Die Symbolik von Sonne, Mond und Sternen - Harry Eilenstein - E-Book

Die Symbolik von Sonne, Mond und Sternen E-Book

Harry Eilenstein

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Beschreibung

Die Reihe Die achtzigbändige Reihe "Die Götter der Germanen" stellt die Gottheiten und jeden Aspekt der Religion der Germanen anhand der schriftlichen Überlieferung und der archäologischen Funde detailliert dar. Dabei werden zu jeder Gottheit und zu jedem Thema außer den germanischen Quellen auch die Zusammenhänge zu den anderen indogermanischen Religionen dargestellt und, wenn möglich, deren Wurzeln in der Jungsteinzeit und Altsteinzeit. Das Buch Die Sonne als eines der eindrücklichsten Naturphänomene hat in so gut wie allen magisch-mythologischen Religionen eine große Rolle gespielt - dies trifft auch für die indogermanische und somit auch für die germanische Religion zu. Als jedoch um 500 n.Chr. der nordgermanische Sonnengott-Göttervater Tyr von dem südgermanischen Schamanengott-Göttervater Odin abgesetzt worden ist, ist der größte Teil der Sonnensymbolik in den Untergrund gegangen, d.h. er wurde zu stark gedeuteten mythologischen Motiven und zu Volksbräuchen. Daher gibt es für die Sonne-Mythen bei den Germanen fast nur bildliche Darstellungen und archäologische Funde, da die schriftliche Überlieferung erst um 700 n.Chr. in nennenswertem Maße einsetzt. Im Gegensatz zu der Sonne berichten die germanischen Mythen nur sehr wenig über den Mond - und über die Sterne ist kaum etwas zu finden.

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Bücher von Harry Eilenstein

Astrologie

Astrologie (496 S.)Photo-Astrologie (428 S.)Die astrologischen Aspekte (88 S.)Horoskop und Seele (120 S.)

Magie

Handbuch für Zauberlehrlinge (408 S.)Telepathie für Anfänger (60 S.)Telepathie für Fortgeschrittene (52 S.)Tarot (104 S.)Physik und Magie (184 S.)Die Magie-Formel (156 S.)Krafttiere – Tiergöttinnen – Tiertänze (112 S.)Schwitzhütten (524 S.)

Meditation

Der Lebenskraftkörper (230 S.)Die Chakren (100 S.)Das Chakren-System mit den Nebenchakren (296 S.)Meditation (140 S.)Drachenfeuer (124 S.)Reinkarnation (156 S.)

Kabbala

Kursus der praktischen Kabbala (150 S.)Eltern der Erde (450 S.)Blüten des Lebensbaumes:Die Struktur des kabbalistischen Lebensbaumes (370 S.)Der kabbalistische Lebensbaum als Forschungshilfsmittel (580 S.)Der kabbalistische Lebensbaum als spirituelle Landkarte (520 S.)

Religion allgemein

Muttergöttin und Schamanen (168 S.)Göbekli Tepe (472 S.)Totempfähle (440 S.)Christus (60 S.)Dakini (80 S.)Vajra (76 S.)

Ägypten

Hathor und Re 1: Götter und Mythen im Alten Ägypten (432 S.)Hathor und Re 2: Die altägyptische Religion – Ursprünge, Kult und Magie (396 S.)Isis (508 S.)

Indogermanen

Die Entwicklung der indogermanischen Religionen (700 S.)Wurzeln und Zweige der indogermanischen Religion (224 S.)

Germanen

Die Götter der Germanen (87 Bände)Odin (300 S.)

Kelten

Cernunnos (690 S.)Der Kessel von Gundestrup (220 S.)Der Chiemsee-Kessel (76)

Psychologie

Über die Freude (100 S.)Das Geheimnis des inneren Friedens (252 S.)Das Beziehungsmandala (52 S.)Gefühle und ihre Verwandlungen (404 S.)einsgerichtet (140 S.)Liebe und Eigenständigkeit (216 S.)Von innerer Fülle zu äußerem Gedeihen (52 S.)Die Symbolik der Krankheiten (76 S.)

Kunst

Herz des Tanzes – Tanz des Herzens (160 S.)

Drama

König Athelstan (104 S.)

Die Themen der einzelnen Bände der Reihe „Die Götter der Germanen“

Die Entwicklung der germanischen ReligionLexikon der germanischen ReligionDer ursprüngliche Göttervater TyrTyr in der Unterwelt: der Schmied WielandTyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 1Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 2Tyr in der Unterwelt: der ZwergenkönigDer Himmelswächter HeimdallDer Sommergott BaldurDer Meeresgott: Ägir, Hler und NjördDer Eibengott UllrDie Zwillingsgötter AlcisDer neue Göttervater Odin Teil 1Der neue Göttervater Odin Teil 2Der Fruchtbarkeitsgott FreyrDer Chaos-Gott LokiDer Donnergott ThorDer Priestergott HönirDie GöttersöhneDie unbekannteren GötterDie Göttermutter FriggDie Liebesgöttin: Freya und MenglödDie ErdgöttinnenDie Korngöttin SifDie Apfel-Göttin IdunDie Hügelgrab-Jenseitsgöttin HelDie Meeres-Jenseitsgöttin RanDie unbekannteren JenseitsgöttinnenDie unbekannteren GöttinnenDie NornenDie WalkürenDie ZwergeDer Urriese YmirDie RiesenDie RiesinnenMythologische WesenMythologische Priester und PriesterinnenSigurd/SiegfriedHelden und GöttersöhneDie Symbolik der Vögel und InsektenDie Symbolik der Schlangen, Drachen und UngeheuerDie Symbolik der HerdentiereDie Symbolik der RaubtiereDie Symbolik der Wassertiere und sonstigen TiereDie Symbolik der PflanzenDie Symbolik der FarbenDie Symbolik der ZahlenDie Symbolik von Sonne, Mond und SternenDas JenseitsSeelenvogel, Utiseta und EinweihungWiederzeugung und WiedergeburtElemente der KosmologieDer WeltenbaumDie Symbolik der Himmelsrichtungen und der JahreszeitenMythologische MotiveDer TempelDie Einrichtung des TempelsPriesterin – Seherin – Zauberin – HexePriester – Seher – ZaubererRituelle Kleidung und SchmuckSkalden und SkaldinnenKriegerinnen und Ekstase-KriegerDie Symbolik der KörperteileMagie und RitualGestaltwandlungenMagische WaffenMagische Werkzeuge und GegenständeZaubersprücheGöttermetZaubertränkeTräume, Omen und OrakelRunenSozial-religiöse RitualeWeisheiten und SprichworteKenningarRätselDie vollständige Edda des Snorri SturlusonFrühe SkaldenliederMythologische SagasHymnen an die germanischen Götter

Inhaltsverzeichnis

I Übersicht

I 1. Sonne, Mond und Sterne

Das einzige Element über der Erde, zu dem es bei den Germanen eine reiche Überlieferung gibt, ist die Sonne. Die Sonne erscheint vornehmlich als Gott, aber auch als Göttin.

Im Vergleich zur Sonne spielen der Mond, die Venus (siehe „Aurwandil“ in Band 20) und die übrigen Planeten und ebenso die Sterne, die Sternbilder und die Milchstraße kaum eine Rolle. Auch der Polarstern hat keine Mythologie gehabt, sondern nur einen praktischen Nutzen bei der Seefahrt.

Die Nacht wurde als die Mutter der Sonne angesehen – sie ist mit der Erdgöttin und Jenseitsgöttin identisch.

II Die Nacht

II 1. Nott

„Nott“ bedeutet „Nacht“, aber ist auch eine Gottheit – die personifizierte Nacht.

Da „nott“ eine sehr grundlegende und eindeutlige Erscheinung bezeichnet, hat dieses Substantiv auch schon in der germanischen Sprache („nahtiz“), in der indogermanischen Sprache („nokuts“) und der borealischen (eurasiatischen) Sprache („nuku“) die Bedeutung „Nacht“ gehabt.

II 1. a) Wortschatz

II 1. b) Gylfis Vision

Die Nacht und der Tag sind entstanden, weil die Asen die beiden getrennt haben. Dies erinnert an den Urgegensatz Niflheim und Muspelheim – Niflheim ist die Dunkelheit der Unterwelt und Muspelheim das Licht der Sonne im Diesseits.

