Ein Buch über Dich und alles andere von Bedeutung - Band II - Christoph Niklaus Kuropka - E-Book

Ein Buch über Dich und alles andere von Bedeutung - Band II E-Book

Christoph Niklaus Kuropka

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Beschreibung

Dass der Mensch und das Leben des Menschen sind ändern müssen ist seit den ersten Denkern bekannt und heute schmerzlicher offensichtlich als je zuvor. Ich glaube verstanden zu haben, wie dies zu erreichen ist. Leider wird es dazu eine Geistige Revolution brauchen, zu der die Psychologie bisher weder fähig noch bereit ist. Nichtsdestotrotz wird das Zeitalter der Psychologie, das schon so lange vorhergesagt wurde, mit dieser Geistigen Revolution beginnen. Ich möchte mit diesem Werk beginnen, diese, meine Ideen näher zu erläutern und damit die "Umwertung aller Werte" einläuten, von der schon Friedrich Nietzsche phantasierte. In diesem zweiten Band der dreiteiligen Reihe möchte ich besonders darauf eingehen, weshalb das menschliche Leben bisher unausweichlich all diejenigen Probleme erzeugt, die uns quälen und bedrohen, dass es sich nie geändert hat und wie es sein müsste.

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Seitenzahl: 551

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhaltsverzeichnis

3. Gesellschaftsdemontage – Es gibt kein richtiges Leben im falschen.

3.0 Zusammenfassung.

3.1 Das Alte und das Neue Leben.

3.1.1 Mögliche Existenzen und Lebensweisen.

3.1.2 Das Alte Leben basiert – wie alles andere – auf Konkurrenz.

3.1.3 Vollkommen eigenständige Kooperation ist die einzige Alternative zu Konkurrenz.

3.1.4 Wir wollen immer zuerst Sicherheit und dann erst Freiheit – und beides absolut.

3.1.5 Das Neue Leben ist unsere einzige alternativlose Alternative zu allem Bisherigen.

3.1.6 Die richtigen Begründungen der grundlegenden Merkmale eines idealen Lebens.

3.1.7 Das Alte und das Neue Leben im Vergleich.

3.2 Die bisherige Menschheitsgeschichte.

3.2.1 Was bisher geschah – der bisherige „Anfang“ der Menschheitsgeschichte.

3.3 Die Humanismusfalle.

3.3.0 Einleitung.

3.3.1 Einzelne Überforderungen des Alten Menschen durch eine humanistische oder moderne Lebensweise und Grundeinstellung.

3.3.2 Humanistische Erziehung.

3.3.3 Feminisierung und allgemeines Geschlechtsunbehagen im Humanismus

3.3.4 Infantilisierung durch humanistisch-modernes Leben.

3.3.4 Im Humanismus wollen alle Könige sein (beziehungsweise Königskinder bleiben).

3.3.5 Die humanistische Moderne macht uns psychisch krank.

3.3.6 Der humanistische Sozialstaat kollabiert immer irgendwann und die humanistische Milde korrumpiert uns dabei.

3.3.7 Der Humanismus ist ein langsam aber tödlich wirkendes Sozialgift.

3.3.8 Stabile Psychen sind zwar nicht per se gesünder, aber lebensnotwendig.

3.3.9 Der Humanismus macht uns insgesamt unzufrieden und psychisch krank.

3.3.10 Traditionelle, sich gesellschaftlich und psychisch gegenseitig stabilisierende Gegenpole werden durch den Humanismus abgeschafft.

3.3.11 Die dynamische Balance gegensätzlicher Motivationen und Rollen wird durch den unangebrachten Optimismus des Humanismus zerstört.

3.3.12 Zwang und Strenge sind unvermeidbar und werden in der Moderne nur geleugnet und versteckt und somit nur scheinbar überwunden.

3.3.13 Zentralisierung, Technologisierung und Weltferne in der humanistischen Moderne.

3.3.14 Das kranke, schwache, zwanghaft und extrem Altruistische wird zur Norm und zum Ideal.

3.3.15 Gesellschaftsstrukturen und Familien zerfallen.

3.3.16 Der Humanismus verspricht zu viel und enttäuscht uns deshalb.

3.3.17 Der Humanismus (versucht) unseren Sicheren Raum zu sehr auszuweiten.

3.3.18 Keine Ideologie (Kommunismus, Kapitalismus, Monarchie, etc.) ist bisher jemals in Reinform gelebt worden – es war bisher immer das grundsätzlich gleiche Alte Leben in lediglich leicht abgewandelter Form.

3.3.19 Zitate zu Moderne, Tradition sowie Segen und Fluch des Humanismus

3.4 Frau und Mann

3.4.1 Die Unterschiede zwischen Frau und Mann.

3.4.2 Die Ursachen der menschlichen Geschlechterrollen

3.4.3 Grundlagen der Diskussion.

3.4.4 Männercharaktere sind besser als ihr moderner Ruf, unterrepräsentiert und gesellschaftlich gesehen unerlässlicher und wichtiger als weibliche Charaktere.

3.4.5 Wieso der Mann gesellschaftlich wichtiger ist und unerlässlicher ist und es eine Alte Gesellschaft destabilisiert, ihn und seine Belange nicht in den Mittelpunkt zu stellen

3.4.6 Ein „ganzer“ Mann ist schwerer zu erzeugen als eine „ganze“ Frau.

3.4.7 Frauencharaktere sind keine besseren Menschen, sind in der Moderne überrepräsentiert und werden überidealisiert.

3.4.8 Zusammenfassung.

3.5 Die Wurzeln aller Übel.

3.5.1 Die Schuld der psychischen Störungen an unseren strukturellen Problemen und vice versa.

3.5.2 Aggression und Gewalt.

3.5.3 Umweltzerstörung und Ressourcenverschwendung und -raubbau.

3.5.5 Kriege.

3.5.6 Einsamkeit und Verlassenheit, Armut, Diskriminierung und Hunger.

3.5.7 Psychische Störungen.

3.5.8 Verbrechen.

3.5.9 Staatliche Gewalt.

3.5.10 Zusammenfassung und Dolchstoß der Gesellschaftsdemontage.

3. Gesellschaftsdemontage – Es gibt kein richtiges Leben im falschen.

3.0 Zusammenfassung.

Jede bisherige Gesellschaft des Alten Lebens bestand und besteht aus fremdbestimmten Individuen und hatte deshalb zwangsläufig fremdbestimmende Strukturen. Eine bessere Gesellschaft kann nur durch vollkommen selbstbestimmt vernünftig handelnde Neuen Menschen in Utopia oder einem Neuen Leben entstehen. Alle bisherigen Gesellschaften waren und sind irgendwo auf einem Kontinuum zwischen den kulturellen Extremen von Tradition und Moderne oder traditionelleren und moderneren Gesellschaften und somit innerhalb des falschen Alten Lebens zu verorten.

In der Moderne versucht man ein besseres und anderes Leben als in einer ihr immer vorangehenden traditionelleren Lebensweise zu kreieren. Man hat mehr Sicherheit und versucht deshalb, mehr Freiheit zuzulassen oder zu erzeugen. Ohne den Alten Menschen aber in einen Neuen Menschen weiterzuentwickeln, wird es eine Weiterentwicklung in modernere Richtung und damit höherere und dann völlige Selbstbestimmtheit nicht geben können. Alles, was unsere Gesellschaftssysteme und wir in ihnen bisher also tun, ist es, den bisherigen Zustand irgendwie so lange es geht aufrechtzuerhalten und uns stellenweise letztlich immer zu humanistischen Hochkulturen zu entwickeln, die aber ohne Ausnahme irgendwann tragischerweise gerade daran kaputtgehen, dass sie zu nah an der Sonne flogen, ein Leben eingerichtet haben, was zu sehr zu einem noch nicht existenten Neuen Menschen passt und zu wenig zu den Alten Menschen, die wir immer noch waren und sind.

Wir haben bisher noch nie nur ein grundlegendes Problem der Menschheit gelöst. Wir haben sie nur stellenweise und historisch kurzzeitig in den Hochkulturen und Städten und zufälligen Friedenszeiten und Jahren reicher Ernten verdrängen können und haben deshalb als einzige globale Lebensstrategie entwickelt, möglichst nah an die Machtzentren und weiter entwickelten Gebiete heranzukommen. Im absoluten Gegensatz zu unserer technischen und kognitiven Entwicklung ist unsere psychische Entwicklung bisher eine so absolute Enttäuschung, dass man behaupten kann, sie hat seit Menschengedenken noch gar nicht erkennbar stattgefunden. Absolute Vernunft im Umgang mit der Umwelt und mit uns selbst ist der einzige Weg, um jedwedes Problem aus der Welt zu schaffen.

3.1 Das Alte und das Neue Leben.

Das Alte Leben ist die Lebensweise aller Lebewesen und auch des Alten Menschen und ihr Grundmerkmal ist, dass das Individuum sich hier nicht vollkommen eigenständig entscheidet und sich nicht frei entscheiden kann. Ein Altes Leben ist höchstens teilbewusst und meistens innerlich wie äußerlich fremdbestimmt. Ein Neues Leben ist das Gemeinschaftsleben vollbewusster, völlig selbstbestimmt vollkommen vernünftiger Neuer Menschen, die sich ohne äußeren Zwang perfekt selbst organisieren und steuern.

