Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Für die moderne Wissenschaft, welche die Mannigfaltigkeit der Entitäten im Kosmos erforscht, wird reales Sein mit dem Wissen über dieses Sein gekennzeichnet. Doch weiß der Mensch, das individuelle "Ich bin" wirklich, wie der Kosmos beschaffen ist? Schreitet das Wissen nicht mit jedem Jetzt der Evolution, dem Pulsschlag des Kosmos, weiter voran und fördert stets neues Wissen zutage? Versteht der Mensch überhaupt die Zusammenhänge? Stützt er sich lediglich auf die Hypothesen der Wissenschaft oder die Verkündigungen der Religionsstifter? Anders gefragt: Inwieweit kann der Mensch das Wesen des Kosmos verstehen? Das abendländische Denken ist dualistisch: Die Welt zerfällt in die Bereiche des Geistes und des Materiellen. Diese Schrift beschäftigt sich mit der Evolution des Kosmos und die neue Sichtweise, die der Autor in den Blick des Lesers rückt, ist die der "Dualen Information".
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 298
Veröffentlichungsjahr: 2022
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Volker Schopf, wurde 1958 in Gerlingen bei Stuttgart geboren. Nach Schule und Ausbildung lebt er heute im nördlichen Schwarzwald.
Bisher veröffentlichte er erzählende Prosa, Theaterstücke und drei Fachbücher.
Außerdem ist er Naturforscher und setzt sich seit 30 Jahren mit den neuesten wissenschaftlichen Theorien auseinander und er ist der Überzeugung, dass wir in einer Übergangszeit leben, wie er in seinen Fachbüchern 'Meta-Realität und Bewusstsein‘ und 'Die Besessenheit’, sowie in ‘Über den Kosmos’ darlegte.
Zuletzt erschien sein Sachbuch: Die Wiege Gottes.
Das All ist Mind.
Das Universum ist mental.
Das Kybalion
Vorwort
Einführung
Geschichtliche Vorüberlegungen
Der erste Grenzbereich
Die Suche nach dem ’Im Anfang’
Das Seiende
Der Prozess der Information
Der Informationsgehalt
Der Pool an Möglichkeiten
Komplexität und Mannigfaltigkeit
Der zweite Grenzbereich
Die Quantentheorie
Seltsame Phänomene
Das Doppelspalt-Experiment
Die Verschränkung
Schrödingers Katze
Superpositionsprinzip und Dekohärenz
Duale Information
Exkurs: Entropie und Information
Wirklichkeit und Information
Der dritte Grenzbereich
Die bewusste Wahrnehmung
Der Leib und das ’Ich bin’
Kriterien für die Transformation des Seienden
Das ’Ich bin’
Raumzeitliche Muster und bewusste Wahrnehmung
Das Zeitproblem des ’Ich bin’
Der Pool an Möglichkeiten und das Tun des Menschen
Das Tun des ’Ich bin’
Freier Wille
Freiheit
Freiheit des Willens
Freiheit des Leibes
Freiheit des ’Ich bin‘
Das Sosein des ’Ich bin’
Über Moral: Erhaltung des Daseins.
Differenzierung des Lebens und der Moral
Sollen und Wollen
Kurzes Schlusswort zur Moral..
Qualia
Exkurs: Das Bewusstsein
Anhang
A: Über die Evolution
B: Über das Dao
C: Über Transzendenz
D: Über Suizid
E: Über das Jetzt
Anmerkungen
„Die Lüge ist das wichtigste
und meistverwendete Werkzeug
der Selbsterhaltung.“1
Proust
„Was ohne Namen, ist Anfang von Himmel und Erde; Was Namen hat, ist Mutter der zehntausend Wesen.“2
Und:
„Das Erste nämlich muß ein Einfaches, vor allen Dingen Liegendes sein, verschieden von allem was nach ihm ist, für sich selbst seiend, nicht vermischt mit etwas, was von ihm stammt, und dabei doch in anderer Weise wieder fähig, den anderen Dingen beizuwohnen, wahrhaft Eines seiend und zunächst etwas anderes und dann erst Eines, von welchem es ’keinen Begriff‘ und ’keine Wissenschaft‘ gibt, von welchem es dann auch heißt daß es jenseits des Seins ist. Denn wenn es nicht einfach wäre, entrückt aller Zufälligkeit und aller Zusammengesetztheit, und wahrhaft und eigentlich Eines, dann wäre es nicht der Urgrund; erst dadurch daß es einfach ist, ist es von allen Dingen das Unabhängigste, und so das Erste [...].“3
Wenn die beiden Philosophen recht haben, so beginnt die Evolution des Kosmos aus einem namenlosen, einfachen Anfang heraus und offenbart sich dem Menschen heute auch als Horizont des Wissens. Was aber ist die Mutter der zehntausend Wesen des Lao-tzu oder das Eine, von dem Plotin spricht und dem er an anderer Stelle einen eigenen Namen abspricht, um dann hinzuzufügen, dass, ‚wenn mans denn aber benennen muß so wird man es passend gemeinhin das Eine nennen [...]‘4?
Für die Metaphysik existiert nur eine Entität (Seiendes), diese ist der Geist, das Denken oder das Bewusstsein; der Mensch jedoch, Himmel und Erde, Tiere und Pflanzen, sind Ereignisse, die innerhalb des Einen (Geist) im Medium der Mannigfaltigkeit, des Werdens und Vergehens, zur Erscheinung gelangt sind.
Für die moderne, westliche Wissenschaft, welche die Mannigfaltigkeit der Entitäten, der zehntausend Wesen im Kosmos erforscht, wird reales Sein mit dem Wissen über dieses Sein gekennzeichnet. Doch weiß der Mensch, das individuelle ’Ich bin‘ wirklich, wie der Kosmos, insbesondere das ’Im Anfang‘ beschaffen ist? Schreitet das Wissen nicht mit jedem Jetzt der Evolution, dem Pulsschlag des Kosmos, weiter voran und fördert stets neues Wissen zutage? Versteht der Mensch überhaupt die Zusammenhänge oder stützt er sich lediglich auf die Hypothesen der Wissenschaft oder die Verkündigungen der Religionsstifter? Anders gefragt: Inwieweit kann der Mensch das Wesen des Kosmos verstehen?
