Dorian Hunter 29 - Horror-Serie - Neal Davenport - E-Book

Dorian Hunter 29 - Horror-Serie E-Book

Neal Davenport

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Schöne und die Bestie
von Neal Davenport

Die nackte Blondine lag auf einem Steinquader. Den rechten Arm und das linke Bein hatte sie seltsam abgewinkelt. Hinter ihr stand ein furchterregendes, affenartiges Ungeheuer, die raubtierhaften Zähne wütend gefletscht.
Ich legte das Foto auf den Tisch und blickte Kiwibin an. »Was wollen Sie von mir?«
Kiwibin zeigte auf das Foto. »Dieses Ungeheuer existiert. Es muss unbedingt vernichtet werden.«
Ich wollte antworten, doch meine Zunge ließ sich nicht bewegen. Es schien, als würde ich in das Foto stürzen; als würde ich durch Zeit und Raum geschleudert.
Ich verlor das Bewusstsein.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 130

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

DIE SCHÖNE UND DIE BESTIE

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

mystery-press

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Mark Freier

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8719-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Auf Schloss Lethian an der österreichisch-slowenischen Grenze gerät der Reporter Dorian Hunter in ein Abenteuer, das seinen Verstand übersteigt. Die acht Männer, die seine Frau Lilian und ihn begleiten, sind seine Brüder – gezeugt in einer einzigen Nacht, als die Gräfin von Lethian, selbst eine Hexe, sich mit dem Teufel Asmodi vereinigte! Dorians Brüder nehmen die Offenbarung euphorisch auf. Nur Dorian will sein Schicksal nicht akzeptieren. Er tötet seine Mutter und eröffnet die Jagd auf seine Brüder. Danach steckt er das Schloss in Brand und flieht mit seiner Frau. Aber Lilian hat bei der Begegnung mit den Dämonen den Verstand verloren. Übergangsweise bringt Dorian sie in einer Wiener Privat­klinik unter, die auf die Behandlung psychischer Störungen spezialisiert ist – und begegnet kurz darauf der jungen Hexe Coco Zamis, die von ihrer Familie den Auftrag erhalten hat, Dorian zu töten. Doch Coco verliebt sich in den Dämonenkiller und wechselt die Seiten, wodurch sie nicht nur ihre magischen Fähigkeiten verliert, sondern da­rüber hinaus aus der Schwarzen Familie ausgestoßen wird.

Coco wie auch Dorian sind nun gleichzeitig Jäger und Gejagte, denn Dorian hat sich geschworen, seine Brüder, die das Feuer auf Schloss Lethian offenbar allesamt überlebt haben, zur Strecke zu bringen. In London tötet er Roberto Copello, nachdem dieser den Secret-Service-Agenten Donald Chapman auf Puppengröße geschrumpft hat. Mit Hilfe des Secret Service gründet Dorian die »Inquisitionsabteilung«, der nicht nur er selbst, sondern auch Coco und der Puppenmann Chapman fortan angehören. Ein weiteres »inoffizielles« Mitglied ist der geheimnisvolle Hermaphrodit Phillip, dessen Adoptiv­eltern von Dämonen getötet wurden. Zum Hauptquartier der Inquisi­tions­abtei­lung wird die Jugendstilvilla in der Baring Road, in der Phillip aufgewachsen ist, doch gleichzeitig stöbert Dorian Hunter weiter in der Bibliothek seines alten Reihenhauses in der Abraham Road nach Hinweisen auf dämonische Umtriebe – und stößt auf das Tagebuch des Barons Nicolas de Conde, der auf dem Eulenberg nahe Nancy im Jahr 1484 seine Seele dem Teufel verkaufte. De Conde bereute, wurde zum Hexenjäger und Mit­autor des »Hexenhammers« und starb als angeblicher Ketzer. Der Fluch erfüllte sich. Seither wird de Condes Seele nach jedem Tod in einem neuen Körper wiedergeboren – und tatsächlich gelingt es ihm als Dorian Hunter, nicht nur sieben seiner Brüder, sondern schließlich auch seinen Vater Asmodi zu vernichten!

