Die Macht der Freude - Catherine Price - E-Book

Die Macht der Freude E-Book

Catherine Price

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Beschreibung

Kaum etwas scheint so sehr in unserem Alltag zu fehlen wie Freude und Leichtigkeit. So ging es auch Catherine Price. Als junge Mutter fand sie sich in einem Alltag wieder, der fast nur noch aus Pflichterfüllung bestand. Sie beschloss, sich auf die Suche nach mehr Freude und Spaß zu machen. Und als sie sah, wie spärlich die Forschung zu diesem Thema ist, startete sie selbst eine Umfrage, an der sich mehr als 1.500 Menschen aus aller Welt beteiligten. Auf Grundlage ihrer umfangreichen Recherche macht Catherine Price drei Faktoren aus, die zusammenkommen müssen, damit wir tiefe Freude empfinden: Flow, Spiel und Verbundenheit. Wie wir diese drei Glücklichmacher erkennen und ihnen wieder mehr Raum in unserem Alltag geben können, erklärt die Autorin. Dazu hat sie zehn Fragebögen entwickelt, die uns helfen, unser eigenes Rezept für mehr Freude im Leben zu finden. »Dem Ernst des Lebens sollte man mit Spaß begegnen. Catherine Price hat die perfekte Anleitung zum vergnügten Widerstand geschrieben.« MATZE HIELSCHER, GASTGEBER VON HOTEL MATZE

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Seitenzahl: 349

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»Für alle, die sich nicht mehr so recht erinnern können, wie es ist, Freude zu erleben.«   THE HAPPINESS LAB

Glück und Lebensfreude scheinen für viele Menschen das wichtigste Ziel im Leben zu sein. Seltsam, dass wir uns dennoch so wenig darum kümmern. So war es auch bei Catherine Price. Als junge Mutter fand sie sich in einem Alltag wieder, der fast nur noch aus Pflichterfüllung bestand. Sie beschloss, sich auf die Suche nach der Freude zu machen. Und als sie sah, wie spärlich die Forschung zu Spaß und Freude ist, startete sie selbst eine Umfrage, an der sich mehr als 1.500 Menschen aus aller Welt beteiligten.

Auf Grundlage dieser Recherche beantwortet sie Fragen wie: Was ist der Unterschied zwischen Freude und Glücklichsein, Zerstreuung, Spaß und Vergnügen? Und wie wirken eigentlich Dopamin und Serotonin? Am Ende entdeckt sie sogar eine Spaßformel, die hilft, sich wieder lebendig zu fühlen.

© Colin Lenton

Catherine Price ist preisgekrönte Wissenschaftsjournalistin und hat für die New York Times, Los Angeles Times, Washington Times und viele andere Zeitungen und Magazine geschrieben. Ihre Bücher Gratitude Journal (2009) und Mindfulness Journal (2016) waren in den USA Bestseller. Ihr Buch Endlich abschalten: Warum Urlaub vom Smartphone uns Zeit, Glück und Liebe schenkt erschien 2018 auch auf Deutsch.

Ulrike Becker, geboren 1959 in Thuine, hat Texte u. a. von Tim Parks, Barbara Gowdy und Julia Rothman ins Deutsche übersetzt.

Catherine Price

DIE MACHT DER FREUDE

Wie man sich wieder lebendig fühlt

Aus dem Amerikanischen von Ulrike Becker

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel ›The Power of Fun. How to Feel Alive Again‹ bei The Dial Press, einem Imprint von Random House, New York.

Copyright © 2021 by Catherine Price LLC

In Absprache mit der Autorin und dem Originalverlag wurde die deutsche Ausgabe leicht gekürzt.

E-Book 2023© 2023 für die deutsche Ausgabe: DuMont Buchverlag, KölnAlle Rechte vorbehaltenÜbersetzung: Ulrike BeckerLektorat: Timea WankoUmschlaggestaltung: Lübbeke Naumann Thoben, KölnSatz: Angelika Kudella, KölnE-Book-Konvertierung: CPI books GmbH, Leck ISBN E-Book 978-3-8321-6087-6

www.dumont-buchverlag.de

Für all meine Spaßteams – die ehemaligen, die derzeitigen und die zukünftigen:Dank eurer Hilfe fühle ich mich lebendig.

»Wenn du dir angewöhnst, Spaß am Leben zu haben, und in dem Glauben durchs Leben gehst, es müsse so sein, dann wirst du es bemerken, wenn es nicht so ist. Ich habe schon so lange Spaß am Leben, dass ich mir gar nicht mehr vorstellen kann, ohne Spaß auszukommen. Doch auch das Gegenteil ist wahr. Wenn du dir angewöhnst, keinen Spaß am Leben zu haben, dann fällt es dir gar nicht mehr auf, weil du dich daran gewöhnt hast.«

Michael Lewis1

EINLEITUNG

Wann hatten Sie das letzte Mal Spaß?

Ich meine es ernst. Denken Sie nach. Wann haben Sie sich das letzte Mal unbeschwert und ausgelassen gefühlt? Wann hatten Sie das letzte Mal das Gefühl, nicht beurteilt zu werden, weder von sich selbst noch von anderen? Wann waren Sie das letzte Mal mit Eifer bei einer Sache, ganz im Hier und Jetzt, ohne an die Zukunft oder die Vergangenheit zu denken? Wann haben Sie sich das letzte Mal frei gefühlt? So richtig lebendig?

Vielleicht war es beim Herumalbern mit Freund:innen. Vielleicht beim Entdecken eines neuen Ortes. Vielleicht in einem rebellischen Moment. Vielleicht als Sie etwas ganz Neues ausprobiert haben. Vielleicht haben Sie ein unerwartetes Gefühl von Zugehörigkeit und Verbundenheit erlebt. Was Sie auch gemacht haben, das Ergebnis war sicherlich ähnlich: Sie haben gelacht oder gelächelt. Sie schienen von allen Verpflichtungen befreit zu sein. Und danach haben Sie sich energiegeladen und erfrischt gefühlt.

Falls es Ihnen schwerfällt, sich an einen Moment zu erinnern, auf den diese Beschreibung zutrifft und der noch nicht lange zurückliegt, dann kann ich Sie gut verstehen. Bis vor Kurzem hatte ich selbst auch nicht das Gefühl, besonders oft richtig Spaß zu haben.

Doch dann sind zwei Dinge passiert, durch die ich praktisch ein neuer Mensch geworden bin.

Der erste Augenöffner kam kurz nach der Geburt meiner Tochter. Nach jahrelangen Debatten, ob wir ein Kind bekommen sollten oder nicht, gefolgt von über einem Jahr, in dem wir es versucht haben, wurde ich Mitte 2014 schwanger. Anstatt unsere Nestbauinstinkte in vernünftige kleine Projekte zu lenken und Schränke aufzuräumen oder das Gewürzregal umzugestalten, beschlossen mein Mann und ich, dass meine Schwangerschaft der ideale Zeitpunkt sei, uns an die Komplettrenovierung unserer Küche zu machen – das bedeutete, die Wände des Raums bis auf die Stützbalken einzureißen und mitten in einem Ostküsten-Januar die Rückwand unseres Hauses herauszunehmen.

