Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 696 - Marion Alexi - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 696 E-Book

Marion Alexi

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Beschreibung

Nachdem ihr Vater kurz nach der Rückkehr aus Schottland plötzlich verstirbt, ist Janna ganz auf sich allein gestellt in dem fremden Land ihrer Vorfahren. Sie weiß nur, dass ihre Mutter aus Norddeutschland stammte, und dahin begibt sie sich. Zunächst hält sie sich mit kleinen Hilfsarbeiten über Wasser. Dann lernt Janna den charmanten Simon von Tammke kennen, der ihr Herz sofort höherschlagen lässt. Er macht ihr den Hof und bittet sie, ihm als Erzieherin seiner kleinen Nichte Xenia, ebenfalls einem Waisenkind, nach Marienhöhe, einem großen Gut am Meer, zu folgen. Blind vor Liebe, schenkt Janna Simon ihr Vertrauen. Doch bald schon beginnen Angst und Misstrauen das junge Mädchen zu quälen, denn auf Marienhöhe geschehen seltsame Dinge, und immer wieder geraten Janna und die kleine Xenia in große Gefahr ...

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Inhalt

Cover

Nächte auf Marienhöhe

Vorschau

Impressum

Nächte auf Marienhöhe

Allein im fremden Land weiß Janna nicht, wem sie vertrauen kann

Nachdem ihr Vater kurz nach der Rückkehr aus Schottland plötzlich verstirbt, ist Janna ganz auf sich allein gestellt in dem fremden Land ihrer Vorfahren. Sie weiß nur, dass ihre Mutter aus Norddeutschland stammte, und dahin begibt sie sich. Zunächst hält sie sich mit kleinen Hilfsarbeiten über Wasser. Dann lernt Janna den charmanten Simon von Tammke kennen, der ihr Herz sofort höherschlagen lässt. Er macht ihr den Hof und bittet sie, ihm als Erzieherin seiner kleinen Nichte Xenia, ebenfalls einem Waisenkind, nach Marienhöhe, einem großen Gut am Meer, zu folgen. Blind vor Liebe, schenkt Janna Simon ihr Vertrauen. Doch bald schon beginnen Angst und Misstrauen das junge Mädchen zu quälen, denn auf Marienhöhe geschehen seltsame Dinge, und immer wieder geraten Janna und die kleine Xenia in große Gefahr ...

Die Überfahrt war alles andere als angenehm. Schon als Janna Klausing zusammen mit ihrem Vater an Bord der »MS Edinburgh« gestiegen war, hatte es geregnet und war nass und kalt gewesen. Später hörte es auf zu regnen, und Windböen peitschten das Wasser des Kanals zu silbrigen Schaumkronen auf den hohen, sich brechenden Wellenbergen.

Als einziger Passagier blieb Janna an Deck, um zuzusehen, wie die Küste ihrer Heimat im feuchten Nebel versank. War es klug gewesen, ausgerechnet jetzt diese Reise zu machen?

Jetzt im Herbst ging es ihrem Vater besonders schlecht. Die Schmerzen, die Knud Klausing während des milden schottischen Sommers tapfer ertragen hatte, wurden mit dem Einsetzen der heftigen Stürme unerträglich. Und das Herz, ja, vor allem das, wollte nicht mehr. Es war, als hätte er sich aufgegeben.

Janna konnte sich nicht überwinden, wieder hinunter in die enge, stickige Kabine zu gehen. Dabei wusste sie, dass sie bei ihrem kranken Vater hätte sein sollen.

Tränen quollen unter ihren dichten dunklen Wimpern hervor. Ach, sie konnte den Anblick des leidenden Kranken nicht länger ertragen, sein Husten und sein rasselnder Atem zerrissen ihr das Herz. Sie liebte ihren Vater sehr. Und darum quälte es sie, seinen unaufhörlichen Verfall hilflos mit ansehen zu müssen. Der stattliche, kraftvolle Mann war nur noch ein Schatten seiner selbst.

Möwen schrien und segelten über dem brodelnden Kielwasser, und die heftigen Böen drückten das rollende und stampfende Schiff immer tiefer und mutwilliger in die starke Dünung.

