Die Psychologie der Macht - Carsten C. Schermuly - E-Book

Die Psychologie der Macht E-Book

Carsten C. Schermuly

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Beschreibung

Immer mehr Menschen sind bereit, immer mehr Macht in die Hände von immer weniger Menschen zu legen. Besonders in unserer von Krisen und Unsicherheiten geprägten Zeit scheinen sich viele nach starken Führungspersönlichkeiten zu sehnen. Doch Macht kann bei denjenigen, die sie innehaben, geradezu euphorisierend wirken und ein Suchtpotenzial auslösen. Deswegen geben viele sie ungern wieder ab. Sie kann aber auch eine Metamorphose auslösen, die viele Menschen impulsiver, weniger empathisch und korrupter werden lässt.  Carsten C. Schermuly ist überzeugt, dass ein guter Umgang mit Macht notwendig und möglich ist, wenn man versteht, wie sie psychologisch funktioniert. Sein Buch ist ein Appell im gesellschaftlichen Alltag, in Organisationen und Zusammenarbeit von Menschen, mit Macht sensibler und verantwortungsvoller umzugehen. Er erklärt uns, wie Macht auf verschiedenen Ebenen psychologisch funktioniert. Er macht ihre psychologischen Wirkungen transparent, damit wir sie erkennen und bewusster damit umgehen: - Welche Ressourcen machen Menschen mächtig? - Was passiert in unserem Körper, wenn wir Macht haben oder verlieren? - Wie verändert Macht unsere Wahrnehmung, unser Denken und unser Verhalten? - Wen lassen wir in Organisationen zur Macht aufsteigen? - Wie kann Macht auf Menschen weniger negative Wirkungen entfalten? - Wie kann psychologisches Empowerment als Ersatzstoff für die pure Macht genutzt werden? - Wie schafft man verteilte Machtstrukturen und wählt die Mächtigen in Organisationen besser aus? - Wie kann Macht in Organisationen besser für das Gemeinwohl genutzt werden?Sensibilisierung für die Macht und die Konsequenzen für unsere Psyche Das Buch zeigt uns nicht, wie wir schnell an die Macht kommen. Es ist keine psychologische Gebrauchsanweisung, sein Umfeld so zu manipulieren, dass wir der nächste Super-Diktator werden. Sondern es zeigt uns, wie wir selbst in Machtpositionen manipuliert werden, wie wir uns auf diese vorbereiten und und verantwortungsvoller mit Macht umgehen können. Carsten C. Schermuly stellt uns dafür Informationen aus der psychologischen Forschung zur Verfügung. Denn: Nur Sie haben Macht! Nur Sie können Ihr Verhalten ändern und Verantwortung für eine gute Macht in Ihrem Alltag übernehmen.  

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Seitenzahl: 340

Veröffentlichungsjahr: 2025

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[7]Inhaltsverzeichnis

InhaltEinleitungTeil 1: Was ist Macht und wie wirkt sie psychologisch?1. Die Definition(en) der MachtVerschiedene Zugänge zur MachtDas Gegenteil von Machtgefühlen: erlernte Hilflosigkeit2. Die Grundlagen der MachtDie Macht zu bestrafenDie Macht zu belohnenDie legale und die legitimierte MachtDie Macht der Expertinnen und ExpertenDie Macht des Charismas Die Seite der Führenden: Was machen Menschen, wenn sie charismatische Macht einsetzen?Die Seite der Geführten: Ihre Bedürfnisse und die Konsequenzen ihrer Gefolgschaft3. Die Biologie der MachtWas den Menschen mächtig machtKörperliche FähigkeitenGeistige FähigkeitenPhysiologische Reaktionen auf Macht und drohenden MachtverlustPhysiologische Reaktionen auf Machtlosigkeit4. Die Metamorphose durch MachtErleben – Macht macht glücklichWahrnehmung – Mächtige stereotypisieren und objektifizierenEmpathie – Macht lässt das Mitgefühl schwindenVerhalten – Macht korrumpiert und führt zu enthemmtem VerhaltenDie Kommunikation der Mächtigen5. Wege zur MachtMächtig sein und werden durch RessourcenFührungsemergenz: Wen lassen wir mächtig werden?Attraktivität – Ich bin mächtig schönKörpergröße – Ich überrage andereName und Verwandtschaft – Mein Vater war auch schon an der MachtGeschlecht – Ich bin ein Mann und heiße ThomasPersönlichkeitsfaktoren – Dienen wir bereitwillig dem Dunklen Lord?Verhaltensweisen – Welches Verhalten macht mächtig?6. Die Strukturen der MachtVorteile von HierarchienNachteile von HierarchienDie größte Schwäche der Hierarchie: Blinder AutoritätsgehorsamTeil 2 Wie gelingt ein verantwortungsvoller Umgang mit Macht?7. Impulse auf der IndividualebeneImpuls I: Reflektieren Sie ehrlich über sich und die MachtEntwickeln Sie ein Gespür für die Alltäglichkeit der MachtWerden Sie sich über Ihr Machtmotiv klarSetzen Sie Macht für die Interessen der Gemeinschaft einBetrachten Sie, was die Macht aus Ihnen machtImpuls II: Pflegen Sie ein kritisches UmfeldImpuls III: Rahmen Sie die Macht mit Sinn, Selbstbestimmung und Kompetenzerleben ein – Empowerment statt purer MachtSinnSelbstbestimmungKompetenzerlebenImpuls IV: Lassen Sie sich nicht von Angst in die autoritäre Macht treiben8. Impulse auf der OrganisationsebeneImpuls I: Ergänzen Sie Ihr Organigramm durch eine MachtlandkarteImpuls II: Sorgen Sie für eine gute Auswahl Ihrer MächtigenMachtdiagnostik I: Das strukturierte InterviewMachtdiagnostik II: Die Arbeitsprobe Machtdiagnostik III: Die Simulation von signifikanten MachtsituationenImpuls III: Praktizieren Sie die empowermentorientierte Führung in Ihrer OrganisationWeg 1: Empowerndes FührungsverhaltenWeg 2: Das eigene Empowermenterleben ist ansteckendWeg 3: Das Arbeitsumfeld auf Empowerment ausrichtenImpuls IV: Schaffen Sie verteilte Machtstrukturen in OrganisationenMachtteilung in kleinen OrganisationenMachtteilung in großen OrganisationenImpuls V: Schaffen Sie eine positive Kultur des Machtverzichts9. Gesellschaftliche SchlussbetrachtungenDanksagung AnmerkungenLiteraturverzeichnis
[1]

Hinweis zum Urheberrecht:

Alle Inhalte dieses eBooks sind urheberrechtlich geschützt.

Bitte respektieren Sie die Rechte der Autorinnen und Autoren, indem Sie keine ungenehmigten Kopien in Umlauf bringen.

Dafür vielen Dank!

Haufe Lexware GmbH & Co KG

[4]Für Moritz. Ich wünsche dir im 21. und 22. Jahrhundert ein Leben in Frieden.