Da wir beide Fans von kreativen Projekten (und gleichzeitig Kontrollfreaks) sind, beschlossen wir außerdem, die neue Küche selbst zu entwerfen. Im Fall meines Mannes führte das dazu, dass er stundenlang nach Küchenarmaturen suchte. In meinem Fall hieß es, eine Möglichkeit zu finden, gebrauchte Einrichtungselemente in die neue Küche zu integrieren, wie zum Beispiel die verspiegelte Front eines viktorianischen Schranks, die ich im Keller einer verstorbenen Nachbarin entdeckt hatte (lange Geschichte) und die in meinen Augen die perfekte Verkleidung für ein Kochbuchregal und einen ausziehbaren Vorratsschrank abgeben würde.

Außerdem verbrachte ich Stunden damit, eBay nach interessanten Accessoires für die neue Küche zu durchforsten, weshalb sich in meinem Browserverlauf Einträge wie »Vintage Schubladenknopf« und »antikes Eastlake-Türscharnier 3 x 3 Zoll« häuften.

Während mein Bauch dicker und unser Haus kälter wurde, witzelten wir immer wieder mit den Handwerkern – die inzwischen wie Freunde für uns waren –, welches Projekt wohl als Erstes abgeschlossen sein würde, die Küche oder meine Schwangerschaft. Ich gewann das Rennen, aber nicht, weil sie so langsam arbeiteten, sondern weil ich fünfeinhalb Wochen vor dem Geburtstermin einen Notkaiserschnitt bekam. Schließlich war die Küche fertig, aus der verspiegelten Tür war die Vorratsschrankverkleidung meiner Träume geworden, und ich konnte endlich meine Suchen auf eBay einstellen.

Nur, dass ich es nicht tat. Obwohl ich keinen triftigen Grund mehr dafür hatte, mich dreißig Minuten am Stück durch Listen antiker Türbeschläge zu klicken, griff ich wie auf Autopilot immer wieder zum Handy und öffnete eBay, oft mitten in der Nacht, während ich meine Tochter stillte. Ich hielt sie in einem Arm, und in der anderen Hand lag mein Handy, das ich mit dem Daumen bediente. Es spielte keine Rolle, dass alle Türen in unserem Haus schon mit Scharnieren und Klinken ausgestattet waren. Ich suchte nach hübschen Schnäppchen, so wie andere Leute in den sozialen Medien unterwegs sind: mit glasigen Augen, hypnotisiert von der Fülle an Bildern auf dem Display. Die eBay-Fotos waren zwar nicht so glamourös, aber die Zwangshandlung war die gleiche.

Und dann, eines Nachts, mitten in einer Stillsitzung, schaute ich kurz vom Handy hoch und fing den Blick meiner Tochter auf. Sie starrte zu mir hoch, ihr winziges Gesicht vom blauen Licht meines Smartphones erleuchtet.

Wenn man bedenkt, wie oft Neugeborene trinken und dass mein Smartphone für mich wie ein zusätzliches Körperteil war, dürfte das schon unzählige Male vorher passiert sein. Doch aus irgendeinem Grund nahm ich es diesmal anders wahr. Ich betrachtete die Szene von außen, so als schwebte ich über meinem Körper und beobachtete das Geschehen im Zimmer. Ich sah ein Baby, das zu seiner Mutter hochschaute. Und seine Mutter, die auf ihr Smartphone hinunterschaute.

Mir wurde schlecht.

Das Bild brannte sich in mein Bewusstsein ein wie ein Tatortfoto. Wie war es dazu gekommen? Wie war ich trotz aller Achtsamkeitsübungen zu einem Zombie geworden, von den Bildern auf dem Smartphone (Bilder von Türbeschlägen wohlgemerkt!) so gefesselt, dass ich das Baby – mein Baby – in meinen Armen völlig ignorierte?

Das war definitiv nicht die Vorstellung von zwischenmenschlichen Beziehungen, schon gar nicht der Beziehung zwischen Mutter und Kind, die ich meiner Tochter vermitteln wollte. So wollte ich das Muttersein auf keinen Fall gestalten – und mein eigenes Leben auch nicht.

In dem Augenblick wurde mir klar, dass mein Smartphone – ohne mein Einverständnis und ohne dass ich mir dessen bewusst gewesen war – die Kontrolle über mich übernommen hatte. Es war das Erste, wonach ich morgens griff, und das Letzte, worauf ich abends vor dem Schlafengehen schaute. Sobald einen Moment lang nichts los war, tauchte es in meiner Hand auf. Im Bus, im Fahrstuhl, im Bett – mein Handy war allgegenwärtig.

Mir fielen noch andere Veränderungen auf, die bei genauerem Hinsehen ebenfalls mit meinem Handy zusammenzuhängen schienen. Meine Aufmerksamkeitsspanne ging gegen null. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal etwas, und sei es nur einen Zeitschriftenartikel, bis zum Ende durchgelesen hatte, ohne zwischendurch das Verlangen zu verspüren, auf mein Telefon zu schauen, um irgendetwas (egal was) zu »checken«. Ich nahm mir mehr Zeit dafür, meinen Freund:innen Textnachrichten zu schicken, als für echte Gespräche mit ihnen, und ich tat Dinge, die objektiv überhaupt keinen Sinn ergaben: Ich schaute mir zum Beispiel Immobilienanzeigen an, obwohl wir gar nicht vorhatten, umzuziehen.

Stunden, in denen ich früher Musik gemacht, etwas Neues gelernt oder mit meinem Mann geredet hätte, verbrachte ich jetzt damit, auf einen Bildschirm zu starren. Ich hatte mich von einer interessanten, interessierten, unabhängig denkenden Frau in eine Person verwandelt, die von einem kleinen rechteckigen Gegenstand hypnotisiert wurde – einem Gegenstand, dessen Apps von Mitarbeiter:innen riesiger Firmen programmiert worden waren, die umso höhere Profite einfuhren, je länger sie mich dazu brachten, meine Zeit zu verschwenden.

Ich will damit nicht sagen, dass alle Technik böse ist und wir unsere Handys und Tablets wegschmeißen sollten. Ein Teil unserer Bildschirmzeit ist produktiv, unerlässlich und /oder unterhaltsam. Ein Teil bringt uns Entspannung oder willkommene Ablenkung. Doch bei mir war das Ganze außer Kontrolle geraten.

