Die weiblich werdende Welt - Christoph-Maria Liegener - E-Book

Die weiblich werdende Welt E-Book

Christoph-Maria Liegener

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Beschreibung

Die Welt wird weiblich! Eine gute Nachricht; denn das wird der Welt den langersehnten Frieden bringen. Dieser Vorgang ist im Gange, lässt sich an vielen Indizien ablesen und in die Geschichte der Menschheit einordnen. Der Prozess kann als eine Transgenderisierung der Menschheit beschrieben werden. Es gab schon mehrere solcher Trangenderisierungen in der Geschichte der Menschheit. Die nun zu Ende gehende männliche Phase der Menschheit war aus historischer Sicht nur ein kurzes Intermezzo, aber ein gefährliches und selbstzerstörerisches. Glücklicherweise wird diese Phase bald vorbei sein. Die Gesellschaftsform der Zukunft wird wohl der demokratische Sozialismus sein, später vielleicht auch ein anarchischer, aber jedenfalls friedlicher Kommunismus. Was ist der nächste Schritt? Der Ostrakismos sollte wieder eingeführt werden, und zwar international!

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„Das ewig Weibliche zieht uns hinan.“

Goethe, Faust II

Inhalt

Vorworte

Die kollektive Psyche der Menschheit

Das Weiblich-Werden der Menschheit

Weitere Indizien für eine weiblich werdende Welt

Schiller und die weiblich werdende Menschheit

Die Gründe für das Weiblich-Werden der Menschheit

Der Esau-Effekt

Weitere Transgenderisierungen

Der Historische Materialismus und die weiblich werdende Welt

Die Konsequenzen

Die Beendigung von Kriegen und der Ostrakismos

Literaturverzeichnis

Vorworte

Vorwort zur achten Auflage

Weitere kleine Änderungen sind vorgenommen worden, die die Aussagen noch klarer machen.

Vorwort zur siebten Auflage

Es sind noch einige kleinere Erweiterungen vorgenommen worden und ein weiteres Kapitel wurde angefügt.

Vorwort zur fünften Auflage

Das Büchlein war ursprünglich als leicht verständliche Einführung in meine Theorie von der weiblich werdenden Welt gedacht. Diese war bis zum Zeitpunkt der ersten Auflage des Buches in verschiedenen Veröffentlichungen verstreut zu finden gewesen1.

Im Verlauf der ersten vier Auflagen dieses zusammenfassenden Werkes haben sich jedoch neue Erkenntnisse ergeben, die den Charakter des Buches verändert haben. Nunmehr erzählt das Buch auch von weiteren Transgenderisierungen der Menschheit und von einer daraus folgenden Perspektive für unsere Gesellschaftsform. Insbesondere wurde das Literaturverzeichnis erweitert und ein Kapitel über die Beziehungen zum Historischen Materialismus kam hinzu.

Man möge mir gestatten, an dieser Stelle aus dem Inhalt des Buches bereits vorwegzunehmen, dass die Aussichten für die Menschheit ausgesprochen gut sind. In gar nicht allzu ferner Zukunft ist eine paradiesische Gesellschaftsform für die Menschheit zu erwarten. Dann wird es keine Kriege mehr geben und keine Konkurrenz. Immerwährender Frieden ist zu erwarten.

Diese zukünftige Gesellschaftsform gleicht der des Kommunismus, aber ohne die kämpferische Komponente, die Marx noch als notwendig erachtet hatte. Der Wandel zu diesem Zustand wird vonstattengehen – auch wenn bei seiner Erreichung vorübergehend Irrwege eingeschlagen werden könnten.

Da erhebt sich die Frage, warum ich dann das Buch schreibe, wenn es doch keinen Aufruf zur irgendeiner koordinierten Aktivität geben soll. Die Antwort ist: Das Buch soll Hoffnung machen, einen Hoffnungsschimmer in diese manchmal so trostlos erscheinenden Welt bringen. Es handelt sich um die begründete Hoffnung, dass die Zukunft besser wird.

