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In unserer bunten und mannigfaltigen Welt begegnet der Autor etlichen Zeitgenossen. Vom Minister über den Autoboss und den markt-führenden Mittelständler. Bei einigen kann er seine Lebenserfahrung positiv anreichern. Bei anderen wiederum, wie den Betrügern und Fallenstellern, kommt er um bitteres Lehrgeld nicht herum. Aber auch Filous, wie Putins ehemaliger Assistent, oder trickreiche Mieter, tragen zur Steigerung seiner Lebenserfahrung bei. Die Begegnung von Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung übersteigt die Vorstellung des "normal gestrickten" Homo Sapiens. – Vierundzwanzig einzelne, in sich abgeschlossene Geschichten, werden den Leser genauso erstaunt wie kopfschüttelnd in den Zoo für Zweibeiner der Evolution entführen. Die Eintrittskarte für diese Panoptikum der Raritäten halten Sie gerade in der Hand.
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Seitenzahl: 234
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Ungewollt
Dazugelernt
Aus Begegnungen mit
Bossen, Betrügern, Filous
und Psychopathen
Vorwort
Kein Kinderkram
Klein gelobt
Die vier Orden
Der Trickser
Wenn das Auto brüllt
PR - per Eilboten und gratis
Piotr
Jakub von Tschenstochau
Heidi und die Drachen
Sprache in der Fremde
Bosse
Der Kürbismann
Ein Halbgott in Schwarz
Von Unsitten und Tischsitten
Strategischer Betrug
Schwindsüchtige Maschinen und das Kartell
Tollhaus Vermietung
König Alkohol
Rektor Gnadenlos
Clash of Cultures
Drei diebische Elstern
Kassendiebstahl, Rezeptklau, Ladendiebstahl
Der Urbanisator - Spanischer Landraub
Der Psychopath
Eine bessere Welt - Wiping out the tears
In den vierundsiebzig Jahren meines bisherigen Lebens sind mir viele Menschen begegnet. Manche dieser Begegnungen haben zu einer langen und intensiven Bindung geführt, andere waren eher flüchtig und unbedeutend. Eine nicht unerhebliche Zahl allerdings hat sich tief in mein Gedächtnis eingegraben, wenn mein Gegenüber einen nachhaltigen Eindruck in den cerebralen Windungen meines Erinnerungsvermögens hinterließ.
Neigt das menschliche Gehirn doch offensichtlich dazu, jene Dinge als unbedeutend einzustufen, deren Verlauf auch der eigenen Erwartungshaltung entspricht, also als gut registriert werden. Meines schiebt solche Vorkommnisse auch gern gleich aufs Abstellgleis des Vergessens, wenn sich daraus keine weiteren Erkenntnisse für künftiges Handeln herleiten lassen.
Also dürfen Sie, lieber Leser, auf den folgenden Seiten auch nicht erwarten, dass Sie von Begegnungen mit Menschen erfahren, die nur in der Atmosphäre eines „Pony-Hofs“ stattgefunden haben, oder wo es, um es anders auszudrücken, um „Friede, Freude, Eierkuchen“ ging.
Vielmehr offenbare ich Ereignisse, die mich teures Lehrgeld gekostet haben, ob meiner Gutgläubigkeit oder Unerfahrenheit, als ich Menschen mit nicht unerheblicher krimineller Energie aufgesessen bin. Andererseits durfte ich Menschen kennenlernen, deren Reaktionen so völlig anders waren, als ich es von ihnen erwartet hätte. Früher hatte eine solche Situation eher das Gefühl einer Enttäuschung oder gar Leere in mir hinterlassen. Das änderte sich aber mit der Verinnerlichung der folgenden Erkenntnis: „Niemand auf der Welt ist dazu da, um so zu sein, wie du ihn gerne haben möchtest.“
Wenn ich also auf den Seiten dieses Buches Charaktere nachzeichne oder versuche zu beschreiben, dann liegen meiner Betrachtung stets zwei Dinge zugrunde: Zum einen die Situation, die mein Gegenüber herbeigeführt hat, und in die es mich involviert hat. Andererseits meine Erwartungshaltung, die ich an diese Person hatte, und die sich nicht erfüllte.
Berufsbedingt hatte ich als selbstständiger Unternehmer mit einem Betrieb, dessen Mitarbeiterzahl in vielen Jahren so eben im unteren dreistelligen Bereich lag, mit einer Vielzahl von Menschen zu tun, die alle mit einer persönlichen Vergangenheit sowie einer individuellen Zukunftserwartung ein Arbeitsverhältnis mit meinem Betrieb eingegangen waren. Dabei gab es den einen oder anderen, der seine Vita geschönt hatte oder den wirtschaftlichen Erfolg seiner Arbeit zum Nachteil der Firma beschleunigen wollte. – Ein guter Freund, selber früher im öffentlichen und beamteten Dienst tätig, bezeichnete solche Charaktere gerne als „Verhaltens-Originale“, wohl, um in seiner Wortwahl rechtlich nicht angreifbar zu sein.
