Dragon Fever - G. A. Aiken - E-Book

Dragon Fever E-Book

G. A. Aiken

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Beschreibung

Éibhear der Blaue ist ein mächtiger, wunderschöner und eitler Drache, der davon überzeugt ist, dass die Welt ihm gehört. Einschließlich Izzy, eine ebenso impulsive und streitlustige Menschenkriegerin, welche jeden Aspekt ihres Leben selbst bestimmt: sowohl welche Waffe sie trägt als auch welchen Liebhaber sie sich nimmt. Und natürlich lässt die sich höchst ungern von dem verliebten Drachen beschützen, besonders wenn sie gerade auf einer wichtigen Mission unterwegs ist. Éibhear wird noch so manche romantische Erniedrigung erdulden müssen, bis er die Flügel spreizen und sich mit Izzy in ungeahnte Höhen erheben kann

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© 2012 by G.A. Aiken

Published by Arrangement with Glynis Aiken

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»How to Drive a Dragon Crazy« bei Zebra Book, New York 2012

© Piper Verlag GmbH, München 2013,2022

Übersetzung aus dem Amerikanischen von Karen Gerwig

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Guter Punkt, München unter Verwendung von Motiven von Shutterstock

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

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Epilog

Orte und Bewohner der Welt der Drachensippe

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Literaturverzeichnis

1

Der Befehl ihrer Königin war direkt und unmissverständlich gewesen: Verhindert, dass die Eislanddrachen sich neu formieren und die Nordlanddrachen an deren Küste angreifen.

Die Nordländer behaupteten sich schon seit Jahren, drängten die Eislanddrachen, genannt die Stachler, hinter ihre Grenzen zurück und hielten sie dort in Schach. Doch diejenigen, die die Stachler davon abhielten, genug Kräfte zur selben Zeit an einem Ort zu versammeln, um wieder in die Nordländer vorzudringen und die Gebiete der Drachenkriegsherrn zu gefährden, waren die Mì-runach.

Es war allerdings nicht immer leicht gewesen. Denn sie waren die Mì-runach; sie waren Feuerspucker, die in einem der unwirtlichsten Länder seit Menschen- und Göttergedenken festsaßen. In den Eisländern mit ihren harten Wintern und ihren noch härteren Völkern. Doch genau deshalb waren die Mì-runach hierher gesandt worden: weil sie sogar unter ihresgleichen als hart und rau galten. Sie gehörten nirgends dazu. Sie waren die Ausgestoßenen, die Unruhestifter, die brutalen Kämpfer. Sie waren diejenigen, die man nicht neben seiner Höhle haben wollte, aber wenn einem die Optionen ausgingen … dann waren sie diejenigen, die man rief.

Sie waren die, die töteten. Für ihre Ehre. Für ihre Königin. Und weil sie alle verdammt gut darin waren.

Angor, der Kommandeur der Mì-runach-Legion, landete auf dem Berggipfel und beobachtete, wie seine Soldaten vorrückten. Wie er es sie gelehrt hatte, bewegten sie sich schnell und lautlos. Sie mochten Drachen sein, zu den größten Wesen der Welt gehören, aber deshalb mussten sie schließlich nicht überall herumtrampeln. Nicht wie die Stachler, die sich hinter ihren Schnee- und Eisstürmen versteckten. Die Mì-runach ließen sich nicht von Stürmen oder der Tatsache, dass sie Außenseiter waren, davon abhalten, die Befehle ihrer Königin auszuführen.

Angor lächelte, als er plötzlich eine Klinge aufblitzen sah, woraufhin wie aus dem Nichts eine blaue Klaue den Kopf des Anführers der Stachler an den Haaren packte und nach hinten riss. Ein Breitschwert wurde ihm in den Hals gerammt und schnitt ihm die Chance ab, irgendwie anders als verblüfft dreinzuschauen.

Die Stachler, die sich um ihren Anführer versammelt hatten, um zu ihrem Flug ins feindliche Gebiet aufzubrechen, erstarrten, als Blut auf ihre weißen und silbernen Schuppen spritzte. Dann griffen die Mì-runach an. Sie kamen von unter der Erde, wo ein paar von ihnen sich schon seit Tagen versteckt hatten.

Angor beobachtete und wartete, während seine Soldaten die Stachler erledigten. Es dauerte nicht lange. Sie waren nicht für den Kampf ausgebildet, sondern für Massaker. Das konnten sie am besten. Sie schlugen ohne Vorwarnung zu – keine Verhandlungen, keine Gefangenen. Insgesamt waren sie nur sechsunddreißig, aber sie konnten die Arbeit eines ausgewachsenen Heeres erledigen – und hatten es auch bereits. Sie waren die tödlichste Waffe der Drachenkönigin und wurden in der Drachenwelt gehasst und gefürchtet – und das aus sehr gutem Grund.

Angor setzte sich hin, als seine Truppenführer vor ihm landeten.

»Wir sind fertig«, berichtete einer von ihnen. »Und ich habe mein Team ausgeschickt, um mögliche Versprengte niederzuschlagen.«

»Gut. In ein paar Tagen machen wir uns auf den Rückweg in den Süden.«

»Wirklich?«, fragte ein anderer und sprach damit aus, was einige dachten. Die Königin hielt ihre Mì-runach mit Unterbrechungen nun schon seit Jahren in den Eisländern stationiert, aber es war nicht an ihm oder den anderen Mì-runach, das infrage zu stellen. Sie taten lediglich, was ihnen von ihrer Königin befohlen wurde.

»Wirklich.« Er warf den Kopf zur Seite. »Ihr da. Macht euch bereit, für die Nacht auszurücken. Warte«, sagte er zu demjenigen, der den Anführer der Stachler getötet hatte. »Du nicht. Noch nicht.«

Angor wartete, bis die anderen wieder vom Berg herunter waren, bevor er sich zu dem Drachen umwandte, den er selbst ausgebildet hatte.

Um ehrlich zu sein, hatte Angor keine Hoffnung für ihn gesehen, als er ihm vor beinahe einer Dekade aufgezwungen worden war. Er war sinnlos wütend und erstaunlich verbittert gewesen. Er hatte sich geweigert, auch nur die einfachsten Aufgaben auszuführen, und sich und seine Brüder mehr als einmal während wichtiger Einsätze in Gefahr gebracht. Doch Angor hatte hinter all diese Wut blicken können, hatte den jungen Drachen eng an seiner Seite gehalten und ihn vom ersten Tag an hart ausgebildet. Hatte ihn geschlagen, wenn es nötig war, gelobt, wenn er es verdiente. Und jetzt …?

Und jetzt war er der herzloseste, gemeinste und mörderischste Mistkerl, den kennenzulernen viele von ihnen je das Missvergnügen gehabt hatten, und außerdem der meistgehasste Drache in den gesamten Eisländern.

Denn er war Éibhear der Verächtliche, ein Südland-Prinz und einer der gefürchteten Mì-runach-Truppenführer. Außerdem war er blind loyal, unglaublich klug und kam für Angor einem Sohn so nahe wie kein anderer, denn er und seine Gefährtin hatten nie eigene Nachkommen gewollt.

Das einzige Problem mit dem Königssohn: Er las viel, was Angors Meinung nach zu vielen seiner Probleme beitrug. Wer brauchte überhaupt all diese verflixten Bücher?

»Was soll ich tun?«, fragte der blaue Drache.

»Wir haben diese Stachler davon abgehalten, in die Nordlandgebiete vorzurücken und sich mit diesem jungen Anführer des Eislandstamms zusammenzutun. Aber ich will, dass du und deine Männer hineingeht und diesen Anführer erledigt, damit die Stachler verstehen, dass diese Ochsenscheiße ein Ende hat.«

»Gut.«

»Nur deine Einheit. Die anderen kommen mit mir.«

»Verstanden.«

»Du findest sie in der Nähe der Grenze bei diesen Bergen der Depressionen oder wie die heißen.«

Der Blaue kicherte. »Ich glaube, du meinst die Berge der Qual und des Leids.«

»Ja, von mir aus. Dort gehst du hin. Du bringst den Anführer um und beendest das Ganze. Dann können wir unbesorgt nach Hause.«

»Ist so gut wie erledigt.«

»Danach kannst du zurück zu deiner Sippe, Éibhear der Verächtliche. Geh nach Hause zu deiner Mutter.«

Der Drache erstarrte und blinzelte. »Was?«

»Geh nach Hause. Besuch deine Mutter.«

»Ähm … warum? Stimmt etwas nicht?«

»Außer dass du ein undankbarer Sohn bist? Nein.«

»Undankbar? Ich habe in ihrem Namen einen Drachen nach dem anderen vernichtet!«

»Du hast es genossen.«

Er zuckte die Achseln. »Das stimmt.«

»Es ist jetzt zehn Jahre her. Deine Mutter sollte dich sehen.«

»Ich bemerke, du fühlst dich immer noch zu meiner Mutter hingezogen.«

»Ich bin meiner Königin gegenüber loyal. Weißt du auch, warum?«

»Bitte nicht wieder diese Geschichte«, flehte der Blaue.

