Dr. Stefan Frank 2754 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2754 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Stefan Frank und Ulrich Waldner sitzen im Büro zusammen.
"Kannst du einmal einen Blick auf die MRT-Aufnahme werfen?", fragt Stefan. Er reicht seinem Freund die Dokumente. "Ein Patient von mir, Moritz Mann, war heute bei mir in der Praxis. Er wirkte recht lebendig und vor allem völlig klar. Aber soweit ich die Aufnahme richtig deute ..."
"... müsste dein Patient schon längst unter Gedächtnisverlust und Verwirrung leiden. Wenn er nicht sogar schon im Hospiz wäre", vollendet Ulrich den Satz. Er betrachtet die Aufnahme. Der Befund ist eindeutig. Hirntumor. Er ist so groß, dass er bereits irreparable Schäden hätte anrichten müssen. "Ich erinnere mich. Auf mich hat er ebenfalls einen völlig klaren Eindruck gemacht."
"Da stimmt doch was nicht, oder?", mutmaßt Stefan.
Dr. Waldner legt die Aufnahme auf dem Tisch ab und sieht seinen Freund ernst an.
"Mir kommt da ein ganz böser Verdacht", meint er düster ...


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Inhalt

Cover

Die vertauschte Patientenakte

Vorschau

Impressum

Die vertauschte Patientenakte

Wie ein kleiner Fehler ein großes Drama verursachte

Stefan Frank und Ulrich Waldner sitzen zusammen.

»Kannst du einmal einen Blick auf die MRT-Aufnahme werfen?«, fragt Stefan. Er reicht seinem Freund die Dokumente. »Ein Patient von mir, Moritz Mann, war heute bei mir in der Praxis. Er wirkte recht lebendig und vor allem völlig klar. Aber soweit ich die Aufnahme richtig deute ...«

»... müsste dein Patient schon längst unter Gedächtnisverlust und Verwirrung leiden. Wenn er nicht sogar schon im Hospiz wäre«, vollendet Ulrich den Satz. Er betrachtet die Aufnahme. Der Befund ist eindeutig. Hirntumor. Er ist so groß, dass er bereits irreparable Schäden hätte anrichten müssen. »Ich erinnere mich. Auf mich hat er ebenfalls einen völlig klaren Eindruck gemacht.«

»Da stimmt doch was nicht, oder?«, mutmaßt Stefan.

Dr. Waldner legt die Aufnahme auf dem Tisch ab und sieht seinen Freund ernst an.

»Mir kommt da ein ganz böser Verdacht«, meint er düster ...

Die Stimme des Sängers verklang. Zu hören waren nur noch die Töne des Orchesters. Dabei vermischte sich das Spiel der Klarinette mit dem dumpferen Dröhnen der Trompeten und der leisen Melodie des Klaviers. Begleitet wurde das Ganze von den zwei Geigen und dem einzelnen Kontrabass.

Als alle Instrumente zu einem Finale anstiegen, stieg auch die Spannung an. Mit einem lauten Crescendo wurde das Lied abgeschlossen. Was folgte, war die atemlose Stille, die in der Dunkelheit des Konzertsaals schwebte wie Nebel im Herbst.

Alle Lichter waren verloschen, jedes Instrument verstummt. Der Sänger stand vor dem Orchester wie ein Ausstellungsstück. Nach außen hin wirkte er wie eine Statue, während er darauf wartete, dass das Licht wieder eingeschaltet wurde. Doch innerlich zitterte er jedes Mal, wenn dieser Teil des Konzerts erfolgte. Sein Atem ging schwer. Sein Brustkorb hob und senkte sich.

Dann wurde er erlöst. Das Licht wurde eingeschaltet, der Saal wurde in ein funkelndes Gold getaucht. Und unvermeidbar folgte der tosende Applaus.

Ein frenetischer Beifall bejubelte den berühmten Sänger Moritz Mann und sein Orchester, mit dem er nun schon seit über zwanzig Jahren in den größten Konzerthäusern Europas auftrat.