Eine echte Überprüfung von Angaben in Lebensläufen von Job-Bewerbern war in den Zeiten der sechziger und siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts mühsam bis unmöglich, denn außer Telefon und Telex, wie der Fernschreiber genannt wurde, gab es keine schnellen Kommunikationsmittel, geschweige denn Informationsmittel, um gemachte Angaben zu überprüfen. Man konnte nur den vorgelegten Dokumenten glauben, oder eben deren Aussteller telefonisch zur Überprüfung kontaktieren, wobei man selbst in die Schwierigkeit geriet, sich am Telefon zu legitimieren.
Gleichzeitig führte mich mein beruflicher Weg auch zu meinen Kunden, die jedes Mal ein Investitionsvorhaben mit mir bzw. meiner Firma, realisierten, so denn der Auftrag an mein Unternehmen ging. Auch hier konnte es passieren, dass ich Menschen begegnete, bei denen ich meine Erwartungshaltung anpassen musste, ohne mich dabei zu verbiegen, oder die es von vornherein darauf angelegt hatten, regelrecht zu betrügen. – Wohlgemerkt spreche ich hier von jenen Ausnahmen, die mir im Gedächtnis geblieben sind, weil ihre Geschichte so abenteuerlich ist.
Die Zufriedenheit meiner Kunden war mir stets sakrosankt, und ich bin jedes Mal erfreut, wenn ich heute, vierundzwanzig Jahre, nachdem der Betrieb von meinen Prokuristen übernommen wurde, Leute kennenlerne, die mir alsbald liebe Grüße von Freunden oder Verwandten bestellen, denen ich vor langer Zeit eine Apotheke oder Arztpraxis oder auch eine Krankenhausabteilung eingerichtet oder gebaut habe. Deshalb nochmals der Hinweis, dass es sich hier um die absoluten Ausnahmen handelt – auch die positiven.
Natürlich haben auch private Begegnungen „Bremsspuren“ in meinen Erinnerungen hinterlassen.
So hätte ich nie geglaubt, dass ich als friedfertiger Mensch, als den ich mich selber bezeichne, jemals in einen Nachbarschaftsstreit geraten könnte. Doch Nachbarn und Verwandte kann man sich halt nicht aussuchen. Auch hier gilt der alte Spruch: „Niemand kann in Frieden leben, wenn es dem (bösen) Nachbarn nicht gefällt.“
Dabei geht es nicht nur um Nachbarschafts-Possen wie in dem Lied „Knallerbsenstrauch und Maschendraht-Zaun“, wie vor Jahrzehnten ein Streit in Sachsen oder Thüringen öffentlich persifliert wurde, sondern um echte tätliche Angriffe.
Wenn Sie, lieber Leser, nun Lust haben, an diesen, meinen Begegnungen teilzuhaben und die Charaktere kennenlernen möchten, die hier als Protagonisten der Handlung auftreten, dann lesen Sie einfach weiter. Sie werden Geschichten erfahren, die das wahre Leben geschrieben hat, mit all ihrer Situations-Komik und unerwarteten Wendungen, die denjenigen nur kopfschüttelnd zurücklassen, der überzeugt ist, über einen gesunden Menschenverstand und ein ausreichendes normalbürgerliches Rechtsempfinden zu verfügen.
Die Namen der Personen, sowie Orte der Handlung habe ich aus rechtlichen und persönlichen Gründen verändert. Möchte ich doch niemandem auf den „Fuß treten“, der das Geschehene auf sich beziehen könnte.
Die Episoden sind zwar nicht chronologisch geordnet und stehen für sich, doch die eine oder andere baut auf Informationen einer vorangegangenen auf.
„Guten Tag, mein Name ist Dr. Klein, ich beabsichtige in Hilden, einer Stadt bei Düsseldorf, eine Kinderarztpraxis zu eröffnen und hätte gerne ihre Beratung und ein Angebot von ihrer Firma.“ So meldete sich der interessierte Kunde in unserer Telefonzentrale, bevor er zu mir durchgestellt wurde.
Er habe in Hilden Praxisräume angemietet, die noch zweckgerecht vom Vermieter umgebaut würden, doch dazu brauche er eine entsprechende Raum- und Installationsplanung, sowie ein Angebot für eine individuell gestaltete Einrichtung der Praxis, was alles in den Leistungsbereich meiner Firma fiel. Die mir vorgetragenen Wünsche bezüglich seiner materiellen Vorstellungen und der eher knappen Termine sollten uns keine Probleme machen, ließ ich Dr. Klein wissen, woraufhin die Teamsekretärin direkt ein Treffen mit einem unserer Planungsarchitekten vor Ort ausmachte.
