Zur Biografie des Kirchenbaumeisters Bernhard Hopp (1893-1962) - Uwe Gleßmer - E-Book

Zur Biografie des Kirchenbaumeisters Bernhard Hopp (1893-1962) E-Book

Uwe Gleßmer

0,0

Beschreibung

Die Zeit bis 1939 und die ersten 45 Lebensjahre Hopps waren äußerst bewegt und prägend: Vom Arbeiterkind zum wandernden Malergesellen vor dem Ersten Weltkrieg, als Soldat überlebend, Dekorationsmaler-Meister sowie Fortbildung zum Kunstmaler zeigen enormen Bildungswillen. Als Künstler auch nach der Heirat 1923 mit seiner Frau ein Bohéme-Leben führend kommt er 1927/8 zur Sesshaftigkeit in Fuhlsbüttel. Ehrenamtlich wirkt er in Schüler-Bibelkreisen, in deren Arbeit er seit Jünglingstagen über den CVJM hineingewachsen war. Die Leitung der 'Werkstätte für kirchliche Kunst im Rauhen Hause', Ausstellungen und erste literarische Beiträge schaffen mehr Selbstbewusstsein. Mit Teilnahme am Wettbewerb um das Ehrenmal an der Kleinen Alster mit dem Bibelkreis-Freund Rudolf Jäger, der als Dipl.Ing. die Ideen Hopps auch fachlich gut ergänzt, entsteht ab 1930 die Absicht zur Architektur-Zusammenarbeit. 1933 bringt der 5-köpfige Familie Trennung vom 'Rauhen Haus'; sie will in einem 'evangelischen Werkhaus' Auskommen finden und zieht auf den Darß. Dort gelingt ein erster Kirchenbau, der für ihn und den Kompagnon Initialwirkung hat und mit zur Gründung des Architekturbüros 1935 führt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 416

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Beitrag zu

‚Hopp und Jäger -

Kirchenbauten von einem Hamburger Architekturbüro

(1930 bis 1962/80)

Ein Projekt zur Dokumentation‘

[www.huj-projekt.de]

Uwe Gleßmer

unter Mitwirkung von Emmerich Jäger

mit Unterstützung von Manuel Hopp

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zum Kontext

Die Elterngenerationen der Familie

Bernhard Hopp und die werdende Familie

3.1 Kinder- und Jugendzeit

3.2 Lehr- und Wanderjahre

3.3 Soldat im 1. Weltkrieg

3.4 Die frühe Verbindung zum CVJM und Bibelkreis (BK)

3.5 Weiterbildung zum Kunstmaler/Gewerbeschule

3.6 Verlobung 1922 und Heirat 1923

3.7 Künstler-Leben des jungen Ehepaars

3.8 Die junge Familie bekommt ab 1925 Zuwachs

3.9 Der Umzug in die Region Alstertal

Beginnende Zusammenarbeit mit Rudolf Jäger

4.1 Wettbewerb zum Denkmal an der Kleinen Alster

4.2 Rauhes Haus: Werkstätte für kirchliche Kunst

4.3 Ausstellung der Werkstätte für kirchliche Kunst

4.4 ‚Kult und Form‘ mit dem Kunst-Dienst Dresden

4.5 Verein für Kirchliche Kunst in Hamburg

4.6 Exkurs: Architektur als kirchliches Thema in Hamburg

4.7 ‚Symbol und Form‘

4.8 Konfirmationsurkunden

4.9 Trennung vom Rauhen Haus

4.10 ‚Künstler-Exil‘ und Wirken auf dem Darß (1933-1935)

H&J: Zusammenarbeit mit Rudolf Jäger

5.1 Kirchliche Gestaltungen vor Gründung des Architekturbüros

5.1.1 Gemeindesaal-Planung Woermannsweg

5.1.2 Christus über den Wogen

5.1.3 Gemeindesiegel Dulsberg

5.1.4 Die Fischerkirche in Born / Darß

5.1.5 Eine erste Liste von kirchlichen Bauwerken

5.1.6 Die Friedhofskapellen Bahrenfeld und Düneberg

5.1.7 St. Petri in Mulsum im Kreis Stade

5.1.8 St. Jürgen in List auf Sylt

5.2 Gründung des H&J-Architekturbüros 1935

5.2.1 Reichskulturkammer-Mitglieder in Hamburg

5.2.2 Turmhalle St. Jacobi

5.2.3 Drei Kirchen im Niederelbe-Raum

5.2.4 Die Lutherkirche in Wellingsbüttel

5.2.5 Die Johanneskirche in Hamm-Norden / Westfalen

5.2.6 Hopps Beitrag „Die Gestalt des Altars“

5.2.7 Die Kirchen Maria-Magdalenen und St. Nikolaus

5.2.8 Die Kirche St. Lukas in HH-Fuhlsbüttel

5.2.9 Die Kapellen in HH-Berne und Sundern

5.2.10 Der Kunst-Dienst 1939 und das Architekturbüro H&J

Zusammenfassung

Literatur und andere Dokumentationen

Abkürzungen, Archivalien und Indices

8.1 Abkürzungen

8.2 Archivalien

8.3 Personen-Index

8.4 Themen-Index

8.5 Orts- und Straßennamen-Index

Danksagung

Die vorliegende Textfassung zum ersten Teil der Biografie von Bernhard Hopp ist das Ergebnis des Zusammenwirkens vieler Personen. Zu nennen sind vor allem die folgenden, durch die die Texte und Bilder aus dem Hopp-Nachlass zugänglich gemacht worden sind:

Ilse Hopp: die Schwiegertochter und Frau des Sohnes Asmus Hopp sowie

Dr. Gisela Hopp: die Tochter Bernhard Hopps, die 2015 verstorben ist.

Außerdem sind diverse weitere Unterlagen durch die Mitarbeiterschaft der Institutionen bereitgestellt worden, die über die einschlägigen zusätzlichen Informationen verfügen: das Hamburgische Architekturarchiv, die kirchlichen Archive der Nordkirche (Hamburg-Ost und Landeskirchliches Archiv Kiel), das Denkmalschutzamt und die Archive einzelner Kirchengemeinden.

Wie auf der Titelseite durch die Autoren-Notiz verdeutlicht wird, ist das Werden des Textes durch die Mitwirkung von Emmerich Jäger kritisch begleitet und mit einzelnen Verbesserungen und Korrekturen bereichert worden. Nicht nur die oben genannten Archivalien zur Biografie Bernhard Hopps bilden den Hintergrund zahlreicher Passagen, sondern auch die Lebenserinnerungen von dessen Partner Rudolf Jäger (1903-1978). Diese wurde vom Sohn Emmerich Jäger dem H&J-Projekt zugänglich gemacht. Sein Vater hatte sie als 70-Jähriger abgefasst und darin in der Rückschau auch den gemeinsamen Weg der Frühzeit vor und im Zusammenhang des gemeinsamen Architekturbüros beschrieben.

Ebenfalls ist auf der Titelseite die Unterstützung von Manuel Hopp genannt. Auch er hat mit Dokumenten beigetragen, die aus dem Nachlass seiner Tante, Dr. Gisela Hopp, nach deren Tod über eine befreundete Familie sichergestellt werden konnten.

Beiden Mitbeteiligten ist für ihren Beitrag an diesem Band auch deswegen besonders zu danken, weil auch für den ausstehenden zweiten Teil der Biografie mit der Schilderung der Zeit ab dem Zweiten Weltkrieg viele Details zu sichten und zusammenzutragen sein werden. Mit diesen beiden kritischen Begleitern wird diese Aufgabe sicher angemessen gelingen.

Uwe Gleßmer 1. November 2016

1 Vorwort zum Kontext

2014 hat sich ein Kreis von Interessierten zusammengeschlossen, um unter der Überschrift „Hopp und Jäger - Kirchenbauten von einem Hamburger Architekturbüro (1930 bis 1962/80)“ ein Projekt zur Dokumentation zu beginnen. Dazu wurde ein Flyer entworfen, um anderen Personen dieses Projekt und seine Zielsetzung bekannt zu machen. Es entstand in Zusammenarbeit mit dem Hamburgischen Architekturarchiv (HAA). So konnte der Flyer auch zum Download über eine Website angeboten werden, die auf dem Server des HAA eingerichtet wurde:

http://www.huj-projekt.de/downloads/hopp_u_jaeger-flyer.pdf

Auf diese Weise wurde nicht nur über verteilte, gedruckte Exemplare des Flyers das Projekt Interessierten bekannt, sondern es ist auch bei Recherchen über das Internet auffindbar. Zudem gab es eine erste Befragung einzelner Gemeinden nach Details zu den bei ihnen existierenden Hopp-und-Jäger-Kirchbauten.

Da dieses Architekturbüro Hopp und Jäger (H&J) „wegen einer wenig avantgardistischen Grundhaltung“, wie im Flyer formuliert, keine besondere öffentliche Aufmerksamkeit über sensationelle Bauten in der Architekturszene auf sich gezogen hat, ist sein Name eher nur den Insidern oder den an Hamburger Lokalgeschichte Interessierten bekannt. Viele Gemeinden haben auch eher gar kein Bewusstsein über die künstlerische Ursprungssituation ihres Gotteshauses.

