Dorian Hunter 69 - Horror-Serie - Neal Davenport - E-Book

Dorian Hunter 69 - Horror-Serie E-Book

Neal Davenport

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Beschreibung

Nora wich den riesigen Händen aus und riss sich die Waden an einem Rosenstrauch blutig. Sie hörte Schritte hinter sich, doch sie wagte nicht, sich umzudrehen. Endlich hatte sie das Gartentor erreicht. Sie griff nach der Klinke und versuchte die Tür zu öffnen, doch sie war versperrt. Die Schritte kamen näher. Sie wandte den Kopf herum, und ihre Augen weiteten sich.
»Du bist seiner nicht würdig«, sagte die Gestalt. Die Stimme klang heiser und unheimlich. »Du bist nicht die richtige Frau für ihn. Du darfst nicht Felix’ Geliebte sein.«
Eine eiskalte Hand presste sich auf ihren Mund.
»Hilfe!«, gurgelte Nora. »Hilfe! So helft ...«
Sie konnte nichts mehr sagen. Die eisige Hand drückte ihre Lippen zusammen. Dann bekam sie einen Schlag gegen die Stirn, dann noch einen gegen die Schläfe. Sie brach bewusstlos zusammen.


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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

HAUS DES SCHRECKENS

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen. Unterstützung in seinem Kampf erhält er zunächst durch den englischen Secret Service, der auf Hunters Wirken hin die Inquisitionsabteilung gründete.

Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.

In der Folge beginnt Dorian die Dämonen auf eigene Faust zu jagen. Als die Erfolge ausbleiben, gerät Trevor Sullivan, der Leiter der Inquisitionsabteilung, unter Druck. Die Abteilung wird aufgelöst, und Sullivan gründet im Keller der Jugendstilvilla die Agentur Mystery Press, die Nachrichten über dämonische Aktivitäten aus aller Welt sammelt. Hunter bleibt nur sein engstes Umfeld: die junge Hexe Coco Zamis, die selbst ein Mitglied der Schwarzen Familie war, bis sie wegen ihrer Liebe zu Dorian den Großteil ihrer magischen Fähigkeiten verlor; weiterhin der Hermaphrodit Phillip, dessen hellseherische Fähigkeiten ihn zu einem lebenden Orakel machen, sowie ein Ex-Mitarbeiter des Secret Service namens Donald Chapman, der bei einer dämonischen Attacke auf Zwergengröße geschrumpft wurde.

Trotz der Rückschläge gelingt es Dorian, Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, zu vernichten. Doch mit Olivaro steht schon ein Nachfolger bereit, der die schwangere Coco Zamis zur Rückkehr in die Schwarze Familie zwingt. Es gelingt Dorian, Coco zu retten. Nach einer Flucht um den halben Erdball bringt sie ihr Kind in London zur Welt, und Olivaro muss den Thron räumen.

Coco versteckt das Neugeborene an einem Ort, den sie selbst vor Dorian geheimhält – und ihre Vorsicht ist berechtigt, da bald eine neue, »alte« Gegnerin auf sich aufmerksam macht, die Dorian aus seinem Leben als Georg Rudolf Speyer kennt: Hekate lockt den Dämonenkiller in ein lebensfeindliches, fantastisches Reich außerhalb der Realität, in dem er ihren Aufstieg zum neuen Oberhaupt der Schwarzen Familie erlebt. Mit knapper Not entkommt Dorian und kehrt nach London zurück. Um Abstand zu gewinnen, reist er gemeinsam mit Coco nach Antibes. Aber statt eines Urlaubs erwartet die beiden dort ein Rendezvous mit dem Sensenmann ...

HAUS DES SCHRECKENS

von Neal Davenport

Die Nacht war wie geschaffen für die Liebe. Die schmale Sichel des Mondes war zwischen den Wipfeln der hohen Eichen zu sehen. Nora Russel warf immer wieder Felix Lelouch, der neben ihr ging, einen raschen Blick zu. Die junge Frau konnte es noch immer nicht glauben, dass sie endlich mit ihm allein war.

