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Die Reihe Die achtzigbändige Reihe "Die Götter der Germanen" stellt die Gottheiten und jeden Aspekt der Religion der Germanen anhand der schriftlichen Überlieferung und der archäologischen Funde detailliert dar. Dabei werden zu jeder Gottheit und zu jedem Thema außer den germanischen Quellen auch die Zusammenhänge zu den anderen indogermanischen Religionen dargestellt und, wenn möglich, deren Wurzeln in der Jungsteinzeit und Altsteinzeit. Daneben werden auch jeweils Möglichkeiten gezeigt, was eine solche alte Religion für die heutige Zeit bedeuten kann - schließlich ist eine Religion zu einem großen Teil stets der Versuch, die Welt und die Möglichkeiten der Menschen in ihr zu beschreiben. Das Buch Die drei Nornen Urd, Verdandi und Skuld spielen in den germanischen Mythen nirgendwo die Hauptrolle, aber sie bilden den Hintergrund für alle Mythen und Sagas - die Nornen bestimmen, was geschieht. Die Folge der von ihnen festgelegten Ereignisse wird bei den Indogermanen oft durch den Schicksalsfaden beschrieben, der von den Nornen gesponnen wird. Dieser Faden ist golden, weil der Nornenfaden ursprünglich ein Bild für das Schicksal der Sonne, also ihren abendlichen Tod und ihre morgendliche Wiedergeburt gewesen ist. Die Wolle für diese Fäden nahmen die Nornen von dem goldenen Vlies (Wolle) des Sonnenwidders, den die Nornen am Morgen als Sonnenmutter wiedergeboren haben. Das Festlegen des Schicksals der Menschen (indisch: "Karma") durch die Nornen findet vor dem Hintergrund der allgemeinen zyklischen Ordnung der Welt (indisch: "Dharma") statt, die sich u.a. im Sonnenlauf, in der Astrologie und in der Sehergabe zeigt - die Nornen haben ursprünglich nicht das Schicksals festgelegt, sondern sind selber ein Teil dieser zyklischen Welt-Ordnung gewesen, die durch die Mythen beschrieben wird: Die Muttergöttin ist die Geborgenheit in der Welt und in ihren Zyklen ... und genau das ist auch das Geschenk der Nornen an die Menschen.
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Seitenzahl: 432
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Bücher von Harry Eilenstein:
Astrologie (496 S.)
Photo-Astrologie (428 S.)
Horoskop und Seele (120 S.)
Tarot (104 S.)
Handbuch für Zauberlehrlinge (408 S.)
Physik und Magie (184 S.)
Der Lebenskraftkörper (230 S.)
Die Chakren (100 S.)
Das Chakren-System mit den Nebenchakren (296 S.)
Meditation (140 S.)
Reinkarnation (156 S.)
Drachenfeuer (124 S.)
Krafttiere – Tiergöttinnen – Tiertänze (112 S.)
Schwitzhütten (524 S.)
Totempfähle (440 S.)
Muttergöttin und Schamanen (168 S.)
Göbekli Tepe (472 S.)
Hathor und Re 1: Götter und Mythen im Alten Ägypten (432 S.)
Hathor und Re 2: Die altägyptische Religion – Ursprünge, Kult und Magie (396 S.)
Isis (508 S.)
Die Entwicklung der indogermanischen Religionen (700 S.)
Wurzeln und Zweige der indogermanischen Religion (224 S.)
Der Kessel von Gundestrup (220 S.)
Der Chiemsee-Kessel (76 S.)
Cernunnos (690 S.)
Christus (60 S.)
Odin (300 S.)
Die Götter der Germanen (Band 1 – 80)
Dakini (80 S.)
Kursus der praktischen Kabbala (150 S.)
Eltern der Erde (450 S.)
Blüten des Lebensbaumes 1: Die Struktur des kabbalistischen Lebensbaumes (370 S.)
Blüten des Lebensbaumes 2: Der kabbalistische Lebensbaum als Forschungshilfsmittel (580 S.)
Blüten des Lebensbaumes 3: Der kabbalistische Lebensbaum als spirituelle Landkarte (520 S.)
Über die Freude (100 S.)
Das Geheimnis des inneren Friedens (252 S.)
Von innerer Fülle zu äußerem Gedeihen (52 S.)
Das Beziehungsmandala (52 S.)
Die Symbolik der Krankheiten (76 S.)
König Athelstan (104 S.)
Herz des Tanzes – Tanz des Herzens (160 S.)
Die Themen der einzelnen Bände der Reihe „Die Götter der Germanen“
1. Die Entwicklung der germanischen Religion
2. Lexikon der germanischen Religion
3. Der ursprüngliche Göttervater Tyr
4. Tyr in der Unterwelt: der Schmied Wieland
5. Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 1
6. Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 2
7. Tyr in der Unterwelt: der Zwergenkönig
8. Der Himmelswächter Heimdall
9. Der Sommergott Baldur
10. Der Meeresgott: Ägir, Hler und Njörd
11. Der Eibengott Ullr
12. Die Zwillingsgötter Alcis
13. Der neue Göttervater Odin Teil 1
14. Der neue Göttervater Odin Teil 2
15. Der Fruchtbarkeitsgott Freyr
16. Der Chaos-Gott Loki
17. Der Donnergott Thor
18. Der Priestergott Hönir
19. Die Göttersöhne
20. Die unbekannteren Götter
21. Die Göttermutter Frigg
22. Die Liebesgöttin: Freya und Menglöd
23. Die Erdgöttinnen
24. Die Korngöttin Sif
25. Die Apfel-Göttin Idun
26. Die Hügelgrab-Jenseitsgöttin Hel
27. Die Meeres-Jenseitsgöttin Ran
28. Die unbekannteren Jenseitsgöttinnen
29. Die unbekannteren Göttinnen
30. Die Nornen
31. Die Walküren
32. Die Zwerge
33. Der Urriese Ymir
34. Die Riesen
35. Die Riesinnen
36. Mythologische Wesen
37. Mythologische Priester und Priesterinnen
38. Sigurd/Siegfried
39. Helden und Göttersöhne
40. Die Symbolik der Vögel und Insekten
41. Die Symbolik der Schlangen, Drachen und Ungeheuer
42. Die Symbolik der Herdentiere
43. Die Symbolik der Raubtiere
44. Die Symbolik der Wassertiere und sonstigen Tiere
45. Die Symbolik der Pflanzen
46. Die Symbolik der Farben
47. Die Symbolik der Zahlen
48. Die Symbolik von Sonne, Mond und Sternen
49. Das Jenseits
50. Seelenvogel, Utiseta und Einweihung
51. Wiederzeugung und Wiedergeburt
52. Elemente der Kosmologie
53. Der Weltenbaum
54. Die Symbolik der Himmelsrichtungen und der Jahreszeiten
55. Mythologische Motive
56. Der Tempel
57. Die Einrichtung des Tempels
58. Priesterin – Seherin – Zauberin – Hexe
59. Priester – Seher – Zauberer
60. Rituelle Kleidung und Schmuck
61. Skalden und Skaldinnen
62 Kriegerinnen und Ekstase-Krieger
63. Die Symbolik der Körperteile
64. Magie und Ritual
65. Gestaltwandlungen
66. Magische Waffen
67. Magische Werkzeuge und Gegenstände
68. Zaubersprüche
69. Göttermet
70. Zaubertränke
71. Träume, Omen und Orakel
72. Runen
73. Sozial-religiöse Rituale
74. Weisheiten und Sprichworte
75. Kenningar
76. Rätsel
77. Die vollständige Edda des Snorri Sturluson
78. Frühe Skaldenlieder
79. Mythologische Sagas
80. Hymnen an die germanischen Götter
Die Namen der Nornen
Die drei Nornen in den mythologischen Liedern
Die Vision der Seherin
Die Vision der Seherin
Odins Rabenzauber
Das erste Lied über Helgi Hunding-Töter
Das andere Lied über Helgi Hunding-Töter
Das andere Lied über Helgi Hunding-Töter
Sigdrifa-Lied
Fafnir-Lied
Fafnir-Lied
Fafnir-Lied
Das andere Lied über Sigurd Fafnir-Töter
Völsungen-Saga
Das dritte Lied über Sigurd Fafnir-Töter
Gudruns Aufreizung
Thorsdrapa
Odins Rabenzauber
Wafthrudnir-Lied
Sonnenlied
Die Namen der Nornen
„the weird sisters“
Zusammenfassung