»Als dein Bastard von Vater mich wegen Insubordination exekutieren lassen wollte …«

»Wahrscheinlich deshalb, weil du mit einer Axt auf ihn losgegangen bist, als er dir einen Befehl gab …«

»… sagte deine Mutter Nein. Sie erkannte meinen Wert. Deshalb bin ich ihr bis zu meinem letzten Atemzug treu ergeben. Also schwing deinen undankbaren blauen Hintern nach Hause!«

Der Blaue musterte Angor. »Dann wirfst du mich also raus?«

»Einmal Mì-runach, immer Mì-runach, Junge. Das solltest du inzwischen wissen. Aber du kannst deiner Sippe nicht ewig aus dem Weg gehen.«

»Ich gehe überhaupt nichts aus dem Weg.« Er lächelte leicht, wobei er eine Seite seiner Reißzähne entblößte. »Nicht mehr.«

»Da ist etwas Wahres dran. Also geh nach Hause. Besuch deine Mutter. Mach sie glücklich. Mir zuliebe.« Angor wandte sich von dem jüngeren Drachen ab und einem Eisland-Ochsen zu, den er zuvor gesehen hatte. Seinen Kriegern beim Töten zuzusehen, machte ihn immer hungrig.

»Und was ist mit meinem Trupp, wenn wir in den Nordländern fertig sind?«, rief der Junge ihm nach. »Soll ich ihn dir nachschicken?«

»Wage es ja nicht! Nimm diese gemeinen Mistkerle mit. Die will sowieso kein anderer Trupp haben.« Er schnippte eine Kralle in die Luft. »Geh nach Hause, Éibhear der Verächtliche. Besuch deine Mutter. Besuch deine Sippe. Verbring ein bisschen Zeit mit denen, die dich aufgezogen haben. Sieh es als einen Urlaub. Dann erinnere dich daran, warum du damals gegangen bist und kehre zu den Mì-runach zurück. Wir werden in der Nähe der Westlichen Berge kampieren. Darauf warten, dass wir tun sollen, was wir am besten können.«

»Töten?«, fragte der blaue Drache.

»Manche würden es so nennen«, gluckste Angor vor sich hin. »Manche würden es so nennen.«

2

Éibhear der Verächtliche – einst Éibhear der Blaue genannt – ging zu seinem Trupp zurück. Die Mì-runach waren in Trupps von vier bis sechs Mitgliedern aufgeteilt. Angor war der Kommandeur von allen, aber um diese Aufgabe beneidete ihn keiner.

Denn um Mì-runach zu werden, musste man nicht nur ein mächtiger Kämpfer sein, sondern auch ein bösartiger, herzloser Bastard, der sich von keinem etwas sagen ließ. Obwohl die Mì-runach in verschiedenen Formen seit Jahrhunderten existierten und sich während bestimmter Kriege oder Kämpfe zusammenfanden, hatten sie ihre Berufung erst richtig gefunden, als Éibhears Großvater Ailean sich ihnen anschloss – das leuchtende Beispiel eines Drachen, der keine Befehle befolgte, im Kampf aber bewies, dass er den Ärger wert war. Natürlich hatten sie damals noch keinen Namen; sie waren einfach als »diese unzuverlässigen, herzlosen Mistkerle« bekannt, die zu gute Krieger waren, um entlassen zu werden, aber ein zu großes Ärgernis, um einen armen Kommandeur zu zwingen, sie ertragen zu müssen, während er gleichzeitig versuchte, große Mengen von anderen Drachensoldaten in einem hitzigen Gefecht zu lenken.

In der Armee der Drachenkönigin war ein Drachenkrieger, der keine Befehle befolgte, eine gefährliche Belastung. Doch bei den Mì-runach, wo jemandes Stärken zu seinem Vorteil genutzt wurden, war so ein Soldat ein nützlicher Diener der Königin. Denn die Mì-runach erledigten, was viele andere nicht taten. Es hatte eine Weile gedauert, bis Éibhear herausgefunden hatte, was sie ausmachte – sie waren ein Todesschwadron.

Wie sie es gerade mit den Stachlern getan hatten, schlichen sich die Mì-runach im Schutz der Nacht an und schlachteten Soldaten in ihren Höhlen ab. Oder sie gruben sich in den Boden ein und schlugen mitten im Kampf zu, töteten die Anführer und dann, wenn nötig, auch den Rest der Armee. Viele Drachensoldaten in der Armee Ihrer Majestät fanden diese Art des Kampfes unehrenhaft. Doch für die Mì-runach galt: Wer brauchte Ehre, wenn es Bier gab? Und Pubs? Und Frauen zur Unterhaltung? Wer brauchte Dienstgrade, Befehle, Regeln und einen Haufen tägliche Aufgaben, wenn man den ganzen Tag schlafen und die ganze Nacht trinken konnte, bis man dazu aufgerufen wurde, das zu tun, was man am besten konnte?

Nicht Rang und Macht ließen die Mì-runach Tag für Tag, Nacht für Nacht in die Schlacht ziehen. Die Götter wussten, dass es nie um die Rangordnung gehen würde. Es war die Liebe zu Blut, Kampf und Zerstörung. Es war das Wissen, dass sie von den Feinden ihrer Königin gefürchtet wurden, denn diese hatten guten Grund dazu.

»Also?«, fragte Aidan der Göttliche, ein Goldener, dessen königliche Familie aus den Westlichen Bergen stammte.

»Wir brechen zu einem letzten Auftrag in den Nordländern auf.«

»Ach?«

»Aye. Den Sohn des Stachler-Anführers Jorgesson töten, denn der Junge scheint zu glauben, er könne den Platz seines Vaters einnehmen.«

»Was er wahrscheinlich für seine Pflicht hält, weil wir Jorgesson getötet haben.«

»Stimmt. Wenn wir mit dem Jungen fertig sind, machen wir uns auf den Weg in die Dunklen Ebenen. Angor will, dass ich eine Weile nach Hause zurückkehre.«

Aidan blinzelte und ließ den Drachen fallen, dem er gerade das Genick gebrochen hatte. »Nach Hause? Du?«

»Warum sagst du das so? Du bist länger von deiner Sippe fort als ich.«

»Ich hasse meine Sippe genauso, wie sie mich hasst.« Aidan rammte die Faust in den am Boden liegenden Stachler, obwohl das eigentlich nicht nötig war. »Du scheinst deine zu mögen, aber ich bin mir nicht sicher, ob nach Hause zurückzukehren das besser oder schlechter macht.«

»Ich mag sie wirklich.« Éibhear dachte einen Augenblick darüber nach. »Na ja, die Frauen. Ich mag die Frauen … hauptsächlich.«

Uther der Verabscheuungswürdige, ein launischer Brauner aus den Bergen in der Nähe der Hafenstädte, knurrte mit finsterem Blick – was er bei den meisten Themen tat: »Und was tun wir, während ihr glückliche Familie spielt?« Er knirschte mit den Reißzähnen und zog an den Beinen des Eislanddrachen, den er gepackt hatte. Dessen Geschrei dabei war ein klein wenig unangenehm. »Uns einem anderen Trupp anschließen?«

»Nach dem, was ihr beim letzten Mal angestellt habt?«, fragte Éibhear.

»Das war nicht meine Schuld!«, widersprach Caswyn der Schlächter wieder einmal. »Er hätte nicht versuchen sollen, mich herumzuschubsen. Ich stamme vielleicht nicht aus einer schicken Königsfamilie wie du und der Schönling da drüben …«

Aidan grinste. »Ich bin ja so unwahrscheinlich gut aussehend.«

»… aber das heißt nicht, dass mich irgendein roter Mistkerl einfach so herumschikanieren kann.«

»Mit herumschikanieren«, unterbrach Éibhear ihn, »meinst du, dich zu bitten, deinen Job zu machen?«

»Mir gefiel sein Tonfall nicht, okay?«

»Also hast du ihm die Arme ausgerissen.«

Caswyn senkte den Kopf und breitete drohend die schwarzen Flügel aus. »Dein Ton gefällt mir auch nicht.«

»Ja, aber du hast schon mal versucht, Éibhear die Arme auszureißen«, erinnerte ihn Uther. »Du lagst wochenlang im Koma.«

»Es war eher eine tiefe Ruhe.«

Éibhear verdrehte die Augen und sagte: »Ihr kommt alle mit mir.«

Uther riss den Kopf hoch. »Werden deine Schwestern auch da sein?«

Éibhear imitierte seinen eifrigen Tonfall und antwortete prompt: »Ja, werden sie! Und mein Vater auch!«

Uthers freudiger Gesichtausdruck fiel in sich zusammen. »Oh.«

Nachdenklich strich sich Aidan übers Kinn, während er mit der Hinterklaue gegen den Kopf des Stachlers boxte, der vor ihm lag. Eigentlich war das immer noch nicht nötig, denn dieser Stachler war bereits ziemlich tot. »Wie kommt es, dass dein Vater kein Mì-runach wurde? Er scheint mir skrupellos genug zu sein.«

»Oh, das ist er auch«, stimmte Éibhear zu. »Aber er kann Befehle ausführen.«

»Ach sooo«, sagten die anderen.

»Wenn wir also mit dir gehen«, fragte Caswyn, »was tun wir dann dort?«

Éibhear zuckte die Achseln. »Es ist die Insel Garbhán. Es gibt zu trinken und Muschis. Was braucht ihr sonst?« Garbhán war das Machtzentrum der menschlichen Königin der Südländer, Annwyl der Blutrünstigen. Als verrückte Monarchin und Gefährtin von Éibhears ältestem Bruder Fearghus wurde Annwyl gleichermaßen geliebt und gehasst, aber für Éibhear war sie inzwischen einfach eine seiner Schwestern.

»Nichts«, sagte Uther. »Das macht mich traurig.«

»Aber zuerst kümmern wir uns um den Stachler-Anführer in den Nordländern.«

Sein Trupp ächzte.

