert und nur mit einem dünnen Umhang bekleidet war, aus einer edlen Familie stammen mußte, und ließ sie in aller ehrerbietigen Höflichkeit auf einem Ehrenplatz neben sich sitzen, denn die Schönheit der Maid war ein Hinweis auf ihre Geburt und in ihrem Antlitz war der verräterische Widerhall ihrer Herkunft zu erkennen.

Als Ottar sie sah, frug er, warum sie ihr Antlitz in ihrem Gewand verberge. Zudem täuschte er, um ihren Geist noch sicherer zu prüfen, vor, daß eine Frau seine Gattin werden würde und bat Syrita, als er zu seinem Brautlager hinausging, die Fackel zu halten. Das Licht war schon fast herabgebrannt und sie wurde von der näherkommenden Flamme hart bedrängt, aber sie war ein solches Vorbild an Ertragen, daß man sehen konnte, daß sie ihre Hand unbewegt hielt, und daß man meinen konnte, daß sie keinen Schmerz durch die Hitze empfinden würde, denn das Feuer in ihr herrschte über das Feuer außen und die Glut ihrer sehnsuchtsvollen Seele tötete die Verbrennungen auf ihrer versengten Haut ab.

Schließlich bat Ottar sie, auf ihre Hand zu achten. Da erhob sie sittsam ihre Augen und wandte ihren ruhigen Blick zu ihm und ging geradewegs, nachdem die vorgetäuschte Heirat offensichtlich geworden war, zu dem Brautlager, um seine Frau zu werden.

Auch Odin benötigte drei Versuche, um sich mit Rindr vereinen zu können. Die dreifache Darstellung einer Tat oder eines Ereignisses ist die (indo-)germanische Weise, einen endlosen, zyklischen Vorgang darszustellen – hier die Werbung des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr um die Jenseitsgöttin, mit er er sich wiedervereinen will. Möglicherweise ist die Fackel in der Hand der Syrita eine Erinnerung an das Bestattungsfeuer (siehe auch „Feuer“ in Band 55).

Diese Tyr/Freya-Symbolik ist um 500 n.Chr. bei der Absetzung des Tyr durch Odin auf Odin/Rindr übertragen worden.

Später ergriff Siwald Ottar und fand, daß er dafür gehängt werden solle, daß er seine Tochter beschmutzt hatte, doch Syrita erklärte sofort, wie sie geraubt worden war und brachte Ottar nicht nur die Gunst des Königs zurück, sondern regte ihren Vater sogar dazu an, Ottars Schwester zu heiraten.

Danach gab es eine Schlacht zwischen Siwald und Ragnald auf Seeland, für die auf beiden Seiten Krieger von herausragender Stärke ausgewählt worden waren. Drei Tage lang töteten sie einander, aber der Mut war auf beiden Seiten so groß, daß es unklar war, wer den Sieg erringen würde.

Dann brach Ottar plötzlich, entweder von Ungeduld über die sich hinziehende Schlacht oder von einem Verlangen nach Ruhm, durch das dichteste Gedränge der Feinde, hieb Ragnald inmitten der kühnsten seiner Krieger nieder und errang so den Dänen einen plötzlichen Sieg.

Ottar ist also auch ein Kriegsheld – was gut zu seiner Deutung als eine der vielen Sagen-Varianten des Tyr paßt, der auch der Schwert- und Kriegsgott gewesen ist.

I. 2 g) Hymir-Lied

In diesem Lied wird Freya umschrieben ohne daß ihr Name genannt wird:

Der junge Tyr traf als erstes seine Großmutter, die er verabscheute –

Sie hatte der Häupter neunmal hundert.

Doch eine andre trat hervor, Gold-bedeckt und weißbrauig,

und brachte ihrem Sohn einen Trank Bier.

Die „Ahne“ des Tyr ist eine Jenseits-Riesin, wie sich leicht an ihren 9·100 Köpfen erkennen läßt, da „9“ die Zahl des Jenseits und „100“ die Zahl des Superlativs ist: Die „Ahne“ ist somit „die Größte im Jenseits“. Sie wird daher letztlich mit Hel identisch sein. Aus dieser „Ahne“, d.h. aus der Großmutter des Tyr könnte sich durchaus später im Christentum „des Teufels Großmutter“ entwickelt haben. Der Teufel mit seinen Hörnern ist aus den Toten im Jenseits entstanden, die durch die Identifizierung mit dem für sie bei ihrer Bestattung geopferten Herdentier dessen Hörner erhalten haben – meist sind es Ziegenhörner, da die Ziegenböcke die Opfertiere der einfachen Leute und daher die häufigsten Opfertiere gewesen sind.