Bei den Germanen wurde wie in so gut wie allen frühen Kulturen die Zeit in Nächten und Wintern, also in „Dunkelphasen“ gezählt – das Urbild der Welt war die Geburt: Die Sonne kommt aus dem Urmeer, der Mensch aus seiner Mutter, die Pflanzen aus der Erde. Daher werden das dunkle Niflheim und die finstere Nacht schon vor dem hellen Tag und der strahlenden Sonne existiert haben – die Trennung von beiden ist somit der Sonnenaufgang. Vor 500 n.Chr. wird dies Motiv noch keine Trennung von Licht und Finsternis durch die Asen, sondern die Geburt des damaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr gewesen sein.

Da sprach Gangleri: „Großes dünken die Asen mir vollbracht zu haben, da sie Himmel und Erde geschaffen, die Sonne und das Gestirn geordnet, und Tag und Nacht geschieden hatten.“

II 1. c) Gylfis Vision

Wie damals üblich, wurde auch die Nacht in einen Stammbaum eingegliedert:

Norwi oder Narfi hieß ein Riese, der in Jötunheim wohnte; er hatte eine Tochter, die hieß Nott und war schwarz und dunkel wie ihr Geschlecht.

Sie ward einem Manne vermählt, der Naglfari hieß: der beiden Sohn war Aud.

Danach ward sie einem namens Onar (Annar) vermählt; beider Tochter hieß Jörd.

Ihr letzter Gemahl war Delling, der vom Asengeschlecht war. Ihr Sohn Tag war schön und licht nach seiner väterlichen Herkunft.

Da nahm Allvater die Nacht und ihren Sohn Tag und gab ihnen zwei Rosse und zwei Wagen und setzte sie an den Himmel, daß sie damit alle zweimal zwölf Stunden um die Erde fahren sollten.

Die Nacht fährt voran mit dem Rosse, das Hrimfaxi (Ruß-Mähne) heißt, und jeden Morgen betaut es die Erde mit dem Schaum seines Gebisses.

Das Roß, womit Tag fährt, heißt Skinfaxi (Lichtmähne) und Luft und Erde erleuchtet seine Mähne.

Die Familie der Riesin Nott

Mutter

Vater

Kind

Name

Charakter

Name

Charakter

Name

Charakter

Nott

Nacht

Naglfari

Jenseitsfährmann (Odin)

Aud

Fülle

Nott

Nacht

Annar

Ymir?

Jörd

Erde

Nott

Nacht

Delling

Morgenanbruch, Leuchten

Dag

Tag

II 1. d) Sigdrifa-Lied

„Sie nannte sich Sigdrifa und war Walküre. Sie erzählte, wie zwei Könige sich bekriegten: der eine hieß Hialmgunnar, der war alt und der größte Krieger, und Odin hatte ihm Sieg verheißen: Der andre hieß Agnar, Adas Bruder: Dem wollte niemand Schutz gewähren.“

Hier werden zwei Männer jeweils als „Bruder einer Frau“ bezeichnet. Hjalmgunnars Schwester ist eine Riesin, die Schwester des Agnar ist Auda.

In „Gylfis Vision“ ist Aud ein Sohn der Nacht – falls dieser Sohn eigentlich eine Tochter gewesen sein sollte, wäre deren Bruder der Nacht-Sohn Dag, d.h. der Tag, die Sonne und somit Tyr.

Für diese Deutung spricht auch, daß es offenbar gereicht hat, die beiden Gegner als „Hjalmgunnar und den Jungen“ zu bezeichnen, denn wenn der Junge Dag-Tyr gewesen ist, dann wäre er der junge, wiedergeborene Tyr und Hjalmgunnar der alte, sterbende Tyr – beide wären derselbe Gott. Auch die beiden Schwestern sowie Sigdrifa wären dann dieselbe Göttin: die Jenseitsgöttin (Freya-Hel), die sich an jedem Abend mit dem alten, toten Tyr vereint und ihn an jedem Morgen als den jungen Tyr wiedergebiert.

Wenn diese Deutung zutreffen sollte, wäre es kein Wunder, daß Odin dagegen war, daß Sigdrifa dem jungen Agnar half – war dieser doch sein Vorgänger und Konkurrent als Göttervater. Auch im Grimnir-Lied erscheint ein junger Agnar, der jedoch Odins Unterstützung erhielt – in diesem Lied tötet Odin selber Agnars Vater, d.h. den alten Tyr …

II 1. e) Die Geschichte über Norna-Gest / Sigdrifa-Lied

In dieser Saga wird dasselbe berichtet:

Brünhild sang:

„Ich habe habe den alten Bruder / einer Riesin, Hjalmgunnar

das Schicksal gefügt, / als nächster zum Tode bestimmt zu sein.

Ich gab den Sieg dem dem Jungen / Bruder der Auda.

Odin war / darüber zornig.“

II 1. f) Wafthrudnir-Lied

Diese Sippenstruktur wird hier z.T. bestätigt:

Gangrad (Odin):

„Sag mir zum dritten, so Du weise dünkst

Und Du es weißt, Wafthrudnir,

Wer hat den Tag gezeugt, der über die Völker zieht,

Und die Nacht mit dem Neumond?“

Wafthrudnir (Tyr):

„Delling heißt des Tages Vater,

Die Nacht ist von Nörwi gezeugt.

Des Mondes Mindern und Schwinden schufen milde Wesen

Die Zeiten des Jahrs zu bezeichnen.“

II 1. g) Skaldskaparmal

Auch in den Kenningarn findet sich Anspielungen auf diesen Stammbaum:

„Wie soll man die Erde umschreiben?“

„Solcherart: Indem man sie … Tochter der Nacht … nennt.“

II 1. h) Odins Rabenzauber

Diese Riesin Nörwi ist nur aus einem Vers „Odins Rabenzauber“ bekannt. Dort wird das Jenseits mit „bei Nörwis Tochter"“ umschrieben. Die Nacht (Nott) und die Unterwelt sind hier identisch miteinander.

In der betreffenden Strophe wird die Sorge der Göttin Idun beschrieben:

Schwer nur erträgt sie dies Niedersinken

An den Stamm des ehrwürdigen Baumes gebannt.

Es behagt ihr nicht bei Nörwis Tochter,

Da sie heitere Wohnung daheim gewöhnt war.

Der Baum ist der Weltenbaum; er ist der Weg zwischen dem Asgard der Asen (Wipfel), dem Midgard der Menschen (Stamm) und dem Hel (Wurzeln) der Toten. Die „heiteren Wohnungen“ sind Asgard, wo Idun normalerweise wohnt.

II 1. i) Wafthrudnir-Lied

Hier wird der Name des Rosses der Nacht bestätigt.

Wafthrudnir (Tyr):

„Sage denn, so Du von der Flur versuchen willst,

Gangrad, Dein Glück,

Den Namen des Rosses, das die Nacht bringt von Osten

Den waltenden Wesen?“

Gangrad (Odin):

„Hrimfaxi heißt es, das die Nacht herzieht

Den waltenden Wesen.

Mehltau fallt ihm am Morgen vom Gebiß

Und füllt mit Tau die Täler.“

II 1. j) Hrimgerdr

„Hrimgerdr“ bedeutet „Beschützerin in der dunklen Unterwelt“. Sie ist die „schwarze Riesin“ Gerdr, die die Wiederzeugungs-Geliebte des „schwarzen Tyr“ in der „schwarzen Unterwelt“ ist.

Sie ist wie Skadi zu einer Rächerin ihres Vaters geworden, nachdem sie von der Jenseits-Göttin (mit der sich der Tote und auch der Göttervater vereint und von der er daraufhin wiedergeboren wird) zur Tochter des Göttervaters umgedeutet worden ist.

Hrimgerdr und auch Gerdr entsprechen somit der Göttin Skadi.

Hrimgerdr wird dadurch getötet, daß sie in ein langes Gespräch verwickelt wird und von den ersten Sonnenstrahlen in Stein verwandelt wird. Dieses Motiv ist auch aus dem Alwis-Lied und aus den Mythen des Dwalin bekannt und wird ursprünglich ein „in den Stein (Hügelgrab) gehen“ des Tyr-Riesen und seiner beiden Pferde-Söhne am Morgen sein. Dies Motiv ist dann schließlich auch auf seine Tochter übertragen worden.