Wenn es gelänge, meinen Lesern diese Hoffnung zu vermitteln, wäre ich dankbar.

Danken möchte ich auch meiner Familie für die fortwährende Unterstützung.

Dr. Dr. Christoph-Maria Liegener

1 Christoph-Maria Liegener, Warum die Welt weiblich wird. Ein Psychogramm der Menschheit. Einbuch Buch- und Literaturverlag, Leipzig (2017).

Christoph-Maria Liegener, Kollektivpsychologische Ursachen des Populismus. Grin-Verlag, München (2017).

Christoph-Maria Liegener, Der Verlust des Jenseits. Symptome der Transgenderisierung der Menschheit. Grin-Verlag, München (2017).

Christoph-Maria Liegener, Der Untergang der mykenischen Kultur. Grin-Verlag, München (2018).

Christoph-Maria Liegener, Machtlos gegen den Klimawandel. Books on Demand, Norderstedt (2019).

Christoph-Maria Liegener, Weihnachten für alle. Vorbote einer weiblich werdenden Welt. Books on Demand, Norderstedt (2019)

Christoph-Maria Liegener, Die Transgenderisierungen der Menschheit. Books on Demand, Norderstedt (2020).

Christoph-Maria Liegener, Rückkehr zum Urvertrauen. Die Frage nach Gott in der weiblich werdenden Welt. Books on Demand, Norderstedt (2020).

Christoph-Maria Liegener, Corona in der weiblich werdenden Welt. Books on Demand, Norderstedt (2021)

Die kollektive Psyche der Menschheit

Bsss … Klatsch … Klirr! … Bsss

Eine Fliege schwirrt durch den Raum, ich versuche, sie zu klatschen, treffe aber nur die Vase, die zu Bruch geht, und die Fliege schwirrt munter weiter.

So ging es mir letzten Sommer. Die Hitze drückte und ich jagte hektisch einem dicken Brummer hinterher. Immer weiter. Im Eifer des Gefechts muss ich das halbe Wohnzimmer zerlegt haben, ohne es zu merken. Das ist das Jagdfieber. Der Vorgang erregte natürlich den Unmut meiner Frau. In einem Versuch, mich zu verteidigen, stammelte ich etwas davon, dass dieses Jagdverhalten doch eigentlich nur menschlich sei. Die Situation käme sogar so häufig vor, dass sie schon von großen Komikern wie Wilhelm Busch und Loriot thematisiert worden sei. Der trockene Kommentar meiner Frau: „Alles Männer.“ Da hatte sie wieder einmal Recht. Alle karikierten Fliegenjäger waren Männer. Das Verhalten konnte nicht als allgemein menschlich eingeordnet werden, sondern eben nur als typisch männlich. Es handelt sich um Instinkte, Jagdtriebe, die sich vor Urzeiten bei den Männern entwickelt hatten, nicht aber bei den Frauen, die derweil in den Höhlen saßen. Nicht zum ersten Mal hatte meine Frau mit einer derartigen Bemerkung über Männer Recht. Immer wieder stellten sich meine größten Dummheiten als instinktgesteuert und typisch männlich heraus.