Die drei Nornen in den Mythen
Gylfis Vision
Gylfis Vision
Gylfis Vision
Gylfis Vision
Heimskringla
Neunheiten von Frauen
Zusammenfassung
Die drei Nornen in den Runen-Inschriften
Runeninschrift vo Borgund
Runensteine
Das Runenkästchen von Auzon
Zusammenfassung
Die drei Nornen in den Helden-Liedern
Beowulf-Epos
Hervor-Saga
Das andere Gudrun-Lied
Atli-Sage
Hamdir-Lied
Völsungen-Saga
Die Saga über Bosi und Herraud
Egil-Saga
Das Lied über den Tod des Königs Halfdan Eystein-Sohn
Heimskringla
Faröische Heldenlieder – Brünhild-Lied
Zusammenfassung
Die drei Nornen in den Sagas
Völsungen-Saga
Die Saga über Ragnar Lodbrök
Skaldskaparmal
Die Saga über Norna-Gest
Die Saga über Yngvar den Weit-Fahrenden
Die Geschichte über Toki Tokason
Die Saga über König Hrolf Krähe
h)Zusammenfassung
Die drei Nornen in historischen Berichten
Heimskringla
Heimskringla
Heimskringla
Heimskringla
Heimskringla
Heimskringla
Heimskringla
Zusammenfassung
Die drei Nornen in archäologischen Funden
Das Opfermoor von Oberdorla
Schale aus der Bronzezeit
Zusammenfassung
Die drei Matronen
Die drei Matronen
Das kleinere der beiden Goldhörner von Gallehus
Zusammenfassung
Die Symbolik der „3“
Die Zahl „3“
Das Hrungnir-Herz in der Edda
Das Hrungnir-Herz auf den späten Runensteinen
Das Hrungnir-Herz auf dem Runenstein von Bunge
Das Hrungnir-Herz auf den Bildsteinen
Das Hrungnir-Herz auf den Goldbrakteaten
Zusammenfassung
Die drei Nornen in den germanisch-christlichen Texten
Der Wanderer
Die Ruine
Der Seefahrer
Gesta danorum
Gesta danorum
Gesta danorum
Gesta danorum
Zusammenfassung
Jakob Grimm über die drei Nornen
Jakob Grimm: Deutsche Mythologie
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Wortschatz
Sprichworte und Redewendungen
alles ist vorherbestimmt
man kann das Schicksal nicht ändern
sich dem vorherbestimmten Schicksal fügen
seinem Schicksal folgen
Wyrd entscheidet
Erfolg erreicht man nur mit Wyrds Zustimmung
ohne Wyrd gelingt nichts
darauf achten, womit Wyrd einen König bedacht hat
Wyrd-Segen
Wyrd ist unzuverlässig
Wyrd ist unbeständig
Wyrd ist unvorhersehbar
Wyrd ist ungerecht
das Geschick eines Menschen
gemeinsames Geschick
gutes Geschick
schlechtes Geschick
die vorherbestimmte Zukunft
die Zukunft erforschen
der Tod ist unausweichlich
der Todestag ist vorherbestimmt
man kann niemanden retten, dem zu sterben bestimmt ist
man stirbt nicht, wenn es nicht vorherbestimmt ist
Zusammenfassung
Die Norne Urd
Gylfis Vision
Gylfis Vision
Havamal: Loddfafnir-Lied
Skaldskaparmal
Das andere Gudrun-Lied
Landnahme-Buch
Zusammenfassung
Der Riegel der Urd
Groas Erweckung
Fiölswin-Lied
Zusammenfassung
Der Kelch der Urd
Odins Rabenzauber
Zusammenfassung
Das Schicksalsrad der Urd
Die Saga über Grettir den Starken
Zusammenfassung
Urd als eine der drei Nornen
Gylfis Vision
Der Seherin Ausspruch
Zusammenfassung
Urds Wirken
Gisli-Saga
Die Saga über Thrond von Gate
Nials-Saga
Gisli-Saga
Kormak-Saga
Nials-Saga
Völsungen-Saga
Heimskringla: Hakons Tod
Gisli-Saga
Völsungen-Saga
Das andere Lied über Sigurd Fafnir-Töter
Zusammenfassung
Kenningar
Wyrd und die Götter
Gesta danorum
Zusammenfassung
Urd und Hel
Das Lied über Helgi Hiörward-Sohn
Zusammenfassung
Wyrd und Mut
Die Lachstal-Saga
Landnahme-Buch
Heimskringla: Die Saga über Harald Hart-Rat
Die Saga über Half und seine Helden
Heimskringla: Steins Geschichte
Die Saga über Half und seine Helden
Gesta danorum
Zusammenfassung
Übertragung der Wyrd auf den christlichen Gott
Rätsel aus dem Exeter-Buch
Lied des Skalden Nefari
Hrynhenda
Drapa über König Magnus Gesetz-Verbesserer
Hakonarkvida
Hugvinnsmal
Skaldskaparmal
Zusammenfassung
Der Besitz von „gutem Geschick“
Hattatal
Die Saga über Thorstein Haus-Macht
Die Lachstal-Saga
Nials-Saga
Svarfdäla-Saga
Vatnsdöla-Saga
Svarfdäla-Saga
Landnahme-Buch
Zusammenfassung
„Urd“ in Ortsnamen
„Urd“ in Personennamen
schlechtes Geschick
Die Saga über Thorstein Wiking-Sohn
Nials-Saga
Völsungen-Saga
Die Saga über Grettir den Starken
Die Saga über Grettir den Starken
Heimskringla: Dal-Gudbrand wird getauft
Nials-Saga
Die Saga über die Leute von Eyre
Hakonarkvida
Die Geschichte über Norna-Gest
Egil-Saga
Saga über die Siedler von Eyre
Die Geschichte über Norna-Gest
Zusammenfassung
Urd die Matrone
Die Matronen
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Der Name „Skuld“
Skuld in den Mythen
Der Seherin Ausspruch
Gylfis Vision
Groas Zaubergesang
Gylfis Vision
Die Vision der Seherin
Zusammenfassung
Skuld in den Sagas
Die Saga über Norna-Gest
König Hrolf Kraki und seine Berserker
Zusammenfassung
Skuld die Matrone
Der Matronen
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Der Name „Verdandi“
Verdandi in den Mythen
Der Seherin Ausspruch
Gylfis Vision
Zusammenfassung
Der Name „Neri“
Neri in den Mythen
Das erste Lied über Helgi Hunding-Töter
Zusammenfassung
Die drei Schicksalsgöttinnen bei den West-Indogermanen
Kelten
Römer
Etrusker
Kelto-Romanen
Germanen
Germano-Romanen
Slawen
Balten
Balto-Slawen
West-Indogermanen
Die drei Schicksalsgöttinnen bei den Süd-Indogermanen
Hethiter
Luwier
Palaier
Süd-Indogermanen
Die drei Schicksalsgöttinnen bei den Ost-Indogermanen
Indern
Griechen
Ost-Indogermanen
Die drei Schicksalsgöttinnen bei den Indogermanen
die „Ur-Norne“
die Muttergöttin
die Richtigkeit
die dreifache Schicksalsgöttin
die Spinnerin
der goldene Schicksalsfaden
die drei Schwestern
die drei Zeiten
die böse Schwester
die Alte und die Schöne
die Botinnen der Schicksalsgöttin
Sonstiges
Die Entwicklung der drei Schicksalsgöttinnen
Die Mutter
Die Große Mutter
Die Seele
Die Sonnenmutter
Die vervielfachte Muttergöttin
Die Richtigkeit
Die dreifache Muttergöttin
Die drei Spinnerinnen
Die drei Matronen
Odin und die Nornen
Gott Vater und die Nornen
Das Alter der Namen der Nornen
Die Nornen
Skuld
Utiseta
Die Walküren
Die Nornen
Die Quelle der Nornen
Der Sonnen-Widder
Die Muttergöttin
Die Sonne
Rückkehr
Themenverzeichnis
Die drei Schicksalsfrauen gehören zu den bekanntesten Gestalten der germanischen Mythologie. Die mit ihnen verbundene Vorstellung eines vorherbestimmten Schicksals hat auch noch heute eine Bedeutung, da sie sowohl mit der christlichen Vorstellung über Gottes Allmacht und der „Erbsünde“ als auch mit dem indischen Karma-Konzept große Ähnlichkeit hat. Zudem entspricht sie weitgehend auch der Astrologie.
Die Bezeichnung „Norne“ stammt von dem indogermanischen Wort „sner“ für „drehen, winden, schnüren, schrumpfen, spinnen, weben, nähen, Faden“ ab. Da es in vielen indogermanischen Mythen das Bild einer Spinnerin für die „Schicksalsfrau“ gibt, wird man „Norne“ wohl als „Spinnerin“ übersetzen können. Auch das (sekundäre) Bild der Weberin und der Näherin findet sich bei den Germanen im Zusammenhang mit den Nornen und den ihnen nah verwandten Walküren.
