Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 561 - Wera Orloff - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 561 E-Book

Wera Orloff

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Beschreibung

Wie die meisten jungen Mädchen träumt auch die bildhübsche Sonja mit den rotblonden Locken von schönen Kleidern, von fröhlichen Treffen mit Gleichaltrigen und von der Liebe. Doch all diese Dinge, die für andere Mädchen in Sonjas Alter selbstverständlich sind, bleiben für sie unerreichbar. Ihr Vater verdient zwar mit seinem Unternehmen Millionen und könnte seiner Familie alles bieten, doch er gehört einer Sekte an, die jeden Luxus und jedes Amüsement verbietet.
Sonja wird immer stiller, immer menschenscheuer, immer unglücklicher. Eines Tages stellt der Vater ihr den Mann vor, den er für sie zum Ehegatten gewählt hat. Er ist dem Mädchen vom ersten Augenblick an furchtbar unsympathisch. Aber wird es die Kraft haben, sich gegen den Willen des Vaters und gegen die Ehe mit einem ungeliebten Mann aufzulehnen?


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Inhalt

Cover

Eine besondere Art von Gnade

Vorschau

Impressum

Eine besondere Art von Gnade

Ein Mädchen wagt nicht mehr, von der Liebe zu träumen

Wie die meisten jungen Mädchen träumt auch die bildhübsche Sonja mit den rotblonden Locken von schönen Kleidern, von fröhlichen Treffen mit Gleichaltrigen und von der Liebe. Doch all diese Dinge, die für andere Mädchen in Sonjas Alter selbstverständlich sind, bleiben für sie unerreichbar. Ihr Vater verdient zwar mit seinem Unternehmen Millionen und könnte seiner Familie alles bieten, doch er gehört einer Sekte an, die jeden Luxus und jedes Amüsement verbietet.

Sonja wird immer stiller, immer menschenscheuer, immer unglücklicher. Eines Tages stellt der Vater ihr den Mann vor, den er für sie zum Ehegatten gewählt hat. Er ist dem Mädchen vom ersten Augenblick an furchtbar unsympathisch. Aber wird es die Kraft haben, sich gegen den Willen des Vaters und gegen die Ehe mit einem ungeliebten Mann aufzulehnen?

»Ich habe Sie zusammengerufen, meine Herren, um Ihnen unseren neuen Prokuristen vorzustellen: Herrn Harry Barlett. Mit Wirkung vom heutigen Tage an habe ich Herrn Barlett Handlungsvollmacht erteilt.«

Balthasar Krons Stimme drang bis in den hintersten Winkel des großen Sitzungszimmers im Verwaltungsgebäude der Kron-Werke.

Eine Stecknadel hätte man zu Boden fallen hören können. Die Blicke, die sich jetzt Harry Barlett zuwandten, waren wie Messerstiche.

Da war auch nicht einer unter den Abteilungsleitern und Direktoren dieses weitverzweigten Unternehmens, der Harry Barlett mochte.

»Dieser elende Kriecher!«, zischelte der alte Prokurist Faber aus der Bankabteilung seinem Nebenmann zu. »Nun hat er sein Ziel erreicht!«

Direktor Holtkamp nickte. Sein kleines pharmazeutisches Unternehmen war vor einem Jahr von dem Kron-Konzern geschluckt worden. Jetzt war er nur noch Direktor, wo er früher der Chef gewesen war.

»Herr Barlett war Ihnen allen bisher als mein Sekretär bekannt«, fuhr der alte Millionär fort. »Er hat sich in dieser Eigenschaft als unersetzlich erwiesen und seine Tüchtigkeit mehrfach unter Beweis gestellt.«

Kron lächelte seinem Günstling zu, was dieser mit einer Verbeugung beantwortete.

»Herr Barlett wird weiterhin für mich tätig sein«, führ Kron fort. »Daneben habe ich ihm ein eigenes Ressort übertragen, und zwar die Werbeabteilung. Wie Sie wissen, kommt Herr Barlett aus Amerika und besitzt gerade auf diesem Gebiet große Kenntnisse und Fähigkeiten. Unser bisheriger Werbeleiter, Doktor Manzowski, hat uns verlassen.«

»Verlassen ist ein sehr schönes Wort für den Hinauswurf, den sich der arme Doktor hat gefallen lassen müssen!«, tuschelte der alte Faber erbittert. »Nur weil er den Mut hatte, dem Alten die Wahrheit über sein sektiererisches Treiben zu sagen, musste er gehen!«

Der Millionär bedachte den alten Faber mit einem tadelnden Blick, obwohl er die Worte unmöglich hatte verstehen können.