„Soll das hier jetzt ein feministischer Text werden?“, werden manche fragen. Die Antwort ist: „Ja“, soweit mit Feminismus der Widerstand gegen die Diskriminierung der Frau bezeichnet wird. Schließlich geht es in diesem Buch um unsere gemeinsame Welt, darum, dass die Gleichberechtigung von Frau und Mann noch nicht erreicht ist, aber irgendwann erreicht sein muss und tatsächlich auch wird. „Nein“ lautet die Antwort jedoch, wenn mit Feminismus Feindseligkeit gegen Männer gemeint ist oder die Leugnung der Unterschiede zwischen Frau und Mann propagiert werden soll. Ich persönlich bin sehr glücklich, dass es Unterschiede zwischen Frauen und Männern gibt. So können sie sich lieben und in ihren Eigenschaften ergänzen. Auch Frauen sehen das so (Imdahl & Steeger, 2022). Allerdings nicht alle. Unter denen, die die Geschlechterunterschiede leugnen, gibt es einige, die felsenfest von dieser ihrer Meinung überzeugt sind. Denen möchte ich sagen: Wenn Ihre Überzeugung auf Fakten gegründet ist, so lesen Sie ruhig weiter. Es könnte sein, dass wir uns am Ende doch verstehen. Wenn allerdings Ihre Überzeugung ein Dogma ist, ein nicht zu hinterfragender Glaubensgrundsatz, den sie gar nicht erst diskutieren möchten, so empfehle ich Ihnen, die Lektüre dieses Buches jetzt bitte zu beenden. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass Sie sich später über mich ärgern. Das wäre nun überhaupt nicht meine Absicht und ich möchte es vermeiden.

Was sich liebt, das neckt sich. Es ist erlaubt, die kleinen Schwächen des jeweils anderen Geschlechts aufs Korn zu nehmen. Ich habe hier einfach mal mit den männlichen Schwächen begonnen.

Es ist ja nicht so, dass Frauen nicht auch ihre liebenswerten Schrullen hätten, nur sind sie selten destruktiv. Schuhe zu kaufen hat noch niemandem geschadet, das männliche Imponiergehabe aber bedroht inzwischen die Existenz der Menschheit. Das werde ich noch genauer ausführen und auch begründen, warum trotzdem Grund zur Hoffnung besteht.

Um zu dieser Hoffnung zu gelangen, musste ich die Entwicklung der Menschheit als Ganzes in ihrer Geschichte und im Hinblick auf ihre Zukunft betrachten. Ich habe das getan und bin darauf gestoßen, dass sich der Charakter der Menschheit im Lauf der Geschichte mehrfach gewandelt hat und derzeit wieder wandelt. Ganz konkret: In den letzten Jahrhunderten wandelt er sich von „männlich“ zu „weiblich“. Das wäre durchaus als gut zu werten, wenn, wie zu zeigen wäre, das „Männliche“ das Destruktive ist.

Die Welt wird weiblich! Das spricht sich immer mehr herum (Kowalski, 2002, Huber, Almasy, & Gatterer, 2012, Gerzema & D'Antonio, 2013, Sadigh, 2015). Das ist neu, wenn man in historischen Dimensionen denkt. Noch im Mittelalter wurde die Frau als minderwertig empfunden. Vinzenz de Beauvais schreibt dazu im 13. Jahrhundert:

„Omnia mala ex mulieribus.“

„Alles Böse geht von den Frauen aus.“

Da hat sich in der Meinung über Frauen bis heute schon einiges verändert. Heute werden Frauen allgemein als gleichberechtigt angesehen. Das ist zumindest das Juristische und es ist das Minimum. Es gibt nämlich eine darüber hinaus gehende Entwicklung. Frauen werden zuweilen inzwischen sogar höher geschätzt als Männer.

Gerade das weibliche Denken wird immer mehr gewürdigt und es wird von den Menschen als förderlich für die Welt empfunden (Gerzema & D'Antonio, 2013, Liegener C.-M., 2022). Es äußert sich schon darin, dass immer mehr Frauen in verantwortliche Positionen aufrücken, die früher nur Männern vorbehalten waren.

Das Weiblich-Werden der Welt hat einen Grund, der in der Psychologie des Kollektivs der Menschheit liegt. Dieses Weiblich-Werden der Welt wurde inzwischen als der einzige Weg zur Rettung der Menschheit erkannt (Liegener, 2017). Inzwischen ist dieses Phänomen durch weitere Untersuchungen bestätigt worden (Imdahl & Steeger, 2022). Gute Nachrichten für alle Frauen. Endlich werden sie richtig verstanden werden. Wurde auch Zeit!