[10]Einleitung

Sie haben ein Buch über die Psychologie der Macht gekauft und jetzt lesen Sie es auch noch. Das freut mich, doch darf ich Ihnen die Frage nach dem »Warum« und »Wozu« stellen? Warum interessiert Sie Macht? Wozu lesen Sie ein Buch über die Psychologie der Macht? Erlauben Sie mir, ein wenig Erwartungsmanagement zu betreiben. Sie lesen kein Buch, das Ihnen zeigt, wie Sie schnell an Macht kommen. Dies ist keine psychologische Gebrauchsanweisung, wie Sie Ihr Umfeld so manipulieren, dass alle nur noch auf Sie hören. Schon im Jahr 1513 hat Machiavelli in seinem Exil ein solches Buch geschrieben. Im vorliegenden Buch soll es um etwas anderes gehen.

Sie werden darin unter anderem erfahren, dass Macht bei Affen und Menschen wie eine Droge wirken kann, da sie ähnliche Hirnareale und Hirnprozesse aktiviert. Viele, die den Nektar der Macht gekostet haben, wollen auf diese Süße in ihrem Leben nicht mehr verzichten. Doch hat Macht damit nicht nur ein Abhängigkeitspotenzial. Sie verändert auch das Denken, das Erleben und das Verhalten. Macht kann eine Metamorphose mit unangenehmen Folgen auslösen. Sie korrumpiert, verstärkt impulsives Verhalten und reduziert die Empathie gegenüber anderen Menschen. Das hatte in der Menschheitsgeschichte regelmäßig dramatische Folgen.

In diesem Buch möchte ich Sie deshalb dafür sensibilisieren, was es für Sie persönlich und andere bedeuten kann, selbst Macht zu haben – oder sie gerade nicht zu haben. Liebe und Macht sind die beiden Dimensionen, die nach Überzeugung von Sozialpsychologinnen und Sozialpsychologen die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, am stärksten bestimmen. In jedem Zusammentreffen klären Menschen, ob sie sich mögen und wer von ihnen mehr und wer weniger Macht [11]besitzt. Über Liebe wird in unserer Gesellschaft viel geschrieben und gesprochen. Es ist an der Zeit, auch über die enorme Bedeutung von Macht in unserem Alltag zu diskutieren.

Doch nicht nur im Alltag stoßen wir auf alle möglichen Machtkonstellationen. Auch Organisationen werden von Machtprozessen geprägt, und umgekehrt prägen Organisationen Machtprozesse. Nur auf den ersten Blick verlor Sam Altman, der CEO von OpenAI, den Kampf um die Macht bei dem KI-Unternehmen. Vielmehr büßte das Kontrollgremium von OpenAI nach Altmans Kündigung die Kontrolle ein, als daraufhin über 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter drohten, das Unternehmen zu verlassen. Allein programmieren konnte die Unternehmensspitze nicht. Altman kehrte als »Sam Almighty« zurück und besitzt nun so viel Macht wie kaum ein anderer Mensch auf diesem Planeten, wenn es darum geht, über die Zukunft der künstlichen Intelligenz (KI) zu bestimmen.

Machtdynamiken kosten Organisationen viel Arbeitszeit und Kraft, die dann nicht mehr für Kunden und Produkte zur Verfügung stehen. Schlimm genug, doch obendrein setzen sich in den internen Machtkämpfen oft noch nicht einmal die besten Führungskräfte durch. Das alles schmälert den Erfolg von Unternehmen und beeinträchtigt die psychische Gesundheit und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Ich bin überzeugt: Wenn es uns gelingt, im Alltag und in Organisationen besser und verantwortungsbewusster mit Macht umzugehen, kann uns das auch gesellschaftlich voranbringen.

Macht kann Menschen süchtig machen und enthemmend wirken. Machtprozesse können den Erfolg von Organisationen schmälern. Verantwortungsvoll genutzt, kann Macht jedoch auch viel Positives bewirken und notwendige Veränderungen zum Wohle von Menschen, Organisationen und Gesellschaften herbeiführen. Wird beispielsweise durch Macht psychologisches Empowerment stimuliert, also dafür gesorgt, dass Menschen eigenen Einfluss, eigene Kompetenz, Selbstbestimmung und Sinn erleben, dann sind diese Menschen motivierter und proaktiver. Daraus resultieren Innovationen, mehr Zufriedenheit [12]und höhere Leistung. Diese und andere positive Effekte von Macht benötigen wir, um die derzeitigen Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft erfolgreich bewältigen zu können.

Das Buch gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil lege ich die Grundlagen und erkläre die psychologischen und physiologischen Prozesse, die Macht auslöst. Ich greife hier auf eine Vielzahl von Studien zurück, die Psychologinnen und Psychologen erarbeitet haben. Auch stelle ich die Machtdefinition von Max Weber vor. Wenn ich darüber hinaus weniger auf philosophische oder soziologische Werke eingehe,1 dann nicht, weil ich diese nicht schätze, sondern weil diese Erkenntnisse an anderer Stelle schon ausführlich beschrieben und verarbeitet wurden – und weil mein Schwerpunkt hier klar auf der naturwissenschaftlich orientierten Forschung der Psychologie liegt.

An vielen Stellen versuche ich Metaanalysen zu nutzen, die den Forschungsstand aus vielen Einzelstudien kondensieren. Zusätzlich nutze ich verschiedene Arten von Fallbeispielen. Häufig stammen diese aus Unternehmen. Manche davon haben einen fiktiven Charakter, denn ich kann als Organisationspsychologe natürlich nicht ohne Erlaubnis aus der Zusammenarbeit mit Unternehmen berichten.2 Daneben liefere ich aber auch eine Reihe historischer Beispiele, die gut belegt sind. Damit will ich didaktisch über die Bürobeispiele vieler Managementratgeber hinauskommen.

Im ersten Teil des Buchs könnten Sie den Eindruck gewinnen, dass Machtpositionen bei Ihnen und anderen Schaden anrichten können. Dem ist auch so, aber zugleich ist es nur eine Seite der Machtmedaille. Denn, wie oben schon angedeutet, Macht kann auch viel Positives bewirken. Um diese Wirkung geht es mir konkret im zweiten Teil. Ich werde versuchen, aus einer psychologischen Perspektive abzuleiten, wie Sie und die Organisationen, für die Sie arbeiten, konstruktiver mit Macht umgehen könnten. Wie ließen sich die unerwünschten Nebenwirkungen der Macht im Alltag kleinhalten und stattdessen möglichst viele ihrer positiven Wirkungen entfalten? Was könnte ein Substitut für die Droge Macht sein? Was braucht man für einen verantwor[13]tungsvollen Umgang mit Machtpositionen, der Organisationen und Menschen voranbringt? Wie können wir geeignete Persönlichkeiten auswählen, die in Machtsituationen reif und verantwortungsvoll handeln? Auch dieser Teil des Buchs nutzt psychologische Studien. Ich greife hier vor allem auf die Empowermentforschung meiner Arbeitsgruppe zurück. Doch erlaube ich mir auch ein bisschen über den Forschungsstand hinauszuschauen und praktische Vorschläge zu machen.

