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Die Reihe Die achtzigbändige Reihe "Die Götter der Germanen" stellt die Gottheiten und jeden Aspekt der Religion der Germanen anhand der schriftlichen Überlieferung und der archäologischen Funde detailliert dar. Dabei werden zu jeder Gottheit und zu jedem Thema außer den germanischen Quellen auch die Zusammenhänge zu den anderen indogermanischen Religionen dargestellt und, wenn möglich, deren Wurzeln in der Jungsteinzeit und Altsteinzeit. Das Buch Es gibt in der germanischen Mythologie einige auffällige Körperteile wie die drei Köpfe der Tyr-Riesen und die acht Arme des Starkad. Auch die langen Haare der Alcis und der Eisenschuh des Widar, der offenbar seinen Fuß schützen soll, zählen zu diesen auffälligen Körpermerkmalen. Daneben gibt es auch viele sonderbare Verletzungen wie Odins Einäugigkeit, den Steinsplitter in Thors Stirn, Lokis zugenähten Mund, Wielands durchtrennte Kniesehnen und die abgeschlagenen Hände und Füße des Jörmunrek. Von den inneren Organen hat nur das Herz eine reiche Symbolik. Daneben wird noch die Leber einige Male erwähnt. Der größte Teil dieser auffälligen Körperteile und Wunden stammt aus den alten, Tyr-zentrierten Mythen vor 500 v.Chr., in denen der ehemalige Sonnengott-Göttervater Tyr in der nächtlichen Unterwelt ohne Füße, Arme und Kopf und zudem blind, stumm und reglos in seinem Hügelgrab gelegen hat.
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Bücher von Harry Eilenstein:
Astrologie (496 S.)
Photo-Astrologie (428 S.)
Horoskop und Seele (120 S.)
Tarot (104 S.)
Handbuch für Zauberlehrlinge (408 S.)
Physik und Magie (184 S.)
Der Lebenskraftkörper (230 S.)
Die Chakren (100 S.)
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Isis (508 S.)
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Der Chiemsee-Kessel (76 S.)
Cernunnos (690 S.)
Christus (60 S.)
Odin (300 S.)
Die Götter der Germanen (Band 1 – 80)
Dakini (80 S.)
Kursus der praktischen Kabbala (150 S.)
Eltern der Erde (450 S.)
Blüten des Lebensbaumes 1: Die Struktur des kabbalistischen Lebensbaumes (370 S.)
Blüten des Lebensbaumes 2: Der kabbalistische Lebensbaum als Forschungshilfsmittel (580 S.)
Blüten des Lebensbaumes 3: Der kabbalistische Lebensbaum als spirituelle Landkarte (520 S.)
Über die Freude (100 S.)
Das Geheimnis des inneren Friedens (252 S.)
Von innerer Fülle zu äußerem Gedeihen (52 S.)
Das Beziehungsmandala (52 S.)
Die Symbolik der Krankheiten (76 S.)
König Athelstan (104 S.)
Herz des Tanzes – Tanz des Herzens (160 S.)
Die Themen der einzelnen Bände der Reihe „Die Götter der Germanen“
Die Entwicklung der germanischen ReligionLexikon der germanischen ReligionDer ursprüngliche Göttervater TyrTyr in der Unterwelt: der Schmied WielandTyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 1Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 2Tyr in der Unterwelt: der ZwergenkönigDer Himmelswächter HeimdallDer Sommergott BaldurDer Meeresgott: Ägir, Hler und NjördDer Eibengott UllrDie Zwillingsgötter AlcisDer neue Göttervater Odin Teil 1Der neue Göttervater Odin Teil 2Der Fruchtbarkeitsgott FreyrDer Chaos-Gott LokiDer Donnergott ThorDer Priestergott HönirDie GöttersöhneDie unbekannteren GötterDie Göttermutter FriggDie Liebesgöttin: Freya und MenglödDie ErdgöttinnenDie Korngöttin SifDie Apfel-Göttin IdunDie Hügelgrab-Jenseitsgöttin HelDie Meeres-Jenseitsgöttin RanDie unbekannteren JenseitsgöttinnenDie unbekannteren GöttinnenDie NornenDie WalkürenDie ZwergeDer Urriese YmirDie RiesenDie RiesinnenMythologische WesenMythologische Priester und PriesterinnenSigurd/SiegfriedHelden und GöttersöhneDie Symbolik der Vögel und InsektenDie Symbolik der Schlangen, Drachen und UngeheuerDie Symbolik der HerdentiereDie Symbolik der RaubtiereDie Symbolik der Wassertiere und sonstigen TiereDie Symbolik der PflanzenDie Symbolik der FarbenDie Symbolik der ZahlenDie Symbolik von Sonne, Mond und SternenDas JenseitsSeelenvogel, Utiseta und EinweihungWiederzeugung und WiedergeburtElemente der KosmologieDer WeltenbaumDie Symbolik der Himmelsrichtungen und der JahreszeitenMythologische MotiveDer TempelDie Einrichtung des TempelsPriesterin – Seherin – Zauberin – HexePriester – Seher – ZaubererRituelle Kleidung und SchmuckSkalden und Skaldinnen62 Kriegerinnen und Ekstase-KriegerDie Symbolik der KörperteileMagie und RitualGestaltwandlungenMagische WaffenMagische Werkzeuge und GegenständeZaubersprücheGöttermetZaubertränkeTräume, Omen und OrakelRunenSozial-religiöse RitualeWeisheiten und SprichworteKenningarRätselDie vollständige Edda des Snorri SturlusonFrühe SkaldenliederMythologische SagasHymnen an die germanischen GötterThemenverzeichnis
Eine Schädelschale ist ein Trinkschale, die aus dem oberen Teil eines menschlichen Totenkopfes angefertigt worden ist.
Die Königin Gudrun tötete aus Rache für den Mord ihres Gatten Atli an ihren beiden Brüdern die beiden Söhne des König Atli und ließ aus ihren Köpfen Schädelschalen anfertigen.
Bald darauf tötete Gudrun ihre beiden Söhne und ließ aus ihren Schädeln mit Gold und Silber Trinkgeschirr machen. Darauf wurde der Niflungen Leichenfeier begangen.
Auch im Wieland-Lied werden aus den Schädeln zweier junger Brüder Schädelschalen hergestellt, was vermuten läßt, daß dieses Motiv ältere mythologische Wurzeln hat.
