Drei Krimis Spezialband 1050 - Franklin Donovan - E-Book

Drei Krimis Spezialband 1050 E-Book

Franklin Donovan

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis: YYY Franklin Donovan: Trevellian geht undercover in die Hölle Franklin Donovan: Trevellian, der Teufel und die Toten Franklin Donovan: Trevellian und der Marathon des Todes Darry March gähnte. Der Angestellte der Illinois Trading Bank hatte noch zwei Stunden bis Feierabend. Erarbeitete in einer winzigen Filiale der Bank in der Southern Shopping Mall, einem riesigen Einkaufszentrum am Stadtrand von Chicago. Hierher kamen hauptsächlich Kunden, die einen schnellen Kleinkredit für ihre Spontankäufe brauchten. Deshalb war die Bankfiliale auch nur mit zwei Leuten besetzt. March und seiner Kollegin Rita Bickford. Gerade betrat ein Mann die kleine Filiale der Illinois Trading Bank. Er trug schwarze Jeans und eine wattierte Jacke. »Kann ich helfen, Sir?« frage Darry March diensteifrig. Die Antwort bestand aus einer stahlglänzenden Ruger KP 90-Pistole, die ihm der »Kunde« unter die Nase hielt. »Geld her! Alles!« Die Stimme klang wie gemahlener Granit. Mit zitternden Händen packte der Kassierer grüne Dollarnoten in die Plastiktüte, die der Mann ihm hinhielt. Gleichzeitig betätigte er mit dem Fuß einen Alarmknopf. Der Bankräuber sah die Bewegung und drückte ohne Vorwarnung ab. Rita Bickford kreischte entsetzt auf.

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Franklin Donovan

Drei Krimis Spezialband 1050

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Inhaltsverzeichnis

Drei Krimis Spezialband 1050

Copyright

Trevellian geht undercover in die Hölle: Action Krimi

​Trevellian, der Teufel und die Toten: Action Krimi

Trevellian und der Marathon des Todes: Action Krimi

Drei Krimis Spezialband 1050

Franklin Donovan

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Franklin Donovan: Trevellian geht undercover in die Hölle

Franklin Donovan: Trevellian, der Teufel und die Toten

Franklin Donovan: Trevellian und der Marathon des Todes

Darry March gähnte. Der Angestellte der Illinois Trading Bank hatte noch zwei Stunden bis Feierabend. Erarbeitete in einer winzigen Filiale der Bank in der Southern Shopping Mall, einem riesigen Einkaufszentrum am Stadtrand von Chicago. Hierher kamen hauptsächlich Kunden, die einen schnellen Kleinkredit für ihre Spontankäufe brauchten. Deshalb war die Bankfiliale auch nur mit zwei Leuten besetzt. March und seiner Kollegin Rita Bickford.
Gerade betrat ein Mann die kleine Filiale der Illinois Trading Bank. Er trug schwarze Jeans und eine wattierte Jacke.
»Kann ich helfen, Sir?« frage Darry March diensteifrig.
Die Antwort bestand aus einer stahlglänzenden Ruger KP 90-Pistole, die ihm der »Kunde« unter die Nase hielt.
»Geld her! Alles!« Die Stimme klang wie gemahlener Granit.
Mit zitternden Händen packte der Kassierer grüne Dollarnoten in die Plastiktüte, die der Mann ihm hinhielt. Gleichzeitig betätigte er mit dem Fuß einen Alarmknopf.
Der Bankräuber sah die Bewegung und drückte ohne Vorwarnung ab. Rita Bickford kreischte entsetzt auf.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

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Trevellian geht undercover in die Hölle: Action Krimi