3.1.1 Mögliche Existenzen und Lebensweisen.

Es gibt nur vier entscheidende Daseinsformen oder Bewusstseinsstufen:

1. Unbelebte Materie, die allein durch physikalische und chemische Naturgesetze bestimmt wird.

2. Alle Lebewesen, die einen Stoffwechsel besitzen, der die anorganischen Naturgesetze ergänzt und chemische Produkte (= das Leben selbst) ermöglicht, die außerhalb des Lebens und seiner Zellen unmöglich entstehen können und sich so teilweise über die Regeln lebloser Materie erheben, indem sie sich selbst erschaffen und erhalten können und müssen.

3. Tierische Lebewesen mit Muskeln, Sinnesorganen wie auch Nervensystemen und möglicherweise gar einem echten Gehirn, die teilbewusst leben und die Produkte des Stoffwechsels nutzen können, um selbst zu handeln und dabei – in einem mehr oder weniger engen Rahmen – entscheiden können, wie sie agieren und reagieren. Sie transzendieren mit ihrer aktiven Lebensweise, hoher Bewusstheit und schnellen und intelligenten Entscheidungsfähigkeit das reine „Vegetieren“ der Pflanzen und von „pflanzlichen“ Einzellern. Als Alte Menschen stellen wir die Spitze dieser Bewusstseinsstufe dar, haben sie aber bisher selbst noch nicht überwunden beziehungsweise nicht ganz erreicht.

4. Der Neue Mensch – und ein ähnliches Lebewesen? – wird ein vollständig entwickeltes echtes Bewusstsein besitzen. Erst in diesem Zustand wird eine Bewusstseinsebene erreicht, die nicht nur darauf beschränkt ist, die momentane Wirklichkeit direkt und oberflächlich zu erkennen und intelligent aus einer endlichen, mehr oder weniger unveränderlichen Palette unterschiedlicher instinktiver Reaktionsweisen auszuwählen, sondern sie ist dazu fähig, mit einem Freien Willen jederzeit bewusst und selbstständig vernünftig entscheiden zu können, was man tut.

Das Alte Leben ist nur graduell unterscheidbar von dem anderer Herden- und Rudeltiere, da wir als Alte Menschen selbst noch mehr Tier sind als das, was wir uns unter einem Mensch vorstellen und schon zu sein glauben. Genau wie andere Tiere sind wir als Alte Menschen noch nicht vollbewusst, sondern entscheiden, denken und handeln hauptsächlich nicht nach unseren bewusst entwickelten Plänen und Absichten, sondern werden durch Emotionen und Gedanken geleitet, die unterbewussten Regionen entspringen, die wir weder kennen noch beeinflussen können. Der Alte Mensch hat mit seiner Scheinbar Gesunden Psyche, deren Fixierten Infantilen Vorstellungen und der sie schützenden Abwehr Ersatzinstinkte erschaffen, die zwar schon erstaunlich geformt und entwickelt wurden, aber noch lange nicht vollständig und somit trotzdem relativ starr und unveränderlich sind. Die Folge ist, dass wir nur einzelne Details „entscheiden“, während das meiste durch unveränderliche, instinktartige, emotionale und oft, trotz der vielen Einzelsublimationen, primitive unbewusste Strukturen und Vorgänge entschieden und verarbeitet wird.

Jegliches Leben befindet sich in einem Kampf ums Überleben, nicht nur, um der unbelebten Natur zu trotzen und Nahrung zu entreißen, sondern auch und vor allem gegen andere Lebewesen der eigenen Art oder ähnlicher fremder Spezies, um endliche Ressourcen. Es ist somit völlig natürlich und unerlässlich für jedes Lebewesen, grundlegend egoistisch zu handeln. Das eigene Überleben hat höchste Priorität. Die Lebensbeziehungen der einzelnen Individuen in den Lebensgemeinschaften der Natur bestehen ausnahmslos aus erbarmungsloser Konkurrenz mit lediglich einzelnen, ebenfalls egoistischen strategischen Kooperationselementen. Dies empfinden wir Menschen oft selbst als „barbarisch“, wir können es aber auch nicht besser. Doch schon diese Daseinsform hebt uns als Lebewesen weit von der unbelebten Natur ab, in der Kooperation vollkommen unmöglich ist und alles auf der kalten physikalischen Konkurrenz von willenlosen Kräften beruht.

3.1.2 Das Alte Leben basiert – wie alles andere – auf Konkurrenz.

Natürlich sehen wir bei Tieren und auch dem Menschentier die herzerweichendsten Szenen, die unverkennbar zeigen, dass der eine sich um den anderen kümmert und sich Gedanken um ihn macht, sein Wohlergehen scheinbar dem eigenen gleichsetzt oder sogar über das eigene stellt. Doch dies sind immer nur einzelne Momente zwischen Individuen innerhalb äußerst exklusiver Kreise. Wenn wir mit genetisch ähnlichen Menschen kooperieren, ist dies offensichtlich ein egoistischer Akt, aber auch wenn man nicht genetisch Verwandten sondern „nur“ mit Gleichgesinnten und Freunden kooperiert, schützt man eigentlich sich und seine „Mannschaft“ und Unterstützergruppe in genauso konkurrenzbasierter Absicht gegen „die anderen“ oder aber die Naturgewalten.

Kooperation und Altruismus sind in ihrer Reinform bisher rein theoretische Konstrukte und treten real, wenn überhaupt, immer nur isoliert und eingeschränkt auf, und das in einem Leben, das grundlegend auf Konkurrenz basiert. Erst vollkommene Kooperation kann eine Alternative zur generellen Konkurrenz sein, da jede Lebensweise, die nur ein wenig konkurrenzbasiert ist, insgesamt unausweichlich zu einer Lebensform führt, die allgemein auf Konkurrenz beruht. Genauso gerät eine Waage sofort ins Ungleichgewicht, wenn zwar auf beiden Seiten fast genau gleichviel Masse liegt, aber auf einer nur ein wenig mehr.

Konkurrenz und Egoismus sind die treibenden Kräfte der Realität und des Lebens im Speziellen und sie strukturieren und ordnen unser Leben. Wir werden auf diese natürlichen Triebe und Strukturmerkmale unserer Gesellschaften und Lebenseise nur verzichten können, wenn wir selbst den bisher und biologisch gesehen „unnatürlichen“ Zustand eines Neuen Menschen erreicht haben, in dem wir ohne diese interaktiven Beeinflussungen in der Lage sind, aus uns selbst heraus, völlig vernünftig und damit völlig kooperativ zu handeln.

3.1.3 Vollkommen eigenständige Kooperation ist die einzige Alternative zu Konkurrenz.

Vollkommen Eigenständige Kooperation möchte ich als verwirklicht ansehen, wenn eine Gruppe von Individuen aus eigener freier Entscheidung und somit voller Überzeugung wie auch mit ganzem „Herzen“ und damit letztlich aus rein egoistischem Antrieb ein vollkommen vernünftiges kooperatives Leben mit allen anderen Gruppenmitgliedern führt. Vollkommen Eigenständige Kooperation geschieht nicht durch einen äußeren Zwang oder emotional zwanghaften andressierten Altruismus, sondern restlos aus Freiem Willen. Kein anderes bekanntes Lebewesen ist kognitiv und emotional dazu in der Lage so zu leben und auch uns Menschen ist es zwar theoretisch möglich, vollkommen eigenständige Kooperation umzusetzen, aber nicht als die Alte Menschen, die wir bisher sind, weshalb es eine solche Lebensform unter uns Menschen noch nie gegeben hat. Solange ein Lebewesen, egal wie intelligent es sein mag, keine solche Vollkommen Eigenständige Kooperation umsetzen kann, lebt es folgerichtig hauptsächlich in Konkurrenz zu anderen artfremden und arteigenen Individuen.

Der Mensch ist ein Herdentier, der die Gruppe braucht, um erst ein Mensch im eigentlichen Sinne werden und sein zu können. Wir sind auf Kooperation in und zwischen unseren Menschengruppen angewiesen und somit ist uns ein Zusammenleben nur möglich, wenn die grundlegende Konkurrenz unter uns (oder unsere Unfähigkeit zu Vollkommener Kooperation) durch Gesetze und Strukturen gesteuert und damit einigermaßen kontrolliert und vernünftig möglich gemacht wird.

Eigentlich lösen wir Menschen das Gesellschaftsproblem bisher schon überdurchschnittlich gut. Wunderbar detaillierte und teilweise sehr logische Gesetze und Institutionen haben es möglich gemacht, dass wir zu Milliarden Individuen produktiv zusammenarbeiten, obwohl wir uns selbst seit der Steinzeit nicht weiterentwickelt haben, immer noch in Kleingruppen zusammengerottet und allgemein in aggressiver Konkurrenz leben und uns gegenseitig weder verstehen noch über längere Zeit gegenseitig ertragen können, geschweige denn mögen. Die bisherigen gesellschaftlichen Lösungen aber scheinen andererseits allesamt schon deshalb unzureichend zu sein, da sich ausnahmslos jede Hochkultur wieder von innen heraus auflöst und zersetzt. Obwohl wir schon so vieles schaffen und erschaffen, sind wir Menschen unzufrieden mit dem großen Ganzen. Wieso? Was wollen wir denn?