Das Motiv der Spinnerin, die den Tod herbeiführt, hat sich bis in das Märchen „Dornröschen“ hinein gehalten, in dem die Königstochter Dornröschen zu einer alten Frau in einem Turm kommt, bei der sie spinnen lernt und sich dabei mit der Spindel sticht und daraufhin in einen hundertjährigen Schlaf fällt.
Die „Ur-Norne“ heißt „Urd“ oder „Urdr“. In den älteren germanischen Schriften wird sie „Wyrd“ genannt.
Dieser Name bedeutet „Schicksal“ im Sinne von „Vorbestimmung“. Der Name leitet sich von dem germanischen Substantiv „urd“ ab, der „Stein“ und im erweiterten Sinne auch „steinige Einöde“ bedeutet. „Urd“ ist demzufolge die „Steinfrau“, was als „Riesin“ oder als „Frau in Hügelgrab“ gedeutet werden kann – beides würde zutreffen, da die Riesinnen im Jenseits leben und das Hügelgrab das Tor zum Jenseits ist und die Nornen aus der Jenseitsgöttin (Freya) heraus entstanden sind.
Es gibt mehrere Ableitungen von dem Wort „urd“ im Sinne von Schicksal. So hat z.B. das Verb „urdr“ die Bedeutung „verfluchen, verbannen“. Entsprechend ist ein „urdar-madr“ ein „verbannter Mann“, also ein Ausgestoßener oder Vogelfreier. Der Urteilsspruch, der zu einer Verbannung führt, lautet „urdar-ord“ („Urd-Wort“). Es bestand somit eine enge Assoziation zwischen den Schicksalssprüchen der Nornen und den Urteilssprüchen der Thing-Versammlung.
Es gab auch einen „urdar-mani“, einen „unheimlichen, unheilverkündenden Mond“. Dieser Begriff zeigt, daß man die Nornen mit dem Mond assoziierte und vermutlich fürchtete, daß die Nornen bei bestimmten Mondphasen oder bei einem bestimmten Aussehen des Mondes Unheil verbreiteten.
Es ist auch eine Herleitung des Namens „Urd“ von dem Verb „verda“ mit der Bedeutung „ist, sein (werden)“ (englisch: „to be“) möglich, aber die Herleitung von dem Substantiv „urd“ für „Stein“ liegt näher.
Die in der germanischen Überlieferung am zweithäufigsten genannte Norne, die manchmal auch als Walküre erscheint, ist Skuld. Als Walküre tritt sie bereits in dem recht alten Lied „Die Vision der Seherin“ auf: „Ich sah Walküren weither kommen, bereit zu reiten zum Rat der Götter: Skuld hielt den Schild.“
Ihr Name bedeutet „Schuld“ im Sinne von einem Ding oder einem Betrag, den man noch jemandem schuldet. Von diesem Wort sind auch ein gutes Dutzend an „Finanz-Begriffen“ der Germanen wie Schuldner, Schuldschein, Zahltag u.ä. abgeleitet worden.
Skuld ist somit eine Frau, die eine Ursache darstellt und die eine Schuld eintreibt. In dieser zweiten Bedeutung ist sie einer Walküre, die im Auftrag von Odin einem Krieger den Tod bringt und ihn vom Schlachtfeld holt, schon recht nah.
Es gibt auch die Möglichkeit, den Namen „skuld“ von dem Wort „skole, skulle“ abzuleiten, das „sollte“ bedeutet. „Skuld“ würde dann „das, was geschehen soll“ bedeuten. Skuld wäre in diesem Fall zwar auch die Zukunft, aber in erster Linie doch noch immer „die Frau, die den Lauf der Ereignisse bestimmt“.
Die dritte der drei bekannten Nornen heißt „Verdandi“. Ihr Name, der nur sehr selten erwähnt wird, bedeutet vermutlich „werden“, also „das, was gerade geschieht“: die Gegenwart, die Wirkung und die Wirksamkeit. Verdandi ist somit die Frau, die in der Gegenwart wirkt, d.h. die Gegenwart gestaltet.
Es ist auch möglich, daß „Verdandi“ lediglich eine Ableitung von „Wyrd/Urd“ ist.
Es ist noch ein weiterer Nornen-Name bekannt, der „Neri“ lautet. Vermutlich leitet er sich von dem Verb „ner“ für „drehen winden, spinnen“ ab und bezeichnet sie als Spinnerin. Es wäre jedoch auch eine Herleitung von dem Adjektiv „ner“ für „unten“ (Unterwelt) oder vom dem Verb „ner“ für „murmeln“ denkbar. Wenn man alle drei Möglichkeiten zusammennimmt, erhält man die „in der Unterwelt Schicksalssprüche murmelnde Spinnerin“.
Wahrscheinlich haben „Norne“ und „Neri“ jedoch dieselbe Wortwurzel und können daher beide als „Spinnerin“ übersetzt werden.
Die Bedeutung der vier Nornen-Namen kann als „Bestimmerin der Ereignisse“ zusammengefaßt werden.
Die Germanen unterschieden zumindestens in der Zeit der schriftlichen Überlieferungen, also ungefähr zwischen 800 n.Chr. und 1300 n.Chr., nicht besonders genau zwischen Jenseitsgöttinnen, Nornen, Walküren, Riesinnen, Göttinnen, Fylgias (Seele, Tiergeist-Begleiter) und Hamingjas (personifiziertes Glück; Aussehen eines Gestaltwandlers; Krafttier). Alle diese Wesen waren entweder „Frauen im Jenseits“ oder sie beeinflußten das Leben, das Wohlergehen und somit letztlich das Schicksal eines Menschen.
Man kann daher die Nornen als den Aspekt der „Schicksalsbestimmung“ der Jenseitsgöttinnen ansehen.
Diese Unübersichtlichkeit (zumindestens beim ersten Blick auf einen Text) wird noch dadurch erhöht, daß alle Namen von Göttinnen, Nornen, Walküren u.ä. auch in Umschreibungen sowohl von menschlichen als auch von mythologischen Frauen verwendet werden konnten wie in „Wunsch-Ran“ (Walküre), „Ring-Sif“ (Freya), „Wunden-Thrudr“ (Walküre), „Armreif-Gefion“ (geschmückte Frau) u.ä.
Es gab drei Nornen, die man als Spinnerinnen (Norne, Neri) und sekundär auch als Weberinnen und Näherinnen aufgefaßt hat.
Die Ur-Norne hieß „Wyrd“, woraus dann später „Urd“ entstand. Ihr Name bedeutet vermutlich „Stein“ im Sinne von (aus Felsen errichteter) „Grabkammer in einem Hügelgrab“. Sie ist daher die Jenseitsgöttin.
Der Name ihrer Schwester „Skuld“ bedeutet „Schuld“ im Sinne von „Bestimmerin des Schicksals“.
Der Name „Verdandi“ der dritten Norne ist vermutlich eine Ableitung des Namens „Wyrd“ der Ur-Norne.
Mit den Nornen ist der Brunnen als der Eingang in das Jenseits verbunden gewesen, aus dem jegliche Magie und folglich auch das Wissen über die Zukunft kam.
Eine Esche weiß ich, sie heißt Yggdrasil,
Den hohen Baum netzt weißer Nebel;
Davon kommt der Tau, der in die Täler fällt.
Immergrün steht er über Urds Brunnen.
Von dort kommen Frauen, vielwissende,
Drei aus dem See dort unterm Wipfel.
Urd heißt die eine, die andre Werdani:
Sie schnitten Stäbe; Skuld heißt die dritte.
Sie legten Lose, das Leben bestimmten sie
Den Geschlechtern der Menschen, das Schicksal verkündend.
Die Motive Brunnen, Quelle und See sowie Fluß, Sumpf und Meer gehen fließend ineinander über – das verbindende Element ist dabei das Wasser, da man sich in früheren Zeiten oft vorstellte, daß sich unter der Erde ein großes Wasser befindet, das alle Quellen speist, aus dem die Wolken aufsteigen und in dem sich auch die Unterwelt befindet.
Da sowohl der Brunnen als auch der Weltenbaum Wege ins Jenseits waren, befinden sich der Brunnen und der Weltenbaum in der mythologischen Geographie beieinander.
Das „Lose legen“ war eine Orakelmethode, bei der man Stäbe, in die Runen geritzt waren, verwendete.
