Dr. Stefan Frank 2755 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2755 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Luise Seidel ist jung verwitwet und lebt mit ihren beiden kleinen Kindern in der hektischen Großstadt Münchens. Sie sehnt sich schon lange nach mehr Natur und einem Platz, an dem Niklas und Anna unbeschwert aufwachsen können. Als sie ihrem Hausarzt Dr. Stefan Frank von ihren Wünschen erzählt, ist dieser ganz angetan. Längst wollte er ihr frische Luft, lange Spaziergänge und weniger Stadttrubel empfehlen. Denn Luise steht knapp vor dem Burn-out. Er schlägt ihr für den Anfang einen Trip ins Grüne vor und hat auch direkt die passende Idee parat: Ein Wochenende auf einem Bauernhof in den Bergen. Luise kratzt ihr letztes Geld zusammen und ermöglicht ihrer Familie eine Auszeit. Dass sie sich aber auf den ersten Blick in Landwirt Martin verliebt, obwohl sie doch noch immer an ihrem verstorbenen Mann hängt, ist genauso überraschend wie ihr folgender dramatischer Überlebenskampf wegen ein bisschen frischer Milch ...

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Inhalt

Cover

Infizierte Milch

Vorschau

Impressum

Infizierte Milch

Luise unterschätzt die Gefahr

Luise Seidel ist jung verwitwet und lebt mit ihren beiden kleinen Kindern in der hektischen Großstadt Münchens. Sie sehnt sich schon lange nach mehr Natur und einem Platz, an dem Niklas und Anna unbeschwert aufwachsen können. Als sie ihrem Hausarzt Dr. Stefan Frank von ihren Wünschen erzählt, ist dieser ganz angetan. Längst wollte er ihr frische Luft, lange Spaziergänge und weniger Stadttrubel empfehlen. Denn Luise steht knapp vor dem Burn-out. Er schlägt ihr für den Anfang einen Trip ins Grüne vor und hat auch direkt die passende Idee parat: Ein Wochenende auf einem Bauernhof in den Bergen. Luise kratzt ihr letztes Geld zusammen und ermöglicht ihrer Familie eine Auszeit. Dass sie sich aber auf den ersten Blick in Landwirt Martin verliebt, obwohl sie doch noch immer an ihrem verstorbenen Mann hängt, ist genauso überraschend wie ihr folgender dramatischer Überlebenskampf wegen ein bisschen frischer Milch ...

Luise beeilte sich mit dem Abkassieren der letzten Kundin und schenkte ihr zum Abschied ein freundliches Lächeln. Danach schloss sie das Geschäft ab und wartete auf ihre Chefin Beate, die den Tag über hinten im Lager gewesen war.

»Keine Probleme?«, fragte diese wie immer am Schluss.

»Keine Probleme«, bestätigte Luise ebenso oft.

»Du bist die fleißigste Angestellte, die ich je hatte.« Luise lächelte glücklich, ahnte aber, dass da noch mehr kam. »Kannst du auch am Wochenende noch einmal für die Spätschicht einspringen? Susanne ist krank geworden.«

Natürlich passend zu ihrem Geburtstag, dachte sich Luise ihren Teil. »Kann ich machen«, war ihre Antwort.

Beate war nur nett zu ihr, wenn sie etwas von ihr wollte. Luise sagte außerdem nie Nein. Der Lohn war gering, die Schichten waren anstrengend und die Kunden meistens unverschämt, aber das war ihr alles gleich, solange sie rechtzeitig bezahlt wurde.

»Ich muss nur jemanden für meine Kinder finden. Sie sind zu klein, um allein zu bleiben.«

»Wieso hast du sie nicht längst in einer Kita angemeldet? Du bist alleinerziehend und hast nicht vorgesorgt?« Beates zänkischer Tonfall missfiel ihr.

Luise verschlug es sogar kurz die Sprache.

»Paul ist ... gestorben. Wir haben uns nicht getrennt. Ich konnte es nicht vorausahnen.« Das stimmte nicht ganz. Sie hatte es nur nicht wahrhaben wollen, dass er irgendwann nicht mehr da war. Sie hatte bloß nicht begriffen, dass der Krebs gestreut und Pauls Organe befallen hatte. »Es ist zu schwierig, einen Kitaplatz auf die Schnelle zu finden. Die Wartelisten sind lang.«

Beate gab sich mit dieser Antwort zufrieden, zumal sie der Wahrheit entsprach.