3.1.4 Wir wollen immer zuerst Sicherheit und dann erst Freiheit – und beides absolut.

Der Mensch braucht und will Sicherheit, allerdings will er „leider“ Absolute Sicherheit. Wir verlangen und erwarten als Menschen einiges von unseren Gesellschaftssystemen, wie gesund zu leben, zu überleben und uns fortzupflanzen, was eigentlich überhaupt nicht natürlich oder gar selbstverständlich ist. Wir wollen fair behandelt werden und uns in einem uns wunderbar schützenden und versorgenden Systems noch völlig frei entscheiden können. Wenn andere Tiere solche Gedanken nur formulieren könnten, würden sie sich über deren Inhalt kaputtlachen, sich schütteln und sie gleich wieder vergessen, so „weltfremd“ sind sie für jedes andere Lebewesen.

Absolute Sicherheit haben wir Menschen heute „theoretisch“ bereits erreicht. Wenn wir unsere technischen Möglichkeiten, unser bereits vorhandenes Wissen und unsere Intelligenz vernünftig nutzen würden, wären bereits morgen alle heute bekannten äußeren Bedrohungen durch Naturgewalten beseitigt. Doch für diese Absolute Sicherheit durch Technik und Wissensanhäufung brauchen wir eine stabile Gemeinschaft vieler Menschen, eine Gesellschaft und ein Gesellschaftssystem aus Menschen, die sich zumindest einigermaßen vernünftig verhalten.

Nachdem wir Menschen in unseren Hochkulturen bereits relative Sicherheit erlangt haben, verlangen wir oder verlangt unser Hirn, direkt etwas Neues: Freiheit – ein Verlangen, das andere Tiere in ihrer „natürlichen Umgebung“ gar nicht kennen, sondern nur erleben, wenn sie etwa von uns eingesperrt werden. Unser menschlicher „Käfig“ ist nicht wirklich die Gesellschaft, die wir in unser aller Unfähigkeit zu mehr selbst erschaffen, sondern die Limitiertheit unserer Entwicklung und damit unseres Geistes und unserer Seelen, unsere Allgemeine Gestörtheit, die Fesseln unserer eigenen sozialen Abhängigkeit. Die gesellschaftlichen Zwänge und Hemmungen und die Triebferne unserer täglichen Arbeiten und Verrichtungen und sie bauen nur darauf. Eine „natürliche Umgebung“ hat es für uns Menschen noch nie gegeben, da wir sie erst – in Form eines utopischen Lebens – selbst erschaffen müssen.

Der Alte Mensch ist leider, sobald er in und durch eine stabile und reiche Gesellschaft scheinbar Absolute Sicherheit erlangt hat, nicht völlig zufrieden, sondern vielmehr tendenziell schon bald der Ansicht, dass diese an sich schon luxuriöse Sicherheit es nicht wert sei, die notwendigen Einschränkungen und Ungerechtigkeiten dieses Gesellschaftsleben, denen wir uns fügen müssen, zu ertragen. Hier in der steigenden Freiheit der Moderne beginnt das Menschsein erst wirklich und das logischerweise immer erst im Überfluss der Hochkulturen oder Machtzentren. Erich Fromm drückt dies in der Pathologie des Alltagslebens so aus: „Gehe ich, (…) , von der Annahme aus, dass der Mensch genug zu essen und zu trinken hat, ausreichend schläft und sich sicher fühlt (…) , sodass seine Leben kein besonderes Problem mehr aufwirft, dann beginnt meiner Meinung nach erst das eigentliche Problem des Menschen…“, weil: „damit noch gar nicht die wahren Probleme der menschlichen Existenz berührt sind. (…) Uns sind Vernunft und Vorstellungsvermögen zu eigen, die uns erlauben, ja, die uns beinahe zwingen, uns unserer selbst gewahr zu werden, als unterschiedene, eigene Wesen (…)“, und weiter: „Aufgrund dieser Beobachtungen habe ich den Eindruck, dass das Bedürfnis nach einem sinngebenden Bezugsrahmen und das Bedürfnis nach einem Objekt der Hingabe (…), die den Prozess der Produktion von Gegenständen zum Erhalt unseres Lebens übersteigen, (…) nicht unbefriedigt bleiben können.“ Der „sinngebende Bezugsrahmen“ und die „Hingabe“ Fromms sind meiner Meinung nach nichts anderes als die zumindest subjektive Empfindung eines perfekten logisch konsistenten Lebens, das einem Absolute Sicherheit und Absolute Freiheit ermöglicht und dem man sich ganz hingeben kann, weil es perfekt ist und funktioniert. Denn jeder muss sich in seiner seelischen Entwicklung vollkommen der Wirklichkeit unterwerfen und sie nicht mehr infrage stellen. Solange unsere Lebensweisen nur suboptimal sind, ist dies gar nicht möglich, weil wir unentwegt Auswege aus ihnen suchen.

Ohne diesen blöden Wunsch nach Freiheit wäre eigentlich alles schon in heutigen Gesellschaftssystemen bestens in Ordnung. Okay, wir würden uns trotzdem in absehbarer Zeit selbstständig vernichten und manchen geht es eher schlecht, aber das wäre uns egal. In diesem Fall, bei einer völlig stoischen und schicksalsergebenen Lebenseinstellung, wäre unser gesellschaftliches Idealmodell das der staatenbildenden Insekten: Alle machen unhinterfragt ihre Arbeit, ferngesteuert durch Gene, Instinkte und Gerüche und eine Königin regiert das Ganze mit absoluter Macht. Leider sind wir Menschen dazu nicht in der Lage.

Der Perfektionstrieb unseres schon halbwegs erwachten Bewusstseins, der unsere triebfernen menschlichen Handlungen und unsere Selbstkontrolle erst möglich macht, verlangt leider gleichzeitig, dass wir „frei“ sein wollen, sobald wir uns sicher fühlen. Wir sind dazu gezwungen, frei sein zu wollen, weil unser Perfektionstrieb uns dazu zwingt, alles in unserem Leben logisch zu analysieren und selbst in der Lage zu sein, uns orientieren und entscheiden zu können. Nichts anderes ist Freiheit: Der Drang und/oder die Fähigkeit, selbst und bewusst zu entscheiden, was man tut. Würden wir nicht zumindest schon teilweise bewusst leben, würden wir keinen solchen Freiheitsdrang verspüren.

Auch wenn wir in den bedeutenden Aspekten des Lebens fremdgesteuert sind, ist das menschliche Leben, sind unsere alltägliche Sorgfalt, Präzision und Verlässlichkeit nur dadurch möglich, dass wir alle in den unendlichen Einzelsituationen unseres Lebens selbstständig verlässlich und vernünftig entscheiden, handeln und unser Handeln eigenständig planen, überprüfen und verbessern, dass wir eben versuchen, „perfekt“ zu sein oder zu funktionieren. Ohne diese eigenständige Intelligenz, Willenskraft und Logik müsste man uns jede Handlung im Detail einprogrammieren und wir würden alles übersehen, was uns nicht von außen und im Vorhinein als beachtenswert einprogrammiert wurde. Ein Gehirn aber, das eigenständig nach Lösungen und Verbesserungen sucht, wird in jedem nicht perfekten Verarbeitungssystem und jeder suboptimalen Lebensweise eine Bedrohung sehen und logischerweise Schlupflöcher und Fehler in diesen suchen und finden. Jede Gesellschaft ruht auf der kognitiven und emotionalen Überzeugung ihrer Mitglieder, dass es im egoistischen Sinne sinnvoll ist, Teil dieser Gesellschaft zu sein und sich deshalb ihren Gesetzen mehr oder weniger zu unterwerfen.

Tiere verspüren unseren „Freiheitsdrang“ normalerweise nicht. Deshalb sind sie aber auch nicht so sicher wie wir schlauen Affen mit unseren abertausenden von Werkzeugen. Wir Menschen wollen, jedenfalls dann, wenn man uns die Wahl lässt, eine absolute Bestätigung dafür, dass die unlustvollen Momente unseres vernünftigen und intelligenten aber triebfremden Lebens, all die tagtäglichen Anspannungen, Frustrationen und Entsagung von Trieben und Gefühlen, die spätestens seit der Sesshaftigkeit eine triebhafte oder „natürliche“ Lebensweise als Jäger und Sammler abgelöst haben, auch wirklich gerechtfertigt sind. Wir wollen, obwohl wir aus biologischer Sicht bereits eine äußerst luxuriöse Sicherheit erreicht haben, auch (völlige) Freiheit erreichen, also zumindest zeitweise „machen können, was wir wollen“. „Das Ganze“, also das Arbeiten, Mitmachen, sich an Regeln halten, Zusammenreißen und Unterdrücken, ist es uns ansonsten subjektiv „einfach nicht wert“, wenn man nicht auch manchmal wirklich „man selbst“ sein kann. Einen Sinn in seinem Leben sehen und das Gefühl von Freiheit zu haben sind in gewissen Teilen eng verbunden, beim Alten Menschen aber in anderer Hinsicht noch klar gegengesetzt.