»Hier sind wir«, sagte Felix leise. Er blieb vor einer schmalen Holztür stehen. »Das Haus ist nichts Besonderes. Ziemlich heruntergekommen. Doch wir sind ungestört. Und darauf kommt es an.«

Nora nickte rasch. Ihr war es gleichgültig, in welchem Zustand sich das Haus befand. Für sie zählte nur, dass sie mit Felix eine Nacht zusammen sein durfte. Drei endlos lange Monate hatte sie ihn angehimmelt. Jede seiner Gesten, seiner Bewegungen, jedes Wort hatte sie registriert. Sie hatte sich bei ihrer ersten Begegnung in ihn verliebt. Felix hatte sie nur flüchtig gemustert, doch sein Blick hatte sie wie ein Blitzstrahl getroffen. Was sie nicht alles versucht hatte, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Doch er war kühl und reserviert geblieben. Seine Mutter schirmte ihn von allen jungen Frauen ab. Sie wachte über ihren Sohn, als wäre er ein kleines Kind.

1. Kapitel

Felix zog einen Schlüssel aus der Tasche, sperrte das Tor auf, blickte sich rasch um und stieß die Pforte auf.

»Komm, Nora!«, sagte er und griff nach ihrer rechten Hand.

Sie folgte ihm willig in den Garten. Felix blieb stehen und warf das Tor zu. Ein breiter, mit großen Steinplatten belegter Weg führte zu einem alten Haus, das mitten in einem verwilderten Garten stand. Zwischen den Steinen spross Unkraut; das Gras war schon wochenlang nicht mehr gemäht worden.

»Wann warst du das letzte Mal hier?«, fragte Nora und blieb vor Felix stehen.

»Ich weiß es nicht«, antwortete er. »Vor ein paar Monaten. Das Haus gehört meiner Mutter. Sie hat es seit dem Tod meines Vaters nicht mehr betreten. Sie hasst es. Ich weiß, dass es wenig einladend aussieht.«

»Das macht nichts«, meinte Nora und drängte sich an ihn. Sie war schlank, fast knabenhaft. Ihr rostbraunes Haar war kurz geschnitten; es rahmte ein hübsches Gesicht mit einer kleinen Stupsnase und großen, grünen Augen ein. Sie trug eine anthrazitfarbene Bluse und einen grünen Rock.

Felix lächelte, ließ ihre Hand los und legte einen Arm um ihre Schultern. Langsam gingen sie zum Haus. Es war ein einstöckiger Bau. Trotz der Dunkelheit sah Nora, dass der Verputz an einigen Stellen abbröckelte und die Fenster blind vor Schmutz waren. Sie stiegen die drei Stufen hoch, die zum Eingang führten. Felix suchte nach dem Schlüssel, fand endlich den richtigen und sperrte die Tür auf. Sie quietschte, als er sie öffnete. Fauliger Modergeruch schlug ihnen entgegen.

Felix trat in den Vorraum und knipste die Deckenbeleuchtung an. Nora kam zögernd näher. Überall lag Staub, und unzählige Spinnennetze hingen von der Decke.

»Warum verkauft deine Mutter das Haus nicht?«

»Keine Ahnung«, sagte Felix. »Aber das soll uns jetzt nicht kümmern.«

Er legte beide Hände auf Noras Schultern und zog sie langsam an sich. Sie schlang ihre Arme um seine Hüften und hob den Kopf. Er beugte sich vor, und seine Lippen berührten die ihren. Es war ein sanfter, fast unschuldiger Kuss, der nur wenige Sekunden dauerte.

Felix löste sich aus Noras Umarmung. Er lächelte ihr zu, und ihr Herz schlug schneller. Am liebsten hätte sie ihr Glück laut hinausgeschrien. Felix Lelouch war ein Mann, in den sich viele junge Frauen verliebten, der aber als unnahbar galt. Nora empfand so etwas wie Stolz, dass es ihr gelungen war, Felix zu erobern. Sie bekam schwache Knie, sooft sie ihn nur ansah. Er war hochgewachsen, schlank und breitschultrig. Das aschblonde Haar trug er ziemlich lang. Sein Gesicht war tiefbraun; es erinnerte Nora an den David von Michelangelo. Felix trug eng anliegende, hellblaue Jeans und ein weißes Hemd.

Sie durchquerten die Diele und betraten einen schmalen Gang. Vor einer Tür blieb Felix stehen.