Dies Motiv hat folglich folgende Stufen durchlaufen:

der Sonnengott-Göttervater Tyr stirbt am Abend und wird am Morgen wiedergeboren; im Jenseits ist er ein Rieseder Gott Tyr und der Riese Tyr werden zwei unabhängige Wesender Tyr-Riese herrscht im Winter und in der Nacht und stirbt am Morgen, d.h. er geht in sein Hügelgrab („in den Stein“) zurückseine beiden Söhne („Dwalin und sein Bruder“) teilen sein Schicksal und gehen ebenfalls jeden Morgen bei dem ersten Sonnenstrahl „in den Stein“aus dem „in den Stein gehen“ wird ein „zu Stein werden“nachdem die Jenseitsgöttin von der Geliebten und Mutter des Tyr zu dessen Tochter und schließlich zu einer Riesin umgedeutet worden ist, wird auch sie durch die Sonne in einen Stein verwandeltThor benutzt diese Art der List, um auch den Tyr-Zwerg Alwis zu töten, d.h. in Stein zu verwandeln

Sowohl Hrimgerdr als auch Nott werden zwar nicht mit Hel identisch gewesen sein, aber ihr doch sehr nahegestanden haben – alle drei waren Personifikationen von Aspekten der Unterwelt: Hel ist die Höhle (Grabkammer des Hügelgrabes), Nott die Dunkelheit in der Grabkammer, und Hrimgerdr die Jenseitsgöttin als die Wiederzeugungs-Geliebte in der Dunkelheit („hrim“) der Grabkammer.

Siehe auch „Hrimgerdr“ in Band 35.

II 1. k) Beowulf-Epos

Die Nacht ist die Zeit der Jenseitswesen:

Da die Sonne schon / dem Gesicht entschwand,

Die neblige Nacht / sich nahte den Menschen

Und des Schattenreichs Wesen / geschlichen kamen,

Gehüllt in Wolken, / erhob sich jeder.

II 1. l) Das andere Lied über Helgi Hunding-Töter

Diese Ansicht findet sich auch schon in diesem alten Lied:

Die Magd:

„Sei nicht so frevel allein zu fahren,

Skiöldungentochter, zu der Toten Hütten.

Stärker werden stets in den Nächten

Der Helden Gespenster als am hellen Tage.“

II 1. m) Syrpas Verse

Der Name „Syrpa“ leitet sich von „syr“ für „Sau“ ab und bedeutet in etwa „Schmutzige“, „Schlampe“ u.ä.

Allerdings trägt auch Freya den Beinamen „Syr“, also „Sau“, weil sie sich im Jenseits bei der Wiederzeugung mit den Toten, die dort die Gestalt eines Keilers annehmen, in eine Bache verwandelt. Dieses Zauberlied könnte daher von Freya stammen, die bei den Germanen das Urbild aller Zauberinnen gewesen ist.

Da begann Busla mit dem Lied, das „Syrpas Verse“ genannt wird und das von der allergrößten Magie erfüllt ist und das man nicht nach Sonnenuntergang singen darf.

Gegen Ende dieses Liedes heißt es:

„Sechs Männer werden hier kommen,

sage mir all' ihre Namen!

Jeden einzelnen von ihnen

werde ich Dir hier zeigen! –

Wenn Du ihre Namen nicht so errätst,

daß es mir richtig erscheint,

Dann werden an Dir in der Hel die Hunde nagen

und Deine Seele wird in den Wassern versinken!“

„Wasser“: Das altnordische „Sökkvi“ ist ein Begriff, der sich von einem Verb für „sinken“ ableitet und oft für die Wasserunterwelt benutzt wird.

Aus dem Rätsel läßt sich nur entnehmen, daß es um sechs Männer geht, die offenbar keiner gerne sieht – schließlich wird mit ihrem Anblick gedroht. Die Strafe für das Nicht-Erraten ist die Verbannung in die Hel bzw. das Versinken in den „Sökkvi“-Wassern der Ran, d.h. der Tod.

Die Zeit nach Sonnenuntergang ist die Nacht, die auch die Zeit des Jenseits und der Totengeistern war.

Diese sechs Männer stehen offenbar mit dem Jenseits im Zusammenhang und können den Tod bringen. Sie scheinen normalerweise „gebunden“ zu sein und Busla droht damit, sie auf den, der ihr Rätsel nicht richtig löst oder eben das tut, was sie von ihm verlangt, loszulassen.

II 1. n) Kenningar

Das wichtigste Jenseitswesen war nach der Jenseitsgöttin der Toten-König Tyr. Er ist der „reifkalte Riese“.

Es finden sich hier auch Anspielungen auf das Roß Hrimfaxi, das den Wagen der Nacht zieht, sowie auf Nörwi, den Vater der Nott. Der Ursprung des „Nacht-Wagens“ wird wahrscheinlich der nächtliche Wagen der Sonne sein – in der Unterwelt wird die sonne zur „Schwarzsonne“ und die weißgoldenen Rosse vor ihrem Wagen zu schwarzen Rossen (siehe auch „Pferde“ in Band 42a).

Niola ist ein anderer Name für die Nacht.

II 1. o) Nati

„Nati“ wird lediglich in den Nafna-Thulur unter den Riesen aufgelistet. Sein Name bedeutet „Speer“ (Bildung zu „nata“) oder „Nacht“ (Bildung zu „natt“). Da kein Riese mit Speer bekannt ist, ist die Deutung des „Nati“ als „Nacht“ wahrscheinlicher. Möglicherweise ist er der „Nacht-Tyr“, d.h. der ehemalige Sonnengott-Göttervater Tyr als Riese im Jenseits.

II 1. p) Niola

Dieses weibliche mythologische Wesen ist nur aus einem Vers aus „Odins Rabenzauber“ bekannt. Dort wird der Tagesanbruch wie folgt umschrieben:

Niola geht nach Norden nach Nifelheim.

Niflheim im Norden der Welt ist das Jenseits, also der Ort, zu dem alles geht, was das Diesseits, d.h. die Welt der (lebenden) Menschen verläßt. Das, was die Welt des Morgens verläßt, ist die Nacht. „Niola“ wäre somit die Nacht bzw. die Nacht-Riesin oder Nacht-Göttin.

Zu dieser Auffassung paßt auch, daß „niol, njol“ im Altnordischen die Bedeutung „Nebel, Dunkelheit“ hat.

Vermutlich wird die Nacht lediglich in diesem einem Vers mehr oder weniger zu einer Riesin/Göttin personifiziert, die sich tagsüber nach Niflheim zurückzieht. Zumindestens reicht diese eine Textstelle nicht dafür aus, Niola zu den Riesinnen oder Asinnen zu zählen.

II 1. q) Sigdrifa-Lied

Sowohl der Tag als auch die Nacht wurden als Gottheit angesprochen: Dag und Nott.

„Heil Dir Tag, Heil euch Tagessöhnen,

Heil Dir Nacht und nährende Erde:

Mit unzorngen Augen schaut auf uns

Und gebt uns Sitzenden Sieg.

Heil euch Asen, Heil euch Asinnen,

Heil Dir, fruchtbares Feld!

Wort und Weisheit gewährt uns edlen zwein

Und immer heilende Hände!“

Diese acht Verse sind offensichtlich ein Gebet an die Götter, daß beim Reichen des Minnetranks, also beim Aufnehmen eines Gastes in die Hausgemeinschaft gesprochen wurde.

Die „Tagessöhne“ könnten zunächst sowohl die Götter als auch die Menschen sein. Das Ende des Satzes zeigt jedoch, daß die Asen gemeint sein müssen, da sich der Satz eine Bitte um eine Segen ist. Direkt angesprochen werden die „Nacht“, d.h. das Jenseits und somit die Göttin im Jenseits, womit Freya gemeint sein wird, sowie die „nährende Erde“, die die Riesin Jörd sein wird. In der ersten Zeile werden somit die Asen und in der zweiten Zeile die Asinnen angerufen und gebeten, den Versammelten freundlich gesonnen zu sein und ihnen Sieg zu geben.

