Dr. Stefan Frank 2750 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2750 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Von dem Schriftstellerstipendium in Grünwald hat sich Hetti Marburger vor allem Ruhe zum Schreiben erhofft, stattdessen muss sie Lesungen halten, obwohl sie nur Kochbücher geschrieben hat, ist plötzlich Mitglied eines dubiosen Buchclubs und wird gleich von zwei Männern umworben. Außerdem quälen sie weiterhin Magen- und Darmbeschwerden. Die Zeit fliegt nur so dahin, und Hetti bringt kein einziges Wort zu Papier. Auch neue ausgefallene Rezeptideen bleiben aus. Sie sagt sich, dass es an ihren Beschwerden liegt. Wie kann sie einen kulinarischen Roman verfassen, wenn sie keinen Appetit verspürt? Oder wenn ihr fast jede Mahlzeit Bauchschmerzen verursacht?


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Inhalt

Cover

Was soll ich noch essen?

Vorschau

Impressum

Was soll ich noch essen?

Wie Unverträglichkeiten Hettis Leben beschweren

Von dem Schriftstellerstipendium in Grünwald hat sich Hetti Marburger vor allem Ruhe zum Schreiben erhofft, stattdessen muss sie Lesungen halten, obwohl sie nur Kochbücher geschrieben hat, ist plötzlich Mitglied eines dubiosen Buchclubs und wird gleich von zwei Männern umworben. Außerdem quälen sie weiterhin Magen- und Darmbeschwerden.

Die Zeit fliegt nur so dahin, und Hetti bringt kein einziges Wort zu Papier. Auch neue ausgefallene Rezeptideen bleiben aus. Sie sagt sich, dass es an ihren Beschwerden liegt. Wie kann sie einen kulinarischen Roman verfassen, wenn sie keinen Appetit verspürt? Oder wenn ihr fast jede Mahlzeit Bauchschmerzen verursacht?

»It's the way you love me«, tönte es dramatisch aus den kleinen Boxen auf dem Sideboard.

Hetti Marburger sang mindestens genauso dramatisch mit. Nur unterbrochen von den Schlucken, die sie sich aus der Weinflasche gönnte.

»This kiss, this kiss«, sang die Fünfunddreißigjährige und hackte auf die Tasten ihres Laptops ein.

Plötzlich begann ihr Handy zu vibrieren. Das Aufleuchten des Displays zeigte an, dass ein Anruf einging.

»Ja?«, meldete sie sich. Dabei fühlte sich ihre Zunge schwer an. »Moment!«

Da sie kein Wort verstand, stand sie auf und ging zur Anlage hinüber. Das Gerät war ein Geschenk zu Weihnachten gewesen, als sie gerade mal zehn Jahre alt gewesen war. Seit fünfundzwanzig Jahren spielte es ohne Defekt. Ihr Opa hätte es unweigerlich als deutsche Wertarbeit bezeichnet, wenn er noch leben würde.

»Sag mal, was ist los bei dir? Hast du eine Disco eröffnet?«

Marinas Stimme war eine Mischung aus Vorwurf und Fröhlichkeit. Die Fröhlichkeit war echt. Der Vorwurf gespielt. Als ihre beste Freundin wusste Hetti, wie sie die quirlige Frau zu nehmen hatte.

»Sorry, ich hatte nur die Musik ein bisschen lauter gedreht«, erklärte sie und setzte sich wieder. Das musste sie auch, weil der Raum um sie herum begonnen hatte, sich zu drehen.

»Aha, und weil die Musik so einsam war, hast du sie gleich noch mit Alkohol gepaart?«, wollte Marina wissen.

Hetti konnte sich gut vorstellen, wie ihre Freundin genau in diesem Moment eine Augenbraue in die Höhe zog.

»Der Wein musste weg. Der stand schon eine Weile hier rum«, erklärte Hetti.

Sie nahm die Flasche in die Hand und suchte sie nach einem Mindesthaltbarkeitsdatum ab. Dann kam ihr in den Sinn, dass es Weine gab, die besonders kostbar und schon sehr alt waren. Hatten Weine überhaupt ein Haltbarkeitsdatum? Sie zuckte mit den Schultern und trank noch einen Schluck.

