Dornen in meinem Paradies - Christian Hülsebeck - E-Book

Dornen in meinem Paradies E-Book

Christian Hülsebeck

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Beschreibung

Kein Reisführer und kein Ratgeber für Auswanderer oder Teilzeit-Residente, aber zwischen den Zeilen mit einer Fülle an nützlichen Informationen gespickt. Anekdoten von Neppern, Schleppern und Ganoven, die ihre Opfer unter südlicher Sonne über den Tisch ziehen. Dazu Beschreibungen eines des lebenswertesten Fleckens im südlichen Europa mit Anregungen für Rundreisen und Ausflüge. Alles launig erzählt mit Witz und Humor, vom falschen Gasmann über den nicht schwindelfreien Dachdecker bis hin zu den Damen, über die nur getuschelt wird. Eine kurzweilige Lektüre, die den Leser ins Land der Orangen, der Paellas und der Corrida mitnimmt und ihm einen Blick hinter die Fassade gewährt. Weitere Titel des Autors sind im Buchhandel erhältlich.

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Seitenzahl: 179

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Dornen

in meinem

Paradies

Geschichten von der

Costa Blanca

(ungegendert)

Christian Hülsebeck

© Christian Hülsebeck

September 2023

Vorab gesagt:

Dieses Buch ist kein Reisführer und kein Ratgeber für Auswanderer oder Teilzeit-Residente, aber zwischen den Zeilen ist es mit einer Fülle an nützlichen Informationen gespickt, die der „normale“ Reisende oder Tourist nie oder selten erfahren würde. Anekdoten von Neppern, Schleppern und Ganoven, die ihre Opfer unter südlicher Sonne mit ihren beliebtesten Tricks über den Tisch ziehen, sind hier das Thema. Dazu Beschreibungen eines des lebenswertesten Fleckens im südlichen Europa, Spaniens Costa Blanca, mit Anregungen für Rundreisen und Ausflüge, sowie Tipps für verschiedenste Anreise-Routen mit dem Auto.

Alles ist launig erzählt mit Witz und Humor, vom falschen Gasmann über den nicht schwindelfreien Dachdecker bis hin zu den Damen, über die nur getuschelt wird. Eine kurzweilige Lektüre, die den Leser ins Land der Orangen, der Paellas und der Corrida mitnimmt und ihm einen Blick hinter die Fassade gewährt. 

Inhalt:

Vorwort

Der kleine Küchen-Schurke

Dachdecker

Palmen, Strände und das Meer

Wenn der Gasmann klingelt

Palmendiebe

Wanderstiefel

Neubürger oder Wolgagate

Bill Browder

Wind of Change

Kultur und Sport

Costa Blanca Crime Time

Der Gartengestalter

Leichte Mädchen – Böse Buben

Fake News

Real News

Fiestas im Paradies

Nationales Kulturgut

Strandläufer

Der Feuerdrache

Baulöwen, Blinde und der Sündenfall

Am besten gesund

Vorwort

Überprüft habe ich es nur bedingt. Auf keiner Landkarte dieser Welt werden wir einen Ort namens Paradies finden, bei dem es sich um eben diesen einen Sehnsuchtsort der Menschheit handelt. Dem Ort, an dem es weder gut noch böse gibt. Ein Ort, der vor dem so genannten „Sündenfall“ die reine Unschuld selber gewesen sein soll. Sicher, es gibt einige Inseln die den Namen „Paradise Island“ tragen, wie auf den Bahamas oder den Malediven. Oder Orte in meiner Wahlheimat Spanien. Hier sind etliche Urbanisationen nach diesem Platz des absoluten Friedens und der Harmonie benannt.  Ihre Namensgeber waren offensichtlich davon überzeugt, denjenigen Platz auf Erden gefunden zu haben, der ihren Vorstellungen vom vollendeten Glück am nächsten kommt.