Tyrs Mutter wird im Gegensatz zu seiner Großmutter als „Gold-bedeckt“ und als „weißbrauig“ bezeichnet.

Die erste Umschreibung („Gold-bedeckt“) könnte sowohl bedeuten, daß Tyrs Mutter goldene Armreifen und anderen goldenen Schmuck trägt, als auch, daß sie goldenes, d.h. blondes Haar hat. Falls hier Goldschmuck gemeint ist, könnte durchaus Freyas goldener Halsreif Brisingamen gemeint sein – zumal die Mutter eines Gottes entweder eine Göttin oder eine Riesin sein muß.

Die zweite Umschreibung („weißbrauig“) erinnert an den Druidennamen „Taliesin“, denn dieser Name bedeutet „Leuchtende Stirn“. Beides könnte sich evtl. auf das Stirnchakra („Drittes Auge“) beziehen, das in der indischen Tradition als „leuchtend“ beschrieben wird. Aufgrund der Kennzeichnung als „allgolden“ ist auch ein Zusammenhang mit der Sonne denkbar. Vermutlich ist „weißbrauig“ jedoch einfach als „weißhäutig“ aufzufassen.

Die Mutter des Tyr wird die Jenseitsgöttin als die Geliebte bei der Wiederzeugung des „alten Tyr“ (Hymir) sein, die der Wiedergeburt des „jungen Tyr“ vorausgeht – die Geliebte des „alten Tyr“ wird durch die Wiedergeburt des „alten Tyr“ zu der Mutter des „jungen Tyr“.

Tyrs Großmutter ist wahrscheinlich ursprünglich dieselbe Jenseitsgöttin in ihrem Aspekt als die gefürchtete Herrin des Totenreiches gewesen. Für diese Deutung spricht auch, daß der Tod, die Wiederzeugung und die Wiedergeburt der Sonne (Tyr) ein endloser zyklischer Vorgang ist und die Germanen auf solche Vorgänge durch eine dreimalige Darstellung hingewiesen haben:

Aus den germanischen Mythen sind mehrere Göttinnen-Schwestern bekannt, die die Jenseits-Geliebte und die Totenherrin verkörpern. Am deutlichsten ist dies bei den Schwestern Freya und Hyndla, aber es finden sich auch noch andere solche Paare wie z.B. Irpa und Thorgerdr, Sunna und Sinthgunt oder Fenja und Menja. Sie entsprechen der Mutter und der Großmutter des Tyr.

Die Beschreibung des Donnergottes in „Gylfis Vision“ als „junger Thor“ bedeutet vermutlich, daß Thor an die Stelle des jungen, d.h. des wiedergeborenen Tyr getreten ist. Die Ähnlichkeit zwischen beiden Göttern besteht darin, daß sie beide u.a. auch Kampfgötter sind – Tyr mit seinem Schwert und Thor mit seinem Hammer.

In den alten nordgermanischen Mythen vor 500 n.Chr., in denen Tyr vor seiner Absetzung durch Thor und Odin der Sonnengott-Göttervater gewesen ist, ist die Göttin Freya sehr wahrscheinlich die Wiederzeugungs-Geliebte und die Wiedergeburts-Mutter des Tyr gewesen.

I 2. h) Harbard-Lied

Harbard (Odin):

„Ich war im Osten mit einer zu kosen,

Spielte mit der Schneeweißen und sprach lange mit ihr.

Ich erfreute die Goldschöne; der Scherz gefiel der Maid.“

Die Szene in dieser Strophe ist eine Anspielung auf die Wiederzeugung, die ansonsten meist im Norden und seltener im Westen stattfindet. Die „Schneeweiß-Goldschöne“ wird die Jenseitsgöttin Freya-Menglöd sein, mit der sich Odin bei seinem Raub des Skaldenmets in deren Hügelgrab vereint.

Im Hymir-Lied wird auch die Mutter des Tyr, d.h. ebenfalls die Göttin Freya, mit diesen beiden Merkmalen umschrieben.