Franklin Donovan

Lautlos ließ sich FBI-Ermittler Lewis Marshall an der Holzleiter hinabgleiten. Die mondlose Nacht war sein Verbündeter. Außerdem - niemand würde vermuten, daß sich ein Beamter der Bundespolizei FBI in dieser so unscheinbaren Scheune umschauen würde.
Jedenfalls dachte er das.
Mit Hilfe von Steigeisen war Marshall von außen an der Holzwand der Scheune hinaufgeklettert, dann war er durch eine kleine Luke eingedrungen. Der Special Agent hielt eine winzige Taschenlampe mit abgeblendetem Lichtkegel in der Faust. Für das, was er vorhatte, spendete sie genügend Helligkeit.
Ein Geräusch ließ ihn zusammenfahren.
Was war das gewesen? Ein Tier vielleicht? Oder der stürmische Wind, der draußen durch die Baumwipfel am Waldränd brauste. Oder…? Lewis Marshall verharrte, die Hand auf dem Griff seiner Dienstwaffe…
***
Fünf Minuten lang rührte er sich nicht, hatte aber die kleine Stablampe vorsichtshalber ausgeschaltet. Nichts. Erleichtert knipste er die Taschenlampe wieder an.
Wie ein riesiges Ungeheuer aus einem Science-Fiction-Film ragte ein roter Mähdrescher vor ihm auf. Kein ungewöhnlicher Anblick auf einer Farm.
Doch der G-man suchte nicht nach harmlosen landwirtschaftlichen Geräten. Hinter der monströsen Maschine waren einige Heuballen gestapelt. Marshall hatte einen vagen Verdacht. Er wuchtete einige der Heuballen zur Seite.
Leise pfiff er durch die Zähne. Sein Instinkt hatte ihn nicht getrogen.
Unter dem Heu waren Kisten verborgen gewesen.
Der Agent schob die Klinge seines Messers unter den Deckel einer der Kisten, öffnete den Deckel mühsam, der festgenagelt war.
Drinnen lagen Waffen, sorgsam in Ölpapier eingewickelt.
Ich hatte recht, dachte der G-man. Die Kollegen müssen sofort anrücken. ›Questionmark‹ ist kein anderer als…
Lewis Marshall konnte den Gedanken nicht mehr zu Ende bringen.
Denn in diesem Moment wurde er von einem großkalibrigen Geschoß in den Rücken getroffen.
Er war sofort tot…
***
An diesem Morgen hatte ich wieder mal die Nase voll von New York. Okay, der Big Apple ist meine Stadt, doch schon oft habe ich die riesige Betonwüste am Hudson River verflucht. Nicht nur wegen der Verbrechen, die hier tagtäglich geschehen, obwohl New York angeblich inzwischen die sicherste Großstadt der USA sein soll, woran man allerdings als FBI-Beamter manchmal zweifeln möchte. Als G-man des FBI Field Office New York tue ich mein Bestes, um gegen Terror, Gewalt und Unrecht anzugehen.
Aber das war es an diesem Morgen nicht, was meine Laune in den Keller getrieben hatte. Mir stinkt oft die Gleichgültigkeit, mit der meine Mitbürger einander behandeln. Ich weiß natürlich, daß diese ›Coolness‹ häufig nur Selbstschutz ist. Aber sie nervt mich trotzdem, und manchmal glaube ich, daran verzweifeln zu müssen.
Während ich im Aufzug in die Tiefgarage meines Wohnblocks an der oberen Westside hinunterfuhr, dachte ich wehmütig an meine Kindheit und Jugend in Harpers Village zurück. Dem Dorf in Connecticut, in dem ich aufgewachsen bin. Als ich meinen roten Sportwagen bestieg, glaubte ich fast, den Duft von frisch gemähtem Heu zu riechen. Und nicht den Gestank von Abgasen, der sich in der Tiefgarage festgesetzt hatte.
Ich fuhr den roten Flitzer nach oben, fädelte ihn in den fließenden Verkehr ein. War es nur Einbildung, oder waren die anderen Autofahrer an diesem Morgen wirklich ebenfalls mieser gelaunt als sonst während der New Yorker Rushhour?
Wie immer erwartete mich Milo an unserer gewohnten Ecke.
»Hallo, Partner!« grüßte mich mein Freund und Kollege.
Ich erwiderte seinen Gruß ziemlich einsilbig. Als ich den Blinker setzte und von der Bordsteinkante abfahren wollte, schnitt mich ein grüner Pontiac, dessen Fahrer wild gestikulierte und mir den Stinkefinger zeigte.
Ich hieb mit dem Handballen auf die Hupe.
»Blöder Idiot!« fluchte ich. »Werd doch glücklich mit der Zehntelsekunde, die du jetzt gewonnen hast!«
Milo hob die Augenbrauen. »Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen, Jesse?«
Ich schielte in den Rückspiegel und gab Gas. »Ach, mir geht unsere Stadt auf den Zeiger! Immer diese Hektik, diese Hetze! Die Menschen sind unfreundlich, benutzen die Ellenbogen, haben kein einziges freundliches Wort füreinander. Auf dem Land ist das ganz anders…«
»Ach so!« Milo lachte auf. »Das kann ich als Großstadtpflanze natürlich nicht beurteilen. Ich vergesse ja immer wieder, daß Mr. Jeremias Trevellian zwischen Kuhfladen und Gänseblümchen aufgewachsen ist. Was für ein Jammer, daß der FBI nicht auch ein Field Office in Harpers Village betreibt. Den Laden könntest du dann ganz allein schmeißen. Und würdest dich zu Tode langweilen, weil da nie ein Verbrechen passiert.«
»Hast ja recht.« Ich mußte grinsen.
Mein Freund und Dienstpartner hatte mich mit seiner Flachserei aus meiner trüben Stimmung gerissen. »Aber in einem Punkt irrst du dich. Es gibt sehr wohl Kriminalität in Harpers Village. Da war zum Beispiel der legendäre Postraub…«
»Ein Raub überfall auf das Post Office?« fragte Milo interessiert.
»Nicht ganz. Es war mehr der Einbruch in den Briefkasten der U.S. Mail auf der Main Street. Fünfundsiebzig Briefe und neun Postkarten wurden gestohlen.«
Mein Partner grinste. »Jetzt verstehe ich deine Sehnsucht nach dem Landleben. Manchmal wünschte ich mir auch, wir würden solche Fälle bearbeiten mügsen. Und uns nicht mit dem organisierten Verbrechen und durchgedrehten Serienmördern rumschlagen müssen…«
Inzwischen hatten wir die Federal Plaza in Manhattan erreicht, wo sich das Field Office des FBI befindet. Ich lenkte den Sportwagen in die Tiefgarage.
Wir konnten beide zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, daß wir schon bald in einem abgeschiedenen Dorf landen würden.
Um dort dem Tod ins Auge zu blicken…
***
Fast zärtlich strich die riesige Pranke des Mannes über die Waffe. Vor wenigen Stunden hatte er einen Special Agent des FBI kaltblütig und feige von hinten ermordet.
So sah er selbst die Sache natürlich nicht. Für ihn war das Auslöschen dieses Menschenlebens nicht mehr gewesen als das Verscheuchen einer lästigen Stechmücke. Für den Mann zählten nur seine geliebten Waffen. Und jeder, der ihn von ihnen fernhalten wollte, war des Todes.
›Gun Crazy‹ - Waffenvernarrt lautete der Titel eines Films, den er vor vielen Jahren gesehen hatte. Eine Abenteuerstory mit Jonathan Dali und Peggy Cummins als verrücktem Kunstschützenpaar, das durch seine Waffenleidenschaft zu Verbrechern wird.
Er wußte, daß er selbst inzwischen auch gun grazy war. Und es wurde immer schlimmer. Aber das störte ihn nicht, im Gegenteil, er genoß es.
Er hob eine der Waffen aus der Kiste , hielt nun einen 2 2 3er Maschinenkarabiner LR 300 in den Händen. Ein Schmuckstück seiner Sammlung, das ursprünglich für die amerikanische Elitetruppe Delta Force bestimmt gewesen war, dann aber unter mysteriösen Umständen abhanden kam. Er hatte die LR 300 auf dem Schwarzmark erstanden. Die anderen Modelle hatte er weiterverkauft, aber diese Waffe hatte er behalten.
Es handelte sich um eine Weiterentwicklung des Colt M4 Carbine. Ausgestattet mit Trijicon-Leuchtvisier, seitlichem Klappschaft wie bei der israelischen Galil. Die LR 300 wog leer 3,2 Kilo.
Er verließ die Scheune und visierte die Zielscheibe an, die er links neben der Scheune auf gestellt hatte.