Doch meine persönliche Erfahrung ist, dass da, wo Paradies draufsteht, es meistens gar nicht drin ist. Oder es handelt sich um das genaue Gegenteil in besonders extremen Fällen. So findet sich in meiner Nachbarschaft eine ebenso benannte Ansammlung netter und schöner Häuser, die neueren würde ich ob ihrer Pracht sogar als Villen bezeichnen. Sie sind auf von Pinien und Palmen umstandenen Grundstücken errichtet worden, Meersicht natürlich inclusive. Alles verbunden mit der Lage an einem Berghang, an dem mir mein Verstand sagen würde, dass hier zu bauen nicht ganz einfach wäre.

Hinter jeder Fundamentecke würden die Windungen meines einigermaßen erfahrenen Bauherren-Gehirns ungeahnte Gefahren vermuten. Und meine Vorsicht riete mir zur doppelten statischen Prüfung sowie einer mehrfachen Absicherung der Planung. Der Rheinländer sagt dazu schon mal salopp, die Hose mit Gürtel und Hosenträger am Leibe befestigen.

Am Rande dieser Urbanisation, die den hochtrabenden Namen El Paradiso trägt, wurde Anfang der Zweitausender Jahre ein Haus am Hang errichtet, das nicht einmal mit einer spektakulären Aussicht gesegnet war. In unregelmäßigen Abständen kamen wir, meine Frau Helga und ich, hier des Weges, und jedes Mal wurden meine Zweifel größer, ob das wohl alles gut gehen würde, denn der Hang, auf dem das Haus nun stand, endete in einem barranco, also einem natürlichen Gelände-Einschnitt, der das Regenwasser zu Tal leitet.

Gut, regnen tut es hier nicht gerade oft, aber wenn im Herbst oder Frühjahr warme, mit Feuchtigkeit gesättigte Luft auf kältere Schichten dieses Elements trifft, dann kracht es ganz gewaltig. Dann wird der eben noch trockene barranco  für ein paar Stunden oder auch für einige Tage zur tosenden Flut, reißt Bäume und Büsche mit sich und macht auch vor den Fundamenten der ihn überspannenden Brücken nicht halt. Nichts stellt sich diesem Wasserinferno dann ungestraft in den Weg. 

Dann können wir anderen Tags auch in der Zeitung lesen:

„Wandergruppe von Flutwelle hinweggerissen – mehrere Tote sind zu beklagen“. Die ahnungs- und arglos wandernden Menschen sind dann einfach im barranco talwärts gelaufen, ohne zu bemerken, dass sich in ihrem Rücken am Berg schwarze Regenwolken zusammenbrauen und entladen. Innerhalb kürzester Zeit rauscht dann eine Welle zu Tal, die alles mitreißt. Aber schon nach ein, zwei Stunden sieht alles wieder aus wie „Friede, Freude, Eierkuchen“.

Zurück zu El Paradiso und dem Haus am Hang. Nach einem solchen Wetterereignis, oder sollte ich besser Unwetter sagen, führte uns die blanke Neugier dorthin. Und was wir dann sahen, hat unsere schlimmsten Befürchtungen wahr werden lassen. Das glücklicherweise noch nicht bezogene Haus war um etwa dreißig Grad talwärts geneigt, die Fensterscheiben waren zum großen Teil zersprungen, die straßenseitigen Fundamente ragten aus dem Boden, während die hangseitigen frei in der Luft schwebten.

Dieser traurige Anblick blieb dem Umfeld noch viele Jahre als mahnender Fingerzeig erhalten, bis irgendwann der totale Abriss folgte. Heute würde man im Orwell´schen Zwangs-Sprech einer political correctness wohl sagen müssen: Bis das Haus in einer umweltbereinigenden Renaturierungs-Maßnahme zurückgebaut wurde. 

Warum das nun alles im Vorwort zu lesen ist? Auch hier war im Verkaufsprospekt des Hauses oder der Objektbeschreibung etwas von Paradies zu lesen, nur war es mitnichten darin.