Hier zeigt sich recht deutlich, daß Odin bei der Absetzung des Tyr als Göttervater der Nordgermanen die Jenseitsgöttin Freya als Geliebte übernommen hat.

Aus dem Namen „Schneeweiße“ wurde später in den Märchen „Schneewittchen“.

I 2. i) Zusammenfassung

Durch ihre Beinamen werden mehrere Merkmale der Göttin Freya deutlich:

Als „Mardöll“ ist die Göttin der Wasserunterwelt, aus der am Morgen bzw. im Frühjahr der Sonnengott-Göttervater zurückkehrt.Als „Hörn“ ist sie die Göttin, die das Met-Trinkhorn und vermutlich auch den Göttermet selber besitzt. In dieser Funktion entspricht sie der Gunnlöd.Als „Gefn“ ist sie mit der Göttin „Gefion“ identisch, die die „Spenderin aller Dinge“ ist.Als „Syr“ ist sie die Besitzerin des (Wild-)Schweines, auf dem sie reitet. Sie ist zudem auch selber die Sau bzw. Bache bei der Wiederzeugung mit den Toten bzw. mit dem ehemaligen Sonnengott-Göttervater Tyr.Als „Vanadis“ ist sie die „Wanen-Göttin“.Als „Valfreya“ ist sie wie Odin die Göttin der Toten, die im Kampf gefallen sind.Als „Thröng“ oder „Thröngva“ könnte sie die Göttin der Gräber sein. Evtl. bezieht sich dieser Name auch auf ihren Schoß, der alle Toten im Jenseits wiedergebiert.Als „Skjalf“ ist sie die Göttin der Jenseitsinsel im Westen, auf der sie sich jeden Abend nach dem Tod des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr mit diesem bei dessen Wiederzeugung vereint.Als „Gold-Bedeckte“ oder „Gold-Schöne“ ist sie die Besitzerin des goldenen Halsreifs Brisingamen.Als „Weißbrauige“ oder „Schneeweiße“ ist sie vermutlich eine weißhäutige Göttin.

I 3. Freya die Wanengöttin

I 3. a) Die Familie der Wanen

Die germanischen Götter setzen sich aus zwei „Stämmen“ zusammen: den Asen und den Wanen. Der „Stamm der Wanen“ scheint nur aus einer einzigen kleinen Familie zu bestehen: Njörd und seine Frau-Schwester, die nicht namentlich genannt wird, aber wohl mit der von dem römischen Historiker Tacitus beschriebenen Nerthus identisch ist, sowie Freya und Freyr, den Kindern der beiden, und schließlich noch ein namentlich nicht genannter Sohn von Freya und Freyr.

Die Familie der Wanen

Generation

Gottheiten

Bruder

Schwester

1. Generation

Njörd

Nerthus (?)

2. Generation

Freyr

Freya

3. Generation

Sohn

(Schwester?)

I 3. b) Die Bezeichnung „Wanen“

Das Wort „Vanir“ bedeutet „Glänzende“ und ist daher dem Wort „Alfen“ („Weiße, Leuchtende“) ausgesprochen ähnlich. Da Freyr in der Halle „Alfenheim“ wohnt, kann man davon ausgehen, daß die Wanen und die Alben ursprünglich einmal dieselben Gruppe von Wesen sein werden – die leuchtenden Totengeister in dem Muspelheim-Jenseits des Göttervaters Tyr im südlichen Himmel, in dem auch die Alfen wohnen.

Die Familie der Wanen scheint somit eigentlich eine Gruppe von Ahnen zu sein, die in den „Stamm der Asen“ aufgenommen worden ist. Dazu paßt gut, daß Freya und Freyr die Urbilder der Wiederzeugungs-Geliebten und der Wiedergeburts-Mutter bzw. des Toten bei seiner Wiederzeugung und seiner Wiedergeburt sind: die Ahnen („Wanen“, „Alfen“) sind die wiedergezeugten und wiedergeborenen Toten.

Ihr „Leuchten“ wird sich vermutlich auf die milchigweiß leuchtenden Schemen beziehen, als die man hellsichtig die Totengeister wahrnehmen kann – was zu dem Motiv der „Bettlaken-Gespenster“ geführt hat.