Diese explizite Erwähnung des Sieges könnte auf eine frühere Version dieses Segensspruches hinweisen, in der der Göttervater selber angerufen wurde, da der „Sieg“ eng mit dem Göttervater Tyr (und später dann Odin) verbunden gewesen ist. Möglicherweise stand er einst an der Stelle der „Tagessöhne“, die als Plural zu dem wiedergeborenen Sonnengott-Göttervater Tyr entstanden sein könnten.

Die Muttergöttin ist anscheinend vor allem mit der Nacht und dem Jenseits assoziiert worden, während der Göttervater vorwiegend als mit dem Tag und dem Diesseits verbunden angesehen worden ist.

II 1. r) Sprichworte und Redewendungen

Die Nacht wurde als gefährlich angesehen und man vermied es, selbst einen Feind bei Nacht zu töten. Der Grund dafür wird nirgendwo angegeben, aber es muß wohl die Furcht vor etwas gewesen sein, was man entweder nicht einmal seinem Feind wünschte, oder was man für sich selber erwartete.

Im ersten Fall könnte dies eigentlich nur sein, daß jemand, der des Nachts starb, nach seinem Tod ein übles Schicksal erlitt – vermutlich gelangte er in die Hel und nicht zu Odin nach Walhalla. Eine solche Vorstellung könnte am ehesten durch eine Verbindung des erwünschten Jenseits mit der Sonne erklärt, was auf eine Entstehung dieser Vorstellung in der Zeit schließen läßt, in der noch Tyr der Sonnengott-Göttervater gewesen ist, mit dem das Himmels-Sonnen-Jenseits Gimle am südlichen Mittagshimmel assozieirt gewesen ist.

Für die zweite Möglichkeit, also die Furcht dessen, der jemanden des Nachts tötet, vor schlimmen Konsequenzen, fehlt eine mythologische Grundlage.

„Die Wikinger vermieden es, einen Mann in der Nacht zu töten.“

anonym – Saga über Thorstein Viking-Sohn

„Dies rat ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,

Wohl Dir, wenn du sie merkst.

Steh nachts nicht auf, wenn die Not nicht drängt,

Du wärst denn zum Wächter geordnet.“

anonym: Odins Weisheiten im Loddfafnir-Lied

„Inzwischen gelang es ihnen, Thorstein mit Schilden zu umgeben und ihn gefangenzunehmen. Aber es war schon beinahe Nacht, sodaß sie fanden, daß es schon zu spät sei, um ihn zu töten, sodaß man Fesseln an seine Füße legte und seine Hände mit einer Bogensehne band. Zwölf Männer hielten die Nacht über Wacht rings um ihn.“

anonym – Saga über Thorstein Wiking-Sohn

II 1. s) Grettir-Saga

Auch hier warten die Germanen die Nacht über, bis sie ihren gefangenen Feind erst am Morgen zu töten.

Da beriet sich Thorbjörn mit seinen Gefährten, ob sie Illugi zu leben erlauben sollten. Sie sagten, daß er ihr Vorgehen selber entscheiden solle, da er der Anführer dieser Fahrt sei. Angelhaken sagte, daß er keinen Mann haben wolle, der seinen Kopf bedrohe, wenn er nicht Frieden schwören würden.

Als Illugi hörte, daß sie ihn töten wollten, lachte er und sagte: „Nun habt ihr das beschlossen, was meinem Herzen am nächsten ist.“

Als der Tag anbrach, führten sie ihn zu der Ostseite der Insel und töteten ihn dort.

II 1. t) Gesta danorum

Diese Vorstellung hat sich bis ins Ende des 12. Jahrhunderts hinein gehalten:

Da forderte Halfdan Ebbe zum Kampf mit ihm auf.

… … …

Ebbe antwortete, daß die Nacht die Zeit ist, um mit Ungeheuern zu kämpfen, und daß der Tag die Zeit ist, um mit Männern zu kämpfe.

Doch Halfdan erklärte, daß der Mond so hell wie Tageslicht schiene, um ihn davon abzuhalten, von dem Kampf mit ihm zu entfliehen. Auf diese Weise zwang er Ebbe, mit ihm zu kämpfen und tötete ihn.

II 1. u) Ortsnamen

Der einzige bekannte Ortsname, der mit „Nacht“ gebildet worden ist, ist „Nattfaravik“, d.h. „Nachtfahrer-Bucht“.

Dieser „Nachtfahrer“ könnte der ehemalige Sonnengott-Göttervater Tyr sein, aber es ist auch Odin als Schamanengott denkbar.

II 1. v) Dögr-Heiti

In der Strophe „Umschreibungen für den Tag“, dessen Verfasser nicht bekannt ist, werden Heitis (ein-Wort-Umschreibungen) und Kenningar (mehr-Wort-Umschreibungen) für den Tag und für die Nacht aufgelistet.

Tag, Warmer oder Zwielicht,

Dies oder Glänzender,

Dag, Nott, Schlaf-Freude

oder Traum-Weib,

Nox, Nacht, Maskenhelm,

Dunkelheit, Düster-Fahrer,

Schemen-Zeit, Traum-Frau,

Hoffnungs-Förderer.

dies

Schemen-Zeit

Hoffnungs-Förderer

Der „Düster-Fahrer“ („myrkfari“) ist derselbe wie der „Nachtfahrer“. Da er hier ein Name der Nacht ist, wird er der der ehemalige Sonnengott-Göttervater Tyr und nicht Odin sein.

II 1. w) Personennamen

Der „Nachtfahrer“ konnte auch ein Männername sein – die Bedeutung ist vermutlich „durch die nächtliche Unterwelt fahrende Sonne (Tyr)“.

Namen

Bedeutung

Mann

Frau

Nattfari

Nacht-Fahrer

Nattfridur

Nacht-Frieden, Nacht-Freundin

II 1. x) Die Saga über Bosi und Herraud

Die Namen der beiden Brüder Dagfari und Nattfari bestätigen die Annahme, daß Dag und Nott ursprünglich mit dem goldenen Tages-Tyr und dem schwarzen Macht-Tyr identisch gewesen sind – es muß nahegelegen haben, zwei Brüder nach diesen beiden Aspekten des Tyr zu benennen …

Vielleicht sind mit diesen beiden Namen jedoch auch Sonne und Mond gemeint.

König Hring war mit Sylgia, der Tochter von Jarl Seefahrer von Amsland, verheiratet. Ihre Brüder waren Dagfari und Nattfari.

II 1. y) Vidbotar-Thulur

Hier wird „Nott“ zwar als Name der Nacht erwähnt, aber nichts über ihn ausgesagt.

All-Klärender, Strahl, Mond,

Himmelskörper oder Lärmer,

Tag, Warmer oder Zwielicht,

Dag, Nott, Schlaf-Freude,

Hoffnungs-Förderer.

Die Bezeichnung des Tages oder etwas ähnlichem als „Lärmer“ ist recht merkwürdig – die „lärmende Geschäftigkeit“ kann kaum gemeint sein. Wurde hier vielleicht der Sonnenwolf als „Heulender“ mit „glamr“ umschrieben?

II 1. z) Grimm: Deutsche Mythologie

Grimms Betrachtungen über „Tag und Nacht“ sind recht umfangreich. Die Teile seiner Abhandlung, die vor allem den Tag behandeln, finden sich in dem Kapitel „Dag“ in einem späteren Kapitel in diesem Buch.

Hier zeigt sich vor allem, daß sowohl der Tag als „Dag“ als auch die Nacht als „Nott“ personifiziert worden sind.

Lebendigere vorstellungen des alterthums von dem tag und der nacht greifen in die von den gestirnen, beide sind heilige, göttliche wesen, den göttern nah verwandt. die edda läßt den tag erst aus der nacht erzeugt werden.

Nörvi ein iötunn hatte eine tochter namens Nôtt, schwarz und dunkel, wie ihr geschlecht (svört oc döck sem hon âtti ætt til); mehrere männer wurden ihr zu theil, Naglfari, dann Anar (Onar) ein zwerg, mit dem sie eine tochter Iörđ zeugte, die hernach Ođins gemahlin und Thôrs mutter wurde. ihr letzter mann war asischer lichter abkunft und hieß Dellîngr, dem sie einen sohn Dagr, licht und schön wie sein väterliches geschlecht, gebar. Da nahm Allvater die Nacht und ihren sohn Tag, setzte sie an den himmel, und gab jedem ein ros und einen wagen, mit welchem sie in gemessner zeit die erde umfahren sollten. die rosse hießen das thaumähnige und glanzmähnige.

