Die Zofe - Justine Morgan - E-Book

Die Zofe E-Book

Justine Morgan

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Beschreibung

Als seine Schwester Madeleine Gabrielle überraschend nach Tibet verschwindet, muss Gabriel für sie als Maskenbildnerin und Zofe der Schauspielerin Janessa einspringen. Doch dann beginnt Janessa, die in dem Ruf steht, lesbisch zu sein, sich für die schöne blonde Frau zu interessieren …

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Veröffentlichungsjahr: 2019

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Justine Morgan

Die Zofe

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Kapitel 1

 

 

 

Gabrielle stand in ihrem kurzen schwarzen Kleid hinter der Theaterschauspielerin Janessa Adams. Diese sah umwerfend aus, wie sie in ihrem Kleopatra-Gewand auf einem gepolsterten Hocker vor der weißen Frisierkommode saß. Immer wieder begegneten sich ihre Blicke durch den Spiegel. Janessa kannte sie nur unter dem Namen Madeleine Gabrielle Medart und hielt sie für ihre eigene Schwester. Mit bürgerlichem Namen hieß sie Gabriel Patrice Medart. Ihr zweiter Vorname galt in Frankreich, woher ihre Mutter Mélisande stammte, als reiner Jungenname.

Mit ihrem langen blonden Lockenhaar, den leuchtend blauen Augen und dem androgynen Körperbau sah sie ihrer Schwester tatsächlich sehr ähnlich, außer dass sie natürlich größer war als diese. Zuvor hatte sie zwar öfters Frauenkleidung getragen, doch nicht täglich wie jetzt, seit sie diesen Job angenommen hatte. Anfangs hatte sie große Angst vor einer Entdeckung gehabt, doch diese hatte sich inzwischen gelegt.

Gabrielle gab Janessas Make-up den letzten Schliff. Darin war sie gut, sehr gut sogar, sonst befände sie sich nicht in dieser Position. Ihre Schwester und sie waren gefragt in ihrem Beruf. Gabrielle betrachtete Janessas schwarzes, kinnlanges Haar. Es glänzte edel wie dunkle Seide. Ihr Duft stieg zu ihr auf und ließ sie hart werden unter dem Kleid. Sie verfluchte es, nur ein zartes Spitzenhöschen statt eines Formslips angezogen zu haben. Doch da der Rock ihres Kleides etwas weiter geschnitten war, fiel es Janessa hoffentlich nicht auf.

In ihrer Seele vereinte Gabrielle sowohl Feminines als auch Maskulines, wodurch das Bedürfnis entstand, beiden Seiten Ausdruck zu verleihen. Sie liebte es, zwischen den Welten zu wandeln. Es gab keine Schublade für sie und sie wollte auch in keine, sondern so akzeptiert werden wie sie war.

Zufrieden betrachtete Gabrielle ihr Werk im Licht, das durch das hohe Fenster mit den roten Samtvorhängen hereinkam. Sie experimentierte gerne und hatte sich hinsichtlich des Make-ups mal wieder selbst übertroffen mit dieser Mischung aus altägyptischer Tradition und Moderne. Obwohl lediglich eine Probeaufführung vor ihnen lag, sollte alles so weit wie möglich dem späteren Endresultat entsprechen. Einzig Janessas Teint war etwas zu hell für eine Ägypterin, doch das war bei Liz Taylor damals auch der Fall gewesen und niemanden hatte es gestört. Jedenfalls sah sie hinreißend aus.

Erstaunen und Bewunderung lagen in Janessas Blick, als sie in den Spiegel blickte. »Ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet Lila dem Kleopatra-Look diese besondere Note verleiht.« Janessas Stimme war leicht rauchig und etwas tiefer als die der meisten Frauen, jedoch besaß sie die Fähigkeit, diese an die jeweilige Rolle anzupassen.

Janessa betrachtete den lila Lidschatten, der mit der altägyptisch angehauchten Schminktechnik das Ergebnis tatsächlich zu etwas einzigartig Betörendem machte, zumal sie Janessas dunkle Augen zum Strahlen brachte. Dies erschien Gabrielle äußerst passend für die Neuinterpretation der Kleopatra in ihrem regionalen, von den Universitäten in Austin unterstütztem Indie-Theater. Es war zudem kommerziell ungewöhnlich erfolgreich war, was dafür sprach, dass sie den Zeitgeist trafen.

»Du bist eine wahre Künstlerin! Unbezahlbar! Dich gebe ich nicht mehr her!« Janessa wirkte entzückt.

Gabrielles Herz schlug schneller vor Aufregung und Freude. Ob Janessa das auch noch denken würde, wenn sie wüsste, wer ihre Maskenbildnerin wirklich war?