Er zog den Stecher durch, und die automatische Waffe ratterte los, spuckte mit 650 Schuß pro Minute Tod und Verderben. Erbeherrschte die LR 300 mit traumhafter Sicherheit.
Zufrieden stellte er das Feuer ein.
In diesem Moment vibrierte das Handy in der Tasche seiner Jägerweste. Er zog das Mobiltelefon hervor und meldete sich.
»Ja, hier Questionmark…«
***
Auf meinem Schreibtisch fand ich eine Notiz: Milo und ich sollten uns sofort nach unserem Eintreffen beim Chef melden. Also begaben wir uns zu Jonathan D. McKees Büro. Ich kann nicht behaupten, daß wir die Akten und Vernehmungsprotokolle unserer letzten Fälle ungern erst mal liegenließen.
»Guten Morgen, Jesse. Guten Morgen, Milo«, begrüßte uns Mandy, die attraktive dunkelhaarige Sekretärin des Special Agent in Charge.
Mein Freund und Partner schnupperte. »Was rieche ich da? Herrlichen frischen Kaffe?«
Mandy lachte. »Ja, ich wußte ja, daß ihr gleich kommen würdet, und habe deshalb auch sofort neuen Kaffee aufgesetzt. Ich weiß doch, was Ihr beide morgens als erstes braucht.«
»Was wären wir ohne unsere Droge«, scherzte ich.
Jeden von uns drückte Mandy einen Becher ihres köstlichen Gebräus in die Hand, dann aber betraten Milo und ich eiligst das Büro unseres Chefs, denn die Notiz auf meinem Schreibtisch zeigte an, daß eine dringliche Angelegenheit auf uns wartete.
Mr. McKee blickte auf, als wir sein Büro betraten, nachdem ich höflich angeklopft hatte. Seine Miene wirkte ernster als sonst. Es mußte etwas passiert sein, das ihn auch persönlich berührte. Er erhob sich. Ebenso sein Gast, mit dem er in der Besprechungsecke seines Büros gesessen hatte.
»Sehr gut, daß Sie da sind«, begrüßte uns der Chef des New Yorker FBI. »Den Kollegen Harold Nelson kennen Sie ja.«
Wir nickten und gaben nacheinander dem untersetzten Mann mit dem kleinen Clark-Gable-Schnurrbart die Hand. Er war der Leiter des FBI Field Office von Albany, das noch zum Staat New York gehört. Sein Rang entsprach dem von Mr. McKee. Jedes Field Office wird von einem Special Agent in Charge (SAC) geleitet.
»Sagt Ihnen der Begriff ›Questionmark‹ etwas?« fragte uns der Mann aus Albany.
»Questionmark - das Fragezeichen! So nennt sich ein unbekannter Waffenfanatiker« , erwiderte ich grimmig. »Eine Art Spitz- oder Geheimname, der vor einiger Zeit durch die New Yorker Presse ging. ›Questionmark‹ wurde verantwortlich gemacht für den illegalen Import von Scharfschützengewehren.«
»Direkt aus dem Bosnien-Krieg«, ergänzte Milo gallig. »Mit eingeritzten Originalkerben für jedes Opfer dieser feigen serbischen Heckenschützen.«
»Richtig, der Name beziehungsweise die Bezeichnung ›Questionmark‹ fiel im Zusammenhang mit dieser üblen Geschichte«, sagte Mr. McKee. »Clive Caravaggio und Blackfeather haben damals die Ermittlungen geführt, aber sie haben nicht in Erfahrung bringen können, wer sich hinter der Bezeichnung ›Questionmark‹ verbirgt. Dieser große Unbekannte bleibt ein Fragezeichen, wie es der Name schon zum Ausdruck bringt.«
»So ist es leider«, knurrte Harold Nelson grimmig. Man sah ihm an, daß i hn dieser Fall bewegte, aber ich fragte mich, warum. Doch die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. »Questionmark hat sein Operationsgebiet in unserem Bezirk, im Staat New York, Gentlemen. Und vor wenigen Tagen ist ihm einer meiner Männer zum Opfer gefallen.«
Jetzt verstand ich. Es ist immer besonders hart, wenn es einen G-man erwischt. Nicht, weil wir die besseren Menschen wären. Das nicht, doch ein Verbrecher, der einen Bundespolizisten ermordet, worauf zwangsläufig die Todesstrafe steht, beweist damit, daß er völlig hemmungslos agiert, keinerlei Rücksichten nimmt, weder auf sich noch auf andere.
»Hat der Kollege eine konkrete Spur verfolgt?« wollte ich wissen, nachdem wir den Schock verdaut hatten.
Harold Nelson nickte. »Special Agent Lewis Marshall war undercover tätig. In einem Dorf mit dem idyllischen Namen Rosepond. Wir haben Grundzu der Annahme, daß Questionmark dort sein Hauptquartier hat.«
»Warum?«
»Es ist uns gelungen, eine Nachricht seiner Organisation zu entschlüsseln, Agent Tucker. Dort war die Rede von einem Brüdertreffen in Rosepond. Einige Wochen später kam noch eine zweite Botschaft durch, die wir abfangen konnten. Wieder war von Rosepond die Rede. Und von einer großen Lieferung, die verteilt werden sollte. Danach herrschte Funkstille. Wir vermuten, daß die Bande Verdacht geschöpft und ihren Code geändert haben.«
»Was wissen wir bisher über diese Organisation?«
»Sehr wenig, Agent Trevellian. Es ist ein überregionaler Zusammenschluß von Waffenfanatikern, die zudem mit illegalen Waffen handeln. Und was das schlimmste ist: Diese Kerle veranstalten Schießübungen auf Menschen! Menschen, nach denen keiner fragt. Obdachlose, illegale Einwanderer und so weiter.«
»Diese Teufel!« knirschte Milo und ballte die Hände zu Fäusten.
»Agent Marshall muß ganz nahe am Ziel gewesen sein«, fuhr der SAC aus Albany fort. »Er hatte einen Job als Aushilfe im Drugstore von Rosepond angenommen. Bei seinem letzten Zwischenbericht machte er einen ziemlich aufgeregten Eindruck. Redete von Beweisen gegen ›Questionmark‹, die er schon bald in Händen haben würde. Vierundzwanzig Stunden später war er tot.«
Ich nickte grimmig. »Wir werden alles tun, um Ihnen zu helfen, Sir. Obwohl ich noch nicht ganz verstanden habe, worin unsere Aufgabe besteht.«
Der Special Agent in Charge aus Albany zog ein Foto aus seiner Jackettasche und reichte es mir.
Milo starrte zuerst auf das Foto, dann sah er mich an. »Jesse, wann hast du dir denn die Haare blond gefärbt? Das steht dir ja ausnehmend gut.«
»Ich färbe mir die Haare nicht blond. Dann würde ich ja aussehen wie du. Und wer will das schon«, gab ich zurück, aber ich betrachtete weiterhin das Bild des Mannes, das Harold Nelson mir gegeben hatte. Abgesehen von der Haarfarbe sah mir der Blonde tatsächlich zum Verwechseln ähnlich.
»Wer ist das?« fragte ich den schnurrbärtigen Kollegen.
»Dieser Mann heißt William Carter. Er ist ungefähr so alt wie Sie, Jesse. Mitte Dreißig. Und wie Sie sehen, ist er Ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten. Das ist auch der Grund, warum ich heute hier bin.«
»Ich glaube, ich verstehe«, murmelte ich. »Wer genau ist dieser William Carter, Sir?«
»Lassen Sie mich etwas weiter ausholen, Agent Trevellian, bevor ich Ihnen eine Antwort auf diese Frage gebe. Wir haben überlegt, warum unser Kollege Lewis Marshall sterben mußte. Und ich glaube, der entscheidende Grund dafür war, daß es unglaublich schwer für einen Agenten ist, in einem so kleinen Dorf wie Rosepond undercover zu arbeiten. Denn ein Fremder bleibt ein Fremder, auch wenn er sich nicht als G-man zu erkennen gibt. Und in so einer kleinen Ortschaft mißtraut man nun mal jedem Fremden.«
»Sie wollen damit sagen…?«
»So ist es, Agent Trevellian - William Carter ist ein Einheimischer«, bestätigte der SAC aus Albany. »Er hat den größten Teil seines Lebens in Rosepond verbracht. Wenn Sie an seiner Stelle in dieses verdammte Waffenfanatiker-Nest zurückkehren, wird kaum einer Ihnen mit Mißtrauen begegnen, denn als William Carter gehören Sie einfach dazu.«
»Und was ist mit dem echten William Carter?« wollte Milo wissen. »Er hat Dreck am Stecken, richtig? Deshalb ist er dem FBI auch bekannt, stimmt’s?«