I 3. c) Skaldskaparmal

Am Anfang von Snorri Sturlusons Skaldenkunst-Lehrbuch werden die wichtigsten Asen und Asinnen aufgezählt. Falls die Götter und Göttinnen in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit aufgezählt worden sein sollten, wäre Freya die zweitwichtigste Göttin nach Frigg.

Da kamen die Asen zu ihrem Gelage und zwölf der Asen, die da zu Richtern bestellt waren, setzten sich auf ihre Hochsitze. Dies sind ihre Namen: Thor, Niörd, Freyr, Tyr, Heimdall, Bragi, Widar, Wali, Ullr, Hönir, Forseti, Loki. Desgleichen heißen die Asinnen: Frigg, Freyja, Gefion, Idun, Gerd, Sigyn, Fulla, Nanna.

I 3. d) Heimskringla

Am Anfang von Snorri Sturlusons mythologisch-historischem Werk „Heimskringla“ erscheint Freya als eine Göttin vom Stamm der Wanen. Die germanische Gottheiten wurden der damaligen christlichen Ansicht gemäß als Könige und Königinnen der Vorzeit angesehen.

Odin zog mit einem großen Heer zu den Leuten aus dem Wanen-Land, aber sie waren gut vorbereitet und verteidigten ihr Land; daher war der Sieg wechselhaft und sie verwüsteten gegenseitig ihre Länder und verursachten große Schäden.

Schließlich waren beide dieses Kampfes müde und beide Seiten trafen sich, um einen Frieden auszuhandeln, einen Waffenstillstand zu vereinbaren und Geiseln auszutauschen. Das Wanenland sandte seinen besten Mann: Njörd den Reichen und seinen Sohn Freyr.

Die Leute des Asenlandes sandten einen Mann, der Hönir genannt wurde und den sie für einen sehr fähigen Häuptling hielten, da er ein sehr kräftiger und stattlicher Mann war, und mit ihm sandten sie einen Mann von großer Weisheit, den sie Mimir nannten. Auf der anderen Seite sandten die Wanenland-Leute den weisesten Mann aus ihrer Gemeinschaft, der Kvasir genannt wurde.

Nun, als Hönir nach Wanenheim kam, wurde er sofort zu einem Häuptling ernannt, und Mimir (Tyr als Riese im Jenseits) kam jederzeit mit gutem Rat zu ihm. Wenn Hönir jedoch in den Thing-Treffen oder in anderen Versammlungen stand und Mimir nicht in seiner Nähe war und ihm irgendeine schwierige Angelegenheit vorgelegt wurde, antwortete er immer auf dieselbe Weise: „Laßt nun andere ihren Rat geben.“

Daher bekamen die Wanenland-Leute den Verdacht, daß sie bei dem Austausch von Männern betrogen worden seien. Deshalb ergriffen sie Mimir, enthaupteten ihn und sandten seinen Kopf zu den Asenland-Leuten.

Odin nahm den Kopf, rieb ihn mit Kräutern ein, damit er nicht verweste und sang Zauberlieder über ihm. Dadurch gab Odin Mimirs Haupt die Macht, daß er zu ihm sprach und ihm viele Geheimnisse erzählte.

Odin ernannte Njörd und Freyr zu Opferpriestern und sie wurden die Diar der Asenland-Leute. Njörds Tochter Freya wurde die Opferpriesterin und lehrte als erste den Asenland-Leuten die magischen Künste („seidr“) wie sie bei den Wanenland-Leuten üblich und weit verbreitet waren.

Während Njörd noch bei den Wanenland-Leuten gewesen war, nahm er seine eigene Schwester zur Frau, denn das war von ihrem Gesetz erlaubt; und ihre Kinder waren Freyr und Freya. Aber unter den Asenland-Leuten war es verboten, unter so nahen Verwandten zu heiraten.

Ein Diar ist ein Priester. Diese Bezeichnung ist mit den indogermanischen Götternamen „Tyr“, „Zeus“, „Jupiter“, „Deus“ usw. verwandt, die alle Varianten des Namens „Dhyaus“ („Aufsteigender“) der indogermanischen Sonnengott-Göttervaters sind. Ursprünglich wird ein Diar folglich ein „Mann des Tyr“, also ein Priester des germanischen Sonnengott-Göttervaters gewesen sein. Diese Bedeutung ist in diesem Text offensichtlich schon ausgeweitet worden.