Mein Handy war in einen der heiligsten Räume überhaupt eingedrungen: in meine Beziehung zu meiner Tochter. Das war nicht okay. Wie mein Mann ohne Weiteres bestätigen würde, bin ich so auf Pathos getrimmt, dass ich oft schon wehmütig an ein Erlebnis zurückdenke, während ich noch mittendrin stecke – ein Charakterzug, der sich durch das Mutterwerden noch verstärkt hat. Das Leben ist kurz, Kinder werden sehr schnell groß. Ich wollte meine Tage nicht abgelenkt und geistesabwesend verstreichen lassen. Ich wollte leben. Und das hieß, ich musste etwas ändern, und zwar schnell.

Ich habe schon lange die Angewohnheit, aus meinen persönlichen Themen berufliche Projekt zu machen, und mir kam der Gedanke, dass mein Mann und ich wohl kaum die Einzigen waren, die sich in ihren Smartphones zu verlieren drohten.

Ich sah Menschen, die Textnachrichten schrieben, während sie mit einhundertzehn Stundenkilometern über den Highway fuhren oder zu Fuß eine stark befahrene Straße überquerten. Ich sah ganze Familien beim gemeinsamen Essen im Restaurant sitzen, und alle Anwesenden steckten die Nase in ihr eigenes Gerät. Ich beobachtete meine eigenen Treffen mit Freund:innen und Verwandten und stellte fest, dass irgendwann unweigerlich eine:r von uns ein Handy hervorholte und kurz das Display berührte, fast wie ein Tick, bevor das Gerät wieder in der Tasche verschwand oder zurück auf den Tisch gelegt wurde. Ich kam mir vor, als sei ich in einer modernen, realen Version von Des Kaisers neue Kleider gefangen: Ich erkannte, dass wir uns wie Süchtige verhielten, aber da alle davon betroffen waren, redeten wir uns ein, unser Verhalten sei normal und okay.

Daher fing ich kurz nach dem aufrüttelnden Erlebnis beim Stillen meiner Tochter an, ein Buch mit dem Titel Endlich abschalten – Warum Urlaub vom Smartphone uns Zeit, Glück und Liebe schenkt zu schreiben. Am Ende des Projekts hatte ich einen Plan entworfen, wie wir langfristig ein gesünderes, nachhaltigeres Verhältnis zu unserem Handy aufbauen können, und ich hatte ihn für mich umgesetzt. Das Ergebnis war nicht perfekt (es ist unmöglich, zu irgendetwas eine perfekte Beziehung zu haben, schon gar nicht zu einem Gerät, das entwickelt wurde, um einen süchtig zu machen), aber die Wirkung war transformativ. Meine Aufmerksamkeitsspanne kehrte zur gewohnten Länge zurück. Ich fühlte mich kreativ und weniger gestresst. Ich war in Gegenwart meines Mannes und meiner Tochter viel präsenter. Indem ich zwischen mir und der Technik eine Grenze zog, gehörte meine Zeit wieder mir, und ich konnte mir mein Leben zurückerobern.

Und das führte zum zweiten der beiden Ereignisse, die mich zu dem Buch, das Sie gerade lesen, inspiriert haben.

Als Teil meiner Recherchen für Endlich abschalten hatten mein Mann und ich regelmäßig vierundzwanzigstündige Pausen von allen Bildschirmgeräten eingelegt, meistens von Freitagabend bis Samstagabend. Für uns war so eine Pause wie ein digitaler Sabbat, und wir staunten jedes Mal aufs Neue über ihre Auswirkungen auf unsere Zeit – sowohl über die plötzlich verfügbare Menge an freier Zeit als auch über das Ausmaß, in dem sich unsere Zeitwahrnehmung verlangsamte. Anstatt zuzulassen, dass unsere Zeit ausgefüllt wurde, mussten wir jetzt selbst entscheiden, was wir mit ihr anfangen wollten. Ohne die Ablenkung durch Apps hatten wir auf einmal mehr freie Stunden zur Verfügung – Stunden, die wir für Dinge nutzen konnten, die uns wirklich Freude machten.

Es gab nur ein Problem: Ich wusste gar nicht mehr, was mir wirklich Freude bereitete. Wie sich herausstellte, war das Abschalten meines Handys, so gut es auch tat, nur der erste Schritt. Wenn ich mein Leben tatsächlich wieder selbst in die Hand nehmen wollte, musste ich mich daran erinnern, wie man lebt.

Das wurde mir an einem kalten Samstagnachmittag Anfang 2017, mitten in einem unserer digitalen Sabbats, schmerzlich bewusst. Ich saß im Wohnzimmer auf dem Sofa, meine Tochter schlief, und mein Mann machte Besorgungen – eigentlich ein Glücksmoment im Leben einer jungen Mutter: Ich war allein, es war ruhig, und ich hatte mindestens eine Stunde Zeit, um zu tun, was ich wollte. Doch als ich überlegte, auf welche Offline-Aktivität ich Lust hätte, kam mir rein gar nichts in den Sinn. Ein Buch zu lesen, reizte mich nicht. Ich hatte keinen Hunger. Es gab niemanden, mit dem ich reden konnte. Mir fiel einfach nichts ein.

Oh mein Gott, dachte ich und widmete mich einer meiner Lieblingsbeschäftigungen: dem Katastrophendenken. Ich sitze hier bloßrum und warte, dass die Zeit bis zum Abendessen vergeht. Das heißt, im Grunde warte ich nur darauf, zu sterben.

Ungefähr zur gleichen Zeit las ich ein Buch mit dem Titel Mach was du willst – Design Thinking fürs Leben, in dem zwei Stanford-Professoren Designprinzipien auf die Lebensgestaltung übertragen und zeigen, wie man sich ein sinnstiftendes, glückliches Leben aufbaut. Darin war ich auf eine Übung gestoßen, die mich auf diesen speziellen Abstieg in die Verzweiflung vorbereitet hatte.

In der Übung wird man aufgefordert, zu bestimmen, wie voll der eigene »Tank« auf vier Gebieten – Liebe, Arbeit, Gesundheit und Spiel – ist, um festzustellen, welche Teile des eigenen Lebens mehr Aufmerksamkeit brauchen.

Als emsige Studentin aller Themen rund um persönliche Weiterentwicklung nahm ich sofort einen Stift zur Hand. Liebe, Gesundheit und Arbeit waren alle fast randvoll. Aber Spiel? Oder wie die Autoren es ausdrückten: »jede Aktivität, die Freude bringt, wenn man sie ausübt«? Dazu fiel mir kaum etwas ein.1

Während ich also über meinen leeren Spieltank und meinen unausweichlichen Marsch in Richtung Tod nachdachte, stellte ich mir eine Frage, die ich anderen während der Recherchen zu Endlich abschalten gestellt hatte: »Fällt Ihnen etwas ein, das Sie schon lange einmal machen wollten, für das Sie aber gefühlt keine Zeit haben? Vermutlich haben Sie dafür mehr Zeit, als Sie denken, Sie brauchen sich bloß ein paar der Minuten oder Stunden zurückzuholen, die Sie an Ihrem Handy verbringen.«

Das Erste, was mir auf die Frage einfiel, war: Gitarre spielen lernen. Seit ich fünf bin, spiele ich Klavier, und als ich auf dem College war, hatte meine Großmutter (zu der ich ein enges Verhältnis hatte und die selbst Gitarre spielte) mir zum Geburtstag Geld für eine Gitarre geschenkt. Ein Freund hatte mir ein paar Akkorde beigebracht, aber seit beinahe zwei Jahrzehnten stand das Instrument im Schrank und sammelte Staub und Schuldgefühle an.