»Was ist?«

»Ich habe so genug von Schnee und Eis«, beschwerte sich Caswyn. »Ich habe genug von Rot- und Weißtönen. Ich will mal wieder Gras sehen. Und Bäume. Vögel, die keine Krähen sind.«

»Wir werden nicht lange in den Nordländern bleiben. Nur lang genug, um ein bisschen zu töten. Ihr tötet doch gerne. Schon vergessen?«

»Nein. Aber du scheinst vergessen zu haben, dass die Nordländer dich hassen«, erinnerte ihn Aidan.

»Nicht mehr als die Eisländer.«

»Nur, weil du in den letzten zehn Jahren nicht dort warst. Glaub mir, wenn du dort gewesen wärst, würden sie dich nur noch mehr hassen.«

»Ich will meine Schwester Keita sehen. Soweit ich weiß, ist sie immer noch mit Ragnar in den Nordländern.«

»Ein bisschen Eleganz unter den Barbaren«, seufzte Aidan. »Ich schätze, das ist wohl etwas wert.«

»Also, macht die hier noch vollends fertig«, sagte Éibhear mit einer Geste zu den Stachlern hin, die versuchten, davonzukriechen. Daran musste er mit seinem Team wirklich noch arbeiten. Sie verkrüppelten, folterten manchmal und töteten dann, aber das Verkrüppeln und Foltern war einfach zeitintensiv. Sie mussten schneller töten, damit sie schneller zum Trinken und zu den Frauen übergehen konnten. Ehrlich, man sollte meinen, das wüssten sie von selbst. »Dann gehen wir los.«

Éibhear drehte sich um und sah einen Stachler mit einem Soldaten der anderen Trupps kämpfen. Er zog sein Schwert und ging hinüber, um zu helfen. Aidan holte ihn ein.

»He«, sagte sein Freund.

»Was denn?«

»Du weißt, was zu Hause auf Garbhán vielleicht auf dich wartet, oder?«

»Die liebende Warmherzigkeit meiner Mutter, die Bewunderung meines Vaters und die Fürsorge meiner lieben Brüder?«

»Kannst du mal aufhören, Witze zu machen?«

Éibhear kicherte, dann rammte er dem Stachler das Schwert in die Seite. Da sie diese verfluchten Stacheln hatten, die sich von oben auf dem Kopf die Wirbelsäule entlang bis zur Schwanzspitze zogen, war dies eine einfachere Art, einen Eislanddrachen anzugreifen. Er drehte die Klinge, während er seine freie Klaue benutzte, um den Eisländer seitlich am Hals niederzudrücken.

Als der Drache seinen letzten Atemzug tat, zog Éibhear sein Schwert heraus, nickte seinem Truppenführer-Kollegen zu und wandte sich dann an seinen Freund. »Ja. Ich weiß, was dort vielleicht auf mich wartet.«

»Und?«

»Und nichts. Das war vor langer Zeit … für einen Menschen. Abgesehen davon habe ich mich entschuldigt.«

Aidan runzelte die Stirn. »Wann? Du hast sie seit fast zehn verdammten Jahren nicht gesehen.«

»Weißt du nicht mehr? Ich habe ihr einen Brief geschickt.«

»Oh. Der Brief. Richtig.« Aidan blickte in die Ferne. »Ja. Ich erinnere mich. Der Brief.«

»Sie hat mir nie geantwortet. Unhöfliche Kuh.«

»Ja. Unhöflich.«

»Aber ich bin mir sicher, sie ist drüber weg. Da war einiges an Speichelleckerei in dem Brief. Das mag sie.«

»Da bin ich mir sicher.«

»Also gibt es keinen Grund zur Sorge.« Éibhear klopfte seinem plötzlich sehr still gewordenen Freund auf die Schulter. »Wir gehen hin. Wir verbringen ein bisschen Zeit mit meiner Sippe. Dann ziehen wir durch jeden Pub zwischen der Insel Garbhán und den Westlichen Bergen und treffen uns dort wieder mit Angor und den anderen Trupps. Das wird ein hübscher Urlaub, den wir uns redlich verdient haben.«

Endlich schaute Aidan ihn an. »Aber zuerst in die Nordländer?«

»Zuerst in die Nordländer. Wir kümmern uns für diese armseligen Blitzdrachen-Bastarde um den neuen Stachler-Anführer.«

»Dürfen wir die Nordländer Blitzdrachen-Bastarde nennen, wenn wir sie treffen? Ich bin mir sicher, sie würden es lieben.«

»Dann melde ich mich bei Keita, bevor wir in den Süden aufbrechen.«

»Solange wir noch in den Nordländern sind? Bist du sicher, dass das schlau ist?«

»Ach, komm schon!« Éibhear wischte die Sorge seines Freundes mit einer Handbewegung weg. »Das ist ewig her! Ich bin sicher, Ragnar hat mir inzwischen verziehen.«

»Klar«, schnaubte Aidan. »Ganz bestimmt.«

»Wir fordern euch heraus«, rief der Anführer der Stachler, die strahlend weißen Flügel ausgebreitet. Seine weißen Stacheln führten vom Kopf aus den Rücken entlang bis zur Schwanzspitze. Die silberweißen, wie eine Pferdemähne geflochtenen Haare reichten bis zum Boden. »Lasst es uns jetzt entscheiden und es beenden.«

So war es vereinbart worden. Der Beste der Stachler gegen ihren Besten. Doch von Ragnars Spionen waren ihnen Gerüchte zugetragen worden, dass all das nur eine einfallsreiche List war. Der Plan des jungen Anführers war, die Nordländer glauben zu lassen, der Krieg sei vorbei, damit sie nach Hause gingen, während seine Soldaten und die Legion eines anderen Stachlers unbehelligt über die Gebietsgrenzen in die Nordländer kommen konnten. Denn im Gegensatz zu den Stachlern bedeutete die Ehre für die Nordlanddrachen alles.

Und es stimmte. Am wichtigsten war die Ehre, aber nicht die Dummheit. Ragnar hatte seine Kontakte in den Eisländern schon benachrichtigt, damit sie die zweite Armee mit allen Mitteln davon abhielten, auf ihr Gebiet vorzudringen. Zu wissen, dass das erledigt wurde, erlaubte es ihm, den Zweikampf zu genießen, der sich gerade vor ihm abspielte.

Ragnar studierte den Drachen, dem sich sein Kämpfer stellen musste. Er war größer als alles, was Ragnar je gesehen hatte, locker so groß wie zwei Burgen. Um den Hals trug er eine Kette aus Schädeln von kleineren Drachen, und seine Schuppen hatten sich zu einer höchst eigenen Rüstung verhärtet. Das Geräusch seines schweren Atems ließ die Bäume in der Nähe zittern. Ragnar war sich nicht einmal sicher, ob der Drache überhaupt noch fliegen konnte. Dieses ganze Gewicht, kombiniert mit der Steifheit seiner Schuppen …

»Ihr Götter«, flüsterte Ragnars Cousin Meinhard neben ihm. »Das ist ein Kannibale.«

»Ein was?«, fragte Ragnars Bruder Vigholf.

»Ein Kannibalendrache«, präzisierte Ragnar. »Er frisst seine eigene Art. Deshalb sieht er so aus.«

Der Kannibale stieß seinen Kampfspeer und zielte auf die Schulter ihres Kämpfers. Es lag große Kraft in der Bewegung. Genug, um ein Loch in einen kleinen Berg zu reißen. Die Lanze blitzte im Licht der frühen Morgensonnen auf, als der Kämpfer sie mit der Klaue auffing und festhielt.

Der Kannibale zog daran, um sie ihm zu entwinden. Er wurde ärgerlich und brüllte. Dann hielt er die andere Klaue auf, und jemand warf ihm ein Schwert zu. Er fing es und schwang es nach dem Hals seines Gegners. Doch auch die Klaue mit dem Schwert wurde abgefangen und festgehalten.

Es war ein Machtkampf, als beide Drachen versuchten, sich gegenseitig zurückzudrängen, keiner von beiden gab nach. Doch der Kannibale hatte keine Geduld; er beugte sich vor und öffnete das Maul. Der andere Kämpfer wartete nicht ab, was der Kannibale vorhaben mochte. Er entfesselte seine eigene Flamme zuerst; der Strom traf den Kannibalen tief in der Kehle und nahm ihm die Luft. Er ließ seine Waffen los und taumelte rückwärts.

Der Kämpfer ließ die Waffen fallen und griff nach seinen eigenen: einer Streitaxt und einem Kriegshammer. Er setzte beide gleichzeitig ein und ging auf den Kannibalen los, bevor der eine Chance hatte, sich wieder zu erholen. Der Hammer traf ihn als Erstes, rammte in seinen Kopf und warf ihn um. Die Axt folgte, griff auf derselben Seite an, traf seine Schulter. Der Schlag warf den Kannibalen vollends zu Boden und begrub dabei mehrere andere Drachen unter ihm.

Der Kämpfer flog zu ihm hinüber, landete und bearbeitete ihn gleichzeitig mit Axt und Hammer, hauptsächlich im Gesicht, an Hals und Brust, bis der Kannibale wütend brüllte, aufstand und den Kämpfer abwarf. Er rappelte sich auf, während sein Gegner rückwärtskrabbelte und versuchte, ihm auszuweichen.

Tief Luft holend, öffnete der Kannibale wieder das Maul, wollte seine natürliche Waffe einsetzen.