Aber es genügte schon, es an Respekt fehlen zu lassen, um bei Balthasar in Ungnade zu fallen. Er regierte seine Fabrik wie ein Diktator. Widerspruch duldete er nicht. Nur seine eigene Meinung galt. Er war überzeugt, alles richtig zu machen.

Diese Charaktereigenschaften des alten Kron hatte Harry Barlett sehr schnell erkannt und sich darauf eingestellt.

Auch jetzt legte er wieder die Platte mit der Lieblingsmelodie des Alten auf. Eine huldvolle Handbewegung des Millionärs hatte Harry aufgefordert, nun auch ein paar Worte zu sagen.

Er erhob sich. Groß und überschlank stand er neben seinem Vorgesetzten. Wie immer war sein Gesicht bleich. Die fanatisch glimmenden Augen lagen tief in den Höhlen. Die Lippen verzogen sich zu einem süßlichen Lächeln.

»Von tiefer Dankbarkeit erfüllt stehe ich hier«, begann er mit pastoraler Stimme. »Die Worte meines Chefs sind dazu angetan, mich stolz zu machen. Aber Stolz ist dem Höchsten nicht willkommen, und so will ich um die nötige Demut beten. Und um die Kraft, mein Amt weiter zur Zufriedenheit derer zu versehen, die mir vertrauen. Nur der Herr im Himmel verleiht uns die Fähigkeiten, und wir vermögen nichts ohne ihn.«

Er legte wahrhaftig die Hände zusammen zu einem stummen Gebet und sah sekundenlang andächtig vor sich nieder.

Mancher der Herren, die dem Vorstand der Kron-Werke angehörten, hatte Mühe, ein spöttisches Lächeln zu unterdrücken, denn eine solche Pose war an dieser Stelle bestimmt unangebracht und konnte nur heuchlerisch wirken.

Doch sie senkten alle den Blick und bemühten sich, nicht zu lächeln, denn sie wussten, Balthasar Kron würde von dieser kleinen Einlage seines Sekretärs begeistert sein.

Und richtig! Der grauhaarige Millionär legte Harry Barlett die Hand auf die Schulter.

»Ich wusste es ja, dass ich in Ihnen den richtigen Mann gefunden habe, lieber Barlett!«, sagte er laut. »Sie sind von dem Geist beseelt, der uns allen nottut. Wer von uns hätte wohl so wundervolle Worte aus diesem Anlass gefunden? Ich danke Ihnen, mein lieber junger Freund, ich danke Ihnen!«

Noch eine bescheiden wirkende Verbeugung des triumphierenden Sekretärs, und die Sitzung war beendet.

»Wenn man dieses Geschwafel hört, könnte man glauben, man lebe noch im Mittelalter!«, flüsterte der alte Faber zornig hinter seinem Chef her, als dieser an der Seite seines Sekretärs den holzgetäfelten Raum mit dem riesigen Tisch und den vielen Sesseln verließ.

»Das hat wirklich nichts mit Religiosität zu tun«, meinte einer der Herren im Vorbeigehen. »Ich bin auch ein gläubiger Christ und bilde mir ein, leidlich fromm zu sein, aber wenn ich ein solches Getue sehe, bekomme ich eine Gänsehaut!«

»Was wollen Sie?« Direktor Holtkamp zuckte im Hinausgehen die Achseln. »Wir müssen doch alle mit den Wölfen heulen, weil wir abhängig sind. Der Barlett wird das Rennen machen! Bestimmt wird er mal des alten Balthasars Schwiegersohn!«

Konnte Holtkamp Gedanken lesen?

♥♥♥

Der Besitzer der Kron-Werke sprach gerade über dieses Thema mit seinem Sekretär.

Die beiden Herren waren den Flur entlanggeschritten, der vom Sitzungssaal zu den Büros mit der Aufschrift Direktion in Messingbuchstaben an den Teakholztüren führte.

Eine dieser Türen öffnete Harry Barlett mit tiefer Verbeugung für seinen verehrten Chef und ließ diesen in sein Allerheiligstes eintreten.

Das Arbeitszimmer Krons war so eingerichtet, wie es sich für einen Multimillionär gehörte.