Dann kam mir eine dazu passende zweite Erinnerung in den Sinn: der Flyer eines Musikstudios, auf den ich irgendwo gestoßen war.

Der Flyer hatte mich neugierig genug gemacht, um mir die Website des Studios anzuschauen. Auf der Seite hatte ich auch einen Hinweis auf einen Gitarrenkurs für Anfänger:innen entdeckt. Das hatte mich gereizt, aber ich hatte nichts weiter unternommen. Vermutlich hatte mich eine im Nachbar-Tab geöffnete Website abgelenkt. Doch so ein existenzielles Unbehagen kann äußerst motivierend sein. Am nächsten Tag, als ich wieder online war, meldete ich mich dort an.

Ich war nervös, denn ich stieß mitten im Kurs dazu und meine Gitarrenkenntnisse beschränkten sich auf ungefähr drei Akkorde. Doch wie sich herausstellte, ging es in dem Kurs ganz entspannt zu. Die meisten anderen Teilnehmenden waren ebenfalls Eltern, denen es anscheinend ebenso sehr darum ging, anderthalb Stunden in Gesellschaft anderer Erwachsener zu verbringen, ohne Kinder, als um den Musikunterricht an sich.

Trotzdem lernten wir Gitarre spielen, und schon bald fühlte ich mich sicher genug, um am Lagerfeuer mitzuspielen. Dank dieses Kurses hatte ich ein neues Hobby gefunden und erlebte regelmäßig das befriedigende Gefühl, etwas dazugelernt zu haben. Aber fast noch wichtiger für mich war: Wenn ich jetzt unerwartete Freizeit hatte, verbrachte ich sie weniger oft am Handy und geriet auch nicht mehr in eine Spirale existenzieller Verzweiflung. Ich holte einfach meine Gitarre hervor und übte ein bisschen.

Allein für diese Veränderungen hatte sich der Kurs schon gelohnt, aber es dauerte nicht lange, bis ich begriff, dass noch etwas weitaus Größeres im Gange war. Während des Kurses fühlte ich mich in einem Ausmaß konzentriert und energetisiert, das ich sonst nicht kannte, schon gar nicht an Arbeitstagen. Die Zeit verging wie im Flug; jede Woche schaute ich auf die Uhr und staunte, dass die neunzig Minuten schon wieder vorbei waren. In diesen anderthalb Stunden war ich von jeder Verantwortung befreit, brauchte mich um niemanden zu kümmern außer um mich selbst. Für eine regelkonforme, pflichtbewusste Erwachsene wie mich fühlte sich diese Freiheit schon fast wie Rebellion an.

Während des Unterrichts waren meine Schultern lockerer. Mein Atem ging leichter. Ich fühlte mich angeregt und zugleich entspannt. Damals kannte ich die anderen aus dem Kurs noch nicht gut – tatsächlich erfuhr ich erst, was sie beruflich machten, als wir anfingen, uns anschließend noch auf einen Drink zu treffen –, aber dennoch fühlte ich mich im Unterricht seltsam verbunden mit ihnen, so als hätten wir eine eigene private Gemeinschaft gegründet, die von der Außenwelt abgetrennt war. Und im Gegensatz zu fast allem anderen, womit ich meine Zeit verbrachte, verfolgte der Kurs kein bestimmtes Ziel; Sinn und Zweck des Ganzen waren einfach nur das Spielen, in der wörtlichen und der übertragenen Bedeutung.

Das Gefühl war berauschend – und verwirrend. Die Befriedigung, neue Griffe zu lernen, reichte nicht, um zu erklären, wie gerne ich dort hinging und wie beglückt ich zurückkam. Jedes Mal fühlte ich mich nach dem Kurs verjüngt und erfrischt. Die Mittwochabende wurden für mich schnell zum Highlight der Woche.

Bemerkenswert war, dass ich mich danach noch tagelang beschwingt und ausgelassen fühlte. Ich ging spielerischer mit meinem Mann um und schenkte unserer Tochter volle Aufmerksamkeit. Meine Pflichten und To-do-Listen belasteten mich weniger. Klar, es war schön, ein neues Hobby zu haben, aber mir kam es so vor, als hätte ich damit auch eine neue Energiequelle gefunden. Etwas in mir hatte wieder Feuer gefangen, etwas, das erloschen war, ohne dass ich es bemerkt hatte. Je mehr ich diese Energie spürte, desto gieriger wurde ich danach.

Was war das für ein Gefühl? Es kam mir sehr bekannt vor, aber mir fiel kein passendes Wort dafür ein.

Und dann ging mir ein Licht auf: Ich hatte Spaß.

Aber nicht Spaß im beiläufigen Sinne, in dem wir den Begriff oft im Alltag benutzen. Es war nicht wie das Gefühl, wenn man etwas Schönes für sich tut, sich zum Beispiel die Nägel maniküren lässt oder einen neuen Fernseher kauft. Es war nicht die Art von Spaß, die wir gern in den sozialen Medien zeigen, oder der Spaß, den manche Leute haben, wenn sie sich abends in der Kneipe die Kante geben.

Das hier war etwas anderes, es war kraftvoller, lebensbejahender. Mehr eine tiefe Freude als Spaß im oben beschriebenen Sinn. Ich beschloss, das Gefühl »echten Spaß« (True Fun) zu nennen, oder »echte Freude«, um es von dem landläufigen Spaßbegriff zu unterscheiden, und ich war wie besessen davon, herauszufinden, wie ich es öfter erleben konnte. Ich hoffte, wenn es mir gelang, die Faktoren zu bestimmen, die es erzeugt hatten, dann könnte ich es von einem zufälligen, gelegentlich auftretenden Ereignis in etwas verwandeln, das ich gezielt herbeiführen konnte. Denn es war ein Mangel an diesem Gefühl, so war mir klar geworden, das meinen existenziellen Moment auf dem Sofa herbeigeführt hatte.

Als Erstes überlegte ich, wann sonst in meinem Leben ich dieses berauschende Gefühl schon gehabt hatte.

Mir fiel die Heimfahrt von einer Hochzeitsfeier ein, auf der mein Mann und ich unser Auto mit Freund:innen vollgepackt hatten und wir alle den ganzen Weg aus voller Kehle Bohemian Rhapsody geschmettert hatten.