»Ich glaube, das ist der, den du mal mitgebracht hast, als wir den Filmabend gemacht haben.«

Eine kurze Pause entstand, in der nur der Song in Dauerschleife zu hören war, jedoch viel leiser, sodass die Stimme der Sängerin wie ein Nuscheln klang.

»Geht's dir gut, Süße?«, wollte Marina wissen.

Jeder Vorwurf war aus ihrer Stimme verschwunden, was Hetti bedauerte. Denn sie wollte kein Mitleid. Sie hatte genug getrauert.

»Super«, assistierte sie und hob mit der anderen Hand die Flasche in die Höhe, als würde sie einen Toast aussprechen.

Plötzlich wurde ihr beim bloßen Gedanken daran, noch einen Schluck des lieblichen Weins zu trinken, übel.

»Hör mal, wenn ich vorbeikommen soll, musst du es nur sagen. Mariechen schläft gerade. Und Ralf ist auch hier. Das wäre überhaupt kein Problem.«

Marina war vor Kurzem Mutter geworden. So sehr sich Hetti für ihre Freundin freute, mussten sich die Frauen jedoch auch eingestehen, dass die Zeit der Unbeschwertheit nun vorbei war. Spontane Treffen waren kaum noch möglich. Immer häufiger brachte Marina ihre Tochter mit, sodass ihre Verabredungen von dem durchdringenden Gebrüll eines Säuglings abgebrochen wurden.

»Mir geht's wirklich gut. Bleib ruhig bei deiner Familie. Ralf macht mir sonst die Hölle heiß, wenn ich schon wieder Ansprüche auf dich erhebe«, wiegelte Hetti ab.

Ihre Augen versuchten, den Bildschirm ihres Laptops zu fokussieren. Die Buchstaben darauf tanzten wild durcheinander.

»Ich wollte eigentlich nur fragen, ob es etwas Neues gibt«, erklärte Marina ihren Anruf.

Im Hintergrund lief eine Sendung im Fernsehen. Der Stimme nach zu urteilen handelte es sich um eine Sportsendung.

Hetti ließ ihren Kopf sinken. Nein, es gab nichts Neues. Lukas hatte sich nicht mehr gemeldet. Seit dem Tag, an dem er sie verlassen hatte. Es war, als hätte er nie existiert. Zumindest nicht in ihrem Leben. Denn wenn man den Erzählungen ihrer gemeinsamen Freunde und Bekannten Glauben schenken konnte, existierte er fröhlich weiter. Bloß eben mit einer umwerfenden Blondine an seiner Seite. Eine, die Model für Bikinis sein könnte, wie Marinas Mann Ralf ihr einmal vorgeschwärmt hatte.

Dann sah Hetti wieder auf ihren Laptop.

»Ja, es gibt etwas Neues«, sprach sie. Die Festigkeit ihrer Stimme gab ihr den Mut, selbst zu glauben, was sie sagte. »Ich bewerbe mich auf ein Stipendium.«

***

Schottland war dabei gewesen. Ein hübsches kleines Cottage in Inverness. Die Schweiz. Ein ganzes Chalet wäre ihres gewesen. Die Toskana. Na gut, dafür hätte sie noch Italienisch lernen müssen. Das war Grundvoraussetzung gewesen. Alles wundervolle Orte für ein Aufenthaltsstipendium. Und wo war sie gelandet? In Grünwald! Irgendeinem verschlafenen Vorortnest von München. Hauptsächlich dafür bekannt, Profifußballer zu beherbergen.

Hetti sah auf die Uhr an der Wand. Eine Kochmütze zeigte die Zeit an. Kurz vor acht. Durch die geschlossene Tür drangen Stimmen einiger Menschen zu ihr hinein. Eher Gemurmel. Resigniert ließ die Autorin ihren Kopf in ihre Hände sinken und bewegte ihn dabei hin und her. Sie konnte nicht anders, als den Alkohol zu verfluchen, der dafür verantwortlich war, dass sie hier gelandet war.

»Klopf klopf«, sagte da jemand hinter ihr.