Für uns war es einer der seltenen Fälle, wo nach der ersten Planung nur unwesentliche Änderungswünsche an Planung und Ausstattung in einen zweiten Termin münden sollten, bei dem es zur Auftragserteilung kommen sollte. Alle „Leitungen standen unter Dampf“, denn in knapp 3 Monaten wollte der Mann bereits in seinen Räumen als Kinderarzt praktizieren. So verwunderte es auch nicht, dass es zu keinen zeitraubenden und langwierigen Preisverhandlungen kommen sollte.
Angesprochen auf die Finanzierung ließ uns Dr. Klein wissen, er habe bereits eine mündliche Zusage einer berufsständigen Bank, mit der wir in Objekt-Abwicklungen quasi wöchentlich zu tun hatten und kurz darauf dort diskret erfahren konnten, dass die Finanzierung dieses Objektes eine reine Formsache sei.
Der Arzt sei aber auch noch mit anderen Instituten in Verhandlung, so dass das Geld auch von anderer Seite kommen könne.
Uns reichte hier eine mündliche Kreditzusage aus. So machte sich unsere Planungsabteilung schnellstens daran, Pläne für den Umbau des Gebäudes und die speziellen Installationen zu erstellen. Genauso fix ging es mit den Unterlagen für einen Bauantrag, den dann der Vermieter in seiner Verantwortung stellen würde.
Bald darauf brummte und staubte es in den künftigen Praxisräumen, denn Wände wurden eingerissen und neue gesetzt. Die alte Elektroinstallation war unbrauchbar und musste komplett ersetzt werden. Ähnlich erging es der Sanitärinstallation, so dass es wohl kaum noch erwähnenswert ist, dass Türen, Böden und Malerarbeiten einer ähnlichen Situation entgegenblickten.
Zu dieser Zeit begann in meinem Betrieb auch die Produktion der maßgefertigten Möbel, von der Rezeption, der Karteischränke, den speziellen Wickeltischen, dem Sprechzimmer und vielen Teilen, die dann die fertige Praxis komplettieren würden.
Mit dem Beginn der Produktion sollte auch die erste Anzahlung bei uns eintreffen, doch Dr. Klein meldete sich eine Woche zuvor mit einer Bitte. Ob wir ihm nicht eine um zwanzig Prozent höhere Auftragsbestätigung ausstellen könnten, mit dem Datum der alten. Verbunden werden sollte das mit der schriftlichen Zusage eines Sonder-Rabattes auf den heutigen Tag, der den Mehrpreis dann wieder neutralisierte und für eine Komplett-Zahlung anstelle von drei Raten, die bis Monatsende befristet sei.
Er habe eine weitere Bank gefunden, die noch einen günstigen Kredit-Topf offen habe, an den auch Landeszuschüsse gekoppelt seien, und an dieses Programm käme er heran. Voraussetzung sei aber die Zahlung der gesamten Auftragssumme bis zum Ende des Monats, da das Programm zu diesem Zeitpunkt schließe. Um dort ein wenig Druck zu machen, brauche er diese Rabattzusage.
Uns sollte es rechts ein, bekämen wir doch unsere Rechnung bereits eine Woche vor erfolgter Lieferung bezahlt. Ungewöhnlich erschien diese Konstruktion auch nicht, über- oder unterboten sich doch damals im Neugründungs-Boom von Arztpraxen und Apotheken die Banken mit allerlei Sonderregelungen, die man kaum zu überblicken vermochte.
Der letzte Tag des Monats fiel auf einen Freitag, und einen Zahlungseingang konnten wir bis zum Mittag nicht feststellen, als Dr. Klein erneut anrief und wissen ließ, er habe vor zwei Tagen einen Kreislaufkollaps gehabt und hätte zwei Nächte im Krankenhaus verbracht. Deshalb habe er die Überweisung nicht auf den Weg bringen können. Auch für eine Telex-Überweisung sei es ja heute schon zu spät. Ob wir doch bitte seine Bank anrufen könnten, um dieser mitzuteilen, dass er, wenn er die einhunderttausend DM der Auftragssumme heute noch bis 17.00 Uhr in bar bei uns einzahle, wir uns weiterhin an die Zusage des Rabattes von zwanzig Prozent gebunden halten.