Harold Nelson schüttelte den Kopf. »Nein, nicht direkt. Carter ist mal Zeuge bei einem Kokain-Deal gewesen und hat gegen die Dealer ausgesagt. Wir mußten ihn damals durchleuchten, um seine Glaubwürdigkeit zu checken. Damit der Anwalt der I )ealer-Bande ihn nicht vor Gericht auseinandemimmt. Aber unser William Carter ist eine ehrliche Haut. Und das beste: Erwirduns garantiert nicht in die Quere kommen. Er arbeitet nämlich in der Erdölbranche. Auf einer Bohrplattform vor der Küste von Kolumbien.«
»Der echte William Carter ist bereits informiert«, ergänzte Mr. McKee. »Es freut ihn, daß er dem FBI helfen kann. Es besteht keine Gefahr, daß er Sie auffliegen läßt, Jesse. Sie werden also in Ihr ›Heimatdorf‹ Rosepond zurückkehren. In Ihrer Begleitung ein gewisser Milo Tucker, den Sie bei der Arbeit auf der Ölplattform kennengelernt haben.«
Milo und ich waren einverstanden.
»Wir werden mit dem größten Vergnügen diesen sauberen Mr. ›Questionmark‹ und seine Gang auffliegen lassen«, knurrte ich.
***
Das Signal der Amtrak-Lokomotive dröhnte so laut, daß die Aluminiumverkleidung des Güterwaggons zu vibrieren schien. Beano Norwood störte der Lärm nicht. Er hatte gelernt, selbst beim größten Krach ungestört weiterzuschlafen. Diese Fähigkeit gehörte zu den wichtigsten Künsten eines Schienentramps.
Und als ein solcher war der Mittfünfziger mit den Gesichtszügen eines Siebzigjährigen schon fast ein Jahrzehnt unterwegs. Er kannte alle Eisenbahnstrecken der USA in- und auswendig. Von Küste zu Küste war er bereits gereist. Immer ohne Fahrschein. Denn in den zugigen Frachtwaggons ließ sich kein Ticketkontrolleur blicken. Dafür um so öfter die ruppigen Burschen von der Amtrak-Security, die mit ihren Gummiknüppeln die Habenichtse vertrieben. Aber das war eine ermüdende und frustrierende Arbeit. Für jeden Tramp, den die Wachen verjagten, sprangen auf der unbeobachteten Seite des Schienenstrangs zehn neue auf den Zug. Irgendwann gaben die Security Guards dann jedesmal entnervt auf. Man mußte bloß aufpassen, daß man nicht in die Reichweite ihrer Schlaginstrumente kam. Aber auch damit kannte sich Beano Norwood aus.
Das Morgengrauen und sein leerer Magen hatten den Tramp aus dem Schlaf gerissen, nicht das schrille Signal der Lok. Er hob seinen struppigen Kopf und blickte durch die offenstehende Schiebetür des leeren Güterwaggons nach draußen. Wälder, vermutlich die Catskill Mountains. Und am Horizont die Lichter eines Dorfes.
Beano Norwood sagte sich, daß er ein Frühstück vertragen könnte. Günstigerweise fuhr der Güterzug gerade fast Schrittempo.
»Adios, Muchachos!« rief der altgediente Herumtreiber seinen mexikanischen Mitreisenden zu. Ihr Risiko bei den illegalen Trips war noch viel größer als seins. Wenn die Cops sie auf griffen, würde man sie schneller in ihre Heimat abschieben, als sie ›Tortilla‹ sagen konnten.
Eine solche Gefahr bestand bei Beano Norwood nicht. Er war ein waschechter Amerikaner, und er hatte in Vietnam sogar seinen Arsch fürs Vaterland hingehalten. Nur hatte man ihm das schlecht gedankt. Nach der Rückkehr in die Staaten war ein bürgerliches Leben für ihn nicht mehr möglich gewesen. Wie für so viele seiner Kameraden auch, dafür hatten sie zuviel gesehen und miterlebt.
Der Tramp sprang mit routinierten Bewegungen von dem fahrenden Zug und ließ sich die Böschung hinabrollen. Es war noch kalt. Bodennebel wallte. Das störte Beano Norwood nicht. Da hatte er schon ganz andere Temperaturen erlebt. Bei seinen Touren durch die kanadischen Provinzen Manitoba und Alberta… Ihm fror schon beim bloßen Gedanken an diese Zeit, und er spürte dabei ein unangenehmes Kribbeln in den Zehen. Aber seltsamerweise in jenen Zehen, die er nicht mehr hatte, denn ein paar waren ihm in dem nördlichen Nachbarland'der USA abgefroren Eine Weile stapfte der Mann ohne Heimat dem Schienenstrang entlang. Dann gelangte er auf einen Feldweg. Durch die dicht stehenden Bäume eines Waldes sah er wieder die Lichter des Dorfes schimmern. Sie schienen ihm nun schon viel näher.
Beano Norwood pfiff eine Melodie vor sich hin. Ein Country-Song. ›King of the road.‹ So kam er sich auch oft vor, wie der König der Landstraße. Er bereute es nicht, daß er nach seiner Zeit in Nam nicht mehr ins Arbeitsleben zurückgekehrt war. Was brauchte er denn schon, um glücklich zu sein? Nicht mehr als ’nen Platz zum Pennen und eine Büchse Bohnen. Daher auch sein Spitzname Beano.
Keuchend kämpfte sich der Tramp einen leicht ansteigenden Hügel empor, dann durchquerte er den Wald, hinter dem das Dorf liegen mußte. Die Vögel waren schon aufgewacht und hatten mit ihrem Morgenkonzert begonnen.
Doch ihr Gezwitscher verstummte, als es plötzlich grell krachte!
Ein Hochgeschwindigkeitsgeschoß schlug unmittelbar neben Norwood in den Stamm eines Baumes!
Schlagartig waren die alten Reflexe wieder da, die dem Vietnam-Veteran damals in dem fernen asiatischen Land am Leben gehalten hatten. Er sprang zu Boden, rollte sich geschickt ab und verschwand einen Herzschlag später im Unterholz.
Und dann hörte er sie kommen. Das Rascheln und Knacken von Zweigen. Halblaut gebellte Befehle. .
Aber diesmal war es nicht ›Charly‹, der verhaßte Vietcong, der ihm ans Leben wollte. Diesmal waren es seine eigenen amerikanischen Landsleute, denen offenbar seine Nase nicht paßte. Und die sich deshalb entschlossen hatten, sie mit einer Kugel zu zertrümmern!
Beano Norwood arbeitete sich vor. Er kannte das Spiel. Wenn sie ihn erst eingekreist hatten, war er verloren. Und diesmal hatte er keinen Funker in der Nähe, der Helikopterunterstützung anfordern konnte, um die kleinen gelben Teufel in den schwarzen Pyjamas zum Teufel zu jagen. Nein, diesmal war er ganz auf sich gestellt.
Und - verdammt! -niemand würde sich darum scheren, wenn wieder mal ein Herumtreiber den Löffel abgab, da gab sich der Tramp keinen Illusionen hin.
Eine weitere Kugel jagte in seiner Nähe durch die Zweige. Norwood kannte sich aus. Seine unsichtbaren Feinde mußten über Nachtsichtgeräte verfügen. Denn noch war es zu diesig und dämmerig, um wirklich gutes Schußlicht zu haben.
Der Landstreicher sprang auf und hetzte los. Seine einzige Hoffnung war das Dorf. Er mußte es erreichen, bevor ihn diese verdammten Hinterwäldler eingekreist hatten! Diese dreckigen Mörder! Er gönnte ihnen den Triumph nicht, ihn krepieren zu sehen!
Norwood erreichte gerade noch rechtzeitig einen Baumstamm, als eine Garbe aus einer automatischen Waffe heranjagte. Sie fräste in das Holz des Stammes. Der Gejagte hielt sich nicht lange auf, glitt zu Boden und bewegte sich auf Ellenbogen und Knien weiter.
Er kannte den Sound dieser MPi. Es war das AK-47-Sturmgewehr aus der russischen Kalaschnikow-Produktion. Eine Waffe, mit der man schon auf der ganzen Welt auf amerikanische Soldaten geschossen hatte.
Und jetzt sogar in den Catskill Mountains! dachte der Tramp mit bitterer Ironie, während er sich weiter auf die Lichter des so idyllisch daliegenden Ortes zu bewegte. Und sich nichts sehnlicher wünschte, als jetzt seine alte Schnellfeuerknarre bei sich zu haben. Um sich hier nicht wehrlos abschlachten lassen zu müssen.
Verdammt - dafür hatte er diesen Scheiß-Krieg damals schließlich nicht überlebt!
Wieder flogen ihm die Kugel um die Ohren. Diesmal schossen sie aus mehreren Rohren. Sein geübtes Gehör unterschied den Sound von mindestens drei verschiedenen Knarren Gewehre und MPis, die sich auf ihn eingeschossen hatten.