Stand diese Reise unter einem schlechten Stern? Janna hielt sich mit aller Kraft an der klatschnassen Reling fest. Immer wieder sprühte weiße Gischt übers Deck und hüllte sie ein, eine einsame zierliche Gestalt in viel zu dünner Kleidung.

Das junge Mädchen verzog bitter die Lippen. Nicht einmal zu warmer Kleidung hatte das Geld noch gereicht. Sie hatte die zwei Fährpassagen bezahlt, und dann war Ebbe gewesen in der Haushaltskasse.

»Lass mal, Kind, haben wir erst deine Verwandten gefunden, werden die für dich sorgen.«

»Für uns, Vater, du wirst noch lange leben. Mutters Familie wird dir einen erstklassigen Arzt besorgen. Und dann wird alles wieder gut. Vielleicht wirst du sogar wieder malen können.«

Sie hatten dieses Gespräch vor kaum zwei Wochen in dem winzigen Wohnzimmer des kleinen Häuschens nahe der schottischen Grenze geführt, das Knud Klausing immer als Atelier gedient hatte.

Vor zwanzig Jahren war er nach Schottland gekommen, um dort zu malen. Die weichen, erdigen Farben des schottischen Hochlands hatten es ihm angetan, das Violett des Heidekrauts, das rauchige Blau des Himmels und das Braungrau der Berge.

Das Geld hatte immer nur zum Nötigsten gereicht, verhungert waren sie nicht. Der Vater hatte sich nicht für die finanzielle Situation interessiert. Er hatte in seiner eigenen Welt gelebt, dieser kraftvolle, halsstarrige Maler. Es hatte für ihn nur seine Kunst gegeben. Ihr hatte er sein Leben geweiht.

Und das ihrer Mutter auch? Janna schaute in das kochende, tosende Wasser, das so grau wie der Himmel war. Anneke Klausing war früh gestorben. Janna hatte die Mutter als eine sanfte, stille und zerbrechliche Frau im Gedächtnis. Sie hatte kaum gesprochen und die Tochter ermahnt, still zu sein, damit der Vater seine Ruhe zum Malen hatte.

Der Vater war der Lebensinhalt der Mutter gewesen, um ihn hatte sich alles gedreht. Die Mutter hatte an sein Genie geglaubt, ihm stets Mut gemacht und ihn bei Misserfolgen getröstet. Und leider hatte sein Leben aus einer Reihe von Misserfolgen bestanden. Seine Bilder waren bei den Leuten nicht gut angekommen.

Seine Frau und seine Tochter mussten im Dorf anschreiben lassen und sich das Geld für Leinwand und Farben vom Munde absparen. Knud Klausing hatte davon nichts geahnt, und die Mutter hätte es ihn niemals wissen lassen. Still und geduldig hatte sie gehungert und ebenso still auf den Erfolg gehofft.

Sie hatte ihn nicht mehr erlebt. Die Jahre der Entbehrungen hatten ihre Kräfte früh aufgezehrt. Nach einem besonders kalten Winter war sie gestorben.

Monatelang war der Vater nicht ansprechbar gewesen, danach hatte er sich vor die Staffelei gestellt und wütend, fast rachsüchtig drauflos gemalt. Seine Farben waren noch leidenschaftlicher geworden, die Linien noch strenger, die Inhalte seiner Bilder noch aggressiver. Niemand hatte diese explosiven Gemälde mehr haben wollen, auch der Kunsthändler in Edinburgh hatte gestreikt.

»Malen Sie gefälliger, Klausing«, hatte er dem Deutschen geraten. »Ich kann diese wüsten Bilder jedenfalls nicht mehr an den Mann bringen. Schauen Sie sich mal hier diese Stillleben an. Blumen, Kinder, Tiere – das wollen die Leute sehen!«

»Pah!«, hatte Klausing gebrüllt. »Dann behalte ich meine Bilder eben. Ich male nicht auf Bestellung, meine Bilder kommen aus dem Herzen!« Er hatte auf seine breite Brust getrommelt und hinzugesetzt: »Eines Tages werden Menschen meine Bilder verstehen. Aber die Zeit ist noch nicht reif genug, ich muss noch warten.«

»Bis dahin sind Sie verhungert, mein Lieber, und Ihre Tochter auch! Sehen Sie sich doch das magere Ding an. Das Mädchen ist ja nur noch Haut und Knochen! Sie wird Ihnen sterben wie Ihre arme, bedauernswerte Frau damals.«