»Schilde!«, brüllte Vigholf, und sie hoben alle ihre Schilde oder duckten sich hinter den eines Kameraden.

Ragnar sah zu, wie der Kannibale weder Blitze noch Flammen oder Wasser, noch eine der anderen Waffen entfesselte, die jeder Drache in sich hatte – sondern Säure. Der einzige andere Drache, dessen natürliche Waffe Säure war, war der unsterbliche Drache. Die Unsterblichen hatten ihre Waffe von den Göttern bekommen, doch man sagte, dass diejenigen, die ihresgleichen fraßen, mit Säure als Waffe geschlagen wurden. Magensäure.

Die Säure spritzte, Schilde zischten, wenn der harte Stahl getroffen wurde, und eine große Kugel Säure raste auf den Kämpfer zu.

Der packte einen Schild und hob ihn, um Gesicht und Brust zu schützen, doch die Wucht der Säure drängte ihn rückwärts und brannte sich durch das Metall. Er ließ den Schild fallen, hob den Blick und griff den Kannibalen erneut an. Doch plötzlich hielt er inne: Ein anderer Drache, gekleidet in Pelz, wie es bei den Eisländern üblich war, ließ sich zwischen ihren Kämpfer und den der Stachler fallen.

Ragnar schaute von seinem Bruder zu seinem Cousin, doch sie schienen auch nicht zu wissen, was vor sich ging.

»Die Falle?«, fragte Vigholf.

Wenn es so war, war es eine sehr unausgereifte Falle. Ragnar hatte immer noch eine vollständige kampfbereite Armee da draußen.

Der Kannibale öffnete das Maul, um noch mehr Säure zu spritzen, doch der mysteriöse Drache, der wie ein barbarischer Eisländer gekleidet war, drehte sich plötzlich um und griff an. Er rammte seinen Speer ins offene Maul des Kannibalen, sodass dieser seine Säure nicht mehr spritzen konnte – zumindest im Moment nicht.

Der Fremde schlug den Kannibalen mit seinen bloßen monströsen Unterarmen in Lederstulpen nieder. Dann hob er eine riesige Stahlaxt in einer fließenden Bewegung hoch über den Kopf und ließ sie mit Macht auf den massiven Hals des Kannibalen niedergehen, sodass sie dessen dicke Schuppen durchschlug. Und er hackte weiter, bis er den Kopf vom Rückgrat getrennt hatte.

Der Fremde hob den Kopf an den Haaren hoch, hielt ihn in die Luft und drehte sich damit einmal langsam im Kreis, damit alle ihn gut sehen konnten. Dann warf er ihn vor den Klauen der verbliebenen Stachler auf den Boden und kicherte, als der Kopf vom Boden abprallte und den Anführer der Stachler an der Schnauze traf.

Der Fremde wandte sich von den Stachlern ab, drehte sich zu Ragnar und den seinen um. Mit den Krallen strich er sich die Kapuze des Fellumhangs vom Kopf und gab geflochtene blaue Haare frei, in die Lederstreifen und Stücke von Tierknochen eingeflochten waren. Genau wie es die Eisländer trugen.

»Vielleicht will dieser Eisländer zu uns überlaufen«, sagte Vigholf. »Nicht dass ich es ihm verübeln könnte … Hat er diese Knochen absichtlich in den Haaren?«

»Ich glaube schon. Vielleicht hat es was mit Mode zu tun. Wie bei Keita und ihren Kleidern.«

»Vielleicht zwingen einen die Eisländer, Knochen in den Haaren zu tragen.«

Der Eisländer kam auf Ragnar zu und blieb stehen. »He.«

Überrascht von dem vertraulichen Ton, runzelte Ragnar die Stirn, fing aber eilig Meinhards Arm ab, damit dieser nicht seine Streitaxt zog und dem Eisländer für Unhöflichkeit gegenüber dem obersten Drachenlord den Kopf abhackte.

»Ja?«, fragte Ragnar.

»Wo ist meine Schwester?«

Ragnar runzelte wieder die Stirn. »Woher bei allen Höllen soll ich das wissen?«

Der Eisländer blinzelte. »Was hat sie getan? Dich verlassen?« Er zuckte die Achseln. »Na ja … du hast es länger ausgehalten als die meisten anderen.«

Vollkommen verwirrt und verärgert ließ Ragnar den Arm seines Cousins los, damit Meinhard dem Kerl den Kopf abschlagen konnte und sie diesen blutigen Kampf mit den verdammten Stachlern beenden und endlich wieder zu ihrer beschissenen Tagesordnung übergehen konnten. Doch eine weibliche Stimme hinter ihm hielt Meinhard zurück.

»Éibhear?«

Ragnar warf einen Blick nach hinten zu Rhona der Furchtlosen, Vigholfs Frau, die durch die Menge der Soldaten kam und dabei den Helm abnahm, den sie, die Hauptschmiedin, sich selbst gemacht hatte. Die meisten Schmiede nahmen nicht an den Schlachten teil, doch Rhona war so eine verdammt gute Soldatin, dass Ragnar sich nicht beschwerte. Vigholf sicher auch nicht – er würde sich hüten.

»Éibhear ist hier?«, fragte Vigholf. »Wo?«

Sie deutete auf den Eisländer. »Na, da.«

Erschüttert bis ins Mark sah Ragnar erst seinen Bruder an, dann seinen Cousin … und dann den Jungen. Den nutzlosen, lächerlichen, liebeskranken Jungen, den sie zuerst nicht ernst genommen, dann kurzzeitig respektiert und danach nicht mehr hatten ertragen können, bis der Vater des blauen Drachens ihn zu irgendeiner anderen Einheit innerhalb der Armee der Drachenkönigin abkommandiert hatte.

Mit offenem Mund schüttelte Vigholf den Kopf, und Meinhard murmelte: »Das kann nicht sein!«

»Éibhear?«, fragte Ragnar wieder.

»Ja. Meine Schwester?«, drängte der.

»Was?«

»Keita? Erinnerst du dich an sie? Ihr Götter, wie lange ist es her, dass sie dich verlassen hat?«, schnauzte er, was Ragnar schon wieder ärgerte. Dieser unhöfliche Welpe!

»Sie hat mich nicht verlassen, du nichtsnutziger kleiner Sch…«

»Wo ist sie dann?«

Vigholf, dem immer noch der Mund offen stand, deutete in Richtung der Berge, wo sie Keita mit einem Bataillon Soldaten zu ihrem Schutz zurückgelassen hatten.

»Gut.« Éibhear sah sich um. »Mì-runachs – folgt mir.« Er ging in die Menge der Nordlandsoldaten und klopfte Rhona im Vorbeigehen auf die Schulter. Ragnar sah ihm lange nach, bis ein weiterer nach Art der Eisländer gekleideter Feuerspucker vor ihm stand. Dieser hielt ihm einen blutverschmierten weißen Drachenkopf hin. »Willst du den?«

Ohne nachzudenken, nahm Ragnar den Kopf des einstigen Anführers der Stachler und fragte sich, wann der junge Anführer umgekommen sein mochte, denn vor weniger als einer Minute war er noch ziemlich lebendig gewesen.

»Weißt du, was das Erschreckendste an alledem ist?«, fragte Vigholf, als er zur Seite trat, um den drei anderen Mì-runachs Platz zu machen, damit sie Éibhear folgen konnten.

»Was?«

»Seit wir ihn das letzte Mal gesehen haben, ist dieser blaue Mistkerl tatsächlich noch größer geworden!«

Keita lag auf dem Boden ausgestreckt, ein Buch über Gifte vor sich. Sie ging jedes einzelne durch, auf der Suche nach dem besten, um die Wasserversorgung der Stachler zu vergiften. Sie sehnte sich nach einem kleinen Urlaub in der Wärme ihrer Heimat in den Südländern, aber diese ständigen Kämpfe mit diesen lächerlichen Eisländern machten das unmöglich. Diese Typen aus dem Norden! Alles, was sie taten, war kämpfen! Ständig! Es war wie die ganze Zeit mit ihrer Cadwaladr-Sippe zusammenzuleben!

Sie blätterte noch eine Seite um. »Oooh«, seufzte sie, als sie eine Wurzel sah, die vielleicht perfekt für ihre Zwecke war. Doch bevor sie weiterlesen konnte, hörte sie einen der Soldaten, der ihre Höhle bewachte, einen Warnruf abgeben, dann Kampfgeräusche.

Keita kam eilig auf die Klauen und hob ein bisschen Rinde vom Boden auf. Wenn nötig, konnte sie sie einem Drachen ins Maul stopfen und ihn rasch erledigen.

Ein Eislanddrache kam durch den Höhleneingang spaziert.

»Keita«, sagte er mit unbeschreiblich tiefer Stimme. Sie war schockiert, dass er ihren Namen kannte.

Der Drache kam auf sie zu, doch sie hob rasch ihre leere Klaue, um ihn zu stoppen. »Du wirst mich niemals lebend kriegen!« Dann dachte sie kurz über diese Erklärung nach und fügte hinzu: »Na gut. Du kannst mich natürlich lebend mitnehmen. Aber versuch bitte, mein Gesicht nicht zu beschädigen, das ist das Wichtigste.« Sie senkte den Kopf ein wenig und schaute ihn durch gesenkte Wimpern an. »Oder diese hübschen Reißzähne.« Dann lächelte sie.