»Komm, räum hier noch schnell auf, dann kannst du gehen.«

Statt Luise zu helfen, verschwand Beate schon wieder im Lager, um sich ihrer Alkoholsucht zu widmen.

Luise wusste alles, was in dem Münchner Kleidungsgeschäft vor sich ging. Sie konnte es ihrer Chefin nicht einmal verübeln, dass sie heimlich trank. Die Ärmste war von ihrem Mann für eine Jüngere sitzengelassen worden, der sie zudem um ihr ganzes Geld betrogen hatte. Sie hatte sich dieses Geschäft hart erkämpft, aber irgendwann brach auch eine toughe Frau wie sie zusammen und ließ ihren Frust immer mehr an ihren Angestellten aus.

Luises Rücken schmerzte, und ihre Gelenke knackten, als sie sich streckte. Dabei war sie gerade einmal Ende zwanzig. Ihr fehlte der Ausgleich zu ihrem Job. Den lieben langen Tag stand sie entweder hinter der Kasse oder sortierte das Chaos zurück, das die Kunden in den Umkleidekabinen hinterlassen hatten. Sie fragte sich manchmal, ob diese Leute nur so grausam mit den Kleidungsstücken umgingen, weil sie nicht ihnen gehörten, oder ob sie zu Hause genauso schlampig waren. Wahrscheinlich nicht. Da, wo Menschen bedient wurden, zeigten sich ihre Abgründe am ehesten. Und Luise hatte gleich zwei Jobs, in denen sie diese hautnah miterlebte: im Verkauf und im Restaurant.

Sie sah auf die Uhr und beeilte sich mit dem Aufräumen. Ihre Nachtschicht in der kleinen Bar gleich um die Ecke begann jeden Moment, und sie durfte sich nicht verspäten. Dort schenkte sie Getränke aus und brachte köstliche Burger oder Pommes frites an die Tische. Wenn sie Pech hatte, landete die Hand eines Betrunkenen auf ihrem Po. Aber selbst diesen Ärger schluckte Luise tapfer herunter, um ihre vielen Jobs zu behalten und Geld zu verdienen. Sie nutzte die Zeit, in der die Kinder von ihrem Bruder oder ihrer Mutter betreut wurden, perfekt aus, aber eine Dauerlösung waren die zwei nicht. Sie freuten sich aber immer, wenn Onkel Tilman auf sie achtgab oder sie bei Oma Maria übernachten durften.

Niklas und Anna ahnten nichts vom ständigen Kampf ihrer Mutter. Sie konnten sich kaum an Paul erinnern, was ihnen sicher zugutekam und sie weniger traurig machte. Und dennoch fehlte ihnen ein Vater.

Bevor sie zur Hintertür ging, sah sie nach Beate im Lager.

»Ich würde dann gehen. Der Verkaufsraum sieht ordentlich aus.«

Ihre Chefin sah auf. Ihre Augen waren verweint. Zu gern hätte Luise nachgefragt, aber ihr rannte die Zeit davon.

»Ja, geh nur. Ich komme klar«, erwiderte Beate krächzend und räusperte sich. Sie wischte einmal über ihr pausbackiges Gesicht und brachte ein gequältes Lächeln zustande. »Tut mir leid, aber heute ist unser Hochzeitstag.«

»Sag nicht, du hast schon wieder nach Fotos von den beiden gesucht. Lass das endlich sein! Du quälst dich nur selbst. Und er ist es nicht wert, dass du um ihn weinst.« Luise tat ihr Bestes, einfühlsam zu sein, das Gespräch aber schnell zu beenden. »Wir sehen uns dann morgen in alter Frische.«

»Schiebst du dann auch mehrere Schichten?«

»Nein, nur an drei Tagen in der Woche. Na ja, und am Sonntag arbeite ich noch zusätzlich im Restaurant, aber dort lohnt sich das Trinkgeld immens. Das kann ich nicht abschlagen. Ich sehe mir den neuen Plan an und sage dir wegen Susannes Schicht am Samstag Bescheid.«

Eigentlich war Luise nur am Arbeiten, hatte sie das Gefühl. Es war eigenartig, wie sie dazwischen noch Raum für ihre Familie, ihren Bruder und ihre Mutter fand. Für Wellness, Spaß ohne ihre Kleinen und etwas Ruhe zum Lesen blieb einfach keine Zeit. Seit über zwei Jahren lag das Buch, das sie angefangen hatte, noch auf ihrem Nachttisch und setzte Staub an.

