Wildes Feuer, scharfe Krallen - G. A. Aiken - E-Book

Wildes Feuer, scharfe Krallen E-Book

G. A. Aiken

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Beschreibung

Drei heiße Abenteuer aus G. A. Aikens erfolgreichsten Reihen.Mit ihren »Lions«, »Dragons« und »Wolf Diaries« gehört G. A. Aiken zu den beliebtesten Autorinnen der Erotic Fantasy. Ihre Anthologie »Wildes Feuer, scharfte Krallen« beinhaltet drei brandneue erotische Storys aus G. A. Aikens Gestaltwandler-Universum - unverzichtbar für jeden Aiken-Fan! In der Novelle »Dragon on Top« ist Drache Bram Feuer und Flamme für die stolze Ghleanna. Alpha-Wolf Niles hingegen muss in »Gebändigt« alles tun, damit seine geliebte Irene ihn überhaupt wahrnimmt. Und »Im Bann des Rudels« macht die behütete Darla Lewis Bekanntschaft mit einem Wolf, der ihre animalischen Instinkte weckt.

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Übersetzt aus dem Amerikanischen von Karen Gerwig, Michaela Link und Doris Hummel

 

© dieser Ausgabe: Piper Verlag GmbH, München 2019© G. A. Aiken und Shelly Laurenston 2011, 2008 und 2012Titel der amerikanischen Originalausgaben:»Dragon on Top«, »Miss Congeniality« und »Like a Wolf with a Bone«© der deutschsprachigen Ausgabe: Piper Verlag GmbH, München 2016Covergestaltung: Guter Punkt, MünchenCovermotiv: BlueSkyImage/shutterstock

 

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Inhalt

Cover & Impressum

DRAGON ON TOP

Eine Novelle aus der Welt der Dragons

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Epilog

GEBÄNDIGT

Eine Novelle aus der Welt der Wolf Diaries

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Epilog

IM BANN DES RUDELS

Eine Novelle aus der Welt der Lions

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Epilog

DRAGON ON TOP

Eine Novelle aus der Welt der Dragons

Kapitel 1

Ghleanna die Dezimiererin nahm noch einen Schluck aus ihrem angeschlagenen Bierkrug und suhlte sich, auf recht umwerfende Art, wenn sie das selbst so sagen durfte, in ihrem Elend. Es war lächerlich, das wusste sie, wegen alledem immer noch so am Boden zerstört zu sein. Schon ein halbes Jahr war es her, und doch kam sie nicht darüber hinweg. Stattdessen saß sie da und trank und suhlte sich und versuchte zu vergessen. Das tat sie nun schon ziemlich lange. Zu lange, würde ihre Sippe sagen.

Doch es war alles ihre eigene Schuld. Sie hatte vertraut, wo sie es nicht hätte tun sollen, hatte Lügen geglaubt, obwohl sie es verdammt noch mal wirklich besser gewusst hatte, und vor allem hatte sie das eine vergessen, das niemand sonst je vergaß – dass ihr Vater Ailean der Verruchte war. Auch bekannt als Ailean die Hure, die berühmte Schlampe der Drachen- und der Menschenwelt.

Und durch einen einzigen Anfall von Dummheit war aus Ghleanna die Dezimiererin Ghleanna die Idiotin geworden.

Ghleanna die Närrin.

Ghleanna die Versagerin.

Wobei »Versagerin« vielleicht ein zu hartes Wort war. Sie hatte sich vorher nie als Versagerin gesehen. In ihren Jahren auf dem Schlachtfeld hatte sie sich immer wieder bewiesen. Aber jetzt fühlte sie sich wie eine Versagerin. Wie eine Versagerin und Närrin, die niemandem die Schuld geben konnte außer sich selbst. Also war Ghleanna in krankhafter Scham und Selbstmitleid und ohne Kriege oder Schlachten, die interessant genug gewesen wären, um ihren Geist oder Schwertarm zu beschäftigen, in die Sicherheit der alten Mauern ihrer Höhle zurückgekehrt, um sich leidzutun und – wenn sie ehrlich war – um sich zu verstecken. Nur für Essen und Bier wagte sie sich nach draußen.

Auch wenn sie in den letzten Tagen hauptsächlich für noch mehr Bier hinausgegangen war.

Sie hatte keine Ahnung, wie ihre langfristigen Pläne aussahen, andererseits: Brauchten Versager langfristige Pläne? Da sich Ghleanna nicht sicher war, trank sie mehr Bier, bis sich süße Dunkelheit über sie legte und sie nicht mehr über ihre angeborene Dummheit und das Elend nachdenken musste, das sie verursacht hatte.

Ghleanna hatte keine Ahnung, wie lange sie bewusstlos gewesen war, aber sosehr sie auch wollte, sie konnte die Schläge nicht mehr ignorieren, die ihr Kopf gerade abbekam. Sie zwang die Augen auf und sah das stumpfe Ende eines Speers wieder auf ihre Stirn zukommen. Sie rollte sich weg, aber das Ende eines weiteren Speers traf sie seitlich am Kiefer.

»Wach auf, du faule Sau. Wach auf!«

»Lasst mich in Ruhe, ihr irren Schlampen!«

»Spricht man so mit seinen lieben, süßen Tanten?«

»Ihr seid nicht meine Tanten!«, gab sie zurück.

»Aber fast. Es ist besser als Großcousinen, oder? Das macht uns so alt, findest du nicht, Kennis?«

»Das stimmt, Kyna. Und jetzt steh auf, bevor wir dir die Schuppen von den Knochen schälen.«

Angepisst, dass ihre Verwandtschaft nicht den Anstand besaß, sie in Ruhe zu lassen, damit sie sich in ihrem Bier und Sabber suhlen konnte, setzte sich Ghleanna auf und knurrte: »Was ist denn, ihr alten Hexen? Was wollt ihr von mir?«

»Also, zuerst einmal kannst du mit dem Selbstmitleid aufhören. Stimmt’s, Kyna?«

»Das stimmt, Kennis. Nichts ist schlimmer als eine mächtige Drachin, die in einer dunklen, feuchtkalten Höhle herumsitzt und wegen irgendeines blöden Fehlers von einem Drachen heult.«

»Ich tue nichts dergleichen«, log sie.

»Schau mal, wie sie uns anlügt, Kennis!«

»Ich sehe es, Kyna. Lügt uns an und glaubt, wir wüssten es nicht. Es ist ein Jammer.« Kennis zuckte die Achseln. »Ich sage, wir schlagen sie noch mal. Aus Prinzip.«

»Einverstanden.«

Ghleanna hob eilig die Klauen, um ihren Kopf zu schützen. »Geht weg! Lasst mich in Ruhe!«

»Damit du hier herumsitzen und dir weiter selbst leidtun kannst? Wegen ihm? Ich würde dich lieber hier und jetzt umlegen, stimmt’s, Kyna?«

»Aye. Wie ein armes, verletztes Pferd.«

»Ich hasse euch.« Ghleanna seufzte tief und fuhr sich mit den Krallen durch die zu langen schwarzen Haare. Sie hatte sie seit Monaten nicht geschnitten, und das sah man. Sie wusste, sie sah wahrscheinlich aus wie kalte Kacke, aber sie würde ihrer Sippe nicht die Genugtuung verschaffen, es zuzugeben.

»Uns hassen? Obwohl wir so besorgt um deine nutzlose Haut sind?«, fragte Kyna.

»Deine ganzen Brüder und Schwestern jammern rum wegen dir. Ach! Das macht uns noch verrückt. Wir mussten etwas tun, nicht wahr, Kyna?«

»Aye, Kennis. Das mussten wir. Oder sie alle umbringen, nur damit sie aufhören. Aber das kam uns nicht richtig vor, stimmt’s, Kyna?«

»Nein. Überhaupt nicht.«

»Also kommt ihr hierher, um … was genau zu tun?«, wollte Ghleanna wissen. »Abgesehen davon, mir tierisch auf den Sack zu gehen?«

»Du hast Glück, dass wir dich holen kommen, du Göre. Bin mir nicht sicher, ob dein Erwachen so nett ausgefallen wäre, wenn stattdessen deine Mutter gekommen wäre. Stimmt’s, Kyna?«

»Oje! Die hätte deine Schuppen in eine andere Farbe geprügelt, das hätte sie. Sie ist halb tot vor Sorge um dich, und dann findet sie dich in dieser Höhle, wie du deinen Kummer in billigem Bier ertränkst.«

»Tja, hätte ich es wirklich alles beenden wollen, hätte ich einfach euer Bier genommen«, erwiderte Ghleanna schnippisch.

Das Hinterteil des Speers zielte wieder auf sie, aber diesmal fing Ghleanna es ab und hielt es fest. »Hör auf, mich mit dem blöden Ding zu schlagen!«

»Wenigstens sind ihre Reflexe noch gut. Jetzt müssen wir sie nur nüchtern bekommen …«

»Und baden. Sie riecht!«

»… und wir können sie an den Hof unserer Königin bringen, solange noch Vormittag ist.«

»Königshof? Was soll ich an Rhiannons Hof?«

»Oooh. Hast du das gehört, Kennis?«

»Aye, Kyna. Rhiannon nennt sie sie. Als wären sie alte Freundinnen.«

»Beste Kumpels!«

Die Drachenzwillinge kicherten, und Ghleanna verspürte das Bedürfnis, etwas kaputtzuschlagen.