Es kann und soll bei dem Projekt auch nicht um einen ‚Namenskult‘ gehen, sondern es soll in einer sich schnell wandelnden – und deshalb tendenziell ‚geschichtsvergessenen‘ – Zeit etwas festgehalten werden: wie nämlich unter den Umständen ab der Weimarer bis in die Wirtschaftswunder-Zeit im sich verändernden „politischen, theologischen und kirchlichen Kontext … in der Spannung zwischen Kontinuitäten und Neuansätzen“ Kirchen gebaut wurden. In der Gegenwart, in der Gemeinden herausgefordert sind, mit dem Phänomen der eingetretenen Unbezahlbarkeit ihrer Gotteshäuser umzugehen, mag für die Rückbesinnung, ob die ‚Kirche im Dorf‘ bleibt, dieser Gegenpol der Bauphase neue Bedeutung gewinnen.

Wer waren diejenigen, die diese Gebäude mit den Gemeinden konzipiert haben? Was wissen wir über die Personen und ihre Lebensumstände? – In der vorliegenden Zusammenstellung ist versucht, das zusammenzutragen, was z.Z. über Bernhard Hopp als den einen Partner im Architekturbüro und seinen persönlichen (politischen, theologischen, kirchlichen) Kontext an Details zu erheben ist. Dabei ist auch der familiäre Rahmen eine wichtige Einflussgröße.

Bernhard Hopp hat 1962 selbst noch einen autobiografischen Text verfasst, der seine Jugendzeit in Rothenburgsort beschreibt.1 Seine Frau Edite hat nach seinem Tod dazu eine detailreiche Fortsetzung geschrieben.2 Glücklicherweise werden diese beiden Texte sachlich ergänzt durch die Lebenserinnerungen von R. Jäger, die er 1969-1971 verfasst hat.3 Auch eine Reihe von B. Hopps Veröffentlichungen oder maschinenschriftlichen Ausarbeitungen gibt einen Einblick in seine politischen, theologischen und kirchlichen Ansichten, soweit und wie er sie öffentlich darstellen konnte und wollte. – Einige Kurzbiographien zu Hopp existieren auch bereits. So sind vor allem dem früheren hamburgischen Denkmalpfleger Prof. Dr. Manfred F. Fischer zwei Darstellungen zu verdanken, die seinem von 1945-1950 als „Kommissarischer Denkmalpfleger“ amtierenden Vorgänger gewidmet sind.4 – Ihm lag als Quelle eine umfangreiche, maschinenschriftlich vorbereitete biografische Skizze von Dr. Oskar Beyer vor, die jedoch leider bisher ungedruckt geblieben ist.5 U.a. auch bei Rolf Lange „Hamburg – Wiederaufbau und Neuplanung“ gibt es einen biografischen Kurzabriss und weitere Details zur Person Hopps.6

Der Hintergrund für weitere und noch detaillierte Darstellungsmöglichkeiten der Geschichte Hopps und seiner Familie ergab sich im Sommer 2015 dadurch, dass über den Kontakt zur Tochter Bernhard Hopps, der Kunsthistorikerin Dr. Gisela Hopp, wesentliche Materialien und Informationen neu zugänglich wurden. Durch den leider dann am 14.9.2015 eingetretenen Tod der 89-Jährigen entstand die Situation, dass ich, UG, auch als Theologe gefragt war: So übernahm ich es, die Trauerfeier als Abschiedsgottesdienst für Gisela am 2.10.2015 zu halten. – In den 14 Tagen zwischen ihrem Tod und der Trauerfeier haben sich durch weitere Sichtung im Nachlass (insbesondere der Kunstwerke und der Fotoalben), durch Gespräche mit Verwandten und einigen Freunden zahlreiche Facetten zu einem Bild sowohl ihrer Vita als auch der Entwicklung der gesamten Familie verdichtet, das es festzuhalten gilt.

Dass nicht nur der Architekt Bernhard Hopp allein als Darstellungsthema gewählt ist, liegt einerseits also an der dargestellten Situation des Informationsweges über seine Familie – und besonders seiner Tochter Gisela, die es mir ermöglicht haben, Materialien zu sichern.7 Dabei handelt es sich um umfangreiche dokumentarische und private Unterlagen, die für detaillierte Recherchen des HuJ-Projektes äußerst wertvoll und hilfreich sind. Andererseits hat die Familie auch indirekt Anteil am Ergehen eines architektonischen Kunstwerkes insofern, als damit ja Urherberrechte verbunden sind, die auch nach dem Tode des Urhebers weiter schützenswürdig sind. Daran hatte die Familie z.B. im Blick auf die Fischerkirche in Born/Darß in der Vergangenheit Anteil.8

Insgesamt ist das HuJ-Projekt der Familie – und insbesondere auch der Schwiegertochter, Frau Ilse Hopp, – zu ganz großem Dank verpflichtet. Frau I. Hopp hat sowohl Zugang zu dem bei ihr bewahrten Material gewährt, das zum Nachlass ihres 2008 verstorbenen Mannes Asmus Hopp und dessen Vater Bernhard gehört. Insbesondere die aus der Zeit von 1936 bis 1962 erhaltenen Notiz-Tagebücher Bernhard Hopps liefern für viele der Bauprojekte wichtige Detailinformationen.9 – In Kombination mit den anderen vom HuJ-Projekt bisher gesichteten Archivalien (u.a. beim Denkmalschutzamt) ergibt sich inzwischen ein relativ umfassendes Bild für die Zeit bis in den Zweiten Weltkrieg hinein.10

Künftig werden noch weitere Materialien dazu kommen, die besonders die Arbeiten während des Zweiten Weltkrieges sowie die Wiederaufbauphase betreffen – insbesondere der großen zerstörten Hamburger Hauptkirchen und etwa die Bielefelder Nikolai-Kirche – aber auch die verschiedenen realisierten Neubauprojekte und vor allem weitere Wettbewerbe. Diese Elemente hängen besonders mit der Zusammenarbeit und der Weiterentwicklung des Architekturbüros zusammen, in das neue Mitarbeiter mit zunehmend ‚zugelassenen‘ neuen Ideen einbezogen sind. Hier wird parallel zur biografischen Bearbeitung noch die Sichtung dieser verschiedenen Ebenen von Projektzusammenarbeiten erfolgen müssen, in denen es z.T. auch um Kontinuitäten in den persönlichen Freundschaften und Netzwerken der Nachkriegszeit geht, jedoch auch um das Verlassen von ‚alten Pfaden‘ u.a. der Gestaltung. So erscheint es erst einmal als sinnvoll, einen Teil 1 der Hopp’schen Biografie zugänglich zu machen, dem bald ein Teil 2 folgen soll, der dann auch die Dokumentationen zur Weiterentwicklung des Büros mit einbeziehen kann, an denen Emmerich Jäger parallel arbeitet.

Auch die 2016 mit Manuel Hopp begonnene Zusammenarbeit wird bei der weiteren Beurteilung der architektonisch-künstlerischen Sicht noch stärker aus der Innensicht der Familien seines Großvaters Bernhard und seines Vaters Asmus, der zeitweise selbst im Architekturbüro und an Projekten mitgearbeitet hat, eine Perspektiverweiterung mit sich bringen können.

1 Zur Dokumentation sind Literaturbezüge jeweils mit Kurztiteln aus Namen und Jahreszahl in runden Klammern verwendet sowie Abkürzungen, die unten notiert sind. Die erwähnten Lebenserinnerungen Hopp (1962) Masch sind zugänglich im Nachlass Jäger im HAA unter der Signatur A_009_002_Hopp, im StAHH sowie im familiären Nachlass Hopp (siehe unten bei Anm. 9).

2 Hopp_Edite_Fortsetzung_zu_Erinnerungen_an_Rothenburgsort.pdf.

3 Ich, EJ, habe sie dem H&J-Projekt zur Verfügung gestellt und beabsichtige, sie nach familiärer Abstimmung auch im HAA mit Ergänzungen zu deponieren..

4 Fischer (2000) SB und Fischer (2008) SB.

5 Verfügbar über das Staatsarchiv sowie im Familienbesitz der Familie Hopp. – Dieser Text wurde von dem damals in England lebenden Sohn Oskar Beyers, Ralph Alexander Beyer (1921-2008; zu ihm siehe einen eigenen Artikel im englischen Wikipedia) aus dem Nachlass seines 1964 verstorbenen Vaters zugänglich gemacht.

6Lange (1994) S. 321 sowie Anm. 185.

7 Aus der Wohn-Situation Giselas ergeben sich die teils eigenartigen Benennungen für die dokumentierten damaligen Aufbewahrungsorte ‚Unter der Couch…“, ‚Unter dem Bett‘ usw.