… … …

Beide, tag und nacht, sind hehre wesen. der tag heißt der heilige, wie den Griechen„sam mir der heilic tac!“ wie „sâ mir daz heilige lieht!“. „die lieben tage“. „der liebe tag“.

Beide werden darum grüßend angeredet: „heill Dagr, heilir Dags synir, heil Nôtt ok nipt! ôreiđom augom lîtit ockr þinnig ok gefit sitjondom sigur!“, sie sollen mit gnädigen augen auf die menschen niederschaun und sieg verleihen. Auch Martins von Amberg beichtspiegel erwähnt noch das anbeten des tags. „diu edele naht“; „diu heilige naht“; „sam mir diu heilic naht hînt!“; frau Naht.

Nach jener nordischen vorstellung fahren Nacht und Tag, gleich andern göttern in wagen, aber auch die sonne hat ihren wagen, dem mond wird, meines wissens, keiner zugeschrieben. Nacht und Tag spannen jeder nur ein pferd vor, die Sonne hat zwei pferde. man dachte sich folglich den tag als etwas von der sonne unabhängiges, so wie der mond gerade die dunkle nacht erleuchtet. wahrscheinlich ließ man den wagen des Tags dem der Sonne vorausgehen, hinter der Nacht den Mond folgen.

Nicht bedeutungslos mag der wechsel des geschlechts sein, dem männlichen Tag zur seite steht die weibliche Sonne, der weiblichen Nacht der männliche Mond.

Der griechische mythus verleiht dem Helios und der Selene wagen, keine den gottheiten des tags und der nacht; doch gebraucht Äschylus in den Persern vom tag λευκόπωλος ημέρα er läßt ihn mit weißen rossen reiten.

Das räthsel bei Reinmar von Zweter läßt den wagen des jahrs von sieben weißen und sieben schwarzen rossen gezogen werden (den tagen und nächten der woche). auch hier bricht die vorstellung fahrender und reitender gottheiten des heidenthums durch. noch ein in Mones beigebrachter segen beginnt: „grüeß dich gott du heiliger sonntag, ich sich dich dort herkommen reiten!“ das ist allerdings der heidnische gott Tag, wie er auf Scinfahso (altnordisch Skinfaxi) mit der leuchtenden mähne einher reitet; wer aber an den lichten gott Paltar auf seinem fohlen dächte, würde auch nicht gerade fehlschlagen. von der personification des tags soll gleich hernach noch weiteres vorkommen; jene formel verdient alle aufmerksamkeit.

… … …

Auch Vuk hat darüber merkenswerthes; man solle sagen smirilo se suntze (die sonne ist zu ruhe, conquievit), nicht aber zadje (sie ist hingegangen) oder sjede (sie sitzt); denn sagt man zadje, so spricht sie „zaschao pa no izischao“ (hingegangen, nicht ausgegangen); sagt man sjede, so spricht sie „sjeo pa ne ustao“ (gesessen nicht aufgestanden); sagt man smirise, so spricht sie „smirjose i ti“ (zur ruhe auch dir oder du?). Hiermit verbinde ich noch den eddischen spruch von besondrer heiligkeit der untergehenden sonne: „engi skal gumna î gögn vega sîđskînandi systor Mana“, keiner kämpfe, wenn die sonne niederscheint.

Wahrscheinlich ist jedoch gemeint: Man soll nicht des nachts kämpfen, d.h. wenn die Sonne untergegangen ist. Es gibt viele Belege für diesen Ansicht, die schon in diesem Kapitel angeführt worden sind.

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Dem aufsteigenden tag stehn nun benennungen des sinkenden gegenüber. für οψέ und οψία hat Ulfilas andanahti, die zeit gegen nacht, doch auch sciþu (serum), wie den Neugriechen der abend das langsame, späte τò βράδυ, der morgen das rasche, frühe τò ταχύ, also wiederum das kurze ist (vergleiche gemaúrgjan). das althochdeutsche âpant, altsächsisch âband, angelsächsisch æfen, altnordisch aptan berührt sich mit aba, aftar, aptr, wodurch die fallende, rückgängige bewegung bezeichnet wird.

Das althochdeutsche dëmar, neuhochdeutsch dämmerung gilt vorzugsweise von crepusculum, und gehört zum angelsächsischen dim (obscurus), litthauisch tamsus, slavisch temni.

Angelsächsisch æfenrîm, æfenglom crepusculum. zumal wichtig wird uns, daß jenem althochdeutschen Tagarôd auch ein persönlicher Apantrôd in einem riesen der heldensage zur seite steht, Abentrôt ist Eckes und Fasolts bruder, die wir beide als erscheinungen des meers und der luft kennen lernten. war der tag ein göttlicher jüngling, so kann die dämmerung des morgens und des abends als riesenhafter Tagarôd und Apantrôd erfaßt worden sein.

Der Abend-Riese ist der alte Sonnengott-Göttervater Tyr kurz vor seinem Tod.

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Daß man nach nächten, nicht tagen rechnete beruht freilich auf beachtung der mondzeit, hat aber vielleicht noch einen andern grund, vermöge dessen auch nach wintern, nicht sommern gezählt wurde.

Die Heiden pflegten ihre heiligen feste in die nacht zu verlegen oder zu erstrecken, namentlich die feier der sonnenwende zu mittsommer und mittwinter, wie das Johannis und weihnachtsfeier lehrt; auch die osterfeuer und maifeuer bezeugen festnächte.

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Die nacht wird vorgestellt als schnell und unversehens einbrechend, überfallend, denn sie fährt ja mit rossen, sie fällt oder sinkt vom himmel nieder, la nuit tombe, la nuit tombante, à la tombée de la nuit, sie bricht ein, während der tag anbricht, sie rückt auf einmal nahe, sie überfällt.

Wo die vulgata hat: hora jam praeteriit, schreibt Luther deutsch: die nacht fällt daher, schon in der alten sprache gilt von nacht und abend das verbum ana gân oder fallan: âband unsih ana geit, ther dag ist sînes sindes; in ane gâenda naht: der âbent begunde ane gân; schiere viel dô diu naht an; do diu naht ane gie; unz daz der âbent ane gie; uns gêt diu naht vaste zuo; unz der âbent ane gie; als der âbent ane gêt; biz daz der âbent ane lac; diu naht diu gât mich an; diu naht gêt uns vaste zuo.

Ebenso aber auch sîgen: dô der âbent zuo seic; alsô iz zuo deme âbande seic; nû seig ouch der âbent zuo; diu naht begunde zuo sîgen; begunde sîgen an; do diu naht zuo seic; diu naht sîget an; der âbent seic ie nâher; ze tal diu sunne was genigen; der âbent zuo gesigen; diu naht begunde sîgen an; diu tageweide diu wil hin, der âbent sîget vaste zuo; der tach is ouch an unsgewant, uns sîget der âvent in die hant; in der sinkenden nacht; in sinklichter nacht; und noch heute: bis in die sinkende nacht.

Gleichviel ist: nû der âbent, diu naht zuo geflôz; angelsächsisch ›æfen coni sigeltorht svungen‹ (kam glänzend geschwungen).

Dies einbrechen und niedersinken erfolgt aber auch leise und heimlich, wie eines diebes: diu naht begunde slîchen an; nû was diu naht geslichen gar über daz gevilde; do nû diu naht her sleich; diu vinster in begreif; sô thiu naht bifêng; do begreif in die nacht; wie mich die nacht begrif; hett mich die nacht schon begriffen.

Mittelhochdeutsch steht von der nacht „ez benemen“, gleichsam das licht, oder den sieg: unz inz diu naht benam; ne hete iz in diu naht benomen. Hroswitha sagt in fides et spes: „dies abiit, nox incumbit“.