Man konnte es fast am Telefon hören, wie es dem Kreditsachbearbeiter den Magen rebellieren ließ, aber er wollte seinem Kunden, Dr. Klein, nicht den Rabatt kaputt machen, so dass er uns nach kurzer Bedenkzeit wissen ließ, dem Wunsch seines und unseres Kunden nachzugeben.
Es wurde fünf Uhr am Nachmittag, es wurde auch sechs, aber von Dr. Klein fehlte jede Spur. Damals gab es nur Festnetz-Telefon, von denen noch etliche eine Wählscheibe hatten, also nicht nur analog, sondern super analog funktionierten. Auch auf diesem Weg war uns kein Erfolg beschieden. Dr. Klein blieb verschwunden.
Als wir uns am Montag bei der finanzierenden Bank erkundigten, fiel der Sachbearbeiter aus allen Wolken, denn um kurz nach drei Uhr mittags hatte man Dr. Klein seinen Kredit in bar ausgezahlt. Die dunklen Gewitterwolken über dem Haupt des Ärmsten zogen jetzt auch über unsere Köpfe, denn uns schwante Böses. Die Bestätigung dafür bekamen wir alsbald vom Eigentümer des Hauses, in dem die Praxis eingerichtet werden sollte. Hier war sein neuer Mieter mit der Kaution und einer Monatsmiete mit genau zehntausend DM im Rückstand. Gesehen hatte er ihn auch seit Tagen nicht mehr, obwohl er sonst fast täglich die im Endstadium befindliche Baustelle besuchte.
Die Produktion seiner Praxismöbel mussten wir nicht mehr stoppen. Diese standen verladefertig in der dafür vorgesehenen Auslieferbox. Dafür liefen nun mit Hochdruck unsere Recherchen an. In der Klinik, in der er noch bis zum letzten Monat angeblich beschäftigt war, kannte man keinen Dr. Klein und die Ärztekammer hielt sich mit Auskünften diskret zurück. Erst ein von uns beauftragter Anwalt erfuhr später, dass dort ein Kinderarzt mit diesen Personalien unbekannt war.
Der Mann war offensichtlich ein Schwindler, ein durchtriebener Betrüger, der auch an seiner angegebenen Wohnadresse wohl nur den Briefkasten benutzt hatte, denn für den dortigen Hausmeister entpuppte er sich als reines Phantom. Der Mann war wie vom Erdboden verschluckt. Er hatte anscheinend nur die Korrespondenz mit allen Beteiligten und Geschädigten über diesen Briefkasten laufen lassen.
Gemeinsam mit dem Vermieter der Praxisräume versuchten wir, einen anderen Arzt für dieses Objekt zu gewinnen, aber für fast alle Fachrichtungen waren Kassenzulassungen an diesem Standort nicht zu haben.
So blieben wir auf einem Schaden sitzen, der bis auf die Montagekosten die gesamte Auftragssumme ausmachte.
Ebenso erging es dem Vermieter, der in ähnlicher Höhe wie wir sein Engagement abschreiben musste. Die finanzierende Bank blieb ebenfalls auf ihrem Schaden sitzen, wollte aber im Gegensatz zu uns keinen Staatsanwalt einschalten, denn ihr war die Angelegenheit zu peinlich, als dass diese an die Öffentlichkeit dringen sollte.
Unser Glaube in den Rechtsstaat wurde alsbald in dieser Angelegenheit auch noch erschüttert. Ging der Staatsanwalt doch von einem Mitverschulden der Geschädigten aus, denn weder wir, noch der Vermieter hatten sich die Approbation von Dr. Klein zeigen lassen, geschweige denn kopiert. Ein völlig weltfremdes Vorgehen, das man von Seiten der Justiz ins Spiel brachte. Es wäre in etwa so, als fordere man in einem Prozess den Richter zu Beginn der Verhandlung auf, erst einmal seine Bestallungsurkunde vorzulegen, ehe er mit der Verhandlung beginnt. Die Anzeige verlief im Sande, und nach einiger Zeit ließ die damals bereits überforderte Justiz verlauten, man habe das Verfahren eingestellt.
Aber die einhunderttausend DM, die der Gauner an diesem Freitag, am Monats-Ultimo, gemacht hatte, wurden noch mit einem weiteren Ritt auf der Rasierklinge getoppt. Er hatte bei einer großen Daimler-Benz Niederlassung einen Mercedes der S-Klasse bestellt, wie wir später erfahren sollten. Ein Fahrzeug, dessen Endpreis über fünfzigtausend DM lag, also das Sechsfache eines VW Golf, der damals gerade die automobile Bühne betrat.