8 Zum Rechtsstreit …

2 Die Elterngenerationen der Familie

Eine in der Familiengeschichte weit zurück reichende Aufstellung der Vorfahren findet sich in dem erhaltenen ‚Ahnenbogen‘ der Familie.11 Der Anlass dazu war ein Schreiben der Reichskulturkammer von 21.10.1938,12 die bereits u.a. 1936 einen Nachweis erbeten hatte, den Hopp jedoch zu diesem früheren Zeitpunkt nicht abgeliefert hatte. So ergab sich 1938 die etwas dringlichere Aufforderung, der er dann nachgekommen ist. Dazu hat B. Hopp alle Dokumentationen aus Kirchenbüchern zusammengetragen, was vor allem im Blick auf die Vorfahren seiner Frau Edite sich als relativ schwierig erwies. Denn sie war im ersten Lebensjahr adoptiert worden, dann jedoch in einer weiteren Familie aufgewachsen, so dass sich die Rückverfolgung der realen Verwandschaftsverhältnisse als besonders mühsam herausstellte, weil zuerst keine Kontakte zu ihren direkten Anverwandten bestanden.13

Bernhard Hopp und seine Familie: – im Hintergrund mit Sohn Hans-Jürgen; vorn von links nach rechts:Tochter Gisela H. vor Ehefrau Edite H.; Mutter und Vater Asmus H. mit Sohn Asmus H. auf dem Schoß.

Ein auf April 1944 datierter Ariernachweis bildet auch die Grundlage für denjenigen Bogen, der auch für die damals 19-jährige Tochter Gisela gefertigt worden ist. Darin finden sich die Angaben zu den vorausliegenden ‚arischen‘ Generationen.14

Das Familienfoto oben (ca. 1930/31) zeigt ihre damals noch lebende Familie.:15

Bernhard Hopp und sein Vater

Bleistift-Zeichnung des verstorbenen Vaters (1939)

9 So hatte bereits Wille (1988) für die Beschreibung „Ernst Barlachs Entwürfe für den Taufstein der Johanneskirche in Hamm“ zu Lebzeiten von Asmus Hopp Zugang zu den Notiz-Tagebüchern erhalten. – Zu dem in der Familie von Ilse Hopp erhaltenen Wettbewerbs-Entwurf B. Hopps für das Triptychon der St. Ansgar-Kirche (HH-Langenhorn) siehe Gleßmer / Jäger (2016a) S. 61ff mit den zugehörigen Fotos.

10 In der Zusammenstellung „Projektbericht Nr. 1 zum Hopp-und-Jäger-Projekt“ haben wir die wesentlichen Materialien aufgelistet, die wir bis zum Frühjahr 2016 dokumentieren konnten; siehe dazu Gleßmer / Jäger (2016b).

11 Auch eine handschriftliche Notiz mit den Inschriften des Grabsteins der Eltern mit den Geburts- und Sterbedaten der Eltern und seines Bruders Richard findet sich Hopp_B_HEW_WB_Lehre_Meister_Hans-Jürgen_Edite_WP_20151029_212.pdf S. 181.

12 Hopp_B_Urkunden_Ahnentafeln_WP20151029_415.pdf S. 118.

13 Die Urkunden und Briefwechsel in diesem Zusammenhang sind in der Datei Hopp_B_Urkunden_Ahnentafeln_WP20151029_415.pdf enthalten.

3 Bernhard Hopp und die werdende Familie

In der kurz vor seinem Tod 1962 verfassten Lebensbeschreibung hat Bernhard seine Ausführungen auf die Elterngeneration und seine Geschwister beschränkt. Er schildert bewusst die Situation einer Arbeiterfamilie, in der die Pflege von Daten über Vorfahren – wie im Ahnennachweis – normalerweise keine Rolle spielte. Vielmehr ist er mehr an der Darstellung des Milieus der Arbeitergegend in Rothenburgsort, den regelmäßigen Gang des Vaters nach der Arbeit in eine der Kneipen und an den Zeitumständen interessiert, wenn er z.B. den Lehrberuf seines Vaters als Schuster mit der Information verbindet, dass durch die aufgekommene fabrikmäßige Produktion von Schuhen der Vater zur Annahme vielfältiger anderer – teils gelegentlicher – Arbeiten gezwungen war.

Wichtig ist ihm auch die mit dem Wachstum der Familie wechselnden Wohnsituationen zu schildern – angefangen von der Wohnung in einer Terrasse in der Straße Röhrendamm, dann ab 1897/98 die 60 qm Wohnung am Bullenhuserdamm, später das Geschäft in der Billhorner Brückenstraße:16

In der Darstellung, die B. Hopp über seine Eltern und die Jugendzeit in Rothenburgsort gegeben hat, ist als Deckblatt ein Foto aus der Zeit um 1910/11 verwendet: sein Vater war inzwischen Inhaber eines eigenen Destillations-Geschäftes geworden, wie die Aufschrift erkennen lässt.

In einem handgeschriebenen Lebenslauf von 1921 hat B. Hopp dann seinen beruflichen Werdegang geschildert, der unten deshalb vollständig zitiert werden soll, weil er die Selbstdarstellung des damals knapp 30-Jährigen enthält. Von der Thematik – anders als sein 1962 gegebener Lebensrückblick auf die Anfänge – unterscheidet er sich durch besondere Akzentsetzungen sowie zeitlich, indem er sein zweites und drittes Lebensjahrzehnt beschreibt. Die Ereignisse dieser Phase – wie sollte es anders sein? – stellen sich für seinen weiteren Lebenslauf als prägende heraus.

Ausführlicher handschriftlicher, beruflicher Lebenslauf bis 192117

„Hamburg, den 17.2.1921

Billh[orner] Röhrendamm 39 I;

Mein Lebenslauf

Am 20. Oktober 1893 wurde ich in Hamburg geboren, nach 8jährigem Besuch der Hamburger Volksschule Ostern 1908 nach der Selekta konfirmiert und trat nun, um als Grundlage für meine spätere künstlerische Ausbildung das Malerhandwerk zu erlernen, bei der Firma Gustav Dorén Hbg. in die Lehre.

Während der 4jährigen Lehrzeit hatte ich Gelegenheit, in den Atelierräumen die Muster- und Schablonierungszeichnerei, Entwurfsbearbeitung, Wandbildnerarbeiten, Möbelbemalung, - auf den verschiedensten Arbeitsstellen die Arbeitsmethoden und Techniken kennenzulernen. In den Wintermonaten besuchte ich die Hamburger Kunstgewerbeschule. Die Gesellenprüfung bestand ich Ostern 1912 mit ‚ausgezeichnet‘.

Nach wenigen Wochen Gehilfentätigkeit ging ich auf die Reise, über Berlin zunächst nach Dresden, von dort z.gr.T. zu Fuß durch die Sächsische Schweiz über Karlsbad, Eger (?), Nürnberg nach Stuttgart, dann südwärts durch Württemb.-Hohenzollern, Donautal, Ulm, Augsburg, München. |

In München fand ich bei der Fa. Schmidt und Cie anregende Beschäftigung. An der Ausführung von Malereien half ich u.a. mit in Bad Kissingen (neues Kurhaus) und Kasino der Farbfabrik Leverkusen/Köln, wohin wir von M[ün]ch[e]n aus fuhren.

Immer fühlbarer werdender Mangel an Kenntnissen in der Kunstgeschichte sowie der Anatomie veranlaßte mich jedoch, im Herbst 1913 nach Hbg. zurückzukehren, wo ich bis Kriegsausbruch den mir bewußt gewordenen Mangel zu beheben mich bemühte. Ein Stipendium verschafte mir Juli 1914 noch die Gelegenheit, die Kölner Werkbundausstellung zu besuchen und im Anschluß daran das Museum für ostasiatische Kunst, das einen tiefen Eindruck auf mich gemacht hat.

Der Krieg unterbrach das Studium. Oktob. 1914 wurde ich Soldat und kam Febr. 15 zur 2. Masurenschlacht (?) ins Feld.

Als Vizefeldwebel (Brigadeschreiber) am 1.1.19 entlassen trat ich nun wieder (als Hospitant) in die Hamburger K.G.Sch. ein, um noch 2 ½ Semester Vorträge zu hören und mein Studium zu beenden.

Daneben war ich selbständig mit künstlerischen und kunstgewerblichen Aufträgen und Aufgaben beschäftigt. |

Im Febr. 1920 bestand ich die Meisterprüfung des Malerhandwerks mit ‚sehr gut‘.

In meiner freien Zeit bin ich schon vor dem Kriege in der Jugendpflege tätig gewesen, nun nach dem Kriege in verstärktem Maße, und habe die tiefste Freude an der Jugendarbeit, sodaß ich nun großes Interesse habe, meinen Beruf mit dem der Jugendarbeit zu verschmelzen.

Meine Hospitiertätigkeit (August – Sept. 1920) an der Gewerbeschule in Hbg. mußte ich größerer Aufträge wegen unterbrechen. Später ergab sich mir begründete Aussicht, an der Hbger Gewerbeschule als Lehrer übernommen zu werden, sodaß ich trotz rechtzeitiger Anmeldung beim Gew.-Lehrer-Seminar in Charlottenburg (Juni 1920) mich nicht weiter darum bemühte.

Aus der festen Anstellung wurde jedoch nichts aus im Anschreiben bereits erwähnten Gründen.

Von der Entscheidung der Aufnahmekommission des Gewerbelehrerseminars hängt es nun ab, ob ich am Kursus in Charlottenburg teilnehmen, oder andere Wege zu gehen gedrängt werde.