Da war nichts mehr von dem bescheidenen Lebensstil des ehemaligen »Kräutersammlers«, der mit selbst gefertigten Tees und Tränklein sein Vermögen begründet hatte, zu bemerken.

Balthasar ließ sich in seinen ledergepolsterten Schreibtischsessel fallen.

»Möchten Sie vielleicht rauchen?«, fragte er seinen Sekretär huldvoll. »Sie haben sich eine gute Zigarre verdient.«

»Vielen Dank, aber ich muss ablehnen, Herr Kron. Das Rauchen ist ein Laster. Bisher habe ich mich mit Erfolg bemüht, nicht der Verführung zu erliegen.«

»Recht so, Bruder Barlett! Und so soll es auch bleiben!«

Der Alte schlug den Deckel des silberbeschlagenen Zigarrenkastens wieder zu, und Barlett wusste nicht, ob sein befriedigtes Lächeln der Tatsache galt, dass er wieder einmal eine von den teuren Zigarren gespart hatte, oder dem Umstand, dass sein ausgezeichneter Sekretär so solide und charakterfest war.

Wahrscheinlich traf beides zusammen, denn Balthasar Kron war unbeschreiblich geizig.

Der Geiz hatte ihn auch darauf verzichten lassen, die Erteilung der Prokura an Harry Barlett mit Sekt zu begießen oder wenigstens mit einem Glas Weinbrand zu feiern.

»Für heute bedarf ich Ihrer nicht mehr, Bruder Barlett«, sagte er jetzt. »Sie sind frei. Sicherlich haben Sie doch die Absicht, Ihre Ernennung zum Handlungsbevollmächtigten zu feiern!«

»Sie wissen, ich trinke nicht, Bruder Kron«, antwortete Harry Barlett, der sich dieser Anrede, die aus dem Bethaus der Glaubensgemeinschaft stammte, der sie beide angehörten, natürlich nur bediente, wenn sie allein waren. Nie ließ er es an Ehrerbietung gegenüber seinem Vorgesetzten fehlen.

»Ach ja, richtig, Sie trinken nicht! Sie führen ein vorbildliches und Gott wohlgefälliges Leben.«

»Wir wollen sagen, ich bemühe mich, Bruder Kron. Aber des Menschen Streben bleibt unvollkommen.«

»Also, Sie haben heute Abend nichts vor?«

»Nein.«

»Dann möchte ich Ihnen den Vorschlag machen, wieder einmal in meinem Hause mein Gast beim Abendessen zu sein. Es erwartet Sie nichts Besonderes. Sie wissen, wir leben sehr einfach. Schlichte Hausmannskost wird Ihnen vorgesetzt. Ich würde mich freuen, wenn wir einander auch privat ein wenig näherkommen würden und wenn sich vor allem zwischen Ihnen und meiner Tochter Sonja ein Kontakt bilden würde.«

Unter den gesenkten Lidern blitzten die Augen des Sekretärs triumphierend auf. Das war genau das, was er sich erhoffte!

»Die Einladung ehrt mich, Bruder Kron. Ich danke Ihnen herzlich dafür. Hoffentlich ist ein Gast den Damen auch genehm ...«

»Papperlapapp! Meine Frau und meine Tochter haben zu parieren. Schließlich bin ich der Herr im Haus.«

»Ja sicher. Ich wollte aber noch wenigstens eine halbe Stunde in unserem Betsaal in stiller Meditation verbringen.«

»Tun Sie das! Das ist ein löbliches Beginnen.«

»Schließlich ist es für mich ein bedeutsamer Tag, und einen solchen Tag soll man nicht ohne Gespräch mit dem Lenker der Geschicke beschließen.«

Harry Barlett faltete die Hände und sah sekundenlang fromm vor sich nieder. Er konnte sicher sein, das Wohlgefallen seines Herrn mit dieser Geste zu erwecken.