Offenbar ist in vielen diesen zügen die nacht aufgefaßt als feindliche, böse gewalt, im gegensatz zu dem gütigen wesen des tags, der in gemächlicher ruhe langsam über die berge emporsteigt; so schnell daher die nacht niederfällt, so allmälich endet sie: „diu naht gemechlich ende nam“. „die nacht ist keines menschen freund“ heißt es im sprüchwort, wie von einem dämon.

Ferner gilt von der nacht das sîgen: der âbent was zuo gesigen; ist diu naht herzuo gesigen; diu naht sîget zuo; uns sîget balde zuo diu naht; diu naht begunde sîgen an; diu naht sîget an; diu naht vast ûf uns neiget; aber auch: dô der tac hin seic, diu naht herzuo steic; biz der dach nider begunde sigen inde die nacht upstigen; li jours va à declin, si aproche la nuit; li jors sen va et la nuis asseri; la nuiz va aprochant, si declina le jor; nu begund diu sunne sîgen; der âbentsterne stîgen nâch der alten gewonheit; ez begunde sîgen der tac; à la brune, à la chute du jour.

Ähnlich sind die wendungen: der tac was iezuo hin getreten; der tag gieng zu dem abend; vergleiche altnordisch dagr var â sinnum, der tag neigte zu abend. gleichviel ist: der tac hiemit ein ende nam, diu vinster naht mit trüebe kam; der tac sleich hin und kam diu naht; ja swant der tac und wuohs diu naht; vergleiche lateinisch adulta nocte; dô der tac verswant; niederdeutsch he lett dagen und swinen, schemmern und dagen; dô der tac zerstoeret wart von der vinsternisse grôz und diu naht herzuo geflôz; der tac gefluze hin; dô der tac was ergân; als der tac was gelegen; dô der tac lie sînen schîn; der tac sin wunne verlât; der tac sîn lieht verlât; der tac lât sînen glast; do des tages lieht verswein; siđđan aefenleoht under heofenes hâdor beholen veorđeđ: der tac gieng mit freuden hin; dô diu naht ir trüeben schîn über al die werlt gespreite; aefenscîma forđ gevât; der tac begerte urloubes mit liuhte.

Diu naht begrîfet; die nacht hevet mi hier begrepen; unz si begreif diu naht; unz daz si dâ diu naht begreif; die nacht kompt geslichen.

Die nacht deckt, breitet ihren mantel: þâ com äfter niht on lâst däge; ja waene diu naht welle uns nicht wern mêr; die nacht war für augen; der abend war vor der thür; der abend all bereit vor der hand; dô man des âbindis intsuob.

Die nacht galt für häßlich und feindlich. das grirchische δείλη abend, δείελος abendlich wird mit δειλός furchtsam und δείδω verwandt sein. vergleicheολοή. mittelhochdeutsch nahteise horror noctis. Shakespeare's grimlooked night. das littauthische „naktis ne brolis, die nacht ist keines menschen freund“ kommt schon in Scherer vor: die nacht niemand ze freunde hat und bei Hans Sachs: „die nacht ist niemand freund“; aber andrerseits heißt es: „la nuit porte avis“ („die Nacht bringt Rat“) vergleiche „etwas beschlafen“.

Beide tag und nacht stehen im streit miteinander. die nacht herscht erst, wenn der tag seinen kampf aufgegeben hat: „unz der tac liez sînen strît“; „der tac nam ein ende, diu naht den sige gewan“; „dô der tac verquam, und diu naht daz lieht nam“.

Parzifal: „nu begunde ouch strûchen der tac, daz sîn schîn vil nâch gelac, unt daz man durch diu wolken sach des man der naht ze boten jach, manegen stern der balde gienc, wand er der naht herberge vienc. nâch der naht baniere kom sie selbe schiere.“ in dieser anmutigen beschreibung gehn die abendsterne als ansagende, fahnentragende herolde der nacht selbst voraus, wie umgekehrt der morgenstern des tages bote war.

… … …

Bei den älteren dichtern finde ich mehr die vorstellung der dunkelheit. νύξ ορφναίη die finstere, bei Homer. „thô warth âband cuman, naht mid neflu“; „die finstere ragende nacht“; „die eitele und finstere nacht“; „nipende niht“; „scaduhelm“; „nihthelm gesvearc deorc ofer dryhtguman“; „nihthelm tô glâd“; als einer göttin wird ihr ganz im sinn unsres alterthums ein schreckender, schauerlicher helm, gleichsam finstere nebelkappe beigelegt, „niht helmade“ (die nacht setzte den helm auf) heißt es. fast noch schöner ist der schwarzen nacht auge,νυκτòς όμμα bei Äschylus für dichte dunkelheit, jenem leuchtenden auge der nacht, dem mond entgegengesetzt.

Alle dichterischen bilder, die ich zusammengestellt habe, lassen keinen zweifel, daß in ältester vorzeit Tag und Nacht lebendig und göttlich auftraten. aber schon sehr früh muß unter den Deutschen diese vorstellungsweise geschwächt worden sein, seit sie dem namen des tags entsagten, der seine gemeinschaft mit den göttern in sich trug.

Daß man nach nächten, nicht tagen rechnete beruht freilich auf beachtung der mondzeit, hat aber vielleicht noch einen andern grund, vermöge dessen auch nach wintern, nicht sommern gezählt wurde.

In den alten Religionen kommt erst die Dunkelheit und dann das Licht – die Geburt der Sonne war das Urbild der Schöpfung; aus dem Dunkel der Erde kommen die Pflanzen, aus dem Dunkel der Gebärmutter kommen die Menschen. Später in den monotheistischen Religionen entstand dann das Bild des Tageswerks, von dem man sich dann anschließend in der Nacht ausruhte. Daher wird in den alten Religionen die Zeit durchgängig anhand der „Dunkelphasen“ Nacht und Winter gezählt.

Die Heiden pflegten ihre heiligen feste in die nacht zu verlegen oder zu erstrecken, namentlich die feier der sonnenwende zu mittsommer und mittwinter, wie das Johannis und weihnachtsfeier lehrt; auch die osterfeuer und maifeuer bezeugen festnächte.

Die Angelsachsen feierten eine härfestniht (altnordisch haustnôtt, haustgrîma), die Scandinaven eine hökunôtt.

Beda bewahrt eine merkwürdige kunde, deren volles verständnis uns aber abgeht: „incipiebant annum (antiqui Anglorum populi) ab octavo cal. Jan. die, ubi nunc natale domini celebramus. et ipsam noctem, nunc nobis sacrosanctani, tunc gentili vocabulo modranecht (môdra niht) i. e. matrum noctem (Nacht der Mütter) appellabant ob causam, ut suspicamur, ceremoniarum quas in ea pervigiles agebant“.

Wer waren diese mütter?

Vermutlich ist hier die Sonnenmutter Nott als Plural gemeint – ähnlich der Freya, die als die Walküren auch als Gruppe von Göttinnen erscheint …

II 1. aa) Zusammenfassung

Der Name der Göttin Nott bedeutet „Nacht“. Sie wurde auch „Niola“ genannt, was ebenfalls „Nacht bedeutet. Als Nacht ist sie eng mit dem Jenseits verbunden und steht somit in der Nähe aller anderen Jenseitsgöttinnen und Jenseitsriesinnen wie Hel, Freya, Frigg, Hrimgerdr, Gunnlöd, Menglöd usw.

Sie ist die Mutter der Sonne und auch des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr, der in diesem Zusammenhang als „Dag“ (der Gott „Tag“), als „reifkalter Riese“ und als „Nati“ („Nacht“, „Nacht-Tyr“) erscheint.

Der goldene Tages-Tyr wurde „dagfari“ („Tagesfahrer“) und der schwarze Nacht-Tyr „nattfari“ („Nachtfahrer“) genannt. Den Namen „Nattfari“ konnte man auch zur Bezeichnung der Nacht benutzen – sozusagen als „Zeit des Nachtfahrers“.

Evtl. ist mit dem „Nachtfahrer“ auch der Mond gemeint.

Dag („Tag, Sonne“) und Nott („Nacht“) wurden auch in Gebeten wie Gottheiten angesehen – sie können also nicht relativ späte Personifikationen des Tages und der Nacht gewesen sein, sondern müssen aus dem älteren Motiv der Jenseitsgöttin, die die Sonne gebiert, entstanden sein.