Der Drache drehte sich mit einem Ausdruck des Ekels auf dem Gesicht von ihr weg. Zumindest sah es wie Ekel aus. Schwer zu sagen bei all den blauen Haaren in seinem Gesicht. Moment mal … Sollten diese Haare nicht weißer sein? Oder silbern? Oder etwas, das leicht mit der schneebedeckten Landschaft der Eisländer verschmolz?

»Ich bin’s, du kleine Idiotin«, sagte der Eindringling.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich kann mit aller Ehrlichkeit sagen, dass ich noch nie einen Eisländer gevögelt habe. Und ich werde auch jetzt nicht damit anfangen!«

Der Eindringling schloss die Augen und seufzte lang und tief. »Ich bin’s … Éibhear.«

»Éibhear wer?«

Er warf sein Schwert hin. »Dein Bruder!«

Langsam ließ Keita die Arme sinken und starrte den Drachen vor sich mit offenem Mund an. Dann brach sie in ein Gelächter aus, das die Höhlenwände zittern ließ.

»Wie kannst du deinen eigenen Bruder vergessen?«

»Gib nicht mir die Schuld!«, wehrte sich Keita unter hysterischem und, um ehrlich zu sein, ziemlich nervigem Gelächter. »Wie hätte ich dich erkennen sollen, wenn du aussiehst wie der niedrigste Barbar seit Drachen- und Göttergedenken?«

»Ich war zehn Jahre lang in den Eisländern, du versnobte Kuh! Ich musste mich anpassen!«

»Tja … das ist dir gelungen.«

Angewidert wandte sich Éibhear zum Gehen. Es tat ihm leid, dass er überhaupt hergekommen war. Doch bevor er mehr als einen Schritt machen konnte, schnappte Keita ihn am Arm und hielt ihn auf.

»Es tut mir leid.« Auch wenn sie immer noch lachte. »Es tut mir leid.« Sie kam um ihn herum und schlang die Arme um seinen Oberkörper. »Ich freue mich so, dich zu sehen!«

»Ehrlich? Das war nicht besonders gut zu erkennen.«

»Du bist ziemlich gewachsen, kleiner Bruder.« Sie neigte den Kopf zurück, damit sie zu ihm aufschauen konnte. »Meine Arme reichen nicht einmal um dich herum! Du bist gigantisch!«

»So groß dann auch wieder nicht.«

»Hoffentlich hast du endlich aufgehört zu wachsen, sonst könntest du irgendwann die ganze Welt bedecken, mein schöner, majestätischer Bruder.«

»Du kannst mich mit deinen Zentaurenmist-Plattitüden nicht täuschen«, brummelte er, während er trotzdem die Arme um sie legte und sie fest umarmte. »Egal, wie lieb du tun magst. Ich kenne die Wahrheit über Keita die Schlange.«

»Natürlich. Du bist ein Prinz der mächtigsten Drachen der Erde. Nichts Geringeres würde ich von dir erwarten.« Sie lehnte den Kopf an seine Schulter und seufzte. »Also … was führt dich her?«

»Bin hergekommen, um so einen Kannibalendrachen aus den Nordländern zu töten, da dachte ich, ich kehre ein bisschen nach Hause zurück. Dort war ich nämlich eine ganze Weile nicht.«

Er fühlte, wie sich seine Schwester anspannte. »Du gehst nach Hause? Jetzt?«

»Aye.«

»Hm.« Sie löste sich von ihm und ging um ihn herum. »Weiß Mutter das? Oder Fearghus und die anderen?«

»Nein. Warum?«

»Ach … na ja, ich glaube, es gibt da einen sehr wichtigen Auftrag, für den sie dich brauchen.«

»Was für ein Auftrag?«

»Ich kenne nicht alle Einzelheiten, aber ich bin sicher, ich kann es herausfinden. Ich glaube, darum musst du dich erst kümmern, bevor du nach Hause zurückkehrst.«

»Wirklich?« Éibhear drehte sich langsam um seine eigene Achse, damit er seine Schwester im Blick behalten konnte.

»Aye. Es tut mir leid, Schatz. Ich weiß, wie gern du nach Hause und alle wiedersehen willst. Ich bin mir sicher, dieser Auftrag ist ganz schnell erledigt.«

»Was glaubst du, wie lange?«

»Zwei … drei Wochen höchstens. Dann kannst du nach Hause und wir alle können Zeit zusammen verbringen.«

»Du lügst, Keita.«

Keita schnappte nach Luft und wirbelte zu ihm herum. »Éibhear! Wie kannst du so etwas zu mir sagen! Zu mir!«

»Weil ich weiß, wann du lügst. Und du lügst. Es gibt keinen Auftrag. Wenn es so wäre, hätte mir mein Kommandeur davon erzählt. Also ist meine Frage: Warum willst du nicht, dass ich nach Hause gehe? Nach zehn verdammten Jahren?«

»Natürlich will ich, dass du nach Hause gehst. Geh doch! Ignoriere deine Pflichten. Ich bin sicher, alle werden sehr glücklich sein, dich zu sehen, kleiner Bruder.«

Éibhear verschränkte die Arme vor der Brust und tippte mit einer Kralle seiner Hinterklaue auf den Boden. »Sag mir, Keita« – und er wusste selbst, dass er sie praktisch anflehte, so verdammt verärgert, wie er war – »sag mir, dass das nichts mit Izzy zu tun hat.«

»Was? Natürlich nicht! Allein die Frage ist schon lächerlich! Was sollte Izzy damit zu tun haben?«

Wieder wusste er, dass seine Schwester log. Das hatte alles mit Izzy zu tun.

Die kleine Izzy die Gefährliche. Jedenfalls hatte er das über sie gedacht, als er ihr zum ersten Mal begegnet war. Sie war damals gerade sechzehn gewesen. Hübsch, aber linkisch. Hatte nur aus langen Beinen und schlaksigen Armen bestanden. Sie war ein Kind gewesen. Noch schlimmer – seine Nichte. Nein. Nicht blutsverwandt. Aber sein Bruder hatte Izzys Mutter zur Gefährtin genommen, und die ganze Familie hatte sowohl Mutter als auch Tochter als eine der Ihren aufgenommen. Was kein Problem gewesen wäre, wenn Izzy einfach dieses linkische, schlaksige Kind geblieben wäre. War sie aber nicht. Sie war immer weitergewachsen und beinahe mit jedem Tag stärker und schöner geworden. Was wahrscheinlich auch kein Problem gewesen wäre, wenn seine Sippe das Ganze einfach auf sich beruhen lassen hätte.

Doch das hatte sie damals nicht getan, und es schien, als würde sie es auch heute nicht tun.

»Izzy?«, sagte Ragnar, der mit Meinhard und Vigholf die Höhle betrat. »Holt er sie für uns ab?«

Keita zuckte fast unmerklich zusammen, aber Éibhear nahm es wahr … und grinste.

»Oh, ich hole sie ab«, bot er eilig an, ohne zu wissen, wo bei allen Höllen die Frau sein könnte – und es interessierte ihn auch nicht im Geringsten.

»Nein, wirst du nicht!«, sagte Keita mit Panik in der Stimme.

Vigholf zeigte nach draußen. »Was hast du mit den Wachen gemacht, Junge?«

»Sie waren mir im Weg«, erklärte Éibhear, bevor er sich wieder auf seine Schwester konzentrierte. »Und warum sollte ich meine liebe Nichte nicht holen gehen?«

»Weil ich es dir sage.«

»Hast du den Wachen gesagt, wer du bist?«, fuhr Vigholf fort.

»Hatte keine Lust dazu. Und ich glaube nicht, dass ›Weil ich es dir sage‹ ein ausreichender Grund ist, mir zu verbieten, dir diesen Gefallen zu tun.«

Keita schaute Éibhear mit schmalen Augen an, und Éibhear erwiderte den Blick.

»Vielleicht hättest du sie einfach bitten können, bei deiner Schwester nachzufragen, bevor du sie angegriffen hast«, schlug Vigholf vor.

Mit einem Seufzen schrie Éibhear: »Aidan! Atmen sie noch?«

»Aye. Tun sie.« Die drei Mì-runach betraten die Höhle, und Aidan blieb im Durchgang stehen und lehnte sich mit der Schulter an die Wand. »Und sie haben noch alle Körperteile. Das ist ziemlich gut für uns.«

Éibhear schaute Vigholf an. »Jetzt zufrieden?«

»Nicht besonders.«

»Wir kümmern uns um meine Nichte. Ihr könnt einfach nach Hause gehen«, beharrte Keita.

Éibhear musste lachen. »Versuchst du wirklich, mich von ihr fernzuhalten? Nach all der Zeit?«

»Nicht nur ich, Bruder, und wir tun es in Izzys Interesse.«

»Ach, komm schon, Keita! Das ist lange her. Und ich habe mich entschuldigt.«

»Und wann hast du das getan? Du hast sie seit zehn Jahren nicht einmal gesehen!«

»Vor fünf Jahren habe ich ihr einen Brief geschrieben und mich entschuldigt.«

»Äh …«

Éibhear blickte über die Schulter zu Aidan. »Äh … was?«

Caswyn schaute Aidan an und fragte: »Du hast es ihm nicht gesagt?«

»Gesagt? Was gesagt?«

»Irgendwie war nie der richtige Zeitpunkt.«

»Wofür war nie der richtige Zeitpunkt? Was ist los?«

Aidan starrte Éibhear an und gab schließlich zu: »Wir haben deinen Brief verbrannt.«

Keita lachte erschreckt auf, als sich Éibhear zu seinen Kameraden umwandte.