Dann das Swing-Tanzcamp in New Hampshire, an dem wir teilgenommen hatten – fünf Tage nonstop Musik und Tanzen, von morgens nach dem Aufstehen bis spät in die Nacht. Ich finde es faszinierend, wie das Tanzen mich aus meinem Kopf befreit und in meinen Körper hineinversetzt, und obwohl ich sonst meistens gegen halb elf Uhr abends einschlafe, war das Ganze so erhebend gewesen, dass ich jeden Abend bis lange nach Mitternacht aufblieb. Am letzten Tag ging ich sogar erst um vier Uhr morgens ins Bett.

Dann noch die mehrtägige Fahrradtour, die ich nach dem Collegeabschluss unternommen hatte. Dreiundsechzig Tage auf dem Rad in Sportkleidung aus Elasthan unterwegs von Connecticut nach San Francisco mit einer Gruppe von Mitschüler:innen. Wir radelten täglich zwischen neunzig und hundertsechzig Kilometer weit, wir schliefen auf dem Boden, wir standen oft vor fünf Uhr morgens auf, um der Sommerhitze aus dem Weg zu gehen. Die Reise war körperlich zermürbend; es ist ein unvergleichliches Gefühl, zu den Rocky Mountains hochzuschauen und zu wissen, dass man diese Berge auf dem Fahrrad überwinden muss. Doch die Reise war auch eine Gelegenheit, zwei volle Monate mit einigen meiner engsten Freund:innen zu verbringen. Sie fand statt, als man noch keine Smartphones hatte, daher verbrachten wir unsere Freizeit mit selbst ausgedachten Aktivitäten – wir alberten herum, spielten selbst erfundene Spiele und besuchten Jahrmärkte. Ich lachte, herzhaft, an jedem einzelnen Tag. Trotz aller Herausforderungen gehört dieser Sommer zu den Höhepunkten meines Lebens.

Je länger ich nachdachte, desto mehr solcher Erinnerungen – mit verschiedenen Leuten und in verschiedenen Kontexten – kamen mir in den Sinn. Bei jeder einzelnen war das Gefühl echter Freude unverkennbar da gewesen: Es fühlte sich an, als habe eine elektrische Spannung in der Luft gelegen, die – ähnlich wie bei Blitzen – sich entlud und Energie freisetzte. Wenn ich echten Spaß erlebte, konnte ich diese Energie im ganzen Körper spüren.

Echter Spaß, so wurde mir klar, erzeugt uneingeschränkte Freude – das Gefühl, von einer Sache ganz und gar eingenommen zu sein, ohne jede Selbstzensur oder Beurteilung. Er ist das Vergnügen, uns in dem zu verlieren, was wir gerade tun, ohne uns über das Ergebnis Gedanken zu machen. Er ist Lachen. Austoben. Euphorische Verbundenheit. Er ist das Glück, das durch Loslassen entsteht. Wenn wir diese ungehemmte Freude empfinden, sind wir nicht einsam. Wir sind weder ängstlich noch angespannt. Wir werden weder von Selbstzweifeln noch von existenziellen Ängsten aufgefressen. Es hat seinen Grund, dass diese Augenblicke in unserer Erinnerung herausstechen: Wenn wir echte Freude erleben, fühlen wir uns lebendig.

Ich war froh, meine Erfahrung in Worte gefasst zu haben, doch kaum hatte ich das Gefühl nach dem Gitarrenunterricht als echte Freude festlegen können, tauchten weitere Fragen auf. Zum Beispiel die, ob echter Spaß von bestimmten Menschen oder Situationen abhing? Anscheinend nicht. Mein Mann und ich hatten unzählige Male zusammen echten Spaß gehabt, und ich hatte enge Freund:innen, mit denen sich das Gefühl ziemlich oft einstellte – aber nicht automatisch jedes Mal, wenn wir zusammen waren. Auch Vertrautheit schien keine Voraussetzung zu sein: Ich hatte das Gefühl auch mit Fremden erlebt, es gab ein paar Bekannte, mit denen es ebenfalls immer wieder zustande kam, und obwohl ein bestimmtes Umfeld förderlich schien, war echter Spaß nicht an einzelne Orte gebunden.

Er hing auch nicht von den Aktivitäten an sich ab oder wurde von ihnen automatisch erzeugt. Das überraschte mich, denn ich hatte ursprünglich angenommen, die Freude müsse das Ergebnis dessen sein, was ich gerade machte. Ich spiele gern Gitarre, und ich tanze, singe und radele gern – das schien darauf hinzudeuten, dass meine Glücksmomente zunehmen würden, wenn diese Aktivitäten öfter auf meinem Programm stünden.

Doch der Gedanke kam mir anstrengend vor. Außerdem erinnerte ich mich auch an Situationen, in denen ich genau diese Aktivitäten ausgeübt hatte, ohne dass sich das euphorische Gefühl einstellte. Es musste also mehr dahinterstecken. Ich verspürte keine belebende Freude, keinen echten Spaß, wenn ich allein Gitarre spielte oder auf eigene Faust Radfahren ging. Viele Tanzkurse hatten sich gekünstelt und peinlich angefühlt. Es hatte etliche Autofahrten gegeben – sogar welche, auf denen gesungen wurde –, bei denen ich nicht lachen musste, bis mir alle Gesichtsmuskeln wehtaten. Es gab zwar ein paar Aktivitäten, Menschen und Kontexte, die echten Spaß geradezu magnetisch anzuziehen schienen, doch garantieren konnten sie ihn nicht.

Andererseits hatte ich Dinge erlebt, die oberflächlich betrachtet unbequem oder unspektakulär zu sein schienen, mir aber als wertvolle Erinnerungen im Gedächtnis geblieben waren, weil sie mir echte Freude gebracht hatten – zum Beispiel ein Erlebnis aus meiner Zeit als Ferienlagerbetreuerin, als ich an einem freien Tag mit ein paar Freund:innen unterwegs gestrandet war und wir unter freiem Himmel auf einem Marktplatz übernachten mussten, oder einige Momente als Mathelehrerin auf der Mittelschule, wenn meine Schüler:innen etwas so Komisches machten, dass ich in lautes Lachen ausbrach.

Je mehr ich über Freude nachdachte, desto klarer wurde mir, dass ich zwar seit Jahren Texte über Glück und Achtsamkeit las und schrieb, über Spaß und Freude jedoch noch nie wirklich nachgedacht hatte – geschweige denn mir die Frage gestellt hatte, wie ich mehr davon in mein Leben bringen konnte. Was war der Unterschied zwischen Spaß im herkömmlichen Sinne und diesem Gefühl der ungehemmten Freude? Warum versprachen manche Aktivitäten – oft solche, die mit dem Handy oder dem Internet zu tun hatten – zunächst »Spaß« (in dicken Anführungszeichen), hinterließen dann aber ein Gefühl der Erschöpfung? Wieso gab es so große Abweichungen in Intensität und Dauer? Welche Faktoren mussten gegeben sein, damit etwas echten Spaß machte? Und, am allerwichtigsten, wie konnte ich echten Spaß öfter erleben?

Diese Fragen haben mich in ein lebensveränderndes Abenteuer geführt – und ich möchte Sie einladen, mir dorthin zu folgen.