Hat dieses Buch Macht? Nein! Ich stelle Ihnen lediglich Informationen aus der psychologischen Forschung zur Verfügung, und im zweiten Teil werden Sie auch manchmal mit meiner Meinung konfrontiert. Macht über Ihr eigenes Handeln haben jedoch nur Sie! Sie allein können Verantwortung für eine reife Form von Macht in Ihrem Alltag, in Ihren Organisationen und in unserer Gesellschaft übernehmen. Vielleicht, so immerhin meine Hoffnung, kann dieses Buch Sie ein wenig dazu anregen und dabei unterstützen.3

[14]TEIL 1

[15]Was istMachtund wie wirkt sie psychologisch?

[16]1. Die Definition(en) der Macht

Verschiedene Zugänge zur Macht

Der Begriff »Macht« stammt von dem indogermanischen Wort magh ab, das so viel wie »können«, »vermögen«, »fähig sein« bedeutet.1 In Deutschland ruft der Begriff nicht nur positive Assoziationen hervor, was mit unseren spezifischen Erfahrungen mit dem Machtmissbrauch durch Kaiser sowie faschistische und kommunistische Führer zu tun haben dürfte. Im Englischen ist das Wort power, das auch mit »Energie« übersetzt werden kann, viel positiver besetzt.2 So konnte die deutsche Eurodance-Band Snap mit dem Lied »I’ve got the power« Anfang der 1990er-Jahre Millionen Platten verkaufen. Mit einem deutschsprachigen »Ich habe die Macht« wäre die Band wohl nicht so weit gekommen. Der Begriff Macht ist also je nach Kultur verschieden besetzt.

Eine frühe und bekannte Definition von Macht stammt von Max Weber. Ohne ihn kommt kein Buch über Macht aus. Weber lebte von 1864 bis 1920 und war ein einflussreicher deutscher Soziologe, Jurist und Wirtschaftswissenschaftler. Ja, damals konnte man als Professor noch Expertisemacht in drei Fächern gleichzeitig ausbilden. Für Weber bedeutete Macht »jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht«.3 Macht hat ihm zufolge also immer einen sozialen Charakter.4 Sie lässt sich nicht isoliert, das heißt ohne Beziehung zu anderen, praktizieren und verstehen.5 Ohne Beziehung, ohne Gegenüber ist der oder die Mächtige machtlos. Deswegen müssen beide Seiten, die machtausübende wie die machtempfangende, gleich[17]zeitig betrachtet werden. Aus der Perspektive von Weber und vielen anderen nach ihm ist Macht somit das Potenzial, andere Menschen möglichst weitreichend nach dem eigenen Willen zu beeinflussen.6

Doch gibt es auch andere Sichtweisen auf Macht. Psychologische Definitionen wie die folgende heben häufig die Kontrolle als zentrale Komponente hervor: »Macht bezieht sich auf die asymmetrische Kontrolle über geschätzte Ressourcen, die wiederum einer Person die Möglichkeit gibt, die Ergebnisse, Erfahrungen oder Verhaltensweisen anderer zu kontrollieren.«7 Auch in dieser Definition wird Macht zu einem Einwirkungspotenzial in einer Beziehung zu einer anderen Person. Zwei Aspekte scheinen besonders wichtig zu sein: Zunächst muss eine Asymmetrie, also ein Missverhältnis, bei der Verfügbarkeit der Ressourcen vorliegen. Die Mächtigen haben Zugang zu mehr oder wirkungsvolleren Ressourcen als die Nichtmächtigen. Nur Tante Roswitha hat die Schlüssel zur Süßigkeitenschublade und kann von den Kindern Küsse gegen Schokobons erpressen. Bekommen die Kinder auch einen Schlüssel, ist die Macht der Tante passé.

Der zweite wichtige psychologische Aspekt ist die Wertschätzung der Ressourcen. Das weniger mächtige Gegenüber muss die Ressourcen des Mächtigen als relevant und wünschenswert erachten.8 Wenn der Chef oder die Chefin eine neue Projektstelle zu vergeben hat, diese aber von den Kolleginnen und Kollegen als unattraktiv wahrgenommen wird, kann sich die Macht sehr schnell verändern und sogar umkehren. Zeigt niemand aus der Belegschaft Interesse, muss der Chef oder die Chefin die Projektarbeit am Ende womöglich selbst übernehmen. Wenn Tante Roswitha nur noch abgelaufene Peperonichips in der Süßigkeitenschublade hat, dann hat sie ein Macht- und Küsschen-problem. Ebenso verschwindet das Machtpotenzial eines Menschen, wenn die erwünschten Ressourcen auch anderweitig zu erlangen sind. Tante Roswitha findet wahrscheinlich, dass es mit dem Taschengeld für die Kinder noch zu früh sei, denn damit könnten sie selbstständig Schokobons kaufen und die Schublade mit den Süßigkeiten wäre nicht mehr attraktiv.

[18]Macht besitzt durch diese Perspektive einen dynamischen und psychologischen Charakter. Die Machtbeziehung ist nicht in Stein gemeißelt. Wer mehr Macht hat – das kann sich mit der Zeit und je nach Situation aufgrund der Ressourcenverteilung immer wieder verändern. Macht ist dadurch fluide. Niemand kann sich ihrer für alle Zeit sicher sein.

Es lässt sich aber noch eine weitere Unterscheidung vornehmen: Macht ermöglicht es, das Schicksal anderer zu kontrollieren. Wir sprechen dann von sozialer Kontrolle. Doch wird es durch Macht auch häufig möglich, das eigene Schicksal eigenständiger zu steuern (persönliche Kontrolle).9 Macht kann deshalb aus unterschiedlichen Motiven wünschenswert sein. Manche Menschen streben psychologisch nach Macht, um in eine ressourcenreiche Position zu kommen, welche es ihnen dann erlaubt, die Ergebnisse, Erfahrungen und Verhaltensweise anderer Menschen zu kontrollieren. Andere suchen Macht, um sich genau von dieser Kontrolle zu befreien. Sie streben an die Spitze, um frei zu werden und über ihre Ressourcen selbstständig bestimmen zu können.

Das Verständnis von Macht als Kontrolle verdeutlicht auch, warum Macht nicht dasselbe wie Status ist. Status ist der Respekt bzw. die Wertschätzung, der bzw. die einer Person in einem sozialen System von anderen entgegengebracht wird.10 Auch ganzen Gruppen kann ein hoher Status zugewiesen werden, etwa Ärztinnen und Ärzten. Häufig ist vermeintliche Kompetenz oder Expertise, die einer Person zugeschrieben wird, eine Quelle von Status.11 Stephen J. Ceci und Douglas P. Peters führten dazu eine spannende Studie durch. Sie reichten bei hoch angesehenen Fachzeitschriften zwölf Artikel ein, die ebendort schon einmal positiv begutachtet und veröffentlicht worden waren. Die Artikel stammten von tollen Kolleginnen und Kollegen, die ihr Fach beherrschten. Dieselben Artikel wurden nun aber unter unbekannten Namen und von einer unbekannten Universität aus eingereicht, gewissermaßen also ohne Statusbonus. Bei drei Manuskripten fiel der Schwindel auf, ein Artikel wurde positiv [19]begutachtet, und acht wurden tatsächlich wegen mangelnder Qualität abgelehnt.12

Aber noch einmal zurück zu der Unterscheidung zwischen Macht und Status. Ein Dieb hat in unserer Gesellschaft wenig Status (während es unter Dieben durchaus eine ausgeprägte Statushierarchie geben kann!). Dennoch kann ein Dieb sehr viel Macht über einen Wirtschaftsboss oder eine Politikerin erlangen, wenn er die richtige und damit eine wertgeschätzte Ressource stiehlt. Nach dem gleichen Muster streben Geheimdienste danach, einen Politiker oder eine Politikerin eines verfeindeten Landes erpressbar zu machen. Auch kann eine scheinbar statusniedrige Mitarbeiterin ihrer Chefin sehr gut sagen, wo es langgeht, wenn sie weiß, wie die Chefin in der Vergangenheit die Bilanzen gefälscht hat.