Moritz hörte, wie seine Musiker von ihren Stühlen aufstanden. Dann verneigte er sich vor seinem Publikum, in der Gewissheit, dass seine Musiker es ebenso tat. Schon standen die Menschen weiterhin applaudierend von ihren Sitzplätzen auf und ließen Jubelrufe verlauten. An dieser Stelle entschied sich immer, ob Moritz und das Orchester eine Zugabe spielen würden. Bei diesem Beifall blieb ihnen keine andere Wahl. Dabei fühlte sich Moritz jedes Mal so berauscht, dass seine Brust fast zu zerspringen drohte. Es war eine Freude, die so überwältigend war, dass der Sänger kaum wusste, wie er mit ihr umgehen sollte. Doch aus Erfahrung wusste er, dass sie nach dem Kick des Auftritts schnell verklang, weshalb er sich schon nach dem nächsten Konzert sehnte. Applaus machte süchtig.

Obwohl er auch heute Abend im prunkvollen Konzerthaus in München diese Freude empfand, sehnte er sich schon nach der Ruhe des Backstagebereichs. Der Grund lag in seinen Kopfschmerzen, die sich vor Wochen in seine Arbeit eingeschlichen hatten, wie die Geige in sein Lied Marie. Seitdem quälte sich Moritz von Abend zu Abend durch seine Konzerte und hoffte inständig, dass es bald besser würde.

Mit einer Geste bedeutete er dem Publikum, Platz zu nehmen. Dieses folgte wie eine gehorsame Klasse vor einem angsteinflößenden Lehrer. Kurz darauf ertönte das Klavier, und Moritz setzte mit dem Gesang ein. Nur noch wenige Minuten, dann hätte er es geschafft.

***

Liv Bauer war Erzieherin aus Leidenschaft. Umso glücklicher war sie, dass sie in einer Kindertagesstätte eine Stelle gefunden hatte, die ihre Arbeit ernstnahm. Das war keine Selbstverständlichkeit. Liv war einmal in einer Kita beschäftigt gewesen, von der sie den Eindruck hatte, dass den Erziehern dort jede Grippewelle gerade recht kam, da sich so die Anzahl der zu betreuenden Kinder täglich dezimierte.

Ein halbes Jahr lang war die Vierunddreißigjährige dort beschäftigt gewesen. Und wäre sie länger dort geblieben, hätte sie Angst bekommen, dass ihr Hintern irgendwann mit der Sitzfläche des Stuhls verwachsen wäre. Denn ein Spiel auf dem Boden, womöglich noch auf Augenhöhe mit den Kleinen, war nicht gern gesehen worden. Daher hatte sie schnellstmöglich gekündigt und schließlich eine Stelle im Familienzentrum Zwergennest angetreten. Das war die beste Entscheidung ihres Lebens gewesen.

Da das Zwergennest nicht einfach nur Kindergarten, sondern ein Familienzentrum war, waren die Aufgaben der Erzieher breiter gefächert. Ein Familienzentrum musste mehrere Bedingungen erfüllen, um dieses Zertifikat zu erhalten. Da diese in einem regelmäßigen Turnus kontrolliert wurden, bestand keine Möglichkeit, ins Schlendern zu geraten. Liv gefiel's. Sie mochte die vielfältigen Bereiche, in denen sie nun tätig war.

Heute hatte sie im Rahmen eines Elternabends die Eltern über die Vorteile des Vorlesens informiert. Dabei war sie besonders auf die Sprachentwicklung von Kleinkindern und Kindern eingegangen. Im Anschluss hatte sie in Kooperation mit der Städtischen Bücherei einzelne Bilderbücher vorgestellt. Dass der Abend ein voller Erfolg gewesen war, hatte sie an den vielen Nachfragen von Seiten der Eltern erkannt. Auch später waren immer noch einzelne Mütter und Väter zu ihr gekommen, um sich mit ihr über die Sprachentwicklung ihres Kindes zu unterhalten. Hierfür hatte sie ihnen zugesichert, bald ein persönliches Entwicklungsgespräch zu führen.

Liv schaute auf die Uhr, während sie ihre Haustür ansteuerte. Schon kurz nach zehn. Mit schnellen Schritten näherte sie sich ihrem Wohnhaus und öffnete ihre Handtasche. Die Erzieherin steckte den Schlüssel ins Schloss der Haustür. Im Flur roch es nach Rotkohl. Vermutlich hatte Frau Liebig aus dem ersten Stock wieder günstig einen Sack voll Kohlköpfe erhalten. Die Konsequenzen, in Form von tagelangen Kohlgerüchen im Flur, musste dann das gesamte Haus ertragen.