»Sie wird pissig, Kyna.«

»Das stimmt, Kennis.«

»Also sollten wir mal besser dafür sorgen, dass sie aufsteht und sich fertig macht, damit wir weiterkommen.«

Ghleanna hatte langsam wirklich die Schnauze voll und brüllte beinahe: »Ich will Rhiannon nicht sehen! Also verpisst euch endlich aus meiner Höhle!«

Kyna kauerte sich nieder, damit sie Ghleanna in die Augen schauen konnte, eine Seite ihrer Schnauze hochgezogen, sodass man Reihe um Reihe der tödlichen Reißzähne sah, von denen einige erst mit dem Alter gewachsen waren.

»Jetzt hör mir mal zu, kleines Mädchen. Du kannst mit deinem Vater und mit deinen Brüdern sprechen, wie du willst – aber mit uns sprichst du nicht so. Und wenn die Königin dir einen Befehl gibt …«

»… dann kriegst du deinen Arsch hoch und befolgst ihn. Oder wir werden bei den Göttern …«

»… dafür sorgen, dass du wünschtest, du hättest es getan.«

Ghleanna verstand jetzt, warum man die Cadwaladr-Zwillinge geschickt hatte, um sie zu holen. Wenn auch viele ihrer Geschwister sich ordentlich wehren konnten, hatten nur ihre Brüder Bercelak und Addolgar eine echte Chance, sie zu schnappen. Aber keiner von ihnen würde es tun, denn sie war ihre Schwester. Dasselbe galt für ihren Vater. Und ihre Mutter war eine Friedensstifterin, keine Kämpferin. Also hatte ihre Sippe die gefürchtetsten Drachenkriegerinnen des Landes geschickt, die Cadwaladr-Zwillinge. Sie mochten alte Drachinnen sein, aber das machte sie nur noch gefährlicher – und labiler.

»Kommst du, Mädchen?«

»Ja«, fauchte Ghleanna und stemmte sich mit den Vorderklauen hoch. Sie brauchte einen Moment, bis die Höhle aufhörte, sich zu drehen, und noch einen, bis die Übelkeit verging. Doch als es so weit war, konnte sie sich immerhin vorstellen, nach draußen in den See zu gehen und zu baden.

»Was will Rhiannon überhaupt von mir?«, fragte sie auf dem Weg nach draußen mit den Zwillingen im Schlepptau, während sie gleichzeitig überlegte, ob sie davonlaufen sollte.

»Im Gegensatz zu dir, Göre, stellen wir keinen Haufen Fragen.«

»Unsere Königin bittet uns, etwas zu tun, also tun wir es. Das ist unsere Aufgabe.«

»Das ist auch deine Aufgabe«, bemerkte Kennis.

»Haben wir sie nicht gut genug ausgebildet?«

»Ich hoffe, das ist nicht der Fall, Kyna. Ich würde sie ungern noch mal durchs Training schicken müssen.«

Ghleanna verzog das Gesicht, denn sie hörte die Drohung in diesen Worten laut und deutlich. »Wird nicht nötig sein«, murmelte sie.

»Gut. Du warst immer einer unserer Lieblinge, Ghleanna. Wir würden dich wirklich nicht gern halb totschlagen müssen, weil du vergessen hast, woher du kommst.«

Kyna packte Ghleanna am Unterarm und zwang sie, sich zu ihr umzudrehen. »Und das ist kein Grund, sich zu schämen, Mädchen. Es ist keine Schande, wer du bist, wer deine Sippe ist und wer du sein willst.«

»Und lass dir von niemandem etwas anderes erzählen«, endete Kennis. »Du bist etwas Besonderes, Ghleanna. Und manche Typen – die können einfach nicht damit umgehen. Während andere …«

»Während andere was?«

»Während andere dafür geboren sind, die Scheide für dein Schwert zu sein – du musst den einen nur finden, Mädchen. Wie wir.«

»Wie dein Vater. Aber das kann sie nicht, wenn sie nach Bier und Elend stinkt, Kennis.«

»Es sei denn, sie will so einen erbärmlichen Bastard wie sich selbst, Kyna. Und ihr Götter! Wer würde das wollen?«

Ghleanna erkannte die Wahrheit darin und steuerte auf den See zu, um sich darauf vorzubereiten, ihre Königin zu treffen.

 

Bitte nicht umarmen. Bitte nicht umarmen.

Doch sie tat es. Sie umarmte ihn. Direkt vor ihrem ganzen Hofstaat und – noch wichtiger – vor ihrem Gemahl. Dem unangenehmsten aller Drachen, Bercelak dem Großen selbst.

Und Bram der Gnädige, königlicher Gesandter der Königin Rhiannon aus dem Hause Gwalchmai fab Gwyar, wusste, seine Königin tat das mit Absicht. Er wusste, sie tat es, weil sie es genoss, ihren Gefährten zu quälen, aber sie merkte oft nicht, dass sie dabei auch den armen Bram quälte. Oder vielleicht merkte sie es, und es war ihr schlicht egal.

»Oh Bram! Du siehst so gut aus! Sieht er nicht gut aus, Bercelak?«

Bram hörte ein missbilligendes Knurren von der anderen Seite der Kammer der Königin.

»Bercelak findet auch, dass du gut aussiehst«, log die Königin. Sie tätschelte Bram die Schulter und trat zurück. »Also, mein liebster Bram, bist du bereit für deine wichtigste Reise?«

»Das bin ich, meine Königin. Ich glaube, daraus kann nur Gutes erwachsen, und ich freue mich …«

»Ja, ja.« Sie setzte sich auf ihren Thron, ein Stück Fels, das aus der Höhlenwand ragte. Es sah für Bram nie besonders bequem aus, aber der Königin schien es nichts auszumachen. »Aber ich habe mir Gedanken über deine Sicherheit gemacht.«

»Meine Sicherheit? Ich werde schon zurechtkommen, Eure Majestät.«

»Ich habe Gerüchte gehört. Es gibt Stimmen, die diese Allianz verhindern wollen. Sie werden versuchen, dich aufzuhalten.«

»Warum? Ich gehe schließlich nicht zu den Blitzdrachen. Die Drachen der Wüstenländer waren nie unsere Feinde.« Er würde einfach sicherstellen, dass sie sich nicht mit ihren Feinden verbündeten.

»Wie logisch er doch immer denkt, mein alter Freund. Logisch und aufmerksam und klug. Aber dennoch … In der Welt der Drachenpolitik ist nichts je einfach, und gerade du unter allen Drachen solltest das wissen.«

»Verstanden, meine Königin. Und ich verspreche dir, dass ich vorsichtig …«

»Also habe ich Vorkehrungen für deinen Schutz getroffen.«

O-oh.

»Eure Majestät, mein Kontakt in den Wüstenländern erwartet nur mich. Keine Entourage.«

»Eine Entourage klingt so groß und einschüchternd, und es ist nichts dergleichen. Nur ein paar meiner zuverlässigsten Drachenkrieger, um dafür zu sorgen, dass du sicher an deinem Ziel ankommst und wieder zurück.«

»Drachenkrieger?« O ihr Götter, tötet mich jetzt!

Welch albtraumhafte Drachenkrieger hatte dieses Weib aus den Tiefen der Hölle ausgegraben, um sie mit ihm zu schicken? Wahrscheinlich Bercelaks Brüder. Oder noch schlimmer: Bercelak selbst. Der schwarze Drache hatte Bram nie gemocht aufgrund dessen offenkundiger Krankheit, »zu viel zu denken und nach meiner Schwester zu gieren«. Und Bercelak hatte natürlich recht. Was das Denken anging – und das Gieren.

Ghleanna die Schwarze, jetzt die Dezimiererin, war schon als junger Drache mit kaum sechzig Wintern Brams unerreichbarer Traum gewesen. Sie hatte ihm das Herz mit einem einzigen finsteren Blick gestohlen, als sie Bercelaks Kopf gegen die Wand knallte und ihm befahl, »den Königlichen wegzuschicken!«, womit sie Bram meinte. Ghleanna war vor Kurzem von einer Schlacht heimgekehrt – einer ihrer ersten –, und sie hatte ihre erste Narbe erhalten. Ein Ding von sechs Zoll, das sich über ihr Schlüsselbein zog. Bram hatte diese Narbe gesehen, und ihm war der Mund trocken geworden, die Knie weich, und dann hatte er die Worte vergessen. Keine bestimmten Worte, sondern alle. Sie hatte ihn vorübergehend zum Verstummen gebracht.

Aber im Gegensatz zu Bercelak hatte Ghleanna ihn danach kaum bemerkt, ihn kaum zur Kenntnis genommen, sich kaum an seinen Namen erinnert. Er war der Königliche, der manchmal ihre Mutter oder ihre Schwester Maelona besuchte. Die »Denkerinnen« des Cadwaladr-Clans.

»Und welche Krieger wären das, meine Königin? Jemand, den ich kenne?«

Die Königin lächelte – was Bram nicht entspannter machte –, und er hörte eine Stimme, die er sehr gut kannte, hinter sich sagen: »Ich glaube es nicht, dass du diese Wahnsinnigen nach mir geschickt hast, Bercelak. Bedeute ich dir denn gar nichts?«

Bram schloss kurz die Augen, bevor er den Blick auf die Frau richtete, die jetzt neben ihm stand. Sie beäugten einander lange, bis Ghleanna die Dezimiererin höhnisch schnaubend von ihrem Bruder wissen wollte: »Babysitting? Du hast mich den ganzen Weg hierher schleppen lassen, um den Babysitter für diesen willensschwachen Königlichen zu spielen?«

»Danke, Ghleanna«, murmelte Bram. »Das war sehr nett.«

»Ist nichts Persönliches«, murmelte sie als Antwort und tätschelte ihm mit der Klaue die Schulter. »War eine lange Nacht.«

Eine lange Nacht? Es sah eher aus wie ein langes Jahrhundert. Auch wenn er wusste, was eine der höchstdekorierten und gefürchtetsten Hauptmänner der letzten Jahrhunderte aussehen ließ, als hätte sie seit Jahren nicht geschlafen. Ihre Haare, sonst immer kurz und gut gepflegt, reichten ihr nun bis zu den Schultern, mit ungleichen Enden. Ihre Rüstung, immer mit Spucke poliert und für den Kampf bereit, war jetzt voller Schmutz und Dellen, und, wenn sich Bram nicht irrte, Hirnmasse von irgendeinem armen Kerl. Sogar ihre Streitäxte, ihre bevorzugten Waffen, solange Bram denken konnte, sahen aus, als wären sie seit Monaten nicht geputzt worden. Die Kanten waren immer noch mit Blut und Knochensplittern verkrustet. Nein, dies war nicht die Ghleanna, die er all die Jahre gekannt hatte. Die Ghleanna, die er anbetete. Wie dumm von ihm.

