Die Lutherkirche in Hamburg-Wellingsbüttel - Uwe Gleßmer - E-Book

Die Lutherkirche in Hamburg-Wellingsbüttel E-Book

Uwe Gleßmer

0,0

Beschreibung

Die Lutherkirche in HH-Wellingsbüttel war die erste Kirche der Architekten Hopp und Jäger (=H&J) in der Region. Sie wurde 1937 eingeweiht, als Wellingsbüttel politisch neu zu Hamburg, kirchlich noch zu Schleswig-Holstein und zu Bramfeld gehörte. Der dort zuvor langjährige Ortspastor, Christian Boeck, übernahm 1933 den neuen Pfarrbezirk Wellingsbüttel. Er und sein Nachfolger in Bramfeld, Siegfried Seeler, erreichten in den folgenden Jahren, Grundstück, Finanzmittel und Genehmigungen für den Kirchbau zu beschaffen - in der NS-Zeit nicht selbstverständlich. Für das Zusammenspiel zwischen H&J sowie der kirchlichen und der politischen Gemeinde ist zu klären, wie die Besonderheiten dieses Gebäudes (eines der Dekor-Elemente im Fachwerk war ein Hakenkreuz) die Zeitbedingungen reflektierten. Die Gestaltung und Ausstattung des Kirchraumes geht primär auf Entwürfe und eigene Arbeiten von B. Hopp zurück. Weitere Kunstwerke sind vom Holzbildhauer J. Manshardt und der Glaskünstlerin S. Schlytter geschaffen worden. Während das Äußere der inzwischen denkmalgeschützten Kirche weitgehend gleich geblieben ist, hat das Innere - u.a. wegen einer neuen Orgel - beträchtliche Veränderungen erfahren. Daran war auch weiterhin bis 1971 das Architekturbüro H&J beteiligt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 304

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Zum Inhalt:

Die Lutherkirche in HH-Wellingsbüttel war die erste Kirche der Architekten Hopp und Jäger (=H&J) in der Region. Sie wurde 1937 eingeweiht, als Wellingsbüttel politisch neu zu Hamburg, kirchlich noch zu Schleswig-Holstein und zu Bramfeld gehörte.

Der dort zuvor langjährige Ortspastor, Christian Boeck, übernahm 1933 den neuen Pfarrbezirk Wellingsbüttel. Er und sein Nachfolger in Bramfeld, Siegfried Seeler, erreichten in den folgenden Jahren, Grundstück, Finanzmittel und Genehmigungen für den Kirchbau zu beschaffen - in der NS-Zeit nicht selbstverständlich. Für das Zusammenspiel zwischen H&J sowie der kirchlichen und der politischen Gemeinde ist zu klären, wie die Besonderheiten dieses Gebäudes (eines der Dekor-Elemente im Fachwerk war ein Hakenkreuz) die Zeitbedingungen reflektierten.

Die Gestaltung und Ausstattung des Kirchraumes geht primär auf Entwürfe und eigene Arbeiten von B. Hopp zurück. Weitere Kunstwerke sind vom Bildhauer J. Manshardt und der Glaskünstlerin S. Schlytter geschaffen worden. Während das Äußere der inzwischen denkmalgeschützten Kirche weitgehend gleich geblieben ist, hat das Innere - u.a. wegen einer neuen Orgel - beträchtliche Veränderungen erfahren. Daran war auch weiterhin bis 1971 das Architekturbüro H&J beteiligt.

Beitrag zu

‚Hopp und Jäger -

Kirchenbauten von einem Hamburger Architekturbüro

(1930 bis 1962/80)

Ein Projekt zur Dokumentation‘

[www.huj-projekt.de]

Uwe Gleßmer

unter Mitwirkung von Günther Engler

Inhaltsverzeichnis

Vorwort, Kontext und Konzept der Rückfrage

Rahmenbedingungen zur Rekonstruktion

2.1 Bernhard Hopp (28.10.1893 – 18.9.1962)

2.2 Rudolf Jäger (9.8.1903 – 24.4.1978)

2.3 Primärquellen

2.4 Sekundärliteratur

Kontaktpflege und erste Kirchengestaltungen

3.1 1935: Fischerkirche in Born / MVP-Darß

3.2 1935: St. Jürgen-Kirche List / Sylt

1937: Lutherkirche / SH-/HH-Wellingsbüttel

4.1 Die Kirchengemeinden Bramfeld und Wellingsbüttel

4.2 Der Bauausschuss der Kirchengemeinde(/n)

4.3 Die Vorprojekte der Architekten für den Kirchbau

4.4 Der Baubeginn und Grundsteinlegung

4.5 Balkeninschriften

4.6 Lutherbild und Lutherwort

4.7 Das Mauerdekor

4.8 Gestaltung des Altars und Ausmalung: B. Hopp

4.9 Altarkreuz, Leuchter, Taufschale und -kanne: B. Hopp

4.10 Glasfenster im Altarraum: Sigrid Schlytter

4.11 Schnitzwerk der Kanzel und Taufe: Jürgen Manshardt

4.12 Die Einweihung und Gesamtgestaltung der Lutherkirche

4.13 Drei Beschreibungen der Lutherkirche von 1939

Veränderungen, Umbau und -planungen

5.1 Kreuz und Gedenkstätte

5.2 Luther-Inschrift und Mauerdekor

5.3 Das neue Lesepult

5.4 Das Alpirsbacher Kreuz

5.5 Erweiterung des Altarraums und Turmerhöhung?

5.6 Empore, Balken und neue Orgel

Zusammenfassung zum Bauwerk der Lutherkirche

6.1 Entwicklungen im Schaffen der Architekten H&J

6.1.1 Exkurs: ‚Heimatstil‘ und ‚Heimatschutzstil‘

6.2 Besonderes gegenüber anderen Kirchen-Bauten

Kurztitel und Literatur

Abkürzungen, Archivalien und Indices zu Personen, Orten und Themen

8.1 Abkürzungen

8.2 Archivalien

8.3 Personen-Index

8.4 Orts- und Straßennamen

8.5 Themen-Index

Ehe wir zum Thema kommen:

Die vorliegende Ausarbeitung wäre ohne die vielfältigen breit gefächerten Unterstützungen, die wir von vielen Menschen erfahren haben, nicht möglich gewesen. Die Gesamtheit der Mithilfen hat dieses Buch als Baustein in dem Hopp-und-Jäger-Projekt und in dem Geschichtsprojekt der Wellingsbütteler Kirchengemeinde entstehen lassen. Große und kleine Beiträge sind gleichermaßen wie auch anregende, aufmundernde und kritische Worte Mosaiksteine in der Hinweiskette, die zu einem aussagestarken, farbigen Bild führen kann, das für eine Orientierung und Positionierung gleichermaßen wichtig ist.

Vergangenheit gehört zur Gegenwart und ist damit Wegbereiter für die Zukunft.