Auch dort hatte er zeitgleich eine ähnliche Story wie mit der Praxis angezettelt, hatte das Autohaus glauben gemacht, der Kaufpreis sei überwiesen und das Fahrzeug an dem Freitag dort abgeholt, kurz nachdem er sich den Kredit in bar hat auszahlen lassen. Erfahren haben wir davon, weil er im Autohaus mit Kopien unserer Auftragsunterlagen agiert hatte und man nun versuchte über uns Aufklärung zu erlangen.
Des Öfteren hatte ich auf dem Hof dieser Mercedes Niederlassung geparkt und konnte diesen nur mit meinem eigenen Auto wieder verlassen, wenn mein Einlass-Parkschein von einem Mitarbeiter des Hauses freigezeichnet war. Dieser Coup, ein wahres Meisterstück des Betruges, war vorher noch niemandem dort gelungen und sollte auch später nie wieder passieren, wie man mir versicherte.
Doch zurück zu alias Dr. Klein. Nur zwei Mal bin ich ihm während einer Besprechung begegnet. Er hatte auf mich einen durchaus gepflegten und bescheidenen Eindruck gemacht, klang gebildet und war betont höflich. Auch zeigten sich in den Fachfragen keine Defizite, die nur den geringsten Zweifel an seiner Person als Arzt hätten aufkommen lassen. Heute würde ich spöttisch hinzufügen, dass es mich gewundert hat, dass er sich nicht dafür entschuldigte, dass er überhaupt geboren wurde.
Nie hätte ich vermutet, dass ein Mensch, den ich als so integer eingeschätzt hatte, solch eine Schneise der finanziellen Verwüstung hinterlassen könnte. Wenn ich nur den Schaden bei uns, dem Vermieter und der Bank betrachte, hatte er, um einhunderttausend DM zu erbeuten, einen Zusatzschaden in doppelter Höhe verursacht. Also insgesamt dreihunderttausend DM. Setzt man das in Relation zur damaligen Kaufkraft, brauche ich nur zu erwähnen, dass man zur selben Zeit für diese Summe im Ruhrgebiet ein Reihen-Endhaus mit ein wenig Luxus kaufen konnte.
Für meine noch junge Firma, die ich mit meinem Bruder zusammen betrieb, war es ein harter finanzieller Schlag. Doch wer sollte auf solch eine abenteuerliche Geschichte kommen, die sich ein auf Betrug ausgerichtetes Gehirn ausdenkt? Die Begegnung mit diesem Menschen hat meine Sinne geschärft und doch haben, bei aller Vorsicht, noch bis zum Berufsende so einige Kuriositäten meinen Weg gekreuzt.
Was habe ich aus dieser Situation dazugelernt?
Grundsätzlich ist und bleibt es mir wichtig, jedem neuen Kontakt erst einmal mit dem mir angeborenen Grundvertrauen zu begegnen. Sowohl privat als auch im Job. Sonst kann sich keine Basis für eine positive und längerfristige Beziehung entwickeln. Jedenfalls nicht bei mir. Wie schnell dann eingeschränkte Sympathie oder andere defizitäre Faktoren diese Beziehung beeinflussen oder gar behindern, hängt von der Erlangung weiterer, mit der Zeit gewonnenen Erkenntnisse zusammen. Oder es liegt einfach am „Bauchgefühl“, das manches Mal richtiger entscheidet als die reine Ratio.
Bei Dr. Klein hat es sicher Anzeichen gegeben, die einen Hinweis auf Abweichungen von der Norm des normalen Geschäftsablaufes geliefert hätten. Das hätte Misstrauen in allen geschädigten Beteiligten wecken müssen. Gleich zu Anfang. Und diesem Misstrauen hätten Nachforschungen und Nachfragen folgen müssen, die entweder aus Bequemlichkeit oder Angst unterblieben sind. Angst davor, das zarte Pflänzchen der neuen Geschäfts-Verbindung beschädigen zu können.
Dazugelernt habe ich, kleinste Ungereimtheiten zu untersuchen. Stelle ich dann fest, diese sind nicht zufällig entstanden und entschuldbar, sondern bewusst initiiert worden, um mich zu täuschen oder zu beeinflussen, habe ich mehrere Möglichkeiten. Das Verhältnis wird unter mehr oder weniger kritische Beobachtung gestellt, es wird zeitnah beendet, oder ich verschiebe meine Toleranzgrenze bis zu einem maximalen Punkt.
Aber ein solches Verhältnis ist wie ein Krug mit einem Sprung. Man weiß, dass er irgendwann brechen wird, wobei wir bei dem Wahrheitsgehalt des alten Sprichworts sind: „Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.“
Dass diese Weisheit universell ist, wird allein dadurch bewiesen, dass man sie in allen europäischen sowie etlichen slawischen Sprachen kennt.