Das abendländische Denken ist dualistisch: Die Welt zerfällt in die Bereiche des Geistes und des Materiellen. Diese Kluft zwischen Geist und Materie zu überspannen, ist nicht außerhalb der Erkenntnis des Menschen, sofern der Blickwinkel neuen Perspektiven zugewandt wird. Was ihm diese neue Sichtweise offenbart, ist eine geheimnisvolle Realität. Physis und Metaphysis existieren und sind miteinander verknüpft. Dabei handelt es sich um Einblicke in die Gesetzmäßigkeiten des Kosmos. Dazu gehören Fragen wie:
Was ist ’Im Anfang‘ des Kosmos geschehen?
Weshalb bringt die Evolution ein ’Ich bin‘ hervor?
Existiert für das ’Ich bin‘ ein freier Wille und weshalb gibt es Moral?
Die Antworten darauf sind vielfältig und individuell geprägt, und doch werden innerhalb der Mannigfaltigkeit der Entitäten Muster erkennbar, die dem forschenden und/oder neugierigen ’Ich bin‘ Einblicke in die wahre Beschaffenheit der Realität und damit des Kosmos ermöglichen.
Diese Schrift beschäftigt sich mit der Evolution des Kosmos, so wie sie in den Aussagen und Theorien von Philosophen und Wissenschaftlern in Erscheinung tritt, wobei sie eine neue Sichtweise in den Blick des Lesers rückt: die der dualen Information und ihrer weitreichen Folgen sowohl für den Kosmos als auch den Menschen, dem vorläufigen Höhepunkt der sich unaufhaltsam beschleunigenden Entwicklung.
„Viel gibt es des Ungeheuren.
Doch nichts ist ungeheurer als der Mensch.“5
Sofokles
„Ein Wissender redet nicht, ein Redender weiß nicht“6, sagt Lao-tzu (6. Jh. v. Chr.) und fügt an anderer Stelle im Tao-té-king hinzu:
„Hervorgetreten, sind ihre Namen verschieden. Ihre Vereinigung nennen wir mystisch. Mystisch und abermals mystisch. Die Pforte zu jedwedem Geheimnis.“7
Oder Plotin (204-270):
„Jenes dagegen, wie es jenseits des Geistes ist, so auch jenseits der Erkenntnis; und wie es in keinem Stücke irgend eines Dinges bedarf, so auch nicht des Erkennens. Sondern das Erkennen wohnt erst der Zweiten Wesenheit inne. [...] Daher Es auch in Wahrheit unsagbar ist; denn was du von ihm aussagen magst, immer musst du ein Etwas aussagen. Vielmehr ist allein unter allen anderen die Bezeichnung ’jenseits von allen Dingen und jenseits des erhabenen Geistes‘ zutreffend, denn sie ist kein Name, sondern besagt, daß es keines von allen Dingen ist, daß es auch ’keinen Namen für Es‘ gibt, weil wir nichts von ihm aussagen können; sondern wir versuchen nur nach Möglichkeit, uns untereinander einen Hinweis über Es zu geben.“8
Und zuletzt W. Heisenberg (1901-1976):
„Diese Wahrscheinlichkeitsfunktion stellt eine Mischung aus zwei verschiedenen Elementen dar, nämlich teilweise eine Tatsache, teilweise den Grad unserer Kenntnis einer Tatsache.“9
„[...] Ganz allgemein kann der Dualismus [Welle und/oder Teilchen] zwischen zwei verschiedenen Beschreibungen der gleichen Wirklichkeit nicht länger als eine grundsätzliche Schwierigkeit betrachtet werden, da wir aus der mathematischen Formulierung der Theorie wissen, daß es in ihr keine Widersprüche geben kann.“10
Die angeführten Zitate stehen für die Vielzahl von Interpretationen, sowohl über den Ursprung des Kosmos als auch dessen Evolution. ’Ein Wissender redet nicht‘, behauptet Lao-tzu, und dennoch hat er ein Traktat mit fünftausend Worten geschrieben, in dem er die Pforte zu jedwedem Geheimnis einen Spaltbreit aufgestoßen hat und das, was ohne Namen ist, zu umschreiben versucht. Plotin spricht dem Geist ein Erkennen in Bezug auf das Seiende zu; nimmt davon aber das Eine, welches jenseits von allem ist, ist, explizit aus bzw. spricht von Hinweisen oder Deutungsversuchen des ’Ich bin‘11. Zum Schluss Heisenberg über die Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik und ihre Interpretation der Realität, den Grad der Erkenntnis, wie er sich aus dem mathematischen Formalismus ergibt.
Drei Denker, die mit dem Wissen und der Sprache ihrer Zeit das Wesen des Kosmos zu ergründen suchten und die explizit die Phasen der Evolution zur Grund- und Ausgangslage ihrer Betrachtungen nahmen, die in dieser Schrift als Grenzbereiche der Evolution des Kosmos bezeichnet werden.Sie gewähren Einblicke in sein wahres Wesen, die Eigenschaften, die ihn ins Dasein treten ließen und seine Entwicklung bis heute prägen.