Für z.T. auch unten (in Fußnoten genannte) Materialien, Hinweise und Gespräche danken wir insbesondere

den Damen Dr. E. Grünewald (

183

unten), B. König (

4

unten), Pastorin D. Neddermeyer (

151

unten), I. Schmidt (

326

unten), K. Westlake (

130

unten), A. Wittenborg (

305

unten),

den Herren Dr. G. Hoffmann (

5

unten), den Pastoren Arnulf Michaelis jun. (

103

unten) und Hans Michaelis (

151

unten) sowie Klaus Reichmuth (

344

unten)

sowie den sich beteiligenden Kindern und Schwiegerkindern früherer Wellingsbütteler Pastoren und sonstiger Mitarbeiter, namentlich der langjährigen Küsterfamilie Fiedler.

Das Geschichtsprojekt insgesamt hätte sich ebenfalls nicht ohne die Hilfen derjenigen entwickeln können, die im Rahmen der beteiligten Institutionen ungenannt dankenswerte Unterstützung geleistet haben:

im Hamburgischen Architekturarchiv: besonders Dipl.Ing. K.-H. Hoffmann und Dipl. Ing. N. Baues sowie die Team-Kollegen aus dem H&J-Projekt;

in der Ev. Kirchengemeinde Wellingsbüttel Pastor W. Voigt, Pastorin U. Tröstler, das Kirchenbüro mit Frau Rebentisch und Frau Waschkeit, die Herren Schott und Schütt, der Kirchengemeinderat sowie die für die neue Internetdarstellung mit Download-Möglichkeiten verantwortlichen Damen A. Pasche und S. Prietzsche.

Aber auch der Begleitung von ‚höherer Warte‘ durch Dr. St. Linck (8 unten) sowie Prof. Dr. Dr. Rainer Hering sowie vor allem (und last but not least) durch Frau Michaela Bräuninger, von denen u.a. noch im Nachstehenden die Rede sein wird, gebührt unser besonderer Dank.

Die Lutherkirche ist eine Vorstadt-Dorfkirche, deren kräftige Holzständer mit ihren Trocknungsrissen, Holzbalken mit ihren Inschriften, Backsteinmauerwerk und Tonziegeldach vielen Bodenhaftung vermittelt und Denk- und Dankraum gibt.

Diese erste Auflage soll ein Beitrag zur Erinnerungs und Bewußtseinsarbeit sein – in einer Zeit, in der der Erhalt von Gotteshäusern den verschiedensten Gefährdungen ausgesetzt ist. Die vorliegende Zwischenbilanz wird zu ergänzen und auch zu korrigieren sein. Über entsprechende Rückmeldungen für eine verbesserte und erweiterte nächste Auflage würden wir uns deshalb freuen.

Im Sommer 2016

Günther Engler und Uwe Gleßmer

1 Vorwort, Kontext und Konzept der Rückfrage

Dieses Buch benötigt eine Erklärung, wie es dazu kommt, dass über den Bau der Lutherkirche nicht unmittelbar im Kontext des Wellingsbütteler Geschichtsprojekts berichtet wird, sondern es als „Beitrag zum Hopp-und-Jäger-Projekt“ erscheint. Das erklärt sich aus der Dynamik im Geschichtsprojekt, wie es Dr. Engler jüngst u.a. für die Evangelische Zeitung geschildert hat.1 – Zur Geschichte gehört auch mein kleiner biografisch gefärbter Vorspann, weil auch für wissenschaftliche Bemühung immer persönliches Interesse am Gegenstand und den beteilgten Personen eine wichtige Rolle spielt. Daher schreibe ich diesen Abschnitt im „Ich“-Stil.

Als ich anfing, mich mit den Architekten Hopp und Jäger (im folgenden abgekürzt H&J) zu beschäftigen, ging es erst einmal nur darum, die vielfältigen Materialien und Umstände ordnend und wiederfindbar festzuhalten, die der Baugeschichte der Lutherkirche in Wellingsbüttel (= WB) vor 1937 vorausgingen. Denn der Grundsteinlegung am 23.5.1937 und der Einweihung am Ersten Advent desselben Jahres (28.11.1937), sowie dem Selbstständigwerden von WB als Kirchengemeinde zum 1.7.1938 sind zahlreiche und teils komplizierte Bemühungen sowohl von Seiten der Architekten als auch der Personen vor Ort vorausgegangen. Diese Vorgeschichte sollte ein Teil des Inhalts sein, dem das Geschichtsprojekt sich zuwenden wollte. Dr. Engler hatte bereits 2013 begonnen, eine Person zu suchen, die sich im Rahmen einer wissenschaftlichen Qualifikationsarbeit intensiv der Thematik der Gemeindegeschichte widmen könnte.2 Die konnte und wollte ich nicht sein. Doch hatte ich mich grundsätzlich entschlossen, beim Projekt mitzumachen, wozu mir als gerade in den Ruhestand Eingetretenem ab Januar 2014 auch die notwendige Zeit zur Verfügung stand.

Allerdings verlief und verläuft dieses Engagement in mehreren Phasen.

Das Ziel dieses Gemeinde-Projektes war, wie gesagt, zunächst darauf gerichtet, jemanden zu finden, der oder die eine eigene wissenschaftliche Bearbeitung der historischen Bedingungen der Gemeindeentstehung und -geschichte selbstständig durchführen würde. Die ersten Suchbemühungen nach einer geeigneten Person führten nicht zum Erfolg. Wie sollte auch innerhalb des Zeitraums, wie er für eine Bachelor- oder Masterarbeit zur Verfügung steht, jemand sich so schnell in die politisch und kirchlich-theologisch schwierigen Rahmenbedingungen der ausgehenden Weimarer und beginnenden NS-Zeit einarbeiten können und so schnell von 0 auf 100 kommen? – Da sich zunächst niemand fand, begann ich selbst zu sammeln, zuerst zu einem der Hauptakteure der Kirchengemeindebildung: zu Pastor Christian Boeck (1875 – 1964). Dabei weitete sich die Komplexität beträchtlich, denn dieser Mann führte neben seiner Pastorentätigkeit quasi ein ‚Doppelleben‘ im Rahmen der Vorstandsarbeit der ‚Fehrs-Gilde‘. Diese widmete sich unter den wechselnden Bedingungen von Kaiserreich, Weimarer Republik, >Drittem Reich< und Bundesrepublik der Pflege niederdeutscher Sprache. Was auf den ersten Blick als nicht zusammengehörig erscheinen mag, erweist sich bei der detaillierten Rückfrage jedoch im Hinblick auf manche Fragen der Vernetzung der handelnden Personen als sehr bedeutsam. Insofern war eine erste Materialsammlung auf die biographischen und historischen Details zu Christian Boeck gerichtet. – Im Juni 2014 gelang es dann, den Nachlass von Boecks Tätigkeit im Vorstand der Fehrs-Gilde ausfindig zu machen und ihn zusammen mit Dr. Engler in das Landesarchiv Schleswig-Holstein (LASH) zu verbringen, nachdem ich vorher die historisch-biographisch interessierenden Bestandteile für die noch zu findende ‚Projektbearbeitungs-Person‘ digitalisiert hatte.