Das Bestimmen und Verkünden des Schicksals erinnert an die Seherinnen und die Hebammen, die das Schicksal des Neugeborenen intuitiv erfaßten und verkündeten. Dieses „Bestimmen“ des Schicksals ist vermutlich dadurch entstanden, daß man die Seherinnen aufgrund ihrer Fähigkeit, auch wirksame Flüche oder Segnungen auszusprechen, mit der Zeit nicht mehr nur als die ansah, die das bereits festgelegte Schicksal erfaßten und aussprachen, sondern die dieses Schicksal auch selber festlegten.
In „Gylfis Vision“ werden die drei Nornen nur allgemein erwähnt. In der „Vision der Seherin“ wird hingegen auch über ein Ereignis im Zusammenhang mit ihnen berichtet.
Sie warfen im Hofe heiter mit Würfeln
Und darbten goldener Dinge noch nicht.
Bis drei der Thursen-Töchter kamen
Reich an Macht, aus Riesenheim.
Die drei Riesen-Töchter kamen nach Asgard zu den Asen. Sie hatten große Macht und beendeten das „Goldene Zeitalter“. Vermutlich sind mit diesen drei Riesinnen die drei Nornen gemeint. Sie brachten vermutlich den Tod in die Welt, was eine häufige Umdeutung des ursprünglichen Motivs der „Mutter der Wiedergeburt“ im Jenseits wäre – das, was ursprünglich den Toten im Jenseits geholfen hat, ist zu der Ursache des Todes umgedeutet worden.
Es gibt in fast jeder Mythologie auch eine Geschichte über die Entstehung des Todes, die in der Regel eine Trennung von Himmel und Erde, von Göttern und Menschen beinhaltet. Man kann zumindestens vermuten, daß es die Vorstellung gegeben hat, daß die Nornen die ursprüngliche Einheit der Welt in ein Diesseits und in ein Jenseits verursacht haben.
Diese Trennung könnte ursprünglich mit dem Abgrund Ginnungagap zwischen Nifelheim im Norden (Jenseits) und Muspelheim im Süden (Diesseits) verbunden gewesen sein.
In diesem Lied werden die Eigenschaften der verschiedenen Wesen durch ein einzelnes Verb umschrieben – in gewisser Weise ist hier die „Dichtung“ im Sinne von „auf die Essenz verdichteter und komprimierter Text“ auf die Spitze getrieben worden.
Das „weisen“ der Nornen ist hier als „das Schicksal bestimmen“ gemeint. „Iwidie“ bedeutet vermutlich „die all-Weite“ und ist wahrscheinlich eine der Asinnen – möglicherweise Freya. Vom Aufbau der Strophe her bildet sie den Ergänzungsgegensatz zu Allvater (Odin), was für Freya zutreffen würde.
Allvater waltet, Alfen verstehen,
Wanen wissen, Nornen weisen,
Iwidie nährt, Menschen dulden,
Thursen erwarten, Walküren trachten.
Die Nornen legten das Schicksal der Menschen bereits bei deren Geburt fest. Dies war ein beliebtes Motiv in den Mythen und in den Sagas.
In alten Zeiten, als Aare sangen
Heilige Wasser von Himmelsbergen rannen,
Da hatte Helgi den Großherzigen,
Borghild geboren in Bralund.
Nacht war's in der Burg, Nornen kamen,
Die dem Edeling das Alter bestimmten.
Sie gaben dem König der Kühnste zu werden,
Aller Fürsten Edelster zu dünken.
Sie schnürten scharf die Schicksalsfäden,
Daß die Burgen brachen in Bralund.
Goldene Fäden fügten sie weit,
Sie mitten festigend unterm Mondessaal.
Westlich und östlich bargen sie die Enden,
In der Mitte lag des Königs Land.
Einen Faden nordwärts warf Neris Schwester,
Ewig zu halten hieß sie dieses Band.
„Neri“ bedeutet „Spinnerin“ und ist offenbar eine Umschreibung für „Norne“. Die Schwester einer Norne ist wiederum eine Norne. Diese Umschreibung läßt vermuten, daß man die drei Nornen als Schwestern aufgefaßt hat.
Die Nornen bestimmten auch den Ausgang von Kämpfen:
Nicht alles Gute erging Dir nach Wunsch;
Doch tragen die Nornen einen Teil der Schuld.
In der Frühe fielen bei Frekastein
Bragi und Högni: Ich bin ihr Töter!
Die Ich-Person ist Helgi – er ist eine Saga-Variante des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters und Sommergottes Tyr. Högni, der bei den Südgermanen Hagen genannt wurde, ist der Wintergott Loki.
Die Nornen fügen den Menschen oft großes Unglück zu und zwingen sie sogar, Menschen im Kampf zu töten, die sie gar nicht töten wollen. So mußte z.B. Helgi den Vater (Högni) und den Bruder (Bragi) seiner Geliebten in einer Schlacht, die diese gegen ihn führten, töten.
Das alte Mythen-Motiv des endlosen, zyklischen Kampfes zwischen dem Sommergott Tyr (Helgi) und seinem Bruder, dem Wintergott Loki (Högni), ist hier schon stark umgedeutet worden.
Maid, nicht all Dein Schicksal ist gut,
die Nornen klage ich an, daß dies sein mußte:
An diesem Morgen fielen dort bei Frekastein
Bragi und Högni von meiner Hand.
In diesem Lied wird u.a. über Runen auf den verschiedensten Dingen berichtet. Die Norne trägt vermutlich als Zeichen ihrer magischen Macht eine Rune auf ihrem Fingernagel.
Es ist denkbar, daß sich die Seherinnen wirklich Runen auf ihre Fingernägel ritzen – vielleicht paßte dem Skalden aber auch nur der Stabreim zwischen „Norne“ und „Nagel“ (altnordisch: „norna nagli“) gut in den Vers.
Vermutlich werden aber zumindestens die Hände der Nornen allgemein mit ihrer magischen Kraft assoziiert worden sein. Auf dem Runenkästchen von Auzon stehen die drei Nornen im Kreis und halten ihre Hände in ihrer Mitte zusammen.
Die Runen stehen:
Auf Gold und Glas, auf dem Glück der Menschen,
In Wein und Würze, auf der Wala Sitz,
Auf Gungnirs Spitze und Granis Brust,
Auf dem Nagel der Norne und der Nachteule Schnabel.
Am Anfang des Liedes findet sich die Verse, die von der Heilkraft der Hände sprechen – vielleicht ist die Rune auf dem Fingernagel der Norne auch ein Symbol für die Heilkraft der Nornen. Dies wäre dann eine Übereinstimmung mit den heilenden Matronen.
Heil euch Asen, Heil euch Asinnen,
Heil Dir, fruchtbares Feld!
Wort und Weisheit gewährt uns zwei Edlen
Und immer heilende Hände!
An dieser Stelle wird von einer Vielzahl von Nornen gesprochen. Aus der einen Norne Urd bzw. den drei Nornen Urd, Skuld und Verdandi sind hier die Nornen vermutlich durch ihre Ähnlichkeit mit den Walküren zu einer großen Gruppe von Wesen mit unbestimmter Anzahl geworden.
Sigurd:
„Laß Dich fragen, Fafnir, da Du vorschauend bist
Und wohl manches weißt:
Welches sind die Nornen, die notlösend heißen
Und Mütter mögen entbinden?“
Fafnir:
„Verschiedenen Geschlechts scheinen die Nornen mir
Und nicht eines Ursprungs.
Einige sind Asen, andere Alfen,
Die dritten Töchter Dwalins.“
Die in den Versen genannte Hebammen-Tätigkeit („notlösend“) der Nornen zeigt, daß sie auch mit den Seherinnen-Hebammen gleichgesetzt wurden, die zu den Gebärenden gerufen wurden. Es ist gut denkbar, daß sowohl die Hebammen-Tätigkeit als auch die Seherinnen-Tätigkeit ursprünglich zu dem Aufgabenbereich der Priesterinnen gehört hat.
Die Abstammung der Nornen von den Asen, den Alfen und den Zwergen (Dwalin) ist interessant, da die Antwort des Drachen Fafnir zeigt, daß die Germanen die Nornen sowohl als „Menschen im Jenseits“ (Alfen, Zwerge) als auch als Göttinnen ansahen.