Die zwar unmenschliche aber einzige Möglichkeit, im Alten Leben eine einigermaßen stabile und funktionale Gesellschaft zu erzeugen, ist es deshalb, den Wunsch seiner Mitglieder nach Freiheit zu unterdrücken, indem man etwa gar nicht erst ein Gefühl von „absoluter“ Sicherheit entstehen und man seine Untertanen immer das Gefühl spüren lässt, in Gefahr zu sein. Solche absolut autoritären und vollkommen traditionellen Gesellschaftsformen beherrschen leider die Menschheitsgeschichte genauso wie die Gegenwart, da sie nun einmal die effektivsten, primitivsten (und damit auch am einfachsten umzusetzenden) und stabilsten Organisationsformen sind, die man mit uns Alten Menschen umsetzen kann. Traditionelle Gesellschaften aber werden ihrerseits immer unweigerlich moderner werden, wenn sie durch ihre besondere Effektivität zu Machtzentren oder gar Hochkulturen aufsteigen und ihren Mitgliedern zumindest teilweise Absolute Sicherheit bieten.

Die streng traditionelle und autoritäre Lebensweise, in der körperliche und seelische Gewalt auch und vor allem von staatlicher Seite her offen ausgeübt werden, ist diejenige Seite des Spektrums zwischen Tradition und Moderne, die uns Menschen bisher hauptsächlich kennzeichnet und ausmacht. Nur im historischen Kontext „kurzzeitig“ ist es im jeweiligen Zenit eines Machtzentrums, einer Hochkultur oder selten auch eines einfacheren, vom Schicksal verwöhnten Volkes oder Dorfes bisher möglich, dass sich modernere Gesellschaftsformen bilden, in denen das Wohl des Einzelnen im Gegensatz zum Wohl des Ganzen an Bedeutung gewinnt. Moderne Gesellschaften stellen gegenüber traditionelleren eindeutig eine Entwicklung in Richtung eines besseren und idealen Zustands und somit des Neuen Lebens dar. Statt diesen Idealzustand zu erreichen, gehen sie aber bisher immer gerade auch an dem Versuch zugrunde, ein solches zu erschaffen, weil sie nicht die Voraussetzungen für ein Neues Leben – den Neuen Menschen – besitzen oder erschaffen, sondern ein solches einfach nur postulieren, verlangen und sich erhoffen. Dies ist die Humanismusfalle, in die jede Gesellschaft des Alten Lebens irgendwann unausweichlich gerät, wenn sie nur lange genug stabil existiert und durch letztlich zufällige geographische Umstände, reich und mächtig genug wird.

Die zweite Möglichkeit einer idealen/stabilen Gesellschaft besteht darin, dass jeder einzelne Mensch in dieser Gesellschaft nicht nur Absolute Sicherheit, sondern zusätzlich wirklich Absolute Freiheit erreicht, also emotional und kognitiv wirklich überzeugt ist, dass seine Mitarbeit und sein zeitweiser Triebverzicht vollkommen angebracht und richtig sind, er also genau so lebt, wie er leben will. Ohne ein autoritäres System ist solch ein Zustand im Alten Leben nur ansatz- und zeitweise in den „Goldenen Zeiten“ von aufsteigenden Machtzentren und Hochkulturen zu beobachten. Da im Zentrum und für die herrschenden Schichten eines jeweiligen Reiches fast utopische Verhältnisse herrschen und es für „alle“ „aufwärts“ zu gehen scheint, ist es möglich, die größtenteils satte und zufriedene Bevölkerung ohne drakonische Strafen in einem bestimmten Rahmen auf Kurs zu halten. Man hat in diesem „Goldenen Zeitalter“ jeder aufstrebenden Kultur das Gefühl, „völlig frei“ zu sein, weil man reicher, sicherer und freier ist als im letzten Jahrzehnt, im letzten Jahr oder mehr als die meisten anderen benachbarten Völker und weil es so scheint, als ob diese Freiheit in Zukunft kontinuierlich immer größer und dann wohl irgendwann auch zu absoluter Freiheit werden wird. Nach dem Zenit und im Niedergang einer Hochkultur lässt sich diese „Illusion völliger Freiheit“ aber irgendwann immer weniger und dann nicht mehr aufrechterhalten, was zu der Unzufriedenheit führt, die wir heute in „westlichen“ Kulturen wieder beobachten können, obwohl wir doch immer noch einen sehr hohen, historisch und global gesehen beneidenswerten Lebensstandard haben.

Das Problem am menschlichen Freiheitsdrang ist zudem, dass wir so intelligent, unersättlich und einfallsreich sind. Ein Hund hat das Gefühl, vollkommen frei und zufrieden zu sein, wenn man ihn als Menschen hält, er jeden Tag sein Dosenfutter bekommt, manchmal ausgeführt wird und sich im Haus einigermaßen frei bewegen darf. Ein Mensch wäre damit weder zufrieden, noch hätte er das Gefühl, frei zu sein. Was wir Menschen uns nicht alles „ausdenken“ können, was wir unbedingt wollen und „brauchen“, zeigt sich wieder erst in der Moderne in seiner ganzen Pracht, weil (wenn man nicht zufällig Fürst oder König ist) erst der Humanismus uns dazu bemächtigt, diese Wünsche überhaupt zu entdecken, zu fordern und ausleben zu versuchen. Solange wir als Alte Menschen nicht völlig vernünftig sind, ist es aufgrund unserer pathologischen Gier und Unersättlichkeit gar nicht möglich, unseren Freiheitsdrang wirklich zu befriedigen.

Absolute Sicherheit und Absolute Freiheit sind beide – zumindest in der Absolutheit, in der wir sie in unserem Bewusstseinszustand verlangen – evolutionär einmalig und biologisch unlogisch. Kein anderes Lebewesen hat diese Sicherheit und Freiheit jemals gehabt oder „verlangt“. Trotzdem müssen wir unser Verlangen nach beidem als unsere menschlichen Naturgesetze, unsere conditio humana akzeptieren, da unsere Perfektionstrieb uns unbarmherzig dazu zwingt, ebensolche Absolute Sicherheit und folgend Absolute Freiheit durch Reine Vernunft zu erlangen. Wir haben aber nicht „das Recht“ auf Sicherheit und Freiheit oder diese beiden Dinge „verdient“, sondern wir sind (bisher) lediglich in der Lage, sie uns vorzustellen. Wir werden es uns erst noch „verdienen“ müssen, sie real werden zu lassen und leben zu dürfen.

Erst im Neuen Leben und damit in Utopia werden absolute, also maximale Sicherheit und Freiheit realisierbar sein. Absolute Sicherheit wird es geben, weil wir in einer globalen stabilen Einheitsgesellschaft all unsere Kräfte, Werkzeuge und Maschinen vollkommen vernünftig nutzen und absolute Freiheit, weil Utopia dem Einzelnen alle realen Freiheiten gibt und ein Neuer Mensch dabei „nur“ diese „realen“ Freiheiten verlangen wird. Neurotischen Freiheitsdrang möchte ich all diejenigen Wünsche und scheinbaren Bedürfnisse nennen, die aus einer kranken und unvernünftigen Psyche und damit aus dem Unterdrücken ursprünglicher Triebe und unserem realen Freiheitsdrang entstehen. Dass viele unserer Wünsche als Alte Menschen neurotisch pervertiert sind, wissen wir schon lange und genauso lange schon versuchen wir zu definieren, was denn das „Wahre, Schöne und Gute“ ist, was also unsere wirklichen und tiefen Bedürfnisse und Wünsche sind, und was nur als Projektionen, Ersatzbefriedigungen, Kompensationen oder Einbildungen existiert. Doch auch in diesen Fragen irren wir uns heute zumindest teilweise noch erheblich.

Utopia wird erst dadurch die ideale Gesellschaft für uns sein können, wenn wir Neue Menschen sind. Für einen Alten Menschen wäre sie trotz etlicher Vorteile zum Alten Leben nicht perfekt. Warum? Weil wir Alte Menschen sind. Und damit…

1. … an den Anforderungen des Neuen Lebens verzweifeln und psychogen unter ihnen leiden würden.

2. … wir selbst in diesem himmlischen Leben mehrheitlich aufgrund unserer neurotischen Wünsche nicht das Gefühl von „Absoluter Freiheit“ hätten.

Absolute Freiheit, die uns durch Absolute Sicherheit erst gewährleistet wird, bedeutet, dass man kognitiv und emotional vollkommen davon überzeugt sein muss, dass man „alles tun kann, was man will“. Dies wird für einen Neuen Menschen in Utopia der Fall sein, weil er einerseits triebferne „Arbeiten“ nicht mehr als Belastung oder ungerechtfertigten Zwang empfinden wird und andererseits vernünftigerweise „nur“ noch das wollen wird, was ihm in Utopia wirklich möglich ist. Auch wenn utopisches Leben gegenüber dem Alten Leben etliche, wenn auch unvorstellbare positive Aspekte, aufzuweisen hat, wird man nicht im strengsten Sinne des Wortes „alles können“, zum Beispiel nicht herrschen können oder sich beherrschen lassen, sodass ein Alter Mensch mit seinen neurotisch-pervertierten und maßlosen Wünschen, die solches oft beinhalten, selbst von diesem Neuen Leben nicht vollkommen erfüllt werden würde.