Das Paradies ist offensichtlich kein Ort, sondern ein Zustand, der in uns selber angelegt ist. Aber wir trachten danach, dieses Gefühl mit einem Ort  zu verknüpfen, weil es leichter vorstellbar ist, weil man diesen aufsuchen kann und es sich in ihm gut einrichten lässt. Weil der Wunschtraum somit plötzlich greifbare Wirklichkeit wird. Und so schafft sich jeder, wenn er es denn will, seinen eigenen Ort der Ausgeglichenheit und des Friedens.

So haben auch wir es gemacht und als geographischen Ort dafür die spanische Costa Blanca gewählt, an der wir im Vor-Vor-Ruhestandsalter mit dem Segelboot in Altea angekommen waren. Dem Ort, der dem Spanier, insbesondere dem Madrilenen, heute das ist, was dem Deutschen früher das Kampen auf Sylt war. Also die Insel zu einer Zeit, als dort die Chance noch größer war, unter den Bus zu geraten, als von einem Porsche oder Rolls Royce angefahren zu werden. Gegen den beim Jet Set so beliebten und mondänen Ort Marbella an der Costa del Sol ist es hier in Altea eher bodenständig, pittoresk  und einigermaßen ursprünglich geblieben.

Optimal für uns gelegen, nur knapp drei Flugstunden von der deutschen Heimat entfernt, und vom bestem mediterranen Klima verwöhnt. Davon zeugen auch die Grabinschriften auf den Friedhöfen, die dokumentieren, dass die Menschen in jener gesegneten Gegend sehr alt werden. Neunzig Jahre und mehr sind hier keine Seltenheit.

Die uns versorgende Talsperre von Guadelest hat die Menschen hier noch nie auf dem Trockenen sitzen lassen, und der Blick schweift über ein satt grünes Tal bis zum blauen Meer. Die Berge im etwa dreißig Kilometer entfernten Südwesten grenzen das Gebiet Richtung Alicante ab, wo bereits das Grün der Natur einem die Trockenheit anzeigendem dunklen Gelb weicht. Automatisch drängt sich mir bei diesem Anblick das Wort Wüste auf und weist mich dezent darauf hin, dass die Luftlinie zu Marokkos Küste gerade einmal rund 250 Kilometer beträgt. Nicht weiter ist es übrigens auch von Alicante nach Palma auf Mallorca. Selbst im Winter zeigen sich in der gelb gefärbten Alicantiner Landschaft kaum Anzeichen, dass sich dort Gewächse für länger ansiedeln wollen.

Die Infrastruktur ist optimal. Es mangelt an nichts. Wer in die Hochburgen des Tourismus eintauchen möchte, findet in Benidorm, der größten „Bettenburg“ am Mittelmeer, alles, was sein Herz begehrt. Genauso gut kann man sich aber auch in die gepflegten Residenzial-Zonen zurückziehen und bekommt vom eigentlichen Massen-Tourismus kaum etwas mit, kann aber gleichwohl die größer angelegte Infrastruktur nutzen.

Und, was ganz entscheidend ist, im Winter, wenn in etlichen Hochburgen des Tourismus fast alles oder doch vieles geschlossen ist und sprichwörtlich die Bürgersteige hochgeklappt werden, geht in unserer Region das spanische Leben weiter. Alles in einem süd-mediterranem Klima, selten zu heiß, manchmal sehr trocken, aber mit noch spürbaren Unterschieden der Jahreszeiten. Das finde ich schon ein wenig paradiesisch.  

Doch auch ein individuelles Paradies muss ständig verteidigt werden. Gegen den inneren Feind, der solche Namen trägt wie Gleichgültigkeit oder Überdruss, genauso wie gegen äußere Feinde. Diese können Behördenwillkür oder Verwaltungswahnsinn heißen oder Gaunertum und im schlimmsten Fall Kriminalität.

Letztere gibt es natürlich überall auf der Welt, ob Paradies oder nicht, denn schlechte Menschen sind an keinen bestimmten Ort gebunden. In der Regel zieht es sie sogar bevorzugt dort hin, wo andere ihr Refugium gefunden haben, um sich in unredlicher Absicht einen Teil von deren Glück abzuschneiden. Wenn sie für kurze Zeit aus dem Schatten ins Licht treten. Wobei sie billigend in Kauf nehmen, den eben noch so glücklichen Zeitgenossen zu schädigen, manchmal nur leicht um einen überschaubaren Betrag, aber gern auch schon mal kräftig mit bösen Folgen für den Geldbeutel und die physische wie psychische Verfassung.