Sie hatte mit dem Lesen aufgehört, als es Paul immer schlechter gegangen war. Letzten Endes war seine Krankheit so rasant vorangeschritten, dass es Luise bis heute nicht ganz begreifen konnte, wie das alles passiert war. Gerade eben waren sie noch glückliche Eltern von zwei kleinen Kindern gewesen, und schon saß sie allein da und kümmerte sich aufopferungsvoll, so gut es ging. Aber selbst Luise kam irgendwann an ihre Grenzen.

Sie setzte sich in den nächsten Bus und fuhr fünf Stationen bis zu ihrem Ziel. Dumpfe Musik drang aus der hell erleuchteten Bar.

»Wo hast du gesteckt? Wir warten hier!«, bellte der Besitzer, der an der Theke lehnte und sie argwöhnisch musterte. Dass der Umgangston rauer war als in einem gewöhnlichen Restaurant, hatte sie schnell gemerkt und sich notdürftig daran gewöhnt. »Komm, zieh dich um und dann ab mit dir in die Küche!«

Luise schrubbte die halbe Nacht lang Öfen und Armaturen, bis ihre Finger trotz Handschuhen wund und trocken waren. Danach musste sie kellnern und sich schon wieder von allerlei gruseligen Gestalten begaffen lassen.

Es ist für die Kinder, sagte sie sich, wenn es besonders schlimm wurde. Denk an Niklas und Anna. Sie brauchen das Geld dringend. Und du auch.

Luise schaffte es, ihre Müdigkeit mit Arbeit zu verdrängen, bis die Zeit reif war, mit dem Nachtbus nach Hause zu fahren.

Noch vor dem ersten Sonnenstrahl fiel sie völlig erschöpft ins Bett.

***

Der Wecker klingelte viel zu früh für ihren Geschmack, aber Luise hatte ihrer Mutter versprochen, die Kinder gegen acht abzuholen.

Ihr Blick wanderte, wie immer nach dem Aufwachen und vor dem Einschlafen, zu einem gerahmten Bild von Paul. Er lächelte darauf breit in die Kamera und hielt seine Frau glücklich im Arm, deren Schwangerschaftsbauch sich auffällig unter ihrer Kleidung wölbte. Sie hatten damals ihr erstes Kind, Niklas, erwartet. Er war nun schon fünf Jahre alt und würde bald in die Schule kommen.

Freunde waren hier in München rar, sodass sich Luise für ihn freute, wenn er endlich von mehr Kindern als nur von seiner kleinen Schwester umringt wurde. Das würde ihm bei seiner Entwicklung helfen, denn viel sprechen tat er nicht. Lieber zog er sich in das gemeinsame Kinderzimmer zurück und spielte mit seinen Autos.

Luise war sich nicht sicher, wie viel er von Pauls Krankheit wusste. Vielleicht hatte ihn das kränkliche Aussehen seines sonst so kraftstrotzenden Vaters erschreckt. Luise hatte nie den Moment gefunden, mit ihm darüber zu reden, hatte sie doch angenommen, dass er sie sowieso nicht verstand. Ein Fehler, wie ihr jeden neuen Tag bewusst wurde.

Als Paul auf einmal nicht mehr vom Krankenhaus nach Hause gekommen war, hatten die zwei sie nur mit großen Augen angesehen und waren in ihrem Zimmer verschwunden. Weder hatten sie je um ihn geweint noch Fragen gestellt. Und Luise hatte es einfach so weiterlaufen lassen. Sie war viel zu beschäftigt mit der Jobsuche gewesen, um sich auf die Trauerbewältigung, einschließlich ihrer eigenen, zu konzentrieren.

Still und heimlich verdrückte sie eine Träne für Paul und stellte das Bild zurück auf die Kommode. Das Leben war nicht mehr dasselbe, seit er eine Lücke hineingerissen hatte.

Luise stellte sich unter die Dusche und putzte sich gleich dort die Zähne, um Zeit zu sparen. Der Boiler war defekt, weshalb sie mit kaltem Wasser vorliebnehmen musste.

Sie zog sich eine ordentliche Bluse und eine Jeans über, bevor sie zu ihrer Mutter fuhr. Der Bus hatte Verspätung, sodass sie im Frühlingsregen warten musste. Leider war ihr Regenschirm letzte Woche während eines Sturms kaputt gegangen. Die Kapuze tat ihr Bestes. Luise blieb weitestgehend trocken, fror aber dennoch.