Es mag hier so erscheinen (es ging mir jedenfalls selbst so), als ob ich einen logischen Fehler begehe, indem ich nur wieder eine weitere imperfekte Gesellschaftsform propagiere, die ihre Mitglieder wieder nicht absolut zufrieden stellen wird, weil ja auch hier nicht „alles“ möglich und der Mensch doch bekanntermaßen unersättlich ist und immer noch mehr wollen wird und dadurch sogar mehr als das utopisch Mögliche. Doch diese scheinbar urmenschliche Gier und Unersättlichkeit sind meiner Meinung nach nur Symptome unserer Allgemeinen Gestörtheit und werden sich durch Vollständige Sublimation im Neuen Menschen zu einem zwar genauso dringlichen aber vernünftig begrenzten Verlangen nach „nur“ realistischer Absoluter Freiheit verwandeln beziehungsweise entwickeln.

Auch ein Neuer Mensch wird sich nicht stoisch mit „allem“ zufriedengeben. Auch er kann nur in einer idealen Gesellschaft vollkommen zufrieden sein. Und diese Gesellschaft entsteht nur, wenn alle anderen so weit entwickelt sind, wie er. Ein solch wahrhaftiges Gefühl Absoluter Freiheit für den wahrhaftigen Geist eines Neuen Menschen wird genau unter den Bedingungen, die in Utopia herrschen, möglich sein. Das mag sich nach magischer Haarspalterei oder einer Tautologie anhören, sind aber meiner Ansicht die feinaustarierten Bedingungen eines idealen Neuen Lebens in Utopia.

Unser bisheriges Altes Leben ist also zwanghaft, triebgesteuert, nur teilbewusst und deshalb unfrei, ungerecht und im Kern unmenschlich. Wir leben (ersatz-)triebbestimmt, nicht vollbewusst und entscheiden größtenteils nicht willentlich und bewusst. Wie andere Tiere auch lassen wir uns tagtäglich meist in mehr oder weniger unbewusste Subroutinen fallen, die wir lange kennen und im Schlaf ausführen können. Im Unterschied zum Tier aber, hätten wir eigentlich die Möglichkeit, jederzeit vollbewusst (!) zu sein. Wir lassen uns hauptsächlich gehen und haben uns nicht „völlig unter Kontrolle“ – auch beim Arbeiten – und kontrollieren uns wegen dieser fehlenden Selbstkontrolle alle gegenseitig, sowohl privat wie auch durch den verlängerten Arm des Gesetzes in größerem Rahmen. Deshalb ist unsere Lebensweise privat genauso wie „in Gesellschaft“ fremd- und emotionsbestimmt, vorstrukturiert durch Gesetze und Instinkte und eingebettet und gelenkt durch Strukturen und Institutionen. Die einzige Alternative zu diesem Alten Leben ist Utopia, ein Leben in völliger Selbstbestimmung.

Früher waren es die Sachzwänge und Kämpfe gegen Naturgewalten, die uns die Struktur unseres Lebens aufgezwungen haben. Spätestens mit dem Ackerbau aber wurden die Handlungen, die zu unserem Überleben notwendig waren – Erde umgraben, jäten, Vieh versorgen, bauen, basteln, rumsitzen und abwarten, statt rumlaufen, jagen und suchen wie früher – so speziell, monoton und dadurch triebfern, dass wir sie (zumindest als Alte Menschen) nicht durch das „Ausleben“ unserer tiefsten Triebe erreichen und umsetzen können, sondern nur gezwungenermaßen während wir in stoisch ertragener Unlust auf eine zukünftige lustvolle Belohnung für unsere Mühen hoffen. Sobald man in höherentwickelten Gesellschaften nicht mehr selbst ein Landwirt oder Handwerker ist, sind die natürlichen Sachzwänge, die es für das eigene Handeln und Überleben gibt, nur noch sehr schwer zu begreifen und wahrzunehmen.

Es ist somit ab einer gewissen Größe und Differenziertheit ein gesellschaftliches Zwangssystem, zusätzlich zu den bereits bestehenden Traditionen sowie Naturgesetzen, nötig, um größere Menschenmassen zu effektiver Kooperation zu bringen und diese Kooperation auszunutzen, um ein Machtzentrum oder gar eine Hochkultur zu errichten. Diese traditionell durch rohe Gewalt erzeugte Kooperation ist zwar menschenverachtend und ungerecht, doch die luxuriösen Machtzentren der Menschheit, die nur durch Ausbeutung anderer möglich sind, sind eben leider das, wohin wir alle streben, weil in den Machtbereichen größte Sicherheit und Stabilität herrschen und weil hier die „wirkliche Entwicklung des Menschen“ (letztlich Richtung Neuer Mensch und Utopia) stattfindet. Weil wir noch unkontrollierte, emotional reagierende, unvernünftige Tiere sind, müssen wir uns im Alten Leben bisher gewaltsam zu unserem Glück, nämlich einigermaßen vernünftigem Verhalten, zwingen. In traditionellen Gesellschaften geschieht dies interner und offener, in modernen Gesellschaften fast nur noch nach außen gerichtet und so verdeckt wie nur möglich.

Das Neue Leben bedeutet, dass jeder Mensch in der Lage ist, vollkommen frei tun und lassen zu können, was er will. Utopia ist völlige aber dabei auch vollkommen kooperative, intelligenten, vernünftige und funktionale Anarchie. Es wird keine Regierungen, keine Gerichte, Polizei oder Armeen, Bürokraten, Händler oder Lohnarbeiter mehr geben, sondern eine sich völlig einige Menschheit, die in seliger Harmonie gemeinsam hyperintelligente Entscheidungen trifft und alle Arbeiten sorgfältig und gewissenhaft in direkter und freiwilliger Kooperation ausführt. Dieser himmlische Zustand wird nur möglich sein, weil jeder einzelne Mensch aus sich selbst heraus vollkommen verlässlich nach einer absoluten Moral handelt – in der Gewissheit, dass alle anderen Menschen ebenso handeln, denken und fühlen (Immanuel schwingt sein Zaunpfahl-Kantholz.).

3.1.5 Das Neue Leben ist unsere einzige alternativlose Alternative zu allem Bisherigen.

Vollkommene Selbstkontrolle, selbstbestimmter Altruismus und umfassende Vernunft wie eben auch Sorgfalt sind die einzige Alternative zu unserem bisherigen Alten Leben. Wenn wir uns nicht selbstständig kontrollieren, dann muss es unser „System“ oder unser Umfeld für uns tun. Beide aber können „unsere Selbstkontrolle“ gar nicht so umsetzen, dass wir dabei nicht „Misshandlungen“ und Schmerzen bei uns selbst erleben.

Unser Altes Leben, das auf Bewusstlosigkeit, Konkurrenz und Zwang beruht, weist somit folgende Probleme und damit die Wurzeln aller unserer Probleme auf, für die nur Vollkommene und Selbstbestimmte Kooperation sich frei entscheidender Menschen die Lösung sein kann, weil:

1. das Alte Leben nicht richtig funktioniert und wir in ihm nicht richtig funktionieren und deshalb immer wieder mehr oder weniger verhängnisvolle Fehler machen.

2. wir alle unter diesen bisherigen Gesellschaftssystemen leiden und sie deshalb nicht haben wollen und uns ihren Gesetzen im Privaten und Geheimen entziehen oder aber offen gegen dieses rebellieren.

Holen wir hier noch ein wenig weiter aus bzw. meine Anmerkungen:

zu 1. Nur das Neue Leben funktioniert richtig, also „perfekt“ und lässt uns perfekt funktionieren. Selbst nach unseren eigenen bisherigen unvollständigen Definitionen verlaufen die gesellschaftlichen Vorgänge in den bisherigen Gesellschaften weder völlig logisch richtig noch ganz gesetzestreu und es werden in den bisherigen professionellen staatlichinstitutionellen Einrichtungen keine perfekt vernünftigen oder gar besonders weitblickenden Entscheidungen getroffen. Bisherige Gesellschaftssysteme sind gerade einmal dazu in der Lage, das „normale“ Leben eine Zeit lang einigermaßen aufrechtzuerhalten und nicht ständig größere Katastrophen zu erzeugen. Die gesellschaftliche Führung tut nichts anderes, als den Status Quo beizubehalten und möglichst schlau auf Chancen oder Bedrohungen zu reagieren, die sich historisch ergeben, ohne dass sie von irgendeiner Kultur selbstständig erzeugt würden.

Das Alte Leben „funktioniert“ also schon deshalb nicht, weil seine Strukturen willkürlich und künstlich-pervertiert sowie korrumpierbar sind. Verschwendung von Geldern und Mitteln, Sorglosigkeit, Boshaftigkeit, Dummheit, Fehlentscheidungen sowie Kriege, Umweltzerstörung und Ausbeutung sind unvermeidliche Nebeneffekte einer gesellschaftlichen Struktur, die nicht richtig zu uns passt und deshalb nie völlig vernünftig oder reibungslos verlaufen kann.