Das Gegenteil von Machtgefühlen: erlernte Hilflosigkeit

Wechseln wir nun die Seite und wenden wir uns dem psychologischen Erleben von Machtlosigkeit zu. Sind Sie Hundebesitzer oder -besitzerin? Dann müssen Sie jetzt sehr tapfer sein.

In den 1960er-Jahren waren Forschende auf der Suche nach Erklärungen dafür, warum Menschen depressiv werden. Man wusste damals schon aus Zwillingsstudien, dass genetische Veranlagungen für Depressionen existieren, doch war klar, dass auch die Lernumwelt einen Einfluss haben musste. Martin Seligman und Steven F. Maier führten Tierexperimente durch und entschieden sich für Hunde als Versuchsobjekte.13 Die Forscher suchten zunächst Hunde aus, die sich möglichst in ihrer Persönlichkeit unterschieden. Es wurden nicht nur ängstliche Hunde wie der kleine »Pfiffi« rekrutiert, sondern auch bissige (»Hasso«), dominante (»Bruno«), doofe (»Knödel«) und so weiter. Das Experiment selbst war in drei Phasen gegliedert:

[20]Erste Phase: Die Hunde wurden in Boxen gesetzt, die jeweils in zwei Bereiche unterteilt waren. Der linke Bereich ließ sich unter Strom setzen, der rechte nicht. Die Hunde erhielten nun unangekündigte Elektroschocks, wenn sie sich im linken Teil der Box aufhielten. Sie konnten die Schocks aber vermeiden, indem sie über eine kleine Barriere in den sicheren Bereich der Box sprangen. Und dieses Verhalten zeigten die Tiere. Wenn man Hunde quält, versuchen sie, unabhängig von ihrer Persönlichkeit, dem Übel zu entkommen.

Zweite Phase: Die Hunde wurden erneut in die Box gesetzt, genauer gesagt, in den linken Bereich. Dieses Mal hatte man aber eine Wand installiert, sodass die Tiere keine Möglichkeit mehr hatten, den Schmerzreizen zu entkommen. Die Hunde wurden wieder den Stromschlägen ausgesetzt, aber egal, was sie taten, ihr Verhalten änderte nichts an ihrer Situation. Soviel sie auch bellten, kratzten und heulten, immer wieder mussten sie die schmerzhaften Elektroschocks ertragen. Viele Hunde gaben irgendwann auf und ließen die Elektroschocks apathisch über sich ergehen. Machtlosigkeit bedeutet, dass man keine Kontrolle über seine Umgebung hat und Gefahren schutzlos ausgeliefert ist. Das erzeugt Verhaltensweisen, die wir bei Menschen als depressiv klassifizieren.

Dritte Phase: Die Hunde wurden wieder in den linken Bereich der Box gesetzt, fanden nun aber dieselben Bedingungen wie in Phase 1 vor. Sie hatten also wieder die Möglichkeit, in den rechten Bereich zu wechseln und so den Schmerzen zu entkommen. Sie hatten Kontrolle! Erneut wurden die Hunde mit Elektroschocks gequält. Doch wie reagierten die Hunde nun? Ihre Reaktion war anders als in der ersten Phase des Experiments. Mehrheitlich blieben sie auf der schmerzhaften Seite liegen und ließen die Elektroschocks über sich ergehen. Sie hatten gelernt, dass sie mit ihren Handlungen keine Kontrolle über die Situation und die Schmerzen hatten. Ihnen waren der Glauben und die Überzeugung abhandengekommen, etwas in ihrer Umwelt bewirken zu können. Daher blieben sie inaktiv, obwohl eine Lösung bzw. eine Flucht möglich war. Dieses Phänomen bezeichnen wir in der Psy[21]chologie als erlernte Hilflosigkeit, und das spiegelt psychologisch gut das Gefühl der Machtlosigkeit wider.

Der Prozess der erlernten Hilflosigkeit ist auch für Menschen nachweisbar. Menschen, die schon früh gelernt haben, dass sie negative Umweltreize nicht kontrollieren können, tendieren stärker zur Hilflosigkeit. Martin Seligman hat drei Konsequenzen der Hilflosigkeit herausgearbeitet:

motivationale Mängel: Aufgrund der Erwartung der Unkontrollierbarkeit verhalten sich die Menschen passiv. Es kommt zu Lerndefiziten.kognitive Mängel: Betroffene Menschen schaffen es nicht gut zu unterscheiden, welche Situationen kontrolliert werden können und welche nicht. Es kommt zu einer Art Generalisierung der Unkontrollierbarkeit (»Die da oben entscheiden alles«).emotionale Mängel: Die Betroffenen zeigen depressive Symptome. Sie sind stark niedergeschlagen und schauen mit nur wenig Hoffnung in die Zukunft.14

Warum ist mir dieses psychische Erleben von Machtlosigkeit ein eigenes Kapitel wert? Das liegt nicht nur daran, dass die erlernte Hilflosigkeit von Psychologinnen und Psychologen erforscht wurde und in ein Buch mit dem Titel Psychologie der Macht gehört. Es liegt auch daran, dass erlernte Hilflosigkeit unreflektiert jeden Tag millionenfach in Beziehungen am Arbeitsplatz, in Familien und in unserer Gesellschaft gefördert wird.

Ein Kind ist traurig, und niemand nimmt es in den Arm. Es ist gut drauf, aber das interessiert niemanden, denn die Eltern und die Großeltern sind mit sich selbst beschäftigt. Vielleicht sind sie selbst depressiv oder kompensieren ihre Depressionen durch viel Arbeit. Das Kind kommt mit guten Noten aus der Schule, und niemand reagiert auf die Leistungen. Das Kind kommt mit schlechten Noten aus der Schule, [22]und niemand ist da, der darauf antwortet. Irgendwann geht das Kind gar nicht mehr in die Schule, und jetzt wird das Umfeld gezwungen, zu reagieren. Doch da hat das Kind bereits ein zehnjähriges Training der erlernten Hilflosigkeit hinter sich.