Ehe wir eintauchen, möchte ich betonen, dass echter Spaß nur möglich ist, wenn unsere Grundbedürfnisse befriedigt sind. Essen, Unterkunft, ausreichend Schlaf und körperliche Sicherheit sind unabdingbare Voraussetzungen, und es gibt etliche Situationen, die es schwer, wenn nicht gar unmöglich machen, sich auf Spaß zu konzentrieren; dazu gehören Armut, Krankheit, Missbrauch, traumatische Erlebnisse und ein unsicherer Arbeitsplatz. Doch abgesehen von solchen Umständen ist mir aufgefallen, dass zahlreiche Missverständnisse über Spaß existieren und dass viele unserer persönlichen Einwände dagegen, dem Erleben ungehemmter Freude einen Vorrang in unserem Leben einzuräumen, einer genauen Prüfung nicht standhalten.

Zum Beispiel erklären manche Leute rundheraus, sie seien keine »Spaßmenschen«. Doch solange die oben genannten Grundbedürfnisse gedeckt sind, existiert keine Regel, die besagt, dass nur bestimmte Menschen Spaß haben können. Und genauso brauchen wir auch nicht darum zu konkurrieren. Echte Freude ist keine seltene Ressource, zu der nur eine Elite Zugang hat. Und obwohl wir gern nach materiellem Wohlstand streben und auf die Illusion hereinfallen, dass wir mehr Spaß hätten, wenn wir nur reicher wären, stimmt auch das nicht. Klar, Geld kann hilfreich sein, aber echte Freude erfordert keinen Reichtum. Während ich für ein paar der Veränderungen, die ich vorgenommen habe, bezahlen musste (zum Beispiel den Gitarrenkurs), waren andere umsonst, und einige haben mir sogar Geld gespart. Hat man einmal verinnerlicht, dass die Anhäufung von Gütern nicht unbedingt Freude bringt, kauft man weniger.

Manche Leute glauben, sie seien nicht in der Lage, echten Spaß zu erfahren, weil sie zu ängstlich und niedergeschlagen sind. Das ist ein wachsendes Problem: In den letzten zehn Jahren haben Depressionen und Angststörungen weltweit zugenommen. Viele von uns leiden auch ohne offizielle Diagnose an Gefühlen der Leere, der Einsamkeit, der Langeweile oder einer generellen Antriebslosigkeit. Doch in vielen Fällen würde ich sagen, vermischen wir Ursache und Wirkung: Echter Spaß ist nicht nur die Folge von Glücksgefühlen, sondern eine Ursache dafür. Wir können unsere Freude also auch aktiv in die eigene Hand nehmen.I

Ein weiterer üblicher Vorwand ist, dass viele behaupten, für Spaß keine Zeit zu haben. Aber Spaß haben muss nicht bedeuten, dass wir unserem bereits übervollen Terminkalender noch mehr Aktivitäten hinzufügen müssen. Stattdessen besteht der erste Schritt zu mehr echtem Spaß darin, uns mehr Zeit und Raum zu verschaffen, indem wir weniger tun, sodass wir die Gelegenheiten für echten Spaß, die in unserem Leben bereits bestehen, ausnutzen und unsere Freizeit gezielter gestalten können.

Vielen von uns macht der größte Teil dessen, was wir normalerweise »aus Spaß« machen, eigentlich gar keinen Spaß – zum Beispiel die Serienmarathons, bei denen wir fernsehen, bis wir glasige Augen bekommen, oder der Kauf von Sachen, die wir gar nicht brauchen. Diese Aktivitäten wirken auf uns betäubend und hinterlassen ein schales Gefühl. Echter Spaß hingegen lässt uns zufrieden und erfrischt zurück.

Ein grundsätzliches Problem, wenn es darum geht, echten Spaß zu einer Priorität in unserem Leben zu machen, besteht darin, dass das Streben nach Spaß – vor allem dem eigenen Spaß – als frivol und egoistisch, wenn nicht gar als unreif und kindisch angesehen wird. (Wenn wir überhaupt an den Punkt kommen, darüber nachzudenken.) Wir glauben, wenn wir uns aufs Spaßhaben konzentrieren, dann lassen wir die Probleme der Welt außer Acht oder tun nicht genug für andere. Um selbst weiterzukommen, neigen wir dazu, uns »höhere« und »ernsthaftere« Ziele zu setzen, wie zum Beispiel das Streben nach Glück, Wohlstand, langfristiger Gesundheit und dem Gefühl, mit unserem Leben etwas Sinnvolles anzufangen. Diese Ziele verfolgen wir beharrlich, wir lesen Ratgeber, besuchen Therapeut:innen und schwitzen uns durch Sportprogramme. Bedenkt man dazu noch die Zeit, die nötig ist, um die Erfordernisse des Erwachsenenlebens zu erfüllen – zur Arbeit gehen, die Steuererklärung machen, die Wohnung putzen, möglicherweise Kinder großziehen –, dann ist es nur allzu verständlich, dass Spaß für viele von uns auf der Strecke bleibt. Wir genießen ihn, wenn es sich ergibt, aber er steht meistens ganz unten auf unserer Prioritätenliste.

Was wir dabei vergessen, ist die Tatsache, dass Spaß durchaus nicht frivol oder egoistisch ist, sondern uns helfen kann, all unsere Ziele zu erreichen. Das Leben ist kein Nullsummenspiel: Wir können Spaß haben und gewissenhafte Bürger:innen sein, die sich darum kümmern, die Welt besser zu machen – tatsächlich haben wir durch echten Spaß oft sogar mehr Energie dafür zur Verfügung. Und wenn wir unser Leben so gestalten wollen, dass wir zufrieden und glücklich sind, dann ist echter Spaß unverzichtbar. Er sollte keine Nebensächlichkeit, sondern unser Leitstern sein.

Selbst wenn auch Sie echten Spaß für wichtig halten und beschließen, ihn öfter zu erleben, wissen Sie vielleicht nicht, wo und wie Sie anfangen sollen. Oft stellt er sich ganz beiläufig ein. Wir alle wurden schon gezwungen, Sachen »zum Spaß« zu machen, die alles andere als spaßig waren. Wir haben aber auch alle schon erlebt, dass ein Gefühl ungehemmter Freude in ganz alltäglichen, vermeintlich langweiligen Situationen entstanden ist – zum Beispiel wenn man plötzlich beim Abendessen mit einem Freund oder einer Freundin in unbändiges Lachen ausbricht, ohne so recht zu wissen, worüber man eigentlich lacht. Es handelt sich meist um Situationen, die man anderen kaum nacherzählen kann und schließlich nur sagt: »Na ja, man muss dabei gewesen sein.« Echter Spaß fühlt sich manchmal wie Magie an.