»Was habt ihr getan?«

»Sei nicht sauer. Es war in deinem Interesse.«

»Wie sollte meinen Brief an Izzy zu verbrennen in meinem Interesse sein?«

»Wir hätten ihn stattdessen verschicken können.«

»Frauen hassen das«, fühlte Uther sich bemüßigt zu erklären. »Ein Brief. Wenn du es ihr nicht ins Gesicht sagen kannst, solltest du es bleiben lassen.«

»Also gehen wir sie abholen«, sagte Aidan und zwinkerte Éibhear zu. »Du kannst es ihr auf dem Weg nach Garbhán ins Gesicht sagen.«

Éibhear schaute wieder seine Schwester an. »Dann hole ich wohl Izzy ab. Damit wir reden können.«

Keita verdrehte die Augen. »Warum musst du sooo schwierig sein?«

»Das liegt in der Familie.«

»Die Entschuldigung zählt nicht mehr!«

Éibhear streichelte seiner Schwester die Wange. »Ich bin froh zu sehen, dass es dir gut geht, Schwester.« Er drehte sich um und ging zum Ausgang. »Wo finde ich Izzy?«

»Du findest sie in den Blathnat-Bergen, wo sie gegen die Oger kämpft«, antwortete Ragnar.

Éibhear blieb stehen und warf einen Blick zu dem Nordland-Drachenlord zurück. »Weil sie fragen wird … warum bringe ich Izzy zurück nach Garbhán?«

»Ich sage immer noch, dass du sie nicht …«, wollte Keita wieder protestieren, doch Ragnar hielt ihr mit der Klaue die Schnauze zu und nickte Éibhear zu.

»Gute Reise. Wir sehen uns in ein paar Tagen auf Garbhán.«

Éibhear bemerkte nicht nur, dass Ragnar seine Frage nicht beantwortete, ihm war auch irgendwie klar, dass der Blitzdrache sie niemals beantworten würde. Egal, wie oft er fragte. Warum also die Mühe? Stattdessen brach er auf, um Izzy zu suchen und zu tun, was er geglaubt hatte, schon vor fünf Jahren getan zu haben.

Als Éibhear und seine Entourage von gefährlichen Freunden endlich gegangen waren, schlug Keita die Klaue ihres Gefährten von ihrer Schnauze und wirbelte zu ihm herum. »Warum hast du das getan?«

»Ich sehe das Problem nicht, Keita.«

»Natürlich nicht!« Sie gestikulierte mit der Klaue zu den anderen Nordland-Idioten. »Keiner von euch tut das!«

»Wo will Éibhear hin?«, fragte Rhona, die gerade die Höhle betrat.

»Diese Idioten …«

Vigholf runzelte die Stirn. »Was meinst du mit ›diese Idioten‹?«

»… haben Éibhear losgeschickt, um Iseabail abzuholen!«

Rhona blieb stehen und wandte sich an Vigholf. »Was habt ihr?«

»Ich war das nicht! Es war Ragnar!«

Ragnar seufzte überdrüssig. »Deine Schwäche macht mich krank, Bruder.«

Vigholf zuckte die Achseln. »Ich tue, was ich tun muss, um den Tag zu überstehen.«

»Ihr!«, sagte Rhona schnaubend. »Ihr Nordländer vergesst gar nichts.«

»Keine Ahnung, wovon du sprichst, Rhona.«

»Es geht immer noch um diesen Cousin von euch, dem ein Flügel und die Hörner fehlen, oder?«

»Das war vor langer Zeit«, sagte Vigholf. »Daran würden wir uns nicht … festklammern.«

»Auch wenn es nett gewesen wäre, wenn er sich wenigstens entschuldigt hätte.«

»Ihr Mistkerle«, seufzte Rhona kopfschüttelnd. »Ihr … Mistkerle. Allesamt«

»Ich weiß nicht, wovon ihr redet«, knurrte Keita. »Und es ist mir auch egal. Ich kann nur nicht glauben, dass ihr alle so verdammt dämlich wart!«

»Der Junge ist kein Küken mehr, Keita«, argumentierte Ragnar. »Also ist mir nicht klar, warum du dich so benimmst, als wäre er noch eines.«

»Aber Izzy …«

»… ist definitiv kein Kind mehr. Also hör auf, sie vor deinem Bruder beschützen zu wollen.«

Keita setzte sich auf die Hinterbeine, verschränkte die Vorderbeine vor der Brust und sagte herausfordernd: »Und wie kommst du auf die Idee, dass es Izzy ist, die wir schützen?«

Die drei Nordlandmänner grinsten, und Ragnar meinte mit triefender falscher Unschuld: »Oh … war das deine Sorge?«

»Ich hab’s dir gesagt, Cousine«, seufzte Rhona und machte sich auf den Weg zu mehreren Kästen Bier. »Mistkerle. Alle miteinander.«

3

In Menschengestalt und in ihren Eisland-Fellumhängen, die ihre Gesichter sowie ihre Kettenhemden und Kettenhosen verbargen, standen die vier Mì-runach auf dem Bergrücken und überblickten das Tal zwischen einem Halbrund aus Bergen und einem ausgedehnten Wald, wo ein Kampf tobte.

»Ich wusste nicht, dass wir uns hineinkämpfen müssen«, beschwerte sich Aidan. »Ich hatte gehofft, wir kämen schnell rein und schnell wieder raus.«

»Heute nicht.«

Ein Kampfschrei erklang neben ihnen.

Uther drehte sich um und schlitzte den Soldaten auf, der auf sie zugerannt kam. Dann warf er den Leichnam ein paar Fuß hinter sich.

Éibhear seufzte. »Das war einer von Annwyls Männern.«

»Oh.« Uther zuckte die Achseln. »Entschuldigung.«

»Annwyls Soldaten tragen Rot und Silber. Die Feinde sind Oger, was bedeutet, dass ihre Haut verschiedene Grüntöne besitzt und sie nicht menschlich sind. Es dürfte also nicht allzu schwer sein, sie auseinanderzuhalten.«

»Warum kämpfen sie gegen die Oger?«, fragte Caswyn.

»Annwyl musste einmal in einem Grubenkampf gegen Oger kämpfen. Jetzt hasst sie Oger.«

»Interessante Frau, eure Menschenkönigin.«

Éibhear ging ein Stück, bis er einen Pfad fand, der den Berg hinunter direkt in den Kampf hinein führte. Während sie gingen und sich dabei nur in das Getümmel verwickeln ließen, wenn sie bedroht wurden, fragte Aidan ihn: »Und welche ist die berühmte Izzy?«

»Siehst du das nicht?«

»Ich sehe es.« Caswyn blieb stehen und zeigte auf eine Kriegerin auf einem schwarzen Ross, deren Schwert aufblitzte, während sie den Männern um sich herum Befehle gab.

Aidan lachte. »Du liegst ganz falsch.«

»Warum? Sie sieht wie eine richtige Soldatin aus, die die Armee ihrer Königin in die Schlacht führt.«

»Das ist das Problem. Éibhear war nie an Leuten interessiert, die ›das Richtige‹ tun.«

»Wer dann?«

Aidan blickte über das Schlachtfeld, dann lächelte er und streckte den Arm aus. »Sie.«

Alle schauten in die Richtung, in die er deutete, doch Éibhear konnte nichts weiter sehen als eine Gruppe von Ogern, die mit ihren Knüppeln auf etwas einprügelten. Dann folgte ein Schrei, und ein Schild tauchte aus der Mitte dieser Oger auf und drängte sie zurück. Und inmitten all dieser grünen Haut stand sie auf. Aufrecht und stolz. Nicht mehr das junge Mädchen, das er vor so vielen Jahren kennengelernt hatte, auch nicht die junge Soldatin, die er zurückgelassen hatte.

Jetzt war sie etwas anderes. Narbenübersät, zerschrammt und blutverschmiert drückte sie ihr Langschild nach vorn und warf damit noch ein paar mehr Oger um, die ihr im Weg waren. Von links griff ein Oger an. Izzy hob den Arm und fing den Knüppel ab. Knurrend entriss sie dem Oger seine Waffe, wandte sich zu ihm um und trat ihn in den Leib. Der Schild wurde ihr entrissen, doch so hatte sie nur die Hände frei, um den Knüppel mit beiden Händen zu packen. Sie schwang ihn und warf einen Oger um; dann hob sie den Knüppel an und drehte ihn, sodass der spitzenbewehrte Kopf der Waffe auf das Gesicht des Ogers niederging.

Mit einem Schrei riss sie den Knüppel aus seinem Schädel und wandte sich einem weiteren Angreifer zu. Da sah Caswyn Éibhear an. »Ja. Aidan hat recht. Das muss sie sein.«

Iseabail, Tochter von Talaith und Briec, menschliche Prinzessin des Hauses Gwalchmai fab Gwyar durch Heirat und Generalin der achten, vierzehnten und sechsundzwanzigsten Legion von Annwyl der Blutrünstigen, Königin der Insel Garbhán und der Dunklen Ebenen, duckte sich unter einem Steinbeil hindurch, das nach ihrem Kopf zielte, und schwang die Keule in ihren Händen zwischen den Beinen des Ogers nach oben, der versuchte, sie zu töten.

Er quiekte und sank auf die Knie. Izzy riss die spitzenbewehrte Keule mit einer Drehung aus dem Körper des Ogers, dann ließ sie sie auf seinen Kopf niedersausen, der sich jetzt eher auf ihrer Höhe befand.