In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung blickt die bekannte Kabarettistin, Literaturkritikerin und Best-sellerautorin Elke Heidenreich auf ihr Leben und ihre Kindheit zurück. Auf die Frage, wie sie das Elend in ihrer Familie auf einen Begriff bringen würde, antwortet sie: »Tiefste Einsamkeit.« Über ihren Vater berichtet sie: »Mit meinem Vater habe ich mich gut verstanden, der hatte aber keine Zeit für mich.« Das Urteil über die Mutter fällt härter aus: »Als ich sie mal fragte, hast du mich eigentlich gar nicht lieb, da hat sie entnervt gesagt, wenn ich dich jetzt drei Tage nicht hören und sehen muss, dann vielleicht. Dann habe ich drei Tage unterm Tisch gesessen und mich versteckt. Das kann man mit einem Kind nicht machen.«15 Kinder, die unter erlernter Hilflosigkeit leiden, erleben, dass sie unsichtbar für ihr Umfeld sind und sein müssen. Elke Heidenreich verlässt als Jugendliche ihre Familie und macht neue Erfahrungen in einer liebevollen Pflegefamilie. So viel Glück haben viele andere Kinder nicht.

In einigen Betrieben herrscht eine ähnlich dysfunktionale Lernumgebung wie in manchen Familien. Die Kollegin im Grünflächenamt teilt der neuen Sachbearbeiterin mit, dass dieselben Bepflanzungen wie jedes Jahr vorgenommen werden, obwohl sie regelmäßig bereits im Juni vertrocknet sind (»Das haben wir schon immer so gemacht«). Die Sachbearbeiterin muss für einen Auftrag eine sinnlose Ausschreibung vornehmen, obwohl sie weiß, dass damit wieder ein Garten- und Landschaftsbauer den Zuschlag erhält, der das billigste und nicht das sinnvollste Angebot abgegeben hat. Sie muss die Ausschreibung über Tage vorbereiten und begleiten, obwohl es nur um einen kleinen Betrag geht. Sie bekommt nach einiger Zeit gar keine Arbeitsaufgaben mehr, die für sie Sinn ergeben. Doch sie ist vor drei Jahren zur Beamtin ernannt worden und träumt von ihrer stattlichen [23]Pension. Sie hofft, in ihrem Ruhestand wieder Kraft und Lebensfreude zu finden.

Auch am Arbeitsplatz passiert es folglich regelmäßig, dass Menschen wie die Hunde aus dem oben beschriebenen Experiment den Schmerz irgendwann nur noch über sich ergehen lassen und passiv in der Ecke liegen bleiben. Und in der Gesellschaft? Da fühlen sich Menschen, egal ob in Brandenburg oder im Saarland, hilflos, wenn ohne eigenen Einfluss ihre Region und ihre Institutionen nach und nach abgewickelt werden. Da schließt zuerst die Sparkasse, und an einer ihrer Scheiben hängt für mehrere Jahre die Werbung für einen Zirkus, der schon lange nicht mehr das Dorf besucht. Dann macht der Supermarkt dicht, und das Krankenhaus in der nächsten Stadt wird in den Nachbarlandkreis verlegt. Vor allem die Frauen mit guter Bildung ziehen in die großen Städte, und zurück bleiben Menschen mit Ohnmachtsgefühlen, die oft nur Beachtung finden, wenn sie mal wieder als Protestwählerinnen und -wähler auffallen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Wenn Menschen längere Zeit unkontrollierbaren negativen Ereignissen ausgesetzt sind, verlieren sie den Glauben daran, dass sie mit ihrem eigenen Verhalten etwas bewirken können, und werden hilflos. Die Proaktivität dieser Menschen geht verloren, und aus ihrer Sicht sind es dann oft die anderen oder »die da oben«, die scheinbar alles bestimmen. Diese Hilflosigkeit spiegelt gut das Gefühl von Machtlosigkeit.

[24]2. Die der Grundlagen Macht

Wenn Sie Macht weise und im Interesse des Gemeinwohls einsetzen möchten, dann müssen Sie ihre Grundlagen verstehen. Wenn Sie nicht kontrolliert werden möchten, dann sollten Sie wissen, womit und wie auf Sie eingewirkt wird. Wenn Sie dem Machtmissbrauch in Ihrer Organisation Grenzen setzen wollen, dann müssen Sie wissen, wo die Macht sich versteckt. Deswegen geht es nun um die wichtige Frage: Welche Ressourcen geben einem Menschen Macht über einen anderen?

Die beiden US-amerikanischen Sozialpsychologen John French und Bertram Raven haben schon 1959 ein Klassifikationssystem von Machtgrundlagen entwickelt, mit denen Mächtige auf ihre Beziehungspartner einwirken können. Demnach unterscheiden sie:

BestrafungsmachtBelohnungsmachtExpertenmachtlegale und legitimierte Machtcharismatische Macht

Ich stelle diese fünf Machtgrundlagen im Folgenden vor und werde anschließend eine Ergänzung vornehmen. Beginnen wir aber mit der Bestrafungsmacht. Ihre Nutzung ist weiterhin breit im menschlichen Verhalten nachweisbar. Reisen wir für einen Extremfall in das 18. Jahrhundert und widmen wir uns kurz einem verzweifelten preußischen Prinzen.

[25]Die Macht zu bestrafen

Preußen, August 1730: Der Kronprinz hält es nicht mehr aus. Er will weg. Seit seiner Kindheit ist Friedrich, der später einmal »der Große« genannt werden wird, von seinem Vater mit drakonischer Strenge und Herzlosigkeit gequält worden. Mit seinem Freund, dem jungen Leutnant Hermann von Katte, plant der 18-Jährige die Flucht. Die zwei sind so eng miteinander verbunden, dass ein Zeitgenosse berichtet, sie verhielten sich wie Liebhaber.1 Doch gehen die beiden so dilettantisch vor, dass König Friedrich Wilhelm I. die Lehrer und Diener als Spione einsetzen kann und jederzeit gut darüber informiert ist, was die zwei jungen Männer vorhaben. Am 5. August, während einer Reise in Süddeutschland, steht Friedrich früh auf und stiehlt sich aus dem Lager des Vaters davon. Kein Fluchtfahrtzeug wartet auf ihn. Er läuft einfach weg. Ein Diener schlägt Alarm, und der Vater wird benachrichtigt. Der Kronprinz wird schon bald verhaftet und sofort nach Preußen gebracht. In der Festung Küstrin an der Oder muss er Sträflingskleidung tragen, und den Bewachern wird verboten, mit ihm zu sprechen. Doch Küstrin ist nicht die eigentliche Strafe für Friedrich.2

Um dem Sohn eine Lektion zu erteilen, nimmt sich der Vater dessen soziales Umfeld vor. Doris Ritter, ein 16-jähriges Mädchen, mit dem Friedrich einmal geflirtet hatte, wird mit der Peitsche durch die Straßen Potsdams getrieben und für Jahre eingekerkert. Am schlimmsten aber trifft es Hermann von Katte. Die Richter verurteilen den jungen Mann zu lebenslanger Haft. Doch das ist Friedrich Wilhelm noch zu wenig, um seinen Sohn zu bestrafen. Eigenhändig verschärft er das Strafmaß für den Freund des Prinzen und verhängt die Todesstrafe. Als König verfügt er über absolute Macht und darf das. Von Katte habe mit seiner Desertation und der Unterstützung des Fluchtversuchs ein furchtbares Majestätsverbrechen begangen. Deswegen solle er mit glühenden Zangen zerrissen und anschließend aufgehängt werden. Eine grausamere Hinrichtungsart existiert in Preußen auch damals nicht. Friedrich ist entsetzt und bietet sein eigenes Leben und den Verzicht auf die Thron[26]folge an. Doch das interessiert den Vater nicht. Er will strafen, und die Zielperson ist Friedrich. Ihn will er durch den Einsatz dieser Machtform in seinem Verhalten und Erleben treffen und steuern.3