»Ach?«, fragte Rhiannon Ghleanna. »Bist du im Moment furchtbar beschäftigt?«

»Jedenfalls zu beschäftigt für diesen Zentaurenmi…«

»Ehrlich, meine Königin«, unterbrach sie Bram, »es besteht kein Anlass, Hauptmann Ghleanna hineinzuziehen. Mir ist es ganz recht, wenn ich allein reise.« Um genau zu sein, war es ihm sogar lieber. Diese Reise war zu wichtig für ihn, um sich von der einen Frau ablenken zu lassen, die ihn in manchen Nächten wach hielt. Schwitzend.

»Unsinn, Bram. Ich will nichts davon hören.«

»Tja, sucht euch jemand anderen«, erklärte Ghleanna ihnen allen. »Ich habe nicht ein halbes Jahrhundert Ausbildung und noch mehr Schlachten hinter mir, um als Babysitter für Bram den Gnädigen zu enden.«

Beleidigt blaffte Bram: »Hättest du gern ein echtes Messer, um es in meinen Eingeweiden umzudrehen, Ghleanna?«

»Es ist nichts Persönliches«, sagte sie noch einmal.

»Na klar. Nichts Persönliches.«

»Was ich amüsant finde«, warf Rhiannon ein, ohne auf die beiden zu achten, »ist, dass du glaubst, ich würde dich darum bitten, Ghleanna vom Cadwaladr-Clan. Nach all der Zeit als Hauptmann des Zehnten Bataillons möchte man meinen, du könntest einen Befehl von einer Bitte unterscheiden.«

Ghleanna machte ein Geräusch mit den Nüstern, das klang wie ein wütender Bulle kurz vor dem Angriff. »Und man könnte meinen, eine Königin würde nicht das Talent ihrer Drachenkrieger mit Zentaurenmist-Aufgaben wie Babysitting verschwenden!«

»Erheb ja nicht die Stimme gegen mich, Cadwaladr! Ich bin nicht einer deiner Soldaten!«

»Das merke ich, denn die würden meine scheiß Zeit nicht verschwenden!«

»Es reicht!«, brüllte Bercelak der Große und brachte die beiden Frauen damit zum Schweigen. Schwarze Augen, denen seiner Schwester so ähnlich, richteten sich auf den wütenden Hauptmann. »Entschuldige dich, Ghleanna.«

»Von wegen ent…«

»Entschuldige dich!«, dröhnte die Stimme des königlichen Gemahls durch die Höhle, dass sämtliche Höflinge neben Bram sich hastig in Richtung der Ausgänge bewegten. Augenblicklich senkte Ghleanna den Blick.

»Es tut mir leid, wenn ich dich verärgert habe, meine Königin.«

Rhiannon grinste. »Na, na, Schwester. Wir sind doch alle Freunde hier.« Sind wir? »Und ich weiß, du wirst mir diesen Gefallen tun.« Die Königin stand auf, ging zu Bram und tätschelte ihm zu seinem Entsetzen die Schulter. »Bram bedeutet mir und diesem Hof so viel. Wir sind zusammen aufgewachsen – und seine Sicherheit ist von größter Wichtigkeit. Glaubst du, ich würde das einfach irgendwem anvertrauen?« Sie lehnte den Kopf an Brams Schulter, und Bram ballte die Klauen zu Fäusten. Er wollte nur noch weg von dieser Verrückten. »Ist Bram nicht einfach wunderbar? Wie er so wichtige Bündnisse und Waffenstillstände für mich verhandelt? Findest du ihn nicht einfach genauso anbetungswürdig wie ich?«

Der Gemahl der Königin stand jetzt vor Bram, ragte über ihm auf wie die meisten männlichen Mitglieder des Cadwaladr-Clans, und starrte Bram mit solchem Hass an, dass der nur noch ausrufen wollte: »Das geht nicht von mir aus! Ich schwöre es, das geht nicht von mir aus!«

Doch bevor der furchterregende Mistkerl Teile von Bram entfernen konnte, die auf jeden Fall vermisst würden, zog Ghleanna ihren Bruder mit einem lauten Seufzen am Unterarm.

»Komm, Bruder. Erzähl mir, was das für eine hochwichtige Aufgabe ist und warum ausgerechnet ich unter allen Drachenkriegern sie ausführen muss.«

Sie schleppte Bercelak aus der Höhle und Bram schaute seine alte Freundin und jetzt Regentin aller Südlanddrachen an. Und mit aller Offenheit fragte er: »Warum, Rhiannon? Warum hasst du mich so?«

 

»Was ist hier los?«, wollte Ghleanna von ihrem Bruder wissen, sobald sie einen ruhigen Alkoven für sie gefunden hatte.

»Woher soll ich das wissen? Ich meine, was könnte Rhiannon in diesem zu viel denkenden Mistkerl sehen? Er tut den ganzen Tag nichts anderes als lesen und Papier beschriften. Es kommt einem vor, als wäre er mit seinen Gedanken die ganze Zeit tausend Meilen weit weg. Das ist ein Schwätzer, kein Macher.«

»Das meine ich nicht, du Schwachkopf. Ich meine: Was ist los, dass du glaubst, es wäre nötig, dass ich den Friedensstifter irgendwohin begleite? Und ich rate dir, einen guten Grund zu haben, Bruder. Sonst werde ich höchstwahrscheinlich unwirsch.«

Bercelak holte tief Luft und versuchte, den Drang zu verscheuchen, dem armen Bram die Flügel auszureißen. Ihr Götter, sie beide würden niemals Freunde werden. »Der Königliche reist in die Wüstenländer, um uns ein Bündnis mit den Sandfressern zu verschaffen.« Das war der Spitzname ihrer Sippe für die Sanddrachen der Wüstenländer.

»Warum? Wir hatten doch nie Probleme mit ihnen.«

»Und dieser Königliche« – Bercelak schnaubte ein bisschen – »will, dass es auch so bleibt. Aber ich verstehe nicht, warum du ein Problem mit Babysitting hast – ich dachte, du magst ihn.«

»Das tue ich auch. Bram ist lieb.« Lieber als jeder andere Drache, den sie kannte, was ihn auch zum merkwürdigsten Drachen machte, den Ghleanna kannte. »War’s das also? Rhiannon braucht mich nur, um sicherzugehen, dass Bram dorthin und wieder zurückkommt?«

»Genau genommen war es meine Idee, dass du ihn hinbringst.«

Ungläubig fragte Ghleanna: »Wozu, bei allen verfluchten Höllen?« Wenn irgendeiner wusste, wie schlecht Ghleanna im Babysitten war, dann war es ihr Bruder. Selbst ihre eigene Mutter hatte Ghleanna irgendwann nicht mehr erlaubt, Bercelak zu hüten, nachdem sie ihn über einem aktiven Vulkan hatte baumeln lassen und gedroht hatte, ihn hineinzuwerfen. Und dann war da noch das eine Mal gewesen, als sie Bercelak allein auf einer Bergspitze zurückgelassen hatte, als er noch nicht fliegen konnte, aber nicht, ohne ihm vorher zu sagen: »Es ist nicht so, dass Mum und Dad dich nicht lieben – sie wollen dich nur nicht mehr. Aber ich bin mir sicher, irgendwann kommt jemand vorbei, der dich haben will.«

Grausam vielleicht, aber er war schon damals so ein arroganter kleiner Scheißer gewesen, dass sie einfach nicht anders gekonnt hatte. Und ihre Eltern hatten ihn am Ende heulend dort gefunden und nach Hause gebracht.

»Weil ich jemanden brauche, auf den ich zählen kann«, erwiderte ihr Bruder. »Bis vor Kurzem warst du die Verlässlichste von uns allen. Ich hoffe ehrlich, das hat sich nicht dauerhaft geändert.«

»Fang nicht damit an, Bruder.«

»Wegen eines Typen, der dich nicht verdient hat.«

Er fing damit an!