Liefen zwei Knaben, lauschten an der Türe,
Die Söhne Niduds, nach Säwarstad;
Kamen zur Kiste den Schlüssel erkundend;
Offen war die üble, als sie hineinsahn.
Viel Kleinode sahn sie, den Knaben daucht es
Rotes Gold und glänzend Geschmeid.
„Kommt allein, ihr zwei, kommt andern Tags,
So soll euch das Gold gegeben werden.
Sagt es den Mägden nicht noch dem Gesinde,
Laßt es niemand hören, daß ihr hier gewesen.“
Zeitig riefen die Zweie sich an,
Bruder den Bruder: „Komm die Brustringe schaun!“
Mit den „Brustringen“ sind die vermutlich die um den ganzen Körper reichenden breiten Ringe gemeint, aus denen schon die Römer ihre einfachen Brustpanzer hergestellt haben.
Sie kamen zur Kiste die Schlüssel erkundend;
Offen war die üble, da sie hineinsahn.
Um die Köpfe kürzt er die Knaben beide;
Unterm Fesseltrog barg er die Füße.
Aber die Schädel unter dem Schopfe
Schweift er in Silber, sandte sie Nidud.
Aus den Augen macht er Edelsteine,
sandte sie der falschen Frau des Nidud.
Aus den Zähnen aber der Zweie
Bildete er Brustgeschmeid, sandte es Bödwild.
Das Wort „falsch“ hat die hier die alte Bedeutung von „böse, hinterhältig, gemein“ u.ä.
Die Zweizahl der Jungen hat wahrscheinlich eine tiefere Bedeutung, da es auch oft zwei Zwerge sind, die gemeinsam den Schmuck, die Schwerter, die Ringe u.ä. herstellen. Das bekannteste Jungen-Paar in den indogermanischen Mythen sind die Pferdezwillinge, die den Streitwagen des Sonnengott-Göttervaters Dhyaus (Zeus, Jupiter, Dagda, Tyr usw.) ziehen und die auch die Gestalt von Menschen annehmen konnten. Bei den Germanen wurden sie „Alcis“ genannt.
Zu dieser Deutung paßt, daß es das Wieland-Lied eine Sagen-Variante des endlosen zyklischen Kampfes zwischen dem Sommergott Tyr (Wieland) und dem Wintergott Loki (Nidud) ist, durch den die Jahreszeiten verursacht werden. Die beiden Brüder sind hier zwar nicht mehr die Söhne des Tyr-Wieland, sondern sind zu den Söhnen des Loki-Nidud geworden, aber solche Übertragungen kommen in den Mythen des öfteren vor. Aufgrund des prägenden Bildes der beiden Tyr-Zwillingssöhne haben auch Loki und Thor zwei Söhne erhalten: Nari Loki-Sohn und Narfi Loki-Sohn sowie Magni Thor-Sohn und Modi-Thor-Sohn – die auffälligerweise alle vier in den Mythen kaum eine Funktion haben. In den Mythen des Odin ist aus den Pferde-Zwillingen des Tyr das achtbeinige „Doppel-Pferd“ Sleipnir des Odin geworden.
Es ist gut denkbar, daß man sich vorstellte, daß diese beiden Pferde-Menschen, die die Söhne des Tyr waren, am Abend zusammen mit der Sonne starben und ihr im Jenseits bei ihrer Wiedergeburt halfen. Aus ihnen entstand dann mit der Zeit das Zwergenpaar, das nicht nur das Schwert des Tyr neuschmiedete, sondern auch all die magischen Gegenstände für die Götter herstellte. Ihr Tod am Abend wurde in den Mythen zu dem Motiv der sterbenden Zwillinge, die in der Wölund-Mythe als die beiden Söhne des Königs Nidud erscheinen.
Trinkschalen aus menschlichen Schädeln, die vermutlich vor allem im Ritual benutzt wurden, sind bereits von den Neandertalern verwendet worden. Solche Schädelschalen sind vermutlich aus dem tantrischen Buddhismus am bekanntesten. Interessanterweise werden diese Schädelschalen auch in Tibet in Silber gefaßt.
Das Auftreten des Motivs der Anfertigung einer Schädelschale als Racheakt wird vermutlich auf eine ältere Vorstellung zurückgehen, da viele Verhaltensweisen der Helden in den Sagen als rachemotiviert umgedeutet wurden, während die dabei verwendete mythologischen Motive auf rituelle Handlungen zurückgehen. In dieser Weise wurde z.B. auch die Wiederzeugung im Jenseits zusammen mit der Jenseitsgöttin Freya in den germanischen Mythen und später in den germanischen Sagen zu der rachemotivierten Vergewaltigung einer Königstochter.
Das Schädelschalen-Motiv steht in Parallele zu dem abgetrennten Haupt, mit dessen Hilfe man den Kontakt zu dem verstorbenen Ahnen aufrechterhalten konnte. Auf diese Weise erhält u.a. Odin von dem Haupt des Tyr-Riesen Mimir sein Wissen über das Jenseits (siehe „Mimir“ in Band 6). Da Odin mit Mimirs abgeschlagenem Haupt reden kann und da ihm Mimir zuvor aus seinem Horn aus der Quelle der Weisheit zu trinken gegeben hat, liegen auch bei Mimir die beiden Elemente der Schädelschalen-Symbolik, also der Schädel und das Trinken, sehr nah beieinander.
Diese rituellen Trinkgefäße werden bei den Germanen noch an einer zweiten Stelle erwähnt. In der Sage über Albions Tod verspottet Albion seine Frau Rosamunde, deren Vater er getötet hat, damit, daß sie doch aus seiner Schädelschale trinken könne – was sie letztlich zur Rache an Albion treibt.
Die wichtigste aller Schädelschalen ist die des Urriesen Ymir, da die Asen aus ihr den Himmel erschufen (siehe dazu auch „Ymir“ in Band 33).