Klein gelobt
Meine uneingeschränkte Bewunderung gilt Menschen, die es geschafft haben, sich einen Platz an der Spitze zu erarbeiten und dabei Mensch, oder besser gesagt empathisch geblieben sind. Egal ob es um eine Spitzenposition in einem politischen Amt oder um einen Platz in der Führungsebene eines großen Industriebetriebes, bis hin zu einem der DAX Unternehmen geht. Oft weht hier in den oberen Etagen der Wind der Arroganz oder der Missgunst, denn, wer diese Höhenluft atmet, ist nicht nur von Freunden umgeben. Zu viel Vertrautheit kann dann schon mal eines der Beine jenes Gestühls lockern, auf dem man gerade sitzt.
Mein Vater, der in einer größeren Aktiengesellschaft der Stahlindustrie die Brötchen unserer Familie verdiente, pflegte auf die Frage von Firmenbesuchern nach der Anzahl der dort arbeitenden Menschen zu antworten: „In der Produktion faste alle, in der Verwaltung etwa die Hälfte. Der Rest ist damit beschäftigt, die Stuhlbeine seines Chefsessels abzusichern, auf dem er gerade sitzt.“
Aus ganz anderem Holz war da der Mann geschnitzt, der von allen in der Firma nur respekt- aber liebevoll „KPB“ genannt wurde, was für die Abkürzung seines Namens, Klaus-Peter Berg stand. Ihm war es offensichtlich gelungen, sich in einem Dax Konzern der Energiewirtschaft eine Position aufzubauen, direkt unterhalb der Vorstandsebene, oder gar als deren verlängerter Arm zu agieren, ohne von Neidern oder gar Feinden belauert zu werden.
Wie er das mit seiner empathischen Art hinbekommen hatte, ist mir erst viel später klar geworden, als meine Firma keine Kapazität mehr für Aufträge aus seinem Hause zur Verfügung stellen konnte, wir aber privat verbunden blieben. – Aber dazu später.
KPB lernte ich durch meinen Schwiegervater kennen, der schon lange mit ihm zusammenarbeitete, und beide waren sich inzwischen freundschaftlich verbunden. Der Vater meiner Frau war ein begnadeter Grafiker und Designer, stets mit dem rechten Empfinden für die Realität, genauso wie ein gefragter „Messearchitekt“ der gerade dabei war, zusammen mit KPB Konzepte für die Informationszentren deutscher Kernkraftwerke zu konzipieren.
Unser erstes Zusammentreffen war eine neue Erfahrung für mich. Vermittelte mir doch mein Gegenüber, dass ich für ihn eine wichtige Person sei, die er schon länger kennengelernt haben wollte, wobei er mit Lob über das von mir Berichtete nicht zurückhielt. – Wer hört das nicht gerne? Aber gleichzeitig konnten seine Worte keinen Zweifel daran lassen, wer der Sender und wer der Empfänger dieser Sätze war. Er schaffte es, sein Gegenüber auch vor vollem Haus verbal zu erhöhen, wobei seine Position immer ein wenig höher blieb und somit offensichtlich unantastbar.
Für Kollegen und Mitarbeiter hatte er nicht nur stets ein freundliches „Guten Tag“ übrig, auch wenn die Begegnung nur zufällig war. Er schaffte es gleichzeitig, in einem nur kleinen Nebensatz, einer Redewendung, einer Bemerkung oder durch Gestik und Mimik seinem Gegenüber dessen Wichtigkeit zu vermitteln, während der so Hochgelobte mental die klopfende Hand auf seiner Schulter spürte, die ihn gleichzeitig im Verhältnis zu ihm wieder klein machte.
KPB hatte ursprünglich Journalismus studiert, war dann nach einer Karriere in den Printmedien als Marketingchef zu einer Frankfurter Großbank gekommen, wo ihn wenig später der Energiekonzern wegholte, nachdem man erkannte hatte, dass er wie kein anderer, fremde Menschen für sich und die von ihm vertretene Sache positiv einnehmen konnte.
Er beherrschte die Klaviatur der Selbstwertgefühle seines Gegenübers bis in die feinsten Nuancen, so dass man nach jedem Zusammentreffen mit ihm die besondere Wichtigkeit der eigenen Person spüren konnte.
Die Blütezeit seines Schaffens lag in den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts, in denen kaum ein Monat verging, in dem Kernkraftgegner die Republik nicht in Atem hielten. Straßenschlachten mit Verletzten, Gleisblockaden und spektakuläre Erstürmungen von Verwaltungshochhäusern ließen den Fernsehkonsumenten bei deren Übertragungen gelangweilt weiter zappen, denn die Häufung solcher Ereignisse wirkte inflationär auf deren Berichterstattung. Diese selbst jedoch fiel immer mehr zugunsten der Protestler aus, musste die Journaille doch nur noch das nachbeten, was selbsternannte Umwelt-Rettungs-Organisationen subjektiv vor-formuliert hatten und der Presse zu Verfügung stellten.