Damit begann zugleich eine zweite Phase des Engagements und der Materialsammlung, bei der jetzt der Fokus primär auf Hopp und Jäger gerichtet sein konnte. Denn es kamen mehrere Faktoren zusammen:

Erstens wurde für das Projekt der Kirchengemeindegeschichte mit Hilfe des Direktors des LASH, Prof. Dr. Dr. Rainer Hering, sehr schnell im Juni 2014 die gesuchte Bearbeiterin , Michaela Bräuninger, gefunden. Sie brachte ideale Voraussetzungen mit und hatte sich bereits sowohl in ihrer Bachelor- als auch in ihrer gerade abgeschlossenen Masterarbeit mit jeweils besonderen Konstellationen in den historischen Zusammenhängen von Kirchengemeinden beschäftigt.3 Auf diesem Hintergrund konnte und wollte sie ein Promotionsprojekt über die Wellingsbütteler Gemeinde beginnen.4 Da Michaela Bräuninger zudem neben Geschichte auch das Fach Niederdeutsche Sprache studiert und den Kontext der Fehrs-Gilde sowie anderer auf Plattdeutsch gerichteter Unternehmungen aus eigenem Erleben kennt, konnte damit weitgehend mein eigenes Sammeln von Materialien zu Christian Boeck und zu seinen Aktivitäten im Rahmen der Fehrs-Gilde erst einmal beendet werden.5

Einen zweiten Faktor für die veränderte Schwerpunktsetzung des Materialsammelns, das sich jetzt zusätzlich auf die Architekten Hopp und Jäger richtete, brachte eine Veranstaltung von Dr. J. Schröder im ‚kunstforum matthäus‘ im April 2014. Unter dem Titel „Hamburger Kirchen von Hopp und Jäger“ wurde dieses Seminar zusammen mit einem Bild der Lutherkirche in Wellingsbüttel beworben:

Dazu gehörten zwei Exkursionen zu einigen der Vorkriegs-Kirchbauten und zu denen aus Nachkriegszeiten bzw. Restaurierungen (am 10. und 15.4.2014). Im Zusammenhang damit ist es zu einer intensiveren Beschäftigung mit dieser Thematik gekommen. Denn wie sich im Laufe dieser Veranstaltungen herausstellte, gibt es bisher noch keine zusammenfassende Sicht auf das gemeinsame Schaffen dieser beiden Architekten. Selbst der hervorragend informierte Referent kannte nicht alle H&J-Bauwerke der Region. So entstand die Idee, die eigene Zusammenstellung zu erweitern, was dann zu dem unten weiter zu schildernden Projekt in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistoriker Jochen Schröder, dem Architekten Emmerich Jäger (als Sohn des Architekten Rudolf Jäger) sowie mit dem Hamburgischen Architektur Archiv, insbesondere mit Karl Heinz Hoffmann, ab Juni 2014 geführt hat.

Das Motiv zur Erweiterung meiner eigenen Materialsammlung war ein doppeltes: einerseits war klar, dass für die Frage nach der Eigenart der Gestaltung der Wellingsbütteler Kirche die Frage nach den Architekten einer gründlicheren Rückfrage bedurfte, um die z.T. vorurteilsbehafteten Pauschalisierungen angemessener beurteilen zu können, die sich insbesondere um das runenartige Mauerdekor inklusive Hakenkreuz ranken. Andererseits bedeutet für mich persönlich dieses Vorhaben zugleich eine gewisse Nachholarbeit, deren früheres Versäumnis mir erst innerhalb der letzten Jahre bewusst geworden ist.

Denn drei der H&J-Kirchen in der Region um Wellingsbüttel sind für meine eigenen Lebensstationen wichtig gewesen: A) seit 1973 (bis 2008) wohnten meine Frau und ich in ihrem ehemaligen Elternhaus in Wellingsbüttel, ab 1982 zusammen mit unseren drei Töchtern. B) Allerdings waren wir durch den Posaunenchor mit der Friedenskirche in HH-Berne verbunden, wo wir auch im Oktober 1973 getraut wurden. C) In der Zeit von 19801982 war ich dann als Vikar in HH-Klein-Borstel an der Maria-Magdalenen-Kirche. Kurz nach der Ordination 1982 wurde unsere älteste Tochter geboren, deren Taufe 1983 in der Maria-Magdalenen-Kirche stattfand, wo ich noch einige Zeit ehrenamtlich regelmäßig am Predigtdienst und Konfirmandenunterricht aktiv beteiligt war,6 bis der weitere Familienzuwachs ab 1984 dafür sorgte, dass wir doch lieber ortsnah und regelmäßig die Lutherkirche in Wellingsbüttel wieder besuchten. Dort wurden dann auch unsere Töchter teils getauft oder konfirmiert. So hatten diese drei H&J-Kirchen eine wichtige Bedeutung für uns als Familie und für mich persönlich.

Allerdings hätten diese Kirchen als Gebäude mit ihren interessanten gemeinsamen Vorgeschichten und Einweihungsdaten (1937, 1938, 1939) eigentlich bereits früher mehr Aufmerksamkeit verdient. – Aber vermutlich ist es mir genau so gegangen, wie den meisten anderen Menschen auch, dass vieles im vergangenen Erleben erst aus der Rückschau zum Gegenstand der Reflexion und Zusammenschau wird. – Aber für ein Nachholen ist es ja noch nicht zu spät.

Die Beschäftigung mit der geschichtlichen Dimension der H&J-Kirchen verdankt sich zudem einer besonderen Konstellation, die zwar auch an den persönlichen Bedingungen hängt, jedoch auch von allgemeinerer Bedeutung ist. Denn in den letzten Jahren ist – u.a. auch im Zusammenhang mit christlich-jüdischen Verständigungen – die Frage nach den Kirchen in der Zeit des Nationalsozialismus in den Fokus öffentlicher Diskussionen gerückt.7 Die Nord(/-elbische) Kirche hat vor diesem Hintergrund u.a. auch eine eigene Gedenkstätte eingerichtet, die der Erinnerungskultur Impulse geben kann und soll.

In der „KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte“ in Ladelund (nahe Flensburg)8 wurde am 1. Juni 2013 unter dem Titel „Christenkreuz und Hakenkreuz“ eine „Sonderausstellung zu Kirchenbau und sakraler Kunst in der NS-Zeit“ eröffnet (www.kz-gedenkstaette-ladelund.de).