Die Grundeigenschaft des Kosmos besteht in einem Prozess, der die Freiheitsgrade des Kosmos in duale Information (Seiendes) transformiert - dazu gleich mehr. Dieser Prozess zieht sich wie ein roter Faden durch die Evolution des Kosmos und bedingt in den Grenzbereichen - den Phasen, in denen Neues entsteht - die Realität des Seienden, die bisher nicht oder nur wenig zufriedenstellend erklärt werden kann. Der Ursprung des Kosmos, die Quantentheorie und die Existenz von bewusster Wahrnehmung z. B. werfen Fragen auf, die in der Art und Weise, wie sie in Erscheinung treten, den Wissenschaftlern und/oder interessierten Laien nicht oder nur bedingt umfassende Antworten liefern. Mit der bewussten Wahrnehmung des Menschen, des ’Ich bin‘, beginnt zugleich dessen Suche nach dem Ursprung, sowohl der eigenen Spezies als auch der ihn umgebenden Mannigfaltigkeit des Kosmos. Die vielfältigen Schöpfungsmythen sind dafür nur ein beredtes Zeugnis und zugleich die ersten sinnvollen Antworten auf die bis heute aktuellen Fragen nach dem Ursprung und Sinn des Kosmos bzw. dessen Schöpfung. In ihrem mythologischen Reichtum artikuliert sich das Wesen des Kosmos, offenbaren sich unbewusst dessen Eigenschaften oder, wie Lao-tzu sagt: „Der Weg schuf die Einheit. Einheit schuf Zweiheit. Zweiheit schuf Dreiheit. Dreiheit schuf die zehntausend Wesen.“12
Diesem Weg, der aus einem uranfänglichen Zustand die duale Struktur des Kosmos erzeugt hat, werden die kommenden Kapitel folgen und aufzeigen, dass die Mannigfaltigkeit des Seienden das Produkt dualer Information ist, bedingt durch den ihr zugrunde liegenden Prozess, der in dieser Schrift als Prozess der Transformation bezeichnet werden soll.
Der Aufbau der Schrift orientiert sich an der Evolution des Kosmos, so wie sie sich dem derzeitigen Kenntnisstand nach vollzogen hat. Drei Phasen der Evolution - Grenzbereiche - markieren die Ereignisse, die in der bewussten Wahrnehmung des Menschen zum ersten Mal in der langen Geschichte des Kosmos in Erscheinung und damit ins Licht der Erkenntnis treten:
1. Grenzbereich: Ursprung des Kosmos
2. Grenzbereich: Übergang vom Mikro- zum Makrokosmos
3. Grenzbereich: Bewusste Wahrnehmung und das individuelle ’Ich bin‘
Nicht nur die Unanschaulichkeit der Thematik erschwert das Verständnis des Wesens des Kosmos, sondern auch die begrenzte Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen, des ’Ich bin‘. Andererseits gab und gibt es zahlreiche Erkenntnisse von Denkern über die Natur, den Menschen, das Seiende überhaupt, welche die Wahrheit unbewusst wahrgenommen und sie entsprechend dem Wissen ihrer Zeit an den Schulen gelehrt und/oder zu Papier gebracht haben.
Denn die Frage nach dem Ursprung des Kosmos bewegt das ’Ich bin‘, seit es aus den Tiefen des Unbewussten aufgetaucht ist und treibt es in seinen Forschungen unerbittlich voran. Eingebettet in den Strom der Evolution bleiben ihm - heute wie in früheren Zeiten - nur das fraglose Akzeptieren, die Möglichkeiten der modernen Wissenschaft oder die mühevolle Rückbesinnung; das Hinterfragen des ’Jetzt‘ im Geiste, die Suche nach dem Sinn und Zweck seines Daseins. Der Ursprung des Kosmos ist kein vor langer Zeit vergangenes und abgeschlossenes Ereignis, er ist jetzt und nur in seiner Ganzheit als Evolution verständlich. Das ’Ich bin‘ vereinigt in sich Ursprung und Gegenwart. Es ist das Produkt des Ursprungs, dessen bis heute anhaltender Entwicklung zu stets komplexeren Strukturen und der damit verknüpften Möglichkeiten des Seins. Somit ist es nur in diesem Licht begreifbar; nur darin erhält sein Dasein Sinn.
Das in Erscheinung Treten des ’Ich bin‘ in der Evolution des Kosmos, der bewussten Wahrnehmung einer das ’Ich bin‘ umgebenden, es bedingenden Realität, markiert den Beginn eines mühevollen, mit zahllosen Steinen und Fallstricken gepflasterten Pfades zu einem ersten, sich im weiteren Verlauf seiner Suche stetig differenzierenden Verständnisses der Natur und damit des Wesens des Kosmos. Z. B. stellen die Höhlenmalereien und figürlichen Artefakte (Z.B.: Lascaux oder ’Hohle Fels‘ bei Schelklingen) ein deutlich sichtbares Zeugnis der Frühphase des ’Ich bin‘, seiner Auseinandersetzung mit den äußeren, machtvollen und willkürlich handelnden Mächten der Natur dar. In den magischen Riten, den schützenden Symbolen und Opfergaben offenbart sich sein Verständnis von der ihn umgebenden Natur, indem sie entweder Unheil bannen können oder unwirksam bleiben; das Ritual ist das früheste Experiment, ein Lernen über Versuch und Irrtum und ein erstes, nachdenkliches Staunen angesichts des Erfolges oder Fehlschlages der Handlung. Dies führt - mit zunehmender Beschleunigung der Evolution, von den frühesten Schöpfungsmythen über die Philosophie, religiöse Gemeinschaften, die Alchemie bis zu der neuzeitlichen Wissenschaft mit ihren vielfältigen Theorien. Die Gemeinsamkeit in den schriftlichen Überlieferungen der Völker sind unbestritten und auf wenige Begriffe reduzierbar wie z. B. Urgrund, Weltenei, das Eine, Gott, mehrere Götter oder den Dualismus von Gut und Böse, Geist und Materie.13
Zudem geht es um die generelle Erkennbarkeit des Kosmos. Synonym dafür steht der Begriff Wirklichkeit14, über den nicht nur im Bereich der Philosophie widerstreitende Auffassungen bestehen, wobei zwischen erkenntnistheoretischen, ontologischen und wissenschaftlichen Sichtweisen unterschieden wird. Für die Naturwissenschaft ist Wirklichkeit das der Erforschung Zugängliche. Mit anderen Worten: Nur messbare Objekte können als Grundlage der Theoriebildung dienen, im Gegensatz zum umgangssprachlichen Gebrauch des Begriffes, der die Gesamtheit einer umfassenden Realität bezeichnet.