B. Hopp“

Auch die Schulzeit und die Möglichkeit für die Besten der vorherigen siebten Volksschulklassen, ein weiteres Jahr in der ‚Selekta‘ Schulunterricht zu haben, spielt eine wichtige Rolle. (Zu den erhaltenen Dokumenten zählt auch ein Zeugnisbuch, das die Position Bernhards im ‚Ranking‘ der Klassenbesten über die Jahre verfolgen lässt.18) Damit war für ihn ein wichtiger Impuls für seinen Weg des ‚sozialen Aufsteigers‘ verbunden:

„Wir hatten zu Hause ein Buch: Corvin, Der Pfaffenspiegel. Das war nun keine Kinderlektüre. Ich durfte mir in der Schule ein Buch bestellen: ‚Schöne alte Kinderreime‘…“19

Weitere Bücher lernt er sowohl über die Schule als auch durch eine weitere ihm wichtig gewordene Institution kennen – nämlich über den CVJM, um den es weiter unten gehen soll.

3.1 Kinder- und Jugendzeit

Dass ein Arbeiterkind zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit religiösen Traditionen in Berührung kommen konnte, war keineswegs selbstverständlich.20 Aus der Rückschau sind es die guten Erfahrungen mit dem CVJM gewesen, die eine lebenslange Verbindung hergestellt haben:

„Ich war 9 Jahre alt, als wir in die Arbeiterkolonie an der Kanalstraße geschickt wurden. Es war ein Fabrikgebäude, das zu einem Heim für Tippelbrüder eingerichtet war. Hier hatte der "Christliche Verein Junger Männer" den Saal gemietet für eine Knaben-Abteilung, Dienstags war Bibelstunde, freitags Spielstunde. Wir gingen also freitags hin. Meine Brüder nur einmal, ich blieb, weil der Leiter, ein Herr Bertram, eine Geschichte mit Fortsetzungen erzählte. Außerdem gab es Bücher, und schon bald war ich Bibliothekar und hatte damit für meine Leseleidenschaft einen ganzen Schrank voll Lesestoff. Ich ging nun auch dienstags zu den Bibelstunden und lernte da eine Frömmigkeit kennen, die heute mit Pietismus bezeichnet wird, die aber damals durchaus echt war und geeignet, den Kreis unserer Rothenburgsorter Proletarier anzusprechen. Heute sind die ‚Reichs-Lieder‘, die wir damals sangen, auch im Umkreis der Kirche verpönt. ‚Schnulze‘ ist noch eine höfliche Wendung in der Beurteilung. Für uns waren die zumeist aus England stammenden Lieder ein Stück Wirklichkeit. Einiges davon hat sich in der Heilsarmee heute noch erhalten. … Die Arbeiterkolonie an der Kanalstraße war eine der häßlichsten Ecken in Rothenburgsort. Für mich ist sie der Ort für ein Stück Jugenderlebnis geworden, für das ich dem CVJM bis heute dankbar bin.“21

Das positive Verhältnis zum CVJM konnte auch eine Episode nicht beeinträchtigen, die sich einige Jahre später zugetragen hat und in der es darum ging, dass von Herrn Bertram der Auftrag erging, in einer neugebauten katholischen Kirche am Ort missionierende Zettel zu verteilen, „damit die Katholiken zum rechten Glauben kämen.“ Dem ist Bernhard jedoch nach einem Besuch dort nicht nachgekommen, obwohl „der Begriff katholisch für uns damals soviel wie verrückt bedeutete.“22

Ob die zu seinem 12. Geburtstag 1905 erhaltene Grußkarte möglicherweise den Kontakt nach einer Unterbrechung der Verbindung zum CVJM erneut hergestellt hat, könnte vermutete werden. Auf jeden Fall illustriert sie sowohl Räumlichkeit als auch die Art der von B. Hopp beschriebenen Treffen, die der CVJM in der Arbeiterkolonie organisiert hat:

„Zu Deinem Geburtstag sendet Dir, lieber Bernhard, die herzlichsten Glück- und Segenswünsche Dein alter Freund??Bertram.“

„Gruß aus dem Christlichen Verein Junger Männer in Hamburg“ vom 28.10.1905 mit der Bildunterschrift „Die Rothenburgsorter Knaben hören eine Seegeschichte“23

Auf jeden Fall bleibt ihm der CVJM eine als prägend gewertete Institution, auch wenn es später nur darum geht, zum Vereinshaus am (früheren) Pferdemarkt nahe der Jacobi-Kirche zu gelangen. Als Nebeneffekt dieses Wegs schildert Hopp, wie er auf diese Weise mit diversen architektonischen Besonderheiten der Hamburger Altstadt in Berührung gekommen ist.

Für den Heranwachsenden ist Schule glücklicherweise ähnlich mit positiven Erfahrungen verbunden wie sie mit dem CVJM verknüpft sind. Das sorgsam aufbewahrte Zeugnisbuch dokumentiert zudem die sehr guten Leistungen des Jungen, die ihn bis ins letzte Quartal 1907 gleichbleibend unter die ersten Ränge der über 30 Schüler gebracht haben:

„Über mein letztes Schuljahr in der ‚Selekta‘ ist noch einiges zu sagen. Diese Einrichtung, eine Sammlung der besten Schüler aus mehreren Schulen, hat der Hamburger Volksschule ein starkes Gewicht gegeben. Es war eine große Sache, die rote Mütze mit dem Silberstreifen zu tragen. Die für uns zuständige Selekta war in der l\lebenschule. Als wir entlassen wurden, hat der Rektor Lewitz uns als besonders renitent und aufsässig schwer getadelt. Die Schuld lag indessen bei der Schule. Wir hatten im ersten Halbjahr einen großartigen Pädagogen als Lehrer, Hardt hieß er, und danach einen der ungeschicktesten Lehrer. Das konnte nicht gut gehen, es gab Rebellion. Dennoch mußten wir ihn ertragen, nicht nur ihn, sondern auch seine und schließlich unsere Schuld. Wir aber hatten es erlebt, wie sehr es notwendig ist, im Verkehr mit dem Andern, diesen Anderen trotz innerer Abneigung zu respektieren. Sehr viel später habe ich 7 an die frühe Erfahrung der Selekta denken müssen.“24

Sein Abgangszeugnis aus der Selekta vom 31.3.1908 ist durchweg mit Benotungen im Bereich „sehr gut“ versehen.

Genaue Details fehlen zu der allgemeinen Angabe seiner Frau, dass eine wohlhabende jüdische Familie angeboten hätte,

„die Ausbildung …, als eines begabten Schülers, zu übernehmen. Das wurde vom Vater strikt abgelehnt. Er würde für seine Kinder selber sorgen. Dahinter stand, ebenso wie bei späteren Anlässen, die Angst, der Sohn könnte in der damals so fremden Atmosphäre der ‚betern Lüd‘ hochmütig werden, und die eigenen Eltern nicht mehr achten.“25

So hat Bernhard seinen beruflichen Ausbildungsweg mit der praktischen Seite des Malens und einer Maler-Lehre begonnen.

Dass Bernhard bereits als Schüler zahlreiche Zeichnungen zu diversen Themen angefertigt hat, belegt eine Zusammenstellung im Nachlass, die als „Frühe Zeichnungen ab 1905“ beschriftet ist.26 Davon sollen als Auswahl zwei Bilder vorgestellt werden, die zum Ende seiner Schul- und zeitlich kurz vor dem Übergang in die Lehrzeit entstanden sind. „Der Schlachter“ vom 30.1.1908 ist nicht nur datiert, sondern hat auch die selbstbewusste Beschriftung „Verlag von B. Hopp“:

27

28

14 Hopp_G_Unter_d_Bett_2015-09-18.pdf S. 10-12.

15 Hopp_B_HEW_WB_Lehre_Meister_Hans-Jürgen_Edite_WP_20151029_212.pdf S. 32.

16 Erinnerungen S. 21.

17 Hopp_B_HEW_WB_Lehre_Meister_Hans-Jürgen_Edite_WP_20151029_212.pdf S. 51.

18 Hopp_B_Grundschulzeugnisse_1900_b_1907.pdf. – Zur ‚Selekta‘ siehe seine Erinnerungen S. 6.

19 Edite (Erinnerungen) S. 7 sowie die Fortsetzung über den Verlust und das spätere Weihnachtsgeschenk.

20 Hopp_B_HEW_WB_Lehre_Meister_Hans-Jürgen_Edite_WP_20151029_212.pdf S. 175 – Taufurkunde v. 22.7.1894 von P. Andresen in Moorfleth.

21 HAA_Jäger_A_009_002_Hopp_1962_.pdf S. 16.

22 HAA_Jäger_A_009_002_Hopp_1962_.pdf S. 7.

23 Hopp_B_Wanderschaft_012.jpg.

24 HAA_Jäger_A_009_002_Hopp_1962_.pdf S. 6f.

25Hopp_Edite_Fortsetzung_zu_Erinnerungen_an_Rothenburgsort.pdf S. 1. Das Abgangszeugnis in Hopp_B_HEW_WB_Lehre_Meister_Hans-Jürgen_Edite_WP_20151029_212.pdf S. 164.

26 Hopp_B_Zeichnungen_WP_20151019_081.pdf S. 2; ob die mit ‚Hoppschen Buchstabenformen‘ (mit dem markanten „G“) versehene Beschriftung von ihm selbst oder seinem Sohn Asmus herrührt, lässt sich deshalb nicht sagen, weil auch Asmus sich diese ‚Normschrift‘ zu eigen gemacht hat (siehe unten im Kapitel über Asmus). Ein zweiter, handschriftlicher blauer Mappendeckel im inneren der Zusammenstellung dagegen geht sehr wahrscheinlich auf Bernhard Hopp selbst zurück (Hopp_B_Zeichnungen_WP_20151019_081.pdf S. 4).