Norwood sprang nun auf, lief geduckt, änderte dann überraschend die Richtung. Diese Arschlöcher würden es noch bereuen, sich mit ihm angelegt zu haben. Er wußte zwar noch nicht genau, wie er’s diesen Hunden besorgen sollte, aber sie würden erfahren, daß man sich besser nicht mit ihm anlegte. Sie würden…
»Aaaah!«
Ein Schmerzensschrei gellte über seine aufgesprungenen Lippen, als eines der Geschosse in sein linkes Ellenbogengelenk schlug.
Der Schmerz ließ ihn erkennen, daß er nicht unverwundbar war, und plötzlich flammte helle Panik in ihm auf.
Weg hier! rief eine innere Stimme. Raus aus diesem Todeswald!
Und dann sah er die ersten Häuser des Ortes, und dieser Anblick mobilisierte seine letzten Kraftreserven. Laut brüllend stolperte er auf die Straße.
»Hilfe! Mörder! Zu Hilfe!«
Sein Gebrüll war laut genug, um ein ganzes Regiment U.S. Marines nach dem Freitagabend-Besäufnis aus dem Schlaf zu reißen. Sein ehemaliger Drill Instructor hätte ihn um diese Kasernenhof-Stimme beneidet.
Doch nichts regte sich in diesem üblen Kaff. Niemand schien ihn zu hören - oder hören zu wollen!
»Aaaaah!«
Als eine weitere Kugel in seinen Oberschenkel einschlug, drohten ihm die Sinne zu schwinden. Er torkelte wie ein Betrunkener über die Main Street und schrie jetzt wie am Spieß. Um diese Tageszeit war noch kein Fahrzeug unterwegs. Die Ampel an der einzigen Kreuzung des Ortes blinkte nur gelb.
Da! Das Sheriff's Office! Trotz seiner schweren Verletzungen hatte Beano Norwood noch nicht auf gegeben. Der Sheriff mußte ihm helfen! Er mußte einfach!
»Sheriff!« brüllte der Tramp mit einer heiseren, fast unmenschlich klingenden Stimme. »Sheriff-Hilfe! Hilfe, verdammt!«
In diesem Moment schlug eine weitere Kugel genau zwischen die Schulterblätter in seinen Rücken. Beano Norwood spuckte Blut.
Dann fiel sein toter Körper auf die staubige Straße…
Die drei feigen Mörder näherten sich dem Toten, ihre noch rauchenden Waffen in Händen.
»Ein Meisterschuß, Questionmark!« sagte einer der gemeinen Killer zu ihrem Anführer, und der Angesprochene nickte geschmeichelt.
In diesem Moment öffnete sich die Tür des Sheriff's Office, und der Ordnungshüter von Rosepond trat nach draußen, während er seinen Revolvergurt schloß. Er warf erst einen Blick auf den toten Obdachlosen mitten auf der Main Street, dann sah er die Männer an, die den armen Kerl auf dem Gewissen hatten.
Er grinste und drohte ihnen scherzhaft mit dem Zeigefinger…
***
Milo und ich stiegen an der Port Authority Bus Station in New York in einen Greyhound-Bus mit dem Ziel Albany. Der einmal am Tag verkehrende Bus stellte die einzige Verbindung Roseponds zur Außenwelt dar.
Der Greyhound war halb leer, obwohl diese Überland-Riesen das meistgebrauchte Verkehrsmittel der Amerikaner mit schmalem Geldbeutel sind. Wir hatten überlegt, ob wir nicht lieber einen Wagen aus dem FBI-Fuhrpark nehmen sollten. Aber dann hatten wir uns aus Gründen der Tarnung für den Bus entschieden. Kein Ex-Bohrinsel-Arbeiter würde sich in New York einen Wagen kaufen, wenn er seinen Heimatort in der tiefsten Provinz ansteuert. Erstens sind Autos auf dem Dorf viel billiger, und zweitens hält sich unter Hinterwäldlern das hartnäckige Gerücht, in New York City beim Gebrauchtwagenkauf über den Tisch gezogen zu werden. Ein Gerücht, das - zugegeben - wie so viele andere einen wahren Kern hat.
Milo und ich glichen uns an diesem Morgen ziemlich stark. Für meine Tarnung als William Carter hatte ich mir natürlich von unserem Maskenbildner Windermeere die Haare blond färben lassen. Und beide trugen wir selbstverständlich nicht dezente dunkle Anzügen, wie man es von FBI-Agenten erwartet, sondern Jeans, Karohemden und abgewetzte Lederjacken. Milo hatte seine Kluft noch mit einer Baseballkappe der New York Yankees komplettiert. Und jeder von uns hatte einen Seesack in das Gepäckfach des Greyhounds gewuchtet.
»Good bye, geliebtes New York!« seufzte mein Freund und Partner theatralisch, als wir in unseren Polstern zurückgelehnt saßen und sich der Bus Richtung Upstate New York in Bewegung setzte.
»Nun übertreib mal nicht«, brummte ich. »Schließlich verlassen wir noch nicht mal den Boden unseres Heimatstaates!«
»Du weißt eben nicht, wie das ist, Jeremias«, behauptete Milo. »Ich als Großstadtkind mitten zwischen Kuhfladen und Milchkannen! Du wirst mich an der Hand nehmen müssen. Ich habe mich auf dem Land noch nie zurechtgefunden.«
»Dann müssen wir den Fall schnell lösen«, raunte ich ihm zu. »Damit du endlich wieder deine geliebten gelben Taxis und miefenden U-Bahnschächte genießen kannst.«
»Dafür wäre ich dankbar«, gab der naturblonde G-man übertrieben ernsthaft zurück. »Wenn ich allein an die vielen Maulwurfshügel denke, über die man stolpern kann…« Er grinste. »Aber für dich als Landjungen ist die Tarnung als William Carter natürlich perfekt.«
Er spielte auf meine Herkunft aus Harpers Village, Connecticut, an.
»Wollen wir’s hoffen«, erwiderte ich. »Gestern habe ich noch auf Staatskosten ein langes Ferngespräch mit dem echten Carter geführt. Er hat mir von den wichtigsten Persönlichkeiten in Rosepond erzählt. Und mit wem er früher so rumgehangen hat.«
»Hat unser fleißiger Ölprinz eigentlich noch Familie?« erkundigte sich Milo.
Ich schüttelte den Kopf. »Seine Eltern sind vor Jahren bei einem Autounfall getötet worden. Es gibt noch eine Großtante, aber die ist fast blind und ziemlich taub. Also wohl keine Gefahr für unsere Tarnung.«
»Auch das wollen wir mal hoffen«, erwiderte mein Partner und warf einen schicksalsergebenen Blick auf das Schild, das die Stadtgrenze von New York City anzeigte. »Denn du weißt selbst, daß wir in Rosepond ganz auf uns allein gestellt sein werden.«
Allerdings, das wußte ich. Und'ich kannte auch das Risiko, das wir mit unserer Unternehmung eingingen.
Wir waren sozusagen auf dem Weg undercover in die Hölle…
***
›Questionmark‹ - das Fragezeichen -hatte seine Leute voll im Griff. Ein knapper Befehl hatte gereicht, und der tote Tramp war beseitigt worden. Irgendwo im Wald wurde er verscharrt. Kein Hahn würde jemals nach ihm krähen.
In der unmenschlichen Logik des feigen Mörders waren Leute wie Beano Norwood nur lebende Ziele. Über deren Schicksal mußte man sich keine Gedanken machen. In dieser Beziehung hatte der Waffenfanatiker keine Probleme, seine schwarze Seele kannte da keine Reue oder Gewissensbisse.
Nur dieser G-man bereitete ihm Kopfzerbrechen. ›Questionmark‹ hatte schon länger befürchtet, daß der FBI hinter ihm her war. Und wie viele andere nicht gesetzestreue Amerikaner hatte ›Questionmark‹ einen höllischen Respekt vor der Bundespolizei, die als die wohl beste Polizeitruppe der Welt gilt.
Ausgerechnet jetzt! dachte der Anführer des Waffenclans, als er seine neuesten Informationen, die er über Internet erhielt, studierte. Er hatte sich erfolgreich um tragbare Raketengeschosse bemüht, wie sie von den muslimischen- Widerstandskämpfern in Afghanistan gegen die russischen Invasoren eingesetzt worden waren Und zwar mit verheerenden Wirkungen für die Sowjet-Hubschrauber.
In wenigen Tagen würde ihm die illegale Fracht geliefert werden. Wenn dann der FBI hier in Rosepond herumschnüffelte…
Mißgelaunt schlürfte ›Questionmark‹ seinen Kaffee.