Am 6. November 1730 wird das Urteil vollstreckt. Der König schwenkt noch auf eine Enthauptung um. Weil das Leben des Leutnants für ihn nur Mittel zum Zweck ist, lässt er von Katte nach Küstrin bringen. Die Macht des Königs zeigt Wirkung: Friedrich gerät in Panik und fällt in Ohnmacht. Am Morgen holen Soldaten von Katte ab, und alles ist so arrangiert, dass Friedrich seinen Freund auf dem Weg zur Hinrichtungsstätte noch einmal sprechen kann. Als von Katte schließlich zum Sandhügel gehen muss und seine Perücke, Hemd und Halstuch ausgezogen hat, pressen Soldaten das Gesicht von Friedrich gegen die Gitterstäbe seines Zellenfensters. Was für ein Bild, was für ein Vater, was für ein König, was für ein Preußen! Der Kronprinz muss zuschauen, wie sein Freund den Kopf verliert und das Blut auf den Sand spritzt. Alles soll er sehen. Man lässt den Leichnam dann sogar bis zum Nachmittag auf dem Sandhügel liegen.4

Die Ausübung von Bestrafungsmacht basiert darauf, dass eine Person oder Gruppe das Potenzial bzw. die Mittel besitzt, einer anderen Person oder Gruppe Schaden zuzufügen. Eine Bestrafung impliziert die angenommene oder tatsächliche Durchführung von negativen Handlungen gegenüber einer anderen Person. Sie muss nicht immer so dramatisch ausfallen wie bei Friedrich dem Großen. Beispielsweise besteht auch die Möglichkeit, der Zielperson etwas für sie Positives wegzunehmen. Ein Manager oder eine Managerin kann Mitarbeitenden etwa eine spannende Aufgabe oder Zuständigkeit entziehen. Ebenso könnten Vorgesetzte den Untergebenen aber auch die variable Vergütung kürzen oder die ersehnte Beförderung verweigern. In beiden Fällen erwarten die Machthabenden, dass das zuvor gezeigte unerwünschte Verhalten, zum Beispiel ineffizientes Arbeiten, seltener auftritt.5

Allerdings ist bei der Anwendung von Bestrafungsmacht Vorsicht geboten, da sich in etlichen Studien gezeigt hat, dass sie zahlreiche Fol[27]geprobleme produzieren kann. Unter anderem führt sie nur selten zu dem erwünschten Verhalten oder zu besserer Leistung. Nehmen wir an, ein Vertriebler begeht einen Verhandlungsfehler oder eine junge Monteurin hat ein falsches Bauteil in eine Maschine eingebaut. Beide erhalten von ihren Vorgesetzten eine Abmahnung. Möglicherweise wissen beide zwar, was sie falsch gemacht haben, aber nicht unbedingt, was stattdessen richtig gewesen wäre. Bestrafungen lenken die Aufmerksamkeit also primär auf das unerwünschte Verhalten und nicht auf das erwünschte. Die Monteurin weiß nun, dass sie das Bauteil nicht hätte verwenden sollen. Das war ihr wahrscheinlich auch ohne die Bestrafung schon klar, denn die Maschine funktionierte nach der Reparatur nicht besser. Die Bestrafung vermittelt ihr aber noch lange nicht, welches das korrekte Bauteil gewesen wäre.

Zu den negativen Auswirkungen der Bestrafungsmacht gehören außerdem negative Emotionen wie Angst, Scham und Wut. Diese werden zwangsläufig nicht nur von dem oder der Bestraften erlebt, sondern auch von allen, die Zeuge der Bestrafung sind, erst recht, wenn eine allzu starke Nutzung der Bestrafungsmacht ein Klima der Angst erzeugt.6 Die Kolleginnen und Kollegen der Monteurin beobachten, wie sie ganz aufgelöst mit der Abmahnung aus dem Büro des Chefs kommt, oder die anderen Vertrieblerinnen und Vertriebler sind Zeugen, wie ihr Kollege von der Chefin vor allen zur Schnecke gemacht wird. Wo aber Angst oder Wut herrscht, fällt es schwer, klar zu denken und effektiv zu arbeiten. Metaanalysen zeigen, dass das Arbeitsgedächtnis mit Angst schlechter arbeitet, das heißt, die vorübergehende Speicherung und Bearbeitung von Informationen gelingt schlechter7, und so fallen zum Beispiel akademische Leistungen schlechter aus.8

In der Psychologie wird seit vielen Jahren das Konzept der »psychologischen Sicherheit« erforscht.9 Es bezieht sich auf das von allen Mitgliedern eines Teams geteilte Gefühl, in einem sicheren Rahmen zu arbeiten, sich frei ausdrücken zu können sowie zwischenmenschliche Risiken eingehen und Schwachstellen am Arbeitsplatz offenlegen zu dürfen, ohne dass man etwa um seine Karriere fürchten muss.10 Psychologische [28]Sicherheit fördert eine offene und ehrliche Kommunikation, die wiederum zur Entwicklung innovativer Ideen, zu effektiver Entscheidungsfindung und verbesserten Problemlösungsfähigkeiten in den betreffenden Teams führt. Genau das verhindert nun aber ein regelmäßiger Einsatz der Bestrafungsmacht. Die Monteure machen nur scheinbar weniger Fehler, wenn sie, wie beschrieben, regelmäßig für solche bestraft werden. Stattdessen berichten sie seltener von Fehlern oder vertuschen diese, was auf Kosten des gemeinsamen Lernens geht. Und sie wagen weniger Initiativen, sodass der Fortschritt behindert wird.

Ein weiteres Folgeproblem der Nutzung von Bestrafungsmacht: Sie kann wie eine Belohnung wirken. Ich beobachte ab und zu Studierende, die am Anfang ihres Studiums sehr gezielt und regelmäßig zu spät zu einer Veranstaltung kommen. Die Berliner Verkehrsbetriebe mögen ihre Probleme haben, aber es lässt sich in der Hauptstadt durchaus recht gut von A nach B und sogar nach C kommen. In der Schule haben die Studierenden häufig gelernt, dass Zuspätkommen Aufmerksamkeit bringt. Alle sehen, dass man da ist und über den Regeln steht. Das scheint cool zu sein. Nicht selten greifen dann Lehrerende an Schulen und Hochschulen auf ihre Bestrafungsmacht zurück. Eine Hochschullehrerin pocht auf ihr Hausrecht und lässt die verspäteten Studierenden nicht mehr in den Vorlesungssaal. Einer ihrer Kollegen stellt die Zuspätkommenden zur Rede. Da Letztere Zeit hatten, sich akribisch auf die Situation vorzubereiten, kann man sich freilich darauf verlassen, dass sie sich lustige Sprüche für die zu erwartende Interaktion zurechtgelegt haben. Nicht selten verliert der Dozent vor versammelter Zuhörerschaft das Duell. Der Student oder die Studentin setzt sich als Sieger bzw. Siegerin auf den Platz.