»Ich werde nicht darüber sprechen«, knurrte sie und ging. Doch ihr Bruder schlang ihr den Schwanz um den Hals und riss sie zurück. »Ack!«

»Meine Schwester«, sagte er und zog die Schlinge um ihren Hals fester, bis sie Mühe hatte zu atmen, »wäre nicht so dumm, wegen eines Kerls alles zu verlieren, wofür sie so hart gearbeitet hat. Meine Schwester«, sprach er weiter, ohne auf Ghleannas Krallen zu achten, die nach ihm schlugen, »würde sich nie von irgendeinem idiotischen Drachen einreden lassen, dass sie aufgrund ihres beispielhaften Könnens auf dem Schlachtfeld weniger wert sein könnte als irgendein anderes Weib.« Bercelak begann, sie wiederholt auf den Höhlenboden zu schlagen wie früher, als er gewachsen und sich bewusst geworden war, dass seine Schwester ihn jahrelang absichtlich gequält hatte. »Und meine Schwester würde nie, niemals zulassen, dass irgendein Typ, der ihrer sowieso nie würdig war, sie davon abhält, direkte Befehle von ihrer Königin anzunehmen.«

Er knallte sie noch ein letztes Mal auf den Boden, dass die Höhlenwände bebten, bevor er seinen Schwanz wegnahm. »Das«, sagte er sanft, »würde meine Schwester niemals tun, richtig?«

»Du bist ein bösartiger Mistkerl!«

»Aber das wusstest du, Ghleanna. Du glaubst doch nicht, das würde sich ändern, nur weil ich eine Gefährtin gefunden habe, oder?«

Ghleanna stand auf und knetete mit den Krallen die schmerzende Kehle. »Nein. Eigentlich nicht.«

Ihr Bruder legte ihr die Klaue auf die Schulter, ohne darauf zu achten, wie sie zusammenzuckte. »Ich weiß, er hat dich verletzt, Ghleanna …«

»Nein.« Sie musste ihn zum Schweigen bringen. Sie konnte nicht mehr davon ertragen. »Er hat mich nicht verletzt, Bercelak. Er hat mich lächerlich gemacht. Vor meiner ganzen Sippe – vor meinen Soldaten.«

»Und das hat er getan, weil er eifersüchtig ist.«

Sie musste lachten. »Worauf?«

»Darauf, dass er dich in einem fairen Kampf nie besiegen könnte. Es zerfrisst ihn, dass du stärker bist als er, schneller, eindeutig klüger und dass du von deinen Soldaten verehrt wirst. Und statt dich zu behaupten, hast du dich vor diesem Zentaurenmist in deiner Höhle versteckt wie ein wertloser Mensch. Hast dich in blinden Stumpfsinn gesoffen und alle ignoriert, denen du wichtig bist. Wie Mum und diesen Bastard.«

»Du meinst Dad?«

»Nenn ihn, wie du willst.« Bercelaks ständig finsterer Blick wurde ein bisschen weicher. »Und ja, Schwester, er weiß sehr wohl, dass das zum Teil sein Werk ist.«

»Das ist es eigentlich gar nicht.« Ghleanna wischte sich die Tränen ab, die ihr die Schnauze hinunterrannen. »Meine eigene Dummheit hat mich dorthin gebracht.«

»Dann bring es in Ordnung, Schwester.« Er hatte jetzt beide Klauen auf ihren Schultern. »Führe ohne Fragen diese Aufgabe für deine Königin durch. Nimm ein paar von unserer Sippe mit. Ich habe gehört, die Lage entspannt sich auf den Feldern der Wiederkehr in den Südlichen Hügeln nahe der Heimat des Friedensstifters. Addolgar ist dort. Er wird für die Reise zu haben sein, glaube ich.«

Ghleanna schüttelte den Rest ihrer kläglichen Tränen ab und riss sich zusammen. »Addolgar auch? Du brauchst uns beide dafür? Warum?«

»Weil Rhiannon zu einer der stärksten Monarchinnen des letzten Jahrtausends in dieser Region wird, wenn dieses schwache Kätzchen von einem Drachen den König der Sanddrachen dazu bringt, dieses Bündnis zu schließen.«

»Oh … deshalb.«

 

»Es muss noch jemand anderen geben, Rhiannon. Irgendjemand anderen.«

»Bei niemandem wärst du so sicher wie bei Ghleanna.«

Bram seufzte und überlegte, wie er es seiner gefährlich labilen Königin vorsichtig erklären konnte, ohne sie oder ihre neu hinzugewonnene Sippe zu beleidigen. Wenigstens befanden sie sich jetzt in ihrem Privatgemach und weit weg von den neugierigen Augen und Ohren ihres Hofes.

»Das sind heikle Verhandlungen, Rhiannon. Der König der Sanddrachen muss mit Vorsicht behandelt werden. Mit unendlicher Vorsicht.«

»Ach! Diese launischen ausländischen Royals. Wie hältst du diese Launenhaftigkeit bloß aus, mein Freund?«

Hörte sie sich eigentlich manchmal selbst zu? Wahrscheinlich nicht.

»Mit Geduld«, antwortete er. »Und keiner der Cadwaladrs ist für seine Geduld bekannt.«

Rhiannon legte den Kopf schief und betrachtete ihn mit ihren blauen Augen. »Aber wir sprechen nicht von den Cadwaladrs, oder, alter Freund? Ich spüre, wenn wir von irgendjemand anderem aus Bercelaks Sippe sprechen würden, wäre das kein so großes Problem. Tun wir aber nicht. Wir sprechen von Ghleanna.«

Bram schluckte. »Und?«

Die Königin begann, Bram zu umkreisen; ihre Schwanzspitze zeichnete dabei kleine Zeichen in die festgestampfte Erde des Höhlenbodens. »Die hübsche, starke, aufsässige, schwierige und narbige Ghleanna.«

»Ich weiß, wer sie ist, Rhiannon. Ich verstehe nur nicht …«

»All die Narben von all diesen Kämpfen, die ihren Körper überziehen. Ihren langen, starken Körper. Sogar ihr Schwanz hat Narben – und eine besonders lange … Spitze.«

»Hör auf.«

»Und wenn sie wütend wird, Bram … wenn sie sich direkt vor dich stellt und bedrohlich und böse und kalt wird und du in dieser Sekunde weißt, dass du niemals jemanden kennenlernen wirst, der so tödlich ist wie …«

»Hör bitte auf.« Bram merkte, dass er keuchte.

»Wir sind schon lange Freunde, Bram. Glaubst du wirklich, ich hätte es vergessen?«

»Ich wusste nicht, dass du es bemerkt hast.« Niemand sonst hatte das – vor allem Ghleanna nicht.

»Ghleanna ist wie der Rest ihrer Sippe. Wundervoll, aber begriffsstutzig wie ein Laib Brot.«

»Das ist entzückend, Rhiannon.«

»Ich liebe sie alle, aber du musst direkter sein, wenn du etwas von ihnen willst.«

»Sie weiß nicht einmal, dass ich existiere. Das hat sie nie gewusst.«

»Weil du nicht direkt zu ihr bist. Du gehst mit allen anderen direkt um, aber sobald Ghleanna auftaucht, bist du plötzlich ein schüchterner Schuljunge.«

»Na und? Soll ich stattdessen wie Feoras der Kämpfer sein?«

Rhiannon verzog das Gesicht. »Du hast davon gehört, was?«

»Alle haben es gehört, weil es der Mistkerl allen erzählt hat.«

»Dieser nervtötende kleine Nager. Ich sollte ihm die Adern ziehen lassen.« Als Bram nichts sagte, bemerkte Rhiannon: »Keine Bitte um Gnade, Friedensstifter?«

»Diesmal nicht. Und schau mich nicht so an. Ich mag keine Grausamkeit, von niemandem. Es ist also nicht so, als wäre ich hier besonders bösartig.«

»Es ist liebenswert, dass du glaubst, nicht um Gnade zu bitten sei bösartig.« Rhiannon wedelte das alles mit einem Abwinken ihrer Klaue beiseite. »Hör zu, wenn es um Männer geht, weiß Ghleanna die Schwarze nicht, was sie will. Also wirst du es ihr zeigen müssen.«

»Ihr zeigen?«

»Es ist der perfekte Zeitpunkt. Sie ist absolut reif zum Pflücken.«

Bram blinzelte. »Was?«

»Verletzlich. Das ist das Wort. Also ist es der perfekte Zeitpunkt für einen guten, würdigen Drachen, hinzugehen und sie sich zu holen.«

»Rhiannon!«

»Was denn? Ich versuche nur zu helfen!«

»Das ist nicht hilfreich. Das ist hinterhältig und tückisch.«

Sie schnaubte leise. »Zwei Begriffe, mit denen du wohlvertraut bist.«

»Nur, wenn wir über Politik sprechen. Ghleanna ist keine Politik. Sie ist … sie ist …«

»Vernarbt? So wundervoll vernarbt?«

»Hör auf, Rhiannon!«

»So viele Narben«, flüsterte die Natter Bram ins Ohr. »Alle von den verschiedenen Waffen derer, die versucht haben, sie zu töten. Sie hat eine Narbe hier« – ihr Schwanz zog eine diagonale Linie über Brams Rücken – »von der Hüfte bis zur Schulter, wo ein Oger von den Dunklen Hügeln versucht hat, sie in zwei Hälften zu hacken. Er hat es aber nicht geschafft. Und Ghleanna hat seine ganze Armee abgeschlachtet. Und als die Heiler sie zusammenflickten, bestand sie darauf, dabei wach zu sein, damit sie voll und ganz verstand, dass auch nur ein Moment der Unaufmerksamkeit drastische Konsequenzen haben kann.«

Sie trat ein kleines Stück zurück. »Oh, Bram, du zitterst ja!«

Weil er verzweifelt versuchte, seine Körpermitte unter Kontrolle zu bekommen. Er durfte vor seiner Königin nicht hart werden. Egal, was die Vorstellung von Ghleanna, wie sie ihre Kampfwunden behandelt bekam, bei ihm auslöste.

»Du bist grausam, Rhiannon. Du warst schon grausam, als wir jung waren – und du bist jetzt auch noch grausam.«

»Meine Mutter war grausam, Lord Bram. Ich bin nur ehrlich.« Sie küsste ihn auf die Schnauze. »Und sag niemals wieder, dass ich keine gute Freundin bin. Ich bin die beste Freundin, die sich ein Drache wie du wünschen kann.«

Er drehte sich leicht weg, sie beide waren einander sehr nahe, und lächelte. »Beste Freundin, von wegen.«

Sie lachte, bis sich eine schwarze Schnauze zwischen sie schob, sie auseinanderdrückte und pechschwarzer Rauch aus den Nüstern aufstieg.