»Das war mein Zimmer«, sagte er und drückte die Klinke nieder. Die Tür schwang geräuschlos auf. Das Zimmer war klein und einfach. Die Tapeten schälten sich von der Decke. An den Wänden waren deutlich helle Flecke zu sehen. Früher mussten mehr als zwanzig Bilder hier gehangen haben. Der schwere, dunkelgrüne Vorhang war staubig. Eine Wand wurde von einem Bücherschrank verdeckt. Auf dem niedrigen Bett lag ein gelbes Überschlaglaken. Es gab einen Tisch und zwei Stühle. Felix sah sich verträumt um.

»Mehr als fünfzehn Jahre habe ich in diesem Zimmer gewohnt«, flüsterte er.

Nora hustete, als Felix zum Fenster ging. Bei jedem Schritt stiegen kleine Staubwolken hoch. Felix zog den schweren Vorhang zur Seite und öffnete das Fenster. Aus einem Kasten holte er ein Tuch und wischte die Stühle und den Tisch damit ab. Er zeigte auf einen der Stühle.

»Setz dich, Nora!«

Nora kam der Aufforderung nach. Ihre Handtasche warf sie auf einen Stuhl.

»Ich bin sofort zurück«, versprach Felix. »Ich sehe nach, ob ich irgendetwas Trinkbares im Haus finde.«

Er zwinkerte Nora zu, dann verließ er das Zimmer. Sie sah ihm nach. Sie war nervös, griff nach einem Aschenbecher, der auf dem Nachtkästchen stand, stellte ihn auf den Tisch, öffnete ihre Handtasche, zündete sich eine Zigarette an und rauchte hastig. Rauchschwaden zogen zum Fenster.

Die junge Frau zuckte erschrocken zusammen. Ein leises Rascheln war zu hören, dann das Geräusch eines brechenden Astes. Sie ging zum Fenster und starrte in die Dunkelheit, konnte jedoch nichts erkennen. Wieder ein Geräusch – diesmal aus Richtung des Korridors. Sie wandte den Kopf und lächelte erleichtert, als sie Felix sah.

Er stellte eine Flasche Wein und zwei Gläser auf den Tisch.

»Irgendjemand ist im Garten«, meinte Nora. »Ich hörte ein Geräusch.«

»Wir sind allein«, sagte Felix. »Wahrscheinlich hast du ein Kaninchen gehört.«

Er schenkte die Gläser voll, reichte eines Nora und stieß mit ihr an.

»Auf dich!«, sagte er und blickte ihr tief in die Augen.

Nora nippte an ihrem Glas, stellte es ab und schmiegte sich an Felix, der sanft ihren Rücken streichelte.

»Ich liebe dich«, flüsterte Nora. »Ich liebte dich vom ersten Augenblick an. Ich ...«

Felix nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie sanft auf den Mund. Sie klammerte sich wie eine Ertrinkende an ihn, schloss die Augen und gab sich ganz seinen leidenschaftlichen Liebkosungen hin. Seine Finger nestelten an ihrer Bluse, die er langsam aufknöpfte. Er schob das Kleidungsstück über ihre Schultern. Ihre nackten Brüste waren klein und spitz zulaufend. Er weidete sich an ihrer Schönheit.

»Du bist wunderschön«, flüsterte Felix und zog sie wieder an sich.

Nora zuckte erschrocken zusammen, als sie auf dem Gang ein knarrendes Geräusch hörte. Ein leichter Wind war aufgekommen, der den Vorhang blähte.

»Es ist jemand im Haus!«

»Unsinn!«, sagte Felix. Er hob den Kopf und lauschte.

Nichts war zu hören.

Er zog das Überschlaglaken vom Bett und schlug die dünne Steppdecke zurück.

Wieder war das knarrende Geräusch zu hören.

»Irgendjemand ist auf dem Gang«, sagte Nora.

»Das Haus ist leer.« Felix zog sie aufs Bett.

»Bitte, Felix«, bettelte Nora, »sieh nach! Ich habe Angst. Deine Mutter. Sie ist ...«

»Meine Mutter weiß nicht, dass ich hier bin.«

Er legte seine Hände auf Noras Hüften, die verkrampft auf dem Bett saß. Ihre Hände zitterten leicht.

Nora lächelte schwach. »Ich bin unruhig, Felix.«

»Gut«, sagte Felix ein wenig ungehalten. »Wenn es dich beruhigt, sehe ich nach. Doch ich sage dir, es ist Unsinn. Wir sind allein. Du brauchst keine Angst zu haben.«

Unwillig stand er auf.