Aber wie genau ist das gemeint?

Und:

„Warum habe ich noch nichts davon gemerkt?“, mag manche Frau sich fragen.

Wir wollen versuchen, uns einer Antwort anzunähern. Die Antwort auf die letzte Frage zuerst: Der Prozess, um den es hier geht, ist sehr langfristig. Er zieht sich über Jahrhunderte hin. In einer Lebensspanne kann man das Glück haben, einen Fortschritt mitzuerleben, aber möglicherweise auch das Pech, einen zeitweiligen Rückschlag erdulden zu müssen. Es ist wie mit der Erdoberfläche: Lokal sieht man ihr nicht an, dass die Erde eine Kugel ist. Man muss das Ganze im Auge behalten. Um dieses Ganze soll es hier gehen.

Auf den ersten Blick fällt auf, dass immer mehr Frauen in Männerdomänen eindringen und auch immer mehr Machtpositionen erringen. Außerdem darf man wie gesagt nicht übersehen, dass die Tatsache, dass Frauen und Männer vor dem Gesetz gleichberechtigt sind, noch vor ein paar hundert Jahren als unvorstellbar galt und manche Frauenrechte erst im letzten Jahrhundert erkämpft wurden.

Die Charakterzüge, die sich im Verhalten der kollektiven Psyche der Menschheit zeigen, werden zunehmend weiblich. Gerade in den letzten Jahrzehnten hat sich dieses Weiblich-Werden in einem Wertewandel bemerkbar gemacht, auf den Inglehart in den 90er Jahren aufmerksam gemacht hat. Es handelt sich um eine Verschiebung von männlichen zu weiblichen Werten. Dazu später mehr.

Wie die Kategorien „weiblich“ und „männlich“ in die Welt kamen, war den Menschen lange ein Rätsel, auf das sie die verschiedensten Antworten fanden. In der Bibel wird erzählt, dass Gott Eva aus einer Rippe Adams schuf. Plato ersann den Mythos von den Kugelmenschen, die die Götter herausforderten und zur Strafe geteilt wurden: in einen weiblichen und einen männlichen Teil, die seither versuchen, sich wieder zu vereinigen.

Die Biologie sagt uns, dass es die Kategorien „weiblich“ und „männlich“ seit 600 Millionen Jahren gibt. Damals entwickelte sich die Meiose, jene Zellteilung, bei der zwei Elternteile mit verschiedenem Geschlecht – weiblich und männlich – zusammenkommen, deren Chromosomensatz vorher jeweils halbiert wurde, um dann mit dem anderen halbierten Chromosomensatz zu einem neuen Ganzen kombiniert zu werden. Dies war die Geburtsstunde der Sexualität. Erst dadurch konnte sich die gigantische Vielfalt von Lebensformen entwickeln, die letztlich zur Entstehung der Menschheit führte.

Seither gibt es weibliche und männliche Lebewesen. Frau und Mann unterscheiden sich in vielem – bei den Tieren wie auch bei den Menschen. Und das nicht nur äußerlich, sondern auch neurologisch (Ingarhalikar et al., 2014). Bei Frauen sind die Nervenverbindungen zwischen den beiden Hirnhälften besser ausgeprägt als bei Männern, bei Männern funktioniert die Nervenkommunikation innerhalb der Hirnhälften besser als bei Frauen. Das äußert sich bei Tests zum Beispiel darin, dass Frauen über bessere Sprachfähigkeiten verfügten, während Männer sich bei visuellräumlichen Aufgaben als stärker herausstellten (Nisbett, et al., 2012).

Zu Unterschieden in der Intelligenz gibt es die berühmte „Male Idiot Theory“, die allerdings nicht besagt, dass alle Männer Idioten sind, sondern nur, dass (fast) alle Idioten Männer sind (Lendrem, Lendrem, Gray, & Isaacs, 2014). Die Erklärung: Die Gaußschen Glockenkurven, die die Häufigkeiten der verschiedenen Intelligenzquotienten darstellen, haben bei Frauen und Männern annähernd den gleichen Mittelpunkt, gestalten sich aber bei Männern flacher. Das heißt: Frauen und Männer sind im Durchschnitt ungefähr gleich intelligent, aber bei Männern gibt es mehr Ausreißer nach oben und unten, also mehr Idioten und mehr Genies.