Dies ist auch die einzige Stelle, an der von weiblichen Zwergen die Rede ist – zumindestens, wenn man davon ausgeht, daß die „Töchter Dwalins“ wie Dwalin selber zu den Zwergen gehören. Diese Deutung ist jedoch unsicher, da „Dwalin“ ein Name eines der beiden Alcis-Pferdesöhne des Tyr sowie ursprünglich des Tyr selber in der nächtlichen bzw. winterlichen Unterwelt gewesen ist – und die „Tochter des Tyr“ ist die Jenseitsgöttin Freya, die zu den Nornen und Walküren vervielfältigt und umgedeutet worden ist (siehe auch den Band 22 über Freya).
In mehreren Liedern in der Edda werden tote Seherinnen beschworen, um etwas über die Zukunft zu erfahren. Es scheint somit die Tradition gegeben zu haben, daß die Seherinnen den Kontakt zu bereits verstorbenen Seherinnen aufrechterhalten haben – vermutlich insbesondere zu ihren Seherkunst-Lehrerinnen.
Dieses Bewahren des Kontaktes zu den bereits verstorbenen spirituellen Lehrern und Lehrerinnen ist weit verbreitet. Er ist ein Sonderfall des Ahnenkultes, in dem bei den verstorbenen Eltern und Großeltern Rat und Hilfe gesucht wird. In Indien wird die Folge, die sich bei den Yogis (Gurus) aus den Lehrer-Schüler-Verhältnissen ergibt, „Übertragungslinie“ genannt. Der hierzulande wohl bekannteste Fall einer Anrufung der wichtigsten Lehrer der eigenen Übertragungslinie findet sich im Neuen Testament in der Beschreibung von Christi Verklärung auf dem Berg Tabor, bei der Moses und Elijas als Christi „Lehrer“ und „Vorgänger“ erscheinen (Matthäus 17, 1-9; Markus 9, 2-8; Lukas 9, 28-36).
Die Abstammung der Nornen von den Asen ist entweder als Vergöttlichung der bereits verstorbenen Seherinnen aufzufassen oder als eine Erinnerung daran, daß die Nornen aus Freya heraus entstanden sind.
Die Nornen bestimmen unausweichlich das Schicksal:
Fafnir:
„Du nimmst für nichts der Nornen Spruch,
Mein Wort für unweise Rede.
Doch ertrinkst Du im Wasser, wenn Du im Winde ruderst:
Alle sterben, die sterben sollen.“
Die Walküre Sigdrifa spricht zu Sigurd die folgenden Worte, nachdem dieser sie aus der Waberlohe um ihr Hügelgrab befreit hat:
„Ein Hof ist auf dem hohen Hindarfiall
Ganz von Glut umgeben außen.
Ihn haben hehre Herrscher geschaffen
Aus undunkler Erdenflamme.
Auf dem Steine schläft die Streiterfahrene,
Und lodernd umleckt sie der Linde Feind.
Mit dem Dorn stach Ygg sie einst in den Schleier,
Die Maid, die Männer morden wollte.
Schaun magst Du, Mann, die Maid unterm Helme,
Die aus dem Gewühl trug Wingskornir das Roß.
Nicht vermag Sigdrifas Schlaf zu brechen
Ein Fürstensohn ehe die Nornen es fügen.“
Sigdrifa: Walküre, Frau des Sigurd
Andwari der Hecht:
„Andwari heiß ich, Oïn hieß mein Vater;
Durch manchen Flußfall fuhr ich.
Früh fügte mir eine feindliche Norne,
Ich sollt im Wasser waten.“
Andwari ist der ehemalige Sonnengott-Göttervater Tyr in der nächtlichen Unterwelt (die Sonne versinkt Abends im Meer). Die Nornen haben nicht nur das Schicksal der Menschen, sondern auch das der Götter bestimmt – sie haben die Weltordnung erschaffen, zu der u.a. der allabendliche Tod der Sonne gehört.
Hier wird schon zwischen „guten Nornen“ und „bösen Nornen“ unterschieden – die Angst vor dem Tod brachte es mit sich, daß vieles, was mit dem Tod assoziiert wurde, zu einer Todesursache umgedeutet worden ist.
Dasselbe wird auch in der Völsungen-Saga berichtet:
Andvari antwortete:
„Die Menschen nennen mich Andvari,
nennen meinen Vater Oinn,
über viele Wasserfälle bin ich gezogen;
denn eine übelwollende Norne
hat mir dieses Leben bestimmt:
für immer feuchte Wege zu wandern.“
Die Nornen erscheinen in den Texten vor allem dann, wenn ein Held das üble Schicksal beklagt, daß ihm die Nornen zugeteilt haben.
Einst geschah's, daß Sigurd Giuki besuchen kam,
Der junge Wölsung, des Wurms Besieger.
Mit beiden Brüdern schloß er den Bund;
Eide schwuren sich die Unverzagten.
Sigurd schloß mit Gunnar und Helgi, zwei der Söhne des Königs Giuki, Blutsbrüderschaft.
Sigurd ist der „junge Völsung“, d.h. der Urenkel des Königs Völsung, und er ist ebenso der Besieger des Wurmes, d.h. des Drachens.
Eine Maid bot man ihm und Menge des Schatzes,
Die junge Gudrun, Giukis Tochter.
Traulich tranken der Tage manchen
Sigurd der Junge und Giukis Söhne,
Bis sie um Brünhild zu bitten fuhren,
Da gesellte sich auch Sigurd zu ihnen,
Der junge Wölsung, den Weg zu zeigen;
Sein wäre sie, wenn es das Schicksal wollte.
Das „Schicksal“ sind die Nornen.
Sigurd mußte für Gunnar durch die Waberlohe reiten, da sich Gunnar und sein Roß dies nicht trauten. Dabei nahm Sigurd Gunnars Gestalt an. Brünhilde wußte nichts von dieser Verwandlung.
Danach übernachtete Sigurd bei der Walküre Brünhild, die mit Sigdrifa identisch ist:
Sigurd der Südliche: sein Schwert legt er,
Die zierliche Waffe, mitten zwischen sie.
Er küßte nicht die Königin,
Der hunnische Held hob sie nicht in den Arm;
Dem Erben Giukis gab er die Junge.
Wenn ein Ritter gezwungen war, mit einer fremden Frau in einem Bett zu übernachten, legte er sein Schwert sich und die Frau, damit klar war, daß sie zwar nebeneinander, aber nicht miteinander schliefen.
Der „hunnische Held“ ist Sigurd. Der „Erbe Giukis“ ist Gunnar.
An seinem Leibe lag kein Tadel,
Zu rügen war an dem Reinen nichts,
Kein Fehl zu finden noch vorzugeben.
Inmitten gingen grimme Nornen.
Die grimmen Nornen in der Mitte sind hier möglicherweise das trennende Schwert, das symbolisierte, daß Sigurd zwar in der Gestalt des Gunnar um Brünhilde warb, aber der Verlockung widerstand, sich nicht mit ihr zu vereinen.
Es könnte allerdings auch das drohende Unheil gemeint sein, daß dadurch entstanden ist, daß Sigurd die Gestalt des Gunnar angenommen und Brünhild aus seiner Freundschaft zu Gunnar heraus darüber getäuscht hat, wer er wirklich ist – was schließlich zu dem Tod des Sigurd, der Brünhild, des Gunnar und noch vielen anderen geführt hat (siehe auch den Band 38 über Sigurd).
Einsam saß sie außen, wenn der Abend kam,
Irr vor Liebe ließ sie die Rede nicht:
„Sterben will ich oder Sigurd hegen,
Den alljungen Mann, in meinem Arm.
Die rasche Rede, nun reut sie mich wieder:
Seine Gattin ist Gudrun, da ich Gunnars bin.
Üble Nornen schufen mir langes Begehren.“
Brünhild ist in Sigurd verliebt, der sich an seine Liebesschwüre ihr gegenüber jedoch aufgrund eines Vergessens-Trankes, den ihm Gudruns und Gunnars Mutter Kriemhild gereicht hatte, nicht mehr erinnern konnte.
Die Nornen, die der Brünhild „Unheil schufen“, sind in gewisser Weise die zauberkundige Königin Kriemhild.
In diesem Lied, dessen Titel etwas moderner übersetzt „Gudruns Provokation“ lauten könnte, ist die Redewendung „den Nornen gram sein“ eine Umschreibung für „mit seinem Schicksal hadern“ und im weiteren Sinne auch für „Depression“. Gudrun wollte sich im Meer ertränken, aber die Wogen verschlangen sie nicht, sondern trugen sie an eine ferne Küste.
Den Nornen gram ging ich an den Strand,
Ihrem Zorn wollt ich entfliehn.
Doch die hohen Wogen trugen mich unertränkt
bis ich an Land kam, sodaß ich noch länger leben mußte.