Der nachfolgende kurze Abriss zu der in dieser Schrift behandelten Thematik, wird entweder im weiteren Verlauf der Untersuchung oder in der Abhandlung ’Die Wiege Gottes‘ vertieft. Dabei sind Überschneidungen nicht völlig zu vermeiden. So werden z. B. die Zeugnisse der Vorsokratiker in ’Die Wiege Gottes‘ ausführlicher behandelt und deshalb an dieser Stelle nur anhand weniger Beispiele vorgestellt. Anders ausgedrückt: Beide Schriften ergänzen sich - was nicht verwunderlich ist, weil sie sich mit dem ’Ich bin‘, dessen Entwicklung, Denken und Suche nach der Wahrheit auseinandersetzen.
Bereits die Vorsokratiker haben über den Ursprung des Kosmos, die Beschaffenheit des Seienden nachgedacht und sie sind, für ihre Zeit, zu überraschenden Erkenntnissen gelangt. So z. B. Anaximander (610-547 v. Chr.), der, wie andere Denker seiner Epoche, nach dem Ursprung des Seienden sucht und ihn als das Unbestimmte oder auch das Grenzenlose bezeichnet. Er war für ihn keine Unendlichkeit, sondern die Unermesslichkeit in seiner Größe; unbegrenzt und damit weder endgültig zu bestimmen noch auszuloten. Wie diese Unendlichkeit aus dem apeiron15 ins Dasein getreten ist, beantwortet Anaximander jedoch nicht. Interessant in Bezug auf die duale Information ist Pythagoras (570-510 v. Chr.), der die Metempsychose16 lehrt: „Hör auf mit deinem Schlagen. Denn es ist ja die Seele eines Freundes, die ich erkannte, wie ich ihre Stimme hörte.“17
Philosophen wie Demokrit (460/459-370 v. Chr.), Platon (428-348 v. Chr.) oder auch Aristoteles (385-323 v. Chr.) müssen in dieser Schrift unerwähnt bleiben, obwohl sie wie zahlreiche andere Denker sowohl das Weltbild als auch unsere heutige Sichtweise entscheidend geprägt haben.
Ebenso der Bereich der Mystik18, dessen Schriften Bibliotheken füllen und Einsichten bis heute ihre Wirkung entfalten. Der Begriff selbst beschreibt einen Bereich der Religiosität, bei dem durch Versenkung, Meditation etc. eine Verbindung mit der Gottheit gesucht wird und der jene Sehnsucht zum Ausdruck bringt, die sich bereits in den Schöpfungsmythen artikuliert und in der spiritistischen Bewegung des ausgehenden 19. Jahrhunderts ihre Fortsetzung gefunden hat. So sagt G. P. della Mirandola (14631494): „Im Himmel existiert eine Materie, die von der Materie der unteren Dinge verschieden ist.“19 Und als weiteres Beispiel M. Ficino (1433-1499):
„Der Körper der Welt ist ein ganzer Körper, ... dessen Teile die Körper aller Lebewesen sind. ... In dem Maße also, in dem das Ganze vollkommener ist als der Teil, ist auch der Körper der Welt vollkommener als der Körper der einzelnen Lebewesen. Es wäre aber absurd, daß der unvollkommene Körper eine Seele hat, der vollkommene Körper dagegen weder eine Seele hat noch lebt ... Es lebt also der ganze Körper der Welt, da die Körper der Lebewesen, die seine Teile sind, leben.“20
Ficino ist zudem der Erste, der von einer Weltseele spricht und die Wahrheit, wie sie dem Wesen des Kosmos zugrunde liegt, ahnt und sie wie sämtliche Denker entsprechend der Sichtweise ihrer Zeit interpretiert, verkündet und schriftlich niedergelegt.
Die Auseinandersetzung über die Erkennbarkeit der Realität nimmt im Mittelalter mit dem Universalienstreit ihren Anfang und findet in der Philosophie von R. Descartes (1596-1650) und der idealistischen Auseinandersetzung durch G. Berkeley (1685-1753) ihren neuzeitlichen Beginn.
J. G. Fichte (1762-1814), sein subjektiver Idealismus und die von I. Kant (1724-1804) weiter angeregte Diskussion infolge seiner Definition der Außenwelt als Ding an sich heizen die Angelegenheit zusätzlich auf.
„Es genügt, wenn wir beachten, dass die sinnlichen Wahrnehmungen nur jener Verbindung des menschlichen Körpers mit der Seele zukommen und uns in der Regel sagen, wiefern äußere Körper derselben nützen oder schaden können, aber nur bisweilen und zufällig uns darüber belehren, was sie an sich selbst sind.So werden wir die Vorurtheile der Sinne leicht ablegen und hier uns nur des Verstandes bedienen, der auf die von Natur ihm eingepflanzten Vorstellungen aufmerksam Acht hat. “21
Descartes kommt damit der späteren kantischen Bedeutung des Dinges an sich sehr nahe. Für Kant sind die Eigenschaften der Dinge nicht erkennbar, sondern nur die von ihnen affizierten Vorstellungen im Bewusstsein.
„Ich dagegen sage: es sind uns Dinge als außer uns befindliche Gegenstände unserer Sinne gegeben, allein von dem, was sie an sich selbst sein mögen, wissen wir nichts, sondern kennen nur ihre Erscheinungen, d.i. die Vorstellungen, die sie in uns wirken, indem sie unsere Sinne affizieren. Demnach gestehe ich allerdings, daß es außer uns Körper gebe, d.i. Dinge, die, obzwar nach dem, was sie an sich selbst sein mögen, uns gänzlich unbekannt, wir durch die Vorstellungen kennen, welche ihr Einfluß auf unsre Sinnlichkeit uns verschafft, und denen wir die Benennung eines Körpers geben,welches Wort also bloß die Erscheinung jenes uns unbekannten, aber nichts desto weniger wirklichen Gegenstandes bedeutet. Kann man dieses wohl Idealismus nennen? Es ist ja gerade das Gegenteil davon.“22
Die Gleichheit der Erkenntnisse führt ihn zu der Behauptung, dass Vorstellungen (Wahrnehmungen der Außenwelt) intersubjektiv sind und ihnen somit ein objektives Wissen zugrunde liegt. Zugleich umfasst der Verstand bei Kant die intelligible Welt (Vorwissen ’a priori’). Anders formuliert: Der Mensch verfügt über ein Wissen von Raum und Zeit, über Kategorien des Denkens, welche die Vorstellungen ordnen und nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten in Begriffe und Aussagen umwandeln.