Doch im Gegensatz zu anderen flüchtigen Momenten der Begeisterung oder des Glücks ist echter Spaß zugänglich und bodenständig – er möchte geradezu, dass wir ihn von seinem Podest herunterholen und ganz unbefangen mit ihm spielen. Tatsächlich können wir den Spaß, den wir haben, besser beeinflussen, als wir denken; wir brauchen bloß die Faktoren, die für uns persönlich dieses Gefühl echter Freude herbeiführen können, zu identifizieren und dann mehr Situationen zu schaffen, in denen diese Faktoren vorhanden sind.

Glauben Sie mir, die Mühe lohnt sich.

Haben wir erst einmal verstanden, was echter Spaß ist und wie er sich anfühlt – und erheben wir ihn dann zur Priorität –, fällt es uns nicht nur leichter, zu entscheiden, womit wir in bestimmten Momenten unsere Zeit verbringen wollen, sondern wir werden dadurch langfristig unser Leben verändern.

Echter Spaß stärkt uns. Er erhöht unsere Resilienz und unsere Empathie. Er erzeugt Gemeinschaft. Er reduziert Missgunst und Groll. Er wirkt Wunder für unser emotionales Wohlergehen, indem er uns ermächtigt, uns mit anderen Menschen zu verbinden, unserer ständigen Selbstbewertung zu entkommen und ganz im Hier und Jetzt zu sein. Wenn wir unser Leben darauf ausrichten, werden wir kreativer und produktiver. Wir werden bessere – und glücklichere – Partner:innen, Eltern, Freund:innen, Angestellte und Mitmenschen.

Echter Spaß ist gesund. Er bringt uns weg vom Schreibtisch, raus aus der Gedankenmühle und hinein in die Welt. Durch mehr echte Freude sinkt unser Stresslevel, und höchstwahrscheinlich sinkt dadurch mit der Zeit auch unser Risiko für die gesundheitlichen Probleme, die durch Stress ausgelöst oder gefördert werden, wie Herzinfarkte, Schlaganfälle, Fettleibigkeit, Typ-II-Diabetes und Demenz.

Das Streben nach echter Freude hilf uns, unser authentisches Selbst zu bewahren, weniger Zeit mit geistloser Ablenkung und sinnfreien Beschäftigungen zu verbringen und uns stattdessen mehr Zeit für andere Menschen und für Erfahrungen und Aktivitäten zu nehmen, die wir als bedeutsam und genussvoll einstufen.

Das Beste aber ist, dass es, nun ja, Spaß macht, unser Leben mehr auf Spaß und Freude auszurichten. Anders als bei den meisten Projekten zur Selbstoptimierung, die uns Willenskraft und Selbstbeherrschung abverlangen, um irgendein zukünftiges Ziel zu erreichen, wird unser Dasein durch das Priorisieren von echtem Spaß sofort belebender und fröhlicher. Es ist, als würden wir eine Diät machen, bei der wir mehr von dem essen sollen, was uns besonders gut schmeckt.

Ich beschäftige mich jetzt seit mehreren Jahren damit, spezifische Schritte zu entwickeln, durch die wir alle in die Lage versetzt werden, die Magie von echter Freude so oft wie möglich zu erleben, und was ich dabei gelernt habe, möchte ich gern mit Ihnen teilen.

Ich behaupte nicht, dass Ihr Leben sich in einen unablässigen Strom aus Spaß und Freude verwandeln wird, wenn Sie nur meinen Rat befolgen. Selbst ein prall mit Spaß gefülltes Leben ist nicht immer freudvoll und lustig. Aber wenn Sie echten Spaß als Kompass nehmen, werden Sie glücklicher sein, Sie werden gesünder sein und Sie werden mit den Wechselfällen des Lebens besser zurechtkommen. Sie werden öfter lächeln, öfter lachen und sich insgesamt lebendiger fühlen.

Und das ist im Kern das Thema, um das es in diesem Buch geht: sich lebendig zu fühlen.

Es geht darum, wie wir durch echten Spaß ungehemmte Freude verspüren und so unsere kurze Zeit auf diesem Planeten möglichst wach und mit voller Aufmerksamkeit nutzen können.

IIch möchte hier keineswegs die Erfahrungen derer verharmlosen, die an ernsthaften Depressionen oder Ängsten leiden. In solchen Fällen ist eine psychotherapeutische Behandlung unbedingt notwendig, aber ich sehe echten Spaß als eine Möglichkeit, um milderen Formen und einer gewissen Antriebslosigkeit im Alltag entgegenzuwirken. Tatsächlich existiert in der Verhaltenstherapie eine Technik namens »behavioral activation« (dt. etwa Verhaltensaktivierung), die zur Behandlung von Depressionen eingesetzt wird und darauf abzielt, mehr sinnvolle und vergnügliche Aktivitäten in den Alltag zu integrieren.

TEIL I

Spaß, ganz im Ernst

»Ich werde auch weiterhin jeden Tag, der mir bleibt, Spaß haben. Ganz einfach weil es gar keinen anderen Weg gibt, dieses Spiel zu spielen.«

Randy Pausch, Last Lecture – Die Lehren meines Lebens1

KAPITEL 1

Was ist eigentlich Spaß?

Als ich anfing, über echten Spaß nachzudenken, und überlegte, wie ich ihn öfter erleben konnte, war ich zuallererst mit dem Problem konfrontiert, zu definieren, was das eigentlich ist. Ich war überzeugt, dass »Spaß« das passendste Wort war, um das mächtige Gefühl zu beschreiben, das ich mir durch den Gitarrenunterricht erschlossen hatte, doch dann merkte ich, dass wir auch in vielen anderen Zusammenhängen von »Spaß« sprechen.

Zum Beispiel sprechen wir oft von Spaß, wenn es um Aktivitäten geht, die nichts mit unserer Arbeit zu tun haben – wir sagen, diese Dinge machen wir »zum Spaß«. Doch bei diesem Gebrauch des Begriffs werden Tätigkeiten eher durch das charakterisiert, was sie nicht sind (Arbeit), als durch bestimmte Gemeinsamkeiten, die sie aufweisen, oder durch die emotionale Erfahrung, die sie erzeugen. Hinzu kommt, dass die Dinge, von denen wir sagen, dass wir sie »zum Spaß« tun, sowohl aktiv (Treffen mit Freund:innen) als auch passiv (Fernsehen) sein können – obwohl das Ausmaß an Energie, das dabei freigesetzt wird, radikal unterschiedlich ausfallen kann.

Wir verwenden das Wort »Spaß« auch, um Erlebnisse zu beschreiben, die ganz vergnüglich waren (oder die zumindest vergnüglich hätten sein sollen). In solchen Situationen sprechen wir von »Spaß haben«, etwa: »Letztes Wochenende hatten wir viel Spaß«, oder davon, dass etwas »Spaß gemacht hat«, zum Beispiel: »Das Picknick hat echt Spaß gemacht.« Doch oft denken wir gar nicht darüber nach, ob das auch wirklich stimmt. Ich habe mich selbst schon oft sagen hören: »Das hat Spaß gemacht«, und damit alles Mögliche gemeint, von einem hoch amüsanten Ausgehabend mit Freundinnen bis hin zu einem mittelmäßigen Abendessen, das eigentlich überhaupt keinen Spaß gemacht hatte.

