Dorian Hunter 79 - Neal Davenport - E-Book

Dorian Hunter 79 E-Book

Neal Davenport

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Beschreibung

Cesare runzelte die Stirn. Der Fischer und Hobbymaler legte den Pinsel zurück in den Malkasten, als er hinter sich ein Geräusch vernahm. Einige Schritte von ihm entfernt am Strand lauerte jenes unheimliche Echsengeschöpf, das er aus dem Gedächtnis gemalt hatte - und es hatte zwei Begleiter bekommen!
Eine der Echsen riss das Maul auf und stieß ein wütendes Fauchen aus. Wütend schlug das Monstrum nach dem Bild.
Cesare floh. Er wusste, dass es sinnlos war, um Hilfe zu schreien, kein Mensch konnte ihn hören. Er musste die Straße erreichen, die zum Fischerdorf führte, sonst war er verloren ...


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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

DAS DRACHENNEST

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen. Unterstützung in seinem Kampf erhält er zunächst durch den englischen Secret Service, der auf Hunters Wirken hin die Inquisitionsabteilung gründete.

Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.

In der Folge beginnt Dorian die Dämonen auf eigene Faust zu jagen. Als die Erfolge ausbleiben, gerät Trevor Sullivan, der Leiter der Inquisitionsabteilung, unter Druck. Die Abteilung wird aufgelöst, und Sullivan gründet im Keller der Jugendstilvilla die Agentur Mystery Press, die Nachrichten über dämonische Aktivitäten aus aller Welt sammelt. Hunter bleibt nur sein engstes Umfeld: die junge Hexe Coco Zamis, die selbst ein Mitglied der Schwarzen Familie war, bis sie wegen ihrer Liebe zu Dorian den Großteil ihrer magischen Fähigkeiten verlor; weiterhin der Hermaphrodit Phillip, dessen hellseherische Fähigkeiten ihn zu einem lebenden Orakel machen, sowie ein Ex-Mitarbeiter des Secret Service namens Donald Chapman, der bei einer dämonischen Attacke auf Zwergengröße geschrumpft wurde.

Trotz der Rückschläge gelingt es Dorian, Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, zu vernichten. Doch mit Olivaro steht schon ein Nachfolger bereit, der die schwangere Coco Zamis zur Rückkehr in die Schwarze Familie zwingt. Es gelingt Dorian, Coco zu retten. Nach einer Flucht um den halben Erdball bringt sie ihr Kind in London zur Welt, und Olivaro muss den Thron räumen.

Coco versteckt das Neugeborene an einem Ort, den sie selbst vor Dorian geheimhält. Ihre Vorsicht ist berechtigt, da bald eine neue, »alte« Gegnerin auftaucht: Hekate wurde von Dorian in seinem vierten Leben als Michele da Mosto verraten, sodass ihre einstige Liebe sich in glühenden Hass verwandelt hat. Als Donald Chapman verschwindet, stöbert Dorian den Puppenmann im Baskenland auf, wo er bei dieser Gelegenheit eine alte Burg aufkauft, die zum neuen Stützpunkt der Magischen Bruderschaft werden soll. Zurück in London, erwartet Dorian endlich ein neuer Fall, der ihn wieder auf die Spur von Michele da Mosto führt – und von Hekate?

DAS DRACHENNEST

von Neal Davenport

Für einen einfachen Fischer hatte Cesare Dannova ein ungewöhnliches Hobby: Er malte leidenschaftlich gern. Seine Frau und seine Kinder waren von seinen Malkünsten nicht besonders angetan, doch sie ließen ihm diese kleine Freude. Sooft er Zeit hatte, verließ er das kleine Fischerdorf Porto Ercole, klemmte sich die Feldstaffelei, die Malmappe und den Malkasten unter den Arm und ging zum Strand.

Er liebte den Strand und das Meer im Winter. Kein Tourist störte seine Ruhe, kein Mensch war zu sehen.

Cesare Dannova stellte die Feldstaffelei auf und öffnete die Mappe, der er eine bemalte Leinwand entnahm. Er stellte sie auf die Staffelei und trat einen Schritt zurück. Cesare nickte zufrieden, das Bild drückte genau die Stimmung aus, die er empfunden hatte. Ein grauer Himmel verschmolz mit einem grauen Strand. Es war ein trostloses Bild, das seine Einsamkeit widerspiegelte. In die rechte untere Ecke aber hatte er ein seltsames echsenartiges Tier skizziert, das so gar nicht zu dem Übrigen passte.