Unser Altes Leben ist aber vor allem deshalb nicht funktional, weil wir selbst in diesem starren Rahmen nicht richtig oder nicht optimal oder perfekt funktionieren. Einerseits schon deshalb, weil wir allgemein gestört sind und es im Alten Leben bleiben und andererseits, weil wir unsere Gesellschaftssysteme logischerweise alle nicht vollständig akzeptieren und unterstützen können, sondern sie alle irgendwie auszutricksen versuchen. Jeder der sich sklavisch an Gesetze hält, wird von der Allgemeinheit verlacht und bestraft. Unter dem Zwang, der Unterdrückung und anspruchslosen Stumpfheit unseres Alten Lebens werden wir irgendwann alle resigniert, zynisch und weltabgewandt und behindern uns dadurch selbst genauso wie wir die Gesellschaft weiter verarmen lassen und korrumpieren. Wir sind als erwachsenen Alte Menschen irgendwann nicht mehr so sorgfältig, enthusiastisch, offen, „bei der Sache“ oder „anwesend“, weil wir ständig verdrängen müssen, dass das System, unter das wir uns unterordnen, nicht wirklich funktional und perfekt ist und wir und unser Glück und unsere Vernunft darin keine Rolle spielen. Daraus resultiert eine generelle Frustration, in der der einzelne Mensch sich nicht mehr gezwungen sieht, „perfekt“ mitzumachen. Besonders offensichtlich ist dies bei vielen klassisch Gestörten unter uns, aber wir sind alle dabei.

Des Weiteren „funktionieren“ unsere bisherigen Gesellschaftssysteme nicht richtig, weil sie die Arbeiten, die wir erledigen, nicht so zu strukturieren wissen, dass wir sie mit optimaler Sorgfalt und Präzision ausführen wollen oder können. Ein Großteil unserer Probleme entsteht aus „unschuldiger“ Sorglosigkeit, Bequemlichkeit, Routine, Trotz, Gleichgültigkeit, Verantwortungs- oder Gewissenlosigkeit und dies kann unter zwanghafter Fremdsteuerung auch gar nicht anders sein. Man kann uns von außen oder rein „emotional“ niemals so perfekt steuern, wie wir dies selbst kognitiv und bewusst könnten, wenn wir das Verlangte wirklich erledigen wollen würden. Unsere Umwelt aber stirbt zum Beispiel nicht deshalb, weil böse Menschen sie absichtlich und lustvoll zerstören, sondern weil Milliarden „ganz normaler“ Menschen tagtäglich zu viel Müll produzieren und Zeugs verbrauchen, zu wenig Sorgfalt, Demut wie eben auch Geduld an den Tag legen, weil wir faul in Supermärkte laufen und Autos benutzen und somit „nur“, weil wir Menschen eben nicht perfekt vernünftig sind. Schon einmal etwas von menschlichem Versagen gehört? Zum Teil in sehr dramatischen und katastrophalen Zusammenhängen? Tja, so sind wir eben. Es ist eben keiner perfekt und dass ist doch auch gut so, oder? Meine Antwort darauf: Nein, ist es nicht. Genau das ist das Problem.

Nur, wenn jeder Mensch voll in seinem Leben aufgeht und deshalb alle seine Tätigkeiten, berufliche wie private, aus sich heraus, lustvoll und selbstständig absolut gewissenhaft, sorgfältig und nachhaltig verrichtet, wird uns eine Präzision, Perfektion und Sicherheit möglich sein, die wir als das Optimum dessen betrachten können, was uns möglich ist und somit das einzige, mit dem wir unbewusst wie bewusst wirklich zufrieden sein können. Parallel dazu wird nur diese absolute Sorgfalt ausreichend sein, damit wir mit den enormen technischen Mitteln und Mächten, die uns zur Verfügung stehen, und unserer eigenen Vermehrung und unserem Verbrauch, überhaupt gefahrlos selbstbestimmt umgehen können. Dazu werden sowohl massenhaft privater, industrieller und staatlicher Egoismus verschwinden müssen, wie auch einzelne besonders dramatische Fehlentscheidungen oder vorsätzliche Ignoranz sowie Verantwortungslosigkeit. Unsere eigene biologische Überlegenheit und technologischsoziale Macht, die uns erst die Absolute Sicherheit ermöglichen, zwingen uns (gemeinsam mit unserer erwachenden Bewusstheit) leider dazu, perfekt zu werden, da wir als „Prothesengötter“ (S. S. Freud) durch jede Imperfektion im Gebrauch und jeden Missbrauch unserer Prothesen unsere Existenz erheblich bedrohen, belasten und weiter erschweren.

Das perfekte Gesellschaftssystem für den perfekten Neuen Menschen, können nur ein nichtexistentes Zwangssystem und damit eine völlig freie äußere Struktur sein, da ein perfekter Mensch selbstbestimmt handeln muss, um selbst maximal funktional sein zu können. Auch als Alte Menschen sehnen wir uns – wenn wir hierin nicht traditionell real frustriert wurden – schon nach dieser Selbstbestimmung und sind zufriedener und zuverlässiger, wenn wir den Eindruck haben, sie zumindest teilweise zu besitzen und wir werden unzufriedener wie auch unzuverlässiger, wenn dem nicht so ist.

zu 2. Das Alte Leben ist – abgesehen von seiner Dysfunktionalität – auch deshalb absolut „falsch“, weil wir es an sich eigentlich nicht haben wollen und es uns, weit über die größeren und offensichtlicheren Katastrophen hinaus, quält und unnötiges Leiden zufügt, da es „nicht zu uns passt“, obwohl es doch andererseits gerade maßgeschneidert für uns Alte Menschen ist, weil wir mehr Selbstbestimmung gar nicht umsetzen können, als hier verlangt und möglich ist. Hier zeigt sich wieder deutlich die tiefe schizophrene Spaltung des Alten Menschen: Wir brauchen und suchen die Fremdbestimmung, wollen uns aber einbilden können, dass wir mehrheitlich selbstbestimmt leben, weil unser Perfektionstrieb, egal wie tief wir ihn verdrängt haben, dies verlangt.

In der Moderne sind wir uns bewusst, wie sehr Andersdenkende und Minderheiten aber auch ein ganzes Volk in traditionellen Gesellschaften unterdrückt und misshandelt werden. Wir versuchen, diese Zustände in der Moderne zu bekämpfen, sind dabei bisher aber letztlich immer erfolglos. Jede auf Konkurrenz basierende Gemeinschaft des Alten Lebens hat zwangsläufig ihre „Verlierer“ oder Beherrschten, besitzt hierarchische Strukturen und strukturelle Gewalt, verteidigte dies Struktur letztendlich mit äußerster Gewalt und es gibt stets mehr Beherrschte und Geknechtete als „Gewinner“ oder Herrscher. Wir leiden seelisch darunter, dass unser Leben in so engen primitiven Bahnen verlaufen muss, um uns vor uns selbst zu schützen und wir empfinden auch und gerade in der Hochkultur Ekel und Abscheu vor diesem eigenen bedeutungslosen, repetitiven, langweiligen und anspruchslosen Leben. Etliche Menschen leiden außerdem nicht nur indirekt, sondern direkt unter organisierter staatlicher oder privater Gewalt, die ebenfalls nur unter den bisherigen Verhältnissen möglich und unausweichlich ist. Wir wollen zudem logischerweise nicht alle Gesetze, die bestehen und größtenteils bestehen müssen, befolgen. Denn es gibt sie ja nur deshalb, weil wir sie eigentlich übertreten möchten. Solange wir nicht selbstbestimmt vernünftig sein können, werden wir uns zu einem vernünftigen Leben zwingen müssen. Wir sind also im Alten Leben deshalb unausweichlich unzufrieden, weil wir nicht selbstbestimmt sind – außer wir bilden uns dies meisterhaft ein.

Es ist logisch unmöglich, dass ein Volk seine Gesetze voll akzeptiert, nicht durch sie „misshandelt“ wird und sie nicht irgendwann ablegen will. Gesetze sollen Dinge erwirken, die der Einzelne nicht tun will und Dinge durch Bestrafung verhindern, die Einzelne tun wollen – sonst müsste man sie gar nicht aufstellen oder ihr Übertreten ahnden. Dabei ist es unausweichlich, dass die staatliche Gewalt immer wieder Einzelne berechtigter- oder unberechtigterweise so behandelt, dass sie selbst es als ebenfalls berechtigter- oder unberechtigterweise Misshandlung erfahren. Wenn wir das Wirken unserer Staatsmacht als gerecht und völlig richtig akzeptieren würden oder wenn es wirklich so wäre, wären wir bereits Neue Menschen, für die es solche Gesetze und deren Exekutiven gar nicht mehr brauchen würde, da wir sie ja bereits verinnerlicht hätten.