Da frug Gangleri: „Was richteten die Söhne Börs aus, daß Du sie für Götter hältst?“
Har antwortete: „Davon ist nicht wenig zu sagen. Sie nahmen Ymir und warfen ihn mitten in Ginnungagap und bildeten aus ihm die Welt: aus seinem Blut Meer und Wasser; aus seinem Fleisch die Erde; aus seinen Knochen die Berge, und die Steine aus seinen Zähnen, Kinnbacken und zerbrochenem Gebein.“
Da sprach Jafnhar: „Aus dem Blut, das aus seinen Wunden geflossen war, machten sie das Weltmeer, festigten die Erde darin und legten es im Kreis um sie her, also daß es die meisten unmöglich dünken mag, hinüber zu kommen.“
Da sprach Thridi: „Sie nahmen auch seinen Hirnschädel und bildeten den Himmel daraus, und erhoben ihn über die Erde mit vier Ecken oder Hörnern, und unter jedes Horn setzten sie einen Zwerg; die heißen Austri, Westri, Nordri, Sudri. Dann nahmen sie die Feuerfunken, die von Muspelheim ausgeworfen umherflogen, und setzten sie an den Himmel, oben sowohl als unten, um Himmel und Erde zu erhellen. Sie gaben auch allen Lichtern ihre Stelle, einige fest am Himmel (Sterne), andere lose unter dem Himmel (Planeten) und setzten einem jeden seinen bestimmten Gang fest, wonach Tage und Jahre berechnet werden.“
Dieser von vier Zwergen getragene Schädel-Himmel wird auch in diesem Lied erwähnt:
Den Zwergen schwindet die Stärke. Die Himmel
Neigen sich nieder zu Ginnungs Nähe.
Alswidr sinkt oftmals herab,
Oft hebt er die Sinkenden wieder empor.
„Ginnung(-agap)“ ist der „gähnende Abgrund“, der am Anfang der Zeit die beiden Urgegensätze Niflheim (das kalte „Nebelheim“ im Norden) und Muspelheim (das heiße „Flammenheim“ im Süden) voneinander trennte.
Die in dem ersten Satz erwähnten Zwerge sind die vier Zwerge Austri, Sudri, Westri und Nordri, die in den vier Himmelsrichtungen den Himmel tragen, den die Asen aus dem Schädel des Urriesen Ymir erschaffen haben.
„Alswidr“ („Allgeschwind“) und „Arwakr“ („Frühwach“) sind die beiden Pferde, die den Sonnenwagen ziehen. Das drohende Unheil scheint mit dem Sonnenuntergang assoziiert worden zu sein, da sich Alswidr am Horizont befinden muß, um den Zwergen helfen zu können, die sich am unteren Rand der Himmelskuppel befinden – eine Deutung als (hoffnungsvoller) Sonnenaufgang gäbe an dieser Stelle wenig Sinn.
Zumindestens eines dieser beiden Pferde scheint den vier Zwergen dabei zu helfen, den Himmel zu tragen, wenn die schwächer werdenden Zwerge ihn zur Erde (Ginnung) niedersinken lassen. Vermutlich ist dies ein Bild für die drohende Zerstörung der Welt – dieses mythologische Motiv ist in neuerer Zeit durch einige Gallier, die nur „fürchten, daß ihnen der Himmel auf den Kopf fällt“, wieder etwas bekannter geworden … Auch das Motiv der Schädelschalen findet sich bei ihnen in dem Band „Asterix und die Normannen“.
Zumindestens die frühen Kelten kannten auch den Brauch des Trinkens aus Schädelschalen, wie die drei Schädelschalen in der Höhle von Byciskala in Böhmen zeigen.
Bei den Slawen kam es bis um ca. 1000 n.Chr. vereinzelt vor, daß die Fürsten aus den Schädeln von besonderes wichtigen besiegten Feinden oder von besonders verehrten verstorbenen Fürsten Trinkschalen anfertigen ließen, um durch sie die Kraft der Verstorbenen in sich aufnehmen zu können. Es gibt u.a. Berichte über die Herstellung solcher Schädelschalen aus dem Kopf des toten griechischen Kaisers Nikephoros I und aus dem Haupt des Svytoslav I von Kiev.
Schädelschalen spielten in den Ritualen der nordindischen Mahasiddha-Yogis, die zu den Buddhisten gehört haben, aber auch viele Elemente aus dem hindhuistischen Yoga benutzt haben, eine große Rolle.
Am gründlichsten waren die (indogermanischen) Skythen, die nicht nur aus den Schädeln ihrer Feinde tranken, um deren Kraft in sich aufzunehmen, denn bei ihnen wurde von den Nachkommen und Freunden eines Toten das Fleisch der Leiche zusammen mit dem Fleisch der Opfertiere gekocht und dann verspeist, um die Kraft des Toten in sich aufzunehmen und für die Sippe zu bewahren (siehe auch „Kannibalismus“ in Band 55).
Angesichts dieser so gut und so lange bezeugten archaischen Tradition scheint es sehr wahrscheinlich, daß es einst auch bei den Indogermanen (und später dann bei den Kelten, Germanen, Slawen, Skythen und Indern) den Brauch gegeben haben wird, aus den Schädelschalen eines verstorbenen Vorfahren zu trinken, wenn man den Segen, die Hilfe oder den Rat dieses Vorfahren erhalten wollte.
Möglicherweise ist dieser Brauch einst auch mit dem Utiseta („Draußensitzen“) verknüpft gewesen, bei dem man am Grab des Ahnen, dessen Rat und Hilfe man erhalten wollte, eine rituelle Traumreise in das Jenseits unternommen hat.
Auch die Christen kannten diesen Brauch. So wurden die Schädelschalen der Heiligen Theodata, des Heiligen Sebastian, des Heiligen Quirinus, der Heiligen Anastasia, des Heiligen Makarius, des Heiligen Throdul, des Heiligen Gzumpertus, des Heiligen Nantovin und vieler anderer dazu benutzt, um durch das Trinken aus ihnen einen allgemeinen Segen zu erhalten oder von der speziellen Krankheit geheilt zu werden, die mit dem verbunden gewesen war. Interessanterweise sind nur Schädelschalen von männlichen Heiligen bekannt.
Die Tatsache, daß für die frühen Christen die Verwendung von Schädelschalen, die aus den Schädeln von verstorbenen Heiligen gefertigt worden waren, etwas ganz Normales dargestellt hat, läßt vermuten, daß Schädelschalen einst deutlich weiter verbreitet gewesen sein müssen, als es die schriftliche Überlieferung annehmen läßt.
Außerhalb der indogermanischen Überlieferung finden sich Schädelschalen vor allem noch im tibetischen Buddhismus und haben dort ihre Wurzeln in der nordindischen Tradition der Mahasiddhis und möglicherweise auch in dem tibetischen Bön-Schamanismus.
Man fand in England in Sommerset drei Schädelschalen aus der Jungsteinzeit, die vermutlich als Trinkgefäße benutzt worden sind. Eine rituell-magische Bedeutung dieser Trinkschalen ist nicht nachweisbar, aber gut denkbar – schließlich wird man sich bei der Benutzung einer Schädelschale darüber bewußt gewesen, von wem sie stammt, und wird daher das Trinken aus dieser Schädelschale mit dem betreffenden Toten assoziiert haben.