Freya als Schwester des Freyr ist daher eine „Dise“ („Göttin“) – dieses Wort ist die Femininform zu „Diar“.

Die Deutung der Freya als Priesterin und Zauberin in diesem Text, in dem die mythologischen Themen der Götter bereits in die Sagen-Themen der Helden umgedeutet worden sind, wird darauf zurückgehen, daß die Göttin Freya Priesterinnen hatte und daß diese Priesterinnen auch Seherinnen und Zauberinnen gewesen sind.

Freya und ihr Bruder Freyr sind die Kinder des Gottes Njörd und dessen Schwester (Nerthus).

Freya hatte sehr wahrscheinlich Priesterinnen, die zugleich Seherinnen und Zauberinnen gewesen sind.

Da Freyr ein „Diar“ („Tyr-Priester“, „Gott“) ist, sollte Freya eine „Dise“ (Tyr-Priesterin“, „Göttin“) sein.

I 3. e) Gylfis Vision

In „Gylfis Vision“ findet sich dieselbe Familienstruktur beschrieben wie in der Heimskringla – beide Werke wurden von Snorri Sturluson verfaßt.

Niörd von Noatun zeugte seitdem zwei Kinder. Der Sohn hieß Freyr und die Tochter Freyja. Sie waren schön von Antlitz und mächtig. Freyr ist der trefflichste unter den Asen. Er herrscht über Regen und Sonnenschein und das Wachstum der Erde und ihn soll man anrufen um Fruchtbarkeit und Frieden. Freyja ist die herrlichste der Asinnen.

Freyr und Freya werden in diesem Text als der bester Gott und als die beste Göttin bezeichnet. Dies könnte einfach in der Friedlichkeit der beiden Gottheiten begründet sein, aber evtl. auch darauf zurückzuführen sein, daß Freya die „Dise“, also die ehemals die wichtigste Göttin gewesen ist und daß Freyr auch „König der Götter“ genannt wurde.

Diese beiden Namen lassen vermuten, daß Freyr und Freya zumindestens bei einem Teil der Germanen einst die Namen für das oberste Götterpaar gewesen sind.

In dem folgenden Stammbaum sind die Wanen grau hinterlegt worden.

I 3. f) Gylfis Vision

Die Bezeichnung „Wanadis“, d.h. „Wanen-Göttin“ war eine eindeutige Bezeichnung für Freya, da von den Wanen nur eine Göttin namentlich bekannt gewesen ist.

Freya heißt auch Wanadis.

Das Wort „Dis“ hatte damals die Bedeutungen „weiblicher Schutzgeist“, „Göttin“, „Schwester“ und „junge Frau“.

Die germanische Wurzel „daesi“ des altnordischen „dis“ bedeutet „Göttin“. Von dieser Wurzel leitet sich u.a. auch das altenglische „ides“ für „Jungfrau, Frau, Weib, Königin“ ab.

Die indogermanische Wurzel des germanischen Wortes „daesi“ ist „dhys“, was die weibliche Form des Namens „dhyaus“ des Sonnengott-Göttervaters gewesen ist. Aus der Bezeichnung der Freya als „Wanen-Dis“ ergibt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit, daß sie ursprünglich die „Göttermutter“ gewesen ist.

Die Priesterbezeichnung „Diar“ könnte sich somit nicht nur auf den Göttervater Tyr, sondern auch auf die Dise Freya bezogen haben – falls das diesem Priestertitel zugrundeliegende Wort „dhyaus/dhys“ nicht bereits wie bei den meisten anderen indogermanischen Völkern zu einer allgemeinen Bezeichnung für „Gott“ geworden war.

Da „Dise“ zu „Diar“ gehört und „Diar“ eine alte Bezeichnung des Tyr ist, sollte die wichtigste Dise, also Freya, einst in einem engen Zusammenhang mit Tyr gestanden haben – vermutlich als die Wiederzeugungs-Geliebte und die Wiedergeburts-Mutter des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters.

Die Bedeutung „Göttin“ des Wortes „dis“ zeigt sich u.a. in den zusammengesetzten Worten „disa-blot“ für „Opfer an eine Dise“ und „disa-salr“ für „Saal der Dise“ im Sinne von „Tempel der Göttin“, denn Opfer in einem Tempel kann nur eine Göttin erhalten.