Nach der Jagd auf die Dämonen-Drillinge, die Dorian ebenfalls erfolgreich abschließen konnte, gelingt es ihm, auf Gut Falö in Schweden einen Werwolf zur Strecke zu bringen. Kaum befindet Dorian sich wieder in London, erhält er auch schon eine Einladung von Kiwibin, dem geheimnisvollen Russen aus Cruelymoe. Die Schöne und die Bestie warten auf Dorian …

DIE SCHÖNE UND DIE BESTIE

von Neal Davenport

Die nackte Blondine lag auf einem Steinquader. Den rechten Arm und das linke Bein hatte sie seltsam abgewinkelt. Hinter ihr stand ein furchterregendes, affenartiges Ungeheuer, die raubtierhaften Zähne wütend gefletscht. Auf der Stirn des Monsters befand sich ein gedrehtes Horn. Um den gedrungenen Hals der Bestie schlang sich ein Halsring, der mit einer Kette am Steinquader befestigt war. Unweit der Frau lagen ein menschliches Skelett und ein höhnisch grinsender Totenschädel.

Ich legte das Foto auf den Tisch und blickte Kiwibin an. »Ein hübsches Bild«, sagte ich spöttisch.

»Mehr haben Sie dazu nicht zu sagen, Mr. Hunter?«, sagte Kiwibin und beugte sich vor. Sein Alter war schwer zu schätzen, woran vor allem der schwarze Vollbart schuld war. Sein dunkles Haar fiel wirr in die Stirn, und sein stechender Blick verlieh ihm etwas Unheimliches. Er trug einen schwarzen Rollkragenpullover und dunkle Cordhosen.

1. Kapitel

Ich hob die Schultern und nippte am Tee. »Wahrscheinlich ein Foto aus einem Horrorfilm.«

Kiwibin schüttelte entschieden den Kopf. »Dieses Foto ist echt.«

Neben Kiwibin saßen zwei breitschultrige Männer, die mich nicht aus den Augen ließen.

Ich seufzte und griff nach den Zigaretten. »Mr. Kiwibin«, sagte ich, zündete eine Zigarette an und inhalierte den Rauch, »wollen wir doch mit offenen Karten spielen. Seit unserer Begegnung in Irland Ende Oktober haben Sie nichts mehr von sich hören lassen. Damals schlug ich Trevor Sullivan vor, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Er setzte sich mit Ihnen in Verbindung und sagte mir später, Sie hätten um Bedenkzeit gebeten. Das ist der Stand der Dinge. Und dann rufen Sie mich plötzlich an, weil Sie mir angeblich etwas Interessantes zu zeigen hätten. Aber alles, was Sie …«

Kiwibin winkte ungeduldig ab. »Ich konnte mich nicht früher mit Ihnen in Verbindung setzen, Mr. Hunter. Sie waren ständig auf Reisen. Und mit dem O.I. wollte ich nicht sprechen. Außerdem habe ich erfahren, dass er schwer krank ist.«

»Woher wissen Sie das alles?«

Kiwibin lehnte sich zurück. Ein schwaches Lächeln umspielte seinen Mund. »Das werde ich Ihnen später erzählen.«

Um es ganz ehrlich zu sagen, mir war dieser seltsame Mr. Kiwibin äußerst suspekt. Und die beiden Männer, die neben ihm saßen, wollten mir ebenfalls nicht gefallen. Das Zimmer, in dem wir uns befanden, war klein und düster. Eine hohe Stehlampe verbreitete ein unwirkliches Licht und warf gespenstische Muster an die dunklen Wände.

Ich war erst gestern aus Schweden zurückgekehrt und hatte zu meiner großen Überraschung feststellen müssen, dass Coco nach Wien geflogen war, um sich um eine Erbschaftsangelegenheit zu kümmern. Sie hatte nicht länger auf meine Rückkehr warten wollen. Das Schicksal der Inquisitionsabteilung war ebenfalls noch immer ungewiss. Offenbar wollte man beim Secret Service die Genesung Trevor Sullivans abwarten.

Und heute, kurz nach zehn Uhr, hatte mich Kiwibin angerufen und mich zu sich eingeladen.