Die allgemeine Benutzung von Totenschädeln im Kult reicht bis mindestens in die frühe Jungsteinzeit zurück, in der man die Schädel der Verstorbenen reinigte, mit Ton überzog und ihr Gesicht nachplastizierte. Diese Köpfe bewahrte man im Wohnhaus auf, um jederzeit den Kontakt mit dem entsprechenden Toten aufnehmen zu können. Solche „sprechenden Köpfe“ sind auch von vielen indogermanischen Völkern bekannt (Germanen: Mimir; Kelten: Bran; Griechen: Orpheus u.a.).
In einer der Höhlen, in der sich Höhlenmalereien befinden, ist ein Neandertaler-Schädel zwischen mehreren Tropfsteinsäulen gefunden worden. Er wird sich dort sicherlich nicht zufällig befunden haben, sondern ist mit Absicht dorthin gelegt worden – zumal diese Höhlen symbolisch den Bauch der Großen Mutter und daher auch das Jenseits symbolisiert haben.
Die Schädel-Symbolik reicht daher bis mindestens deutlich vor das Ende der letzten Eiszeit um 10.500 v.Chr. zurück, also bis vor den Übergang von der Altsteinzeit zur Jungsteinzeit.
Schädelschalen sind bis um ca. 1000 n.Chr. sowohl bei den Heiden als auch bei den Christen ein normales Element des Kultes gewesen. Durch das Trinken aus ihnen erhielt man einen Segen von dem betreffenden Verstorbenen, wobei sich dieser Segen den speziellen Fähigkeiten des betreffenden Menschen zu seinen Lebzeiten entsprach.
Es hat den Anschein, als ob die Schädelschalen der beiden Alcis-Söhne des ehemaligen Göttervaters Tyr besonders wichtig gewesen seien, da sie sowohl im Wieland-Lied als auch in der Sagas und Liedern über Gudrun erscheinen. Die rituelle Verwendung dieser Schädelschalen ist jedoch in beiden Fällen entsprechend des damals neu entstehenden Weltbildes und der Saga-Dynamik schon zu einem Racheakt umgedeutet worden.
Vermutlich entsprechen die Schädelschalen der beiden Alcis in symbolischritueller Hinsicht ihren beiden Trinkhörnern (siehe dazu u.a. „Die Goldhörner von Gallehus“ und „Horn“ in Band 57).
Auch aus dem Schädel des Göttervaters selber ist möglicherweise eine Schädelschale hergestellt worden, die dann später zu dem sprechenden Schädel des Mimir und zu seinem Trinkhorn geworden sein könnten. Vermutlich hat sowohl das sprechende Haupt als auch das Trinkhorn eine eigene alte Tradition gehabt, die sich mit dem vermuteten Schädelschalen-Motiv des ehemaligen Göttervaters Tyr verbunden haben wird.
Möglicherweise gehört auch die Schädelschale aus Albions Haupt in die vermutete Tradition der Tyr-Schädelschalen – zumal „Albion“ die Bedeutung „Weißer“ hat und der ehemalige Sonnengott-Göttervater Tyr der Gott der Alben („Weiße, Strahlende“) ist und daher den Namen „Alberich“ („Alfen-König“) trägt.
Die Erschaffung des Himmels aus dem Schädel des Urriesen ist ein eigenständiges Motiv. Allerdings wurde der Urriese als der zeitlich gesehen „erste Riese“ oft mit Tyr als Riese im Jenseits, in dem er von seinem Rang her der „erste Riese“, also der „Riesenkönig“ ist, gleichgesetzt.
Dadurch könnten auch die beiden Schädel-Motive der Schädelschalen und des Himmelsschädels miteinander in Berührung gekommen sein – davon sind allerdings keine Spuren bekannt.
Die Augen als das wichtigste Sinnesorgan der Menschen sind in so gut wie jeder Mythologie auch ein wichtiges Symbol.
Dieser Stab, der um ca. 1300 n.Chr. in Ribe, der ältesten Stadt Dänemarks (im Südwesten Dänemarks) hergestellt worden ist, enthält eine germanisch-christliche Runeninschrift. In ihr wird u.a. um Heilung für die Augen gebeten.
Ich bitte die Erde zu wachen
und auch den Himmel oben,
die Sonne und die Heilige Maria
und den Herrgott selber,
daß er mir heilende Händen gewährt,
und eine heilende Zunge,
um den Zitterer zu heilen,
wenn er eine Behandlung braucht
an Rücken und Brust,
an Leib und Glied,
an Augen und Ohren,
an jedem Platz, an dem das Böse eintreten kann.
Ein Stein wird 'Dunkler' genannt;
er ragt aus der See empor.
Auf ihm liegen neun Nöte.
Sie sollen weder gut schlafen
noch warm werden
bis es Dir wieder besser geht -
dafür habe ich diese Runen
Worte aussprechen lassen.
Amen. So sei es.
(Kreuzzeichen)
„Der ist nicht gesund, dem die Augen schmerzen.“
anonym: Saga über die Fost-Brüder
„Wenn ein Maulwurfshügel in Deinen Augen zum Berg wird, dann …“
anonym: Saga über Feuer-Njal
Es gibt viele Bilder für die Qualität des Blickes, wobei diese Bilder fast immer die Intensität des Blickes beschreiben.
Die folgenden Verse beschreiben den Tyr-Riesen Grendel, der hier schon als Ungeheuer aufgefaßt wird.
/ Wie glühende Flamme
Schoß aus den Augen / ein scheußliches Licht.
Auch hier ist wieder Grendel, d.h. Tyr in der Unterwelt, gemeint:
/ Eilig lief dann
das Ungeheuer / über den schön-gefliesten Boden,
voll Wut stampfte er; / aus seinen Augen schossen
fürchterliche Blitze / wie Flammen waren sie anzusehn.
Es fällt auf, daß Grendels Blick beide Male mit Feuer-Bildern beschrieben wird. Es wäre denkbar, daß dies ein Nachklang an die Auffassung des Tyr als Sonnengott-Göttervater ist.
Auch Wielands Augen „glühen“ wie die des Grendel – er ist Tyr in der Unterwelt als Schmied, der sein bei seinem Tod zerbrochenes Schwert neuschmiedet. Grendel und Wieland haben denselben Ursprung in den alten Tyr-Mythen.