Nachdem Liv die Tür hinter sich zugezogen hatte, stand sie im Dunkeln. Der Hausmeister hatte es wieder versäumt, die Glühbirne zu wechseln. Also fischte sie ihr Smartphone aus der Handtasche und schaltete die Taschenlampenfunktion ein. Damit leuchtete sie auf die Briefkästen. Als sie ihren Kasten gefunden hatte, schloss sie den Deckel auf. Sofort kam ihr eine Ladung Umschläge entgegen. Liv sammelte alle Briefe ein und verschloss die Klappe wieder. Dann stieg sie hinauf in ihre Wohnung im obersten Stock.

Ihre Wohnung war die gemütlichste im gesamten Viertel. So hatte es der Vermieter damals angepriesen. Liv wusste nicht, wie sich der Vermieter hatte sicher sein können. Ihr Wohnviertel war recht groß, und sie glaubte nicht, dass ihm sämtliche Häuser dort gehörten. Aber als sie die Wohnung besichtigt hatte, hatte sie ihm wohl oder übel zustimmen müssen.

Heute war die Wohnung noch gemütlicher. Liv hatte nicht nur die Stützbalken von der hässlichen grünen Farbe befreit, sondern auch die Wände und Dachschrägen mit einer Tapete verkleidet, die jede Frau ihres Alters als altmodisch bezeichnet hätte. Winzige filigrane Blüten zierten nun Livs Wände. Ihr war egal, was andere Leute dachten, sie fühlte sich wohl in ihrem kleinen Heim. Außerdem mochte sie die sterilen Häuser nicht, in denen ihre Freundinnen lebten. Weiße Wände, graue Möbel, kahle Böden. Das traf nicht ihren Geschmack.

Während Liv in ihren Flur trat und das Licht einschaltete, blätterte sie die Umschläge in ihrer Hand durch. Eine Rechnung vom Stromanbieter. Eine Karte von ihrer Freundin aus der Türkei. Viermal Werbung. Und dann noch eine Karte. Eine Karte, die ihr auf der Stelle Herzklopfen verursachte.

Liv ließ alles andere fallen. Mit dieser einen Karte in der Hand, dessen Umschlagpapier sich edel dick anfühlte, stand sie da und starrte auf ihren Namen. Jemand hatte ihn mit Füllfederhalter so geschwungen, dass er wie ein Kunstwerk wirkte. Um das Kunstwerk schnellstmöglich zu ruinieren, verzichtete Liv auf ein Messer. Stattdessen schob sie ihren Zeigefinger in die kleine Lücke und riss das Papier auf. Dann zog sie die Karte heraus.

Wir sagen JA ...

Liv warf die Karte auf die kleine Kommode, als hätte sie sich verbrannt. Dann stieg sie über die andere am Boden liegende Post hinweg und ging in die Küche. Sie musste jetzt erst mal etwas essen. Vielleicht wäre sie dann in der Lage, die Hochzeitseinladung zu lesen, ohne dass ihr übel wurde.

***

Zwei Tote. Ein neuer Rekord für diese Woche. Bettina Landshut hatte geglaubt, dass der Montag ihr schlimmster Tag gewesen wäre. Da war nicht nur ihre Lieblingspatientin, die achtzigjährige Frau Ritter mit den leuchtenden Augen und dem seligen Gemüt, gestorben. Da waren auch vier Kolleginnen ausgefallen, weil sie gemeinsam zur Arbeit gefahren waren und unterwegs einen Unfall gehabt hatten. Zwar hatten die Kolleginnen nur leichte Verletzungen davongetragen, doch waren sie für eine Woche krankgeschrieben worden.

Bettina wusste schon, warum sie lieber allein fuhr. Außerdem hatte sie keine Lust, sich vor Schichtbeginn das Gequassel der Frauen anzuhören, die durch halb München fuhren, um eine nach der anderen einzusammeln. Da verschwendete sie lieber ihren eigenen Sprit.

Müde betrat Bettina ihre Wohnung.

»Hallo«, rief sie ins Ungewisse hinein.

Ihr Ruf blieb unbeantwortet. Vom Ende des Flurs schimmerte verdächtiges blaues Licht. Die Krankenschwester musste nicht auf die Uhr schauen, um zu wissen, dass die erlaubte Fernsehzeit längst überschritten war. Also legte sie noch schnell ihre Jacke ab, zog ihre Schuhe aus und ging ins Wohnzimmer.