Gesetze können, auch wenn dies durchaus versucht wird, selbst in der Komplexität moderner Juristerei niemals die Komplexität des Alten Lebens der individuell gestörten Alten Menschen in ihm detailliert abbilden und somit völlig gerecht behandeln. Ihre dadurch unausweichliche Grobheit sowie Blindheit für den Einzelfall und fehlende Präzision führen unweigerlich zu staatlichen und juristischen „Misshandlungen“ und machen absolute Gerechtigkeit bisher unmöglich. Insgesamt ist es leider wichtiger, dass diese Gesetze zumindest einigermaßen funktionieren und einen inneren Frieden und eine innere Ordnung aufrechterhalten können, die vielen Menschen nutzen, als dass wirklich jeder Einzelne vor dem Leid bewahrt wird, durch die staatliche Gewalt zu Unrecht bestraft oder unterdrückt zu werden. Andererseits wird es immer wieder zu Aufständen kommen, wenn dieses Leid Einzelner so verbreitet und schrecklich wird, dass es die Vorteile staatlicher Ordnung im Vergleich dazu wertlos erscheinen lässt.

Da wir Menschen nur zufrieden sein werden, wenn wir in freier Selbstbestimmung leben, werden wir jedes andere Gesellschaftssystem aus unserer letztlich infantilen Unzufriedenheit von innen heraus zerstören, sobald es sich etabliert hat und uns genug Sicherheit gewährleistet.

Eigentlich müssten wir Menschen heute froh darüber sein, dass unsere Lebensweise nicht nur verhängnisvoll und dysfunktional ist, sondern wir dies wahrnehmen und außerdem emotional darunter leiden. Denn nur wegen dieses Leids werden wir uns und dadurch sie verändern können. Wären wir nicht bewusst genug und würden deshalb nicht unter unseren und gesellschaftlichen Fehlern und selbsterzeugten Problemen leiden, würden wir – wie schon andere Lebensformen vor uns – unsere nahende Selbstzerstörung weiter in seliger Ruhe zielgerichtet anstreben.

Die Soziologie beschäftigt sich bisher lediglich damit, wie man eine große Menge an Alten Menschen am besten steuert, damit sie einigermaßen kooperieren und zufrieden sind, um zumindest für einen Teil der Menschheit und über einen gewissen Zeitraum hinweg eine relativ stabile und funktionale Gesellschaft zu erschaffen und zu erhalten. Eine ideale Gesellschaft wäre jedoch eine solche, die dauerhaft maximale Absolute Sicherheit und Absolute Freiheit für eine maximale Anzahl, also alle Menschen, erschafft. Von einer solchen träumt man aber bisher höchstens, auch wenn die Fehler aller bestehenden Systeme durchaus gerne und dezidiert angeprangert werden. Wie in der Psychopathologie geschieht diese Kritik aber bisher ohne uns eine real umsetzbare alternative Lebensweise anzubieten und ist dadurch zwar an sich inhaltlich wertvoll, aber ohne reale Anwendung und Perspektive bisher genauso unbedeutend und nutzlos. Das soll sich durch das kuropkaistische Konzept des Neuen Lebens verändern.

Letztlich kann nur eine ideale Gesellschaft eine stabile, andauernde und nachhaltige sein, da alle subidealen Gesellschaften entweder als Spielball der Geschichte enden oder aber zur Hochkultur aufsteigen und innerlich daran zugrunde gehen, dass sie nicht ideal sind und auch nicht werden und ihren Bewohnern dies immer stärker bewusstwird.

3.1.6 Die richtigen Begründungen der grundlegenden Merkmale eines idealen Lebens.

Wir müssen auf der Suche nach den Prämissen für eine ideale Gesellschaft einige bestehende Vorstellungen und Herleitungen umdeuten, weshalb sie notwendig sind, um sie aus den genau richtigen Gründen und im genau richtigen Umfang zu verlangen:

1. Ein ideales stabiles Leben muss globale Gleichheit und Gerechtigkeit erschaffen und beinhalten, aber nicht weil das „so schön“ wäre, sondern da ansonsten der exklusive Teil von uns, der untereinander bereits eine gewisse Gerechtigkeit walten lässt, da er in einem Machtzentrum oder einer Hochkultur lebt, ständig und irgendwann final durch die Konkurrenz, den Neid und die Aggressionen aller anderen minderbemittelten Menschen außerhalb des Machtzentrums bedroht ist und (auch) deshalb schon nicht von Bestand sein können wird. Nur globale und individuelle Gleichheit können uns vor unserer innerartlichen Aggression, Intelligenz und Konkurrenz schützen. Wir brauchen nur deshalb absolute Gerechtigkeit, weil aggressiv-intelligente Menschen beziehungsweise unser Perfektionstrieb niemals mit weniger zufrieden sein werden als damit, dass es uns zumindest genauso gut geht wie allen anderen.

2. Wir müssen in einer idealen utopischen Gesellschaft äußerst sparsam leben und das noch wesentlich mehr als die „vernünftigen Mitglieder“ in den Hochkulturen es heute schon tun oder propagieren. Warum? Weil wir einen global gleichen Lebensstandard erreichen müssen. Dieser kann aus offensichtlichen Sachzwängen heraus nur weit unterhalb von dem eines Bewohners einer (heutigen) Hochkultur liegen. Dies bedeutet aber nicht, dass wir in Utopia Angst haben müssen, zu verhungern, da genug Vorräte da und die Bewirtschaftung sowie Geburtenplanung nachhaltig genug sein werden. Nein, wir werden hungern und fasten und nur selten schlemmen und verschwenden, nicht weil wir es müssen, sondern weil wir es wollen und dass, obwohl wir im Neuen Leben jederzeit problemlos mehr haben und nehmen könnten. Auch diese selbstbestimmte Sparsamkeit und Sorgfalt und ihr höheres Ziel der Umweltschutz sind rein egoistische Ziele und müssen so verstanden und benannt werden, um Gehör zu finden und wirksam zu sein. Es geht nicht um andere Arten und den Planeten, sondern darum, unser eigenes (Über-)Leben und dessen Grundlagen zu schützen – und zwar vor uns selbst und vor unserer eigenen aggressiven Ausbreitung und ihren negativen Auswirkungen. Wir müssen unsere Ausbreitung und Ausbeutung von Ressourcen nicht nur begrenzen sondern vom heutigen Standpunkt aus schon lange wesentlich zurückfahren! Wir müssen weniger Menschen werden, um in größerer Mehrheit ein besseres Leben zu haben. Entweder regeln wir das selbst oder der Sensenmann wird, wie schon so oft, seinen Weg finden und zuschlagen. Wir müssen also schon deshalb sparsam sein, weil wir alle mindestens gleich viel haben und verbrauchen wollen und das geht nur, wenn wir alle mit wenig zufrieden sind und wenig verbrauchen, weil unsere Ressourcen nicht unendlich sind. Unsere Umwelt müssen wir deshalb erhalten, weil wir selbst sie brauchen und nicht, weil wir kein „Recht“ dazu haben, sie zu zerstören oder andere Lebewesen ein Recht hätten, zu existieren.

3. Wir müssen uns leider vollkommen und in bisher unbekanntem Maße kontrollieren, nicht weil wir im herkömmlichen Sinne Teufel oder böse Sünder, sondern weil wir zu mächtig und gleichzeitig zu unvernünftig sind, uns zu sehr vermehren, zu viel verbrauchen, nach unseren Vorstellungen verändern und vernichten. Das können wir nur selbst und wird keine Gesellschaftsform leisten können – außer vielleicht direkte Fernsteuerung durch einen Supercomputer, aber dann sprechen wir nicht mehr von Menschen, oder? Dass wir bisher unsere possierlichen Persönlichkeiten und Fehler zulassen und akzeptieren wie auch über unsere menschlichen Schwächen milde hinwegsehen war bisher okay. Aber spätestens seit dem Atomzeitalter reichen solch sympathische Idioten nicht aus, die wir als Alte Menschen bisher sind. Wir haben uns von den Gefahren und Bedrohungen der Natur durch technische Entwicklung befreit, die absolut fantastische Dinge hat real werden lassen, aber auch hohe Präzision und Vernunft verlangen. Leider sitzen vor und in diesen genialen Maschinen immer noch nur dieselben inselbegabten Affen wie zu Beginn des Pleistozäns und mit jeder Weiterentwicklung wurden Fehlentscheidungen und sorgloses Benutzen unserer Werkzeuge immer fataler.

Erich Fromm schrieb dazu in seinem Buch Pathologie der Normalität / Zur Wissenschaft vom Menschen: „Auf lange Sicht kann die Destruktivität nur verringert werden, wenn die Lebensbedingungen derart gestaltet werden, dass sie es dem Menschen erlauben, sich individuell zu entfalten und an sich zu glauben, sodass er vernünftigerweise von Menschen abhängig sein kann, ohne von ihnen gefüttert werden zu wollen noch sie „aufessen“ zu müssen. Positiv ausgedrückt geht es um das, was ich die produktive Orientierung des unabhängigen und freien Menschen genannt habe.“

4. Wir müssen uns in einem besseren Leben schon deshalb völlig einig sein, damit wir überhaupt selbstbestimmt in Kooperation und nicht Konkurrenz leben können. Die Vorstellung, dass man trotz zum Teil erheblich unterschiedlicher Ansichten und Einstellungen selbstbestimmt harmonisch zusammenleben kann, ist leider nur eine humanistische Traumvorstellung und generell eine für die menschlichen Existenz notwendige Notlüge. Es wird für eine ideale, selbstbestimmte und konkurrenzlose Lebensweise sogar „vollkommen gleiche“ Neue Menschen brauchen, die so gleich denken, fühlen und handeln werden, dass es uns zurecht heute noch gruselig vorkommen muss – allein in der Vorstellung. Doch nur so können wir, ohne dazu gezwungen zu werden, vollständig kooperieren. Wie sollte man anderen Menschen ganz vertrauen können, wenn man nicht wüsste, dass sie völlig vernünftig und verlässlich sind und dass ihre Vernunft genau dieselbe Vernunft wie die eigene ist? Wir sollte man harmonisch und gerecht entscheiden und handeln, wenn jeder nur ein bisschen etwas anderes will? Traditionelle Gesellschaften versuchen diese Einheit durch Zwang und Gewalt herzustellen und sind damit überaus erfolgreich. Moderne Gesellschaften gehen unter anderem daran zugrunde, weil ihre innere gesellschaftliche Einheit zerfällt, da sie nicht mehr erzwungen wird und offensichtlich von Alten Menschen nicht selbstbestimmt erzeugt oder aufrechterhalten werden kann.