Es gibt viele weitere Unterschiede zwischen Frauen und Männer, die im Folgenden noch erwähnt werden sollen. Bei all dem konnte es nicht ausbleiben, dass Frauen und Männer sich mit ihrer Geschlechtsrolle identifizierten und charakteristische Verhaltensweisen entwickelten – jedenfalls mehrheitlich.

Dazu bemerken Voland und Johow in ihrem Bericht (Voland & Johow, 2012):

„Geschlechtsdifferenz ist so gesehen ein fester Bestandteil der menschlichen Natur. Kulturelle Kontexte spielen mit dieser Differenz und legen sie unterschiedlich aus, aber entgegen eines weit verbreiteten Missverständnisses konstruieren Kulturen nicht diese Differenz.“

Jeder hat schon solche geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen wahrgenommen. Ein Beispiel ist das Ausziehen eines Pullovers: Frauen überkreuzen dabei die Arme vor der Brust, Männer halten sie parallel. Ein weiteres Beispiel: Frauen drücken eine Zahnpastatube in der Mitte, Männer am Ende (Kishon, 1989, S. 219-222). Die Literatur ist voll von weiteren Beispielen (Gray, 1992, Evatt & Zybak, 2005, Pease & Pease, 2002, 2011, 2012, 2020). Diese Verhaltensweisen ließen sich nach Belieben erklären: Beim überkreuzten Ausziehen wollen die Frauen wohl ihre Brust verdecken. Beim Drücken der Zahnpastatube scheinen Frauen spontan zu handeln, Männer aber planvoll. Letztere Differenz könnte wiederum ihre Wurzeln in der Altsteinzeit haben, als die Männer bei der Jagd geplant vorgehen mussten, während die Frauen in der Höhle spontan das taten, was erledigt werden musste. Dazu würde auch passen, dass Männer effizienter dabei sind, ihre Koffer zu packen, es aber gern ihren Frauen überlassen (Global Traveller, 2015). Folgende Interpretation liegt nahe (ohne Gewähr): Männer können besser planen, sind aber zu faul dafür.

Nicht alle mögen diese Unterscheidungen. Sie behaupten, die Unterschiede zwischen Frauen und Männern seien anerzogen und daher nichtssagend. Dazu ist einzuräumen, dass die Gesellschaft die Unterschiede wohl aufgearbeitet und institutionalisiert hat. Vorhanden waren sie aber schon vorher. Das erschließt sich daraus, dass geschlechtsspezifische Unterschiede in den Verhaltensweisen auch bei anderen Primaten als den Menschen auftreten und dort beobachtet werden können, z.B. bei Rhesus-Affan (Hassett, Siebert, & Wallen, 2008, Kahlenberg & Wrangham, 2010). Es gibt die geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen also nicht nur beim Menschen, sondern auch bei verwandten Spezies und auch bei unseren Vorfahren im Tierreich.

Ursächlich für die Unterschiede dürften die Sexualhormone sein. Um das zu belegen wurden neugeborenen Ratten die Geschlechtsorgane entfernt und sie dann mit entweder männlichen oder weiblichen Sexualhormonen behandelt. Es zeigte sich, dass sich dementsprechend typisch männliche oder weibliche Merkmale im Gehirn ausbildeten, unabhängig davon, welches Geschlecht die Tiere vor der Behandlung hatten (Gorski, Gordon, Shryne, & Southam, 1978).