»Der Himmel hat mir einen Sohn versagt, aber dafür hat er mich Sie finden lassen, Bruder Barlett«, ertönte da Balthasars krächzende Stimme. »Welche tiefe geistige Übereinstimmung zwischen uns! Ähnlicher könnte mir ein Sohn nicht sein! Vielleicht wird aus Ihnen eines Tages noch mein Nachfolger werden!«

»Dazu bin ich zu gering, Bruder Kron. Sie sind ein Gesegneter, dem die Gnade zuteilwurde, die Welt zu erobern, aber ich bin nur eine kleine Kreatur.«

»Wundervoll! Sie finden immer die richtigen Worte, Bruder Barlett. Wenn Sie in unserer Kirche predigen, hängen die Brüder und Schwestern an Ihren Lippen. Ich bewundere Sie.«

»Das ist die Art von Gnade, die mir zuteilgeworden ist.«

»Und mir diejenige, aus getrocknetem Heu Geld zu machen!«, meinte Balthasar Kron lachend. Von Zeit zu Zeit brach bei ihm immer wieder die Weltlichkeit durch.

Er war viel zu sehr Geschäftsmann, um immer diesen pastoralen Ton beizubehalten, den er an Harry Barlett so bewunderte.

In der Tat hatte Balthasar Kron mit der Naturheilmethode Millionen gemacht. Er verkaufte in aller Welt pflanzliche Extrakte, Pillen und Pulver, die in mindestens sechs pharmazeutischen Werken hergestellt wurden, die ihm gehörten. Natürlich schwor er auf die Wirksamkeit seiner Präparate. Er und seine Familie nahmen im Krankheitsfalle niemals etwas anderes ein.

Doch wenn der alte Balthasar diese Töne anschlug, wuchs sein ergebener Sekretär stets sofort zu seinem Erzieher empor.

»Vergessen Sie nicht denjenigen, der hoch über uns thront!«, rief er jetzt. Er streckte den Arm aus und wies mit dem Zeigefinger empor. »Ohne die Gnade und die Güte des Herrn wäre auch Ihnen nichts möglich gewesen, Bruder Kron. Der Himmel möge Ihre Seele vor Hoffahrt bewahren!«

Mahnend, suggestiv klang die Stimme des bleichen, ernsten jungen Mannes, und der Millionär schrumpfte sichtlich zusammen.

»Sie haben recht, Bruder Barlett«, murmelte er zerknirscht. »Der alte Adam kommt immer wieder hervor. Ich sollte mit Ihnen gehen und beten vor allem um Bescheidenheit.«

Dann erinnerte er sich, dass er in der nächsten Viertelstunde noch einen wichtigen Besucher zu empfangen hatte. Es handelte sich um den Abschluss eines Drei-Millionen-Dollar-Geschäftes mit einer amerikanischen Firma.

»Heute ist das leider unmöglich«, sagte er darum eilig und schon wieder ganz in geschäftsmäßigem Ton. »Wie gesagt, ich brauche Sie nicht mehr. Sie sind frei, beten Sie für mich! Ich will nur noch telefonisch meine Damen davon verständigen, dass wir heute Abend einen lieben Gast haben. Dann muss ich mich auf den Besuch von Mister Morthon konzentrieren.«

»Prokurist Faber kommt mit Mister Morthon zu Ihnen, nicht wahr?«, erkundigte sich Barlett scheinheilig, obwohl er es genau wusste, dass Faber dieses Geschäft infolge einer alten Bekanntschaft mit Morthon vermittelt hatte.

»Ja, Faber ist ein tüchtiger Mann, einer von der alten Garde! Leider macht er sich gar nichts aus der Religion.«

Dem werden noch die Augen aufgehen!, dachte Harry Barlett gehässig, während er – wieder mit einer tiefen Verbeugung – hinausging. Wenn ich hier erst der Chef bin, fliegt der alte Faber!

Er hasste den nüchternen Bankfachmann, weil er sich von diesem durchschaut fühlte.

Es war ein wunderschöner Tag. Harry freute sich, dass er das Verwaltungsgebäude der Kron-Werke schon am frühen Nachmittag verlassen konnte.

Jetzt hätte er gerne einen Wagen gehabt. Aber einstweilen leistete er sich diesen Luxus noch nicht. Sein Gehalt hätte das erlaubt. Aber er glaubte, seinem Ansehen diesen Verzicht schuldig zu sein. Freude an einem schnellen Wagen hätte zu weltlich ausgesehen.

Stets war Harry Barlett dunkel gekleidet. Beim Gehen hielt er den Kopf gesenkt. Das wirkte immer so, als wäre er in fromme Gedanken versunken.