»Du brauchst heute keine Perücke. Bestenfalls kannst du eine herauswaschbare, blauschwarze Tönung verwenden, obwohl ich selbst die als nicht unbedingt nötig erachte«, sagte Gabrielle. »Ich glaube kaum, dass Kleopatra bei der Hitze in Ägypten ständig schwere Perücken getragen hat. Vielleicht zu besonderen Anlässen. Außerdem hast du wundervolles Haar. Warum lässt du es nicht wachsen?«, fragte Gabrielle. Ihr bewundernder Blick glitt über Janessa. Selten hatte sie sich so zu einer Frau hingezogen gefühlt wie zu ihr. Janessa war wirklich etwas Besonderes.

Erstaunt sah die Schauspielerin sie an. »Meinst du, das würde mir stehen?«

Sie nickte. »Aber natürlich. Hast du es denn nie länger getragen?«, fragte sie erstaunt.

»Nein. Als Kind habe ich sogar ausschließlich Kurzhaarschnitte getragen. Meine Mutter hielt das für pflegeleichter.«

»Sie hat dir keine langen Haare erlaubt?«, fragte Gabrielle erstaunt, da sie das kaum glauben konnte.

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, gar nicht. Sie selbst hat schon immer kurze Haare getragen und meine drei Schwestern auch. Ich bin die Einzige, die es jetzt etwas länger trägt.«

»Drei Schwestern? Hast du auch Brüder?«

Janessa schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht. Wäre wahrscheinlich ganz lustig gewesen, aber die drei Schwestern genügen auch.« Die Schauspielerin lachte. »Die konnten ebenso ungezogen sein wie Jungs. Ich bin die Älteste und musste öfters Babysitten, Windeln wechseln, das volle Programm. Das war manchmal ganz schön nervig und anstrengend.«

»Wünscht du dir eigene Kinder?«, fragte Gabrielle.

»Ja, natürlich, auch wenn es stressiger ist, als viele sich das vorstellen und es in meinem Beruf nicht so einfach zu realisieren sein wird. Kinder passen kaum in die heutige Gesellschaft, in der sie von vielen oft nur als Belastung, Risiko und Kostenfaktor angesehen werden.«

»Aber du siehst das nicht so?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich sehe es anders, was vermutlich daran liegt, dass ich in einer verhältnismäßig kinderreichen Familie aufgewachsen bin. Mit vier oder mehr Kindern gilt man doch heutzutage als asozial.«

Dem wusste Gabrielle nichts hinzuzufügen, da sie es bei Bekannten ähnlich erlebt hatte. Sie wollte Janessa von seiner Schwester erzählen, die kurz vor ihrer Hochzeit stand, doch da sie Gabrielle für diese hielt, war das natürlich nicht möglich.

Als Gabrielle ihr Haar bürstete, lehnte sie den Kopf zurück und sah ihr in die Augen. Für einen kurzen Moment erschien es ihr so, als wäre Janessa von ihr genauso fasziniert, wie sie von der Schauspielerin.

Janessa leckte sich über die rot geschminkten Lippen. »Aber ich meinte das vorhin wirklich ernst: Ich weiß gar nicht mehr, was ich ohne dich täte.« Als sie den Kopf bewegte, streifte ihr Haar Gabrielles Wange, was ihre Haut zum Prickeln brachte.

Gabrielles Herz klopfte schneller, denn ihre Worte klangen aufrichtig.

Sie waren fertig, Janessas Umwandlung in Kleopatra war komplett. Das gold- und champagnerfarbene Kleid war eher schlicht geschnitten, doch dafür edel und sehr elegant. Janessa sah noch atemberaubender aus als in ihrer letzten Rolle als Ophelia. Gabrielle hatte Janessa geraten, die dafür vorgesehene goldblonde Perücke gegen eine platinblonde auszutauschen, die besser zu ihrem kühlen Schneewittchen-Teint passte.

Als hätte Janessa ihre Gedanken erraten, sagte sie: »Eigentlich hättest du Ophelia spielen sollen. Du siehst aus wie sie. Diese langen blonden Locken, sind die echt?«

»Keine Dauerwelle, keine Blondierung und keine Extensions, falls du so was meinst.« Gabrielle war stolz auf ihr Haar, das im Sonnenlicht wie gesponnenes Gold glänzte und das sie mit indischen Haarölen pflegte.

»Hab ich auch nicht«, sagte Janessa lächelnd und fuhr sich über das glatte schwarze Haar.

Gabrielle musste lachen. Sie wusste allzu gut, dass viele Frauen sie, besonders wenn sie en femme ausging, um ihr langes blondes Lockenhaar beneideten. Doch in Janessas Blick lag kein Neid, sondern aufrichtige Bewunderung.