In der Thorsdrapa, die von dem Skalden Eilifir Godrunason um ca. 980 n.Chr. verfaßt worden ist, findet sich ein indirekter Hinweis auf die Nornen, die an dieser Stelle als Weberinnen aufgefaßt werden.
Der Vater des Meer-Seiles begann den Zerschneider
des Lebensnetzes der Götter der Flucht-Felsvorsprünge
zum Verlassen seines Heimes anzutreiben.
Das „Meer-Seil“ ist Jörmungandr. Der „Vater des Jörmungandr“ ist Loki.
Die „Flucht-Felsvorsprünge“ sind Landzungen, auf die die Riesen fliehen, und im weiteren Sinne Utgard, das als Gebirgszug rings um das Weltmeer liegt. Die „Götter der Landzungen“ sind die Riesen. Das „Lebensnetz“ besteht vermutlich aus den Schicksals- und Lebensfäden, die von den Nornen gesponnen werden. In den germanischen Überlieferungen wurde das Bild des Spinnens der Nornen manchmal zum Weben, Schneidern u.ä. ausgebaut. Das „Zerschneiden des Lebensnetzes“ bedeutet „töten“. Der „Zerschneider des Lebensnetzes der Riesen“ ist Thor, der Riesen-Töter.
Kenning-freie Übersetzung: „Loki begann Thor zum Verlassen von Asgard anzustacheln.“
Die Asen ahnten übles Verhängnis,
Verwirrt von widrigen Winken der Seherin.
Urda sollte Odhrörir bewachen,
Wenn sie wüßte so großen Schaden zu wehren.
Urd(-a) ist eine der drei Nornen, die unter den Wurzeln der Weltesche der Unterwelt sitzen und das Schicksal bestimmen. Da sie das Schicksal kennt, kann sie entweder selber als Seherin aufgefaßt werden oder als diejenige, an die sich die Seherinnen innerlich wenden, um die Zukunft zu erkennen.
„Ödrörir“ bedeutet „der die Ekstase anregt“. Dies ist ein Name für den Göttermet, der die Götter unsterblich macht. Da Urd ihn bewacht, muß er sich in der Unterwelt befinden.
Auch im Wegtam-Lied wird von einer toten Seherin dem Odin gesagt, daß der Met in der Unterwelt für seinen Sohn Baldur bereitsteht: „Hier steht dem Baldur der Becher eingeschenkt: der schimmernde Trank, vom Schild bedeckt.“
Aufgrund der engen Verbindung zwischen den Nornen und der Unterweltsherrin Hel konnten die Skalden der Germanen auch sagen, daß sich der Met für die Toten bei den Nornen befindet bzw. daß die Norne Urd diesen Met bewacht.
Hel ist ursprünglich ein Beiname der Göttin Freya als der Wiederzeugungs-Geliebten, Wiedergeburts-Mutter und Wiederstillens-Amme der Toten gewesen. „Hel“ bedeutet „Höhle“ und bezieht sich auf die Grabkammer im Hügelgrab, in der sich der Tote nach seiner Bestattung mit der Jenseitsgöttin vereint, um dann anschließend von ihr wiedergeboren zu werden.
Die drei Nornen werden auf verschiedenerlei Weise umschrieben, wobei die dabei benutzten Kenningar (Umschreibungen) oft Bezug auf andere Mythen nehmen, die z.T. leider nicht erhalten geblieben sind.
Die folgenden Verse stammen aus einem der vielen Rätsel-Wettstreite, durch die der neue Göttervater Odin seine Überlegenheit über den alten Göttervater Tyr beweisen wollte.
Gangrad (Odin):
„Viel bin ich gewandert,
viel habe ich erfahren,
viel habe ich die Götter befragt:
Welches sind die Mädchen,
deren Geist voller Weisheit ist
und die über das Meer fliegen?“
Wafthrudnir (Tyr als Riese in der Unterwelt):
„Mögthrasirs Mädchen
kommen über die Dörfer
dreier Völker:
Die einzigen Schutzgeister
für die, die in ihrem Heim sind,
obwohl sie aus der Riesen Sippe stammen.“
Die „hamingias“ sind Schutzgeister. Dieses Wort bezeichnet daher auch das „Glück im Leben“ und das „gute Schicksal“.
Die drei als „hamingia“ bezeichneten Mädchen kennen die Zukunft und müssen folglich die drei Nornen sein. Ihr Fliegen über den Heimen der Menschen zeigt, daß sie auch als Walküren aufgefaßt worden sind, die sich in Schwäne verwandeln konnten.
Diese Schwanenfrauen erscheinen auch in einigen Sagas wie z.B. der, die über Hromund berichtet, als die Schutzgeister von Kriegern. Sie schweben im Kampf in der Gestalt eines Schwans über dem Mann, den sie beschützen.
Offenbar war auch der Übergang zwischen den Nornen und den Schutzgeistern fließend. Dies ist insofern logisch, als daß mit dem eigenen Schutzgeist, der letztlich die eigene Seele ist, das Schicksal dieser Seele und somit des Menschen, zu dem sie gehört, eng verbunden ist.
Diese drei Schutzgeister werden von dem Tyr-Riesen Wafthrudnir in seiner Antwort als „Mögthrasirs Mädchen“ bezeichnet. Dieser Riese wird ausschließlich an dieser Stelle erwähnt.
Sein Name setzt sich aus den Worten „mög“ und „thrasir“ zusammen. Das Substantiv „mögr“ bedeutet eindeutig „Sohn“. Das Verb „thrasir“ hat jedoch eine recht weite Bedeutungsvielfalt, deren gemeinsame Wurzel eine schnelle, zielgerichtete Bewegung zu sein scheint:
bewegen, schnell bewegen, drohend stürmen;
nach etwas streben, nach etwas verlangen, etwas lieben;
sich aufregen;
streiten, angeben, laut sprechen; und
wiehern, schnauben.
Die Bedeutung dieses Wortes wird auch durch die Personennamen, in denen es vorkommt, deutlicher:
„Thrasa“ ist folglich etwas, was man mit der Hand macht, was man während des Gehens tun kann, was den Sieg im Kampf fördert, was den Frieden herstellt oder erhält, und was schließlich ein von Königen angestrebtes Ziel ist. Auch diese Zusammenstellung weist auf ein zielgerichtetes, kämpferisches Streben hin.
Schließlich finden sich in der germanischen Mythologie noch Lif und Lifthrasir als die Namen der beiden ersten Menschen. Der Name „Lif“ der germanischen „Eva“ bedeutet „Leben“. Der Name des germanischen „Adam“ bedeutet den bisherigen Betrachtungen über das Wort „thrasir“ zufolge in etwa „der nach dem Leben strebt“.
Der Name des Riesen „Mögthrasir“ hat daher vermutlich die Bedeutung „der mit all seiner Kraft danach strebt, einen Sohn zu erlangen“.
Solch ein Streben gibt es zwar auch allgemein bei Menschen (das Streben nach einem Sohn vor allem bei Männern), aber es gibt auch eine mythologische Situation, die von diesem Streben geprägt ist: Nach dem Tod strebten die Toten danach, sich mit der Göttin im Jenseits zu vereinen, um dann anschließend von ihr als der eigene Sohn wiedergeboren zu werden. Diese Symbolik findet sich auch bei den Asen und insbesondere bei dem Göttervater Tyr/Odin – ihr liegen die vielen Reisen der Götter in das Jenseits zu den Riesinnen zugrunde und auch das Überleben der Göttersöhne von Thor und Odin nach dem Ragnarök.
Der Riese Mögthrasir scheint also mit der Wiedergeburt im Jenseits verbunden zu sein. Da die verstorbenen Menschen eher als Zwerge oder eben als tote Krieger (Einherier) dargestellt wurden und einige Riesen wie Mimir, Hymir, Hraesvelgr, Thiazi oder Ölwaldi aus dem am Abend sterbenden ehemaligen Sonnengott-Göttervater Tyr entstanden sind, könnte auch Mögthrasir solch ein Tyr-Riese sein.
Die drei Nornen-Walküren als Tyrs Töchter würden dann den Walküren als den Töchtern des Odin entsprechen. Dies entspricht der Auffassung einiger Nornen als den „Töchtern Dwalins“, da „Dwalin“ auch ein Name des Tyr als Zwerg bzw. als Zwergenkönig in der Unterwelt ist.