»Guten Abend, liebe Mama, schön, dass du da bist. Wir haben dich schon erwartet«, sagte sie in einem gespielt fröhlichen Ton. Ihre Tochter und ihr Sohn hoben ihre Blicke und sahen sie gelangweilt an. Dann richteten sie die Augen wieder auf den Fernseher. »So, Schluss jetzt!«

Bettina ging zum Couchtisch, auf dem die Fernbedienung lag. Sie schaltete den Fernseher aus, was mit einem Maulen ihrer Kinder kommentiert wurde.

»Boah, Mama, die Sendung lief doch eh nur noch fünf Minuten«, beschwerte sich Liane.

Liane war gerade mal zehn Jahre alt. Sie besuchte die vierte Klasse einer Grundschule. Max war schon dreizehn Jahre alt. Daher war Bettina enttäuscht, dass er seiner Schwester kein besseres Vorbild war.

»Hast du mal auf die Uhr geschaut, Fräulein?«, entgegnete die Dreiundvierzigjährige.

Ohne eine Antwort abzuwarten, schaltete sie das Licht ein und ging weiter in die Küche.

»Morgen fällt sowieso die erste Stunde aus«, rief Liane ihr hinterher.

»Umso besser«, rief Bettina zurück. »Dann können wir vor der Schule noch zusammen für deinen Aufsatz lernen.«

»Hast du eingekauft?«, fragte eine krächzende Stimme hinter ihr.

Bettina war jedes Mal verwundert, wenn Max den Mund öffnete und diese Laute von sich gab. Seit kurzer Zeit befand sich der Junge im Stimmbruch. Umso deutlicher stand der Mutter vor Augen, wie schnell ihre Kinder groß wurden.

»Wann soll ich denn eingekauft haben?«, erwiderte sie, öffnete den Kühlschrank, holte Butter und Käse hervor und schloss die Tür wieder. Seit heute Mittag hatte sie nichts mehr gegessen.

»Wir haben aber nichts mehr«, maulte Max und ließ seinen schlaksigen Körper auf einen Küchenstuhl fallen.

Während Bettina zwei Scheiben Brot mit Butter bestrich, antwortete sie: »Warum hast du nicht eingekauft? Ich habe dir extra Geld und einen Einkaufszettel auf den Tisch gelegt.«

Ein Blick über die Schulter bestätigte sie in ihrer Vermutung, dass beides noch an seinem Platz lag.

»Vergessen«, murmelte der Pubertierende.

Dann stand er auf und schlurfte aus der Küche. Wenige Sekunden später hörte Bettina, wie die Tür seines Zimmers zugeworfen wurde.

Erschöpft ließ die Krankenschwester ihre Schultern sinken. Mit dem kläglich gefüllten Teller ging sie zum Küchentisch und setzte sich. Ihr Blick glitt zur Spüle. Dort hatte sich ein beachtlicher Haufen Geschirr angesammelt. So, wie es aussah, hatten sich die Kinder Bratkartoffeln mit Eiern zubereitet. Die Eierschalen lagen noch immer auf der Arbeitsplatte. Ganz so karg sahen ihre Vorräte also gar nicht aus. Auch wenn die Arbeit sehr viel Zeit in Anspruch nahm, sorgte sie doch stets dafür, dass genügend Lebensmittel im Haus waren.

Als Bettina in ihr Brot biss, kam Liane in die Küche geschlichen. Es tat der Mutter in der Seele weh, wie sich ihre Tochter in letzter Zeit verhielt. Mit den eingezogenen Schultern und der leisen Stimme machte das Mädchen den Eindruck, als wollte es am liebsten unsichtbar sein.

»Warum musst du denn immer so lange arbeiten?«, fragte es und setzte sich seiner Mutter gegenüber.

»Das habe ich dir doch schon erklärt«, seufzte Bettina. Sie war diese Fragen leid. Dabei konnte sie ihre Kinder verstehen. Sie wäre auch lieber bei ihnen zu Hause. Doch ihr Gewissen machte ihr bereits genug zu schaffen. »Als Krankenschwester arbeitet man nun mal im Schichtdienst.«

Das Mädchen wirkte nicht zufrieden. Es zog sein Gesicht schief, was Bettina verriet, dass die Zehnjährige wieder auf ihrer Lippe kaute.

»Andere Mütter sind nie so lange weg«, warf Liane ein.