1. Kapitel

Cesare runzelte die Stirn. Vor drei Tagen hatte er dieses Reptil gesehen. Wie so oft hatte er mit dem Fernglas über das Meer geblickt, dann den Kopf abgewandt und den Strand studiert. Dabei hatte er das Reptil entdeckt. Es war aus einer Spalte gekrochen. Cesare hatte nicht anders gekonnt. Er hatte das Tier gezeichnet. Es war nur einige Minuten zu sehen gewesen, dann war es wieder verschwunden.

Er hatte mit niemandem darüber gesprochen. Kein Mensch hätte ihm geglaubt, dass er eine fast mannsgroße Eidechse gesehen hatte.

Cesare zögerte. Er war sich noch immer nicht schlüssig geworden, ob er die Skizze einfach übermalen sollte. Dann entschied er sich.

Er öffnete den Malkasten und mischte einige Farben. Cesare hatte beschlossen, die Echse aus dem Gedächtnis zu malen. Rasch nahm das Bild Gestalt an. Es hatte einen krokodilähnlichen Schädel, auf dem sich ein quer laufender Kamm mit acht spitzen Zacken befand. Der Rückenkamm war etwas niedriger, reichte bis zum gut einen Meter langen Echsenschwanz und verband sich mit ihm. Die Arme und der Oberkörper waren wie bei einem Menschen proportioniert, die gewaltigen Klauen waren dreifingrig. Die Haut der Echse war grün, stellenweise geschuppt. Soweit sich Cesare erinnern konnte, war das Tier etwa so groß wie ein zehnjähriger Junge gewesen.

Cesare runzelte die Stirn. Er legte den Pinsel in den Malkasten zurück und steckte sich eine Pfeife an. Dann schüttelte er den Kopf. Die Echse passte einfach nicht ins Bild. Er brummte. Verärgert sog er an der Pfeife und steckte die Hände in die Taschen seiner pelzgefütterten Jacke.

Ein leichter Wind war aufgekommen, der an der Staffelei rüttelte. Es wurde rasch dunkel.

Cesare hörte hinter sich ein leises Geräusch. Missmutig wandte er den Kopf um. Vor Überraschung fiel ihm die Pfeife aus dem Mund.

Einige Schritte von ihm entfernt lauerten drei der Echsen, die ihn nicht aus den Augen ließen. Cesare hob unwillkürlich seine Hände und trat einen Schritt zur Seite.

Die Echsen schlichen langsam näher. Eine riss das Maul auf, und eine lange, gespaltene Zunge schoss hervor. Das Reptil stieß ein wütendes Fauchen aus, und die Zacken auf seinem Schädel bewegten sich heftig.

Cesare hatte Angst. Er wandte sich ab und lief los. Zwei Echsen folgten ihm, während die dritte vor der Staffelei stehen blieb, sich auf die Hinterbeine stellte und mit den Vordertatzen wütend nach dem Bild schlug. Die Staffelei fiel zu Boden, und das echsenartige Geschöpf hieb weiter auf die Leinwand ein. Dann ließ es davon ab und folgte seinen Gefährten, die Cesare Dannova eingeholt hatten und mit den Klauen nach seinen Beinen schlugen. Cesare lief mit zusammengepressten Zähnen weiter. Er wusste, dass es völlig sinnlos war, um Hilfe zu schreien, kein Mensch konnte ihn hören. Er musste die Straße erreichen, die zum Fischerdorf führte, sonst war er verloren.

Eine der Echsen lief an ihm vorbei, blieb stehen, stellte sich auf und sprang ihn an. Cesare duckte sich, kam ins Taumeln und fiel rücklings in den kalten Sand. Da war das Biest über ihm. Fauliger Atem strich über seine Wangen. Rot glühende Augen kamen näher.

»Nicht!«, schrie Cesare verzweifelt, als die Klaue auf sein Gesicht zuraste. Er warf den Kopf zur Seite. Die Pranke traf seine linke Schläfe. Bewusstlos sackte er zusammen.

Der Dämonenkiller saß im Wohnzimmer in der Jugendstilvilla und langweilte sich. Er war ein hochgewachsener, sportlich wirkender Mann, dessen braun gebranntes Gesicht von grünen Augen und einem gewaltigen Schnauzbart beherrscht wurde. Das schwarze Haar trug er mittellang. Im Augenblick war es ziemlich zerrauft. Dorian Hunter legte die Evening News zur Seite und steckte sich eine Players an.