Müde hob Hetti ihren Kopf und drehte sich zu dem Mann um, der sie bereits vor einer Stunde vom S-Bahnhof abgeholt hatte. In Jeans und Tweed-Jackett sah Erik Rink aus wie der Traum jeder Schwiegermutter. »Brauchen Sie noch etwas, bevor es losgeht?«

Erik Rink war Kulturbeauftragter der Gemeinde Grünwald. Bei der Größe der Kommune wunderte sich Hetti ein wenig, dass dieser Ort überhaupt einen Kulturbeauftragten brauchte. Sie versuchte, das Gute darin zu sehen. Bestimmt würde es hier etliche Lesungen, Theateraufführungen und Konzerte geben. Blieb nur zu hoffen, dass das nicht alles hier, in der öffentlichen Bücherei, stattfand.

»Ich bin wunschlos glücklich. Vielen Dank, Erik«, antwortete sie und rang sich ein Lächeln ab.

Der Mann, den sie in etwa auf ihr Alter schätzte, war ihr vom ersten Moment an so freundlich erschienen, dass sie ihre Enttäuschung nicht an ihm auslassen wollte.

Der Kulturbeauftragte lächelte zurück. Nein, er strahlte. Das sagte ihr, dass sie eventuell doch der kulturelle Höhepunkt des Jahres wäre. Dann verschwand er wieder nach draußen und ließ sie allein im Backstage-Raum, einem dunklen Hinterzimmer, in dem aussortierte Bücher in feuchten Kartons gelagert wurden.

Wieder schaute Hetti zur Wanduhr. Die Kochmütze schob sich zielsicher der vollen Stunde entgegen, dargestellt von einem grellgrünen Broccoli anstelle einer Zwölf. Wieder schüttelte sie den Kopf.

Ja, ihr Freund hatte mit ihr Schluss gemacht. Und ja, er hatte sie gleich durch diese scheinbar umwerfende Blondine ersetzt. Aber hatte sie deshalb gleich alles auf den Kopf stellen müssen?

Hetti erinnerte sich noch zu gut an den Abend, an dem sie This Kiss in voller Lautstärke gehört und die Bewerbung für die Stipendien getippt hatte. Begleitet von dem widerlich süßen Wein, den sie in ihrer Abstellkammer hinter der Waschmaschine gefunden hatte.

Jeden Monat wurden Geld- und Aufenthaltsstipendien für Autoren ausgeschrieben. Noch nie hatte sie sich für eines beworben. Die Trennung war ihr in ihrem betrunkenen Zustand wie eine Offenbarung erschienen, sodass sie sämtliche Stipendien herausgeschrieben und sich kurzerhand darauf beworben hatte.

Am nächsten Morgen hatte sie ihren Text noch einmal überflogen und gesehen, dass er von Rechtschreibfehlern nur so gewimmelt hatte. Von allen Trägern waren Absagen gekommen. Außer von Grünwald. Und nun saß sie hier und wartete darauf, dass sie gleich wie der große Star den Ausstellungsraum der Öffentlichen Bücherei betrat, um dort eine Lesung zu halten. Ihr erster Tag von einem ganzen Jahr Aufenthaltsstipendium!

Dass Hetti Marburger dabei nur Kochbuchautorin war und noch nie in ihrem Leben einen Roman geschrieben hatte, schien Grünwald und seine Bewohner samt Erik Rink nicht im Geringsten zu stören. Vielleicht hing es damit zusammen, dass sie in ihrer Bewerbung geschrieben hatte, sie würde während des Aufenthalts an einem kulinarischen Roman arbeiten.

Mit schiefem Blick schielte Hetti hoch zur Wanduhr. Dort krönte die Kochmütze den Broccoli, während der kleine Zeiger auf einer Paprika lag.

»Sollten mir mal die Ideen fürs Kochen ausgehen, nehme ich dich einfach mit, du hässliches Ding«, murmelte sie.

Nun hörte sie, wie Erik Rink das Publikum begrüßte. Also stand sie auf und strich ihr Kleid glatt. Dann nahm sie ihr zuletzt erschienenes Kochbuch vom Tisch in die Hand. Das ließ sie gleich intellektueller erscheinen.

Erik Rink sagte gerade: »Begrüßen Sie nun mit mir die wundervolle und talentierte Hetti Marburger.«

Tosender Applaus ertönte. Hetti fragte sich augenblicklich, in was für eine Satire sie hier hineingeraten war.