Schon seit zwei Monaten war es ein blutiger, unschöner Kampf, doch Izzy hoffte auf ein baldiges Ende, denn sie glaubte, dass sie jetzt die Chance hatte, den Anführer der Oger zu erwischen. Wenn er erst tot war, würde der Rest der Armee zerfallen.

Sie erledigte den nächsten Oger, duckte sich unter einem weiteren Steinbeil weg und zerschmetterte mit einem wohlplatzierten Tritt eine Kniescheibe – alles in der Hoffnung, den verdammten Anführer der Oger zu finden.

»Iz!«

Izzy hörte den Warnschrei ihrer Drachencousine und konnte rechtzeitig dem Oger ausweichen, der sie von hinten angriff, doch die Klinge seines Steinbeils streifte ihren Arm. Die Wunde begann fast sofort zu bluten, und sie wusste, sie würde genäht werden müssen. Doch sie weigerte sich, jetzt weiter darüber nachzudenken. Nicht jetzt, wo sie den Oger-Anführer endlich in Sichtweite hatte. Sie sah ihn in ungefähr zehn Metern Entfernung. So nah.

Izzy wirbelte herum, schwang die Keule und hieb sie dem nächsten Mistkerl in den Hals, der versuchte, davonzulaufen. Er fiel mit dem Gesicht voraus hin, und Izzy zog ihr Schwert und rammte es ihm in den Hinterkopf.

»Izzy.«

Sie hörte wieder ihren Namen, diesmal von einer ganz anderen Stimme als der ihrer Cousine Branwen, doch sie musste es ignorieren, denn sie wurde schon wieder angegriffen. Ihr Götter, hörte der Strom dieser Oger denn nie auf?

Sie wehrte die Steinkeule, die auf ihr Gesicht zielte, mit der Keule ab, die sie selbst noch in der Linken hielt, und schlitzte mit dem Schwert in der Rechten dem Oger die Schlagadern an den Innenseiten der Schenkel auf. Dann wirbelte sie herum, hieb mit dem Schwert zu, schnitt eine Kehle durch, wirbelte wieder herum und holte aus, doch ihre Klinge wurde von einer unanständig großen Streitaxt gestoppt. Sie wusste, diese Waffe gehörte keinem Oger. Diese benutzten nur Waffen aus Stein, die oft grob behauen waren – wenn auch tödlich. Dies hier war eine gut gemachte Waffe, die ein echter Schmied hergestellt hatte.

Also konzentrierte sich Izzy mit der Keule auf die Knie ihres Gegners. Der schwere Stein traf, und aus dem schweren Fellumhang, der Gesicht und Körper des Axtschwingers verdeckte, drang ein wütendes Knurren.

»Izzy! Hör auf!«

Sie ignorierte den Befehl und schwang erneut das Schwert. Eine große, behandschuhte Hand wurde ausgestreckt und schob sie zurück.

»Götterverdammt, Izzy! Ich bin’s!« Er riss sich die Kapuze vom Kopf, dass sein schönes Gesicht und die dunkelblauen Haare zum Vorschein kamen. Einige waren mit Lederstreifen, Federn und kleinen Tierknochen zu Zöpfen geflochten. »Éibhear!«

»Ja«, antwortete Izzy geradeheraus. »Ich weiß.«

Dann holte sie aus und schleuderte ihr Schwert frontal auf seinen Kopf zu.

Éibhear wusste, dass die Leute wegen seiner Größe glaubten, er sei recht langsam. Schwerfällig war ein Wort, das er oft von Leuten hörte, die ihn nur stehen sahen. Doch in dem Augenblick, als er das Kurzschwert auf sich zukommen sah, geworfen von einer Frau, die eindeutig wusste, was sie tat, war Éibhear so dankbar wie nie zuvor, dass die Leute sich irrten. Er war schnell. Sehr schnell. Und es war diese Geschwindigkeit, die Fähigkeit, sich blitzschnell fallen zu lassen, die ihm das Leben rettete.

Als er auf den Boden traf, blickte er auf und sah, dass Izzy auf ihn zugerannt kam. Er wusste nicht recht, ob sie ihm den Rest geben oder ihn einfach zusammentreten wollte, doch der Gedanke, sie wegzuschlagen oder mit seiner Flamme zu rösten, kam ihm – dummerweise – nicht in den Kopf.

Es würde ihm immer ein Rätsel bleiben, warum.

Als Izzy ihn erreichte, riss sie ihm sein Kurzschwert aus dem Gürtel, sprang wieder auf und landete mit einem Fuß auf seiner Schulter. Dort stieß sie sich ab, sprang hoch und drehte sich in der Luft. Éibhear wandte sich um und sah zu, wie Izzy das Schwert reckte, das die meisten Menschenmänner nicht einmal anheben konnten, und es in den zwei Meter siebzig großen Oger rammte, der hinter Éibhear stand. Er war so auf Izzy konzentriert gewesen, dass er den großen Kerl, der einen menschlichen Schädel an einer Kette um den Hals trug, nicht einmal bemerkt hatte.

Doch selbst mit einem Schwert im Kopf war der Oger nicht tot. Er knurrte und schnappte nach Izzy, während sie dort hing, und da sagte sie etwas zu dem grünen Bastard. Éibhear hatte keine Ahnung, was sie sagte, doch er war sich ziemlich sicher, dass der Oger verstand. Die Worte klangen so guttural und abscheulich, dass er wusste, sie sprach die alte Sprache der Oger.

Als Izzy fertig war, ließ sie das Schwert los und fiel zurück auf den Boden. Mit einem Tritt in den Magen des Ogers warf sie ihn auf den Rücken und ging um ihn herum, bis sie ihm in die Augen schauen konnte. Mit beiden Händen umklammerte sie die Keule, die sie immer noch trug, hob sie hoch über den Kopf und schlug dem Oger mit einem Hieb das Gesicht ein.

Da wurde Éibhear bewusst, dass dies der Anführer der Oger sein musste, denn alle überlebenden Oger hörten auf zu kämpfen, drehten sich um und begannen, in Richtung der Berge davonzulaufen, wahrscheinlich um einen neuen Anführer auszuwählen und sich neu zu formieren. Izzy schien das zu wissen, als sie dem toten Anführer Éibhears Schwert aus dem Kopf zog.

»Ihr alle!«, schrie Izzy, während sie zu Éibhear zurückging. »Lasst sie nicht die Höhlen erreichen! Tötet sie alle! Bewegt euch!«

Dann blieb Izzy neben Éibhear stehen und betrachtete ihn von oben bis unten. »Was willst du hier?«, fragte sie.

»Dich nach Hause bringen.«

»Kann nicht.« Sie ließ das Schwert über seinem Bauch fallen, und Éibhear fing es gerade rechtzeitig auf, bevor die Klinge noch etwas Lebenswichtiges traf. »Bin noch nicht fertig.«

Sie wandte sich von ihm ab und ließ ihn stehen, ohne einen Blick zurückzuwerfen. »Leutnant Alistair.« Ein vollmenschlicher Mann ritt an ihre Seite.

»Generalin!«

»Versammle die Männer. Stell ein paar dazu ab, die Verwundeten zu den Heilern zu bringen. Um die Toten kümmern wir uns später. Ich will, dass diese Oger ihre grünhäutigen Vorfahren in der Hölle treffen, bevor der Mond hoch am Himmel steht. Hast du verstanden?«

»Aye, Generalin.«

»Los!«

Er ritt davon, und eine andere Frau ritt heran.

»Fionn. Wie sieht es aus?«

»Gut, Iz. Aber im Südtal wird immer noch gekämpft.«

»Nimm ein paar Soldaten mit und schlag den Feind nieder.«

»Dein Arm, Generalin!«, drängte Fionn.

»Ja, ja. Ich weiß, Oberst. Ich kümmere mich darum.« Sie lachte und winkte die junge Frau fort.

Dann ging Izzy davon, ohne ihn noch einmal anzuschauen, und ließ ihn einfach liegen.

»Ich weiß nicht, warum du so schockiert dreinschaust«, sagte eine Stimme neben ihm, und er blickte in das Gesicht seine Cousine Branwen auf. »Was hast du von ihr erwartet? Dass sie auf die Knie geht und dir hier und jetzt den Schwanz lutscht?«

Na ja … es war ihm durch den Kopf gegangen.

4

Izzy ging in ihr Zelt, und ihr Knappe folgte ihr auf dem Fuß.

»Was meinst du damit, du weißt es nicht?«, wollte Samuel wissen. »Wie verliert man ein Tier von zwei Tonnen?«

Sie zuckte die Achseln, amüsiert von seiner üblichen Empörung und Verärgerung. Während sie nach einer Karaffe mit frischem Wasser griff, fügte sie hinzu: »Er ist mit Macsen losgezogen.«

»Du lässt unser Pferd mit diesem gemeinen, widerwärtigen Biest losziehen? Allein?«

»Du sprichst von meinem Hund.«

»Ich weiß nicht, was das Ding ist, aber so einen Hund habe ich bestimmt noch nie gesehen.« Sam musterte sie und verzog das Gesicht. »Für jemanden, der so gut im Kämpfen ist, wirst du ganz schön oft getroffen.«

»Du weißt, ich könnte dich wegen Insubordination auspeitschen lassen und weil du ein echter Trottel bist.«

»Ach ja? Und durch wen willst du mich ersetzen?«

»Na ja …«

»Das dachte ich mir.« Er schnallte die Lederriemen los, die ihren Stahl-Brustpanzer hielten. »Du brauchst einen neuen, bevor du in die Schlacht zurückkehrst.«

»Na ja …«

»Ich kümmere mich darum. Marcus weigert sich immer noch, mit dir zu tun zu haben.«

»Für einen bulligen Schmied ist er furchtbar sensibel.«

Mit einem Seufzen fügte Sam hinzu: »Und jemand wird deinen Arm nähen müssen. Ich hole die Heilerin.« Er ging zum Ausgang, blieb aber vorher stehen und warf Izzy einen finsteren Blick zu. »Rühr dich nicht, bis ich zurück bin!«

Natürlich begann Izzy zu tanzen, kaum dass er ihr den Rücken zukehrte, hörte aber auf, als er sie über die Schulter anschaute.