»Meine Frau?« Knud Klausing war zusammengezuckt, als hätte er einen deftigen Schlag erhalten. »Meine Frau ist verhungert, sagen Sie? Nein, sie ist nicht verhungert. Sie war krank. Der Winter, dieser elende Winter war schuld.«

Und dann hatte Klausing seine Mappe mit den Bildern genommen, Janna gepackt und aus dem Laden gezerrt und war nie wieder in die Stadt gefahren. Von diesem Tag an war es mit seiner Gesundheit rapide abwärtsgegangen. Die achtlos hingeworfenen Worte des Kunsthändlers Bryan Sean hatten ihn aus seinem Traum gerissen. Plötzlich hatte er erkannt, in welcher Armut und Einsamkeit sein einziges Kind aufgewachsen war.

»Ich bringe dich zur Familie deiner Mutter«, hatte Knud Klausing vor etwa einem halben Jahr entschieden. »Sie werden für dich sorgen, Janna, wenn es mit mir vorbei ist. Dort wirst du endlich leben können, wie es dir zusteht, du bist immerhin eine ...« Der Rest war in einem Hustenanfall untergegangen.

Janna hatte sich gesträubt, ihre Heimat zu verlassen. Das winzige Dorf in der Nähe des schottischen Städtchens Pitlochry war ihre Welt gewesen, seit sie denken konnte. Und nun sollte sie zu fremden Leuten gehen und auf deren Barmherzigkeit und Güte hoffen?

»Du wirst es bei ihnen gut haben, Kind, sie sind vermögende Leute, es wird dir an nichts fehlen. Mutter hätte es auch so fein haben können, aber sie ist mir gefolgt, obwohl ihre Eltern es ihr verboten hatten.«

Das hatte Janna nicht gewusst, wie sie auch nicht gewusst hatte, dass es noch Verwandtschaft in Deutschland gab.

»Mutter ist gegen den Willen ihrer Eltern fortgegangen aus Deutschland?«

Knud Klausing hatte genickt und sich abgewandt.

»Sie hat mich geliebt und ist mir bis hierher nach Schottland in diese klägliche Einöde gefolgt. Ich weiß nicht, wie schwer ihr der Entschluss gefallen ist, das wundervolle Haus am Meer zu verlasen. Nie hat sie geklagt oder sich über das karge Leben, das ich ihr nur bieten konnte, beschwert. Sie war eine gute Frau, Janna, jammerschade, dass sie uns so früh verlassen hat.«

Janna lehnte sich an die Reling. Wie sollte es weitergehen? Sie hatten das Häuschen verkauft und von dem schmalen Erlös die beiden Passagen bezahlt. Ein Zurück gab es nicht mehr. Ihr Vater wollte sie dorthin bringen, von wo er vor langen Jahren so hoffnungsvoll zu neuen Zielen aufgebrochen war. Janna verspürte Angst, eine Ahnung künftigen Unheils schnürte ihr die Brust zusammen.

Wer waren diese Leute, von denen Vater halb verächtlich, halb hochachtungsvoll sprach? Sie waren reich und alteingesessen, besaßen ein großes Gut und einen guten alten Namen, der in der Gegend, aus der ihre Mutter kam, einen gewissen Klang haben musste. Geld und Macht also! Aber auch Starrsinn, Engstirnigkeit und Hartherzigkeit. Denn sie hatten Mutter verstoßen, als sie ihren Maler genommen hatte, der sich so gar nicht anpassen wollte.

Nie wieder hatte die Mutter von ihren Eltern gehört, und sie war zu stolz gewesen, um sie in den folgenden schweren Jahren um Hilfe zu bitten. Zwanzig Jahre waren seit der heimlichen Flucht Annekes vergangen. Hatte man der verlorenen Tochter die Heirat inzwischen vergeben, würde man die Tochter Annekes willkommen heißen oder fortschicken?

Plötzliches Grauen schnürte Janna die Kehle zusammen. Was sollte aus dem Vater und ihr werden, wenn die Verwandtschaft nicht half? Sie standen praktisch vor dem Nichts, besaßen nichts und wussten nicht, wie es weitergehen sollte. Alles war so hoffnungslos, eine unbeschwerte Zukunft schien ein ferner Traum.