König Nidud gab seiner Tochter Bödwild den Goldring, den er in Wölunds Haus vom Baste gezogen hatte; aber er selber trug das Schwert, das Wölund hatte.
Da sprach die Königin:
„Er wird die Zähne blecken vor Zorn, erkennt er das Schwert
Und unsers Kindes Ring.
Wild glühn die Augen dem gleißenden Wurm.
So zerschneidet ihm der Sehnen Kraft
Und laßt ihn sitzen in Säwarstad.“
Der Fenris-Wolf ist ursprünglich der Kriegsgott-Göttervater Tyr als Wolfs-Krieger gewesen. Möglicherweise ist daher auch das Augen-Feuer des Fenrir eine Umdeutung des Sonnenfeuers des Tyr.
Der Fenriswolf fährt mit klaffendem Rachen umher, sodaß sein Oberkiefer den Himmel, der Unterkiefer die Erde berührt, und wäre Raum dazu, er wurde ihn noch weiter aufsperren. Feuer glüht ihm aus Augen und Nase.
Odin trug den Beinamen „Baleygr“, der „der mit dem flammendem Auge“ bedeutet – möglicherweise hat er diesen Namen von Tyr übernommen.
Auch Jörmungandr („Seil der Erde“) hat einen „Feuer-Blick“:
Aber das steife Seil der Erde
starrte mit flammenden Augen über die Bug-Bordwand.
Die Symbolik des ehemaligen Göttervaters Tyr wurde auf die Helden und die Könige übertragen, die Saga-Varianten des Tyr sind, sodaß auch sie einen durchdringenden Blick haben können, der wie Feuer ist.
Sigurds Augen waren so scharf, daß nur wenige es wagten, ihm unter seine Brauen zu blicken.
Als König Hjalprek die kühnen Augen in dem Kopf des neugeborenen Jungen sah, sagte er, daß ihm nur wenige Männer in jeder Hinsicht gleichen würden. Da besprenkelte er ihn mit Wasser und nannte ihn Sigurd.
So sprach Stufr der Skalde:
„In großer Eile flohen die Thyland-Männer
vor des großen Herrschers drohendem Auge:
Auf dem Heck ließ König Haralds zorniger Blick
die kühnsten Herzen Dänemarks erzittern.“
König Olaf hielt die Lider über seinen Augen geschlossen, damit sein Blick seine Betrachter nicht entsetzte.
So sprach Stein Herdi-Sohn:
„Mit Falken-Auge und strahlendem Mut
sah unser König Ruhm im Kampf;
Er sah, daß Flucht nur Niederlage bringt
für sie und ihn – für Volk und König.
Auch Frauen konnten diesen erschreckenden „Falken-äugigen Blick“ haben, wobei diese Umschreibung in den folgenden Zeilen anscheinend nur noch ein geläufiges Bild gewesen ist und keine kriegerische Haltung der Frau beschreibt.
Wir standen inmitten der Stadt
und sofort legte sie ihre Arme um mich,
die Falken-äugige Frau,
die Schönhaarige, und grüßte mich.
Bei normalen Kriegern werden andere Augen-Bilder als bei Helden und Königen benutzt:
Svein sang dies:
„Welcher Verkünder des Speerschauers
reitet zu dieser Nachtstunde
so geschwind durch dieses rauhe Wetter
zu dem Tor dieser Halle?
Er, dieser Hunde-äugige Waghalsige,
der alle guten Taten verlassen hat:
Er wird sicherlich an diesem Tag noch lange
vor meinen Händen flieh'n.“
Doch auch Frauen hatten bisweilen einen Feuer-Blick. Er findet sich auffälligerweise nur bei Gudrun und Swanhild, die beide Saga-Varianten der Jenseitsgöttin bzw. einer Walküre sind und zu der Sippe des Sigurd (eine Saga-Vairante des Tyr) gehören.
Sie stand bei den Säulen / und sammelte ihre Kraft:
Da flammte Feuer / aus den Augen der Brünhild
Budli-Tochter / und sie hauchte Gift aus,
als sie die Wunden / des Sigurd sah.
Brünhild wird hier wie ein Drache geschildert.
Gudrun hatte mit Sigurd eine Tochter, die Swanhild genannt wurde. Sie war die schönste aller Frauen und war scharfäugig wie ihr Vater, sodaß es nur wenige wagten, unter ihre Brauen zu blicken. Sie übertraf alle anderen Frauen so, wie die Sonne alle anderen Himmels-Lichter übertrifft.
Hier wird der intensive Blick sogar noch mit der Sonne verglichen, die der vermutete Ursprung dieser „Feuer-Blicke“ ist: die Sonne als das Auge des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr.
Der Blick der Swanhild war so intensiv, daß sie nur durch ihren Blick Pferde beherrschen konnte – ihr Blick hat magische Qualität.
Da wurde Swanhild am Tor der Burg angebunden und ein Roß wurde gegen sie getrieben um sie zertrampeln. Als sie jedoch ihre Augen weit öffnete, wagte das Pferd nicht auf sie zu treten.
Als Bikki dies erblickte, hieß er ihr einen Beutel über den Kopf ziehen. Als sie dies getan hatten, verlor sie ihr Leben.
Einen milden und beschaulichen Blick findet man bei den Wikingern eher selten, aber er kommt auch bei ihnen vor …
Ingimund blickte auf das Kind und sagte: „Der Junge hat einen nachdenkllichen Blick in seinen Augen – da brauche ich nicht lange nach einem Namen zu suchen. Er soll Thorstein heißen und ich hoffe, daß mit diesem ein gutes Geschick für ihn verbunden ist.“
Man hoffte, daß der Blick der Götter, die das Schicksal der Menschen lenken, nicht von Wut erfüllt war:
Sigurd setzte sich nieder und frug sie (Sigdrifa/Brünhild) nach ihrem Namen.
Da nahm sie ein Horn voll Met und gab ihm Minnetrank.
Sigdrifa:
„Heil Dir Tag, Heil euch Tagessöhnen,
Heil Dir Nacht und nährende Erde:
Mit unzornigen Augen schaut auf uns
Und gebt uns Sitzenden Sieg.“
In dieser Saga findet sich eine Passage, in der möglicherweise der Blick eines Menschen als „Spiegel seiner Seele“ angesehen wird – aber diese Deutung der folgenden Szene ist unsicher.
Da begann Kormak sie zu tadeln und sagte, daß sie nichts als Übles tun würde, und wollte sie hinauszerren, um im Sonnenschein in ihre Augen zu blicken.