Die Gesellschaft hat diese vorhandenen Geschlechtsdifferenzen beobachtet und vertieft. Sie führten zu geschlechtsspezifischen Tätigkeiten. Wickler und Seibt schreiben dazu: „Falls die kulturellen Rollenzuweisungen auf geschlechtsspezifische Eignungen Rücksicht nehmen, sollte man Übereinstimmungen zwischen Eignung und Rolle erwarten. Solche Übereinstimmungen findet man tatsächlich: Von Frauen erwartet man mehr soziale und altruistische Betätigung (zum Beispiel in der Kinder- und Krankenfürsorge) als vom Mann. Ihm obliegen Jagd und Verteidigung der Gruppe.“ (Wickler & Seibt, 1998, S 248)

Insofern trägt die geschlechtsspezifische Sozialisation sicher zu den heute vorhandenen Geschlechtsdifferenzen bei. Das heißt, dass manche von den Unterschieden im Zuge der weiblich werdenden Welt auch vermindert werden könnten, jedoch nicht gänzlich verschwinden werden. Eine Verminderung der Geschlechtsdifferenzen hätte keinen Einfluss auf das Ergebnis der vorliegenden Theorie. Wenn es überhaupt einen Einfluss gibt, dann nur auf die Vorhersagen für die fernere Zukunft. In der Tat sind einige Verhaltensweisen biologisch begründet und werden uns wohl vorläufig erhalten bleiben. Man denke nur an den Umgang mit der Geburt. Es wird sich wohl nicht so bald etwas daran ändern, wer die Babys gebiert.

Offensichtlich gilt: Einzelne Personen können immer von den pauschalen Charakterisierungen abweichen und empfinden diese dann als Vorurteil. Das ist nun einmal die Eigenschaft statistischer Aussagen. Sie dürfen nicht auf den Einzelfall angewendet werden.

Überbewerten sollte man die Unterschiede natürlich auch nicht. Das Entscheidende ist immer das allgemein Menschliche. Darin gleichen sich Frauen und Männer überall. Das zu beobachten, ist manchmal amüsant. Die eine Situation: Eine Frau macht sich zurecht und teilt ihrem Mann mit: „Bin gleich fertig“. Die andere Situation: Ein Mann trinkt nach der Arbeit mit seinen Kollegen noch ein Bier, ruft seine Frau an und sagt: „Bin gleich zu Hause“. Zwei unterschiedliche Situationen mit dem dennoch gleichen Ergebnis – in beiden Fällen dauert es länger als angekündigt.

Auszuschließen ist nicht, dass Änderungen im Verhalten der Menschen mit der Zeit zu einer Angleichung der Unterschiede führen könnten, so dass die hier präsentierte Theorie in hundert Jahren eventuell anders formuliert werden müsste. In der Tat wollen manche die Unterschiede zwischen Mann und Frau beseitigen. Selbst das ist eine Erscheinung der weiblich werdenden Welt. Frauen sind sozialer, Männer polarisieren (Christov-Moore L. , et al., 2014). So sehen Frauen eher das Gemeinsame in Frauen und Männern, während Männer mehr auf die Unterschiede fokussiert sind. Ersteres führt zu einer Angleichung der Geschlechter, Letzteres zu einer Differenzierung.

Wenn die Leugnung der Geschlechtsdifferenz auch weit hergeholt scheint, so ist sie doch vordergründig verständlich. Der Grund dürfte sein, dass Frauen in der Vergangenheit benachteiligt wurden. Man hofft also: Wo kein Unterschied, da gibt es auch keine Benachteiligung. Wie schade um die liebenswerten kleinen Unterschiede zwischen Frau und Mann! Verhält es sich nicht wie mit den Dialekten in der Sprache? Sie verleihen doch eine Art Identität! Mancher verliebt sich sogar in seinen Partner aufgrund seines Dialekts.

Sicher, manche Dialekte führten in der Vergangenheit zu Diskriminierung und auch Frauen wurden früher diskriminiert, aber heute gibt es Gesetze dagegen. Heute lächelt man, wenn man sich bei einer typisch weiblichen oder typisch männlichen Verhaltensweise ertappt.