27 Hopp_B_Zeichnungen_WP_20151019_081.pdf S. 17.

28 Hopp_B_Zeichnungen_WP_20151019_081.pdf S. 19.

3.2 Lehr- und Wanderjahre

Hopp hat seinen Werdegang in dem oben im Ganzen wiedergegebenen 3-seitigen handschriftlichen Lebenslauf vom 17.2.1921 beschrieben, den er für eine Bewerbung abgefasst hatte. Dort schreibt er, er wurde

„…nach 8jährigem Besuch der Hamburger Volksschule Ostern 1908 aus der Selekta konfirmiert. Und trat nun, um als Grundlage für meine spätere künstlerische Ausbildung das Malerhandwerk zu erlernen, bei der Firma Gustav Dorén Hbg in die Lehre.“29

Hopp_B_HEW_WB_Lehre_Meister_Hans-Jürgen_Edite_WP_20151029_212.pdf S. 149

Aus dieser Zeit vom 1.4.1908 bis zum 20.4.1912 liegen außer einigen Anekdoten über die Streiche der Lehrlinge, die Edite berichtet, vor allem auch einige datierte Bilder von Bernhard vor – wie die folgenden aus dem Grunewald von 1909:

Oben: WP_20150902_067

WP_20150902_064

Ebenfalls aus dem Jahr 1909 stammt ein Bild aus Potsdam:

WP_20150902_069

Parallel zu der praktischen Arbeit in der Malerlehre ist Hopp zugleich (bzw. „in den Wintermonaten“30) Besucher der Staatlichen Kunstgewerbeschule gewesen – auch über seine Lehrzeit hinaus, wie eine spätere Bescheinigung ausweist.

Für seine Wanderjahre ab 1912 wird von Edite Hopp als erstes eine Episode in Dresden erwähnt:

„Nach der Gesellenprüfung ging es auf Wanderschaft. Das Leben des wandernden Handwerksgesellen brachte manches Tief. 11 Stunden Arbeit am Tag waren keine Seltenheit, die Bezahlung oft minimal, Arbeitsbedingungen schlecht. In Dresden z.B. wurde zum Fensterstreichen im 4. Stock einfach ein Brett auf die Fensterbank gelegt, und hoch über der Elbe ritt der Malergeselle…“31

Möglicherweise ist das folgende Bild Hopps in diesem Kontext entstanden – allerdings nicht von dem besagten Brett über der Elbe aus. Es zeigt die Dresdener Frauenkirche und rechts im Hintergrund die Kuppel der Hochschule für Bildende Künste, deren Neubau 1908 gerade fertiggestellt war. Allerdings ist die Perspektive nicht die von der Elbseite her, sondern umgekehrt von der Altstadt zur Elbe:

WP_20150902_056: Hopp undatiert (1912/13)

Ausschnitt aus einer Aufnahme der Deutschen Fotothek von ca. 1935 mit einer anderen Perspektive.32

Eine genauere Lokalisierung ist z.Z. nur ungefähr möglich. Die Universitätsbibliothek Dresden erlaubt mit einer Karte von 1911 einen Einblick, um die damalige Gebäudesituation mit der auf dem Bild von Hopp gezeichneten zu vergleichen, die im Vordergrund vor beiden Kuppelbauten der Frauenkirche und der Königl. Kunst-Akademie dargestellt sind:

http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70400171/df_dk_0000054_001

Allerdings setzt die Perspektive von Südwest nach Nordost einen erhöhten Standort und im direkten Vordergrund Baumbestand voraus. Denkbar ist, dass etwa vom Gebäude des Künstlerhauses (Grunaerstraße 48) oder einer Erhöhung des kurz dahinter in südwestlicher Richtung liegenden Botanischen Gartens aus ein solcher Blick auf die Dresdener Altstadt-Silhouette möglich war.33

In seiner Beschreibung der Wanderschaftsroute nach Süddeutschland wird weiter der Weg durch die Sächsische Schweiz erwähnt:

„Nach wenigen Wochen Gehilfentätigkeit ging ich auf die Reise, über Berlin zunächst nach Dresden, von dort z.gr.T. zu Fuß durch die Sächsische Schweiz über Karlsbad, Eger, Nürnberg nach Stuttgart, dann südwärts durch Württemb.-Hohenzollern, Donautal, Ulm, Augsburg, München.“ 34

Möglicherweise stammen die folgenden Fotos35 aus diesem Kontext der „Sächsischen Schweiz“:

Der Weg führte ihn mit anderen „Tippelbrüdern“ zu Fuß durch die Lande:

Ausschnitt aus dem Bild links:

(Hopp_B_Wanderschaft_003)

„Den Tippelbruder sah jeder Gendarm scheel an, mein Mann war manches Mal empört, dass er etwa Hühner gestohlen haben sollte. Aber er sah mit offenen Augen die Deutschen Städte. Besonders in München schulte er sich selbst in Kunstgeschichte. Den Anfang machte eine kleine Stilbeschreibung für 30 Pfennig vom Bücherkarren, mit deren Hilfe er Bauten datierte und Kunstepochen unterscheiden lernte.“36

Möglicherweise weist der Name von „Ernst Schmidt“ auf dem zuletzt abgebildeten Foto auch bereits auf die Münchener Zeit voraus:

„In München fand ich bei der Fa. Schmidt und Cie anregende Beschäftigung. An der Ausführung von Malereien half ich u.a. mit in Bad Kissingen (neues Kurhaus) und Kasino der Farbfabrik Leverkusen/Köln, wohin wir von M[ün]ch[e]n aus fuhren.“37

Das erste Arbeitszeugnis einer Münchener Firma (mit zweiter Niederlassung in Nürnberg) ist die von der Fa. Schmidt & Cie, die Hopp bescheinigt, dass er zwei Zeitspannen, vom 23. September 1912 bis 5. November sowie 17. Dezember bis 23. August 1913, dort

„als Maler beschäftigt war. Mit seiner Führung und seinen Leistungen waren wir jederzeit bestens zufrieden und erfolgt sein Austritt auf eigenen Wunsch.“38

Danach war er noch ca. 3 Wochen bei einem weiteren Betrieb für Dekorationsmalerei in München „…v. 25. August bis 19. September 1913 … als Maler beschäftigt, treu und fleißig“:39

„Benedikt

Boeck’s Ww

Werkstätte für

Dekorative Kunst

Inh. Hans Urbanisch

Kgl. Bayr. Hofdek. Maler

München 3

Marsstr. 30

Telefon

8505“

Bei der von Edite im Folgenden erwähnten großen Firma muss es sich um Schmidt & Cie handeln, wie aus der weiter unten folgenden Datierung einer Grußkarte aus Kissingen hervorgeht:

„Dort arbeitete er bei einer grossen Firma, die bald seine Begabung für Dekorationsmalerei entdeckte und ihn bei entsprechenden Aufgaben einsetzte, z.B. im Kurhaus in Kissingen. Nach der Rückkehr wurde in Hamburg die Meisterprüfung gemacht. Die Eltern verdienten in der Gastwirtschaft so viel, dass der Weg zur Kunstschule offen stand. Eine Unterbrechung der Ausbildung brachte der 1. Weltkrieg…“40

Aus Kissingen ist die folgende Bildkarte von 1913 erhalten.

„Kissingen 17.3.1913 Ihr Lieben, anbei eine Fotografie der Gesellen unserer Firma. Der Jüngling über mir ist mein Zimmerkollege. Wie war die Konfirmation und …feier?

Könnt ihr mich umstehend finden?

Euer Bernhard“

Im oben bereits angeführten handgeschriebenen Lebenslauf von 1921 schildert Hopp selbst die an die Wanderschaft anschließende Zeit:

„Immer fühlbarer werdender Mangel an Kenntnissen in der Kunstgeschichte sowie der Anatomie veranlaßte mich jedoch, im Herbst 1913 nach Hbg. zurückzukehren, wo ich bis Kriegsausbruch den mir bewußt gewordenen Mangel zu beheben mich bemühte. Ein Stipendium verschafte mir Juli 1914 noch die Gelegenheit, die Kölner Werkbundausstellung zu besuchen und im Anschluß daran das Museum für ostasiatische Kunst, das einen tiefen Eindruck auf mich gemacht hat.“41

(Hopp_B_Wander schaft_007)

Sein Defizit an anatomischen Kenntnissen ist sicher eines der Elemente, das er im späteren Studium u.a. durch der Aktmalerei kompensiert hat, wie das Foto links dokumentiert

In seinen „Erinnerung an Rothenburgsort“ hat B. Hopp 1962 Lehrzeit und Wanderjahre in eine sowohl rück- als auch in der erzählten Zeit vorausschauende Natur-Allegorie seines eigenen Werdegangs einem plattdeutschen Sprecher in den Mund gelegt, der im elterlichen Arbeitermilieu von Rothenburgsort weise seine Meinung artikuliert:

„Die Lehrzeit dauerte damals 4 Jahre, und Ferien gab es nicht. Die anschließenden 2 Jahre in der ‚Fremde‘ vergrößerten die Spanne. Als ich zurückkam, um auf die Kunstgewerbeschule zu gehen, fand ich meine Eltern in der Brückenstraße wieder. Mein Vater hatte die Kneipe von ‚Hoek‘ übernommen. Mein jüngerer Bruder war Gastwirtsgehilfe, und meine gute Mutter sorgte für ‚Swattsur‘, Knackwurst und Ordnung, Viele der Kunden kannten mich von früher her: ‚Kiek an, Kunstmoler wist Du warn? - Na, denn man to. - Du büst doch een plitschen Kopp, datt Di nix anners infolln is? Nee, dat is doch keen richtige Arbeit. Wer sall Di den Schiet affkeupen? De Geldlüd sünd doch to dumm dorto un de Klokschieters hebbt keen Geld, nee, datt lot man.‘ Nur einen Fürsprecher hatte ich unter den Gästen, und das war ‚Paul‘: ‚Bernard, lot Di nix vordröhn, wi versteht dor all nix von - Heinrich, holl Din Mul, heur mol to, kiek, dat is so: Ers is datt een Popp, dann is datt een Worm, denn is datt noch watt anners, un denn is datt een Schmetterling, kiek, un so is datt im Leben ok. Ers is he een Anstriker, denn is he een Kunstmoler, ja, und watt he toletz is, datt weet keen Minsch, und dorbi blif ick, Prost!"