In den neuen Mythen, die nach 500 n.Chr. nach der Absetzung des Tyr als Göttervater entstanden sind, hat der Gott Thor den intensivsten Blick:
Es braucht nicht weitläufig erzählt zu werden, da es ein jeder begreifen kann, wie der Bauer erschrecken mochte, als er sah, daß da Thor die Brauen über die Augen sinken ließ, und wie wenig er auch von den Augen noch sah, so meinte er doch, vor der Schärfe des Blicks zu Boden zu fallen.
Es gibt mehrfach das Motiv der „Schlange im Auge“. Da die feuerspeienden Drachen Riesenschlangen sind, wird die „Schlange im Auge“ und das „Feuer im Auge“ dasselbe Motiv sein. Wenn dies zutreffen sollte, dann stammt dieses Augenfeuer aus dem Jenseits, da die Schlangen die Totengeister sind. Auch ein Zusammenhang mit der Kundalini wäre denkbar (siehe „Kundalini“ in Band 64).
Dies steht keineswegs im Widerspruch zu der Deutung des „Feuer-Blicks“ als des Sonnenauges des Tyr, da auch der Gott Tyr damals in der nächtlichen bzw. winterlichen Unterwelt zu einem Sonnendrachen wurde.
Rigr stand auf, / das Bett war bereit.
Da blieb er drauf / drei Nächte lang:
Dann ging er und wanderte / des Weges inmitten.
Darnach vergingen / der Monden neun.
Die Mutter gebar / und barg in Seide
Ein Kind, das genetzt / und genannt ward Jarl.
Licht war die Locke / und leuchtend die Wange,
Die Augen scharf – / so wie Schlangen blicken.
„Schau seine Augen – scharf wie die einer jungen Schlange! Und es gibt keine Frau, die schönere Augen hat!“
Aus der Sicht des Mönches Saxo der Schriftkundige sieht die Bewertung von 'Schlangenaugen' natürlich anders aus:
Ich denke, daß der, der dieses Wunder verursachte (Gott), durch das sichtbare Merkmal in seinen Augen zu verkünden wünschte, daß der junge Mann in Zukunft grausam sein würde, um sicherzustellen, daß die sichtbareren Teilen seines Körpers nicht eines Omens ermangelten, das auf sein folgendes Leben hinwies.
Als die alte Frau, die seine Amme war, in seinem Gesicht Anzeichen von kleinen Schlangen sah, begann sie sich schrecklich vor dem Jungen zu fürchten, stürzte nieder und verlor ihr Bewußtsein.
Daher kommt es, daß Siward den weitbekannten Namen 'Schlangenauge' erhielt.
Ich habe noch nie
Zaumzeug in den Stirnsteinen,
in den Bart-Hängen der Stirn gesehen
außer bei Sigurd allein.
Dieser kräftige Ungeheuer-Jäger
hat Düsterwald-Ringe
in die Bart-Hänge seiner Brauen-Augenlider gesetzt –
An diesem Zeichen wird er erkannt werden.
„Zaumzeug“ ist eine Heiti für „Schlangen“: Beides ist lang und dünn und beweglich.
„Bart-Hänge“ ist eine Kenning für „Wangen“. Die „Wangen der Stirn“ sind die Augenhöhlen. Ragnar sieht also Schlangen in den Augen des Neugeborenen.
Die Bezeichnung „Ungeheuer-Jäger“ bezieht sich auf den Drachen Fafnir, den Sigurd getötet hat.
Der „Düsterwald“ („mirkvid“) ist der Jenseitswald. „Düsterwald-Ring“ ist eine Kenning für „Drache“.
„Barthänge seiner Brauen“ ist eine Kenning für „Augenhöhlen“: Die „Barthänge“ sind die Wangen und die „Wangen der Augenbrauen“ sind die Augenhöhlen unter den Brauen.
Teil des Arinbjorns Liedes:
Solche Mond-gleiche Helligkeit
hat noch niemand erblickt,
wie die Wasser
der Brauen Erik des Großen:
Seine blitzenden Augen
sind wie eine feurige Schlange,
aus ihnen strahlte ein Sternen-gleiches Leuchten
ernst und kühn.
„Achte darauf, daß Du Högni niemals von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehst, denn er hat einen Ögis-Helm in seinem Augen, vor dem sich niemand schützen kann.“
Der Ögis-Helm, d.h. der Schreckens-Helm ist der Jenseitsreise-Maskenhelm, dessen Tragen einen Menschen in einen Drachen verwandelt. Das Motiv des „Schreckens-Helm im Auge“ ist somit eine Variante der „Schlange im Auge“.
Was für die Schlange im Auge und für den Schreckenshelm galt, galt natürlich auch für reale Drachen – zumindestens in einer der Sagas:
Yngvar befahl ihnen, den Drachen nicht anzublicken. Sie taten wie er befohlen hatte – alle außer ein paar Männer, die sich erhoben und sahen, daß der Drache wütend über den Raub war. Er bäumte sich auf seinem Schwanz auf und machte ein Geräusch wie ein pfeifender Mann und drehte sich in einem Kreis auf dem Gold. Die Männer berichteten, was sie gesehen hatten und fielen tot nieder.
Da sprach Björn eine Strophe:
„Auch wenn kaum einer etwas sagt,
brüten viele Männer
über Rache in ihrem Herzen,
in ihrer Falken-schnellen Truhe (Herz).
Wir haben keine Schlange
und keine Natter in unseren Augen,
doch meine Brüder erfreuen mich:
Ich werde mich Deiner Stiefsöhne erinnern.“
An den Augen kann man auch Lüge, Betrug und Falschheit erkennen.
Hyndla:
„Du bittest mich mit Falschheit, Freya, zu kommen,
das sehe ich in dem Glanz Deiner Augen.“
„Was dünkt Dich über das Mägdlein,“ wandte sich Höskuld an Rut, „ist es nicht ein liebliches Kind?“
Rut schwieg und Höskuld wiederholte seine Frage.
Da antwortete Rut: „Sehr schön ist sie, und mancher wird dafür büßen müssen. Aber ich kann mir nicht erklären, woher die Diebesaugen in unser Geschlecht gekommen sind.“
Das Erblinden oder das Verlieren eines Auges war mit der Jenseitsreise assoziiert. Das Urbild dafür ist Odin, der mit seinem heilen und „lebenden“ Auge das Diesseits sieht und mit seinem blinden und daher „toten“ Auge das Jenseits wahrnimmt.