Der Deutsche Idealismus, der um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert in Deutschland die vorherrschende philosophische Strömung ist, nimmt Abstand vom Ding an sich und vertritt stattdessen die These, dass Wirklichkeit als ein Produkt des Geistes und deshalb als Einheit aufzufassen ist, weil ihm eine gemeinsame Ursache (Schöpfung, Geist) zugrunde liegt. Den Gegenpart bildet N. Hartmann (18821950) mit seinem kritischen Realismus und in dessen Nachfolge K. Popper (1902-1994), die ähnliche Aussagen propagieren, indem die Realität unabhängig von der subjektiven Wahrnehmung existiert.
Der Streit um die Erkennbarkeit und dem Wesen der Wirklichkeit ist bis heute aktuell. Was ist die Wirklichkeit? Die Ideenwelt von Platon (427-347 v. Chr.), von der Heisenberg sagt, dass: „[...] die platonische Auffassung tatsächlich die tiefste ist“23, die Menschen zugänglich ist.
Sind die Bausteine der Materie, Platons Ideen folgend, physikalische Objekte oder Formen? C. F. von Weizsäcker (1912-2007) attestiert der Quantentheorie eine über sie hinausführende umfassende - spiritualistische - Wirklichkeit, von der das ’Ich bin‘ lediglich die Oberfläche wahrnimmt:
„Mit der Quantentheorie, so wie wir sie rekonstruiert und gedeutet haben, ist der Gedanke voll vereinbar, dass die Wirklichkeit ein nichträumlicher individueller Prozess ist, den wir mit den uns geläufigen Worten als geistig zu beschreiben haben. Es ist eine alte Tradition, dass unser persönliches Bewusstsein nur eine Erscheinungsweise eines umfassenden Geistes ist.“24
Anders ausgedrückt: Die Wirklichkeit offenbart sich dem Menschen in empirisch zugänglichen und bewussten Wahrnehmungen und kann deshalb erkannt und in decodierter Form dem ’Ich bin‘ als Erkenntnis zuteilwerden.
Die Quantentheorie hat das gewohnte Weltbild der Wissenschaft erschüttert und nicht nur die Diskussion um die Wirklichkeit neu entfacht, sondern ihr die Dimension der Dualität der Natur hinzugefügt, auf welche bereits Plotin (205-270) und Descartes hingewiesen haben. Die Frage der Dualität, ausgehend von Descartes Behauptung, dass die physikalischen Körper als Lebewesen für sich und aus sich selbst heraus existieren und sich infolgedessen die gesamte Wahrnehmung, im Gegensatz zum Denken, als Täuschung erweisen kann, beantwortet er mit der Eigenständigkeit von Körper und Geist als getrennte Substanzen.
Über T. Hobbes` (1588-1679) materialistische Beschreibung, B. de Spinozas (1632-1677) Gott als Substanz, der die Wirklichkeit hervorbringt und G. W. Leibnitz` (1646-1716) Monadenlehre führt die Interpretation der Quantentheorie zu I. Newtons (1642-1727) spirits als geistige, feinstoffliche Entitäten und S. Hawkings (1942-2018) Hologramm, dessen Projektion auf einer Membran erscheint bis in die Gegenwart. Ob in der Physik, den Neurowissenschaften oder in der Philosophie - die Frage nach der Beschaffenheit der Wirklichkeit ist aktueller als jemals zuvor; explizit in der Diskussion der bewussten Wahrnehmung und deren Verbindung mit dem ZNS, insbesondere des Gehirns.
Weizsäckers Annahme eines umfassenden Geistes impliziert ein Weltgedächtnis, dessen Präsenz mit dem Aufkommen der bewussten Wahrnehmung des ’Ich bin‘ erstmalig in Erscheinung getreten ist. Der Begriff ist nicht neu und findet seine erste Erwähnung bei Plotin, dessen Eines, aus dem das Seiende hervorgegangen ist, bei M. Ficino, der von einer alten Weisheit oder auch Menschheitserbe an gesichertem Wissen spricht und auch bei Paracelsus (1493-1541), der Himmel und Erde zu einem Mikrokosmos zusammenfasst. Auch spätere Denker wie W. James (1842-1910) und sein kosmisches Reservoir oder E. von Hartmann (1842-1906) und sein Telefonanschluss mit dem Absoluten, das in Bezug zu der Akasha-Chronik25 steht und zuletzt soll R. W. Zuber (1959) nicht unerwähnt bleiben, dessen unbewusstes Weltgedächtnis, wie er es selbst bezeichnet,
„[...] den Menschen aus dem Zentrum des eigenen Hauses drängt und das ’Ich‘ nicht nur infrage stellt, sondern auch zu einem unbedeutenden Punkt inmitten eines riesigen unbewussten Meeres degradiert.“26
Das bis heute anhaltende Interesse an der Wirklichkeit, dem Ursprung des Kosmos und dem Sinn des Menschen innerhalb des Seienden wird - wie in den vergangenen Jahrtausenden, die an dieser Stelle nur skizzenhaft vorgestellt werden konnten - in vielfältiger Weise behandelt bzw. diskutiert. Einigen der bisher zitierten Denkern wird der Leser in dieser Schrift erneut begegnen, andere kommen in der Untersuchung über die ’Wiege Gottes‘ ausführlicher zu Wort. Die Frage nach der Wirklichkeit, dem Dasein des Seienden, beginnt mit dem Ursprung, dem ’Im Anfang‘ und bereits zu diesem ersten Jetzt in der Geschichte des Kosmos ist die Mannigfaltigkeit der Vorstellungen, Theorien etc. so vielfältig, dass selbst eine kurze Übersicht, z. B. über die Schöpfungsmythen, den Rahmen dieser Schrift bei Weitem sprengen würde. Deshalb werden sie hier nur so weit zu Wort kommen, wie sie für das Verständnis der hier vertretenen Hypothese notwendig sind.