Ein lautes Poltern war zu hören, so als wäre ein großer Gegenstand umgefallen.

»Hast du das gehört?«, fragte Nora ängstlich.

Felix nickte.

»Du bleibst hier«, sagte er. »Ich sehe nach.«

Leise durchquerte er das Zimmer und blieb lauschend vor der Tür stehen. Nichts war zu hören. Vorsichtig öffnete er die Tür, steckte den Kopf in den Gang hinaus und schüttelte den Kopf.

»Es ist niemand zu sehen«, sagte er leise.

Er zog die Tür weiter auf und huschte in den Gang hinaus.

Nora griff nach ihrer Bluse. Ihre Hände zitterten stärker. Felix' Mutter hatte sie einige Male gewarnt. Sie hatte bemerkt, dass sie Felix verliebte Blicke zugeworfen hatte, und Nora unmissverständlich gesagt, dass sie die Hände von ihrem Sohn lassen sollte.

Die junge Frau stand auf, knöpfte rasch die Bluse zu und steckte sie in den Rock. Langsam ging sie zur Tür.

Sie hörte Stimmen. Deutlich war Felix' Stimme zu erkennen. Er sprach mit einer Frau. Sie hatte sich also nicht getäuscht; sie waren nicht allein im Haus. Ihr Herz schlug schneller, und ihre Hände wurden vor Aufregung feucht.

»Sie ist die Richtige!«, hörte sie Felix sagen.

»Das kannst du nicht wissen«, sagte die Frauenstimme. »Du hast sie noch gar nicht richtig geprüft. Sie kann kein Ersatz für mich sein.«

»Ich liebe Nora!«, brüllte Felix.

Nora zuckte zusammen. Die Worte der Frau konnte sie nicht verstehen, doch die Stimme klang ziemlich bestimmt. Es gelang ihr nicht, festzustellen, ob die Stimme Felix' Mutter gehörte.

Die junge Frau wandte sich langsam ab. Sie wurde nur noch von einem Gedanken beherrscht: das alte Haus so rasch wie möglich zu verlassen.

Sie schob den Vorhang zur Seite und blickte in den Garten. Ihr Blick fiel auf das Gartentor, das langsam geöffnet wurde. Zwei dunkle Gestalten betraten den Garten und kamen rasch näher. Nora hielt den Atem an und trat einen Schritt zurück.

Jetzt ist alles verloren, dachte sie. Die beiden Männer kannte sie. Es waren John Duncan und Bernie Jones, zwei Angestellte von Felix' Mutter. Vom Gang her hörte sie noch immer Felix' Stimme. Sie wartete eine halbe Minute, dann beugte sie sich vor und blickte in den Garten. Von den beiden Männern war nichts mehr zu sehen.

Das ist meine Chance, dachte Nora. Sie griff nach ihrer Handtasche, hängte sie sich über die Schulter, schob einen Stuhl zum Fenster, stieg hinauf, trat auf das Fensterbrett und hielt sich am Rahmen fest. Einen Augenblick zögerte sie, dann sprang sie. Sie ging in die Knie und richtete sich schwer atmend auf. Rasch trat sie einige Schritte zur Seite und verschmolz mit der Dunkelheit.

»Nora?«, fragte John Duncan, der um das Haus gekommen war und stehen blieb.

Die junge Frau drückte sich enger an das Haus. Sie wagte kaum zu atmen.

»Nora?«, fragte Duncan wieder.

Er drehte sich langsam um, und einige Sekunden später war er nicht mehr zu sehen.

Aus Felix' Zimmer kam ein lautes Krachen, in das sich wütendes Fauchen mischte.

»Nora!« Die Stimme klang schrill und unmenschlich. »Nora!«

Jetzt gab es für die junge Frau kein Zögern mehr. Sie lief keuchend los, in Richtung Gartentor.

»Kommen Sie zu mir, Nora!«, hörte sie Bernie Jones. »Ich will Ihnen helfen, Mädchen.«

Doch Nora hörte nicht auf den Hünen. Sie wich seinen riesigen Händen aus und riss sich die Waden an einem Rosenstrauch blutig. Sie hörte Schritte hinter sich, doch sie wagte nicht, den Kopf herumzuwenden. Endlich hatte sie das Gartentor erreicht. Sie griff nach der Klinke und versuchte die Tür zu öffnen, doch sie war versperrt. Die Schritte kamen näher. Sie wandte den Kopf herum, und ihre Augen weiteten sich.