»Ach, hallo, mein Liebster!«, sagte Rhiannon zu ihrem Gemahl. »Ich habe Bram hier nur noch ein paar aufmunternde Worte mitgegeben, bevor er sich diesen schwierigen Sanddrachen stellt. Nicht wahr, Bram?«

»Äh … ja. Das hat sie.«

»Jetzt geh mit meinem Segen. Und viel Glück euch beiden.«

Bitte nicht umarmen. Bitte nicht umarmen.

Doch sie tat es.

 

Ghleanna wartete vor dem Privatgemach der Königin und war nicht überrascht, als sie ihren Bruder brüllen hörte und der silberhaarige Königliche halb schlitternd, halb stolpernd in dem Alkoven ankam, zweifellos dort hingeschubst von ihrem intoleranten Bruder.

»Was hast du dir dabei gedacht?«, fragte Ghleanna Bram ohne Groll. »Sie so zu umarmen?«

»Ich habe sie nicht umarmt. Sie hat mich umarmt!«

»Ja, klar.«

Aus der Kammer drang ein Quieken, und Rhiannon rief aus: »Bercelak! Lass mich runter, du nichtsnutziger Bastard!« Obwohl sie nicht annähernd so wütend klang, wie sie wollte.

»Wir gehen besser«, schlug Ghleanna vor und setzte sich in Bewegung.

»Ja, aber …«

»Nein, Bercelak!«, rief die Königin aus. »Nicht das Halsband! Nicht die Kette! Du Mistkerl!«

»Wenn du hier noch eine Weile stehen bleibst, Königlicher, hast du bald Bilder im Kopf, die du lange nicht vergessen wirst.«

Bram eilte ihr nach, den Blick auf den Boden geheftet, seine silbernen Schuppen glühten fast vor Verlegenheit.

»Das war … peinlich.«

»Gewöhn dich dran. Die zwei spielen gern.« Ghleanna zuckte die Achseln. »Und wer sind wir, sie aufzuhalten? Wenn es sie glücklich macht.«

»Mir ist egal, was sie zusammen tun. Ich hasse es nur, wenn sie uns andere mit hineinziehen.«

»Dann solltest du nicht immer die Königin umarmen.«

»Ich habe die verdammte Königin nicht umarmt!«

»Wenn du das glauben möchtest.«

Als sie den Hof hinter sich gelassen hatten, steuerten sie auf einen der Ausgänge von Devenallt Mountain zu, seit langer Zeit die Festung der Macht der Südlanddrachen und Zuhause ihrer regierenden Monarchin.

»Schau«, fuhr Ghleanna fort, »ich sage nur, dass du unter meine Verantwortung fällst, bis das vorbei ist. Also vielleicht könntest du dich und mich währenddessen nicht umbringen. Aber vor allem mich nicht. Ich bin die Wichtigste.«

»Ich werde mein Bestes tun, und ja, du hast Sarkasmus gehört.«

Ghleanna blieb stehen und drehte sich zu dem Königlichen um, dessen Schutz ihre Aufgabe war. Er war größer als sie, aber das waren ihre Brüder auch, und sie konnte die meisten von ihnen im Kampf besiegen. Das hatte sie auch schon öfter getan.

»Hör mir gut zu, Bram der Silberne. Du magst vielleicht von königlichem Blut sein, aber ich bin eine Cadwaladr, der man die Aufgabe übertragen hat, deinen Friedensstifterhintern die nächsten Wochen am Leben zu erhalten, was bedeutet: Bis wir zurück sind, gehörst du mir. Also tu uns beiden einen Gefallen und geh mir nicht auf die Nerven. Ich würde ungern nur mit deinem Kopf zu deiner geliebten Königin zurückkehren, während dein Körper und der wertvolle Bündnisvertrag, den du die Sandfresser so unbedingt unterschreiben lassen willst, in den Wüstenländern zurückbleiben – beide in Fetzen gerissen von mir.«

Er starrte sie gefühlt mehrere Minuten lang an, bis der Königliche blaffte: »Verdammtes Weib, sie hatte recht!«

Und als Bram der Gnädige vor sich hin murmelnd davonstürmte, konnte Ghleanna nur den Kopf schütteln, ihm folgen und sich auf die tödlich lange Reise gefasst machen, auf die sie sich kein bisschen freute.

Kapitel 2

Ghleanna stand vor Brams Zuhause. Sie gewährte ihm Zeit, ein paar Sachen zu packen, bevor sie sich auf den Weg machten, und sie war ziemlich überrascht.

»Das ist eine Burg.«

»Stimmt«, sagte er, während er seine Reisetasche nach wer weiß was durchwühlte und dabei mit ihr über den kleinen Hof ging. Sie hatten ein paar Meilen weiter ihre Menschengestalt angenommen und sich etwas angezogen, und Ghleanna fiel auf, dass sie vergessen hatte, wie attraktiv Bram als Mensch war. Eigentlich … sehr attraktiv. Lange, silberne Haare umrahmten sein schönes Gesicht und betonten das tiefe Blau seiner Augen. Seine Nase war flach und ein bisschen breit, was ihr Lust machte, sie mit dem Finger zu stupsen; seine Lippen waren voll, sein Kiefer eckig und seine Hände und Finger lang und elegant. Er war so groß wie Addolgar, aber nicht annähernd so breit. Es war klar, dass er keine langen Stunden mit der Arbeit an sämtlichen Waffen verbrachte bis auf die, die er auf den Schultern trug, aber er war auch nicht so dünn, dass er abgemagert oder schwach aussah. Da waren schon ein paar Muskeln – sehr hübsche Muskeln.

»Warum?«, fragte sie mit einem Blick an dem Turm hinauf, der zur Burg gehörte. Es war kein großes Gebäude, und es war ein bisschen heruntergekommen, aber es konnte ein oder zwei Kämpfe aushalten, wie die in die Burgmauer eingebetteten Speere und der geringere Schaden am Tor bezeugten.

»Warum was?« Ehrlich, hörte ihr der Drache überhaupt zu?

»Warum lebst du auf einer Burg?« Sie dachte, das täte nur ihr Vater Ailean der Verruchte, der sogar so weit ging, seine Nachkommen auf einer Burg großzuziehen.

»Ich arbeite genauso viel mit Menschen wie mit Drachen.« Er stolperte auf dem Weg durch das Tor, schien es aber kaum zu bemerken, und sie fragte sich kurz, ob er das jedes Mal tat, wenn er hindurchging. »Und Menschen fühlen sich einfach nicht wohl, wenn sie in eine Höhle kommen müssen, um Geschäftliches zu besprechen.«

Sie betraten die Halle, und Bram blickte endlich von seiner Tasche auf.

»Charles?«, rief er aus. »Bist du da?«

Ein Mensch kam irgendwo aus dem hinteren Teil angerannt.

»Ich bin hier, Mylord. Ich bin hier!«

»Ich heiße Bram, Charles. Du kannst mich Bram nennen.«

»Natürlich, Mylord. Äh … Mylord Bram.«

Bram seufzte, und sie wusste, er hatte schon aufgegeben.

»Ich brauche meine Papiere für die Reise nach Alsandair.«

»Ja, Mylord … äh … Lord Bram … äh …«

»Und das Buch über die Sitten der Wüstenländer. Ich sollte meine Erinnerung auffrischen.«

»He«, unterbrach ihn Ghleanna schließlich. »Nimm nicht eine ganze verdammte Bibliothek mit. Ich werde den ganzen Scheiß nicht dort hin- und wieder zurückschleppen.«

»Ich denke, ein paar Bücher und Papiere schaffe ich selbst, Hauptmann.«

»Das will ich hoffen«, brummelte sie.

Bram wandte sich ihr zu. »Wirst du die ganze Reise so schwierig sein?«

»Wahrscheinlich.«

»Reizend.«

Er deutete auf einen großen Tisch voller Papiere und Bücher. Dann bemerkte sie, dass an fast allen Wänden der Halle Regale vom Boden bis zur Decke voller Bücher und Schriftrollen standen, aber vor allem voller Bücher. Mehr Bücher, als sie je zuvor in ihrem Leben gesehen hatte. Sie hatte geglaubt, ihre Mum hätte viele – das stimmte nicht. Und Ghleanna hatte den Verdacht, auf dieser Burg und im Turm würde es noch viel mehr davon geben.

Ihr Götter, hatte er all diese Bücher gelesen? War das möglich? So lange lebte er noch gar nicht.

»Du kannst dich dort hinsetzen. Es dauert nicht lange«, sagte er, während er schon wieder die blöde Tasche durchwühlte.

»Gut. Ich möchte meine Brüder treffen, bevor die Sonne untergeht.«

Der Drache hörte auf und blinzelte sie an. »Wozu?«

Sie runzelte die Stirn. Hatten sie das nicht eben auf dem Weg hierher besprochen? »Weil sie mit uns kommen … Um dich zu beschützen? Schon vergessen?«

»Verdammt, das hatte ich verdrängt.«

Eher gehofft, dass sie es sich anders überlegt hätte. »Besser, man wird von fünf Cadwaladrs beschützt als nur von einem.«

»Vielleicht, aber deine Brüder hassen mich.«

»Nur Bercelak.«

»Nein. Ich bin mir sicher, sie alle hassen mich.«

»Sei nicht so eingebildet – meine Brüder wissen kaum, dass du existierst.«

Jetzt sah er verletzt aus. »Also bin ich bedeutungslos?«

»Für einen Cadwaladr … ja.«

»Dann bin ich ja froh, dass es die Cadwaladrs sind, die mich beschützen.«

Der Sarkasmus peitschte durch den Raum.