Angesichts des breiten Spektrums an Erfahrungen und Gefühlen, die wir als »Spaß« bezeichnen, mag die Vorstellung, Spaß sei eine lebensverändernde Kraft, überzogen wirken. Doch daran ist nicht der Spaß schuld; das liegt vielmehr an unserer leichtfertigen (wenn auch nicht unbedingt absichtlichen) Überbeanspruchung des Begriffs. Mir ist klar geworden, dass wir bei der Verwendung des Wortes wesentlich genauer werden müssen, wenn wir das volle Potenzial von Spaß erfassen – und ausschöpfen – wollen.

Aber eine präzise Definition des Wortes ist erstaunlicherweise recht schwierig.

Das Oxford English Dictionary definiert das englische Wort »fun« als »Freude, Amüsement oder unbeschwertes Vergnügen«.1 Auch im Deutschen wird Fun mittlerweile in diesem Sinn verwendet. Der Duden schreibt zu Fun: »Spaß, den jemand bei bestimmten Tätigkeiten hat. Beispiel: Fun haben.«2 Zugleich kann fun bedeuten, dass etwas nicht ernst gemeint ist (just for fun). Ähnlich verhält es sich mit dem deutschen Wort »Spaß«. Der Duden definiert:

»1. ausgelassen-scherzhafte, lustige Äußerung, Handlung o. Ä., die auf Heiterkeit, Gelächter abzielt; Scherz

2. Freude, Vergnügen, das man an einem bestimmten Tun hat.«3I

Beide Begriffe haben in Wendungen wie to make fun of someone oder sich mit jemandem einen Spaß erlauben noch die zusätzliche Bedeutung von »sich lustig machen« oder »jemanden zum Narren halten«. Doch in diesem Buch geht es genau nicht um diese Art von Spaß; wir sprechen hier nur von Erlebnissen, die allen Beteiligten Spaß machen.

Sucht man im Internet nach »Wie kann man Spaß haben?«, stößt man schnell auf weitere Beispiele für unseren nachlässigen, breiten Umgang mit dem Wort. Der Fernsehsender CNN zum Beispiel empfiehlt folgende Aktivitäten, um Spaß zu haben: einen Truthahn zu braten, mehr zu schlafen, einen Altar zu Ehren lieber Verstorbener einzurichten oder eine Dokumentation über den Klimawandel anzuschauen.4 In einer ähnlichen Liste mit »33 Fun Things« schlägt das Magazin Real Simple vor, dass man, wenn man mehr Spaß haben will, Kekse backen, lustige Schulhefte und Schulbedarf besorgen und – ich schwöre, dass ich mir das nicht ausdenke – den Tisch mit Kürbissen schmücken soll.5

Man könnte meinen, dass die Häufigkeit, mit der wir das Wort »Spaß« verwenden, und die vielen unterschiedlichen Kontexte, in denen wir es benutzen, es für Akademiker:innen, die gern über die Definition von nebulösen, abstrakten Konzepten wie Glück oder Freude debattieren, besonders interessant machen würde. Doch die haben das Thema bisher weitgehend ignoriert. Die bekanntesten Forschungsarbeiten zum Thema Spaß drehen sich gar nicht um Spaß, sondern um Spiel. Und selbst in diesen Berichten wird einer Definition von Spaß ausgewichen.

Nehmen Sie Johan Huizinga, einen niederländischen Historiker, der ein bahnbrechendes Buch zum Thema Spiel geschrieben hat, das im Original erstmals 1938 erschien und den Titel Homo Ludens trägt – lateinisch für »der spielende Mensch«. Huizinga sagt: »Im Spiel haben wir es mit einer für jedermann ohne Weiteres erkennbaren, unbedingt primären Lebenskategorie zu tun.« Mit anderen Worten, wir alle wissen, wie sich Spaß (durch Spiel) anfühlt, und wir scheinen einen biologischen Trieb zu besitzen, dieses Gefühl anzustreben. Dennoch schreibt Huizinga: »Der ›Witz‹ des Spiels widerstrebt jeder Analyse, jeder logischen Interpretation. Das holländische Wort für Witz, ›aardigheit‹, ist dafür höchst bezeichnend. Es ist von ›aard‹ abgeleitet, das ›Art‹, aber auch ›Wesen‹ bedeutet, und legt damit sozusagen Zeugnis dafür ab, daß die Sache nicht weiter rückführbar ist. Diese Unableitbarkeit ist für unser modernes Sprachgefühl nirgendwo so treffend ausgedrückt wie in dem englischen ›fun‹.«6 Der Historiker Bruce C. Daniels, der ein Buch über das Spielverhalten der Puritaner geschrieben hat (ja, die Puritaner hatten mehr Spaß, als wir denken), erklärt, die Definition von fun sei »wahnsinnig schwer fassbar«.7

Dies ist auch anderen aufgefallen. In einer Publikation aus dem Jahr 2017 über das allgemeine Konzept von Spaß – eine der wenigen, die ich finden konnte – schreiben die Autor:innen, dass es kaum Forschung gibt, die die Folgen von Spaß untersucht hat. Sie weisen auch darauf hin, dass das Wort fun in keinem ihnen bekannten Lehrbuch oder Handbuch der Emotions- oder Sozialpsychologie als Indexbegriff auftauche.8 Das Fehlen einer belastbaren Definition verbunden mit der Annahme, dass Spaß als Thema nicht ernst genug sei, um Aufmerksamkeit zu verdienen, erklären wohl, warum so wenige Wissenschaftler:innen bisher versucht haben, die psychologischen oder physischen Auswirkungen von Spaß direkt zu untersuchen.

Aufgrund dieses Mangels an akademischen Wegweisern habe ich eine eigene Terminologie entwickelt – angefangen mit dem Konzept vom »echten Spaß« und der dadurch hervorgerufenen »ungehemmten belebenden Freude«. Diese Terminologien habe ich gewählt, um die Euphorie, die der Gitarrenunterricht bei mir ausgelöst hat, von dem zu unterscheiden, was wir für gewöhnlich im Alltag unter »Spaß« verstehen.

Doch selbst nachdem ich mein Gefühlserlebnis als »echten Spaß« bezeichnet hatte, brauchte ich noch eine schlüssige Definition. Ich wollte meine Leser:innen nicht mit einer umständlichen Beschreibung konfrontieren, die dann doch nur mit dem Satz »Man muss es selbst erleben« endete.

Ich betrachtete also zunächst meine persönliche Erfahrung durch die Brille der Positiven Psychologie – ein Feld der Psychologie, das sich mit dem menschlichen Wohlbefinden beschäftigt –, um mögliche Elemente zu identifizieren, die für echten Spaß, also das Erleben ungehemmter Freude, unabdingbar sind.