Aus dem ursprünglichen Bild des Sonnenaufgangs, d.h. der (Wieder-)Geburt des Sonnengott-Göttervaters Tyr wurde nach der Absetzung des Tyr als Göttervater um 500 n.Chr. durch Thor und Odin das Bild der Trennung von Tag und Nacht durch Odin und die übrigen Asen.

Das Bild der Sonnengeburt wurde erst durch Nott als die Mutter und Delling („Morgen“) als Vater des Dag („Tag, Sonne“) ausgeschmückt. Um zu einer Dreier-Folge zu gelangen, die in den germanischen Mythen stets einen endlosen zyklischen Vorgang beschreibt, wurden noch als zweiter Mann Naglfari (eigentlich wohl die Sonne/Tyr in dem Himmelsschiff Naglfar) und deren Kind Aud („Fülle“) sowie Annar („der Zweite“) mit der Tochter Jörd („Erde“) hinzugefügt. Delling, Naglfari und Annar sind daher alle dieselbe Gestalt – letztlich die Sonne. Der Vater Nörvi („Dunkelheit“) der Nott ist möglicherweise mit ihnen identisch, da die Jenseitsgöttin oft zur Tochter des Göttervaters umgedeutet worden ist – Nörvi wäre dann der schwarze Nacht-Tyr.

Die Nacht war generell die Zeit der Jenseitswesen. Das Vermeiden, jemanden in der Nacht zu töten, könnte damit zusammenhängen, daß man die Toten nicht anlocken wollte, die in der Nacht einen deutlich größeren Handlungsspielraum als tagsüber hatten.

„Niola“ bedeutet „Nebel, Dunkelheit“ und ist ein Beiname der Göttin Nott („Nacht“).

II 2. Die Göttin Nott in der indogermanischen Überlieferung

II 2. a) Römer

Auch Nox ist die Nacht und eine der Urgöttinnen. Sie war eine geflügelte und gefürchtete Göttin – sie wurde offenbar wie einige germanische und römische Göttinnen mit den Seelenvögeln und der Unterwelt assoziiert.

II 2. b) Germanen

Der Name der germanischen Nott, die der griechische Göttin Nyx und der römischen Nox entspricht, bedeutet wie der Name ihrer beiden „Schwestern“ einfach „Nacht.“

II 2. c) Griechen

Homer zufolge hat sich selbst Zeus vor der Göttin „Nacht“ gefürchtet. Nyx ist die Schwester der Erdgöttin Gaia, des Unterweltgottes Tartaros, des Schöpfer- und Liebesgottes Eros und des Finsternis- und Unterweltgottes Erebos. Diese Götter sind aus Urchaos entstanden: Gemeinsam sind sie die dunkle, sich nach Liebe sehnende Erde …

Nyx ist eine der Urgöttinnen der Griechen, die viele Nachkommen hatte. Sie besaß zwei Orakelstätten, eine davon in Delphi.

II 2. d) Zusammenfassung

Nott-Nyx-Nox ist eine Urgöttin und Jenseitsgöttin, die bei den Germanen, Römern und Griechen verehrt worden ist. Ihr Name bedeutet „Nacht“.

III Die Sonne

Wie in so gut wie jeder Religion und Mythologie hat die Sonne auch bei den Germanen ein wichtige Rolle gespielt, die jedoch seit 500 n.Chr., als der ehemalige Göttervater Tyr durch Odin abgesetzt worden ist, stark in den Hintergrund getreten ist.

Die Sonne wurde mit dem Licht, mit dem Tag und auch mit dem Gedeihen der Pflanzen auf den Äckern assoziiert.

III 1. Das Wort für „Sonne“, „Sommer“ und „Seele“

III 1. a) Wortschatz

Das indogermanische Wort „sem“ für Sommer findet sich auch als „sunje“ in den uralischen Sprachen und als „son“ in den drawidischen Sprachen und geht auf das eurasiatische Substantiv „sianu“ für „Sommer“ zurück.

Das eurasiatische Wort „sianu“ für Sonne hat sich in einem weiten geographischen Bereich ausdifferenziert: kartwelisch „sniu“, indogermanisch „sauen, saule“, altaisch „sioglu“, japanisch „sua-ra“, tungus-manchu „sigun“, eskimo-aleutisch „ciqin“, nordasiatisch/sibirsch „bun“ und koreanisch „hai“. Das Wort für „Sonne“ ist offensichtlich schon sehr alt – was bei einem derart prägenden Phänomen wie der Sonne nicht verwundert.

Die enge klangliche und inhaltliche Ähnlichkeit zwischen „Sonne“ und „Sommer“ macht es sehr wahrscheinlich, daß der Sommer ursprünglich die „Sonnen-Zeit“ gewesen ist.

Für die Ableitung des Substantivs „Sommer“ von „Sonne“ spricht auch, daß zum einen das Wort „Sommer“ mit dem Wort „Seele“ eng verwandt ist und zum anderen die Sonne in den Mythen aller Völker insgesamt das häufigste Seelen-Symbol ist. Die „Seele“ (eurasiatisch: „sunu“) und der „Sommer“ (eurasiatisch: „sunu“) werden somit beides Ableitungen von dem Wort für „Sonne“ (eurasiatisch: „sianu“) sein.

Die eurasiatische Wortwurzel „sunu“ für „Seele“ findet sich in vielen Sprachen wieder: altaisch „siunu“, türkisch „sin“, mongolisch „süne-su“, japanisch „sun-kata“ und uralisch „sunje“. Das deutsche Wort „Seele“ und das englische Wort „soul“ leiten sich jedoch wahrscheinlich von der als „See“ bezeichneten Wasserunterwelt ab – die Seele ist „die in der Wasserunterwelt“.

Die vier Jahreszeiten wurden bei den Indogermanen wie folgt benannt und charakterisiert:

Die indogermanischen Namen der Jahreszeiten

Name der Jahreszeit

Bedeutung des Namens

Jahreszeit

Name

Frühling

wesr

Zeit, in der das Vieh Tiere wieder grasen kann

Sommer

sem

Sonnen-Zeit

Herbst

hes

Zeit des Sensens und Dreschens (?)

Winter

gheim

gefürchtete oder schreckliche Jahreszeit (?)

Diese Namen der vier Jahreszeiten finden sich in vielen indogermanischen Sprachen:

Die Jahreszeiten

Sprache

Jahreszeiten

Frühling

Sommer

Herbst

Winter

Indogermanisch

wesr

sem

hesen

gheim

Keltisch

giamonios (ein Wintermonat)

Altirisch

errach

sam

Altnordisch

sumar

gymbr („Winterling“ = einjähriges Lamm)

Gothisch

asans (Sommer, Erntezeit)

Altpreußisch

assanis (Erntezeit)

Neuenglisch

summer

Deutsch

Sommer

Lithauisch

casara

ziema

Latein

ver

hiems

Altkirchenslawisch

vesna

jeseni

ziema

Armenisch

garun

am (Jahr)

jiwn (Schnee)

Albanisch

dimer

Griechisch

ear

opori (Sommer- Ende, Erntezeit)

kheima

Hethitisch

zenat

gimmat

Tocharisch

wes

sme

Avestisch

vanri (im Frühling)

ham

zyam

Sanskrit

vasanta

sama (Jahreszeit, Jahr)

heiman

III 1. b) Zusammenfassung

Das Wort „Sommer“ bedeutet „Sonnenzeit“.

III 2. Himmelsrichtungen ohne Kompaß

III 2. a) Orientierung

Das Sonnensymbol „Kreuz-Kreis“ findet sich schon in den skandinavischen Felsritzungen findet und läßt sich bis in die frühe Jungsteinzeit zurückverfolgen.

Dieses Symbol besteht zunächst einmal aus einem Kreis, der den Umlauf der Sonne um einen Ort auf der Erde darstellt.

Zur Frühjahrs-Tagundnachtgleiche und zur Herbst-Tagundnachtgleiche ist der Sonnenaufgang genau im Osten zu sehen und der Sonnenuntergang genau im Westen. An diesen beiden Tagen teilt die Verbindungslinie von Sonnenaufgangspunkt und Sonnenuntergangspunkt den Sonnenkreis in genau zwei Hälften: die Taghälfte und die Nachthälfte.