»Machen wir es kurz, Mr. Kiwibin. Was wollen Sie von mir?«

Kiwibin zeigte auf das Foto. »Dieses Ungeheuer existiert. Es muss unbedingt vernichtet werden.«

»Wo wurde das Foto aufgenommen?«

»Sehen Sie sich das Bild einmal genauer an, Mr. Hunter!«

Ich griff nach dem Foto und hielt es ein wenig schräg, da sich das Licht auf der glänzenden Oberfläche spiegelte. Die Blondine hatte hochangesetzte, üppige Brüste und feste Schenkel. Ihr Haar war voll und schulterlang, das Gesicht mit den dunklen Augen seltsam anziehend. Sie trug einen Stirnreif mit einem Amulett, das seltsame Ornamente aufwies.

Plötzlich begann es vor meinen Augen zu flimmern. Das Amulett und der Stirnreif schienen zu wachsen. Ich wollte den Blick abwenden, doch es gelang mir nicht. Mir wurde heiß. Ich spürte, wie mir der Schweiß ausbrach. Plötzlich fühlte ich mich müde. Das Foto in meiner rechten Hand wurde immer größer.

»Mr. Hunter!«, hörte ich Kiwibins Stimme.

Ich wollte antworten, doch meine Zunge ließ sich nicht bewegen. Es schien, als würde ich in das Foto stürzen; als würde mich das Amulett durch Zeit und Raum schleudern.

Ich verlor das Bewusstsein.

Die tiefstehende Sonne tauchte die trostlose Schneelandschaft in rotes Licht. Die Äste der Bäume ächzten unter der drückenden Last des Schnees. Weit im Hintergrund waren verschneite Berge zu sehen.

Das Knirschen der Kufen vermischte sich mit dem leisen Gebimmel der Glocken. Der Schlitten kam rasch näher. Er wurde von sechs gewaltigen Wölfen gezogen, die Lederbänder um die Hälse trugen, an denen winzige Glocken hingen. Der große Schlitten war kunstvoll verziert. Eine hochgewachsene, junge Frau stand breitbeinig darauf. Trotz der beißenden Kälte hatte sie den Mantel offen und sie trug auch keine Kopfbedeckung. Das blonde, lange Haar wehte wie ein Schleier hinter ihr her.

Sie klatschte in die Hände, und die Wölfe beschleunigten das Tempo. Sie wandte das Gesicht dem Wind zu und lachte hell. Die Wölfe stießen tief aus der Kehle kommende Knurrlaute aus.

Da wandte die Frau den Kopf nach links. Etwas erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie rief den Wölfen etwas zu, die daraufhin die Richtung änderten. Der Schlitten raste einen sanften Hügel hinauf.

Vor einer Baumgruppe lag eine Gestalt. Die Frau kniff die Augen zusammen und schrie den Wölfen einen Befehl zu. Die Tiere wurden langsamer und blieben einige Meter vor dem Fremden stehen. Die junge Frau sprang aus dem Schlitten und musterte ihn. Er trug einen schwarzen, gefütterten Fellmantel und eine hohe Pelzkappe. Seine Beine steckten in Lederstiefeln. Er lag auf der Seite und war offensichtlich bewusstlos. Die Kappe hatte sich etwas verschoben, und sie sah das mittellange, schwarze Haar. Das Gesicht des Mannes war tiefbraun, in dem dichten, nach unten gezwirbelten Schnurrbart hingen Schneeflocken. Der Mann hatte die Augen geschlossen und atmete unregelmäßig.

Langsam, fast zögernd kam die Frau näher. Sie bückte sich und griff mit beiden Händen nach dem Bewusstlosen. Das Gesicht des Mannes fühlte sich eisig an. Sie schüttelte einige Male den Kopf des Bewusstlosen, doch er erwachte nicht. Daraufhin wälzte sie den Mann auf den Rücken, und ihr Blick fiel auf seine rechte Hand. Zwischen den klammen Fingern hielt er ein Foto. Das Mädchen warf einen Blick auf das Bild und zuckte zurück. Sie kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und musterte den Bewusstlosen genau, dann hob sie leicht die Schultern, überlegte einige Sekunden und pfiff schrill. Die Wölfe kamen näher. Sie waren wild und unruhig.