Die ‚Verpuppungs‘-Zeit zum Kunstmaler war durch die Zeit des 1.Weltkriegs allerdings beträchtlich verlängert worden…

3.3 Soldat im 1. Weltkrieg

Für die Zeit im 1. Weltkrieg liegt u.a. sein Soldbuch vor, das auf dem Deckel die Aufschrift trägt „Untffz Hopp“.42 Es dokumentiert mit den verschiedenen Eintragungen und eingelegten Blättern die Zeit vom „Tag des Eintritts in das stehende Heer: 12.10.14“ beim „Rekr. Dep. II IR. 31 … ausgefertigt: Lockstedter Lager am 30. Dezember 1914“ mit der Zuordnung „Feldtruppenteil: Stab“. – Dazu ist von Interesse, dass die unten abgebildete Seite mit den Personalien als seinen „Stand oder Gewerbe: Zeichner“ angibt und damit auch einen wesentlichen Teil dessen beschreibt, was über die militärische Tätigkeit im Verwaltungsbereich eines Stabes ‚auf der Schreibstube‘ hinausgeht und Hopps Freizeit-Passion beschreibt. Dieser Aspekt soll unten an Hand von einigen seiner Zeichnungen illustriert werden. Das Soldbuch dokumentiert auch seine Beförderungen zum Gefreiten (6.4.1916),43 zum Unteroffizier (7.9.1917) und zum Vize-Feldwebel (1.1.1919), wobei die letztere Beförderung mit der Entlassung nach Hamburg zusammenfiel, für die am 1.1.1919 ebenfalls eine erste Bescheinigung ausgestellt ist. Dort wurde er dann am 4.1.1919 zum elterlichen Wohnort ‚Billhorner Röhrendamm 39‘ aus dem Militärdienst entlassen.

Seine Frau Edite fasst von Bernhard über seine Soldatenzeit Erzähltes in einem kurzen Abschnitt zusammen, der u.a. den Einsatz seiner zeichnerischen Fähigkeiten herausstellt:

„Obwohl mein Mann damals einen Lungenspitzenkatarrh hatte, infolgedessen er vom Militär-Dienst befreit war, wurde er natürlich freiwillig Soldat. Die harte Ausbildung in der Kaserne machte ihm nicht viel aus, er war ja nicht verwöhnt. Unangenehme Feldwebel wurden mit einem Porträt zahm gemacht. In Russland heilte die Lungenkrankheit durch das Schlafen in den Wäldern. Strapazen hat er besser überstanden als mancher sportlich trainierte Mann. Er fand Offiziere als vorbildliche Vorgesetzte, die ihn achteten, obwohl er im preussischen Sinne ein schlechter Soldat war. Major von Cranach, ein Nachkomme des Malers, hat ihm manches Mal vorgerechnet, wie viel Jahre er eigentlich auf der Festung hätte zubringen müssen, wenn man nach solchen Regeln urteilen müsste. Gegen seinen Willen wurde er vom Fronteinsatz zurückgenommen, wurde offiziell nach Warschau geschickt mit Permitt, um dort zu zeichnen.

Major von Cranach und General Dijon von Montenon holten sich in Ruhestunden den Gefreiten Hopp zum philosophieren und diskutieren über Weltbild, Kunst, Religion. Mit zunehmender Härte des Krieges nahmen solche Möglichkeiten ab. Die Verbindung mit Major von Cranach blieb über dessen Tod hinaus mit der Witwe bestehen. Der Major hat auch den 2. Weltkrieg mit zunehmender Verbitterung, aber in ernster Pflichterfüllung,

überlebt, und ist nachher elend im Russenlager umgekommen. Nach dem Tode meines Mannes schrieb sein ehemaliger Feldwebel: ‚und wir haben immer unsere Hand über ihm gehalten, damit er den Krieg überlebte.‘“44

In das oben genannte Soldbuch eingeklebt ist auch ein Ausschnitt aus einem gedruckten Text, der wichtige Schlachten des 1. Weltkriegs auflistet. Beginnend mit „15. – 17.2.15 Winterschlacht in Masuren“ werden bis zum „2.7. – 7.7.16 Julikampf am Narotschsee“ die Kämpfe an der Ostfront und anschließend diejenigen an der Westfront vom 26.12.1916 beginnend in „französisch Fladern“ bis zum „7.4. – 8.4.18 Kämpfe an der Avre“ genannt.

Zum Dienst in der Schreibstube findet sich auch ein – bzw. das einzige erhaltene – Foto, das Hopp in Uniform und in der dafür typischen Arbeitshaltung mit einem Stift in der Hand zeigt. Die daneben wiedergegebene Zeichnung hält einen Eindruck von der Atmosphäre einer solchen Umgebung fest:

Hopp_B_Einzelbilder_001

Eine direkte gedankliche Verbindung zu der oben erwähnten „Winterschlacht“ im Januar 1915 bildet die folgende Zeichnung, die mit einem kurzen Text versehen ist:

„Hopp sein erster Stiefel“ Zeichnung datiert auf Juli 1915

mit einem daneben in Sütterlin geschriebenen Text:

„Du trugst mich durch die Winterschlacht

Hast Freud und Leid mit durchgemacht

Drum sei für jetzt und alle Zeit

Dir dieses kleine Lied geweiht.“

Aber Hopp hat nicht nur solche ‚privaten‘ Bilder produziert, sondern für seine Kameraden zur Freude auch den zugehörigen Kontext zeichnerisch festgehalten, wie etwa im folgenden Bild:

„Unser Schuster“ Sept. 1915

Z.T. sind auch andere alltägliche Szenen erhalten, die Erfahrungen der Zeit der ‚Winterschlacht‘ im Januar 1915 reflektieren und die die folgende Auswahl zeigt:

45

46

Wann das Farbbild entstanden ist, das u.a. einen Wachsoldaten im Zentrum einer ländlichen Umgebung zeigt, bleibt unklar. – Es könnte ebenfalls in die Anfangsjahre des Krieges und die masurische Umgebung gehören:

„Unteroffizier Grasshoff“

3.4 Die frühe Verbindung zum CVJM und Bibelkreis (BK)

Die Anfänge der Verbindung zum CVJM in der Kinderzeit von B. Hopp sind oben auf dem Hintergrund seines Selbstberichtes über Rothenburgsort geschildert. – In der Zeit nach dem 1. Weltkrieg hat sich eine Fortsetzung insofern ergeben, als auch der CVJM das Dach für Anknüpfung und Erweiterung der Erfahrungsbereiche des bei Kriegsende 25-Jährigen geboten hat. Der hier beginnende Abschnitt über die Verbindung zum CVJM und BK wird die chronologische Abfolge der einzelnen Abschnitte der Hoppschen Biografie insofern durchbrechen, als es geradezu ein lebenslanges47Querschnittsthema betrifft, das jedoch zahlreiche Erläuterungen von Details und Zusammenhängen erfordert. Davon sollen vorerst diejenigen Elemente dargestellt werden, die weitgehend die Zeit der Weimarer Republik mit ihren Um- und Aufbrüchen (etwa der ‚Jugendbewegung‘) betreffen. Erfahrungen dieser Zeit liegen so auch der späteren beruflichen Zusammenarbeit des Architekten mit Rudolf Jäger voraus. Sie bilden jedoch eine wichtige Voraussetzung für das spätere Wirken beider als Kirchenarchitekten.