„Die Lippen der Weisheit sind verschlossen,
ausgenommen für die Ohren des Verstehens.“27
Das Kybalion
„Somit ist Es nichts von den seienden Dingen; und ist doch sie alle: nichts, weil die seienden Dinge später sind, und alles, weil sie aus Ihm stammen.“28, sagt Plotin über den Ursprung, während ihn Zhuang-Zhou (365-290 v. Chr.) folgendermaßen beschreibt:
„Das, was die Dinge erzeugt, ist selbst kein Ding. Ein Ding, das erschaffen wurde, kann nicht allen anderen Dingen vorausgehen, denn da ist noch das, was die Dinge zu den Dingen macht; und dieser Zustand, dass es immer noch das gibt, was sie zu Dingen macht, ist endlos.“29
Und noch einmal Plotin:
„Das Erste nämlich muß ein Einfaches, vor allen Dingen Liegendes sein, verschieden von allem was nach ihm ist, für sich selbst seiend, nicht vermischt mit etwas, was von ihm stammt, und dabei doch in anderer Weise wieder fähig, den anderen Dingen beizuwohnen, wahrhaft Eines seiend und zunächst etwas anderes und dann erst Eines, von welchem es ’keinen Begriff‘ und ’keine Wissenschaft‘ gibt, von welchem es dann auch heißt daß es jenseits des Seins ist. Denn wenn es nicht einfach wäre, entrückt aller Zufälligkeit und aller Zusammengesetztheit, und wahrhaft und eigentlich Eines, dann wäre es nicht der Urgrund; erst dadurch, daß es einfach ist, ist es von allen Dingen das Unabhängigste, und so das Erste; [...].“30
Mit anderen Worten: Es gibt ein Erstes, das vor dem der Erkenntnis zugänglichen Kosmos existiert, eine völlig andere Beschaffenheit aufweist und die Grundlage des Seienden (Entitäten) ist. Es besitzt keinen Namen und - wie in der negativen Theologie - dürfen ihm nur negative Aussagen zugeschrieben werden, weil nur in dieser Weise seine absolute Transzendenz zum Ausdruck gebracht werden kann. Ein weiterer bedeutsamer Aspekt ist das Abgegrenztsein des Ursprungs von dem aus ihm hervorgehenden Seienden, trotz dessen Enthaltensein in ihm. Der Daoismus beschreibt diese Eigenschaft des Ursprungs treffend, wenn er vom Dao als Ursprung und Weg spricht. Für Laotzu (6. Jh. v. Chr.) ist es die transzendente ’Erste Ursache‘, die uranfängliche Einheit, das Unbeschreibliche, das zeitlose, alles durchdringende Prinzip des Kosmos, das diesen hervorbringt. Lao-tzus Aussage über den Ursprung des Kosmos entspricht nicht nur der modernen Auffassung von Kosmologen und Physikern und deren Theorie vom Big Bang aus einer Singularität (Quantenfluktuation), sondern sie offenbart zusätzliche Eigenschaften des Kosmos, seinen hierarchischen Aufbau und die Wiederkehr bestehender Strukturen innerhalb seiner Evolution.
Der Urgrund, das ’Im Anfang‘ oder mit welcher Bezeichnung dieses ursprüngliche Ereignis in der Geschichte der Menschheit auch beschrieben worden ist - existiert zeitlich vor und jenseits des Kosmos und ist entgegen seiner absoluten Transzendenz oder Abgegrenztheit, dass das Seiende, das die Entitäten Hervorbringende ist und zugleich als in ihm Enthaltenes Weg und Wirkprinzip der Evolution verkörpert. Anders formuliert:
„Dao macht die Dinge zu dem, was sie sind; aber es ist nicht selbst ein Ding. Nichts kann Dao erschaffen, obwohl alles Dao in sich hat.“31
Dieses Ursprüngliche beschreibt einen abstrakten Bereich, der weder Substanz, Geist, noch ein Anderes enthält und bei dem selbst der Begriff des Nichts sein wahres Wesen eher verschleiert als enthüllt. Meister Eckhart (1260-1328) bringt es in der Gottheit zum Ausdruck:
„Gott wird, wo alle Geschöpfe Gott aussprechen: da wird ‘Gott’. (...) So also reden alle Geschöpfe von Gott. Und warum reden sie nicht von der ‘Gottheit’? (Weil) alles das, was in der ‘Gottheit’ ist, Eines ist, und davon kann man nicht reden. Gott wirkt, die ‘Gottheit’ wirkt nicht, sie hat auch nichts zu wirken, in ihr ist kein Werk; sie hat es niemals auf ein Werk abgesehen. Gott und ‘Gottheit’ sind unterschieden nach Wirken und Nichtwirken.“32
Das Transzendente (Dao, das Eine, die Gottheit etc.) durchzieht sowohl das westliche als auch das östliche Denken, und trotz der unterschiedlichen Vorstellungen und Begriffe besteht über den Ursprung des Kosmos selbst überwiegend Einigkeit. Sämtliche Sichtweisen und Erklärungen über die Eigenschaften des Ursprungs sind ein spätes Produkt seiner Evolution, die erst mit dem Auftauchen des ’Ich bin‘ in Erscheinung treten konnten und, entgegen der Vielfältigkeit in ihren Beschreibungen, gleichsam als den Ursprung konstituierende Allgemeine, einen nahezu identischen Anfang postulieren.
Die Problematik, die bei der Beschreibung des Ursprungs zwangsläufig zutage tritt, gründet in der Individualität des ’Ich bin‘ und bedingt die Mannigfaltigkeit der Theorien, Vorstellungen und Glaubensrichtungen, die weit über ein bloßes Missverstehen hinausführen, wie z. B. die Geschichte der Glaubenskriege beweist. Aber damit nicht genug der Verwirrung! Gleichzeitig wandeln sich im Laufe der Zeit die Vorstellungen und werden entsprechend der kulturellen oder wissenschaftlichen Orientierung des ’Ich bin‘ durch moderne Beschreibungen ersetzt. Selbst der abstrakte Pfad der Verallgemeinerung kann nur mit der jeweils aktuellen Begrifflichkeit beschritten werden, deren unterschiedliche und höchst individuelle Bedeutung nicht zur Einheit, sondern in die Mannigfaltigkeit der Vorstellungen führt.