»Andere Mütter müssen auch nicht allein für ihren Lebensunterhalt aufkommen«, erwiderte Bettina müde. Sie aß mit hastigen Bissen das erste Käsebrot auf, bevor sie sich dem zweiten widmete. »Komm mal her!«

Liane folgte ihrer Aufforderung. Mit hängenden Schultern stellte sie sich vor ihre Mutter, die sie mit beiden Armen umschlang. Es dauerte ein paar Sekunden, bis die Kleine die Umarmung erwiderte. Doch dann legte sie ihren Kopf auf die Schultern der Mutter und ließ sich beruhigend über den Rücken streicheln.

Bettina musste mit den Tränen kämpfen. Doch sie sagte sich, dass es nur an dieser Woche lag. Normalerweise war es nicht so schwer.

»Ich habe dich so lieb, meine kleine Prinzessin«, flüsterte sie Liane ins Ohr.

Das Mädchen kuschelte sich daraufhin nur noch enger an seine Mutter.

***

Die Schwarzreiter Tagesbar des Hotels Vier Jahreszeiten Kempinski in München war eine lichtdurchflutete Räumlichkeit, die nichts an Luxus vermissen ließ, der sich durch das gesamte Hotel zog.

Moritz Mann betrachtete die Quadrate des Marmorbodens, während er auf den bestellten Kaffee wartete. Die meisten Musiker des Orchesters frühstückten später. Aufgrund ihrer Arbeit kamen sie gewöhnlich spät ins Bett. Doch Moritz war zeit seines Lebens ein Frühaufsteher. Genauso wie sein Klarinettist Thomas. Gemeinsam saßen die Männer an dem runden Tisch, der zu klein für Moritz' Appetit wirkte.

»Grandioser Auftakt in Münchner Konzerthaus«, zitierte Thomas die Worte eines Kulturredakteurs. »Moritz Mann überzeugte sein Publikum ...«

»Lass gut sein«, fuhr der Sänger seinem Kollegen und langjährigen Freund dazwischen. Er überschlug seine Beine und schaute aus dem Fenster.

Moritz Mann wirkte auf den ersten Blick wie die menschliche Verkörperung von Arroganz. Seine schlanke Figur und seine erhabene Haltung verstärkten diesen Eindruck noch. Er trug stets Anzüge. Seine Haare saßen immer so, wie sie sollten. Nie hatte man den Neunundvierzigjährigen unrasiert gesehen. Alles an dem Chansonsänger, der hauptsächlich Lieder einer vergangenen Ära sang, war ein Beispiel von Perfektion.

»Eieiei, da hat aber jemand schlechte Laune«, kommentierte Thomas und legte die Tageszeitung auf einen freien Stuhl.

Obwohl alle Orchestermitglieder während der Konzerte Smokings tragen mussten, wählte der Klarinettist in seiner Freizeit lieber legere Kleidung. Heute trug er ein Karohemd, das jedem Holzfäller Ehre gemacht hätte.

Ein Kellner trat an ihren Tisch und stellte zwei Milchkaffee vor ihnen ab. Dann fragte er seine Gäste nach ihrem Frühstückswunsch. Als die beiden Männer ihre Bestellung aufgegeben hatten, wandte sich Moritz schließlich seinem Freund zu.

»Wie viele Konzerte haben wir für München geplant?«, fragte er schließlich. Er legte einen Arm elegant auf dem Tisch ab.

»Fünfzehn«, antwortete Thomas und schlürfte von seinem Kaffee. »Aber in einem Zeitraum von zwei Monaten. Wir hätten an den freien Tagen also noch genug Zeit, um an neuen Songs zu arbeiten.«

Moritz nickte nur. Sein Blick schweifte ab. Normalerweise wäre er begeistert gewesen. Da der Sänger seine Arbeit liebte, nutzte er gewöhnlich jede freie Minute, um sie sinnvoll zu füllen. Doch seit einiger Zeit fehlte ihm der Schwung. Das schien auch sein Freund zu bemerken.

»Alles in Ordnung mit dir, Moritz?«, fragte Thomas und setzte seine Kaffeetasse ab.

Die beiden Männer kannten sich bereits seit der Musikhochschule, wo sie gemeinsam das Orchester gegründet hatten. Sie waren die Wurzel des Erfolgs.

Moritz dachte kurz nach, dann schüttelte er leicht den Kopf.

»Irgendwas stimmt in letzter Zeit nicht«, gab er schließlich zu.

Obwohl er nichts hatte verlauten lassen wollen, musste er sich nun eingestehen, dass er so nicht weitermachen konnte.