Diese Feinde des Paradieses sind vorwiegend die Protagonisten in diesem Buch. Egal ob es sich um die leichtere Sorte der Gauner handelt oder um echte Kriminelle. Auf Grund der Struktur der hier lebenden Menschen, insbesondere der ausländischen Residenten, die an diesem Ort ihren Lebensabend verbringen, hat sich eine ganz spezifische Art der Übergriffe herausgebildet, die es so in der alten Heimat nicht zu geben scheint, oder nur in abgewandelter Form. Wenn man die Grundzüge der kriminellen Handlungen erst einmal verstanden hat, kann man diese sehr einfach parieren, ohne selbst Schaden davonzutragen. Der Gelackmeierte ist dann der Gauner.

So mögen die geschilderten Fälle dazu beitragen, den einen oder anderen Neu-Residenten davor zu bewahren, Schaden zu nehmen, denn jedes Jahr zur Ferienzeit wiederholen sich die Muster der Attacken. Einige werden wohl nur ein leichtes Schmunzeln in das Gesicht des Lesers zaubern, während andere ihm doch eher die „Haare zu Berge“ stehen lassen.

Bezug nehme ich auch auf Informationen, die „durch die Presse gegangen“ sind, also Vorfälle, sozusagen aus zweiter Hand, oder auf Situationen, die sich im Freundeskreis ereignet haben. Namen und Orte der Handlungen wurden zum Teil verändert, um keine Rückschlüsse auf handelnde Personen zu ermöglichen. Soweit es sich dabei um Ereignisse aus Verwaltung oder Politik handelt, werde ich Formulierungen gebrauchen, die eher in der Frageform ausgedrückt sind, so wie es die vorsichtigen Verschwörungstheoretiker gerne machen, um sich vor Angriffen zu schützen.

Trotz all dem, was ich an Anekdoten und kuriosen Geschichten in diesem Buch berichte, haben wir hier unser persönliches Paradies gefunden. Allerdings auch gepaart mit der Erkenntnis, dass selbiges immer wieder gegen den äußeren und inneren Feind geschützt, ja häufig geradezu verteidigt werden muss. Letzterer kommt gerade mit einer sommerlichen, hier eher seltenen Hitzewelle daher, die jede Outdoor-Aktivität zwischen spätem Vormittag und frühem Abend zum Erliegen bringt. Dem daraus resultierenden Ansatz zur Langeweile begegne ich mit der Tastatur meines Computers, indem ich meine Gedanken in dieses Buch einbringe.

Nachdem wir das Segeln aufgegeben hatten und in die Wanderstiefel geschlüpft sind, konnten wir auch die kleineren malerischen Dörfer und Landschaften im nahen Hinterland kennen lernen. Gegenden, die häufig voller Sehenswürdigkeiten, ja manchmal sogar Geheimnissen stecken, die allemal lohnen, entdeckt zu werden. So wird dieses Buch, um das Bild von unserem persönlichen Paradies, der Costa Blanca, zu komplettieren, auch davon berichten, denn es wäre falsch, auf jeden Fall zu einseitig, die schönen Seiten dieser wunderbaren Gegend nicht zu thematisieren.

Das Büchlein erhebt mitnichten den Anspruch, ein Reiseführer für Teile der wunderschönen Costa Blanca zu sein. Stattdessen wird der Leser, also Sie, nützliche Informationen finden, die meine Frau und ich uns erst mühsam erarbeiten mussten oder auf die „harte Tour“ zu erlernen hatten. Auch soll es kein reiner Schreckensbericht über die teilweise gewöhnungsbedürftige Andersartigkeit der Behörden oder küstenspezifische Tätigkeit der kleinen Gauner wie großen Betrüger sein. Sagen wir also von allem etwas, sozusagen ein Bericht aus dem Alltag in unserem ganz persönlichen Paradies.  