Sie packte den Bewusstlosen und zerrte ihn zum Schlitten. Die Wölfe heulten, als sie den Mann auf den Schlitten lud. Sie setzte sich neben ihn, nahm ihm das Foto ab, rief den Wölfen einen Befehl zu, und der Schlitten setzte sich langsam wieder in Bewegung.

Während der Fahrt durch die verschneiten Hügel saß die junge Frau ruhig da und studierte das Foto.

Ein schmaler Waldweg führte in sanften Windungen zu einem kleinen Dorf. Der Weg mündete auf einem kleinen Hügel in einen breiten Platz, der von einer aus Eichenstämmen gefertigten Kirche beherrscht wurde. Die dahinter liegenden Häuser waren im Blockhausstil zusammengezimmert worden; es waren langgestreckte, trostlose Bauten, die einen unbewohnten Eindruck machten. Kein Mensch war in den Gassen zu sehen, in keinem der Häuser brannte Licht. Ein eisiger Wind wehte von den nahen Bergen und peitschte den frischgefallenen Schnee in Wellen heran.

Die Frau fuhr an der Kirche vorbei und bog in eine schmale Gasse ein, die aus dem Dorf herausführte. Es war nun dunkel geworden. Die Konturen der niedrigen Häuser verwischten sich. Sie trieb die Wölfe an, die den Weg genau kannten. Ihr Ziel war ein einsames Blockhaus, das etwas außerhalb des Dorfes stand. Die Wölfe rannten an halbverfallenen Hütten vorbei und blieben vor dem Blockhaus stehen.

Die blonde Frau hatte Mühe, den Mann ins Haus zu tragen. Keuchend und fluchend zerrte sie ihn in einen gewaltigen, düsteren Raum, in dessen Mitte ein riesiger Kachelofen stand. Im Zimmer war es angenehm warm. Die junge Frau schlüpfte aus ihrem Mantel und warf ihn über einen Stuhl. Dann warf sie einige große Holzscheite in den Ofen und blieb vor dem Bewusstlosen stehen. Sie kniete nieder, untersuchte seine Manteltaschen, die jedoch leer waren, und öffnete den Mantel. Der Mann trug einen roten Rollkragenpullover und schwarze Skihosen. Die Hosensäcke waren ebenfalls leer. Er besaß keine Uhr, keine Ringe und keine Halskette, wie sich die Frau rasch überzeugte; er hatte überhaupt nichts bei sich, was auch nur den geringsten Hinweis auf seine Identität hätte geben können.

Sie griff nach seinem Puls, der regelmäßig schlug, und schüttelte wieder seinen Kopf, doch auch diesmal erwachte er nicht aus seiner tiefen Bewusstlosigkeit.

Irgendwo summte eine Frauenstimme vor sich hin. Ich drehte den Kopf zur Seite und schlug die Augen auf. Mein Blick fiel auf eine Holzwand und wanderte weiter zu zwei winzigen Fenstern, deren Scheiben mit Eisblumen beschlagen waren. Jeder Gedanke fiel mir schwer. Mein Körper schien aus Blei zu bestehen. Ich konnte mich nur äußerst mühsam bewegen.

Langsam richtete ich mich auf, und das Summen verstummte. Ich lag neben einem dunkelgrünen Kachelofen auf einem einfachen Felllager. Vor mir stand eine hochgewachsene junge Frau. Ihre Füße waren nackt. Sie trug einen einfachen schwarzen Rock, der bis zu den Knöcheln reichte und ihre Hüften betonte. Der Oberkörper steckte in einer hochgeschlossenen, weißen Bluse, die kunstvoll bestickt war. Ihre Brüste waren hochangesetzt und ziemlich üppig. Ihr Gesicht lag im Schatten. Das volle blonde Haar fiel auf ihre Schultern herab.

Ich wollte etwas sagen, doch mein Mund war wie ausgetrocknet; ich brachte nur ein Krächzen zustande.

»Ich bin Tanja«, sagte die Fremde und kam einen Schritt näher.

Es dauerte einige Sekunden, bis mir bewusst wurde, dass sie Russisch gesprochen hatte. Jetzt sah ich auch ihr Gesicht, und ich konnte meine Überraschung nicht verbergen. Sie war die Frau, deren Foto mir Kiwibin gezeigt hatte. Jeder Zweifel war ausgeschlossen.