Diese Auffassung der Schicksals-Bestimmerinnen als den Töchtern des Göttervaters ist vermutlich nicht sehr alt, da zum einen die Anordnung der Götter in einer großen Sippe nicht vor die kulturelle Phase des Königtums und Fürstentums zurückreicht und da es zum anderen die Nornen in den überlieferten Texten auch noch als eigenständig handelnde Wesen erscheinen. Diese Umdeutung fand recht sicher zusammen mit dem Anstieg der Bedeutung des Göttervaters statt, nach dem dieser Gott zu einem Fürsten der Götter geworden war.
Die Auffassung der Nornen als Wesen aus Riesenheim zeigt, daß die drei „Mädchen“ aus dem Jenseits bzw. aus dem Hügelgrab, das beides „Riesen-Heim“ genannt werden konnte, stammen.
Ursprünglich sind die Nornen ein Aspekt der Jenseitsgöttin gewesen.
Im Sonnenlied wird über einen „Stuhl der Nornen“ berichtet, der mit dem Thron der Seherinnen und mit Odins Hochsitz Hlidskialf identisch sein wird.
Dieser Thron zeigt, wie sehr sich die Seherinnen und die Nornen nicht nur von ihren Tätigkeiten her, sondern auch von ihrer Ikonographie her gleichen.
Auf der Nornen Stuhl saß ich neun Tage,
Ward dann auf den Hengst gehoben.
Schauerlich schien die Sonne der Riesin
Aus Nacht und Nebel nieder.
Die „neun Tage“ weisen auf das Jenseits hin – die „9“ ist bei den Germanen ein Art Adjektiv mit der Bedeutung „zum Jenseits gehörend“ gewesen (siehe auch „9“ in Band 47).
Der Hengst ist sowohl das Reittier für den Weg in das Jenseits, der auf den Runensteinen häufig dargestellt wird, als auch das Opfertier, das die Zeugungskraft des Toten bei seiner Wiederzeugung im Jenseits sichern sollte.
Die „Sonne der Riesin“ könnte entweder die „Sonne in der Unterwelt der Hel“ oder die „von der Riesin wiedergeborene Sonne“ bedeuten.
Nacht und Nebel wurden als Analogien zu dem Jenseits aufgefaßt und waren daher naheliegende Beschreibungen des Jenseits – „Niflheim“ bedeutet wörtlich „Nebel-Ort“ und im übertragenden Sinne „Jenseits“. Zudem befand sich die Sonne des Nachts in der Unterwelt.
In einer Strophe eines unbekannten Skalden heißt es über die Nornen:
Die Nornen heißen
(dies sind die, die das Schicksal schaffen)
Nipt und Disen;
nun denke ich daran, dies zu berichten.
„Nipt“ ist ein schon im Altnordischen recht altertümliches Wort für „Schwester“. Die drei Nornen sind offenbar als Schwestern angesehen worden. Dazu paßt auch, daß im dem bereits angeführten ersten Helgi-Lied eine der Nornen als „Neris Schwester“ bezeichnet wird.
„Dise“ bedeutet „Göttin“. Die wichtigste Dise ist Freya gewesen, aus der heraus die Nornen entstanden sind.
Im Altenglischen und im Englischen werden die drei Nornen als die „weird sister“ umschrieben, d.h. als die „Wyrd-Schwestern“. „Wyrd“ ist die Urform des Namens „Urd“. Die „weird sisters“ sind somit die „Schicksals-Schwestern“. Diese Umschreibung bestätigt noch einmal die Auffassung der drei Nornen als drei Schwestern.
Die „weird sisters“ sind in neuerer Zeit durch die „Harry Potter“-Bücher als der Name einer nur aus Frauen bestehende Band bekannt geworden.
Es gibt drei Nornen, die Schwestern sind. Sie heißen Urd, Verdandi und Skuld.
Sie sitzen am Eingang zur Unterwelt – an der Urd-Quelle unter dem Weltenbaum.
Sie sind vielwissende und mächtige Frauen und bestimmen das unausweichliche Schicksal der Menschen.
Die Nornen binden die von ihnen gesponnenen goldenen Schicksalsfäden nach allen Richtungen hin über die Erde zu einem Lebensnetz, das das Schicksal der Götter und der Menschen lenkt.
Da die Nornen das Schicksal festgelegt hatten, kannten sie dieses Schicksal auch – und waren daher die allwissenden Seherinnen auf dem Seherinnen-Hochstuhl.
Die Macht der Nornen zeigt sich u.a. daran, daß sie sich Runen auf die Fingernägel gemalt haben.
Sie bestimmen auch den Todeszeitpunkt des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr (Helgi, Andwari, Dwalin). Dieser Zeitpunkt ist der Abend bzw. der Herbst. Anschließend liegt Tyr in der Grabkammer seines Hügelgrabes, d.h. in der Unterwelt gefangen. Das Beenden der „Goldzeit“ der Asen ist eine Umdeutung des abendlichen Untergangs der goldene Sonne – der Tag ist die „goldene Zeit“.
Die Nornen bestimmen auch, daß Tyr-Helgi der kühnste und größte König wird.
Die Nornen sind auch mit der Geburt verbunden: Sie helfen den gebärenden Frauen und sie bestimmen auch den Zeitpunkt bzw. die Art der Wiedergeburt des Tyr.
Die Saga-Variante der Nornen sind die Walküren (Sigdrifa-Brünhild) und die Saga-Variante des Tyr ist der Held-König (Helgi, Sigurd-Sigfried). Aus der Wiedergeburt des Sonnengott-Göttervaters (Tyr) durch die Göttin (Freya) ist in der Saga die Erlösung einer Frau durch einen Helden geworden.
Zu der Wiedergeburt gehört auch das Wiederstillen, das über die Umdeutung der Milch der Göttin zu dem Ritual-Met schließöich zu dem Motiv des Bewachens des Mets für die Toten durch die Norne Urd geworden ist. Diesen Met erhalten auch Odin (von Gunnlöd) und Baldur, der der umgedeutete Tyr ist (von Hel). In dieser Funktion als die Hüterin des Mets ist Urd auch die Jenseitsgöttin Hel, die der gefürchtete Totenherrin-Aspekt der Freya ist.
Die drei Nornen wurden auch als Thursen-Töchter, d.h. als Riesinnen angesehen. Das bedeutet vor allem, daß sich die Nornen im Jenseits befinden. Sie konnten auch als Alfen, d.h. Jenseits-Wesen aufgefaßt werden. Des weiteren faßte man sie auch Asinnen und als Disen (Göttinnen) auf.
Diese schicksalsbestimmende Asin-Göttin im Jenseits ist die Jenseitsgöttin Freya.
Da Freya zur Tochter des Göttervaters umgedeutet worden ist, konnte sie auch als Tochter des Tyr (Dwalin, Mögthrasir) aufgefaßt werden.
In späterer Zeit sind die Nornen in gute und böse Nornen polarisiert worden. Dasselbe Phänomen findet sich auch bei den Walküren, die die Botinnen der Nornen sind. Wie die Nornen sind sie durch eine Vervielfältigung eines Aspektes der Freya entstanden.
Naturgemäß haderten die Menschen des öfteren mit dem, was die Nornen für sie festgelegt hatten …
„Unter der dritten Wurzel der Esche, die zum Himmel geht, ist ein Brunnen, der sehr heilig ist, Urds Brunnen genannt: da haben die Götter ihre Gerichtsstätte; jeden Tag reiten die Asen dahin über Bifröst, welche auch Asenbrücke heißt.
Die Pferde der Asen haben diese Namen: Sleipnir, das beste, hat Odin – es hat acht Füße; das andere ist Glad, das dritte Gyllir, das vierte Gier, das fünfte Skeidbrimir, das sechste Silfrintopp, das siebente Sinir, das achte Gils, das neunte Falhofhir, das zehnte Gulltopp, das elfte Lettfeti.
Baldurs Pferd ward mit ihm verbrannt. Thor geht zu Fuß zum Gericht und watet über folgende Flüsse:
Körmt und Örmt und beide Kerlaug
Watet Thor täglich,
Wenn er hinfährt Gericht zu halten.
Bei der Esche Yggdrasil.
Denn die Asenbrücke steht all in Lohe,
Heilige Fluten flammen.“
Da frug Gangleri: „Brennt denn Feuer auf Bifröst?“
Har antwortete: „Das Rote, das Du im Regenbogen siehst, ist brennendes Feuer. Die Hrimthursen und Bergriesen würden den Himmel ersteigen, wenn ein jeder über Bifröst gehen könnte, der da wollte.
Viele schöne Plätze gibt es im Himmel, die alle unter dem Schutz der Götter stehen. So steht ein schönes Gebäude unter der Esche bei dem Brunnen: aus dem kommen die drei Mädchen, die Urd, Skuld und Werdani heißen. Diese Mädchen, welche aller Menschen Lebenszeit bestimmen, nennen wir Nornen.