Eine andere Problematik der Bestrafungsmacht besteht darin, dass ihre Nutzung Modellcharakter besitzt und der Fisch auch hier zuerst vom Kopf stinkt. Wenn die Vorständin oder der Vorstand gern mündlich oder schriftlich verwarnt, sobald ein Fehler auftritt, dann schauen sich das die Kolleginnen und Kollegen auf der darunterliegenden Ebene ab und gehen selbst streng mit Fehlern ihrer Untergebenen [29]um – und so weiter. Das nennt man in der Psychologie »Lernen am Modell«.

Der große Sozialpsychologe Albert Bandura hat in zahlreichen Studien nachgewiesen, wie vor allem Aggressionsverhalten nachgeahmt wird. Berühmt geworden sind seine Bobo-Doll-Experimente mit Kindergartenkindern. Dabei schaute sich ein Teil der Kinder Videos an, in denen Erwachsene eine aufblasbare Puppe namens »Bobo« aggressiv angingen. Sie schlugen und traten die Puppe oder schrien sie ohne erkennbaren Grund an. Der andere Teil der Kinder schaute sich ein neutrales Video ohne Aggressionsverhalten gegenüber »Bobo« an. Die Kinder waren den beiden Gruppen zufällig zugeordnet worden. Nachdem sie die Videos gesehen hatten, wurden die Kinder in einen Raum mit Spielzeug – darunter auch die Puppe »Bobo« – gebracht. Zunächst einmal zeigte sich, dass die Mädchen sich weniger physisch aggressiv in der Situation verhielten. Darüber hinaus konnten deutliche Unterschiede zwischen den beiden Experimentalgruppen nachgewiesen werden. Die Kinder, die aggressive Modelle beobachtet hatten, zeigten deutlich mehr Aggressionsverhalten als die Kinder der anderen Gruppe. Sie ahmten das Verhalten der Erwachsenen nach, ohne dass sie dazu aufgefordert wurden. Und noch etwas ließ sich beobachten: Die Kinder legten aggressive Verhaltensweisen an den Tag, die das aggressive Modell im Video überhaupt nicht praktiziert hatte. Sie wurden vielmehr kreativ und erfanden neue Formen der Aggression. Man könnte auch sagen: Sie waren auf den Geschmack der Bestrafungsmacht gekommen.11

Die Bestrafungsmacht ist also ansteckend. Wir können als Eltern oder Führungskräfte so viel reden, wie wir wollen – Menschen orientieren sich an unseren Taten. Das Lernen am Modell ist die wirkmächtigste Form der Sozialisation. Wer Kinder schlägt, legt die Saat dafür, dass diese eines Tages mit höherer Wahrscheinlichkeit auch ihre eigenen Kinder schlagen werden. Ähnliches gilt für Führungskräfte und für die Zusammenarbeit in Organisationen. Welches Verhalten Führungskräfte in Konfliktsituationen zeigen und wie sie dabei mit [30]der Bestrafungsmacht umgehen, ist entscheidend. Es sind zunächst kleine Schritte und Beobachtungen, die die Bestrafungsmacht nach und nach in einer Organisation salonfähig machen. Irgendwann ist sie ein normaler Teil der Arbeitskultur geworden und wird von Generation zu Generation weitergegeben.

Die Bestrafungsmacht hat noch einen Haken: Ihre Ausübung ist für die Machthabenden sehr anstrengend. Ein Beispiel: Die Auszubildenden fluchen in den Teammeetings und sprechen sich und die Führungskraft unangemessen an (»Ey Digger, entspann dich mal«). Jedes Mal, wenn die Führungskraft dieses Verhalten beobachtet, unterbricht sie das Meeting, kündigt Strafen an oder verteilt konkret welche. So dauern die Teammeetings immer länger. Verläuft dann ein Teammeeting ohne Auffälligkeiten, denkt die Führungskraft womöglich, dass sie das ihrem strengen Eingreifen zuvor zu verdanken hat und den Meetings ab jetzt öfter fernbleiben kann. Doch wie sie bald feststellt, bleibt das unerwünschte Verhalten nur aus, wenn sie mit im Raum ist. Also sieht sie sich gezwungen, doch wieder bei allen Sitzungen anwesend zu sein, um den jungen Leuten Manieren beizubringen. Kurzum: Bestrafungen sind anstrengend, weil sie kontinuierlicher Aufmerksamkeit bedürfen.

Doch auch dabei bleibt es nicht. Man muss nämlich obendrein stets dafür sorgen, dass man Ressourcen hat, vor denen sich die Menschen fürchten. Sie haben wahrscheinlich vom jungen römischen Kaiser Nero gehört, der gern Musik machte, Wagenrennen fuhr und Rom angezündet haben soll (was mittlerweile als widerlegt gilt). Nero verfügte wie seine Vorgänger über enorme Bestrafungsmacht und setzte diese auch gern ein. Eines Nachts aber zog seine Leibgarde aus dem Palast ab, und Nero wachte ohne Bestrafungsmacht auf (vielleicht erging es genauso auch dem syrischen Diktator Assad). Ein anderer Adeliger hatte den Prätorianern schlicht mehr Geld geboten, und innerhalb von Stunden war damit die Herrschaft Neros beendet.12 Mit anderen Worten: Geraten die Strafenden in eine Position der Schwäche, dann wird die Bestrafungsmacht oft gegen sie selbst angewendet.

[31]Nicht zuletzt nutzen sich Bestrafungen ab. Menschen gewöhnen sich an Bestrafungen, weshalb die Dosis immer weiter erhöht werden muss. Führungskräfte, die ausgiebig mit Bestrafungen arbeiten, müssen ihr Bestrafungspotenzial ständig erweitern und verschärfen, damit es weiterhin wirksam bleibt.

Kurzum: Bestrafen ist anstrengend und auf lange Sicht selten zielführend. Es gibt Situationen, in denen bestraft werden muss (etwa bei Machtmissbrauch), aber im Alltag gibt es bessere Wege, um auf Menschen Einfluss zu nehmen.

Die Macht zu belohnen

Budapest, 2007: Nur die verkaufsstärksten Versicherungsvertreter sind eingeladen: drei Tage Budapest auf Kosten der Hamburg-Mannheimer als Belohnung für die Vertriebserfolge von 100 Mitarbeitern. Die Hamburg-Mannheimer ist jene Versicherung, die früher mit dem biederen, aber gutaussehenden »Herrn Kaiser« Werbung machte (Slogan: »Hallo, Herr Kaiser!«). Die erfolgreichsten Verkäufer werden aus dem grauen Versicherungsalltag geholt und sollen sich in Budapest auch einmal wie ein Kaiser fühlen. Allerdings eher wie ein Kaiser vor bald 2.000 Jahren, der Nero hieß.