Diese Ausstellung basierte auf Arbeiten von Forscherinnen, die unter dem gleichen Titel bereits 2008 erstmalig und auch gedruckt im Ausstellungskatalog einen Überblick über die doch erstaunliche Fülle an in der NS-Zeit neu errichteten Kirchen dokumentieren.9

Durch Dr. Engler, der dort auch vortrug und zur Teilnahme einlud, entstand der direkte Kontakt.

In der Ausstellung und im zugehörigen Katalog wird u.a. die Wellingsbütteler Lutherkirche als Ganze sowie auch im Detail gezeigt – u.a. das an der West-Seite befindliche runenartige Ziegelstein-Dekor einschließlich des ursprünglich dargestellten Hakenkreuzes.

Kurz vor der Ladelund-Ausstellung hatte ich durch Zufall beim Besuch unserer ältesten Tochter in Norwegen die Publikation der Johannes-Kirchengemeinde in Hamm / Westfalen zum 75. Kirchweihjubiläum sowie das nebenstehende Bild gesehen – und im Hintergrundbild die Lutherkirche in Wellingsbüttel erkannt.10

Das weckte natürlich Interesse: Mir wurde bewusst, dass das Architekten-Büro11 von Bernhard Hopp und Rudolf Jäger außer den bereits genannten Kirchen in Hamburg (Wellingsbüttel, Klein-Borstel und Berne) auch in Hamm/Westfalen sowie an weiteren Orten während der NS-Zeit gebaut hatte.

Von mir zuvor unbeachtet und zum ‚theologischen Nachholen‘ verpflichtend ist die Tatsache, wie sehr unterschiedlich mit den ‚typischen‘ NS-Emblemen und künstlerischen Ausgestaltungen der Kirchen verfahren worden ist. In Hamm agierte eine ‚bekennende Gemeinde‘ und wollte u.a., dass die Gestaltung des Taufsteins in ihrer Kirche von Ernst Barlach durchgeführt würde.12 – Die Jubiläums-Publikation der Johannes-Kirchengemeinde stellte mich mit ihrer Geschichte indirekt vor offene Fragen: Wie sieht es mit dem theologischen Hintergrund in Wellingsbüttel aus? Wie ist dort das Verhalten der Akteure dokumentiert und zu deuten? Welche Dokumente erlauben überhaupt Deutungen, die auf Grund des eingebauten Hakenkreuzes zwar schnell möglich wären, die aber möglicherweise auch zu grobe und verzerrende Vereinfachungen darstellen?

In der Zusammenstellung „Christenkreuz und Hakenkreuz“ wird Pastor Boeck aus dem Gemeindeblatt zitiert: „Die Zeit des Experimentierens, die vor 1933 Blüten trieb, ist vorbei“.13 Ist es aber von vornherein ausgemacht, ob in diesem Zusammenhang der Fachwerkbau als „rückgewandtes Gegenbild auch zu urbanen Lebensformen und sozialen Veränderungen“14 zu bewerten ist? Hat nicht auch die Schilderung als ‚dörflicher Haftpunkt‘ ihr Recht, wenn er die Verbindung herstellen will zwischen Alteingesessenen und denjenigen, die vor der Großstadt in den damals noch dörflich, ruhigen Vorort ausweichen?

Die Frage, was das Besondere ist, das dazu geführt hat, dass sowohl während des Nationalsozialismus‘ als auch in der Nachkriegsphase so zahlreiche Kirchbauten von den beiden Architekten entworfen und realisiert werden konnten, ist u.a. für eine in den letzten Jahren erfolgte Perspektiv-Änderung im Blick auf den Kirchbau wichtig.

In der Einladung zur Sonderausstellung „Christenkreuz und Hakenkreuz. Kirchenbau und sakrale Kunst im Nationalsozialismus“ (1. Juni – 31. August 2013 in der KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund) wurde formuliert: „Mehr als 900 Kirchenneubauten, Umgestaltungen und neue Gemeindehäuser aus den Jahren nach 1933 widerlegen die weitverbreitete Ansicht, dass Kirchenbau und Kirchenkunst für beide Konfessionen in der NS-Zeit nahezu zum Erliegen gekommen seien.“ – Ob daraus in jedem der über 900 Fälle gefolgert werden muss: „Sie dokumentieren die damalige Anfälligkeit der Gemeinden für Rassismus, Volksgemeinschafts-Propaganda und Totenkult“ stellt sich für den Beitrag von Hopp und Jäger als noch offene Frage: Wie ist diese Anfälligkeit jeweils aus baulichen Realisierungen her zu konstatieren? Bildet das Beispiel der in dem Ausstellungskatalog abgebildeten Details mit dem Hakenkreuz im Backsteindekor der Südwestwand15 eher die Ausnahme oder die Regel einer von H&J entworfenen Kirche? Lässt sich daraus auf einen durchgehenden ideologischen Hintergrund schließen?

Welchen Einfluss hat auf die Gestaltung und kirchlich-politische Ausrichtung die Situation, dass nach dem Groß-Hamburg-Gesetz vom 1.4.1937 ein Übergang bis zum April 1938 auch auf Hamburgische Behörden und Bauverwaltung durchgeführt werden musste? Denn WB war auf dem Weg, politisch ein Teil der „Hansestadt Hamburg“ zu werden – und künftig nicht mehr zu Schleswig-Holstein zu gehören. Auch kirchliche Auswirkungen (etwa auf die Kirchensteuer) waren unter diesen Umständen schwer absehbar, aber für die Baufinanzierung mit entscheidend. Im Ergebnis ist WB kirchlich auch als Bestandteil Hamburgs noch bis zur Gründung der Nordelbischen Kirche 1977 in der Landeskirche Schleswig-Holstein geblieben.

Um Antworten auf die oben gestellten Fragen geben zu können, bedarf es einerseits einer Sichtung des erkennbaren Gesamtwerks der Architekten und Erhellung ihres Kontextes. Besondere Aufmerksamkeit verdienen dabei sprachliche Nuancen, mit denen die Sachverhalte beschrieben oder teils bereits ‚etikettiert‘ werden - wie z.B. bei der Verwendung der Klassifizierungen als „Heimatstil“ oder „Heimatschutzstil“.16 Andererseits ist als zweiter wichtiger Kontext neben den Architekten die Seite der verantwortlichen Bauherren zu berücksichtigen. In der Regel stellen die Ortspastoren mit ihren Kirchenvorständen beim Bau ‚ihrer‘ Kirche besondere Einflussgrößen dar. Doch auch Propst und Landeskirchenamt mit ihren Meinungen zu Baufragen könnten durchaus in konkrete Ausgestaltungsfragen einbezogen sein. In unserem Falle sind es sogar zwei Landeskirchenämter: wie sich unten zeigen wird, stammt ein wichtiger Finanzierungsanteil aus dem Hamburger LKA.