Hier fiel die vierte Kraft im Staat, nämlich eine freie und unvoreingenommene Presse, völlig aus. Gleichzeitig konnte ja die Energiewirtschaft bei solchen Großdemos keine eigenen Vertreter mit gedruckten Gegendarstellungen unter das Volk mischen. Diese Leute wären entweder verlacht oder zerrissen worden.
Das zu ändern, wurde zur zentralen Aufgabe von KPB in seinem neuen Tätigkeitsbereich. Ihm traute man zu, mit seiner empathischen Art, den Spieß umzudrehen und Deutschland vor einem Blackout zu retten. Denn Wind und Sonne als Energiespender waren zu dieser Zeit zwar bereits angedacht, aber technisch noch weit von einer Realisierung entfernt.
In Besprechungen, wie diese Thematik öffentlich kommuniziert werden könnte, saßen mein Schwiegervater und ich mitten drin, denn der eine sollte die visuelle Umsetzung einer Informationskampagne designen, während ich, der andere, die Hardware dafür schaffen sollte.
An dieser Stelle möchte ich auf die begrenzten technischen Möglichkeiten hinweisen, die uns vor einem halben Jahrhundert zur Verfügung standen. Alles war analog, eine DVD noch nicht erfunden. Glücklich schätzten sich seinerzeit jene, deren Privatwagen bereits über ein Kassettendeck im Autoradio erfügte.
Die Aufgabe meines Schwiegervaters war es, zu den im Bau befindlichen sowie zu den geplanten Kernkraftwerken der Republik, aber auch zu den bestehenden, Informationszentren zu schaffen, in denen dem Besucher die Technik und besonders die deutschen Sicherheitsvorkehrungen nahegebracht werden sollten. Ich wiederum kümmerte mich um den Bau, bzw. Ausbau und die Realisierung mit meinem Betrieb und meiner technischen Abteilung, wobei wir nationale und internationale Modellbauer einbeziehen mussten. Da konnte ein Fließgrafikmodell schon einmal so viel kosten wie der Bus, der eine Besuchergruppe herbeischaffte.
Apropos Bus: Bald häuften sich Anfragen von immer derselben Busgesellschaft für eine der kostenlosen Information-Veranstaltungen mit Vollverpflegung, was die Abteilung von KPB zu Nachprüfungen veranlasste. Inzwischen wurden doch einige dieser Zentren betrieben, welche die Besuchergruppen von bis zu zehn Bussen gleichzeitig betreuen konnten. Der findige Busunternehmer verkaufte die Tour in verschiedenen Winkeln des Landes wie eine Kaffeefahrt für Rentner und kassierte das inkludierte freie Mittagessen noch zusätzlich.
Man war zwar nicht böse über den zusätzlichen Andrang, aber, das was dieser Trittbrettfahrer da abzog, war zu viel und mit den Zielen des Unternehmens nicht vereinbar, wenn eventuell die Reisenden beim nächsten Busstopp noch mit dem Angebot von Rentner-Heizdecken malträtiert werden sollten. Die Besuche waren kostenlos und mancher Kegelklub oder Kleingartenverein bekam den Bus für die Reise auch noch gestellt.
Ausgestattet war die Abteilung von KPB mit fast unendlich erscheinenden Finanzmitteln. Setzt man diese allerdings in Relation zu den Bau- oder Betriebskosten atomarer oder konventioneller Kraftwerke, so erscheinen die Summen eher noch in der Portokasse verschmerzbar zu sein.
KPB stand vor der Mammut-Aufgabe, die Presse so zu beeinflussen, dass sich das mediale Blatt zugunsten der Energieerzeuger wenden würde. Dabei kam ihm nun seine einzigartige Gabe der mentalen Aufwertung von Menschen zu Hilfe. So charterte er für den Zeitraum von zwei Wochen eine Maschine bei einer großen Airline, deren Kabine für etwa einhundertzwanzig Personen in einen Zustand für bequemes Reisen versetzt wurde. Dann lud er fünfzig Journalisten der führenden deutschen Tageszeitungen, des Fernsehens und der Fachzeitschriften für Wirtschaft, Handel und Industrie zu einer Reise um die Welt ein. Natürlich kamen nicht die Praktikanten der Redaktionen, sondern die tonangebenden Kräfte, und das selbstverständlich mit ihren Ehefrauen oder Begleitungen als Gäste an Bord. Geschickt ausgewählt waren es nicht nur die Leute aus der ersten Reihe, sondern vor allem solche, die durch diese Informationsreise eine enorme Aufwertung erfuhren.