Der kleine Küchen-Schurke

Altea ist eine Küstenstadt mit knapp 23.000 Einwohnern in der Provinz Alicante. Sie erstreckt sich auf den südlichen Hauptteil mit seiner malerischen Altstadt und der bekannten Kirche mit der blauen Kuppel, dem Wahrzeichen der Region. Sie ist eine wahre Pilgerstätte für Touristen. Dazu kommt der nördliche Teil, das kleinere Altea la Vella, was so viel wie das Alte Altea bedeutet, und am südlichen Fuß der etwa 1100 Meter hohen Bernia liegt. Einem Gebirgszug, dessen Grat wild gezackt in den blauen Himmel der Costa Blanca aufragt und von den Einwohnern nur la sierra, also die Säge, genannt wird. Bis zur mittleren Höhe ziehen sich Kiefernwälder, nach oben immer lichter werdend, um dann in den nackten und glatten Felsen überzugehen.

Der fast winzige Ort wartet mit zwei kleinen Supermärkten, einer Apotheke, der Post und verschiedenen kleineren Geschäften auf. Dazu kommen etwa zehn veritable Restaurants, die ihre Existenz gewiss nicht nur der angestammten Bevölkerung verdanken. Vornehmlich die ausländischen Residenten, die ihre Domizile oberhalb vom Ort zwischen den Kiefern haben, sorgen dafür, dass man seinen Tisch vor allem in der temporada alta, also der Hochsaison, rechtzeitig vorbestellen muss. Allein die Anzahl guter Restaurants sagt etwas über die hier versammelte Kaufkraft aus, was noch durch die Dichte an Automarken vom oberen Rand der Nahrungskette wirkungsvoll unterstrichen wird.

Wie eingangs erwähnt, bleibt das nicht unbemerkt von denen, welchen der Mondschein näher ist als das Licht des Tages. Unter ihnen gibt es die Dreisten, die Ihre Opfer auch gerne unter den Augen der Öffentlichkeit in ihre Fänge locken. Wer ahnt schon, dass er geleimt werden soll, wenn alle Welt, manchmal sogar die Polizei selbst, dabei zusieht. Wobei letztere meines Erachtens auch gern mal zur Arbeitserleichterung gar nichts sehen will. Lassen sich doch öfters die Sachverhalte nur ganz schlecht rechtlich beweisbar erfassen.

Auf dem zentralen Parkplatz in Altea la Vella, was ich ab jetzt nur noch mein Dorf nennen werde, suche ich mir an einem Samstagmittag in der Hauptsaison einen Parkplatz. Das gerät schon seit Jahren zu dieser Zeit zum Geduldsspiel. Seit ein paar Minuten war mir ein Range Rover gefolgt und blockiert nun mein Heck in der Lücke, die ich schlussendlich gefunden habe.

Noch ehe ich mich vollständig aus den „Niederungen“ meines geöffneten Cabrios wie ein Schlangenmensch herausgewunden habe, steht der Fahrer des schwarzen Range Rovers schon bei mir und spricht mich auf Deutsch an. Aber die Worte, die seinem Mund entströmen, verraten ihn eindeutig als Holländer, nicht zuletzt durch die lustige Verwechselung der Artikel der, die und das und das Weglassen der Wortendungen. Aber gerade das ist es ja, was uns Niederrheiner diese Form des Sprachgebrauchs so sympathisch macht. Auch seine Frisur, die an André Rieu erinnert, wenn auch etwas weniger gepflegt, lässt ihn positiv rüberkommen.