***

»Frau Marburger, eine ganz tolle Lesung! Vielen Dank für den tollen Abend!«

Der Senior mit dem signalroten Wollpullover und dem weißen Hemd darunter reichte Hetti eine faltige Hand, die sie sofort entgegennahm. Aus wässrigen Augen sah er sie an, und sein Blick verriet seine Rührung ob des Abends. Allein dieser Blick war es, der etwas in ihr bewegte.

Eine Lesung zu halten, obwohl man bislang nur Kochbücher geschrieben hatte, war eine Herausforderung gewesen. Daher hatte Hetti den Abend mit lustigen Anekdoten angereichert. Sie reichten von Kochunfällen bis hin zu Reaktionen von Freunden auf ihre Rezepte. Zum Schluss hatte sie auch noch etwas zu dem vermaledeiten Buch erzählen müssen, welches sie nun beabsichtigte zu schreiben.

Da Hetti nie wirklich beabsichtigt hatte, einen Roman zu verfassen, hatte sie sich etwas aus der Luft greifen müssen. Liebesroman, hatte sie gesagt. Ein Mann, eine Frau, natürlich spielte Essen eine wichtige Rolle. Und der Mann war natürlich von einer finsteren Aura umgeben, so wie das immer war bei solchen Geschichten war. Das Publikum hatte es ihr mit leuchtenden Augen abgenommen.

»Ich habe zu danken«, erwiderte Hetti nun dem Mann mit der Faltenhand. »Dafür, dass Sie gekommen sind und meinem Gequatsche so lange zugehört haben.«

Der Mann sah gerührt aus. Und das wiederum rührte sie. Er verabschiedete sich von ihr, und sie sah ihm noch einen Moment nach.

Auf ihrer Schulter spürte sie eine Hand.

»Frau Marburger, darf ich Ihnen Christian Kolbe vorstellen? Er ist ... ähm ... ein treuer Besucher unserer Bibliothek«, erklärte Erik Rink und deutete mit der anderen Hand auf einen gut aussehenden jungen Mann, dessen Aussehen makellos schien.

Seine Haut war so eben, dass sie wie Samt wirkte. Seine Zähne waren perlweiß. Und das Lächeln in dem Gesicht so ehrlich, dass Hetti ihn sofort ins Herz schloss.

»Hallo«, sagte die Autorin und gab dem jungen Mann die Hand.

Er ergriff sie und sprach ihr ebenfalls ein Kompliment zu dem Abend aus. Aus einem Augenwinkel sah sie, wie der Kulturbeauftragte dabei zur Seite sah.

»So, nun mach mal Platz, Jungchen!« Die Stimme, die nun hinter Christian Kolbe getreten war, unterschied sich erheblich von der des jungen Mannes. »Wir haben nicht mehr so viel Zeit wie du.«

Hetti musste sich ein Grinsen verkneifen, als der Mann beiseite gedrängt wurde. Schließlich erschien eine Frau in ihrem Blickfeld, die an eine Urgewalt erinnerte. Interessiert sah Hetti auf die Frau hinunter.

»Hallo. Und wer sind Sie?«, fragte sie freundlich.

Die Frau gab ihr die Hand, eher unwillig, wie Hetti vermutete, denn sie wurde ihr wieder so schnell entzogen, dass Hetti unvermittelt auf ihren Ringfinger schaute, um zu überprüfen, ob da noch der Ring ihrer Großmutter saß.

»Utsch. Frau Marburger, wir wollen gar nicht lange um den heißen Brei reden. Die Mädels und ich haben einen Literaturclub und möchten Sie als neues Mitglied begrüßen«, erklärte die Frau.

Mit ihren glatten grauen Haaren, die sie zu einem Zopf zusammengebunden trug, sah sie einerseits streng, andererseits jugendlich aus. Durch ihre Augen funkelte ein blitzgescheiter Verstand.

»Die Mädels?«, fragte Hetti.

Erst dann sah sie, dass noch weitere zwei Damen um Frau Utsch herumstanden. Die eine war so klein, dass sie vermutlich nicht ohne Kindersitz Auto fahren durfte. Sollte sie in ihrem Alter überhaupt noch fahren können. Der gebeugte Rücken sprach Bände. Die andere dagegen hatte etwas Aristokratisches an sich, wie sie ihren Körper straffte und ihren Kopf stolz erhoben hielt.