Sie konnte erkennen, wie er versuchte, sich das Lachen zu verbeißen, und zwinkerte ihm zu, bevor er vollends hinausging, um ihr eine frische Rüstung zu besorgen.

Izzy dehnte die müden Schultern, goss sich erst einen Becher Wasser zum Trinken ein, dann einen weiteren, um ihn über ihren blutenden Arm zu gießen. Es tat weh, und sie machte sich langsam Sorgen wegen des Blutverlusts, beschloss dann aber, sich lieber einen Becher Bier einzuschenken. Vielleicht würde es der Wunde beim Heilen helfen.

Mit dem Bier in der Hand ging sie auf ihren Lieblingssessel zu. In Gedanken war sie schon bei ihren nächsten Schachzügen, um die Oger dieser Region zu vernichten, während sie gleichzeitig versuchte, das Bild eines großen, blauen, idiotischen Drachens, der flach auf dem Rücken lag und götterverdammt noch mal zum Anbeißen aussah, aus ihrem Kopf zu verbannen.

Dieser Mistkerl. Was wollte er überhaupt hier? Tauchte nach zehn Jahren plötzlich wieder auf. In ihrem Leben. Wie verdammt ärgerlich!

Sie drehte sich um und wollte sich gerade auf ihren Sessel fallen lassen, als ihr plötzlich bewusst wurde, dass sie sich nicht mehr in ihrem Zelt befand. Sie konnte sich natürlich irren, aber sie war sich relativ sicher, dass sie nicht mehr in ihrer Welt war, sondern im schönsten Tal, das sie je gesehen hatte. Und sie war nicht allein.

»Hallo, kleine Izzy.«

Langsam drehte sich Izzy um. Hinter ihr stand ein Gott. Ein Drachengott, um genau zu sein. Mit schwarzen Schuppen, zwölf Hörnern auf dem riesigen Kopf und langen schwarzen Haaren, durchzogen von Strähnen in allen Farben des Drachenpantheons. Sie wünschte, sie könnte sagen, es sei ein hässlicher Dämon aus der Unterwelt, doch er war – wie immer – schön.

»Dein Arm«, bemerkte er und zeigte mit einer Kralle auf ihre Wunde. »Du verlierst viel Blut.« Als sie nichts erwiderte, strich er mit der Kralle ihren Arm herab, und sie wusste sofort, dass er sie geheilt hatte.

»Besser?«, fragte er. Als sie auch darauf nicht antwortete: »Izzy? Hast du mir nichts zu sagen?«

Hatte sie ihm etwas zu sagen? Na ja, wenn er schon fragte …

»Wo ist sie?«, fragte Éibhear seine Cousine, und als Antwort verschränkte Branwen die Arme vor der Brust, schürzte die Lippen und schnaubte.

»Ich will eine Antwort, Cousine.«

»Und ich will einen längeren Schwanz, aber wir bekommen nicht immer, was wir wollen, oder?«

Éibhears Augen wurden schmal. Seine Cousine hatte vor drei Jahren die Prüfung bestanden, was sie offiziell zu einer Elite-Drachenkriegerin machte. Und seitdem war sie anscheinend zu einer ziemlich hochnäsigen Kuh geworden.

»Vielleicht willst du ja, dass ich und meine Kameraden dein Menschenlager auseinandernehmen, bis wir sie gefunden haben?«, fragte Éibhear. »Denn das werde ich tun, das weißt du.«

»Deine Kameraden«, schnaubte sie. »Die Mì-runach.«

»Dieser Tonfall scheint mir unangebracht«, scherzte Aidan.

»Halt die Klappe, Blaublüter!«

»Éibhear ist auch ein Blaublüter!«

»Er gehört zur Familie, deshalb übersehe ich diesen Makel bei ihm.«

»Aber ich bin keiner.« Sie alle schauten zu Uther hinüber, und er zuckte die Achseln. »Na ja … bin ich ja wirklich nicht.«

Brannie seufzte und konzentrierte sich wieder auf Éibhear. »Was willst du hier, Éibhear?«

»Das bespreche ich mit Izzy.«

Brannie schürzte wieder die Lippen und tippte mit einem Fuß auf den Boden. Da er wusste, wie stur die Frauen seiner Familie sein konnten, schnappte sich Éibhear einen der menschlichen Soldaten an der Kehle, ignorierte den panischen Schrei des Mannes und hielt ihn seiner Cousine vors Gesicht.

Sie schnaubte. »Wenn Izzy dich sehen wollte …«

Éibhear verstärkte seinen Griff, und der Soldat begann zu strampeln und versuchte, Éibhears Finger von seiner Kehle zu lösen.

Angewidert knurrte Brannie: »Du bist so ein gemeiner Mistkerl geworden.«

»Izzy. Sofort. Bring mich zu ihr.«

»Lass ihn erst runter.«

Éibhear schleuderte den Soldaten weg und machte seiner Cousine ein Zeichen, sich in Bewegung zu setzen. Sie tat es, aber nicht, ohne vorher über die Schulter zu werfen: »Du bist genau wie dein Vater geworden!«

Er starrte ihr nach. »Also, das war jetzt richtig gemein!«

»Und dann«, sprach Izzy weiter, während sie vor dem Gott auf und ab ging, »hast du nicht nur Annwyl gegen ihren Willen geschwängert, sondern sie auch noch im Stich gelassen, als sie dich am meisten brauchte!«

Inzwischen hatte sich Rhydderch Hael auf den Rücken gelegt, den Blick in den Himmel gerichtet, und verärgerte Seufzer hallten durch die Welt, in die er sie gezerrt hatte.

»Ich meine, wer tut so etwas?«, fragte sie. »Und dann hattest du vor, Annwyl eher die Zwillinge wegzunehmen, als sie von den Toten zurückzuholen, was du sehr wohl gekonnt hättest, das wissen wir beide, aber dann hast du meine süße Tante Dagmar und die Kinder in eine Grube mit Minotauren geworfen, nur weil sie dich geärgert hat!«

»Weißt du, Izzy, mein Gedächtnis ist exzellent. Ich erinnere mich an alles …«

Anklagend richtete sie einen Finger auf ihn. »Du wolltest, dass ich rede … also rede ich!« Sie begann wieder auf und ab zu gehen und fuhr fort: »Und dann …«

Éibhear folgte Brannie in ein Zelt, doch als er einen Blick in die Runde geworfen hatte, hob er die Arme. »Wo bei den Höllen ist sie?«

»Ich weiß nicht.«

Er legte den Kopf schief, und sie streckte ihm beschwichtigend die Hände entgegen. »Ich finde sie. Ich finde sie.« Sie drängte sich an ihm vorbei. »Gemein!«, blaffte sie, bevor sie hinausging.

Mit einem verärgerten Seufzen ging Éibhear in dem Zelt herum. Es schien, als sei Izzy immer noch eine unordentliche Frau. Sie hatte überall Waffen herumliegen. Und alle Arten davon. Sie besaß nicht nur eine Streitaxt, sondern Streitäxte all der verschiedenen Armeen, gegen die sie gekämpft hatte. Plus eine Sammlung lange Schwerter, kurze Schwerter, krumme Schwerter, gezackte Schwerter … die Frau mochte Schwerter. Blutverschmierte Kleider lagen herum und eine Menge Sendschreiben ihrer Königin und anderer Generäle aus Annwyls Armee. Doch es gab nur ein Buch, auf dem Boden, direkt neben dem Kopfende des Bettes. Es war die Geschichte des ersten Krieges gegen die Eisendrachen im Westen, angeführt von Éibhears königlichem Großvater.

Éibhear kauerte sich nieder, schlug das Buch auf und las die Widmung.

Für Izzy. Ich dachte mir, du würdest gern lesen, wie alles begann. Danke für alles. Du wirst immer meine Loyalität besitzen und ich immer die Erinnerung an dich, wie du einen kopfleckenden Wolf herausforderst. ~ Gaius

Gaius? Gaius, der Rebellenkönig aus dem Westen? Éibhear erinnerte sich, dem Rebellenkönig kurz vorgestellt worden zu sein, ein paar Stunden, nachdem er den Mistkerl von Onkel des Rebellenkönigs, Oberlord Thracius, getötet hatte. Doch damals war Éibhear so voller Wut und Schmerz über den Verlust seines Freundes Austell des Roten gewesen, dass er nicht sicher war, ob er den Drachen erkannt hätte, wenn er auf dem Marktplatz über ihn gestolpert wäre.

Was aber viel wichtiger war: Warum schickte der Rebellenkönig Izzy Bücher? Vor allem, wo Izzy doch so gut wie nie las? Und nicht einfach Bücher, sondern Bücher mit ziemlich herzlichen und merkwürdig bizarren Widmungen!

Kopfleckender Wolf?