Diese zweite Seite soll hier zwar nicht so ausführlich dargestellt werden, weil einerseits in der „Materialsammlung zu Pastor Christian Boeck“ dazu Vorarbeiten bestehen und zudem künftig durch die oben genannte und inzwischen abgeschlossene Dissertation zur Geschichte der Kirchengemeinde Wellingsbüttel weitere Quellen zu erwarten sind.17 – Vielmehr ist die jetzt versuchte Fokussierung primär so vorgenommen, dass es zwar im Schwerpunkt beispielhaft um die Lutherkirche in Wellingsbüttel gehen soll, so dass möglichst detailliert alles Material zur Baugeschichte zusammengestellt und quellenmäßig dokumentiert wird, das zur Zeit erreichbar ist.

Um jedoch auch die Rahmenbedingungen auf der Seite der Architekten zu klären, wie sie sich für damaligen Kirchbau allgemein und für die Architekten H&J und ihren Hintergrund speziell in dieser Zeit ergeben haben, müssen zahlreiche weitere Details dargestellt werden. Das ufert leicht aus – und möglicherweise überwiegt im Folgenden gelegentlich auch der Charakter einer Materialsammlung gegenüber einem leicht les- und mitvollziehbaren Berichtsstil. Deshalb möchte ich mit der folgenden Skizze versuchen, die verschiedenen unten zu schildernden Bereiche schematisch vorweg in ihrer Vernetzung zu zeigen. Dabei ist im Schema die Zuordnung auf eine Zeitleiste links bezogen, die im Wesentlichen auf die Zeit seit der Geburt von Bernhard Hopp 1893 bis kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 beschränkt ist. Thematisch werden erst einmal grob die Inhalte der folgenden Kapitel vorweggenommen:

In der Skizze sollen die gerundeten Vierecke in der Zeit ab ca. 1930 die gemeinsame Arbeit darstellen, während die oben befindlichen Ellipsen (vor allem in der vorausliegenden Zeit, links Hopp und rechts Jäger) die individuellen Elemente markieren. Der in der Mitte oben sichtbare Kreis bildet die Schnittmenge, die sich aus dem gemeinsamen Hintergrund und Kennenlernen in den Schüler-Bibelkreisen ergeben hat. Dabei führt auf der rechten Seite eine mit gestricheltem Rand und mit 6 gekennzeichnete Ellipse vom Engagement der Bibel-Kreise (3 ~BK) über die Mitwirkung in der DCSV (6 ~Deutsche Christliche Studenten-Vereinigung) zu dem kirchlichen Engagement der ‚Bekennenden Kirche‘ und Teilnahme R. Jägers an der Barmer Bekenntnissynode 1934 (9). Aber auch auf der Seite von B. Hopp entsteht aus der Konstellation von 1, 3, 4 ein besonderes Engagement für kirchliche Kunst, das ihn 1933/34 zu einem christlich geprägten „Künstler-Exil“ (8) geführt hat.18

Bei dieser Darstellung den Blick besonders auf die gemeinsamen Anfänge in den Schüler-Bibel-Kreisen zu legen, mag für eine architektur- oder kunstgeschichtliche Herangehensweise fremd sein. Für die Frage, wie es zum gemeinsamen Engagement für Kirchbau bei den beiden Personen kommt, die zwar ein Altersunterschied von 10 Jahren trennt, jedoch eine Freundschaft und Nähe in gemeinsamer Bibelfrömmigkeit verbindet, ist dieses verknüpfende biographische Element nicht unwesentlich. Jedoch ist die besondere Sichtweise durch die Brille eines Theologen auch darauf angelegt, durch die Perspektiven von Kunsthistorikern und/oder Architekturhistorikern komplementiert zu werden. Doch um hier einen Anfang zu machen, ist vielleicht auch die ‚Verfremdung‘ der Zugänge nützlich.

So scheint es für jemanden (ohne die kunsthistorische Brille) als eine Verengung etwa bei der Hamburger Kunstszene, eine scharfe Trennlinie zu ziehen zwischen den Kreisen der ‚Hamburger Sezession‘ vor der NS-Zeit, für die dann in der Nachkriegsperspektive deren Verfolgung herausgestellt wird, während bei den anderen Künstlern nur deren Verführung in den Blick kommt.19 Ähnlich findet sich eine gewisse Schwarz-Weiß-Malerei ohne Übergänge auch im Bereich der Architekturbetrachtung, die das z.T. ‚Neue Bauen‘ während der Weimarer Zeit und dessen z.T. aggressive Bekämpfung in der NS-Zeit, in der Nachkriegszeit als den einzigen Anknüpfungspunkt für ‚die‘ Moderne sieht. – In beiden Bereichen gibt es zahlreiche Beispiele dafür, dass bei solchen Verengungen und blinden Flecken der perspektivischen Wahrnehmung auch Wesentliches übersehen wird. Insofern ist nur eine gegenseitig-ergänzende und inter-disziplinäre Zusammenarbeit eine Anforderung, die den heutigen wissenschaftlich-methodischen Ansprüchen genügen kann.

Die Abfolge der Kapitel setzt unten nach dem jetzigen Kapitel „1 Vorwort, Kontext und Konzept der Rückfrage“ mit kurzgefassten biographischen Informationen zu Hopp und Jäger ein, die wesentlich zu den „2 Rahmenbedingungen zur Rekonstruktion“ gehören. Zudem lässt sich aus den inzwischen verfügbaren Primär- und Sekundärquellen quasi im Rückwärtsschauen re-konstruieren, wie die christlich-kirchlichen Voraussetzungen im Umfeld beider Personen sich konturiert haben. Diese Sachverhalte gehen über das hinaus, was normalerweise für Architekten-Biographien dokumentiert wurde – und sicher künftig noch beträchtlich zur Erweiterung ihrer verschrifteten Biographie-Darstellungen führen muss.20

Bisher kann auch in dem Kapitel „3 Kontaktpflege und erste Kirchengestaltungen“ nur angedeutet werden, was an Netzwerken für beide Personen bisher erkennbar und künftig zu erweitern sein wird. Die Liste von insgesamt ca. 70 Kirchen-Bau- und Umbau-Projekten, die bis 1978 von H&J realisiert wurden, ist künftig noch durch Detailbeschreibungen zu erweitern und dabei die entsprechenden Kontakte zu Auftraggebern, Künstlern und Handwerkern zu ermitteln. Deshalb sollen auch nur einige ausgewählte Beispiele der Frühphase genannt werden. Die Auswahl erfolgt im Blick auf das Hauptkapitel „4 1937: Lutherkirche / SH-/HH-Wellingsbüttel“. In zahlreichen Details wird z.T. auf die vorangegangenen Zusammenhänge zurückgegriffen. Das kurze Kapitel „5 Veränderungen, Umbau und -planungen“ reißt nur die größeren mit H&J geplanten und z.T. durchgeführten Veränderungen an, ohne sie erschöpfend darstellen zu wollen, weil dazu auch der jeweilige Kontext in den Veränderungen der theologischen und gemeindlichen Bedürfnisse der 1950-er und 1960-er Jahre genauer und ausführlich beleuchtet werden müsste.