Wenn schließlich aber die Benachteiligung mit der Zeit verschwindet – und davon bin ich überzeugt –, wäre es doch ein Zeichen von Selbstbewusstsein, als Frau zu einer vom Mann verschiedenen Identität zu stehen und stolz darauf zu sein. Die menschliche Vielfalt bleibt dadurch reicher. Imdahl und Steeger schreiben dazu (Imdahl & Steeger, 2022, S. 23): „Wozu brauchen wir aber Diversität, wenn Frauen wie Männer sein sollen, um mitzuspielen und mitzuentscheiden? Dann könnten wir doch wirklich auch alles beim Alten lassen. Wir brauchen aber das weibliche Prinzip, nicht etwa, um die Männer klein zu machen, sondern weil wir mit dem Weiblichen und Männlichen zusammen doppelt so weit kommen. Denn sich ähnliche Menschen haben viele, aber eben auch sich selbst ähnelnde Ideen und Lösungsansätze. Andersartige Menschen haben viel mehr und viel, wirklich viel, viel mehr Vielfalt in den Ideen, die uns weiterbringen.“

Man kann wohl davon ausgehen, dass Unterschiede zwischen Frauen und Männern vorhanden sind. Sind Frauen nur die besseren Männer – oder aber vielleicht doch noch mehr? Wer würde sich anmaßen können, das Wesen der Frauen zu verstehen? Einstein schrieb dazu:

„Manche Männer bemühen sich lebenslang, das Wesen der Frau zu verstehen. Andere befassen sich mit weniger schwierigen Dingen wie zum Beispiel der Relativitätstheorie.“

Wie sich die Verhaltensunterschiede zwischen Mann und Frau herausgebildet haben, ist eigentlich hier nicht relevant. Sie könnten sich durch geschlechtsspezifische Selektion herausgebildet haben (Lindenfors, 2005). Auch epigenetische Ursachen sind möglich (McCarthy, 2009). Jedenfalls existieren die Unterschiede offenbar in erheblichem Umfang seit langer Zeit. Sie wurden zum Beispiel schon in der Dualität von Yin und Yang beschrieben. Möglicherweise beeinflussen sie unbemerkt das Schicksal der Menschheit. Sie sind derzeit jedenfalls vorhanden und in den Archetypen von Frau und Mann fest im kollektiven Unbewussten der Menschheit verankert. Sie können daher als Ausgangspunkt der Wandlung der kollektiven Psyche der Menschheit dienen.

Wenn eine Frau etwas typisch Weibliches tut – z. B. sich zu schminken –, dann erkennen wir dies als weibliche Verhaltensweise und können diese als solche verstehen. Dieses weibliche Verhalten kann unter Umständen auch von einem Mann praktiziert werden. In dem Fall sind wir vielleicht ein wenig überrascht, akzeptieren es aber auch. Das weibliche Verhalten ist nicht an das biologische Geschlecht gebunden. Man spricht bei der Geschlechterrolle, wie sie sich im Verhalten, nicht aber in der Physis äußert, vom Gender. Das Gender ist unabhängig vom biologischen Geschlecht. Bei der Frau genauso wie beim Mann. Es handelt sich hierbei um Verhaltensweisen einzelner Individuen.

Die Erlebnisse der Individuen einer Gruppe prägen nach C.G. Jung das kollektive Unbewusste dieser Gruppe (Jung, 2011) oder nach Maurice Halbwachs (Halbwachs, 1991) das kollektive Gedächtnis einer Gruppe von Menschen. Solche Gruppen können Familien, Parteien, ethnische Minderheiten oder ganze Völker sein, aber auch die gesamte Menschheit. Um die gesamte Menschheit soll es hier gehen.

Auch sie hat ein kollektives Unbewusstes und verfügt – davon gesteuert – über kollektive Verhaltensweisen, die unter anderem typisch weibliche oder typisch männliche Züge aufweisen können.