Zur Wintersonnenwende, also am Tag vor der Julnacht, geht die Sonne im Südosten auf und im Südwesten unten – der Tag ist somit kurz und die Nacht lang.

Zur Sommersonnenwende geht die Sonne im Nordosten auf und im Nordwesten unten – der Tag ist somit lang und die Nacht kurz.

Der Punkt, an dem die Sonne am höchsten am Himmel steht, ist der Mittagspunkt, der das gesamte Jahr über stets genau im Süden ist. Ihm genau gegenüber befindet sich der Mitternachtspunkt, der genau im Norden liegt.

Der Sonnenumlauf-Kreis wird durch die Verbindungslinie von Sonnenaufgangspunkt (Osten) und Sonnenuntergangspunkt (Westen) zu den Tagundnachtgleichen sowie durch die Verbindungslinie zwischen dem Mittagspunkt (Süden) und dem Mitternachtspunkt (Norden) in vier genau gleich große Bereiche unterteilt. Diese Graphik ist das Sonnensymbol („Kreuzkreis“), da sich diese Orientierung vom Sonnenlauf herleitet.

Die hier beschrieben acht Punkte sind die wesentlichen Punkte in den Steinkreisen der Jungsteinzeit, die u.a. auch eine Kalenderfunktion gehabt haben:

Mitternachtspunkt genau im NSonnenaufgang zur Sommersonnenwende ungefähr im NOSonnenaufgang zu den beiden Tagundnachtgleichen genau im OSonnenaufgang zur Wintersonnenwende ungefähr im SOMittagspunkt genau im SSonnenuntergang zur Wintersonnenwende ungefähr im SWSonnenuntergang zu den beiden Tagundnachtgleichen genau im WSonnenuntergang zur Sommersonnenwende ungefähr im NW

Sonnensymbol und Himmelsrichtungen

Tag/Sonne: hell

Nacht: Dunkelgrau

außen: Sommer-Sonnenbogen (lang)

Mitte: Frühlings-Sonnenbogen (halb) Herbst-Sonnenbogen (halb)

innen: Winter-Sonnenbogen (kurz)

Sonnenlauf am Himmel (Sonnenbogen)

Die vier Hauptpunkte in den vier Himmelsrichtungen hatten eine schlichte und grundlegende Symbolik:

Osten – Morgen

– Geburt/Wiedergeburt

Süden – Mittag

– Lebensmitte

Westen – Abend

– Tod

Norden – Nacht

– Jenseits (Ahnen)

Das Sonnensymbol gibt es in der einfachen, vierteiligen Variante und in der komplexeren, achtteiligen Variante, die den den Vorteil hat, daß die „8“ die Vollkommenheit symbolisiert und die Sonne und ihr verläßlicher Lauf der Inbegriff der Vollkommenheit ist.

III 2. b) Zusammenfassung

Die Kenntnis der Himmelsrichtungen ergibt sich aus dem Sonnenlauf und führte zu dem Bild des Kreises (Weg der Sonne), der in die vier Haupt- und die vier Nebenrichtungen unterteilt ist: ein Kreis mit einem Kreuz oder einem achtstrahligen Stern.

Diese acht Richtungen entsprachen den Sonnenauf- und -untergängen zu den Tagundnachtgleichen (O, W) und zu den Winter- und Sommersonnenwenden (NO, NW, SO, SW) sowie dem Mittagspunkt (S) und dem Mitternachtspunkt (N).

Diese Struktur wurde dem Leben eines Menschen gleichgesetzt:

O– Morgen– (Wieder-)GeburtS– Mittag– LebenW– Abend– TodN– Nacht– Jenseits

III 3. Abbildungen: 1800 v.Chr. - 750 v.Chr.

Diese Zeitspanne reicht von der Ankunft der Germanen in Skandinavien bis zu ihrer Expansion nach Süden hin in Mitteleuropa hinein.

III 3. a) Felsritzung von Alta

die vier Himmelsträger von Alta

In Alta in Südschweden gibt es eine interessante Felsritzung, die zu den ca. 5000 Bildern gehört, die dort zwischen 4000 v.Chr. und 500 v.Chr. angefertigt worden sind. Da die Germanen seit ca. 1800 v.Chr. in Skandinavien gelebt haben, stammen diese Bilder entweder von ihnen oder man kann davon ausgehen, daß sie in ihre eigene Mythologie integriert worden sind, da es keinen inhaltlichen oder stilistischen Bruch in diesen Bildern um 1800 v.Chr. gegeben hat.

In dem betreffenden Bild sind vier Menschen rings um eine Kreisfläche zu sehen. Diese vier Menschen reichen sich die Hände und scheinen zu hocken. Sie wirken, als ob sie den Kreis tragen würden. Dieser Kreis könnte entwende die Sonne oder der Himmel sein – da es in den Mythen der verschiedensten Völker der Himmel und nicht die Sonne ist, die getragen wird, wird dieser Kreis den Himmel darstellen. die vier hockenden Gestalten werden somit „Himmelsträger“ sein.

Möglicherweise stellt ihr Hocken die Anstrengung dar, den Himmel zu tragen.

Zusammenfassung

Es scheint schon in sehr früher Zeit bei den Germanen die Vorstellung von vier Himmelsträgern gegeben zu haben, die sich an dem Motiv des „Kreuz-Kreises“ orientiert haben: In jeder der vier Hauptrichtungen sitzt ein Himmelsträger.

III 3. b) Die Himmelsscheibe von Nebra

Nebra liegt im Süden von Sachsen-Anhalt. Die Himmelsscheibe, die zwischen 2100 v.Chr. und 1700 v.Chr. hergestellt und um 1600 v.Chr. vergraben worden ist, liegt somit außerhalb des damaligen germanischen Siedlungs-Raumes.

Sie ist jedoch aus drei Gründen interessant:

Zum einen könnte sie sich in dem Bereich befunden haben, durch den die Germanen von Süden her nach Skandinavien gezogen sind.Zum anderen findet sich auf ihr die Sonne, der Mond, sowie die Bögen, innerhalb derer die Sonne im Laufe des Jahres auf- bzw. untergeht. Diese Sonnen- und Mond-Symbolik findet sich auch auf den Sonnenscheiben der Germanen. Zudem sind die Sonnenaufgangs- und untergangsbereiche auch ein wesentliches Element der Megalithkultur gewesen, die mithilfe von Megalithen diese Auf- und Untergänge der Sonne markiert hat – die Himmelsscheibe von Nebra ist somit eine Taschen-Variante eines Steinkreises.Schließlich ist sowohl auf der Himmelsscheibe als auch auf den skandinavischen Felsritzungen eine Barke, in der die Sonne über den Himmel fährt, dargestellt worden.

Die aus Bronze mit Goldbeschlägen gefertigte Scheibe ist 2,3kg schwer, 32cm im Durchmesser dick und innen 4,5mm und außen 1,7mm dick.

Himmelsscheibe von Nebra

links: Sonne

unten: Sonnenbarke

rechts Mitte: Mond

rechts: Bogen, innerhalb dessen die Sonne aufgeht (oben Sommersonnenwende, unten Wintersonnenwende, in der Mitte zu den Tagundnachtgleichen)

links: Sonnenuntergangsbogen (oben Sommersonnenwende, unten Wintersonnenwende, in der Mitte zu den Tagundnachtgleichen) – der Zuordnung ist die Barke als Tagesbarke zugrundegelegt worden, die sich im Süden des Himmels

(Mittags-Richtung) befindet

überall: Sterne

Zusammenfassung

Die Himmelsscheibe von Nebra kann sowohl eine Inspiration für die Sonnenscheiben der Germanen gewesen sein als auch eine Parallelbildung zu ihnen.

III 3. c) Die Sonne in den skandinavischen Felsritzungen

Zwischen 1800 v.Chr. und 500 v.Chr. haben die Germanen in Südschweden viele Szenen in die Felsen gleich oberhalb des (damaligen) Meeresspiegels geritzt, zwischen denen sich auch viele mythologische Szenen wie z.B. Sonnen-Darstellungen finden. Durch den Anstieg Skandinaviens liegen diese Felsritzungen heute deutlich oberhalb und etwas landeinweärts des Meeres.