Hamburg, im Sommer 2016 Uwe Gleßmer

1 Siehe Volkert (2016) EvZeit Hamburg-Teil S. 18 im Bericht zum Geschichtsprojekt unter der Überschrift „Zeitzeugen gesucht. Geschichtsaufarbeitung ist Seelsorge für die Gemeinde“.

2 Siehe dazu die Ankündigung Engler (2013f) Gemeindebrief Dez/Jan/Febr S. 8 unter dem Titel „Studentin / Student für die Bearbeitung der Kirchengemeindegeschichte gesucht“.

3 Michaela Bräuninger: Nehmen sie den Leib…Bahrenfelder Luthergemeinde.- in: ZfSHKG 1 (2013) 223-258 und Michaela Bräuninger „Kirche in der Sinnkrise? Die Kirchengemeinde St. Jürgen in Heide nach den beiden Weltkriegen“. Masterarbeit Geschichtswissenschaft Univ. Kiel im Druck für Bräuninger (2016) ZfSHKG.

4 Siehe in dem Beitrag Bräuninger (2015) Auskunft sowie die auf der Gemeinde-Webseite http://www.kirche-wellingsbuettel.de/index.php/gemeinde/historie/geschichte mit den dort verfügbaren Informationen (die Chronik von Ernst König (1989) als PDF und dazu das Register, dessen erstes gedrucktes Exemplar seiner Witwe, Frau B. König zugedacht war).

5 Die Veröffentlichung meines bisher gesammelten Materials zu Boeck wird in einem Beitrag zum 100. Gründungsjubiläum der Fehrs-Gilde im Oktober 2016 erscheinen.Dort sind auch weitere Details zum in Wellingsbüttel gegründeten ‚Verlag der Fehrs-Gilde‘ sowie zu Dr. G. Hoffmann enthalten, dem als Zeitzeuge für wichtige Detailinformationen und Materialien aus dem Bücher-Nachlass von C. Boeck zu danken ist.

6 In der Festschrift 75. Kirchweihjubiläum (1938-2013) der Maria-Magdalenen-Gemeinde habe ich mich in einer späteren Phase (nach zwischen 1999-2006) als Mitglied des damaligen Posaunenchores auf einem Foto unter den Impressionen S. 16 wiederentdeckt.

7 Siehe die Denkschriften „Juden und Christen“ sowie die Bemühungen der NEK-Synode um Schuldbekenntnis und Dialogprozess ab 1998.

8 Zur Bedeutung und Geschichte Ladelunds im Zusammenhang der Erinnerungsarbeit siehe ausführlich Linck (2013ff) Bd. 1 S. 163-185.

9Endlich / Geyler-von Bernus / Rossié (2008). – Vor der Ausstellung in Ladelund war sie nach der Erstausstellung in Berlin, die mit den Anlass zur Forschungsaktivität bildete, bereits an mehreren Orten als Wanderausstellung zu sehen - u.a. 2010 in Hamm/Westfalen (s.u.).

10 Dank gilt Désirée und Markus Wesselmann sowie Pastor Millrath für die dortige Gemeindepublikation zum 75. Kirchbau-Jubiläum, dem Westfälischen Anzeiger (=WA) für die Erlaubnis zur Nutzung des Bildes aus dem Internet http://www.wa.de/lokales/hamm/stadt-hamm/hakenkreuz-christenkreuz-eroeffnet-799631.html; vgl. auch http://www.hammwiki.de/wiki/Johanneskirche.

11 Gelegentlich begegnen von jedem der beiden Architekten auch einzelne Leistungen, die aber der Einfachheit halber im Personen-Index zusammenfassend mit „Hopp und Jäger“ erfasst sind.

12 Siehe dazu KG_Hamm (2006) S. 13-16.

13 Endlich / Geyler-von Bernus / Rossié (2008) S. 47.

14 So Endlich / Geyler-von Bernus / Rossié (2008) S. 46f.

15 Endlich / Geyler-von Bernus / Rossié (2008) S. 46-48.

16 Siehe dazu den Exkurs 6.1.1 Exkurs: ‚Heimatstil‘ und ‚Heimatschutzstil‘ sowie Sievers (2007) und auch Petsch (1992) Thesis.

17 Siehe jeweils http://www.kirche-wellingsbuettel.de/index.php/gemeinde/historie/geschichte zum aktuellen Stand des Geschichtsprojektes der Gemeinde.

18 Eine detailliertere Biografie zu Bernhard Hopp ist in Vorbereitung: Gleßmer / Hopp (2016).

19 Siehe etwa Paas / Schmidt (1983) die Ausstellung der Hamburger Kunsthalle: „Verfolgt und Verführt. Kunst unter dem Hakenkreuz in Hamburg“.

20 Siehe die Biografien von Beyer (1964) sowie Fischer (2000) und Fischer (2008) SB. Für den o.g. in Vorbereitung befindlichen Band von Gleßmer / Jäger / Hopp (2016) in dieser Reihe stehen inzwischen beträchtliche Materialien dem HuJ-Projekt zur Verfügung wie u.a. seine Notiz-Tagebücher von 1936 bis 1962 sowie weitere Details und Korrespondenzen aus seinem und dem Nachlass seiner Tochter, Dr. Gisela Hopp. – Ähnlich wird auch das autobiografische Material von R. Jäger zugänglich gemacht werden. Zum Projektmaterial siehe den Bericht Gleßmer / Jäger (2016b).

2 Rahmenbedingungen zur Rekonstruktion

Insgesamt ist über den Kirchbau der 1930er Jahre nur schwer ein genaues Bild zu gewinnen. Das einschlägige Werk „Der Kirchenbau des 20. Jahrhunderts in Deutschland“ von Hugo Schnell ist leider in seiner Auswertung gerade der hier interessierenden frühen Zeit vor dem Ende des 2. Weltkrieges sehr mangelhaft.21 – Erstaunlicherweise fehlen im Abschnitt über den Kirchbau 1918-1945 die Namen von Hopp und Jäger vollständig. Allerdings ist immerhin eine kurze Notiz enthalten: „In Hamburg-Wellingsbüttel entstand 1937 die Lutherkirche“. Diese Angabe ist Teil in einem Absatz, der beginnt: „Von 1936/1937 bis 1945 konnten nur wenige Kirchen errichtet werden…“22. – Dieses nach den eingangs zitierten neueren Erkenntnissen falsche Bild konnte für Schnell nur entstehen, weil er zwar evangelische Kirchen mit beschreibt, aber offenbar die einschlägige Quelle nicht ausgewertet hat, durch die systematisch eine Sammlung von Kirchbau-Planungen, Fertigstellungen und – Erneuerungen im deutschsprachigen Raum der evangelischen Kirchen betrieben wurde. So hätte sich auf diesem Hintergrund doch ein deutlich anderes Bild über das Bauen von Kirchen in der NS-Zeit ergeben.