Der nachfolgende Monolog, der dem Gehege seiner Zähne nun entfleucht, klingt in etwa so:

„Meister, heute ist ein sehr guter Tag für sie. Sie können das beste Geschäft aller Zeiten machen. Sie sind ein wahrer Glückspilz, dass sie mich getroffen haben. Weißt du, (hier wird er geschickt vertraulicher) ich komme gerade von die Messe in Alicante. Da habe wir ganz hochwertige Küchen-Ausstattung verkauft. Aber ein paar Sachen haben wir übrig gehalten. Eigentlich wollten wir die mit nach Holland nehmen, aber meine Frau will hier noch Ferien machen. Es ist ja so schön hier. Und die teuren Sachen kann ich nicht so lange im Auto lassen. Also werde ich alles zum halben Preis vom Einkauf abgeben.“

(Und schon schwingt die automatische Heckklappe seines Range Rovers schwungvoll auf.) „Schau mal, hier habe ich ein fantastisches Set von Töpfe für alle Arten von Herden. So eine Qualität habe sie noch nie gesehen.  Das verkaufen wir sonst für neunhundertachtzig Euro. Aber heute ist ihr Glückstag, sie bekommen das für nur 350 €. Ach, was sage ich, du bekommst noch fünfzig Euro geschenkt. Nur 300 €, und wenn du es deiner Frau gibst, wird sie ganz glücklich sein. Nein, willst du nicht, dann habe ich hier noch ein komplettes Besteck für 12 Personen in bestes Hotelsilber...“

An dieser Stelle muss ich seinen Redeschwall jäh unterbrechen und mache ihm höflich aber bestimmt klar, dass ich, wollte ich so etwas je erwerben, lieber an einer Kaffeefahrt für leidensfähige Rentner teilnähme. Doch meine Alterskohorte sei dort noch nicht an der Reihe. Er möge sich jetzt trollen und den Parkplatz freimachen, denn ich sei in ein paar Minuten vom Einkaufen zurück.

All seine überschäumende Freundlichkeit weicht nun jäh aus der Maske seines Gesichtes, und leise schimpfend fährt er zur nächsten Ecke des Parkplatzes, um sich wieder hinter einem größeren Mercedes zu platzieren, wo sich das Schauspiel offensichtlich wiederholt.

Wer kauft ihm bloß eine solche Story ab, wo doch Verkaufsmessen fast immer an einem Samstagmorgen beginnen und an einem Sonntagabend enden. Außerdem gibt es im deutschen TV genügend warnende Sendungen. Früher trugen diese solche Namen wie „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“, doch da man ja heute weder die beiden erstgenannten Ganovengruppen, noch den Berufsstand der Bauern diskriminierend erwähnen darf, kommen selbige nun im Gewand von Brisant, Wiso, Markt oder ARD bis RTL klärt auf, daher.

Ein ähnliches Töpfe-Set mit fast identischer Verpackung finde ich des Nachmittags im Internet, wo auch vor den aggressiven Verkaufsmethoden gewarnt wird. Da werden Einkaufs-Preise von knapp einhundert Euro genannt. Wenn das keine Handels-Spanne ist, ohne Ladenlokal, nur aus dem Kofferraum heraus.

Am nächsten Tag, einem Sonntag, sind wir bei Famile A.  zum Kaffee eingeladen. Ihr Haus liegt oberhalb vom Golf Club auf einem großen, nur leicht talwärts abgetreppten Grundstück, mit einer traumhaften Sicht über die Bucht von Altea, wenn der Blick über die niedrigen Orangenbäume vor der Terrasse meerwärts schweift.

Als ich die Töpfe-Geschichte von gestern erzähle, bremst der Hausherr meinen Redefluss jäh ab. Er habe sich bereits gedacht, dass er einen Fahler gemacht habe, erwähnt er fast belustigt, als er besagtem Holländer ein Besteck abgekauft hat. Als er es zu Hause untersucht habe, seien ihm schon Zweifel gekommen, ob es nicht doch einfaches Cromargan und kein Hotelsilber sei. Auch die Goldeinlagen erschienen ihm plötzlich unecht.

Jetzt müssen wir alle herzlich lachen. Mein Freund trägt es mit Fassung, brauchte das neue Haus hier an der Costa Blanca doch noch eine Komplettierung der Tafel-Ausstattung. Doch er schüttelt auch den Kopf über sich selbst. Er, der bisher an die dreißigtausend Arbeitsplätze in der chemischen Industrie zu verantworten hatte, fällt auf solch eine plump-dreiste Tour herein.