Seit seinem Abenteuer in Andorra waren zwei Monate vergangen, in denen sich nur wenig getan hatte. Er war nach London zurückgekehrt, wo ihn Coco, seine Gefährtin, bereits erwartete, die auf Haiti einige Abenteuer zu bestehen gehabt hatte. Jeff Parker hatte das Geld für den Kauf des Kastells in Andorra vorgestreckt. Der Zyklopenjunge Tirso war im Castillo Basajaun – was so viel wie »Herr des Waldes« hieß – untergebracht. Seine Eltern waren nicht mit ihm gekommen. Sein Vater wollte endlich wieder richtig leben können. Don Chapman, der Puppenmann, hatte noch immer nicht die Hoffnung aufgegeben, von Dula, seinem Traummädchen, ein Lebenszeichen zu bekommen. Don war bei Tirso geblieben. Außer den beiden hielten sich im Augenblick sechs Mitglieder der Magischen Bruderschaft im Kastell auf, die sich freiwillig gemeldet hatten. Sie wollten dort eine PSI-Zentrale einrichten.

Dorian blickte zu Coco, die in ein Buch vertieft war. Es hatte beiden gut getan, dass sie sich einige Zeit nicht gesehen hatten. Eine Trennung wirkte manchmal Wunder.

»Stört es dich, wenn ich den Fernseher andrehe, Coco?«

Coco hob den Kopf.

»Nein«, sagte sie mit rauchiger Stimme.

Sie war etwa einen Meter siebzig groß. Das pechschwarze Haar fiel in weichen Wellen auf ihre Schultern. Ihr Gesicht mit den hoch angesetzten Backenknochen und den leicht schräg gestellten Augen war ungewöhnlich anziehend. Ein eng anliegender Pulli brachte ihre üppigen Brüste herausfordernd zur Geltung, ihre Beine waren lang und schlank.

Der Dämonenkiller stand langsam auf, ging zum Fernseher und schaltete ihn ein. Er nahm die Fernbedienung an sich, setzte sich wieder und sah einige Sekunden lang zu. Irgendeine idiotische amerikanische Fernsehserie wurde gezeigt. Dorian schaltete auf den anderen Kanal um. Eine honigsüße Stimme pries wortgewandt die Vorzüge eines Katzenfutters an. Dorian drückte auf den Ausknopf und legte die Fernbedienung auf den Tisch.

»Dir bekommt das Nichtstun nicht«, stellte Coco fest.

Sie klappte das Buch zu und legte es neben sich.

»Du sagst es«, brummte Dorian. »Seit zwei Monaten haben wir keinen Fall mehr gehabt. Das ist seltsam. Es sieht ganz so aus, als hätte sich die Schwarze Familie zurückgezogen.«

»Lass dich von der Ruhe nicht täuschen!« Coco lächelte. »Die Sippen sind im Augenblick mit sich selbst beschäftigt. Hekates Position als Oberhaupt der Familie scheint nicht so hundertprozentig gesichert zu sein. Sie dürfte einige Schwierigkeiten haben.«

»Ich komme mir völlig nutzlos vor«, meinte Dorian. »Und London im Winter war noch nie mein Fall. Wir sollten irgendwo hinfliegen. Was hältst du von vierzehn Tagen Ski-Urlaub?«

»Hört sich gut an, aber wenn ich ehrlich sein soll, wäre ich lieber irgendwo, wo es warm ist.«

»Dagegen ist auch nichts einzuwenden«, sagte Dorian. »Ich könnte Jeff anrufen. Er hat sich vor einiger Zeit eine neue Jacht gekauft, die er SACHEEN getauft hat.«

»Sacheen«, sagte Coco nachdenklich. »Was wohl aus ihr geworden ist?«

»Keine Ahnung«, meinte Dorian. »Sie war ein nettes Mädchen. Leider hält es Jeff nie lange bei einer Frau aus. Er braucht die Abwechslung.«

»Das habt ihr gemeinsam«, konnte sich Coco nicht verkneifen zu sagen, dabei lächelte sie aber.

Dorian winkte flüchtig ab. »Komm mir nicht damit! Wir haben uns nicht viel in dieser Beziehung vorzuwerfen. Denk an ...«

»Tsss!«, sagte Coco und legte einen Finger auf ihre Lippen.