»Du musst das nicht so persönlich nehmen. Die wenigsten Königlichen interessieren uns. Also bist du uns nicht besonders egal. Du bist nur einer von vielen Königlichen, die uns egal sind.«

»Soll ich mich jetzt besser fühlen?«

»Ich dachte, es hilft vielleicht.«

»Hat es nicht.«

»Ich hoffe, du nimmst nicht alles so persönlich. Sonst wird das eine lange Reise für uns.«

»Vielen Dank für die Warnung.« Er wühlte wieder in seiner Reisetasche. »Verflixt und zugenäht! Wo ist denn …«

»Die Ausarbeitung Eures Vorschlags für den Bündnisvertrag?«, fragte Charles und hielt dem Königlichen eine Schriftrolle hin.

»Oh«, sagte Bram und nahm die Rolle. »Da ist sie ja.«

Mit einem resignierten Seufzen ließ sich Ghleanna auf einen Stuhl fallen und legte die Füße auf den Tisch.

»Oh, Mylady!«, rief Charles entsetzt. »Bitte.« Er eilte zum Tisch und hob vorsichtig Ghleannas bestiefelte Füße an, damit er die Bücher und Papiere darunter entfernen konnte.

»Tut mir leid, Charlie«, sagte Ghleanna lächelnd. »Und du kannst mich Ghleanna nennen. Ich bin keine Königliche wie Bram da drüben.«

»Natürlich, Mylady … äh … Lady Gh…, ich meine … äh …«

»Oder einfach Hauptmann. Du kannst mich Hauptmann nennen.«

Sichtlich von Herzen erleichtert, einen Titel benutzen zu können, lächelte Charles und sagte: »Ja, Hauptmann.«

Als er den Bereich gesäubert hatte, legte er ihre Füße wieder an ihren Platz.

»Bitte schön, Hauptmann.« Er drehte sich zu Bram um. »Ich werde alles zusammenpacken, was Ihr braucht, Mylord.«

»Hervorragend.«

Ghleanna wartete, bis Charles davongeeilt war, bevor sie fragte: »Dann weiß er es? Was wir sind?«

»Er weiß, was ich bin – und ich bin mir sicher, bei dir hat er eine Ahnung. Ich habe einfach keine Zeit, herumzulaufen und gleichzeitig diese spezielle Tatsache vor meinem Assistenten geheim zu halten.« Bram lehnte sich an den Tisch und fragte Ghleanna: »Und was ist mit deinem Bataillon?«

»Was ist damit?«

»Können uns nicht ein paar von deinen Soldaten begleiten?«

»Geht es schon wieder darum? Meine Brüder hassen dich nicht«, beharrte sie.

»Sie respektieren mich auch nicht gerade.«

»Sie respektieren niemanden außer unserer Mutter.«

»Also, das verstehe ich. Deine Mutter ist unglaublich.«

»Ich weiß.« Unglaublich und klug genug, sich nicht von einem Mann zum Narren halten zu lassen. Sie hatte Ailean dazu gebracht, für ihre Liebe zu arbeiten, und das tat er. »Und ich bin gar nicht wie sie.«

»Du hast ihre Sommersprossen.«

»Du meinst diese verdammten Flecken im Gesicht?« Sie wischte sich mit den Händen darüber.

»Du kannst sie nicht abreiben, Ghleanna«, sagte Bram mit einem Lachen.

»Ich weiß, ich weiß. Ich hasse sie nur.«

»Ich mag sie.« Und er lächelte ein wenig. Lachte er sie aus?

»Ja … na gut …« Sie senkte die Hände und zwang sich, nicht so unsicher zu wirken. »Du musst auch nicht mit ihnen leben.«

Er starrte sie weiter an, das machte sie nervös, und schließlich bemerkte er: »Du lässt dir die Haare wachsen.«

»Was? Oh.« Sie kämpfte dagegen an, sich mit den Händen durch die Haare zu fahren. »Hatte in letzter Zeit wenig Anlass, sie kurz zu halten.«

Sie zuckte die Achseln und zog eines der Messer heraus, die sie in den Stiefeln trug. »Das kann ich ja jetzt mal machen.«

Er hielt ihre Hand fest. »Was hast du denn damit vor?«

»Mir die Haare schneiden. Du hast dich doch darüber beschwert.«

»Ich habe mich nicht beschwert.«

»Dann gefallen dir meine Haare also nicht, wenn sie kurz sind?«

»Das meinte ich auch nicht.«

Sie warf die Hände in die Höhe. »Was, verdammt noch mal, hast du dann gemeint?«

Die blauen Augen des Königlichen loderten kurz auf, bevor er sie schloss und langsam ausatmete. »Du raubst mir wirklich noch den letzten Nerv.«

Das wusste sie – und genoss es. Und das war falsch, nicht wahr?

»Charles!«, brüllte er plötzlich, und der Mensch kam kurz darauf wieder in die Halle gerannt.

»Ja, Mylord … Bram … Mylord Bram … Lord …«

»Bitte bring den Hauptmann in eines der Zimmer, damit sie sich frisch machen kann.« Er entrang ihr das Messer, was Ghleanna zum Lachen brachte. So hatte sie seit Ewigkeiten nicht mehr gelacht. Es fühlte sich schön an. »Vielleicht kannst du ihr auch die Haare schneiden. Sie trägt sie gern kurz.« Er gab dem armen, verwirrten Charles das Messer.

»Natürlich, Mylord … äh …«

»Haben wir Zeit für das alles?«, fragte Ghleanna.

»Jetzt schon.« Der Königliche drehte ihr den Rücken zu und rief über die Schulter: »Ich bin in meinem Studierzimmer. Hol mich, wenn sie fertig ist.«

Ghleanna wartete, bis der Drache außer Hörweite war. »Ist er immer so unbeherrscht und ungeduldig?«, fragte sie den Diener.

»Nein, Hauptmann. Tatsächlich hält man Lord Bram für das geduldigste und fürsorglichste Wesen in den ganzen Südländern.«

»Hm … dann muss es an mir liegen.«

Statt zu versuchen, sie davon zu überzeugen, dass das nicht stimmte, zeigte Charles zu einem Alkoven, der zum Turm führte. »Hier entlang, Hauptmann.«

 

Bram hatte fast alles, was er brauchte, und suchte nur noch ein paar Notizen, die er beim letzten Ältestentreffen gemacht hatte, an dem er teilgenommen hatte. Ein paar Nachträge, die sie dem endgültigen Bündnis hinzufügen wollten.

Als er sie nicht fand, rief Bram: »Charles!« und drehte sich, nur um Auge in Auge Ghleanna gegenüberzustehen. Er hatte keine Ahnung, wie lange sie schon hinter ihm stand. Aber wenigstens war das die Ghleanna, die er so gut kannte. Ihr Kettenhemd war gesäubert und poliert worden, darüber trug sie einen dunkelblauen Waffenrock, das Schwert an der Hüfte, und ihre zwei Streitäxte hatte sie auf den Rücken geschnallt. Ihre Lederstiefel waren sauber und gewienert und ihre schwarzen Haare auf ihre übliche Länge direkt unter den Ohren gestutzt. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und stand breitbeinig vor ihm.

Das … das war die Drachenkriegerin, die er kannte. Die Dezimiererin. Bram war nicht bewusst gewesen, wie sehr er sie vermissen würde, bis sie weg gewesen war.

»Das ging schnell«, sagte Bram, als er merkte, dass er sie anstarrte wie ein liebeskranker Schuljunge.

Sie blinzelte. »Schnell? Es waren vier Stunden. Vielleicht ein bisschen mehr.«

»Ach, wirklich?«

»Ja, wirklich.«

»Hatte ich gar nicht bemerkt«, murmelte er und ging um sie herum zu seinem Schreibtisch. »Wir können in ein paar Minuten aufbrechen.«

»Wenn wir jetzt gehen, kommen wir nicht sehr weit.«

Bram seufzte. »Also haben wir schon einen Reisetag verloren?«

»Du warst derjenige, der sich mit meinen widerspenstigen Haaren nicht mit mir sehen lassen wollte.«

»Das habe ich nie gesagt! Und ich sehe nicht ein, warum wir nicht wenigstens aufbrechen können. Ich muss nur die verflixten … Charles!«

Charles eilte herbei. »Mylord?«

»Meine Notizen vom letzten Ältestentreffen? Ich finde sie nirgends …«

Charles zog die Schriftrollen aus dem Haufen auf dem Schreibtisch und hielt sie Bram hin.

Bram nahm sie und stopfte sie in seine Reisetasche. »Danke.«

»Natürlich, Mylord … Lord Bram … äh …«

»Die Reise dürfte nicht allzu lange dauern«, fuhr er fort. »Aber wenn doch, mach dir keine Sorgen. Meine Schwester wird recht oft vorbeikommen.«

»Sehr schön, Sir.«

Bram zog den Gurt seiner Tasche über der Schulter fest, verließ das Studierzimmer und ging auf das Haupttor zu.

»Vergiss nicht«, informierte er Charles, »die Recherchen zu den Piratenangriffen in den Häfen die Küste aufwärts zusammenzufassen. Zu dem Thema soll ich mich bald mit Herzog Picton treffen.«

»Ich habe bereits angefangen, Mylord.«

»Gut. Ich werde mich darum kümmern müssen, wenn ich zurück bin.« Er blieb im Durchgang zu seinem kleinen und sehr ungepflegten Hof stehen. Er musste ihn wirklich einmal von jemandem säubern lassen. Charles konnte er nicht bitten, der hatte im Moment Wichtigeres zu tun – und hatte er nicht viel mehr Personal, das sich um solche Dinge kümmerte? Vielleicht nicht …

Bram schaute sich um, dann fragte er: »Verdammt! Wo ist dieses Weib?«

»Direkt vor dir.«

Bram wäre fast aus seiner empfindlichen menschlichen Haut gefahren, als er merkte, dass Ghleanna irgendwie um ihn herum an ihm vorbeigekommen war.