Edite Hopp hat ebenfalls die Ergänzungen zu den Memoiren ihres Mannes unter dem Titel „Fortsetzung der ‚Erinnerungen an Rothenburgsort‘“ damit begonnen, auf die Bedeutung des CVJMs hinzuweisen:

„Erwähnt wurde die Begegnung mit dem CVJM. Von Bedeutung wurden dessen Ferienlager in ‚Schäferhof‘, einem Gut bei Pinneberg. Einer der Erbauer des Elbtunnels, von Stockhausen, hatte sich als Leiter zur Verfügung gestellt für eine Gruppe von ca. 200 Jungen. Das Neue dieser Arbeit war die Zusammenfassung von Knaben aus allenStänden und von allenSchulen, vor 1914 aussergewöhnlich. Vielen, die diese Ferienlager erlebt haben, erst als Knaben, später auch als Leiter, blieben sie in steter, lebendiger Erinnerung. Die Richtlinien blieben Weisung für das ganze Leben und eine innere Verbindung bestand bei aller Verschiedenheit der Lebenswege, Schicksale und Charaktere.“48

Der Hintergrund der zu einem stehenden Begriff gewordenen Einrichtung des Ferienlagers ‚Schäferhof‘ ist auch für B. Hopp von größerem Interesse. Denn mit dem gesellschaftlichen Ansatz eines stände-übergreifenden Miteinanders wurde ein besonderer Zugang zur ‚sozialen Frage‘ des ausgehenden 19. und des beginnenden 20. Jh. gewählt: Im Gegenüber zu einer zunehmenden ‚Verelendung der Arbeiterschaft‘ ging es um aktive Hilfen und Verbesserung der Lebensbedingungen. Die oben bereits erwähnte Arbeiterkolonie in der Kanalstraße, in der auch der CVJM Raum gefunden hatte,49 geht auf die Stiftung „Hamburger Arbeiter-Kolonie“ zurück, der auch die Möglichkeiten des Schäferhofs zu verdanken sind:

„Die Wurzeln der Stiftung wurden am Ende des 19. Jahrhunderts gelegt. Am 01. Dezember 1891 gründeten Baron Jasper von Oertzen, Frederic Freiherr von Schröder und Emil Koehn eine Arbeiter-Kolonie in Hamburg, Neustädter Neuerweg 43. Schon im Folgejahr wurde am 01. November die Einrichtung in ein ehemaliges Fabrikgebäude in Hamburg-Rothenburgsort, in die Billhorner Kanalstraße 50 verlegt.“50

Als Ziel der Einrichtung wird angegeben, nach Möglichkeit arbeitslosen Männern „jeder Konfession und jedes Standes … lohnende Arbeit zu beschaffen“, was jedoch für einige nicht-vermittelbare Personen auch nicht gelingen konnte.

„[So] wurde 1898 neben der bestehenden Arbeiter-Kolonie eine spezielle Einrichtung für den Daueraufenthalt geschaffen: man gründete eine „Heimatkolonie“. Dazu wurde das landwirtschaftliche Gut Schäferhof in Appen bei Pinneberg erworben.“51

Auf diesem Areal haben dann einige ebenfalls engagierte Gründerpersonen wie der genannte Otto Stockhausen (1878-1914) bereits vor dem 1. Weltkrieg das Gelände für die Durchführung des Ferienlagers gepachtet.52 – Stockhausen selbst arbeitete neben seiner in Hamburg 1901 begonnenen beruflichen Tätigkeit als Ingenieur auch

„…ab 1901 aktiv im Christlichen Verein Junger Männer mit, wobei er insbesondere versuchte, Ferienkolonien zu erweitern. 1908 übernahm er den Vorsitz des Vereins.“53

In einer 2016 erschienenen Darstellung zur Geschichte der Bewegung der Schüler-Bibelkreise wird berichtet:

„Ein bekannter Initiator von BK-Arbeit war der junge Erbauer des Elbtunnels, Otto Stockhausen (1878-1914), der Mitglieder auf dem Weg zu seiner Arbeit auf der Straße anwarb.“54

Auf diesem Hintergrund wird die enge Verbindung zwischen der Arbeiterkolonie in Rothenburgsort, wo B. Hopp zuerst mit dem CVJM in Berührung kam, sowie dann über das CVJM-Engagement Stockhausens für das Ferienlager ‚Schäferhof‘ sowie sein BK-Engagement ganz gut nachvollziehbar.

In einer Vervielfältigung der „Exerzierordnung für die Ferien-Kolonie des CVJM Hamburg verbesserte Ausgabe 1912 gedruckt in der Ferienkolonie-Druckerei Aufl. ca. 60 Exemplare“55 findet sich neben einer Karte, die u.a. den Ort Appen und den 6 km entfernten Schäferhof zeigt, auch die nebenstehende Karte der „Umgebung von Schäferhof“ im Maßstab 1:25.000 mit dem zentralen Waldgelände.

Dieses Exemplar einer Exerzierordnung illustriert die an militärische Strukturen angelehnte Art der BK-Gruppen, die nicht nur im Schäferhof-Lager, sondern auch andernorts (entsprechend dem auf das Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts zurückgehenden BK-Konzepts) durchgeführte Ferienlager geprägt haben:

„Im Jahr 1900 hatte mit den Ferienfahrten eine wichtige Traditionslinie der BK begonnen. Die Fahrten ‚boten eine einzigartige Möglichkeit die Ganzheit des BK-Programms, den direkten Zusammenhang von Andacht (Bibelstunde, Gebet, Ermahnung), Spiel, Sport und Geselligkeit und Jugendleben auch für Neuhinzukommende erfahrbar zu machen‘.1 Besonders beliebt war das militärische Speerspiel, das ‚als eine B.K. eigene Erfindung gelten kann‘.2 Insgesamt waren die Rollen in den BK ähnlich dem Militär, was die Funktion hatte, eine Hierarchie aufbauen zu können und die Jungen zur Mitverantwortung zu erziehen.“56

Das Exemplar einer Exerzierordnung von 1912, das Emmerich Jäger aus dem Nachlass von Hans Wiedenmann, einem ehemaligen BKler und zusammen mit einem Programm einer von Wiedenmann 17 Jahre später mit organisierten Tagung einer „Christlichen Akademikerkonferenz“ erhalten hat, ist sehr aufschlussreich für die personelle Verflechtung.57 Denn die auf dem Deckblatt benannten Organisatoren und Referenten – Hanns Lilje, P. Lorentzen, Verbandsrevisor Bruer, Jugendpastor Wester, Direktor Engelke, Dipl.Ing. Pirwitz, Dipl.Ing. Hans Wiedenmann58 – sind ehemalige BKler, die über den DCSV bzw. dessen ‚Altfreunde‘ weiter in Verbindung geblieben sind. Das Programm (davon zwei Tage im BK-Heim Bistensee59) bezieht sich zwar ohne Jahresangabe auf eine Zeit vom Sonntag, den 22.9., bis zum Mittwoch, den 25.9., aber aus der Konstellation der Wochentage im September sowie der Bezeichnung P. Engelkes als ‚Direktor (des Rauhen Hauses)‘ kommt nur das Jahr 1929 in Frage. – Interessant ist an dieser Tagung (über den daran sichtbaren Zusammenhang von BK und DCSV bzw. dessen Altfreunde hinaus60) auch die Tatsache, dass diese Tagung sich zeitlich und z.T. räumlich sowie vor allem personell mit einer Tagung vom 23.-27.9.1929 überschnitten hat, von der im Zusammenhang der „geistigen Grundlagen des Bruderkreises“ in der Vorgeschichte des Kirchenkampfes in Schleswig-Holstein von Klauspeter Reumann berichtet wurde.61 Auf einer „von 31 Teilnehmern besuchten ‚Jungtheologentagung in Pinneberg‘…, die mit einer öffentlichen ‚Evangelischen Fortbildungswoche‘ verbunden war,“62 kamen junge theologisch Interessierte zusammen, die damals als ‚Christusgläubige‘ charkterisiert wurden. Die weitere Charakterisierung durch die Überschrift „Jugendbewegung, Kriegserlebnnis und neue Theologie“ wird u.a. näher erläutert:

„Bei der ‚Jugendbewegung‘ haben wir nicht so sehr an den Wandervogel und die Bündische Jugend zu denken, sondern eher an die Bibelkreise höherer Schulen (B.K.), den Christlichen Verein Junger Männer (CVJM) und vor allem an die DCSV, die vielen Brüdern geistliche Heimat war.“63

Die oben wiedergegebene Grußkarte, die der 12-jährige Bernhard Hopp vom CVJM-Gruppenleiter zum Geburtstag 1905 erhielt, stellt (möglicherweise bei erneuerter Kontaktaufnahme) wohl ein Verbindungsglied dar, das für den älteren Jugendlichen zu den ersten Aufenthalten mit dem CVJM im Schäferhof führte. Über den CVJM, dessen Arbeit nicht allein die Clientel der Jungen aus den ‚Höheren Schulen‘ sondern auch ein Arbeiterkind mit Volksschulbildung erreichte, ist eine Integration erreicht worden, die wohl besonders auf Otto Stockhausen, aber auch auf den in der Inneren Mission engagierten P. Engelke zurückzuführen ist. Wann genau der erste Besuch Hopps im Schäferhof und BK-Kontakte wohl gewesen sind, lässt sich bisher nicht genau sagen. Auf jeden Fall muss die erste Teilnahme am Ferienlager noch in der Vorkriegszeit stattgefunden haben. Bei Kriegsbeginn 1914 war er bereits 21 Jahre alt und wohl schon in eine Leiterrolle hineingewachsen, so dass diese Aktivitäten nach der Kriegszeit einen Anknüpfungspunkt für den dann 25-Jährigen dargestellt haben. – In seinem bereits genannten Lebenslauf von 1921 (noch von der Adresse Röhrendamm in Rothenburgsort aus geschrieben) schildert er:

„In meiner freien Zeit bin ich schon vor dem Kriege in der Jugendpflege tätig gewesen, nun nach dem Kriege in verstärktem Maße und habe die tiefste Freude an der Jugendarbeit, sodaß ich ein großes Interesse habe, meinen Beruf mit dem der Jugendarbeit zu verschmelzen.“

Hier ist die Begrifflichkeit „Jugendpflege“ sehr allgemein gehalten, ohne dass erkennbar ist, wie das Engagement in einem der Jugendbünde organisatorisch zu denken ist.64 – In den Memoiren von Rudolf Jäger wird erwähnt, dass Bernhard Hopp gemeinsam mit Pastor Fritz Engelke einen der Bibelkreise leitete:

„An dem Lager des Christlichen Vereins junger Männer in Schäferhof nahmen auch Mitglieder der Bibelkreise aus Kiel, Lübeck, Neumünster, Schleswig und wo immer solche Kreise in der näheren Umgebung von Hamburg entstanden, teil, … In diesem Zusammenhang lernte ich dann auch Bernhard Hopp kennen, der sich als Leiter eines solchen Bibelkreises betätigte und im Laufe der Jahre die Leitung des Bibelkreises in Altona mit Herrn Pastor Fritz Engelke zusammen betrieb.“65

Diese Angaben müssen sich auf die Jahre ab ca. 1922 beziehen, als Hopp auch in Altona wohnte. Dabei wird die Verbindung zu Engelke bereits in den früheren Jahren vermutlich über den CVJM und die Schäferhof-Ferienlager zustande gekommen sein.66

Einen Eindruck vom Zusammenhang zwischen Bibelkreisen/CVJM67 und den gemeinsam gepflegten Frömmigkeitsformen, soldatischen Kampfspielen und Kameradschaftsgeist von „treu und fest“ im Schäferhof 1923 vermittelt sehr gut eine Beschreibung, die der spätere Diakon Hugo Wietholz als Lebenserinnerung unter dem Titel „Jugend in den 1920-30er Jahren in Hamburg“ auch online veröffentlicht hat.68

3.5 Weiterbildung zum Kunstmaler/Gewerbeschule

Ähnlich wie die Unterbrechung, die durch die Zeit als Soldat im 1. Weltkrieg bedingt war und die Hopps Engagement für Jugendarbeit im CVJM erst nachher wieder ermöglicht hatte, konnte auch seine künstlerische Ausbildung erst nach dem Krieg fortgesetzt werden. Nach der 1912 mit „ausgezeichnet“ bestandenen Gesellenprüfung sowie der oben genannten Wanderzeit und nach seiner Rückkehr nach Hamburg im Herbst 1913 verschaffte ihm „ein Stipendium … Juli 1914 noch die Gelegenheit, die Kölner Werkbund-Ausstellung zu besuchen und im Anschluss daran das Museum für ostasiatische Kunst“.69

Noch während des Krieges, am 21.8.1917, wurde ihm durch den Direktor der Staatlichen Kunstgewerbeschule, Professor Richard Meyer, bescheinigt, dass er in der Vorkriegszeit als Vollschüler von 1908 bis 1914 die Staatliche Kunstgewerbeschule besucht habe. Er schreibt zudem:

„Auf Grund seiner künstlerischen Veranlagung und seinen erzielten Erfolgen und seiner Allgemeinbildung erachte ich ihn für geeignet, das Einjährigen-Recht zu erwerben.“70

Nach der Rückkehr aus dem Krieg Anfang 1919 konnte Hopp dann als Hospitant in die Hamburger Staatliche Kunst-Gewerbeschule für 2 ½ Semester wieder eintreten und Vorträge hören sowie sein Studium beenden.

„Staatliche Kunstgewerbeschule zu Hamburg Mal-Klasse b. Lehrer Ernst Scharstein“.

B. Hopp links neben dem Schriftplakat.

In dieser Zeit hat er sich in verschiedenen künstlerischen Mal-Techniken weiter geübt:

Das nebenstehende Aquarell „An der Havel“ ist datiert Nov. 1919 und „Ulrich We[c]kwert zugeeignet“.71

Von U. Wekwerth findet sich im Nachlass Gisela Hopp die rechts nebenstehende und signierte Objektstudie datiert auf „WS 1912/13“.72

Es scheint so zu sein, dass Bernhard Hopp und der um zwei Jahre ältere (und spätere Architekt und Baudirektor73) Ulrich Wekwerth (1891-1969) wohl gemeinsam die Kunstgewerbeschule bereits vor dem Krieg besucht und sich dann 1919 wieder getroffen haben.74

Hopp schreibt weiter über diese Zeit und die neben dem Studium wichtigen Dinge:

„Daneben war ich selbständig mit künstlerischen und kunstgewerblichen Aufträgen und Aufgaben beschäftigt. Im Febr. 1920 bestand ich die Meisterprüfung des Malerhandwerks mit ‚sehr gut‘.“75

So bescheinigt es auch die Urkunde vom 18.2.1920, die mit dem Prädikat „sehr gut“ von der „Meisterprüfungskommission für das Malerhandwerk im Bezirke der Gewerbekammer zu Hamburg“ ausgefertigt wurde.

Der Abschluss des Textes mit seinem Lebenslauf, mit dem sich Hopp 1921 um die Aufnahme in das Gewerbelehrerseimar bemüht hat, gibt Aufschluss über seine damaligen beruflichen Pläne, später als Gewerbelehrer tätig zu werden. Diese haben sich jedoch dann in der Folge so nicht realisiert.

Die folgende Bescheinigung vom 21.2.192176 – damals als Teil der Bewerbungsunterlagen – muss als Anlage zu seinem Lebenslauf gehört haben, in dem er schreibt:

„… Später ergab sich mir begründete Aussicht, an der H[amburg]er Gewerbeschule als Lehrer übernommen zu werden, sodaß ich trotz rechtzeitiger Anmeldung beim Gew.-Lehrer-Seminar in Charlottenbg (Juni 1920) mich nicht weiter darum bemühte. Aus der festen Anstellung wurde jedoch nichts aus im Anschreiben bereits erwähnten Gründen. Von der Entscheidung der Aufnahmekommission des Gewerbelehrerseminars hängt es nun ab, ob ich am Kursus in Charlottenburg teilnehmen, oder andere Wege zu gehen gedrängt werde. BHopp“

Zwar fehlt eine Kopie des erwähnten Anschreibens, es ist jedoch aus der abgebildeten Bescheinigung deutlich, dass Hopp zwar sachlich als qualifiziert für eine Anstellung als Lehrer an der Gewerbeschule angesehen wurde. Die Bescheinigung stellt jedoch auch fest, dass in Hamburg

„… seine Anstellung … scheiterte an dem Umstande, dass Herr Hopp noch nicht längere Zeit selbständig unterrichtet hatte.“

Ob die verspätete Antragstellung gar keine Chance geboten oder was die Annahme in Charlottenburg verhindert hat, bleibt unklar. – Seine Frau Edite übergeht diese erfolglosen Bemühungen und stellt in ihren „Fortsetzungen…“ für diese Zeit vor und zu Beginn ihrer Bekanntschaft (ab 1922) seine künstlerischen Arbeiten heraus:

„Nach der Rückkehr aus Frankreich wurde noch der Abschluss auf der Kunstakademie gemacht, besonderes Interesse : Wandmalerei. An Aufträgen fehlte es zunächst nicht: Ausmalung des Hochzeitssaales in der Stadthalle im Stadtpark, Rathaus in Bergedorf, Überseeklub, D H V Gebäude u.s.w., immer in Verbindung mit Oberbaudirektor Schumacher. Es entstanden Arbeitsgemeinschaften mit Architekten, Aufgaben waren das Kriegerdenkmal in Rellingen, andere Ehrenmale, Innenausstattungen von Wohnungen, Gaststätten, Läden, Sparkassen. Besonders eng war eine Zeitlang die Verbindung mit Architekt Hermann Höger, Büro Langereihe.“77

Sie hatte ihren Mann als Künstler bzw. ‚Kunstmaler‘ kennengelernt, wie er dann auch später u.a. in der Heiratsurkunde bezeichnet ist.

Skizze links rückseitig datiert auf 5.9.1922

Hopp_G_Unter_d_Sekretär_201 5-09-02.pdf S. 28

(= WP_20150902_ 039)

WP_20150902_025

Undatiert ist die Objektstudie unten:

Hopp_G_Unter_d_Sekretär_2015-09-02.pdf S. 3 (=WP_20150902_009):

3.6 Verlobung 1922 und Heirat 1923

Wie bei vielen der Details zur Familiengeschichte ist es auch in diesem Abschnitt die Berichterstattung der Ehefrau, die Einblicke in den weiteren Geschehensverlauf bietet. Familiäres Ergehen zeigt sich immer wieder als direkt verknüpft mit Sachverhalten und persönlichen Kontakten, die für die Biografie des ‚werdenden Kirchenarchitekten‘ von Interesse sind:

„Die Zeit der Inflation wurde immer hektischer. 1922 lernten mein Mann und ich uns kennen, im Hause meines Onkels Wekwerth. Der Sohn Ulrich W. war Architekt und hatte Hermann