»Ist schon gut«, sagte Dorian. »Ich werde versuchen, Jeff zu erreichen. Ich hoffe, dass ...«

Er brach ab, als die Tür geöffnet wurde und Trevor Sullivan ins Zimmer trat. Er trug in der rechten Hand eine Mappe.

»Abend!«, sagte Sullivan knapp und setzte sich neben Coco auf die Couch. Er war klein und ziemlich mager. Das dunkelbraune Haar war sorgfältig frisiert, die rechte Hälfte seines Geiergesichtes war um eine Spur heller als die linke. Früher war er eine einflussreiche Persönlichkeit beim Secret Service gewesen, doch das war schon lange her. Jetzt fungierte er als Leiter der von Dorian Hunter gegründeten Mystery Press.

»Gibt es was Neues?«, fragte Dorian hoffnungsvoll, aber das hatte er in den vergangenen Wochen täglich gefragt, und Sullivans Antwort war immer nein gewesen.

Sullivans Gesicht blieb unbeweglich.

»Vielleicht«, sagte er unbestimmt. »Sehen Sie sich mal diese Zeitungsnotiz an, Dorian!«

Er reichte dem Dämonenkiller die Mappe, der sie aufschlug. Darin lag ein Artikel der Wochenzeitschrift Oggi.

Zuerst sah sich Dorian die Fotos an. Das erste zeigte einen grauhaarigen älteren Mann im Kreise seiner Familie. Der Alte war Cesare Dannova, ein einfacher Fischer. Das zweite Foto zeigte das Haus der Dannovas, das dritte eine Ansicht des kleinen Dorfes Porto Ercole am Ligurischen Meer. Das vierte Bild war der Abdruck einer dreifingrigen Klaue. Das fünfte war am interessantesten: ein stark beschädigtes Ölgemälde, auf dem ein grauer Himmel, ein graues Meer und ein grünes echsenartiges Geschöpf dargestellt waren.

Dorian las den Artikel durch, der voller Andeutungen und durch nichts bewiesener Behauptungen war. Die Fakten waren äußerst dürftig. Cesare Dannova war ein leidenschaftlicher Hobby-Maler gewesen, der eines Tages spurlos verschwunden war. Man fand seine Malutensilien, darunter auch das abgebildete Gemälde, und entdeckte einige seltsame Fußspuren im Sand. Cesare Dannova blieb verschwunden. Der Reporter hatte mit etlichen Einwohnern gesprochen und dabei gehört, dass immer wieder Menschen spurlos verschwanden. Früher hatte es außerhalb des Dorfes einen Leuchtturm gegeben, der vor langer Zeit während eines Unwetters zerstört worden war. Außerdem berichteten die Dorfbewohner, dass vor vielen Hundert Jahren in dieser Gegend ein Hexer gelebt haben sollte. Der Reporter hatte natürlich das grünhäutige Monster als Aufhänger verwendet.

Wurde Cesare Dannova von einem Ungeheuer entführt?, lautete die Schlagzeile des Artikels.

Dorian reichte Coco den Artikel. Er schloss die Augen, griff nach seinem Whisky und trank einen Schluck. Porto Ercole – dieser Name rief Erinnerungen in ihm hervor.

»Was halten Sie davon, Dorian?«, fragte Sullivan. »Sie sehen plötzlich so nachdenklich aus.«

»Das bin ich auch«, sagte Dorian abweisend.

Coco schob den Artikel zurück in die Mappe.

»Ziemlich verrückte Geschichte«, meinte sie. »Worüber denkst du nach, Dorian?«

»Ich war mal in diesem kleinen Fischerdorf«, sagte der Dämonenkiller. »Es ist mehr als vierhundert Jahre her. Damals war mein Name Michele da Mosto.«

Sullivan beugte sich interessiert vor. »Hat Ihr damaliger Aufenthalt etwas mit den jetzigen Ereignissen zu tun?«

»Darüber denke ich gerade nach«, meinte Dorian. »Aber ich kann mich nicht an grünhäutige Echsen erinnern. Ich bin mir ganz sicher, dass ich niemals zuvor so ein Tier gesehen habe.«

Er verzog den Mund und kaute nachdenklich an seiner Unterlippe.