Bei der ungenutzten Quelle handelt es sich um die seit 1924 bestehende Zeitschrift „Kunst und Kirche“. Im Kopf dieser Zeitschrift, in deren Titelseiten mehrfach erkennbar ist, wie sich die Trägerschaft im Lauf der Jahre verändert hat, steht seit 1937 „herausgegeben vom Kunst-Dienst und vom Verein für religiöse Kunst in der Evangelischen Kirche“. Dabei hatte der Kunst-Dienst inzwischen quasi einen offiziellen Status im Apparat23 und System der über die Reichskulturkammer gleichgeschalteten Kunstschaffenden im NS-Staat. – In dieser Zeitschrift wird in der Zeit bis 1942, als der letzte Jahrgang vor Kriegsende erschien, allgemein auf die Kirchenbautätigkeit und entsprechend auch mehrfach auf Kirchen der Architekten Hopp und Jäger verwiesen:

So wird in der regelmäßigen Rubrik „Neue Kirchen“ allein im Heft 14,3 im Jahr 1938 von 21 kirchlichen Gebäuden berichtet – darunter S. 21 als Nummer 10: „Hamburg-Kleinborstel. Maria-Magdalena-Kirche (Begonnen.)“24

Bereits im Zusammenhang „Kirchenbau und Vierjahresplan“ wurde vom Geschäftführer des „Verein für religiöse Kunst“, Windfried Wendland, u.a. berichtet: „Die Architekten Hopp und Jäger bearbeiten zwei Kirchenentwürfe für Hamburg … In Hamm i.W. wird ein Kirchbau vorbereitet (Entwurf: Architekt Hopp, Hamburg)“.25 – Gemeint sind mit den zwei bearbeiteten Entwürfen die der Luther- und die der St. Lucas-Kirche.

Im Heft 15,2 erscheint unter „Neue Kirchen“ auch der in vielen Listen nicht berücksichtigte - später „Friedenskirche“ genannte – Bau in HH-Farmsen-Berne: „16. Hamburg-Berne, Gemeinde Alt-Rahlstedt, Kirche (Geplant. Archit. Bernh. Hopp und Rud. Jäger, Hamburg.)“.26

Diese vier Hamburger und die Kirche in Hamm i.W. sind allein bereits deutliche Beispiele für das Defizit in der Darstellung von Hugo Schnell. Darüber hinaus sind zwei weitere, frühere Kirchbauten in Born auf dem Darß und in List auf Sylt für die damaligen Architektur- und Kirchenwelt bekannt gewesen. Diese beiden haben - auch der internen Überlieferung des Architekturbüros nach – so etwas wie eine ‚Initialzündung‘ bewirkt.27 – Einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht wurden sie 1939 in dem Artikel „Die Kirchenbaumeister Bernhard Hopp und Rudolf Jäger“ durch Martin Kautzsch, dem Schriftleiter der Zeitschrift Kunst und Kirche:

Das Heft 4 (Juli/August) 1939 lässt Kautzsch mit dem Titelbild der Johanneskirche (Hamm i.W.) erscheinen und stellt die Tätigkeit der beiden Architekten in einen größeren Rahmen, der deshalb ausführlich zitiert werden soll:

„Es ist nicht überflüssig, mit Dankbarkeit darauf hinzuweisen, daß wir im Dritten Reich deutsche Kirchenbauten ungestört planen können, und zwar in sehr erfreulichem Umfang. In einzelnen Fällen haben die Ministerien unseres nationalsozialistischen Staates zur Ausgestaltung und Herstellung von Kirchenräumen tatkräftig beigetragen. Die Bauberichte und Mitteilungen in dieser Zeitschrift mögen als Belege dafür dienen. …“ 28

Später im Text fährt Kautzsch fort:

„Der Kirchenbau ist augenfälligste und gesammelte Lebensäußerung dieser Kirche, und es hat ihm nicht geschadet, daß er sich aus einer gewissen ‚pax et securitas‘ in das Kampffeld ringender Geistesmächte gestellt sah. Er hat dabei die schon vorhandenen Kräfte einer Baugestaltung aus den Kräften des Volkstums und der Landschaft nachdrücklich entfaltet und immer mehr ausgeprägt. Er hat auf Kirchenbaukongresse, neue Programme und theoretische Formulierungen von selbst verzichtet und die vorhandenen Kräfte auf die Lösung der neuen und brennenden Aufgaben zu sammeln gesucht. Dabei hat sich deutlich eine Gruppe führender Kirchenbaumeister entwickelt, unter denen einzelne erst seit einigen Jahren in ihrer Aufgabe stehen, eine Anzahl der jüngeren Generation entstammen.

Die Architekten Bernhard Hopp und Rudolf Jäger, Hamburg, traten 1935 erstmalig mit zwei eigenen Kirchenbauten ihrer norddeutschen Heimat an die Öffentlichkeit: dem vorbildlichen Holzbau mit Rethdach in Born auf dem pommerschen Darß (Ostsee) (Fassungsvermögen 180 Personen; Kosten: 13 200 RM.), der teilweise unter besonderen Umständen und Schwierigkeiten entstand. Die Fachwelt sah diese Kirche als ein Beispiel dafür an, >in welcher Weise wir unsere Kraft für den Neubau einer deutschen Baukultur zuerst ansetzen müßten<. Gleichzeitig entstand die St. Jürgen-Kirche in List auf der Nordseeinsel Sylt, ein klarer, gedrungener Backsteinbau (für 165 Besucher und 100 Stühle als Notsitze; Baukosten: 49 000 RM.) mit einem prachtvoll eingegliederten niederen Turm, wie ihn die Halligkirchen auch sonst zeigen.“29

Der in Bezug auf die Fischerkirche in Born ohne Quellenangabe zitierte Satz aus der ‚Fachwelt‘ stammt aus der – vermutlich Architektur-Insidern damals bekannten – „Deutsche Bauzeitung“ von 1935:

„Wir möchten diesen evangelischen Kirchenbau, wie nur wenige unserer Zeit, als einen ausgesprochenen deutschen Ausdruckswert bezeichnen. Er könnte fast ein Beispiel dafür sein, in welcher Weise wir unsere Kraft für den Neuaufbau einer deutschen Baukultur zuerst ansetzen müßten.“ 30

Während die Deutsche Bauzeitung mit dieser Bemerkung direkt wohl nur Architektur-Insider erreicht hat, wird eine Ausstellung im Hamburger Kunsthaus ein breiteres Publikum erreicht haben:

Dort hat ein Innenraum-Foto von Otto Rheinländer im Rahmen der Ausstellung örtlicher „Maler, Bildhauer, Architekten“ 1935 das Schaffen des in der Künstler-Szene bereits etablierten Bernhard Hopp zusammen mit Rudolf Jäger beide als Kirchbau-Architekten am Beispiel der Fischerkirche bekannt gemacht.31 [Weiteren Details zu diesem Bau sollen erst weiter unten im Abschnitt „3.1 1935: Fischerkirche in Born / MVP-Darß“ in aller Kürze geboten werden.]