Mit Zärtlichkeit dachte Janna an ihren Vater. Früher war er bärenstark und hünenhaft gewesen, jetzt verwünschte er jeden Tag, den er noch lebte, und sehnte sein Ende herbei.

»Miss Klausing?«

Janna wandte erschrocken ihr angespanntes Gesicht. Ein Deckoffizier stand vor ihr. Sie hatte seine Schritte nicht gehört, der Sturm schluckte alle Geräusche, und sie war überdies in Gedanken versunken gewesen.

»Ja?«, fragte sie ängstlich. Ob etwas mit dem Vater geschehen war?

»Der Kapitän schickt mich«, erwiderte der junge Mann. »Sie sollten bei diesem Wetter nicht hier draußen stehen. Alle Passagiere wurden vor einer halben Stunde schon aufgefordert, sich in ihre Kabinen zu begeben. Eine Sturmwarnung ist durchgegeben worden. Haben Sie denn nichts gehört?«

Sie schüttelte erleichtert darüber, dass der Zustand des Vaters sich offenbar nicht verschlechtert hatte, den Kopf. Plötzlich spürte sie eine unendliche Schwäche in sich aufsteigen.

»Ich komme sofort«, brachte sie mühsam hervor. »Eine Minute noch, Sir.«

»Ich muss leider darauf bestehen, dass Sie mich begleiten, Miss Klausing. Der Captain ...«

Die Stimme des höflichen jungen Mannes wurde leise und undeutlich, sein Gesicht begann sich zu drehen, in einem beklemmenden Nebel, der immer dichter und dichter wurde, bis Janna ihn nicht mehr sah und überhaupt nichts mehr wahrnahm.

Der junge Offizier fing sie auf, bevor sie hinstürzte, und trug das zierliche junge Mädchen in die schwankende Dunkelheit ihrer Kabine.

♥♥♥

Die letzten Wochen waren für Janna wie ein Albtraum gewesen. Sie hatte eine Menge an Gewicht verloren und sah auffallend blass und erschöpft aus. Ihre Augen waren riesengroß, und unter ihnen lagen dunkle Schatten.

Nun hatte sie bei Agnes Dübelswehr ein winziges Zimmer gemietet. Die mollige Endfünfzigerin, die ein Herz für Katzen besaß, nahm das zarte, fast durchscheinend wirkende junge Mädchen liebevoll unter ihre Fittiche.

Die herzensgute Frau war die Witwe des seligen Kapitäns Dübelswehr, der vor zehn Jahren vor Grönland mit seiner »Hammonia« mit einem Eisberg kollidiert und innerhalb von fünfzehn Minuten mit Mann und Maus ertrunken war.

»So ein hübsches junges Ding und dann ohne Vater und Mutter«, rief Witwe Dübelswehr mitleidig und drückte Janna auch gleich auf ihr durchgesessenes, mit unzähligen Kissen überladenes Sofa aus abgewetztem Plüsch und verwöhnte sie mit Kaffee und selbst gebackenem Marmorkuchen. Janna musste erst einmal erzählen. Und zwar von Anfang an.

»Ich weiß einfach nicht, was werden soll«, flüsterte Janna.

»Gibt es denn gar keine Verwandtschaft?«

»Nein, vielleicht doch, aber ich weiß nicht, wo ich nach ihr suchen soll. Mein Vater sagte mir, dass die Familie meiner Mutter hier in Norddeutschland lebte. Irgendwo an der Küste. Aber er konnte mir nicht mehr sagen, wo. Er hatte einen Unfall.«

Ihr schossen die Tränen in die Augen, als sie an jenen entsetzlichen Tag dachte. Es war der Tag ihrer Ankunft in der Hansestadt gewesen. Ihr Vater hatte sie in einem kleinen Hotel untergebracht und sich dann zärtlich von ihr verabschiedet.

»Ich bleibe nicht lange, Kind«, hatte er gesagt und sie auf die Stirn geküsst. Eine seltene Liebkosung. Und Janna, die ihren Vater eher als barschen, in sich gekehrten und verschlossenen Mann kannte, war angst und bange geworden.

»Darf ich nicht mitkommen?«, hatte sie gefragt und sich an seinen Arm geklammert.