Die Bedeutung „weiblicher Schutzgeist“ des Wortes „Dise“ ist eine Parallele zu der Auffassung der „fylgia“, also des „Seelenvogels“ als eines weiblichen Schutzgeistes. Da in den Jenseitsvorstellung die Muttergöttin die Toten als Seelenvogel wiedergebiert, entstand eine enge Assoziation zwischen der Muttergöttin und den Seelenvögeln, die u.a. zu dem Motiv der Walküren, die Frauen sind, die sich in Schwäne verwandeln können, führte. So wie die Seelenvögel („fylgias“) zu Frauen geworden sind, ist offenbar auch die Göttin („Dise“) zu Seelenvögeln (Schutzgeistern) geworden – die Unterscheidung zwischen der Göttin und den von ihr wiedergeborenen Seelen-„Kindern“ in Vogelgestalt hat sich in der Mythologie der Germanen weitgehend verwischt. Daher ist bei den Germanen die Seele eine Frau …

Die Benutzung des Wortes „dis“ für „Schwester“ könnte ihren Ursprung darin haben, daß Freyr und Freya das bekannteste Bruder-Schwester-Paar gewesen sind – aber diese Deutung ist unsicher.

Die Bedeutung „junge Frau“ ist schließlich zum einen dadurch entstanden, daß alle Frauen durch Umschreibungen bezeichnet werden konnten, die aus einem Göttinnennamen und einem Bestimmungswort („Haus-Gefion“ o.ä.) zusammengesetzt sind. Zum anderen war das Ausschenken des (Götter-)Mets durch eine junge Frau im Diesseits bzw. durch eine Walküre oder die Göttin (z.B. Gunnlöd) im Jenseits ein prägendes Motiv. Beides zusammen ermöglichte es, jede junge Frau eine „Dis“ zu nennen.

Freya ist eine Dise, d.h. eine Göttin, für die ein Tempel errichtet worden ist, in der der Göttin geopfert wurde.

I 3. g) Skaldskaparmal

In diesem von Snorri Sturluson verfaßten Skaldenkunst-Lehrbuch findet sich dieselbe Genealogie wie an den bereits genannten Stellen, sowie noch einige Ergänzungen:

„Wie soll man Freya umschreiben?“

„Folgendermaßen: indem man sie Tochter des Njörd nennt, Schwester des Freyr, Frau des Odr, Mutter der Hnoss … Göttin der Wanen, Herrin der Wanen …“

„Odr“ ist identisch mit „Odin“ – Freya als (ehemals) oberste Göttin ist auch die Frau des zur Zeit des Snorri Sturluson (1220 n.Chr.) obersten germanischen Gottes. Ursprünglich ist „Odr“ jedoch sehr wahrscheinlich ein Beiname des Tyr gewesen.

Der Name „Hnoss“ bedeutet „Kleinod, Kostbarkeit“ und ist eine Verkörperung von Freyas Halsreif Brisingamen, der ihr wichtigstes Symbol ist.

I 3. h) Gylfis Vision

Auch in diesem Text wird die Familie der Freya auf dieselbe Weise dargestellt:

Da frug Gangleri: „Welches sind die Asinnen?“

Har antwortete: „… Freyja ist die vornehmste nach Frigg; sie ist einem Manne vermählt, der Odhr heißt. Deren Tochter heißt Hnoss: die ist so schön, daß nach ihrem Namen alles 'hnossir' genannt wird, was schön und kostbar ist. Odhr zog fort auf ferne Wege.“

Diese „fernen Wege“ sind die Unterwelt, in der die Sonne (Tyr) am Abend versinkt.

I 3. i) Heimskringla

In Snorris Geschichts-Werk wird noch eine zweite Tochter der Freya erwähnt, deren Name „Gersemi“ oder „Görsemi“ ursprünglich wohl nur eine Variante von „Hnoss“ gewesen ist, da er „Schatz“ bedeutet.

Freyas Mann war Odr und ihre Töchter Hnoss und Gersemi. Sie waren so schön, daß nach ihren Lebzeiten die kostbarsten Edelsteine mit ihren Namen bezeichnet wurden.