Sie hatte geglaubt, dass ihr Bernie Jones gefolgt war, doch diese Vermutung war falsch gewesen. Eine seltsame Gestalt näherte sich ihr langsam. Im schwachen Licht des Mondes konnte sie sie nur undeutlich erkennen. Sie trug eine Kapuze und eine lange, bis auf den Boden reichende Kutte.

»Du bist seiner nicht würdig«, sagte die Gestalt. Die Stimme klang heiser und unheimlich. »Du bist nicht die richtige Frau für ihn. Du darfst nicht Felix' Geliebte sein.«

Die Gestalt sprang sie an, prallte gegen sie und drückte sie gegen das Gartentor. Nora wehrte sich verzweifelt. Eine eiskalte Hand berührte ihre Stirn, glitt über ihre Nase und presste sich auf ihren Mund.

»Hilfe!«, gurgelte Nora. »Hilfe! So helft ...«

Sie konnte nichts mehr sagen. Die eisige Hand drückte ihre Lippen zusammen. Dann bekam sie einen Schlag gegen die Stirn, dann noch einen gegen die Schläfe. Sie brach bewusstlos zusammen.

Fred Archer war Privatdetektiv. Mehr als vier Jahre hatte er für das Detektivunternehmen Observer gearbeitet. Vor einigen Wochen hatte er sich selbständig gemacht. Dazu hatte ihn Dorian Hunter ermutigt, der ihm laufend kleinere und größere Aufträge zukommen ließ. Archer war ein mittelgroßer, durchschnittlich aussehender Mann Mitte der dreißig. Sein Gesicht war rosig, das rotblonde Haar kurz geschnitten, der Blick seiner blauen Augen neugierig.

Er parkte seinen Wagen in der Sydenham Road, stieg aus, griff nach seiner Jacke, sperrte den beigen Morris ab und blinzelte in die hoch stehende Sonne. Es war ein schwüler Augusttag. Nach kurzem Suchen hatte er das Haus Nummer 78 gefunden. Im Hausflur war es angenehm kühl. Langsam stieg er in den zweiten Stock hinauf.

Bis jetzt hatte er es nicht bereut, dass er sich selbständig gemacht hatte. Er konnte sich über mangelnde Aufträge nicht beklagen. Neben seiner Tätigkeit für die Mystery Press übernahm er auch andere Aufträge, doch er vermied es nach Möglichkeit, Scheidungsfälle anzunehmen; davon hatte er genug in seiner Laufbahn bearbeitet.

Vor einer weißen Tür blieb er stehen. ›Martin Russel‹ stand auf einem Messingschild. Er drückte auf die Klingel, und Sekunden später wurde die Tür geöffnet.

»Guten Morgen!«, sagte er und deutete eine Verbeugung an. »Ich bin Fred Archer.«

»Russel«, stellte sich der Mann vor. »Kommen Sie herein, Mr. Archer!«

Martin Russel war ein kultiviert aussehender Mann, Ende der vierzig. Sein Gesicht war bleich, das graumelierte Haar extrem kurz geschnitten.

»Einen Drink, Mr. Archer?«, fragte Martin Russel, als sie das geschmackvoll eingerichtete Wohnzimmer betraten.

»Gern. Irgendetwas Alkoholfreies.«

Russel nickte, zeigte auf die Sitzgarnitur, und Fred Archer nahm Platz. Russel brachte ihm eine Flasche Tonic.

»Es geht um meine Tochter«, sagte Russel. Er setzte sich Archer gegenüber und rieb nervös die Hände. »Sie ist seit fast zwei Monaten verschwunden.«

Archer nippte an seinem Drink.

»Erzählen Sie mir mehr!«, bat er.

Russel nickte, lehnte sich zurück und schloss die Augen halb. Seine Stimme klang zittrig.

»Nora ist mein einziges Kind – sie ist alles, was mir geblieben ist.« Er presste die Lippen zusammen und schwieg einige Sekunden. »Meine Frau starb vor einem Jahr. Krebs. Meine Tochter hatte ihren Schulabschluss gemacht und kümmerte sich nach dem Tod meiner Frau rührend um mich. Ohne Nora ... Ich weiß nicht, was ich ohne sie getan hätte.«

Archer nickte.

»Ich verstehe«, sagte er mitfühlend.