Als sie die lachenden Gesichter ihrer Kinder sah, waren die Sorgen vergessen. Sie rannten auf ihre Mutter zu, als wäre sie das Schönste auf der Welt. Dahinter wartete Maria und hielt einen Kaffeebecher in der Hand. Sie lächelte vergnügt.

»Haben sie sich benommen?«, fragte Luise.

»Es war wundervoll mit ihnen«, bestätigte ihre Mutter. »Wie immer.«

Luise hob Anna auf die Arme und drückte ihr einen Kuss auf die kleine gerötete Wange. Niklas ließ sich mehr Zeit und schien zu hadern, ob er auch abgeknutscht werden wollte. Luise ließ ihm keine andere Wahl und drückte ihn ganz fest an sich. Gemeinsam betraten sie das Haus.

»Was wirst du jetzt machen?«, wollte Maria wissen und schob ihrer Tochter ebenfalls einen dampfenden Becher über den Tisch. »Ich kann sie den Nachmittag leider nicht nehmen, aber du musst doch wieder zur Arbeit im Bekleidungsgeschäft.«

Es war Früchtetee, seit Luise keinen Kaffee mehr vertrug, der Schwangerschaft mit Anna sei Dank.

»Ich werde wohl Tilman fragen müssen. Seit er von zu Hause aus arbeitet, hat er wenigstens Zeit, sich um seine Nichte und seinen Neffen zu kümmern.«

»Ja, aber dein Bruder ist keine Dauerlösung und ich auch nicht. Wir haben ein eigenes Leben mit eigenen Hobbys, Freunden und eigener Zeiteinteilung. Versteh mich bitte nicht falsch. Ich helfe dir immer gern, und ich liebe meine Enkelkinder sehr.« Ein Schleier legte sich auf Marias Augen. »Aber so kann das nicht weitergehen.«

»Ich weiß, Mama.« Seufzend sah sie zu ihrem Nachwuchs, der friedlich im Wohnzimmer spielte.

»Vielleicht wäre das auch etwas für dich.«

»Was meinst du?« Luise riss ihren Blick von Niklas und Anna los.

»Na, eine Arbeit, die du zu Hause erledigen kannst. Etwas am Computer oder am Telefon. Es gibt viele, die diesen Telefondienst machen.«

»Du meinst wie in einem Callcenter? Ich weiß ja nicht ... Ich würde nicht das gleiche Geld verdienen wie jetzt.«

Marias Lippen wurden zu einer dünnen Linie. Sie war nicht begeistert.

»Wie lange willst du noch von Stelle zu Stelle hetzen und dich selbst kaputt machen? Du hast drei Jobs, mehr als jeder andere.«

»Ich mache mich nicht kaputt, sondern verdiene gutes Geld dabei. Das ist wichtig für ihre Zukunft.« Sie sah wieder zu Anna und Niklas. Ihre Kleine winkte, woraufhin sie lächelte und die Geste erwiderte.

Maria seufzte. »Ich spreche jetzt als Mutter zu dir. Die beste Zeit ihres Lebens haben sie mit dir. Vertrau meiner langjährigen Erfahrung. Dein Vater und ich haben mehrmals am Hungertuch genagt und mussten den Gürtel enger schnallen, aber das war es allemal wert. Wir haben uns nicht von Job zu Job gehangelt, sondern sind trotzdem ganz normal arbeiten gegangen. Und den Rest der Zeit haben wir mit euch verbracht. Erinnerst du dich an eine Stunde in deinem Leben, in der du traurig warst, weil du nur Ravioli aus der Dose bekommen hast? Dein Vater hat sie dir mit seinen Geschichten und seinem Witz schmackhaft gemacht, bis du dachtest, das sei das Köstlichste auf Erden.«

Luise gab ihr recht, aber zeitgleich regte sie sich auf. »Es war eine tolle Zeit, aber du vergisst eine Sache: Papa war da, Paul ist es nicht.«

Maria legte ihre Hand sanft auf die ihre.