Ein anderer blinder Jenseits- und Wintergott ist Hödur.
Die Blindheit scheint somit fest mit dem Jenseits assoziiert worden zu sein.
Odin hat eines seiner Augen in der Quelle des Mimir (Tyr) geopfert, um dessen Wissen und Weisheit zu erhalten:
Allein saß sie außen, da der Alte kam,
Der grübelnde Ase, und ihr ins Auge sah.
„Warum fragst Du mich? Was erforschst Du mich?
Ich weiß, Odin, wo Du Dein Auge bargst:
In der vielbekannten Quelle Mimirs.
Met trinkt Mimir allmorgendlich
Aus Walvaters Pfand!“ Wißt ihr, was das bedeutet?
Da frug Gangleri: „Wo ist der Götter vornehmster und heiligster Aufenthalt?“
Har antwortete: „Das ist bei der Esche Yggdrasil: da sollen die Götter täglich Gericht halten.“
Da frug Gangleri: „Was ist von diesem Ort zu berichten?“
Da antwortete Jafnhar: „Diese Esche ist der größte und beste von allen Bäumen: seine Zweige breiten sich über die ganze Welt und reichen hinauf über den Himmel. Drei Wurzeln halten den Baum aufrecht, die sich weit ausdehnen: die eine zu den Asen, die andere zu den Hrimthursen, wo vormals Ginnungagap war; die dritte steht über Niflheim, und unter dieser Wurzel ist Hwergelmir und Nidhögg nagt von unten an ihr. Bei der andern Wurzel hingegen, welche sich zu den Hrimthursen erstreckt, ist Mimirs Brunnen, worin Weisheit und Verstand verborgen sind. Der Eigner des Brunnens heißt Mimir, und ist voller Weisheit, weil er täglich von dem Brunnen aus dem Giallarhorn trinkt.
Einst kam Allvater dahin und verlangte einen Trunk aus dem Brunnen, erhielt ihn aber nicht eher, bis er sein Auge zum Pfand setzte.“
Die Blindheit des Helgi ist mit dem Jenseits verbunden, in das er gereist war. „Helgi“ ist einst ein Beiname des Tyr gewesen.
Danach verging der Winter, und als das nächste Mal der achte Tag der Weihnachtszeit gekommen war, waren der König und sein Gefolge gerade in der Kirche und nahmen an der Messe teil. Da kamen drei Männer zur Kirchentür und ließen einen von ihnen zurück. Die anderen zwei gingen wieder fort und riefen zurück: „Hier bringen wir Dir Grettir, und es ist nicht sicher, wann Du ihn wieder los wirst.“
Da erkannten die Leute Helgi („Grettir“). Dann ging der König zu Tisch, und als die Leute mit Helgi redeten, bemerkten sie, daß er blind war.
Daraufhin frug der König, wie er in diesen Zustand gekommen sei und wo er die ganze Zeit lang gewesen sei.
Er erzählte dem König zuerst davon, wie er die Frauen im Wald traf, dann davon, wie die Grime das Unwetter verursachten, als er mit seinem Bruder das Schiff sichern wollte, und schließlich wie die Grime ihn mit sich zu Gudmund auf Gläsisvellir nahmen und ihn zu Ingibjörg, der Tochter Gudmunds, brachten.
Da sagte der König: „Wie fandest Du es, dort zu sein?“
„Sehr gut,“ sagt er, „und nirgends hat es mir je besser gefallen.“
Dann frug der König nach den Gebräuchen Gudmunds, ob er viele Männer bei sich habe und mit was er sich beschäftige.
Aber Helgi äußerte sich darüber in jeder Hinsicht gut und sagte, daß Gudmund viel mehr Männer habe, als er habe zählen können.
Der König sprach: „Warum bist Du letzten Winter so plötzlich weggegangen?“
„König Gudmund schickte sie um Euch zu betrügen“, sagt er, „aber wegen Euren Gebeten ließ er mich frei, so daß Ihr erfahren konntet, was aus mir geworden war. Aber letztes Mal verschwanden wir deswegen so schnell, weil die Grime nicht in der Lage waren, das Getränk zu trinken, das Ihr segnen ließet. Sie wurden zornig, weil sie sich überwunden sahen. Und sie erschlugen Eure Männer, weil König Gudmund ihnen das aufgetragen hatte, falls sie es nicht schafften, Euch Schaden zuzufügen. Aber er erwies Euch seine Ehre dadurch, daß er Euch die Hörner schickte, damit Ihr weniger nach mir suchen würdet.“
Der König frug: „Wie kamst Du dann zum zweiten Mal von dort weg?“
Er antwortet: „Das veranlaßte Ingibjörg. Sie meinte, nicht mit mir schlafen zu können, ohne Qualen zu erleiden, wenn sie mit mir nackt in Berührung käme, und hauptsächlich deswegen ging ich weg. Aber außerdem wollte König Gudmund sich nicht wegen mir mit Euch anlegen, sobald er wußte, daß Ihr mich von dort weg haben wolltet. Aber über die Ehre und Großzügigkeit König Gudmunds und über die zahlreichen Männer, die bei ihm sind, kann ich nicht mit wenigen Worten erzählen.“
Der König frug: „Warum bist Du blind?“
Er antwortete: „Die Königstochter Ingibjörg riß mir beide Augen aus, als wir uns trennten, und sagte, daß die Frauen in Norwegen wenig Freude an mir haben würden.“
Hier ist das Motiv der Wiederzeugung mit der Göttin im Jenseits, das der Wiedergeburt des Toten durch sie vorausging, schon sehr stark umgedeutet worden.
In dieser Saga, die voller Motive aus den alten Tyr-Mythen ist, wird Tyr-Geirröd zunächst geblendet und erst dann getötet. Auch hier ist die Blindheit somit mit dem Jenseits verbunden. Die Blindheit könnte dem Motiv der nächtlichen „Schwarzsonne“, also „Tyr in der Unterwelt“ entsprochen haben.
Die folgende Szene spielt in der Halle des Riesenkönigs Geirröd (Tyr).
Kurz darauf kam ein Mann in die Halle. Alle waren verwundert, wie klein er war. Es war Thorsteinn Haus-Kind. Er wandte sich an Godmund und sagte, daß die Rosse für den Ritt bereit seien.
Geirröd frug, wer dieses Kind sei.