Es klopfte an die Tür.
»Come in!«
Ein Mann in einer Khakiuniform schob seinen massigen Körper in das Büro.
Sheriff Larry Branagan.
Seines Zeichens oberster Gesetzeshüter von Rosepond. Und dem waffenvernarrten Mörder genauso hörig und ergeben wie fast alle anderen hier im Ort.
›Questionmark‹ blickte auf. »Gibt es Neuigkeiten von den G-men?«
Der Sheriff grinste schmierig. »Die Schlipsträger aus Washington halten sich bedeckt. Ich habe auf offiziellen Kanälen noch nicht mal eine Nachricht darüber erhalten, daß es einen von ihnen beim Schnüffeln hier erwischt haben.«
›Questionmark‹ lehnte sich in seinem Bürosessel zurück. »Ob die was ahnen?«
Der Mann im Uniformhemd und mit dem Doppelkinn zuckte mit den fetten Schultern. »Diese Typen sind immer große Geheimniskrämer. Glauben Sie mir, ich kenne diese Brüder. Aber wir haben trotzdem immer noch gute Karten.« Er warf sich in seine Brust. Obwohl man besser hätte sagen können: In seinen Bauch. »Schließlich bin ich hier in Rosepond das Gesetz! Und an mir kommt so leicht keiner vorbei. Dieser G-man, dieser Lewis Marshall, war mir vom ersten Tag an verdächtig. Deshalb habe ich Sie ja auch sofort gewarnt. Ich habe in meinem linken großen Zeh gespürt, daß der Typ ein getarnter Fed war!«
Und er blickte an sich herab, als ob er seine Füße unter der gewaltigen Bauchwölbung tatsächlich noch würde sehen können.
»Du mußt jedenfalls die Augen offenhalten«, sagte ›Questionmark‹ und warf dem Sheriff einen warnenden Blick zu. »Ich bezahle dich nicht aus purer Nächstenliebe so erstklassig. Wenn irgendeine verdächtige Figur hier auf taucht, dann muß sie kaltgestellt werden. Und zwar ohne, daß ein Verdacht auf uns fällt. Kapiert?«
»Klar, Boß!« Ein selbstzufriedenes Grinsen erschien auf dem Mondgesicht des Ordnungshüters. »Aber dann müssen Sie selbst auch ein wenig bei Ihren Schießübungen aufpassen.«
›Questionmarks‹ Kopf lief rot an. Er liebte es nicht, wenn ihn jemand kritisierte. Ganz egal, wer es war.
Deshalb beeilte sich der Sheriff, unterwürfig hinzuzufügen: »Ich meine, solange Sie sich solche Penner wie den heute früh als Zielscheibe suchen, ist alles okey-dokey. Denen weint keiner eine Träne nach…«
***
Es war schon heller Nachmittag, als unser Greyhound langsam über die Main Street von Rosepond rollte. Die mächtigen Druckluftbremsen zischten, und der Bus kam an der kleinen Haltestelle zum Stehen.
Der Busfahrer stieg aus, um uns den Gepäckraum zu öffnen. Wie sich zeigte, waren Milo und ich die einzigen Passagiere, die hier aussteigen wollten.
»Rosepond, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen«, murmelte der Mann von der Greyhound-Gesellschaft. »Wenn Sie Ruhe suchen - die werden Sie hier finden.«
Da irrte er sich total, wie sich schon sehr bald zeigen sollte.
»Ich weiß, Mann«, erwiderte ich. Dabei bemühte ich mich, meine Rolle als William Carter überzeugend zu spielen. »Rosepond ist meine Heimat. Ich bin hier geboren und auf gewachsen.«
»Jesses, ist das wahr? Dann nichts für ungut, Mister!«
Und damit machte der Bus-Driver, daß er wieder auf seinen Sitz kam. Die Tür schloß sich, und außer einer Staubwolke blieb nichts zurück von dem langgestreckten Geschoß aus blitzendem Aluminium.
Milo gähnte und streckte sich. Wir beide waren ziemlich schlapp vom langen Sitzen in dem schaukelnden Bus. Nichts für action-gewohnte G-men. Mein Freund blickte die Main Street hinauf und hinunter.
Rosepond unterschied sich in nichts von Zehntausenden anderer Dorf-Idyllen in den USA. Es gab einen Drugstore, einen riesigen Supermarkt und eine weiß gestrichene Kirche. Gegenüber von dem Gotteshaus befand sich ein winziger Park mit einer steinernen Skulptur eines Bürgerkriegsgenerals, wahlweise Sherman oder Grant, hier im Norden natürlich der berühmte Nordstaatler General Grant. Ein Stück weiter wies eine Neonreklame auf ein Diner hin. Der Treffpunkt der Dorfjugend. Samstagabends hingen sie hier rum und tranken verbotenerweise Bier. Und das alles unter den Augen des Sheriffs, der praktischerweise sein Office gleich nebenan hatte.
Ich kannte mich aus. Schließlich bin ich ja selbst in einem Dorf aufgewachsen.
»Und was machen wir jetzt, William?« fragte Milo. Wir hatten vereinbart, daß er mich nur noch ›William‹ nennen würde, sobald wir in Rosepond angekommen waren.
»Na, was schon?« erwiderte ich. »Wir suchen uns Arbeit, Milo! Die gebratenen Tauben werden uns hier nicht in den Mund fliegen!«
Wir nahmen unsere Seesäcke auf und machten uns breitbeinig auf den Weg Richtung Norden. Wie zwei Cowboys.Ich hatte mich in New York so ausgiebig wie möglich über die Geographie des Dorfes schlau gemacht. Daher wußte ich, daß sich ein Stück weiter das Mayor's Office befand, das Bürgermeisteramt, wo neben vielen anderen offiziellen Services auch freie Jobs angeboten wurden. Eine spezielle Arbeitsvermittlung gab es in einem solchen kleinen Ort nicht.
»Und als nächstes halten wir nach einer Bude Ausschau«, kündigte ich an. »An der County Road Richtung Clarkwell gibt es einen Trailer Park, wo wir…«
Weiter kam ich nicht. Denn in diesem Moment schoß ein muskulöser Arm durch die offene Tür von ›Chuckie's Bar‹, an der wir gerade Vorbeigehen wollten, und eine riesige Faust traf mich mit voller Wucht am Kopf.
***
»Sieht nach Regen aus«, meinte Chuckie und tauchte ein Bierglas ins Abwaschwasser. Dabei reckte sich der kleine Gastronom und stellte sich auf seine Zehenspitzen. Als ob er dadurch den schweren Himmel über der kleinen Stadt besser sehen könnte. Die Aussicht durch die offene Tür seiner Bar bot ohnehin seit zwanzig Jahren denselben Ausblick. Den Teil der Main Street zwischen dem Greyhound-Haltepunkt und der Schule.
Herb Bronkowitz rutschte mit seinem schweren Körper auf dem Barhocker hin und her. Er machte sich noch nicht mal die Mühe, zu antworten. Das sechste Budweiser dieses Tages war gerade dabei, ihm angenehm den Schädel zu vernebeln. Langsam fiel der Streß von ihm ab, den er in den vergangenen drei Wochen auf gestaut hatte, als der Polier bei der Fertigstellung eines Rohbaus in Chattanooga seine Maurer durch die Baustelle hatte prügeln müssen, um den Termin einzuhalten. So manches Mal war dem temperamentvollen Vorarbeiter die Hand oder vielmehr die Faust ausgerutscht. Aber irgendwie hatte er seine Boys immer wieder zur Räson bringen können. Und der Auftrag war termingerecht abgeschlossen worden.
»Mein bester Mann!« hatte der Architekt über Herb Bronkowitz gesagt. Und bei diesen Worten war der untersetzte Sohn polnischer Einwanderer innerlich um mindestens drei Inches gewachsen.
Und nun saß er in seinem Heimatdorf an seiner Lieblingstheke und feierte den Erfolg auf seine Art. Indem er sich vollaufen ließ. Er hatte noch eine ganze Woche Zeit, bis ihn sein nächster Job nach New York City führen würde.
Chuckie, der Besitzer der Bar, gab sich keine große Mühe, das Gespräch in Gang zu halten. Wie die meisten seiner Mitbürger kannte er Herb Bronkowitz seit früher Kindheit. Deshalb wußte er, daß der kraftstrotzende Polier alles andere als ein genialer Entertainer war. Überhaupt ein Zeitgenosse, dem man besser nicht auf die Nerven ging. Denn wenn Bronkowitz einmal richtig ausrastete, dann flogen die Fetzen.