»Nein, Kleines, du bleibst hier und ruhst dich aus. Deine Ohnmacht auf der Fähre hat mir zu denken gegeben. Du hast dich verausgabt in den letzten Wochen, du musst dich jetzt schonen!«

»Aber dein Herz, Vater, und dein Husten. Bei dem Wetter solltest du nicht hinausgehen.«

»Und wer soll die Fahrkarten besorgen? Nein, Janna, das schaffe ich schon. Und wenn ich zurückkomme, dann werden wir wissen, wie's weitergehen soll. Man wird uns bestimmt mit Freuden aufnehmen. Du bist ja das Ebenbild der armen Anneke. Und für mich alten Teufel wird's auch eine Lösung geben.«

Und dann hatte er ihr übers Haar gestrichen und war hinausgegangen. Es war das letzte Mal gewesen, dass Janna ihren Vater sehen sollte. Sie hatte den ganzen Tag auf seine Rückkehr gewartet. Gegen Abend war sie immer unruhiger geworden.

Witwe Dübelswehr schenkte Janna Kaffee nach.

»Und wann haben Sie denn nun erfahren, was passiert ist?«

»Gegen acht Uhr erhielt ich dann, nachdem ich bei der Polizei angerufen und mich nach etwaigen Unfällen erkundigt hatte, den Besuch eines Beamten. Ich erfuhr, dass mein Vater tatsächlich einen Unfall gehabt hatte. Er war von einem Wagen angefahren und auf die Straße geschleudert worden. Wie man mir versicherte, hatte er nicht mehr leiden müssen, er war auf der Stelle tot.«

Erschütterung malte sich in den Zügen der älteren Frau.

»Der Fahrer des Wagens hatte Unfallflucht begangen und meinen armen Vater liegen lassen«, fuhr Janna fort. »Allerdings hätte ihm auch ein Arzt nicht mehr helfen können. Für mich war dies das Ende.« Sie seufzte und lächelte wehmütig. »Mir ist dieser schreckliche Unfall immer noch unverständlich. Vater war nie unvorsichtig gewesen, im Gegenteil, er war fast überängstlich. Und dann die Sache mit der Brieftasche. Woher sollte mein Vater so viel Geld haben?«

»Hatte er Geld bei sich?«

»Das ist ja das Merkwürdige. Ich weiß genau, dass Vater gar kein Geld haben konnte. Und doch fand die Polizei bei ihm eine prall gefüllte Brieftasche. Mit deutschem Geld. Vater hatte auf der Fähre kein Pfund eingetauscht.«

»Seltsam«, murmelte Witwe Dübelswehr.

»Und dann der Alkohol. Der Beamte sagte, dass Vater offenbar getrunken hatte, bevor er starb. Eine Blutprobe hatte man allerdings nicht entnommen, man berief sich auf die Whiskyreste auf seinem Jackett, das tatsächlich geradezu durchtränkt mit Alkohol war. Ich bin ganz außer mir. Mein Vater hat nie einen Tropfen Alkohol angerührt, das könnte ich beschwören!«

»Und haben Sie das den Jungs von der Polizei gesagt?«

»Ja sicher. Sie meinten, dass viele Männer trinken würden, ohne dass die Familien es wüssten. Auch für das Geld gab man mir eine plausible Erklärung. Vater habe eben heimliche Ersparnisse gehabt, er habe vielleicht ein Bild verkauft und mich überraschen wollen. Die Akte Klausing wurde geschlossen, und ich habe meinen Vater von dem Geld beerdigen lassen.«

Witwe Dübelswehr seufzte.

»Und nun stehen Sie armes Kind vor dem Nichts! Haben Sie denn schon mal nach der Familie Ihrer Mutter geforscht? Dafür gibt's Ämter hier in der Stadt.«

»Ich hab's versucht, aber mit den wenigen Angaben, die ich machen konnte, war alles vergebens. Ich müsste praktisch von Dorf zu Dorf reisen und nach einer Familie Petersdorf fahnden. So hieß meine Mutter nämlich mit Mädchennamen.«

»Ein Name, der hier in der Gegend nicht direkt ungewöhnlich ist, mein liebes Kind. Sie werden sich gedulden müssen, fürchte ich. Und was werden Sie nun anfangen mit sich?«