Dieses Gesicht mit dem zwingenden Blick, den hohen Wangenknochen und dem vollen Mund hatte sich mir fest eingeprägt. Sie trug wie auf dem Foto einen silbernen Stirnreif mit einem kleinen Amulett, das seltsam verschlungene Ornamente aufwies.

»Willst du etwas trinken?« Ihr Russisch klang fremdartig.

Ich wollte erneut sprechen, doch auch diesmal klappte es nicht. So nickte ich nur, legte mich wieder zurück und sah ihr nach, wie sie aus dem Zimmer ging. Dann schloss ich die Augen.

Meine letzte Erinnerung war das Flimmern, als ich das Amulett auf dem Foto angestarrt hatte. Dann der Sturz in die Bewusstlosigkeit und dann – nichts mehr.

Wer war diese Frau? Und wo steckte dieser geheimnisvolle Mr. Kiwibin?

Es dauerte nur wenige Augenblicke, und die Fremde kehrte zurück. Sie hockte sich neben mir auf ein Fell und hielt mir einen Becher hin. Ich streckte meine rechte Hand aus. Sie zitterte; ich konnte den Becher nicht halten.

Tanja drückte mich auf das Lager zurück und hielt mir den Becher an die Lippen. Ich trank in kleinen Schlucken. Es war warmer, ungesüßter Tee.

»Genug«, sagte sie und stellte den Becher auf den Boden. »Kannst du jetzt sprechen?«

»Ja«, antwortete ich heiser.

Mein Russisch war nicht perfekt, aber ich hatte es vor vier Jahren in Moskau aufgefrischt. Damals war ich Journalist gewesen und hatte eine Artikelserie über Schwarze Magie für die englische Sonntagszeitung News of the World geplant. Die Russen hatten jedoch von meinen Fragen bald genug gehabt. Sie waren nicht sonderlich an meinen Theorien über Geister und Dämonen interessiert gewesen. Sie hatten wohl geglaubt, dass ich hinter ganz anderen Dingen her war und mich deshalb ausgewiesen und in die nächste Maschine nach London gesetzt.

»Mein Haus ist eine Freistatt«, sagte Tanja.

Das sagte mir nicht viel.

»Wo bin ich?«

»In Novornaja«, sagte Tanja.

Ich runzelte die Stirn. Nie davon gehört. Noch immer fühlte ich mich entsetzlich müde, so als hätte ich einige Tage durchgezecht. Ich schloss wieder die Augen.

»Willst du noch Tee, Fremder?«

Ich schüttelte den Kopf. »Novornaja«, sagte ich nachdenklich. »Wo liegt das?«

»Im nördlichen Sibirien.«

Ich setzte mich überrascht auf. »Aber wie komme ich hierher?«

Sie lächelte. »Das weiß ich nicht. Ich habe dich bewusstlos im Schnee liegend gefunden. Da habe ich dich kurzerhand auf meinen Schlitten gesetzt und hierher gebracht.«

Ich ließ mich mit geschlossenen Augen zurücksinken. Was wurde hier gespielt? Vor wenigen Augenblicken hatte ich mich noch in London befunden und jetzt sollte ich in Russland sein? Das kam mir doch zu unwahrscheinlich vor. Allerdings hatte ich tatsächlich den Eindruck gehabt, als würde mich das Amulett durch Zeit und Raum schleudern. Unsinn, dachte ich. Außerdem wusste ich nicht, ob die Angaben des Mädchens überhaupt stimmten. Aber das würde ich herausbekommen, sobald ich mich kräftiger fühlte.

»Du kannst dich an nichts erinnern?«

Ich schüttelte den Kopf. Vielleicht würde es von Vorteil sein, wenn ich mich verstellte. »Alles, was ich weiß, ist mein Vorname. Ich heiße Dorian.«

Tanja hatte die Hände im Schoß verschränkt und musterte mich. »Ich bin sicher, dass du dich bald an alles erinnerst.«

»Hatte ich nichts bei mir? Was ist mit meinen Kleidern?«