»Oh, dann sind Sie der Literaturclub?«

»Hab ich das gerade nicht gesagt, Kindchen? Also, was ist? Sind Sie dabei?«, erwiderte Frau Utsch nun.

Ihr Ton als auch ihre ruppige Art gaben der Autorin zu verstehen, wer hier das Sagen hatte.

»Ähm«, machte Hetti, da ihr auf die Schnelle keine Ausrede einfallen wollte.

Auf jeden Fall würde sie diesem Literaturclub nicht beitreten. Was würden diese Frauen schon lesen, wenn sie die Lesung einer Kochbuchautorin besuchten? Sachbücher über Panzerbau? Fernsehzeitungen? Frauenzeitschriften? Niemals!

»Also dann abgemacht. Übermorgen geht's los. Zwanzig Uhr. Und übrigens: Wer neu ist, muss den Abend ausrichten. Wir sind dann pünktlich bei Ihnen.«

Mit diesen Worten verabschiedete sich Frau Utsch und ging mit einem bestimmten Nicken an ihr vorbei. Auch die Frau mit dem aristokratischen Gesicht verabschiedete sich auf diese Weise. Nur die Kleine strahlte, sodass ihre Apfelwangen leuchteten.

»Ich gebe Ihnen einen Tipp«, raunte Erik Rink ihr ins Ohr, »wehren Sie sich nicht! Widerstand ist zwecklos. Glauben Sie mir.«

***

Endlich zu Hause. Das, was für die nächsten 365 Tage ihr Zuhause sein würde. Hetti tastete mit ihrer freien Hand nach einem Lichtschalter. Auf Höhe ihrer Taille fand sie ihn und drückte darauf. Kurz mussten sich ihre Augen an das Licht gewöhnen. Dann stahl sich ein Lächeln auf ihr Gesicht.

Erik Rink hatte angeboten, sie ins Haus zu begleiten und ihr die Zimmer zu zeigen. Doch da sie bereits von ihrer Anreise und der darauffolgenden Lesung an diesem Abend erschöpft war, hatte sie sein Angebot freundlich abgelehnt, ihm aber versichert, dass sie sich melden würde, sollte sie mit irgendetwas Probleme haben.

Hinter sich hörte sie, wie der Kulturbeauftragte den Motor des Wagens startete. Sie drehte sich zu dem Auto um und winkte zum Abschied. Es fuhr davon, und sie schloss erleichtert die Tür hinter sich. Dann ließ sie ihren Koffer auf den Boden fallen und entledigte sich ihrer Handtasche.

Hetti stand in keinem Flur. Sie stand in einem wahrgewordenen Traum. Ein Traum aus Holz und Wärme und Behaglichkeit. Wäre sie sich nicht sicher, dass sie in Grünwald gelandet war, hätte sie annehmen können, es hätte doch was mit dem Stipendium in Inverness gegeben.

Das Haus war ein Bungalow. Unter der Decke zogen dicke Balken ihre Bahnen. Der Holzboden war an manchen Stellen mit Teppichen in warmen Rottönen ausgelegt. Vor einem Kamin gruppierte sich ein Sofa mit mehreren Sesseln und wartete darauf, in Beschlag genommen zu werden. Einen Flur gab es nicht. Hetti stand direkt im Wohnraum.

Rechts befand sich eine Küche. Instinktiv steuerte die Autorin die Ecke an und vergewisserte sich, dass alles vorhanden war. Natürlich hatte sie gesagt, sie würde einen Roman schreiben. Das bedeutete jedoch nicht, dass sie das Kochen aufgab. Immerhin war Kochen und das Kreieren neuer Rezepte ihre Leidenschaft. Die Küche machte einen soliden Eindruck.

Zufrieden ging sie zurück und wandte sich einer verschlossenen Tür zu. Nachdem sie sie aufgezogen und auch hier das Licht eingeschaltet hatte, entdeckte sie eine Badewanne mit Löwenfüßen. Boden und Wände waren im Subway-Stil gekachelt.

Kurz stieß Hetti einen Freudenschrei aus. Solch eine Badewanne hatte sie sich immer schon gewünscht. Nun befürchtete sie, nichts anderes mehr zu tun, als zu baden. Dann verließ sie das Badezimmer und ging weiter zu einer anderen verschlossenen Tür. Mit angehaltenem Atem öffnete sie diese und schaltete das Licht ein.