So schritt er gemessen dahin, solange man ihn aus den Fenstern des Verwaltungsgebäudes noch sehen konnte. Erst als er ganz sicher war, nicht mehr beobachtet zu werden, hob er den Kopf, pfiff gut gelaunt vor sich hin und trat gleich darauf in ein kleines Restaurant, das an seinem Wege lag und wo er sich – ganz entgegen seiner soeben vor dem alten Kron geäußerten Einstellung zum Alkohol – häufig nach Feierabend einen Whisky genehmigte.

In der Kneipe gab es auch ein Telefon. Nachdem Harry etwas bestellt hatte, verschwand er in der Telefonzelle.

Er rief Margot an, Margot Sido, seine hübsche Freundin.

Sie war Tänzerin im Ballett des Gloria-Theaters, ein Bild von einem Mädchen, gut gewachsen, mit Kurven an den richtigen Stellen und langen, schlanken Beinen. Ein tolles Temperament hatte die Kleine, und bei Bedarf konnte sie auch ganz schön frivol sein – genauso wie Harry Barlett das liebte.

Mit Margot war Harry nämlich für den heutigen Abend verabredet gewesen, und mit einem lachenden und einem weinenden Augen ließ er das Zusammensein mit dem reizvollen Mädchen sausen.

Sicherlich wurde der Abend in der Villa Kron entsetzlich langweilig. Dort musste er doch unentwegt seine Rolle spielen, genau wie im Büro, und durfte sich keine Entgleisung erlauben.

Die Tochter des Alten war außerdem nach Harrys Meinung eine dumme Gans. Sie tat kaum den Mund auf, wirkte verschüchtert und verstand es nicht, etwas aus sich zu machen.

Aber sie war eine Millionenerbin, und für Harry Barlett war dieser Abend im Hause Kron, dieser Abend mit Sonja, der erste Schritt auf dem Wege zum Reichtum.

Es ging nicht anders, Margot musste zurückstehen. Das musste er ihr jetzt am Telefon auseinandersetzen, und er hoffte nur, dass sie es einsehen würde. Margots schlechte Laune wäre ihm höchst unwillkommen gewesen. Schließlich war sie doch die Einzige, bei der er sich von seiner anstrengenden Rolle ein bisschen erholen konnte.

Seufzend wählte Harry Barlett Margots Nummer. Für die zukünftigen Millionen musste man Opfer bringen.

♥♥♥

»Vater hat Harry Barlett zum Abendessen eingeladen«, sagte Frau Klara bekümmert zu ihrer bildhübschen Tochter Sonja und sah sie gespannt an.

»Schon wieder?«, fuhr Sonja auf. »Ich ertrage es bald wirklich nicht mehr.«

»Gib nach, Kind! Füge dich, solange alles in einem gewissen Rahmen bleibt!«, mahnte Klara Kron.

»Ich werde heute Abend nicht daheim sein. Ich bin zu einem Theaterbesuch verabredet.«

»Du weißt, dass Vater das nicht dulden wird«, wandte die Mutter ein.

»Er wird es dulden müssen, denn ich habe es satt, mich mit seinen Freunden abzugeben.«

»Sei vernünftig, Kind! Du weißt doch, wie streng Vater sein kann.«

»Damit hat er uns bisher ganz schön an der Kandare gehalten. Was habe ich denn schon von meinem Leben gehabt, Mutti? Was hast du von deinem Leben?«

»Ich bin es nicht anders gewöhnt, und ich bin inzwischen zu alt geworden, um mich dagegen aufzulehnen«, sagte Klara Kron mit resignierendem Lächeln.

»Ich aber nicht, und ich bin es jetzt endgültig leid! Ich fürchte fast, ich habe mir schon viel zu lange Vaters Bevormundungen gefallen lassen. Er wird sich nur schwer überzeugen lassen, dass es damit vorbei ist.«

»Wie soll das weitergehen, Kind? Wie mag das enden?«, jammerte Frau Klara.

»Das ist mir egal. Ich kann Vaters Ansichten nicht teilen, und ich mag seine Freunde nicht – am allerwenigsten mag ich diesen Amerikaner.«

»Vater hält viel von ihm. Er sagt, dass Barlett in der Firma tüchtig und unentbehrlich sei. Im Übrigen bist du in Vaters Glauben aufgewachsen.«

»Er hat mich aber noch nie befriedigt, noch nie begeistert und mitgerissen.«

»Aber äußerlich könntest du dich auch weiterhin fügen«, meinte die Mutter tadelnd.