Wenige Monate später denke ich, als gerade „hoher“ Besuch aus der Bundespolitik bei unseren Freunden zu Gast  war, wie er wohl das edle Tafelsilber gelobt haben mag.

Ein Jahr später, derselbe Parkplatz, derselbe Range Rover und derselbe Holländer. Als er mich anspricht, verweise ich auf das letzte Jahr und drohe mit der Polizei. Da tritt er ganz dicht an mich heran, fast berühren sich unsere Köpfe. Der Spanier sagt dazu cara a cara, also Gesicht an Gesicht. Und dann wird er richtig zynisch und sagt in einem äußerst giftigen Tonfall:

„Wenn ich ihnen etwas verkaufe, dann ist das Geschäft abgeschlossen – verstehst du – da macht auch die Polizei nichts daran. Und du kannst nicht beweisen, was wir vorher gesprochen haben.“

Ich drücke ihn fort von mir und gehe meines Weges, nicht ohne zu denken, was auch dem Staat entgeht, durch unterdrückte Mehrwertsteuer und andere Abgaben. Aber auch bei den Strandverkäufern, die hier mengenweise gefälschte Markenware auf den Promenaden verkaufen, schauen Polizei und Rathaus großzügig weg. Es wäre wohl vergeudete Liebsmüh und kostete neben Zeit nur aufwendige Arbeit, in jenes Handwerk einzugreifen. Auch mag sich der eine oder andere Ordnungshüter bewusst sein, dass es in seinem eigenen Freundeskreis arme Schlucker gibt, die auf manchmal kuriose, jedenfalls kreative Weise versuchen, ihr dünnes Auskommen ein wenig aufzupolstern.

Dachdecker

Als wir an die Costa Blanca gekommen sind, habe ich mich an ein altes Sprichwort, nein, eigentlich eher eine Warnung erinnert: „Das Schicksal schütze mich vor Sturm und Wind und Deutschen, die im Ausland sind.“ Aber das gilt allenthalben auch für jede andere Nationalität.

Wer schon einmal im Fernsehen eine Sendung über Auswanderer, die von der Kamera begleitet werden, gesehen hat, der weiß wovon ich rede. Öfters schon zu Hause in der Heimat mehr oder weniger gescheitert, der neuen Landessprache nur selten mächtig und kaum mit ausreichend Startkapital ausgestattet, soll hier in der Ferne, im vermeintlichen Paradies, der große Wurf des Neunfangs gelingen.

Solchen Fantasten sind wir, noch ehe wir an der Costa Blanca mit dem Bau unseres Hauses begonnen haben, des Öfteren begegnet. Es ging fast immer um handwerkliche Leistungen für unseren Neubau. Da entpuppte sich ein vermeintlicher Elektroingenieur schon mal als jemand, der in Deutschland einem Elektriker ein Bier gebracht hatte, oder ein Haustechniker als Maurer-Facharbeiter. Auch einen selbsternannten Berater für Steuern und Recht konnten wir als völlig unqualifiziert von unserer Kontaktliste streichen. Er verkaufte nur warme Luft.

Auf diesen Erfahrungen fußte dann auch unser Entschluss, ausschließlich mit spanischen Handwerkern zu arbeiten, was wir nie bereuen mussten. Sagt dieser einen Termin zu, zum Beispiel, martes primera hora, was die erste Arbeitsstunde am Dienstag bedeutet, dann ist er auch zur angegebenen Zeit vor Ort.

Im Gegenteil zu dem, was mir mein Cousin aus Brasilien berichtet, sind alle sogar mit dem notwendigen Handwerkszeug ausgerüstet. Denn dort bietet man nur mão de obra, also nicht mehr und nicht weniger als die eigenen Hände. Ob Hammer oder Säge, Schaufel oder Leiter – all das muss da der patrão, der Hausherr dort in Brasilien selber stellen.