Es gibt noch andere Nornen, nämlich solche, die sich bei jedes Kindes Geburt einfinden, um ihm seine Lebensdauer anzusagen. Einige sind von Göttergeschlecht, andere von Alfengeschlecht, noch andere vom Geschlecht der Zwerge, wie hier gesagt wird:
Gar verschiednen Geschlechts scheinen mir die Nornen,
Und nicht eines Ursprungs.
Einige sind Asen, andere Alfen,
Die dritten Töchter Dwalins.“
Da sprach Gangleri: „Wenn die Nornen über das Geschick der Menschen walten, so teilen sie ihnen schrecklich ungleich aus. Die einen leben in Macht und Überfluß, die anderen haben wenig Glück noch Ruhm; die einen leben lange, die andern kurze Zeit.“
Har antwortete: „Die guten Nornen und die, die von guter Herkunft sind, schaffen Glück – und geraten einige Menschen in Unglück, so sind die bösen Nornen schuld.“
Diese Aufteilung in gut und böse scheint es auch bei den Walküren zu geben. So reiten z.B. am Ende des Darradar-Liedes sechs der zwölf Walküren nach Süden zu dem „guten“ Muspelheim des Göttervaters und die anderen sechs nach Norden in das „böse“ Niflheim der Hel. Diese polarisierende Zuordnung wird dort zwar nicht explizit erwähnt, aber sie ergibt sich aus der allgemeinen mythologischen Richtungs-Symbolik der Germanen (siehe Band 54).
Das altnordische Substantiv „brudr, brunnr“ bezeichnet sowohl eine Quelle als auch einen Brunnen. Ursprünglich ist die Quelle die übliche Wasserstelle gewesen – der Brunnen als künstlich hergestellte Wasserstelle hat den alten Namen der Quelle übernommen. Die germanische Wurzel des altnordischen Wortes „brudr, brunnr“ lautete „brunna“ und hat eine Quelle bezeichnet. Diese Begriffe stammen von dem indogermanischen „bhrun“ für „Hervorquellendes, Quelle“ ab.
Die Bedeutung des deutschen Wortes „Brunnens“ hat sich auf die „künstliche Quelle“ verengt. Die alte Bedeutung hat sich im Deutschen noch in dem Substantiv „Brandung“ und in den beiden Verben „brodeln“ und „brauen“ erhalten – die sprudelnde Quelle wird hier mit den Meereswogen am Strand bzw. mit dem kochenden Wasser verglichen.
Diese Quelle bzw. dieser Brunnen wird mit einigen weiteren Einzelheiten noch einmal in Gylfis Vision beschrieben:
Auch wird erzählt, daß die Nornen, welche an Urds Brunnen wohnen, täglich Wasser aus dem Brunnen nehmen und es zugleich mit dem Lehm, der um den Brunnen liegt, auf die Esche sprengen, damit ihre Zweige nicht dorren oder faulen.
Dies ist eine allgemein übliche Methode, um Obstbäume zu schützen – das Motiv stammt daher wohl aus dem Gartenbau-Wissen der Germanen. Die Nornen am Weltenbaum sind dadurch zu den Gärtnerinnen geworden, die den Weltenbaum wie einen Obstbaum pflegen. Das diesem Motiv zugrundeliegende Motiv ist die Auffassung des Weltenbaumes als dem Apfelbaum der Idun, dessen Äpfel den Asen die ewige Jugend gaben.
Dieses Wasser ist so heilig, daß alles, was in den Brunnen kommt, so weiß wird wie die Haut, die inwendig in der Eierschale liegt.
Die Farbe „weiß“ ist bei fast allen Völkern eng mit dem Wort „heilig“ verwandt. Dies liegt vermutlich zum einen daran, daß „weiß“ auch eine Bezeichnung für „rein“ ist, und zum anderen daran, daß man beim Erlernen des Hellsehens die Lebenskraft zunächst einmal undifferenziert als einen milchigweißen Nebel wahrnimmt.
So heißt es:
Eine Esche weiß ich, Yggdrasil genannt,
Ein hoher Baum, mit schneeweißem Lehm besprenkelt;
Von dort kommt der Tau, der in die Täler fällt
– der Baum steht immergrün über Urds Brunnen.
Den Tau, der von ihr auf die Erde fällt, nennt man Honigtau: davon ernähren sich die Bienen. Auch nähren sich zwei Vögel in Urds Brunnen, die heißen Schwäne und von ihnen kommt das Vogelgeschlecht.
Die beiden Schwäne in dem Brunnen der Urd werden Seelenvögel sein, da der Brunnen der Eingang ins Jenseits ist und die Schwäne bzw. Gänse bei den Indogermanen die beliebtesten Symbole für die Seele sind.
Die beiden Schwäne werden auch die Walküren sein, die aus der Verbindung der Nornen als Bestimmerinnen des Todeszeitpunktes und der Schwäne als Seelenvögel entstanden sind: Die Walküren sind Botinnen der Nornen, die den Menschen ihren nahenden Tod verkünden und die sich mithilfe ihres Schwanengewandes in Schwäne verwandeln können.
In diesem Text wird Skuld die „jüngste der drei Nornen“ genannt – die drei Schicksalsfrauen sind folglich zwar Schwestern, aber keine Drillinge.
Diese werden Walküren genannt: Sie sendet Odin in die Schlacht und sie bestimmen den Tod der Männer und verleihen den Sieg. Gudr und Rota und die jüngste der Nornen, die, die Skuld genannt wird, reiten immer zu den Gefallenen und entscheiden die Kämpfe.
Skuld scheint somit sowohl eine Norne als auch eine Walküre zu sein.
In dieser Vision erzählt Har dem König Gylfi auch etwas über die beiden Wölfe, die beim Ragnarök die Sonne und den Mond fressen werden. Dabei berichtet er indirekt auch noch einmal etwas über die Nornen:
Da frug Gangleri: „Von welcher Herkunft sind diese Wölfe?“
Har antwortete: „Ein Riesenweib wohnt östlich von Midgard in dem Wald, der Jarnwid heißt. In diesem Walde wohnen die Zauberweiber, die man Jarnwidiur nennt.
Jenes alte Riesenweib gebiert viele Riesenkinder, alle in Wolfsgestalt und von ihr stammen die Wölfe.
Es wird gesagt, der Mächtigste dieses Geschlechts werde der werden, welcher Managarm heißt. Dieser wird mit dem Fleisch aller Menschen, die da sterben, gesättigt; er verschlingt den Mond und überspritzt den Himmel und die Luft mit seinem Blut; davon verfinstert sich der Sonne Schein und die Winde brausen und sausen hin und her.
So heißt es in der Wöluspa:
Östlich sitzt die Alte im Eisengebüsch
Und füttert dort Fenrirs Geschlecht.
Von ihnen allen wird eins das schlimmste:
Des Mond-Mörders übermenschliche Gestalt.
Ihn mästet das Mark gefällter Männer,
Der Seligen Saal besudelt das Blut.
Der Sonne Schein dunkelt in kommenden Sommern;
Alle Wetter wüten; wißt ihr, was das bedeutet?“
„Jarnwid“ bedeutet „Eisenwald“. Das Eisen ist in vielen alten Kulturen ein Symbol des Jenseits gewesen, weil die Meteoriten, die vorwiegend aus Eisen bestehen, als vom Himmel bzw. vom Himmelsjenseits abgebrochen Stücke aufgefaßt worden sind. Der Eisenwald ist folglich ein Jenseitswald – der Wald „Myrkvid“ („Düsterwald“), durch den man reiten muß, um zur Hel zu gelangen.
Eine „Eisenwald-Frau“ ist demnach eine Jenseitsfrau – Hel oder die Nornen.
„Managarm“ bedeutet „Mondhund“.
In der Einleitung zu der Heimskringla, dem mythologisch-historischen Werk des Skalden Snorri Sturluson, der auch die Prosa-Edda verfaßt hat, findet sich eine ausführliche Darstellung der magischen Fähigkeiten des Odin, die u.a. auch die Sehergabe, d.h. das Erkennen des Wyrd enthält.
In diesem Text zeigt sich deutlich, daß dieses Erkennen des Wyrd als Bestandteil der umfassenderen Fähigkeit, mit den Göttern Kontakt aufzunehmen und Magie auszuüben, aufgefaßt worden ist.
Als Odin aus dem Asen-Land nach Norden kam und mit ihm die Diar-Priester, zeigten und lehrten sie den Leuten die Künste, die diese danach für lange Zeit ausübten.