Der Barkeeper summte den neuesten Country-Song von Dolly Parton mit. Die lokale Radiostation brachte ausschließlich Western-Musik. Weil das die einzige Musik war, die die Einwohner von Rosepond wirklich mochten.
Wie eine Geisterstadt lag das Dorf vor den Fenstern der fast leeren Bar. Nichts rührte sich.
Aber dann passierte doch etwas. Der Greyhound Bus aus New York City rauschte fahrplangemäß an ›Chuckie's Bar‹ vorbei. Der kleine Barkeeper kletterte auf die untere Verstrebung seines Hockers. Er wollte sehen, ob jemand ausstieg. Viel mehr Abwechslung hatte er nicht zu erwarten, bis um sechs Uhr nachmittags im Sägewerk die Feierabendsirene dröhnte und die durstigen Arbeiter von den Maschinen an seine Theke wechselten wie jeden Abend.
Tatsächlich stiegen zwei Männer hier in Rosepond aus dem Bus.
»Sieh mal!« Erneut versucht der Kleine, die Aufmerksamkeit seines gelangweilten Gastes zu erregen. »Ist das nicht William Carter, der da gerade mit dem Bus geklettert ist?«
Sofort bereute der Wirt seine Worte. Denn ihm fiel die alte Eifersuchtsgeschichte zwischen Herb Bronkowitz und William Carter wieder ein. Wie oft hatten sich die beiden Männer deswegen gegenseitig die Visage poliert.
Oft genug jedenfalls in seiner Bar. Zwar waren sie hinterher brüderlich für den Schaden aufgekommen, aber er, Chuckie, hatte trotzdem den Ärger gehabt mit der kaputten Einrichtung und den Lieferschwierigkeiten seines Gastronomie-Großhändlers für die zerschlagene Zapfanlage.
Am liebsten hätte sich Chuckie die Zunge abgebissen. Doch dafür war es nun zu spät.
In den kleinen tückischen Augen des Poliers blitzte es aggressiv auf. Er wandte seinen mächtigen Schädel wie ein Raubsaurier auf der Kinoleinwand. Wie die meisten Amerikaner hatte Chuckie natürlich ›Jurassic Park‹ von Steven Spielberg gesehen. Lange genug gelaufen war der Streifen ja im einzigen Kino von Rosepond. Und so unberechenbar wie die Urzeit-Bestien kam ihm sein Gast in diesem Moment vor. Wie ein Tyrannosaurus Rex auf Raubzug.
»William Carter«, wiederholte Herb Bronkowitz mit fast schon träumerischer Brutalität. »Er ist also zurückgekehrt. Dieser Arsch weiß wirklich nicht, was gut für ihn ist.«
Der Barkeeper schluckte trocken. Ihm persönlich war es herzlich egal, wenn sich Carter und Bronkowitz gegenseitig die Schädel einschlugen. Nur möglichst nicht in seiner Bar. Er überlegte fieberhaft, wie er dieses Unheil ab wenden konnte, ohne daß sein Gast sofort bemerkte, daß es ihm nur um die Einrichtung ging.
»Gib mir noch ’n Bier!« kommandierte Bronkowitz.
Eilfertig kam Chuckie der Aufforderung nach und fischte eine eisgekühlte Flasche aus dem Kühlschrank.
»Viel-vielleicht solltest du ihn jetzt gleich begrüßen, Herb«, stammelte der Barkeeper. »Damit er sofort schnallt, daß er hier nicht willkommen ist.« Ihm selbst war William Carter genauso recht wie jeder andere Gast auch. Aber das sagte er dem cholerischen Polier natürlich nicht.
Bronkowitz grinste, wobei er zwei fast vollständige Reihen mit gelben Hauern sehen ließ. »Gute Idee, Chuckie-Boy!«
Mit diesen Worten packte er die Bierflasche und stürzte ihren Inhalt mit einem Zug hinunter. Danach umfaßte er mit seiner großen Pranke ihren Hals, zerschlug die Flasche an der Theke. Der Kleine kniff die Augen zusammen, als ihm die Scherben um die Ohren flogen.
Die abgebrochene Flasche ragte aus der Faust des Poliers wie ein Dreizack des Todes. Triumphierend hielt er sie dem Barkeeper unter die Nase.
»Hier siehst du einen guten Grund, warum dieser Hurensohn Carter samt seinem Kumpel gleich wieder in den nächsten Greyhound steigen wird!«
Chuckie schluckte trocken. Ihm stand der Angstschweiß auf der Stirn.
Sein Gast glitt vom Hocker und stapfte zur offenstehenden Tür.
Inzwischen waren William Carter und der unbekannte andere blonde Mann schon fast auf der Höhe der Bar angelangt.
Zähneknirschend glotzte Bronkowitz auf den zackigen Flaschenhals in seiner linken Hand. Doch irgend etwas schien ihn davon abzuhalten, die gemeine Waffe sofort einzusetzen.
Er stellte sich neben dem Türstock in Positur. Unsichtbar für die beiden Männer, die soeben an ›Chuckie's Bar‹ Vorbeigehen wollten.
Als der vermeintliche William Carter auf Armeslänge herangekommen war, drosch der Polier zu.
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Der Fausthieb traf mich völlig unerwartet. Riß mich von den Beinen. Für einen Moment tanzten feurigrote Gluträder vor meinen Augen. Der Schlag hätte einen ausgewachsenen Stier umhauen können. Aber zum Glück habe ich durch meinen Job als G-man genug ›Training‹, wenn es darum geht, Faustschläge zu verdauen. Wie oft hatte man mich schon in düsteren Seitengassen oder schummrigen Hinterhöfen zusammengeschlagen? Da lernt man mit der Zeit, einiges einzustecken. Das muß man, oder man geht unter.
Aber zunächst segelte ich der Länge nach auf die Fahrbahn der Main Street. Zum Glück kam gerade kein Auto vorbei.
Nun war auch der Mann aus der Bar getreten, zu dem die Faust gehörte, die mein Gesicht so liebevoll geküßt hatte. Sofort wollte sich mein Freund auf den Schläger stürzen.
»Laß das, Milo!« rief ich, während tausend kleine Zwerge mit ihren Hämmerchen die Zerstörungsarbeit in meinem Hinterkopf aüfnahmen. »Das ist eine Sache zwischen Herb und mir!«
Denn als ich meinen unbekannten Gegner mit der abgebrochenen Flasche in der Hand anrollen sah, wurde mir klar, daß dieser Typ niemand anderes als Herb Bronkowitz sein mußte. Der Erzfeind von William Carter.
›Vor dem müssen Sie sich in acht nehmen, Trevellian !‹ hatte mich mein Doppelgänger gewarnt. ›Bronkowitz ist der übelste Schlägertyp von ganz Rosepond. Ich habe schon im Kindergarten Zoff mit ihm gehabt. Später auf der McKee School ging es dann weiter. Es kommt mir so vor, als hätte ich mich mein halbes Leben lang mit Bronkowitz geprügelt .‹
›Na schön‹, hatte ich gebrummt, ›und wer hat gewonnen?‹
›Mal der eine, mal der andere.‹
»Seit wann kämpfst du denn fair, Carter?« höhnte nun das Kraftpaket, während es auf mich zustapfte. »Du hast doch sonst immer mindestens sechs Kumpels dabei.«
»Zählen war ja noch nie deine Stärke!« behauptete ich, während ich auf die Beine kam und meine Fäuste hochriß. »Seit wann brauche ich Freunde, um einen Waschlappen wie Herb Bronkowitz zu besiegen?«
In seinen Augen funkelte es. Er schien nun keine Hemmungen mehr zu haben, seine abgebrochene Flasche einzusetzen. Das war auch richtig so. Ich hatte ihn aus der Reserve locken wollen, um die Sache schnell hinter mich zu bringen und ein für allemal aus der Welt zu schaffen. Wir waren nicht nach Rosepond gekommen, um uns in Kneipenschlägereien aufzureiben. Es ging darum, den Mörder eines Kollegen zu überführen. Und einen Waffenschmugglerring zu zerschlagen.
Carters Erzfeind grölte wie ein Wikinger im Blutrausch und stürmte mit erhobener Flasche auf mich zu. Ich duckte mich unter seinem Angriff weg und schlug als Konter ein paar knallharte Leberhaken. Die scharfkantigen Scherben schlitzten nur die gesunde Landluft von Rosepond.
Ich bemerkte, daß Milo sprungbereit war, um mir beizustehen. Mit einem Handzeichen hielt ich ihn zurück. Er grinste und verstand, daß ich allein mit diesem Mann fertig werden wollte.
Zunächst machte es mir mein Gegner nicht leicht. Immer wieder mußte ich den scharfen Kanten des Flaschenhalses ausweichen. Dadurch kam ich nicht richtig an ihn heran.