Snorri hat zwar richtig erkannt, daß es einen Zusammenhang zwischen den Namen der Göttinnen und der Bezeichnung für Schmuckstücke und Edelsteine gibt, aber er hat die Entwicklung verkehrtherum gedeutet.

Da die beiden Töchter der Freya wahrscheinlich Verkörperungen des Halsreifs „Brisingamen“ der Freya sind, ist in dem folgenden Stammbaum kein Vater dieser beiden Freya-Töchter angegeben.

Als Töchter der Freya sollten auch Hnoss und Görsemi Wanen sein, aber als Personifikationen von Freyas Brisingamen gehören sie im Grunde genommen zu keinem der beiden germanischen Götterstämme.

I 3. j) Gylfis Vision

In dieser Vision des Königs Gylfi wird Näheres über Freyas Mann Odr berichtet:

Freyja hat viele Namen: die Ursache ist, daß sie sich oft andere Namen gab, als sie Odhr zu suchen zu unbekannten Völkern fuhr.

Freyas Suche nach Odr zeigt, daß Odr/Odin/Tyr längere Zeit fort gewesen sein muß oder daß sein Aufenthaltsort unbekannt gewesen ist oder beides. Da solche Abwesenheiten und solche Suchen in Mythen in aller Regel Jenseitsreisen sind und diese Reisen in den Mythen sowohl des Sonnengott-Göttervaters Tyr als auch des Schamanengott-Göttervaters Odin das zentrale Element sind, wird man davon ausgehen können, daß Freya in das Jenseits gereist ist, um Tyr/Odin in das Diesseits zurückzuholen.

Dies ist ein Motiv, das sich in vielen Mythen findet. Die bekannteste indogermanische Mythe dieser Art wird die Reise der Demeter in die Unterwelt zu ihrem Bruder Hades sein, als sie nach ihrer geraubten Tochter Persephone gesucht hat. Eine der ursprünglichsten Versionen dieser Mythe haben die alten Ägypter mit der Suche der Göttin Isis nach ihrem Bruder Osiris bewahrt.

Die gesuchten Gottheiten in der Unterwelt sind fast immer Korngottheiten wie Kore-Ceres-Persephone oder wie Osiris. Der Aufenthalt dieser Götter in der Unterwelt ist somit mit dem Winter identisch.

Es besteht somit der begründete Anfangsverdacht, daß auch Freya eine Jenseitsgöttin sein könnte, die auch im Zusammenhang mit dem Wechsel der Jahreszeiten und dem Getreide steht. Das würde bedeuten, daß die Erd- und Korngöttin Sif mit Freya identisch ist – dafür spricht zu einen, daß der Tyr-Riese Hrungnir sowohl Freya als auch Sif rauben wollte, und zum anderen, daß der Name „Freya“ die Bedeutung „Familienmitglied“ und „Sif“ die dem sehr ähnliche Bedeutung „Sippenmitglied“ hat.

Da Odin in derjenigen seiner Jenseitsreisen, die am detailliertesten beschrieben ist, also in seinem Raub des Göttermets, als Schlange in ein Hügelgrab („Berg“) kriecht, sich dort mit der Riesin Gunnlöd vereint, ihren Met trinkt und sich dann in einen Adler, also in den Seelenvogel des Göttervaters verwandelt, könnten auch Gunnlöd und Freya identisch miteinander sein.

Dann wäre Freyas Suche nach Odr/Odin/Tyr eine Variante der Wiederzeugung und der Wiedergeburt des Odr/Odin/Tyr durch die Jenseitsgöttin Freya.

I 3. k) Lokasenna

In „Lokis Zankreden“ wird deutlich, daß Freya keineswegs eine treue Ehefrau gewesen ist, sondern daß sie sehr viele Liebhaber gehabt hat.

Loki:

„Und willst Du, Frigg, daß ich ferner gedenke

Meiner Meintaten,

So bin ich schuld, daß Du nicht mehr schauen wirst

Baldur reiten zum Rat der Götter.“

Loki hat den Gott Hödur zum Mord an Baldur überlistet.

Freyja:

„Irr bist Du, Loki, daß Du selber anführst

Die schnöden Schandtaten.