»Tu das nicht.«

»Was denn?«

»Herumschleichen.«

»Du meinst, um dich herumgehen? Denn das habe ich eigentlich getan. Wenn ich schleiche, kauere ich mich tiefer – und dann töte ich jemanden.«

Bram beschloss, nicht mit ihr zu streiten, verabschiedete sich von Charles und verließ die Burg.

»Ich nehme an, wir müssen trotzdem deine Brüder einsammeln.«

»Richtig.«

»Wo sind sie?«

»In der Schlacht von Fychan.«

»Und wie weit ist das weg?«, fragte er Ghleanna. »Ist es ein langer Flug? Schaffen wir es heute noch dorthin?«

Sie standen jetzt vor seinen Burgmauern, und Ghleanna schaute ihn an.

»Was denn?«, fragte er, langsam ungeduldig werdend.

Mit einem merkwürdigen Blick sagte sie: »Sie sind auf den Feldern der Wiederkehr. Du weißt schon … die Schlacht von Fychan.«

»Richtig, richtig. Das hast du schon gesagt. Und ich habe gefragt, wie weit entfernt das ist?«

Ihr Blick wurde ein bisschen schmaler. »Ehrlich?«

»Was, ehrlich?«

Sie nahm ihn am Arm und steuerte nach Westen.

»Wohin gehen wir?«, fragte er. »Werden wir nicht fliegen? Ist ein Schlachtfeld zu Fuß zu betreten nicht ein bisschen gefährlich?« Zumindest für ihn.

Er stellte Fragen, aber Ghleanna antwortete nicht. Doch als sie ungefähr eine halbe Meile von seiner Burg entfernt waren, führte sie ihn auf einen Hügelkamm, der das Tal dahinter überblickte.

Ein Tal voll von den Toten und Sterbenden eines anscheinend seit Langem dauernden Kampfes.

»Direkt vor deiner Tür«, erklärte sie ihm und starrte ihn mit einem Ausdruck an, der entweder von Ehrfurcht, Mitleid oder Ekel zeugte. »Die Schlacht von Fychan findet seit mindestens acht Monaten vor deiner Tür statt. Alle anderen in der nahe gelegenen Stadt, genauso wie deine Diener, haben die Gegend verlassen, bis auf dich und den armen Charles, der deine wertvollen Bücher und Papiere nicht unbeaufsichtigt lassen wollte. Ich hoffe wirklich, du bezahlst den Kerl gut.«

»Weißt du …« Bram blickte über das Schlachtfeld. »Ich dachte, ich hätte Schreie gehört … ein paarmal. Aber ich hatte so viel zu tun.«

Sie ließ seinen Arm los und ging kopfschüttelnd den Hügel hinab auf das Feld.

»Komm schon, Friedensstifter. Lass uns meine Brüder holen. Wir können später darüber verhandeln, wann wir aufbrechen müssen.«

Grauenhaft verlegen, aber nicht willens, es zuzugeben, folgte Bram Ghleanna auf das Schlachtfeld.

Kapitel 3

»Gute Götter, du siehst aus wie kalte Kacke.«

Ghleanna warf ihrem Bruder einen Blick zu und fragte sich mal wieder, warum sie ihn nicht schon als verdammtes Ei zerschlagen hatte, als sie noch die Chance dazu hatte. Ihre Mutter hätte ihr irgendwann verziehen.

»Danke, Bruder. Und du siehst fett und glücklich aus. Machst es dir hier bequem, was?«

»Fett? Fett?« Er spießte den stöhnenden Menschen zu seinen Füßen auf. »Wie kannst du es wagen! Meine Menschengestalt ist in Kampfform, herzlose Kuh.«

»Wenn du das sagst.«

Addolgar warf einen Blick auf den Königlichen, der hinter ihr stand. »Du hast da was, Schwester.« Er schüttelte die menschlichen Überreste von seinem Speer. »Soll ich es für dich töten?«

Ghleanna griff nach hinten und schnappte Brams Hand, bevor er weggehen konnte. Sie spürte, dass er es vorhatte, und konnte es ihm nicht verübeln, aber dennoch … Er musste lernen, sich abzuhärten. Andererseits hatte Addolgar durchaus einen gewissen Ruf unter den Königlichen als intoleranter Mistkerl, der gedankenlos und ohne Gewissensbisse tötete. Ein Ruf, der in manchen Situationen durchaus korrekt war.

»Er steht unter meinem Schutz, Addolgar. Also halt dich zurück.«

»Ach ja?« Er spießte noch einen Menschen auf, der davonzukriechen versuchte. »Warum?«

»Man hat mir die Aufgabe übertragen, ihn in die Wüstenländer und wieder zurück zu bringen. Lebend«, fügte sie hinzu, damit er sich darüber im Klaren war. »Und ein paar von euch kommen mit mir.«

Addolgar schaute sich auf dem Schlachtfeld um. Die Auseinandersetzung schien sich entspannt zu haben, und er wirkte recht gelangweilt von alledem. Ihr Bruder hatte seinen Schaden angerichtet, und jetzt gab es nichts mehr zu töten. Normalerweise würde er zu seiner Gefährtin zurückkehren – es sei denn, sie hatte sich ebenfalls zum Spaß einen Kampf gesucht. Es erstaunte Ghleanna immer wieder, dass ihr Bruder, statt sich eine gutartigere Frau als Gegenstück zu seiner niederträchtigen und mörderischen Natur zu suchen, Gefallen an einer Drachin gefunden hatte, deren Ruf schlimmer war als sein eigener. Eine Drachin, die nicht einmal Ghleanna herausforderte, es sei denn, sie hatte keine Wahl.

»Von mir aus kann ich mitkommen. Hier ist sowieso nichts mehr zu tun.«

»Langweilig, was?«

»Hab alles umgebracht, was da war. Jetzt sind nur noch Frauen und Kinder übrig – und die machen keinen Spaß. Nicht einmal wenn sie schreien und um Gnade betteln.«

Bram entriss ihr seinen Arm, damit er gehen konnte, aber sie hielt ihn am Gurt seiner Reisetasche fest. Sie wusste, wie wertvoll ihm das Ding war, deshalb würde er nicht riskieren, es kaputt zu machen.

»Wer ist mit dir hier?«

»Ein paar von den Jüngeren. Cai, Hew und Adain.«

»Was? Keine meiner Schwestern ist hier?« Sie konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen.

»Sie sind zu irgendeinem neuen Kampf in den Westen aufgebrochen. Aber ich glaube, wir schwachen männlichen Cadwaladrs schaffen es auch, einen Königlichen zu beschützen, Schwester.«

»Es wird schon gehen.«

»Oh, na, vielen Dank.«

»Also, steh hier nicht nur so herum, du großer Ochse. Geh sie holen, damit wir loskönnen.«

»Ist ja gut.« Er drückte ihr den Speer in die Hände. »Töte den Rest von dem Haufen hier, ja? Ich bin gleich wieder da.«

Als Addolgar weg war, fragte der Königliche: »Du hasst mich wirklich, oder?«

»Sei nicht albern. Natürlich nicht.« Sie begann, sich der noch atmenden Menschen zu ihren Füßen anzunehmen, indem sie die Speerspitze in eine bestimmte Stelle an ihrem Rücken rammte, die sie schnell tötete. Es gab keinen Grund, ihr Leiden unnötig zu verlängern. »Hör auf, dir Sorgen zu machen. Du schaffst das schon. Und solange du unter meinem Schutz stehst, hast du keinen Grund zur Sorge.«

Sie erledigte den letzten Menschen, zog ihm den Speer aus dem Rücken, rammte die Spitze in den Boden und lehnte sich gegen den Schaft. Sie lächelte den Königlichen an. »Geht es dir jetzt nicht schon viel besser?«

Bram ließ den Blick über die Leichen um sie schweifen, bevor er antwortete: »Nicht besonders.«

 

»Das sind meine Brüder«, sagte Addolgar. »Cai der Grüne, Hew der Schwarze, Adain der Gelbe.«

»Es heißt golden, du Mistkerl. Ich bin Adain der Goldene.«

»Gelb. Gold.« Addolgar zuckte die Achseln. »Wen interessiert das schon? Also«, sagte er zu Bram, »sie haben sich ihre Namen noch nicht verdient, aber sie sind nicht übel. Das wird schon.«

»Ja«, erwiderte Bram, »ich fühle mich schon viel sicherer.«

»Gut!«, dröhnte Addolgar, dem die Ironie vollkommen entgangen war. »Also … wo ist Ghleanna?«

»Sie brauchte ein paar Minuten für sich«, sagte Bram.

»Pissen gegangen, was?«

Cai rammte seinem älteren Bruder die ziemlich große Faust gegen die Schulter. »Addolgar!«

»Was denn?« Bram sah sein Grinsen. »Das war doch nur eine Frage.«

»Sei nicht so ein Arsch.«

»Sei du nicht so ein Schleimer«, schoss Addolgar zurück.