Bis er für einen Moment seine Deckung vernachlässigte. Ich nutzte die Gelegenheit. Und schoß einen gewaltigen Fußtritt in seinen Magen ab.
Inzwischen hatten wir Publikum für unsere Kampf darbietung. Einen kleinen Mann. Sein schwarzer Querbinder und die halbwegs weiße Schürze wiesen ihn als Barkeeper aus. Und drei schon ziemlich wacklige Oldtimer, die nebeneinander auf einer Bank hockten wie neugierige Geier.
Meine Faust krachte in den Rippenbogen von Bronkowitz. Im nächsten Moment mußte ich mich wieder zurückziehen, um seiner Waffe kein Ziel zu bieten. Ich riß mein Knie hoch, blockte damit einen gemeinen Fußtritt von ihm ab.
»Verfluchter Bastard!« brüllte mein Gegner.
Nun übernahm ich die Offensive. Mit den Unterarmen schaffte ich es, seine Schläge mit dem abgebrochenen Flaschenhals abzublocken. Während mein linker Arm ganz der Verteidigung diente, krachte meine rechte Faust aber auch immer wieder auf sein Kinn und auf seinen Solarplexus.
Das ging ganz gut, bis mich ein unerwarteter Kopfstoß des Poliers aus dem Konzept brachte. Ich biß mir auf die Lippe und spürte, wie sich mein Mund mit Blut füllte. Ich taumelte einen Schritt zurück, knickte mit dem Fuß um und stürzte wieder auf die Fahrbahn.
Auf heulend vor Begeisterung wollte Bronkowitz die Flaschenscherben wieder auf mich niedersausen lassen.
Doch bevor Milo oder jemand anders eingreifen konnte, tauchte plötzlich eine rundliche Gestalt in Uniform auf. Und schlug mit einem Gummiknüppel dem Polier den abgebrochenen Flaschenhals aus der Hand.
»Laß den Quatsch, Herb!« brummte der Hinzugekommene. Es mußte sich um Sheriff Larry Branagan handeln. Er entsprach genau der Beschreibung, die mir William Carter am Telefon gegeben hatte. Nach der Einschätzung meines Doppelgängers mußte der Gesetzeshüter schwer in Ordnung sein. In diesem Moment tat er jedenfalls genau das Richtige.
Er drückte den vor Wut rasenden Polier mit seinem Gummiknüppel von mir weg.
»Wie oft habt ihr beide euch schon gerauft, William und Herb?« fragte der Sheriff tadelnd wie ein leicht genervter Vater. »Gebt euch jetzt die Hand, oder ihr findet euch beide im Jail wieder.«
Ich rappelte mich auf und streckte meinem Gegner die Rechte hin.
Er zögerte - und schlug schließlich doch ein. Obwohl er aussah, als ob er mir lieber eine Zigarette in der Handfläche ausgedrückt hätte. Unverständliches vor sich hingrummelnd, zog er sich wieder ins Lokal zurück, gefolgt von dem kleinen Barkeeper.
»Na also!« Der Sheriff lachte und wischte sich mit einem roten Taschentuch über seine schweißbedeckte Stirnglatze. »War es dir zu naß auf der Bohrplattform, Will?«
»Erraten, Sheriff. Außerdem zu einsam. Harte Arbeit, gute Dollars. Das war schon okay. Aber ich wollte versuchen, ob ich nicht hier in der Heimat wieder Fuß fassen kann.«
»Solange du Herb Bronkowitz aus dem Weg gehst, soll es mir recht sein«, meinte der Gesetzeshüter. Dann wies er mit dem Daumen auf Milo. »Ein Freund von dir, Willie-Boy?«
Ich nickte und forderte meinen Kollegen mit einer Kopfbewegung auf, näherzutreten. »Sheriff Branagan, ich möchte Ihnen Milo Tucker vorstellen. Ein Kumpel, mit dem ich ein Jahr lang auf ’ner Ölbohrinsel geschuftet hab’. Ein waschechter New Yorker, der sich jetzt auch nach dem ruhigen Leben bei uns sehnt«
»Na dann - willkommen in Rosepond !« rief der dickliche Uniformierte und schüttelte Milo die Hand. »Arbeit gibt es hier mehr als genug. Und wir hier in Rosepond haben nichts gegen Fremde. Solange sie keinen Ärger machen.«
Wir überhörten die Drohung nicht, die in seinem letzten Satz mitschwang. Aber als Landkind kannte ich das traditionelle Mißtrauen gegen Zugezogene. Immerhin wurde Milo durch mich, einen vermeintlichen Sohn von Rosepond, hier eingeführt. Das war sein großer Vorteil.
»Dann wünsche ich euch viel Erfolg bei der Job-Suche, Boys!« sagte der Sheriff und zwinkerte mir zu. »Ich wette, daß Jill begeistert sein wird, daß du nun wieder da bist. Da hat die Zeit des liebeskranken Wartens endlich ein Ende.«
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Die Town Hall von Rosepond war klein, aber fein. Das rote Backsteingebäude mit den beiden weißgestrichenen Holzsäulen links und rechts vom Eingangsportal wirkte so idyllisch wie einem Walt-Disney-Film entsprungen. Auch die fröhlich im Wind flatternde amerikanische Flagge fehlte nicht.
Milo und ich standen vor einem schwarzen Brett, das bedeckt war mit kleinen quadratischen Zetteln. Die Arbeitsvermittlung des Dorfes.
»Das Sägewerk sucht eine Aushilfe als Krankheitsvertretung«, sagte ich und schrieb mir die Telefonnummer des Bosses in mein Notizbuch. »Da werde ich mal mein Glück versuchen.«
»Krankheitsvertretung?« echote mein Kollege. »Paß nur auf, daß dir unter der Kreissäge nicht irgendwelche wichtigen Körperteile abhanden kommen, Jerem-… äh… William.«
»Geschenkt, Milo. Ist für dich Faulpelz auch was dabei?«
»Sicher. Der Supermarkt auf der Main Street braucht einen cleveren Allround-Mann. Für alle anfallenden Tätigkeiten. Klingt doch maßgeschneidert wie für mich, oder? Außerdem kann man in solchen Läden öfter mal eine gute Information aufschnappen und…«
Ich knuffte ihm warnend in die Seite, weil in diesem Augenblick die Schwingtür zum linken Seitenflügel des Gebäudes geöffnet wurde, und mein Freund verstummte, aber nicht, weil er meine Warnung begriff, sondern weil ihm schlichtweg die Luft wegblieb - so wie mir selber übrigens auch.
Der Grund für unsere plötzliche Atemnot schritt uns auf hohen Absätzen entgegen. Ein Girl, wie man es nicht in einem dörflichen Bürgermeisteramt vermuten würde, sondern eher auf den Titelbildern von Hochglanzillustrierten oder auf den Laufstegen berühmter Modeschöpfer.
Ihr langes feuerrotes Haar wallte fast bis über ihren knackigen Po, und ihr knapper Rock ließ viel - sehr viel - von ihren unendlich langen Beinen sehen. Die Glut ihrer grünen Augen konnte Eiswürfel tauen wie in einem Backofen, da war ich mir sicher.
»Kneif mich, William«, flüsterte Milo heiser. »Ich muß träumen. Die frische Landluft ist mir zu Kopf gestiegen.«
Bevor ich meinem Freund den Gefallen tun konnte, hatte uns die Traumfrau entdeckt, und mit einem bezaubernden Lächeln auf den vollen Lippen strebte sie auf uns zu.
Ich zwang mich, meinen Mund endlich zu schließen.
»Hallo, William«, begrüßte sie mich. Offenbar sah ich meinem Ebenbild wirklich zum Verwechseln ähnlich. Das konnte für meine Tarnung nur gut sein. Leider hatte ich keine Ahnung, wer diese rothaarige Schönheit war. Über ihre Existenz hatte sich der Mann auf der fernen Bohrplattform ausgeschwiegen.
»Hallo…«, erwiderte ich mit einem unsicheren Lächeln. Wenn sie nun merkte, daß ich sie nicht kannte… Offenbar arbeitete sie hier im Mayor's Office, deshalb fügte ich noch schnell hinzu: »Fleißig wie immer, Baby?«
Die Traumfrau baute sich vor mir auf und kniff mir mit zwei Fingern in die Wange.
»Na klar, Will. Deine alte McKee-School-Freundin Vivian Mosby ist die beste Sekretärin, die unser Mayor je hatte.«
Ich grinste erleichtert. Der Mayor - also der Bürgermeister - von Rosepond hieß Warren L. Emery. Nun war ich wieder im Bilde. Ich drehte mich halb zu Milo.
»Vivian - ich möchte dir einen guten Freund vorstellen, den ich bei der Jagd nach dem Schwarzen Gold kennengelernt habe. Das ist Milo Tucker aus New York. Derbeste Bohrer… äh… Ölbohrer, den ich je kennengelernt habe.«