Ich bezeichne den Ursprung des Kosmos als Pool an Freiheitsgraden33, der das Seiende als potenzielle Möglichkeit enthält, ohne selbst substanziell zu sein. Dieser Pool an Freiheitsgraden, der den Zeitpunkt des ’Im Anfang‘ oder des ersten Jetzt markiert, ist zugleich ein Möglichkeitsraum, der zum Zeitpunkt eben dieses ersten Jetzt durch kein Seiendes in seiner Entfaltung begrenzt wird und somit jedes Ereignis zur Erscheinung gelangen lassen kann. Welches ursächliche Ereignis für den Pool an Freiheitsgraden selbst verantwortlich zeichnet, bleibt der Erkenntnis des ’Ich bin‘ verborgen. Die Frage, ob eine Quantenfluktuation, ein Schöpfer oder ein ewig wirkendes Prinzip die Ursache für den Pool an Freiheitsgraden ist, führt zu dem Münchhausen-Trilemma, das bis heute für philosophische Diskussionen sorgt und das ’Ich bin‘ entweder zu einem Zirkelschluss, einem infiniten Regress oder dem Abbruch des Gedankenganges zwingt. Deshalb muss der Pool an Freiheitsgraden als gegeben akzeptiert werden; er markiert das erste Jetzt,den Ursprung und damit den Beginn des ersten Grenzbereiches. Ein Jetzt vor diesem Zeitpunkt existiert nicht. Dazu Kant:
„Die Vernunft wird durch einen Hang ihrer Natur getrieben, über den Erfahrungsgebrauch hinaus zu gehen, sich in einem reinen Gebrauche und vermittelst bloßer Ideen zu den äußersten Grenzen aller Erkenntnis hinaus zu wagen und nur allererst in der Vollendung ihres Kreises, in einem für sich bestehenden systematischen Ganzen, Ruhe zu finden.“34
Die reine Vernunft hinterfragt jedes Seiende, sucht unablässig nach den Gründen ihrer Existenz und ruht nicht eher, als bis sie die Erkenntnis der Wahrheit zur Erscheinung gebracht hat, obwohl für sie kein Pfad über den Zeitpunkt des ersten Jetzt hinausführt. Dieser Sachverhalt bedingt:
Mit dem Pool an Freiheitsgraden tritt der Kosmos als Ereignis in Erscheinung.
„Gewiß, es ist nichts von dem, dessen Urgrund es ist, in der Art aber, da nichts von ihm ausgesagt werden kann, nicht Sein, noch Wesen, noch Leben, daß es über all das erhaben ist.“35
Der Pool an Freiheitsgraden ist der bewussten Wahrnehmung und damit der Erkenntnis des ’Ich bin‘ nur indirekt zugänglich, indem er das Seiende ermöglicht. Das erste Jetzt markiert zugleich den Beginn des ersten Grenzbereiches und das Neue besteht in der Hervorbringung des Seienden.
Die Frage nach dem ’Im Anfang‘ des Kosmos beinhaltet die nach dem Woher, die Schicksalsfrage, auf welche die Schöpfungsmythen bis zu den modernen Theorien der Kosmologie stets neue und differenziertere Antworten zu geben versuchen. Es ist zugleich die Frage nach dem Ursprung der Menschheit, der bewussten Wahrnehmung und des ’Ich bin‘. Die Antwort ist zum einen symbolisch, wie alle Antworten, die auf der bewussten Wahrnehmung des Leibes gründen, und zum anderen physikalisch, weil das Seiende dem ’Ich bin‘ zuerst als materielle Realität in Erscheinung tritt.
Der geistige Aspekt des Ursprungs sind der Kreis und die Kugel. Deshalb stellt Platon das Runde an den Anfang:
„Daher bildete er sie durch Drehung kugelförmig, mit allseitig gleichem Abstand von der Mitte aus nach der abschließenden Oberfläche, gerundet, gab ihr also diejenige Figur, die von allen die vollkommenste und am meisten sich selbst gleich ist, überzeugt, daß das Gleiche tausendmal schöner sei als das Ungleiche.“36
Es ist für Platon das in sich Geschlossene, das weder Anfang noch Ende besitzt, und als ursprüngliche Vollkommenheit ist es vor jedem Ablauf von Evolution. Bei Laotzu heißt es:
„Es gibt etwas, das ist unterschiedslos vollendet. Es geht der Entstehung von Himmel und Erde voraus. Wie still! Wie leer! Selbstständig und unverändert, im Kreise wandelnd ungehindert, man kann es für die Mutter der Welt halten.“37
Die Kugel bildet in der Gestalt der Singularität, als Big Bang etc., den punktuellen Anfang des Kosmos in den modernen wissenschaftlichen Theorien. Die Einheit des in sich Ruhenden sind der geschichtslose Ursprungsort, der Pool an Freiheitsgraden und die Keimzelle des Schöpferischen. Der geistige Aspekt des ’Ich bin‘, der sich im Symbolismus der Schöpfungsmythen artikuliert, spricht von einer raum- und zeitlosen Ureinheit, die noch nicht in die Zweiheit getreten ist. Im Rigveda38 wird die Schöpfung wie folgt beschrieben:
Weder Nichtsein noch Sein war damals; nicht war der Luftraum noch der Himmel darüber. Was strich hin und her? Wo? In wessen Obhut? Was? Weder Tod noch Unsterblichkeit war damals; nicht gab es ein Anzeichen von Tag und Nacht. Es atmete nach seinem Eigengesetz ohne Windzug dieses Eine. Anderes als dieses war weiter nicht vorhanden. Im Anfang war Finsternis in Finsternis versteckt; all dieses war unkenntliche Flut. Das Lebenskräftige, das von der Leere eingeschlossen war, das Eine wurde durch die Macht seines heißen Dranges geboren.39
Deshalb ist für Plotin die ursprünglichste Bedingung für das Sein die Einheit. Das ’Ich bin‘ kann das Seiende nur als Einheit denken:
„Alles Seiende ist durch das Eine ein Seiendes, sowohl das was ein ursprünglich und eigentlich Seiendes ist wie das was nur in einem beliebigen Sinne als vorhanden seiend bezeichnet wird. [...] Auch kein Haus oder Schiff, wenn sie nicht die Einheit haben, denn das Haus, das Schiff sind eines, und wenn sie das einbüßen, dann ist das Haus kein Haus mehr und das Schiff kein Schiff; die zusammenhängenden Größen also würden nicht existieren ...“40
Mit anderen Worten: Der Pool an Freiheitsgraden ist das ursprüngliche unterschiedslose Eine und aus ihm entsteht die Mannigfaltigkeit des Seienden, die zehntausend Wesen des Lao-tzu. Die individuelle Entität existiert nur, insofern sie Einheit ist. Ohne Einheit wäre es keine individuelle Entität bzw. kein individuelles Seiendes, somit Nichts und folglich wäre sie weder existent noch könnte sie gedacht werden. Plotins Eines transzendiert die Mannigfaltigkeit des Seienden. Er beschreibt somit eine Aufwärtsbewegung (henologische Reduktion), d. h. eine Rückführung der Mannigfaltigkeit auf die sie konstituierende ursprüngliche Einheit, den Pool an Freiheitsgraden. Es ist eine Abstraktionsbewegung, die davon ausgeht, dass die Struktur des ’Ich bin‘ der bewussten Wahrnehmung, mit der Struktur des Kosmos identisch ist und sie führt nicht ins Nichts (Leere), sondern zu einer stetig umfassenderen Fülle, oder anders ausgedrückt: zur Erkenntnis der die Mannigfaltigkeit bedingenden Einheit des Einen, dem Pool an Freiheitsgraden. In einer anderen Passage stellt er fest:
„[...], erst das Zweite (der Geist) ist dann alles; und ist dies alles, so ist Jenes jenseits von allem; folglich auch jenseits des Seins.“ 41
Der Pool an Freiheitsgraden enthält nicht nur (indirekt) alles Seiende, sondern bringt es zudem hervor. In seiner Transzendenz ist mit Begriffen nichts über ihn auszusagen, außer dass er Nichts ist, ein Nichts, das Alles enthält. Er besitzt weder Substanz, Geist, noch ein Anderes und selbst der Begriff des Nichts verbirgt sein wahres Wesen vor der bewussten Wahrnehmung des ’Ich bin‘. Dieses Ursprüngliche, welches den Anfang des Kosmos markiert und der Menschheit in den unterschiedlichsten Symbolen und Begriffen gegenübertritt, bringt das Seiende hervor, indem die in ihm enthaltenen Freiheitsgrade in ’duale Information‘ transformiert werden.
Im Daoismus ist das Dao Ursprung und Wirkprinzip. Von Dauer ist nur das Wirkprinzip, der Prozess der Wandlung. Ihm gegenüber besitzen die zehntausend Wesen nur ein zeitweiliges Sein; sie sind ihm untergeordnet. Bei Plotin ist es das transzendente Eine, dessen Überquellen das Seiende erzeugt, indem es sich zu seinem Ursprung zurückwendet und somit eine Einheit aus der Gesamtheit alles Seienden bildet. Es ist das Absolute, der Ursprung, das Einheitsbildende, durch das alles Seiende Einheit und damit überhaupt seiend bzw. existent und dadurch für das ’Ich bin‘ wahrnehmbar ist. In ähnlicher Weise verkündet es Meister Eckhart:
„Die Einheit zeugt - oder hat gezeugt - Einheit und hat auf sich selbst ihre Liebe und Glut zurückgewendet.“42
Gottes absolute Selbstaffirmation ist Selbstreflexion, mit der er sich zum einen selbst und zum anderen seinem Ursprung, die Gottheit, erkennt. Das Gemeinsame in diesen Ausführungen ist ein Prozess, ein Wirkprinzip, der das Seiende, dessen Evolution bedingt und in ihm immanent existent ist. Der Prozess der Transformation ist dieses Wirkprinzip, in dem ein Freiheitsgrad in duale Information transformiert wird.
Der Prozess der Transformation ist die transzendente Erste Ursache, das uranfängliche, zeitlose, alles durchdringende Wirkprinzip, das Dao. Es ist der Prozess der Transformation der - um es in der Begrifflichkeit der Physik zu formulieren - zwei miteinander in Wechselwirkung tretende Entitäten43 zu einer neuen, umfassenden Einheit transformiert, wobei dieser Prozess den Pool an Freiheitsgraden um einen Freiheitsgrad vermindert. Jeder Prozess der Transformation erzeugt eine duale Information, die aus der Information der neuen Einheit und der Information über ihre Transformation besteht oder mit anderen Worten: der Information der erzeugten Entität (Seiende), welche als Ereignis im Kosmos zur Erscheinung gelangt, und die Information, die das Sosein des Kosmos sowohl als Information erhält als ihn auch begründet. Noch einmal anders formuliert: Jede Entität (Seiendes) besteht zum einen aus der Information, wie sie in der Realität erscheint und zum anderen aus der Information ihrer Vergangenheit, ihrer bisher durchlaufenen Transformationen, wobei die Vergangenheit den Prozess der Transformation steuert. Dazu gleich mehr.
Eine Entität, z. B. ein Photon, besteht aus der Information Photon als Entität oder Ereignis, das zur Erscheinung gelangt ist und der Information, die es erzeugt hat, ihren Informationsgehalt; es besitzt somit eine duale Struktur und existiert in der Realität als duale Information. In der bewussten Wahrnehmung des ’Ich bin‘ tritt das Photon - wie das Seiende, jede Entität generell - als Einheit, als explizites Ereignis in Erscheinung,