In vierzehn Tagen wurden ebenso viele Länder bereist und deren Kernkraftwerke besichtigt sowie deren Energie- Infrastruktur beleuchtet. Während der Flüge konnte sich KPB jedem einzelnen Pressevertreter widmen, ihn seiner Wichtigkeit und Größe versichern, während dieser aber im Hinterkopf behielt, dass ihm diese Erhöhung nur durch das Engagement von KPB zuteil wurde. Die mitreisende Entourage von KPB kümmerte sich unterdessen darum, dass Informationen unter die Journalisten kamen, die den Unterschied vom eben besichtigten zu unserer Kraftwerkstechnologie mit ihrer Hochtechnologie verdeutlichten. Bezogen sich doch unsere Protestbewegungen zu Hause gerne auf Standards, die bei uns gar nicht zugelassen waren, zudem die Presse bisher Mühe hatte, das zu erkennen. Natürlich gab es täglich ein Damenprogramm, so diese nicht an den täglichen Workshops teilnehmen wollten, auch Sightseeing Momente rundeten das Programm ab.
Diese Reise brachte einen durchschlagenden Erfolg. Die einseitige und undifferenzierte Berichterstattung ließ nach. Öffentlich wurde nun sachlicher diskutiert und der Bürger auf Basis von Fakten und nicht von Meinungen und Wunschdenken informiert.
Nach diesem Event vergrößerte KPB seinen vor kurzem ins Leben gerufenen „Westfälischen Stammtisch“, den er einmal im Jahr in seinem Penthouse abhielt. Nahmen bisher nur einige wichtige Journalisten, Freunde oder hohe Amtsträger aus dem staatlichen Verwaltungsbereich daran teil, wurde dieser exklusive Zirkel nun um etliche der Reiseteilnehmer erweitert. Da es aber nur für etwa vierzig Personen Platz gab, mussten etliche Teilnahmewillige darauf warten, beim nächsten Mal dabei zu sein.
Auch hier schaffte es KPB auf subtile Weise seine Gäste zu erhöhen. Eine Anreise mit dem eigenen Auto verbot sich, denn bei diesem Event war der reichliche Konsum von Alkohol eher obligatorisch. So ließ KPB jeden Gast von einem Fahrer der Fahrbereitschaft seines Unternehmens oder gar von seinem eigenen Fahrer abholen und wieder nach Hause bringen, während in den Pressehäusern solche Privilegien nur den Vorständen vorbehalten blieben.
Da ich damals bereits kaum Alkohol vertrug und auch in diesem Kreis nicht viel zu den Zielen der Veranstaltung beitragen konnte, außer eventuell wichtige Kontakte für mich selbst knüpfen zu können, bat ich KPB darum, meinen Platz in diesem Kreis doch einem anderen zur Verfügung zu stellen. Das hatte unserer langjährigen Freundschaft allerdings keinen Schaden zugefügt.
KPB war auch ein Meister darin, andere Menschen non verbal mit Kleinigkeiten an sich zu binden, dabei die Distanz nicht unangemessen von oben nach unten zu verkürzen und dennoch sein Gegenüber gleichzeitig aufzuwerten. Ließen beispielsweise seine Vorstände ihre Fahrer in Hotels einer untergeordneten Klasse über Nacht absteigen, während sie selber in den Hiltons oder Interkonti dieser Republik residierten, schlief der Fahrer von KPB im gleichen Hotel wie sein Chef. Auch wenn er die Mehr-Spesen aus seiner Tasche dazulegte.
Gleiches galt auch für die Beköstigung. Speiste man im Nobelrestaurant mit Geschäftspartnern, bekam sein Fahrer immer einen Einzeltisch am Rande desselben Restaurants, so er nicht mit den Fahrern der anderen Gesprächsteilnehmer im nahen Gasthof essen wollte.
Auch in seiner nicht gerade kleinen Abteilung, von der Sekretärin bis zum Projektleiter, erfuhr jeder eine besondere Form der Wertschätzung, die von allen Mitarbeitern erwidert wurde. Einige wären für ihn auch durchs Feuer gegangen, wie sein Fahrer, der nie zugelassen hatte, dass ein Kollege die Vertretung übernahm, wenn seine Wochenarbeitszeit schon lange abgelaufen war.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen blieben wir in Kontakt, der sich sehr intensivierte, als seine Gesundheit ihm die Endlichkeit unseres Daseins aufzeigte. In seinen letzten Lebenswochen holte er sich bei meiner Frau, einer Apothekerin, immer wieder Rat über die Sinnhaftigkeit von Therapien, die ihm vorgeschlagen wurden, aber letztlich nur dazu angetan waren, sein Leiden zu verlängern.