Godmund sagte: „Dies ist mein kleiner Diener, den mir Odin gesandt hat. Er ist selbst für einen König ein Schatz und kennt viele Tricks und wenn Du ihn brauchen solltest, gebe ich ihn Dir.“
„Das ist ein eindrucksvoller Junge,“ sagte der König, „aber ich würde gerne etwas von seinem Geschick sehen,“ und gebot Thorsteinn, einen Trick vorzuführen.
Thorsteinn nahm seinen Stein und den Stachel stach und ihn dort, wo er weiß war. Da kam ein Hagelsturm, der so heftig war, daß niemand es wagte, ihm entgegenzublicken und der Schnee lag bald knöchelhoch in der Halle. Der König lachte darüber.
Diesen dreieckigen Stein hatte Thorsteinn zusammen mit einem Unsichtbarkeits-Stein und einem magischen Unverwundbarkeits-Hemd von einem Zwerg erhalten.
Da stach Thorsteinn den Stein dort, wo er gelb war. Da kam ein so heißer Sonnenschein, daß der Schnee innerhalb kurzer Zeit getaut war. Süße Düfte wehten herein und Geirröd sagte, daß er ein geschickter Mann sei.
Thorsteinn jedoch sagte, daß er noch einen Trick wisse, der „Peitschen-Spiel“ genannt werde.
Der König sagte, daß er ihn sehen wolle. Thorsteinn stellte sich in die Mitte der Halle und stach den Stein dort, wo er rot war. Da flogen Funken aus ihm heraus. Dann rannte er durch die ganze Halle an jedem Sitz entlang. Der Funkenschauer wurde immer größer, sodaß alle Männer ihre Augen schützen mußten. König Geirröd jedoch lachte.
Dann wuchsen die Feuer an, sodaß alle fanden, daß es nun reichte.
Thorsteinn hatte zuvor Godmund gesagt, daß er hinausgehen und auf seinem Pferd fortreißen solle.
Thorsteinn sprang vor Geirröd und sagte: „Willst Du, daß dieses Spiel noch heftiger wird?“
„Laß es mich sehen, Diener,“ sagte Geirröd.
Thorsteinn stach den Stein fester als jemals zuvor. Die Funken flogen in Geirröds Augen. Thorstein rannte zur Tür und schleuderte den Stein und den Dorn und sie flogen in König Geirröds Augen und er fiel tot nieder.
Thorsteinn lief hinaus. Da kam Godmund hoch zu Roß.
Thorsteinn gebot ihnen loszureiten, „denn dies ist kein Schutzort für Weichlinge.“
Sie ritten zu dem Fluß. Der Stein und der Dorn waren zu ihm zurückgekehrt.
Das Zurückkehren zu seinem Besitzer gehört zu den magischen Eigenschaften dieses Steines, die der Jamtaland-Zwerg Thorsteinn erklärt hatte.
Thorsteinn tötet Tyr-Geirröd mit einem Wurf des magischen Steine, der dann zu ihm zurückkehrt – Thor tötet Geirröd mit seinem magischen Hammer, der dann zu ihm zurückkehrt. In der Thorsten-Saga ist der dreieckige Stein, der dem Hrungnir-Herzen entspricht, an die Stelle des Thor-Hammers getreten. In dieser sehr stark umgedeuteten Tyr-Mythe wird Tyr-Geirröd-Hrungnir mit seinem eigenen Sonnenherzen (der dreieckige Stein des Thorstein) getötet …
Möglicherweise ist die Symbolik des Geblendetwerdens des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr bei seinem Eintritt in das Jenseits auch auf die Könige übertragen worden. König Magnus ist jedoch auch tatsächlich kurz vor seinem Tod von seinen Feinden geblendet worden.
Seht, was diesem Fürsten geschah:
Eine Wut-Tat: Ihm wurden die Augen herausgeschlagen
(das war eine Fehde!) von den Männern –
Dem Heimdall, dem Baum des Honigs.
So kam es, daß von des Eiben-Herrn Haupt
der ein Ausgestoßener wurde,
der bitter unter dem Himmel wanderte,
rotes Blut herabrann.
Der Fürst nahm den Insel-erfüllten Weg
durch den Erd-Gürtel nach Vierzig-Stäbe.
Ägir gibt mir einen Ankerplatz,
er war Dir gnädig;
Er spricht zum Kostbar-Rad:
Die Mark-Heime sind im Schnell-Berg.
Ankerplatz: für das Schiff, mit dem Magnus der Blinde in das Jenseits fährt
Und Lofn befreite den starken Mann
(als das Heer vom Land-Raub erschöpft schlief)
am langen Steuerruder auf dem See-Hirsch
von oben.
König Eystein war machtvoll und hatte ein großes Gefolge. Er war jähzornig, aber weise. Er hatte sich in Uppsala niedergelassen. Er war ein großer Unterstützer der Opferungen und es gab zu jener Zeit so viele Opferungen in Uppsala wie sonst nirgends in den Nordlanden.
Sie hatten eine großes Vertrauen in eine Kuh und sie nannten sie Sibilja. Ihr war so viel geopfert worden, daß die Menschen ihre Schreien nicht ertragen konnten.
Der Name „Sibilja“ ist griechisch und bedeutet „Seherin“. Dies läßt vermuten, daß es sich um ein Orakeltier handelt.
Das bekannteste Orakeltier im Norden wird das Pferde des vierköpfigen Göttervaters Svantevit der Balten auf der Insel Rügen gewesen sein. Wahrscheinlich wird man aus seinen Bewegungen die Antwort des Orakels herausgelesen haben.
Als der König hörte, daß eine überwältigende Streitmacht nahte, beschloß er, diese Kuh vor seinem Heer herzusenden; sie war derart großer teuflischer Macht erfüllt, daß all seine Feinde so wahnsinnig wurden, wenn sie sie hörten, daß sie untereinander zu kämpfen begannen und sich nicht mehr um ihre eigene Sicherheit sorgten. Aus diesem Grund war Schweden nicht von Angriffen verwüstet worden, denn die Menschen wagten es nicht, sich solch einer Macht entgegenzustellen.
… … …
Aber die Männer in diesem Land bemerkten sie und gingen nach Uppsala und berichteten König Eystein, daß sie ins Land gekommen waren. Da ließ der König eine Botschaft in der Form eines Pfeiles durch sein ganzes Land senden und versammelte auf diese Weise so viele Männer, daß es ein Wunder war. Und er reiste mit ihnen bis er zu einem Wald kam und dort errichteten sie ihr Lager. Er hatte die Kuh Sibilja bei sich und ihr wurden viele Opfer gebracht bevor sie mit ihnen reiste.