»Warum ist er ein Schleimer?«, fragte Hew. »Weil er nicht will, dass du so über unsere Schwester sprichst?«

»Was heißt so? Ich habe nur gefragt …«

»Halt den Mund!«, blaffte Adain. »Blut und Feuer, du bist so ein Bastard!«

»Also gut. Wenn ihr alle so weibisch deswegen sein wollt.« Er wandte sich von seinen Brüdern ab und zwinkerte Bram zu. Und Bram fühlte sich zum ersten Mal ein bisschen wohler. Vor allem, weil es aussah, als würde Addolgar mehr Zeit damit verbringen, seine Geschwister zu quälen als sich mit Bram zu befassen.

»Da bist du ja!«, verkündete Addolgar, als seine Schwester näher kam. »Der Königliche hier sagte, du wärst pissen gegangen.«

»Zieh mich da nicht mit rein!«, sagte Bram.

»Na klar«, seufzte Ghleanna. »Das klingt ganz nach Bram. Verkünden, dass ich pissen gegangen bin. Als Nächstes wird er dir Bescheid sagen, wenn ich sch…«

»Können wir einfach gehen?«, unterbrach sie Cai zum Glück.

Ghleanna musterte den Jugendlichen von oben bis unten. »Seit wann bist du so weibisch?«

»Und wohin bringen wir ihn?«, fragte Addolgar.

»In den Osten«, erklärte Bram. »Der Hafen von Awbrey. Dort wird ein Schiff warten, das uns die Küste hinauf zu den Häfen von Alsandair bringt. Dort treffe ich meinen Kontakt.«

»Ein Schiff?«, fragte Adain stirnrunzelnd. »Warum nimmst du ein Schiff? Warum fliegst du nicht einfach in die Wüstenländer?«

»In die Wüstenländer zu fliegen würden die Sanddrachen als Angriff werten. Und übers Meer geht es schneller als zu Fuß.«

»So weit südlich«, erklärte Ghleanna, »sind wir immer zu Fuß gereist, wenn wir nicht eskortiert wurden.«

»Und warum dann nicht übers Meer fliegen?«

Darüber lachten Bram, Addolgar und Ghleanna unverhohlen.

»Ihr Götter«, bemerkte Bram, »sie sind wirklich jung.«

»Was soll das heißen?«

»Das heißt, dass du noch viel über Seedrachen lernen musst«, antwortete Ghleanna.

Addolgar erklärte: »Wenn mehr als ein oder zwei Drachen zu weit übers Meer fliegen, werden die Flossler das ganz sicher als Angriff betrachten.«

Hew fragte Bram: »Also schaffst du es wirklich nicht allein?« Bram schaffte es leicht allein, aber er hatte seine Gründe, nicht übers Meer zu fliegen, allein oder nicht. Sehr gute Gründe. »Bist du irgendwie schwächlich?«

»Babysitter für den Königlichen zu spielen war Bercelaks Idee«, erklärte Ghleanna ihnen. »Wollt ihr ihm auch widersprechen, Brüder?« Als ihre jüngeren Geschwister nicht antworteten, nickte sie. »Das dachte ich mir.«

»Kannst du kämpfen?«, drängte Hew weiter.

»Ich besitze eine mächtige Flamme.«

Die drei jüngeren Brüder schauten einander an. »Haben wir die nicht alle?«, fragte Cai schließlich.

»Meine ist stärker.«

Cai schüttelte den Kopf. »Ihr Götter, das ist peinlich.«

Addolgar schlug Cai an den Hinterkopf – ohne auf seinen Schmerzensschrei zu achten – und fragte: »Willst du heute Abend noch losziehen, Ghleanna?«

»Nein. Wir brechen bei Tagesanbruch auf.«

»Das ist gut. Wir können alle hier übernachten.«

»Ist nicht nötig. Wir können in Lord Brams Burg schlafen.«

Bram zuckte am ganzen Körper zusammen. »Können sie?«

»Holt euer Zeug«, befahl sie ihren Geschwistern.

»Warum tust du mir das an?«, fragte Bram, als Ghleannas Brüder gegangen waren. »Hasst du mich so sehr?«

»Du willst doch, dass meine Brüder dich mögen.«

»Nein, will ich nicht. Es könnte mich nicht weniger interessieren, ob sie mich mögen oder nicht.«

»Tja, sie werden dich viel lieber mögen, wenn sie ein weiches Bett und warmes Essen haben – oder wenigstens ein oder zwei Kühe. Und was kann es schaden?«

»Was, wenn sie meine Sachen durcheinanderbringen? Meine Papiere.« Bram geriet in Panik. »Meine Bücher!«

Ghleanna lachte. »Und was genau soll meine Sippe mit deinen wertvollen Büchern anstellen? Wenn sie deine Bücher überhaupt bemerken, bin ich erschüttert.« Sie trat näher, was Bram überraschte, und strich ihm mit der Hand über die Schulter. »Ich werde nicht zulassen, dass meine Brüder deinen Büchern und Papieren etwas antun.«

»Versprochen?«

»Versprochen.« Sie grinste, und das war schön. »Ich werde mich sehr gut um dich kümmern, Bram der Gnädige.« Ihr Grinsen wurde breiter. »Vertrau mir.«

 

Cais dicke Stiefel landeten auf dem Tisch, direkt auf den wichtigen Papieren des Friedensstifters. Also schnappte ihn Ghleanna mit einer Hand bei den Knöcheln und drehte ihn zurück, sodass Cai mitsamt seinem Stuhl auf den Boden knallte.

»He!«, rief Cai aus. »Wofür war das denn?«

»Du kommst mit deinen Klauen und mit deinen dicken, fetten Füßen nicht in die Nähe von Brams Büchern und Papieren.«

Cai stand auf und beugte sich herab, bis sie sich Auge in Auge befanden. »Und wenn doch?«

Ghleanna versetzte ihrem jüngeren Bruder einen Kopfstoß. Er hatte es schließlich darauf angelegt. Und es brachte ihre anderen Brüder zum Lachen. Sie liebte es, ihre Brüder zum Lachen zu bringen.

»Du verrückte Kuh!«, schrie Cai und hielt sich den Kopf.

»Du tust, was ich dir sage, kleiner Bruder, oder die Beule an deinem Kopf wird dein geringstes Problem sein. Und jetzt« – sie ließ den Blick über all ihre Brüder wandern – »werden wir essen und schlafen wie zivilisierte Drachen, und keiner fängt irgendeinen Blödsinn an. Verstanden?«

Als ihre Brüder zur Antwort nur brummelten, ließ sie zur Betonung ihre Fingerknöchel knacken. »Verstanden?«, knurrte sie.

»Ja, ja«, erklärte Addolgar eilig. »Verstanden.«

»Gut.« Sie lächelte und ging zum Königlichen hinüber, der ein paar Fuß entfernt stand und sie beobachtete.

»Siehst du?«, fragte sie. »Ich habe alles unter Kontrolle.«

»Du hast deinem Bruder einen Kopfstoß verpasst«, wandte Bram ein.

»Aye.«

»Deinem Bruder.«

»Manchmal dringt man nur so zu ihnen durch. Und es macht auch irgendwie Spaß«, gab sie zu. »Ich und Addolgar machen das ständig miteinander. Seit wir Schlüpflinge waren. Hat Mum in den Wahnsinn getrieben.«

»Das kann ich mir vorstellen.«

»Mach dir keine Sorgen um uns.« Ghleanna scheuchte ihn mit einer Handbewegung fort. »Ich habe diesen Haufen unter Kontrolle, und ich merke doch, dass du unbedingt gehen und irgendetwas Wichtiges mit deinen Büchern tun willst.«

»Ich sollte bleiben. Man hat mir oft genug gesagt, ich sei ein furchtbarer Gastgeber. Großartiger Friedensstifter – grausiger Gastgeber.«

»Du musst für mich und meine Sippe nicht den Gastgeber spielen. Wir können für uns selbst sorgen.«

»Macht es dir wirklich nichts aus?«

»Ich würde es dir sagen. Geh nur.«

»Also gut. Aber nur ein paar Minuten. Ich muss nur ein paar Briefe schreiben. Es dauert nicht lange. Ich bin wieder da, bevor du merkst, dass ich weg war.«

»Klar. Kein Problem.« Ghleanna schaute dem Königlichen nach, als er in sein Studierzimmer eilte. »Den sehen wir stundenlang nicht mehr.«

»Also können wir jetzt die Füße auf seine Sachen legen?«, fragte Hew hinter ihr.

»Nein, du fauler Schwachkopf! Und stell meine Geduld nicht auf die Probe. Ich habe einen Kopf wie Granit«, erinnerte ihn Ghleanna und zeigte auf ihre Stirn. »Genau wie dein lieber Vater.«

 

Bram unterschrieb den letzten Brief, den er beenden musste, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, streckte die Finger, um sie zu lockern. Da sah er Ghleanna auf dem Stuhl ihm gegenüber sitzen.

»Hallo. Ist das Abendessen fertig?«

Einer ihrer Mundwinkel hob sich, aber sie antwortete nicht.

»Was denn?«

»Vier Stunden.«

»Vier Stunden was? Vier Stunden, bis das Abendessen fertig ist?«

»Vier Stunden, bis die Sonnen aufgehen.«

»Was?« Bram schob den Stuhl zurück und ging zum Fenster. Er schaute hinaus und verzog das Gesicht, als ihm klar wurde, dass es noch hell gewesen war, als er sich hingesetzt hatte. Jetzt war es stockdunkel. Sogar der Mond war weg.

»Ich bin aufgestanden, um mir Wasser zu holen, und habe gemerkt, dass du immer noch hier drin bist. Wie willst du ohne Schlaf den ganzen Tag reisen?«

»Ich schaffe das schon«, versprach er.

»Wir haben gegessen. Meine Brüder haben darüber gestritten, wer zuerst in diese große Badewanne darf.« Sie grinste. »Ich habe gewonnen.«

»Noch ein Kopfstoß?«