»Erzählen Sie, Dorian!«, bat Sullivan. »Wir wissen einiges über Ihr Leben als Michele da Mosto. Sie wurden 1540 in Venedig geboren. Damals verfeindeten Sie sich endgültig mit Hekate. Ihr Bruder Jacopo, der zu einem Werwolf geworden war, starb, als Sie sechzehn Jahre alt waren. Sie flohen aus Angst vor Hekates Rache nach Kreta. Dort starb Ihr Bruder Marino. Was geschah danach?«

»Ich fuhr kreuz und quer durch die Welt«, antwortete Dorian. »Es war eine ungemein interessante Zeit für mich. Ich könnte tagelang darüber berichten. Nachdem ich Kreta verlassen hatte, beschäftigte ich mich eingehend mit Magie und Alchemie. Ich besuchte Giambattista della Porta in Genua, nahm die Lehren des Paracelsus an, lernte Nostradamus kennen und verschlang seine Prophezeiungen. Ich befasste mich mit der Kabbala, mit persischer, ägyptischer und jüdischer Magie und studierte die abendländischen Geheimwissenschaften. Dann fuhr ich nach England und traf dort auf Dr. John Dee, der mich in seine unheimlichen Praktiken einweihte. Mein Wandertrieb wurde aber im Laufe der Jahre schwächer. Ich sehnte mich nach Italien zurück. Außerdem wollte ich meine Erfahrungen durch eigene Experimente erweitern. Nach Venedig wollte ich nicht zurück. Ich war dreißig Jahre alt, hatte die ganze Welt gesehen und unzählige Abenteuer erlebt. 1570 fuhr ich nach Florenz. Cosimo I. war im Februar 1570 von Papst Pius V. in der Peterskirche zum Großherzog der Provinz Toskana gekrönt worden, sehr zum Missvergnügen seines Schwiegersohnes Maximilian. Cosimo war damals einundfünfzig Jahre alt, ein missmutiger Herrscher, der von der Gicht und Gallensteinen geplagt wurde. Er zog sich in seine Villa in Castello zurück und überließ die Regierung seinem Sohn Francesco, der viel Ähnlichkeit mit ihm hatte. Sein Vater hütete sich aber, ihm öffentlich die Macht zu übergeben. Francesco war um ein Jahr jünger als ich. Seine Lieblingsbeschäftigung war die Alchemie, sehr zum Unterschied zu seinen Ahnen, die sich stets für die Förderung der schönen Künste eingesetzt hatten. Francesco fand Gefallen an mir. Ich beschloss, mich in Florenz niederzulassen. Die Hand der Medici beschützte mich – mehr konnte man damals nicht erhoffen. Ich richtete mir ein Laboratorium für meine alchemistischen Versuche ein, doch an der Goldmacherkunst war ich nur mäßig interessiert. Ich wollte Leben erschaffen, so wie einst Arbues de Arabell, der aus einer Alraune einen Menschen geschaffen hatte. Ich wagte mich an solche Experimente, obwohl ich genau wusste, mit welchen Gefahren sie verbunden waren.«

»Und da züchteten Sie diese echsenartigen Wesen, nicht wahr?«, warf Sullivan ein.

Dorian schüttelte entschieden den Kopf. »Nein. Ich habe Ihnen gesagt, dass ich diese Reptilien nie zuvor gesehen habe.«

»Erzähle weiter!«, bat Coco.

»Ich glaubte an die Existenz des Steins der Weisen«, sprach Dorian weiter, »und hoffte ihn zu finden und damit alle Krankheiten heilen zu können. Ich glaubte, dass der Stein der Weisen der Urstoff ist, aus dem unsere Welt entstand. Und ich war überzeugt, dass Hermes Trismegistos, den viele als den Stammvater der Alchemie ansehen, das Geheimnis des Steins der Weisen gekannt hatte, doch es mit in den Tod nahm. Nach einer Legende hatte Alexander der Große, als er Ägypten eroberte, in einer Grabkammer der großen Pyramide von Gizeh dem mumifizierten Hermes Trismegistos die tabula smaragdina, jene mit einer Inschrift versehene smaragdene Tafel entrissen. Ich hatte nach der Mumie in Ägypten gesucht, sie aber nicht gefunden.«

»Wann bist du dann in dieses kleine Fischerdorf gekommen?«, fragte Coco.

»Dorthin sandte mich Francesco«, antwortete Dorian. »Ich werde euch das alles genauer erzählen, obzwar ich noch immer keine Verbindung zwischen den damaligen Ereignissen und dem Auftauchen der Echsen herstellen kann.«

Dorian entspannte sich. Er schloss die Augen. Nach einigen Minuten konzentrierte er sich und erzählte leise.

Florenz, 6. Juni 1570