Wohl weiß Frigg alles was sich begibt,

Auch wenn sie es nicht sagt.“

Loki:

„Schweig Du, Freyja, Dich vollends kenn ich;

Keines Makels mangelst Du;

Der Asen und Alfen, die hier drinnen sind,

Bist Du jedes Buhlerin.“

Freyja :

„Deine Zunge frevelt; doch fürcht ich, daß sie Dir

Wenig Gutes gellt.

Abhold sind Dir die Asen und die Asinnen,

Unfröhlich fährst Du nach Haus.

Da Freya sich gegen Lokis Vorwurf nicht verteidigt, ist es wohl wahr, daß sie mit allen Asen und Alben (Wanen) ihr Lager geteilt hat.

Loki:

„Schweig Du, Freyja, Gift führst Du mit Dir,

Bist alles Unheils voll.

Vor den Göttern umarmtest Du den eigenen Bruder:

So böser Wind entfuhr Dir, Freyja!“

Freya hat sich offenbar auch mit ihrem Bruder Freyr vereint, so wie dies bei den Wanen üblich gewesen ist – bei den Asen war dies hingegen nicht erlaubt.

Wenn die Deutung der Freya als Jenseitsgöttin zutrifft, wäre sie aufgrund der Wiederzeugung, die der Wiedergeburt vorausgeht, notwendigerweise die Geliebte aller Alben (Totengeister) und auch der Asen.

Der Stammbaum der Freya läßt sich somit noch einmal um ihre Liebschaften zu allen Asen und Alben ergänzen:

I 3. l) Skaldskaparmal

Diese Deutung der Freya als Jenseitsgöttin und Wiedergeburts-Geliebte der Götter und der Toten wird durch zwei der Freya-Kenningar in Snorri Sturlusons Skaldenkunst-Lehrbuch bestätigt:

„Wie soll man Freya umschreiben?“

„Folgendermaßen: … Besitzerin der in der Schlacht Gefallenen, … Göttin der Liebe.“

I 3. m) Gylfis Vision

In der Vision des Königs Gylfi wird bestätigt, daß Freya die Göttin der Liebe und der Liebenden ist. Es läßt sich kaum entscheiden, ob Freya erst eine Göttin der Liebe oder eine Göttin der Wiederzeugung gewesen ist oder sich ob beides von Anfang an parallel entwickelt hat.

Sie ist denen gewogen, welche sie anrufen, und von ihr hat der Ehrenname den Ursprung, daß man vornehme Weiber 'Frauen' nennt. Sie liebt den Minnesang und es ist gut, sie in Liebessachen anzurufen.

I 3. n) Oddruns Klage

Im allgemeinen sind die Mutter- und Wiedergeburtsgöttinnen auch die Geburtsgöttinnen und die Hebammen im Diesseits. Diese sehr naheliegende Symbolik findet sich auch bei Freya.

Heidrek hieß ein König, seine Tochter hieß Borgny und Wilmund ihr Geliebter. Sie konnte nicht gebären bis Oddrun hinzu kam, Atlis Schwester. Die war Gunnars Geliebte gewesen, des Sohnes Giukis. Von dieser Sage ist hier die Rede.

König Heidrek der Weise ist eine Saga-Variante des Tyr.

Ich hörte sagen in alten Geschichten,

Daß eine Maid kam gen Morgenland.

Niemand wußte auf weiter Erde

Der Tochter Heidreks Hilfe zu leisten.

Das hörte Oddrun, Atlis Schwester,

In schweren Wehen winde die Jungfrau sich.

Sie zog aus dem Stalle den scharfgezäumten

Und schwang dem Schwarzgaul den Sattel auf.

Sie spornte den Schnellen den ebnen Sandweg

Bis sie die hohe Halle stehen sah.

Von des Rosses Rücken riß sie den Sattel,

Trat ein und schritt den Saal entlang.

Dies war das erste Wort, das sie sprach:

„In diesen Gauen gibt es was Neues?

Was hört man Gutes in Hunnenland?“

Eine Magd:

„Borgny liegt hier überbürdet mit Schmerzen,

Deine Freundin, Oddrun: eil ihr zur Hilfe.“

Oddrun:

„Welcher der Fürsten fügte den Schimpf ihr?

Warum ist so bitter Borgnys Qual?“

Die Magd:

„Wilmund heißt des Herrschers Vertrauter:

Er wand die Maid in warme Decken

Fünf volle Winter ohne des Vaters Wissen.“