»Hast du denn nie darüber nachgedacht, dich wieder zu binden – dich noch einmal zu verlieben?«

Luise lachte in ihre Teetasse. »Verlieben tut man sich nicht so ohne Weiteres. Mein Herz gehört Paul, und das wird immer so bleiben. Ich würde mich wie eine Betrügerin fühlen, wenn ich mich auf einen anderen einlasse. Außerdem würde ich ihn dann immer mit Paul vergleichen. Nein, das wäre für alle Seiten fatal, Mama. Ich habe genug um die Ohren und brauche keinen Mann, der nur der Geldbeutel für mich ist. Ich möchte auch tiefe Empfindungen für ihn entwickeln.«

»Ach, Luise, denk nur an die Kinder.«

Luise schnaubte. »Ich denke in jeder Sekunde an sie. Was glaubst du, für wen ich das alles mache?«

»Aber deine Gesundheit ... Sieh dich nur an, wie dünn du geworden bist. Und dein Gesicht ist so eingefallen.« Maria klang nun fast weinerlich. Ihre großen dunklen Augen blickten traurig drein. Es waren die, die Tilman geerbt hatte, während Luise mehr nach ihrem Vater kam.

»Wann kommt Papa eigentlich von seiner Dienstreise zurück?«

»Das dauert noch eine Woche. Willst du frühstücken? Ich habe Pancakes gemacht. Das lieben die zwei.« Sie rieb sich über den Bauch. »Na ja, und ich auch.« Sie kicherte vergnügt. Marias Augen funkelten kindlich, was Luise zum Schmunzeln brachte und die trübsinnigen Gedanken von eben verdrängte.

»Sehr gern. Zwei Stück reichen. Ich muss bald wieder los. Und bis die beiden angezogen sind, dauert es eine halbe Ewigkeit.«

Maria verdrehte belustigt die Augen. Sie wusste nur zu gut, was Luise meinte.

***

Tilman stand ebenfalls bereits an der Wohnungstür, als die drei die Treppe in den ersten Stock nahmen. Lässig lehnte Luises Bruder am Eingang und lächelte schief. Seit er von zu Hause aus tätig war, ließ er sich das dunkelblonde Haar wachsen. Es hatte nun schon die Haarlänge ihrer Mutter erreicht. Meistens trug er es in einem modischen Männerdutt, heute fiel es ihm locker auf die Schultern.

»Hallo, Schwesterherz.«

»Du glaubst nicht, wie dankbar ich dir bin«, sprach sie dumpf in seine Schulter, als sie sich umarmten.

Tilman rieb Luise aufmunternd über den Rücken und trat zur Seite. Seine Füße steckten in grauen Pantoffeln, von denen er ihr nun auch welche anbot. Bei den Kindern brauchte er es gar nicht erst zu probieren. Sie rannten bereits jauchzend an ihm vorbei.

»Seit du ihnen das Spielzimmer eingerichtet hast, sind sie ganz verrückt danach. Anna redet von nichts anderem mehr als den schicken Sachen bei ihrem Onkel.«

Tilman lächelte. »Ich möchte nicht, dass du dadurch Probleme bekommst. Wenn ich ihnen weniger zum Spielen geben oder sie bei dir zu Hause sitten soll, musst du es nur sagen.«

Luise schüttelte vehement mit dem Kopf.

»Wir haben nicht einmal Warmwasser. Da sind sie bei dir deutlich besser aufgehoben. Ich mag mir nicht vorstellen, was passiert, wenn das Jugendamt vorbeischaut.« Sie schluckte trocken.

Tilman bot ihr auch etwas von seinem späten Frühstück an, aber Luise lehnte dankend ab. Ihr Magen war noch von den Pancakes bei ihrer Mutter gefüllt. Außerdem aß sie seit Pauls Tod wenig.

»Darf ich dir etwas Ehrliches sagen?«, fragte er. An seinem besorgten Bruderblick erkannte sie, um was es ging.

»Du legst mir, genau wie Mama, entweder einen neuen Mann oder einen Arztbesuch ans Herz, richtig?«, kam sie ihm zuvor und nahm Tilman den Wind aus den Segeln.

Seine braunen Augen wurden kurz größer, dann lächelte er traurig.

»Das mit dem neuen Mann würde ich dir niemals sagen, das weißt du. Das ist Aufgabe unserer Mutter. Du glaubst nicht, wie oft ich mir anhören darf, dass ich die Beziehung zu Melanie zu früh beendet habe und gefälligst um sie kämpfen soll.« Er rollte mit den Augen. »Aber so ist sie nun einmal. Wir werden sie nicht mehr verändern.«

»Das stimmt wohl.«