Höhepunkt der Reise ist der Besuch der berühmten Gellert-Therme. Wer so hart gearbeitet hat, der muss sich auch mal entspannen. Das Event ist allerdings keine Maßnahme des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Die Kollegen werden am Eingang durchsucht und müssen versichern, dass sie keine Fotos von dem Event machen. Gut, wer will schon ein Foto vom Chef in Badehose haben? Doch es geht nicht um gemeinsames Schwimmen. In der Therme sind Himmelbetten aufgebaut, und es laufen auffällig viele hübsche Frauen herum.13 Diese sind als zusätzliche Belohnung für die Versicherungsverkäufer gedacht. Es gibt Frauen mit roten, gelben und weißen Bändchen. Die Ersten sind Hostessen, mit denen man reden und ein bisschen flirten [32]kann; die mit gelben Bändchen müssen den Mitarbeitern der Versicherung ihre sexuellen Wünsche erfüllen. Weiße Bändchen tragen hingegen nur wenige, besonders attraktive Frauen. Mit diesen dürfen sich lediglich die allerbesten Vertriebler und die Vorstände vergnügen. Nachdem ein Bett mit einer Frau besucht wurde, bekommt diese einen Stempel auf den Unterarm, damit die Kollegen wissen, welche Frau wie oft frequentiert wurde.14

Die Geschichte klingt zu schlimm, um wahr zu sein. Sie ist aber gut belegt. Mittlerweile ist die einstige Skandalversicherung in der ERGO aufgegangen, die die Reise nach der Fusion eine »Incentive-reise« nennt. Diese zu leugnen oder zu vertuschen, würde ohnehin nicht funktionieren, denn sie wurde damals sogar im Vertriebsmagazin dokumentiert und gefeiert. Da hieß es zum Beispiel: »Aus welchem Blickwinkel auch immer man diese Mega-Fete betrachtete, ein Mordsspaß war es auf alle Fälle.«15 Der Pressesprecher der ERGO erklärte einmal im Spiegel: »Das ist eine peinliche Geschichte, keine Frage. Niemand hier ist erfreut darüber.« Er wagte dann einen kleinen Exkurs über die Intensität des Wettbewerbs beim Vertrieb und darüber, dass man Leuten auch Anreize geben müsse – allerdings nur, um gleich hinterherzuschieben: »Trotzdem ist so etwas nicht tolerabel.«16

Anreize schaffen, damit ein männlicher Versicherungsvertreter seinen Job erledigt: In diesem Abschnitt soll es also um die Macht gehen, die mit Belohnungen einhergeht. Selten sind sie so pervertiert und sexistisch ausgerichtet wie im eben geschilderten Beispiel. Aber wenn Sie verantwortungsvoll mit Macht umgehen möchten, müssen Sie über Ihr Belohnungsverhalten genauso offen und ehrlich reflektieren wie über Ihr Bestrafungsverhalten.

Belohnungen gehören zum Alltag der Macht. Wenn Sie Ihre Mitmenschen in und außerhalb von Organisation belohnen, dann setzen Sie aus einer psychologischen Sicht Verstärkungen ein. Davon gibt es zwei Arten: positive und negative. Beide führen dazu, dass Verhaltensweisen potenziell gefördert und verstärkt werden, also nach der jeweili[33]gen Belohnung häufiger auftreten. Die Versicherungsvertreter verkaufen nach dieser Vorstellung mehr Policen, wenn sie dafür sogenannte Incentives oder Verstärkungen erhalten. Bei einer positiven Verstärkung handelt es sich um eine Belohnung, die der Empfänger oder die Empfängerin wertschätzt. Der oder die Mitarbeitende bekommt zum Beispiel eine Gehaltserhöhung oder einen Bonus und verhält sich dann in der Regel »erwünschter«, um noch mehr Verstärkungen zu bekommen. Die negative Verstärkung funktioniert anders. Hier beseitigen die Machthabenden einen negativen Reiz, was wiederum als belohnend empfunden wird. So können Sie als Führungskraft Ihre Mitarbeitenden damit belohnen, dass Sie sie von einer langweiligen Aufgabe befreien (»Lass mal, das können die aus Abteilung II b übernehmen«), oder Sie können eine Kollegin dadurch protegieren, dass Sie einen ihrer Konkurrenten in der Hierarchie übergehen (»Der Weg ist jetzt frei, Clara«).17

Es gibt verschiedene Arten von Belohnungen, die eingesetzt werden können, damit Menschen das tun, was sie tun sollen. Beispielsweise unterscheidet man in der Psychologie zwischen primären und sekundären Belohnungen. Primäre Belohnungen haben einen Wert, auch ohne, dass dieser erst gelernt werden muss. Dazu gehört etwa ein gutes Essen, Sex, soziale Zuwendung oder eine angenehme körperliche Betätigung wie Sport oder Spazierengehen. Offensichtlich hat die Versicherung im obigen Beispiel vor allem auf diese Belohnungsklasse gesetzt. Sekundäre Belohnungen erhalten hingegen erst nach und nach ihren Belohnungswert. Sie sind erlernt – hinter dem Wert stehen also Lern- und Sozialisationsprozesse. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Geldschein. Lege ich einem zweijährigen Kind einen 20-Euro-Schein hin, dann bemalt es diesen oder zerreißt ihn. Vielleicht ignoriert es ihn auch einfach. Für das Kind ist der Schein nur ein Stück Papier. Eine Zehnjährige ist dagegen ganz aufgeregt, wenn sie den Geldschein ausgehändigt bekommt, weil sie gelernt hat, dass sie sich damit weitere und meist primäre Verstärker kaufen kann, zum Beispiel Schokolade oder Harry-Potter-Lego, das so viel Spaß beim Aufbauen macht.

[34]Doch ähnlich wie Bestrafungen führen Belohnungen zu Folgekosten, die von den Machthabenden häufig nicht antizipiert werden. Das gilt übrigens auch für Eltern, die gern mit der Belohnungsmacht auf das Verhalten ihrer Kinder Einfluss nehmen wollen. Belohnungen schaffen ein »transaktionales« Verhältnis: Menschen strengen sich an, weil sie etwas dafür zurückbekommen. Das ist als Basis nicht schlecht, bringt aber Probleme mit sich – vor allem langfristig: Die Mitarbeitenden arbeiten nur dann dauerhaft gut, wenn sie wissen, dass sie dafür eine Belohnung erhalten. Sogar für selbstverständliche Tätigkeiten werden irgendwann Belohnungen erwartet. Das bedeutet, dass immer mehr – und immer hochwertigere – Belohnungen nötig sind. Wie bei einer Droge stellt sich eine Toleranzentwicklung ein. Menschen erwarten auf Dauer immer auserlesenere Gratifikationen, damit sie auch weiterhin einen Belohnungseffekt spüren und daraus Motivation ziehen. Versiegen die Belohnungen jedoch irgendwann, kehren solcherart konditionierte Mitarbeitende schon bald ihrer Führungskraft oder ihrem Unternehmen den Rücken. Oft verlassen ganze Teams eine Unternehmensberatung, wenn die Provisionen bei der Konkurrenz höher ausfallen. Ihre Loyalität galt also den Belohnungen und nicht der Unternehmensberatung. Viele Machthabende wissen deshalb genau, dass sie ihre Leute und damit letztlich ihre eigene Stellung nur halten können, wenn sie immer mehr Belohnungsressourcen zur Verfügung stellen.