Ähnlich wie das ‚Deutschtum‘ in der Deutschen Bauzeitung akzentuiert wird, hat auch Kautzsch in dem genannten H&J-Artikel in „Kunst und Kirche“ von 1939 bei seinen Verweisen auf die beiden neueren Kirchen in Hamm-Norden (1938) und Hamburg-Wellingsbüttel (1937) deren heimatverbundene Gestaltung betont. Dabei stellt er u.a. jeweils die markanten örtlichen Elemente heraus. So nennt er bei der Johanneskirche das „… Äußere … bei kräftig stämmiger Grundform, wie sie dem westfälischen Land und Menschenschlag entspricht“ bzw. bei der Lutherkirche: „…der Eindruck hat etwas ausgesprochen Heimat- und Landschaftsgebundenes, das durch die Muster und Symbole der Backsteinausmauerung, die kleinen Oberfenster noch unterstrichen wird.“32 Er schließt mit einem Hinweis auf die Menge der anstehenden Projekte dieser Baumeister:

„Das den beiden Architekten vorliegende Bauprogramm sieht in der nächsten Zeit nicht weniger als zwölf Neubauten und sechs Umbauten von Kirchen, Kapellen, Gemeindehäusern und anderen kirchlichen Anlagen vor. Wir wünschen ihnen dazu die Erhaltung der gestalterischen Frische und des Willens zum gottesdienstlich gebundenen Bauen.“33

Durch die Kriegsereignisse ist ein Teil dieser Bauten zwar nicht zeitnah realisiert worden,34 vermutlich handelt es sich jedoch bei einigen der dann nach dem Krieg realisierten Kirchen um solche, für die bereits zuvor erste Pläne und Gespräche Grundlagen vorbereitet hatten. (Diese Vermutung wird sich jedoch erst durch die anstehende Sichtung von entsprechenden Archivalien näher klären lassen.) Weitere Details zu den beiden von Kautzsch vorgestellten Kirchen folgen dann in der Zeitschrift jeweils in zwei Artikeln von den die jeweiligen Bauten wesentlich mit verantwortenden Pastoren Berthold35 und Boeck.36

Für die Situation vor 1945 hätte der oben zitierte und kritisierte Autor Schnell für seine Recherche zudem eine weitere Quelle heranziehen können, die als Buch von 1940 vorliegt, aber auch nach dem Krieg in zweiter (im ideologischen Kolorit geänderter) Auflage gedruckt wurde: nämlich das Werk „Die Kunst der Kirche“ von Winfried Wendland.37 – Wendlands Buch nicht zu verwenden, hat möglicherweise den Grund, dass es sich bei ihm um einen ideologisch – zumindest in der NS-Zeit – erklärt einseitigen Autor handelt. Dieser Sachverhalt lässt sich an programmatischen Äußerungen deutlich ablesen, die er als Geschäftsführer des ‚Werkbundes‘ in dessen Publikationsorgan „Die Form“ 1933 seinen Lesern nahezubringen sucht:

„Das erste, was im Werkbund geschehen muß, ist nicht nur ein äußerliches Bekenntnis zum Nationalsozialismus, sondern die tiefe Durchdringung aller Mitglieder mit der Idee Adolf Hitlers, die, wie seine große Rede jetzt in Nürnberg bezeugte, weitaus mehr kulturschöpferisch ist, als es der gesamte Liberalismus seit 1789 gewesen ist. Es kommt heute um die weltumspannende Idee des Nationalsozialismus kein denkender Mensch mehr herum.“38

In seiner Darstellung „Die Kunst der Kirche“ von 1940 geht diese Programmatik insofern ein, als sie regelmäßig das Jahr 1933 als positive Zäsur betont, aber auch bereits die Situation des zweiten Kriegsjahres im Blick hat. Das mag die auszugsweise Wiedergabe von Passagen aus dem längeren 1. Kapitel „Von der Baukunst“ illustrieren:

„(S. 15:) … eine Fülle von Versuchen …, die den Kirchbau mit den modernsten Mitteln fortführen wollten. Hierbei sind entscheidende Fehler begangen worden … (S. 16:) Der Fehler lag … darin, daß man aus einer Materialgerechtigkeit zu einer Materialvergötzung kam, die uns in eine geistige und vor allem in eine künstlerische Verödung hineingeführt hat. Diese Haltung ist heute überwunden. Mit seinen Bauten hat der Führer der Architektur wieder den bedeutenden Platz unter den Künsten zugewiesen, die ihr als Schafferin und Ordnerin des Raumes zukommt … Die evangelische Kirche ist in diese Entwicklung einbezogen … Die Zeiten, wo man sich eine barocke oder gotische Kirche, ja sogar eine romanische Kirche bestellte, sind vorbei. Wir gestalten heute aus heutigen Mitteln und aus dem Geiste unserer Zeit. … (S. 23:) Die Entwicklung des Kirchenbaues in Deutschland seit 1933 zeigt, wie stark die evangelische Kirche auch ihrerseits bemüht gewesen ist, den Forderungen der Gegenwart nach einer sorgfältigen und heimatgebundenen Architektur zu folgen. … (S. 24:) Eine innerlich junge Generation ist hier am Werk und schafft in Anlehnung an eine große Tradition aus dem Geist unserer Zeit vorbildlich Neues. Nach dem Krieg wartet ein umfangreiches Bauprogramm auf Durchführung, das während der Kriegszeit zurückgestellt werden mußte. … (S. 25:) Der Anfang, der seit 1933 in Deutschland gemacht wurde, hat schönsten Ansatz gezeitigt und gezeigt, daß es Baumeister gibt, die fest in der Kirche stehen und dem Glauben mit Mitteln unserer Zeit Ausdruck geben können. Sie allein, die sich zur Kirche bekennen, sind berechtigt … ein evangelisches Gotteshaus zu bauen.“39

In seinem Buch schildert Wendland in einem redundanten (und für Heutige kaum erträglichen) sehr allgemeinen Stil diverse Sichtweisen auf Kirchenarchitektur und Gebrauchsgegenstände. Aber auch auf Bedarfe an ‚zeitgemäßen‘ Umbauaktivitäten z.B. bei unerträglichen Absonderlichkeiten auf Barockaltären wie „das Wort ‚Jahve‘ in hebräischen Buchstaben“ wird verwiesen.40