3.1.7 Das Alte und das Neue Leben im Vergleich.

Das Alte Leben und seine Gesellschaftssysteme beruhen darauf, wie wir selbst als Alte Menschen sind und leben und können qualitativ nie mehr sein als das, was wir umzusetzen in der Lage sind. Eingangs habe ich die Unterschiede zwischen Altem und Neuen Menschen und ihrem jeweiligen Leben schon einmal aus Sicht des einzelnen Neuen Menschen erörtert. Es erscheint mir jedoch notwendig, hier beide Lebensweisen noch einmal im gesellschaftlichen Kontext zu vergleichen:

3.1.7.1 Psychische Gestörtheit versus Wirkliche Psychische Gesundheit

Das Alte Leben ist das Leben eines Menschen, der nicht allwissend, sondern geistig behindert ist. Er weist Bewusstseinsschäden auf, kann sich nicht vollständig selbst kontrollieren sowie orientieren und ist innerlich und auf sich selbst gestellt immer noch mehr ein Kleinkind als ein erwachsener Mensch, sobald er eben nicht mehr in innere und äußere Zwänge eingepfercht ist, sondern frei entscheiden kann. Da wir aktuell dermaßen gestört sind, ist bisher jedes Gesellschaftssystem des Alten Lebens ein plumpes, idiotensicheres und völlig unpräzises wie auch grobes Leitsystem, ähnlich einer Produktionsmaschine in einer Fabrik. Es schubst und leitet uns, während wir überwiegend hilf-, kontroll- und orientierungslos unseren vorgegebenen Lebensweg entlangtaumeln.

Im Alten Leben sind Alte Menschen innerlich und äußerlich angespannt und deshalb nur halbwegs vernünftig, ungebildet und ängstlich. Im Neuen Leben befindet sich der Neue Mensch in einem ständigen Flowzustand, erlebt völlige Innere Ruhe und geistige und emotionale Zufriedenheit. Ein Neuer Mensch wird allmächtig und allwissend zu völliger eigenständiger Vernunft und Kooperation fähig sein und deshalb kein Gesellschaftssystem mehr brauchen. Ein Alter Mensch ist auf Gedeih und Verderb abhängig von einem System und seinen Mitmenschen und in dieser meist unterbewussten Abhängigkeit weder fähig zu sich selbst noch zu anderen Menschen ein funktionales und dafür realistisches und ehrliches Verhältnis oder gar eine wirklich altruistische Beziehung aufzubauen.

3.1.7.2 Innerartliche Konkurrenz und Hierarchie versus Vollkommene Kooperation

Da wir noch nicht bereit sind, selbstbestimmt kooperativ zu handeln, leben wir im Alten Leben in ständiger und erbarmungsloser, vollkommen natürlicher, innerartlicher Konkurrenz. Um die unausweichlichen Aggressionen in diesem Konkurrenzkampf zu vermindern, entstehen gesellschaftlich Hierarchien wie eben auch Gesetze und das Konzept des (Privat-)Besitzes und psychisch die Komplexe der Sozialen Abhängigkeit, die größtenteils unterbewusst dieses Konkurrenzgeschehen und die eigenen Reaktionen darin verwalten. Konkurrenz besteht zwischen Einzelpersonen genauso wie zwischen Kleingruppen, Familien, Nachbarn, Städten, Regionen und letztlich Nationen und Völkern – ja im Alten Menschen selbst zwischen den einzelnen, in ihrer Unkultiviertheit unvereinbaren Anteilen seiner eigenen Psyche. Gesellschaftssysteme haben die vorrangige Aufgabe, diese innerartliche Konkurrenz und Aggression abzuschwächen und in einem einigermaßen sinnvollen Gemeinschaftsleben zu kanalisieren.

Gerade in unseren Kerngruppen, aber tendenziell in unseren „Vereinen“ und Völkern, in denen die gegenseitige Konkurrenz unter den Mitgliedern wirklich etwas reduziert ist, bilden wir uns jedoch bereits als Alte Menschen im Alten Leben ein, dass gar keine Konkurrenz bestehen und wir bereits kooperativ und in Eintracht leben würden. Bei genauerem Hinsehen und in Extremsituationen aber zeigt sich klar, dass wir uns (logischerweise) immer „selbst die nächsten“ sind und dass wir selbst mit engsten Verbündeten, wenn es „darauf ankommt“, eigentlich noch in einem Konkurrenzverhältnis leben. Oft aber sind hier die gemeinsamen Ansichten und Aufgaben subjektiv so vorherrschend und werden so sehr betont beziehungsweise sind der Handlungsspielraum und die Entscheidungsfreiheit so gering, dass wir dies zumindest bewusst missachten können.

Wie bereits beschrieben ist die einzig denkbare Alternative zu einem konkurrenzbasierten Leben ein Leben in Selbstbestimmter Vollkommener Kooperation. Dieses werden wir in Utopia führen. Solange nur ein Aspekt des Lebens in Konkurrenz ausgetragen wird, entsteht unweigerlich, selbst wenn alles andere kooperativ geschieht, eine generelle Konkurrenzsituation und Hierarchie.

Das menschliche Leben ist bisher durchdrungen von wie definiert durch Konkurrenzkampf, gegenseitiges Verhandeln und Streit, zwischen Völkern, Firmen, Nachbarn, Partnern wie auch Geschwistern. Natürlich streiten und prügeln wir uns nicht ununterbrochen, aber alle Grenzen, alle Übereinkünfte und Traditionen sind Ergebnisse solcher aggressiven Streitereien und Konflikten. Strukturelle Gewalt oder die mehr oder weniger verständliche und unausweichliche Ungleichheit der Lebensstandards unter uns Menschen sollen gleichzeitig die Aggression senken und sind trotzdem ständig schwelende Konflikte. Unsere Angewohnheiten und Werte, unsere gesellschaftlichen Regeln, Normen und Traditionen verstecken diese grundlegende Aggressivität, Isolation und Konkurrenz jedoch sehr gut, genauso wie der generelle Relativismus und der Individualismus der Moderne. Irvin David Yalom schreibt auf Seite → seines Buches Existenzielle Psychotherapie:

„Die Existenz (eines vollbewussten Lebewesens) ist unabdingbar frei und daher unsicher. Die kulturellen Institutionen und psychologischen Konstrukte verdunkeln diese Tatsache häufig, aber die Konfrontation mit unserer eigenen existentiellen Situation erinnert uns daran, dass Paradigmen von uns selbst geschaffene, hauchdünne Barrieren gegen den Schmerz der Unsicherheit sind.“

In Utopia werden wir die Konkurrenz und ihre notwendigen Hierarchien biologisch das erste Mal überhaupt überwinden, und zwar durch die einzige mögliche Alternative: Eine intelligente und selbstständige, absolute Kooperation von sich frei entscheidenden, völlig vernünftigen Lebewesen.

Vollkommene Kooperation und Altruismus sind für ein Individuum auf keinen Fall generell von Vorteil, sondern nur innerhalb einer sich ebenfalls vollkommen oder generell altruistisch kooperativ verhaltenden Umgebung. Nur wenn alle in einer Gruppe perfekt und verlässlich altruistisch handeln, ist es wirklich für jeden Einzelnen in einem solchen Kollektiv wirklich und überhaupt das Beste, wenn er eben genau das tut. Solange die Allgemeinheit nicht kooperativ handelt, schadet sich der Einzelne im gesellschaftlichen Kontext durch „übertriebenen“ Altruismus, Vernunft und Gesetzestreue letztlich nur. Die meisten von uns haben zumindest unterbewusst verstanden, dass „ein guter Mensch“ zu sein nicht unbedingt bedeutet und bedeuten darf, dass man seinen „gesunden Egoismus“ ganz ablegen muss, da man sonst nur ausgenutzt wird.

Nur wenn das System des Zusammenlebens perfekt logisch und gerecht ist, ist das Wohlergehen der Gesamtheit wirklich und real das Beste für den Einzelnen, weil jeder darin ein Leben finden kann, was ihn voll befriedigt. Bisher behaupten wir das zwar gesellschaftlich oft schon, doch wir müssen dabei hoffen, dass ein „Dummer“ es uns glaubt, von denen es heute, wie in jeder Postmoderne, leider immer weniger gibt. Das fatale an der durchaus berechtigten kritischen Sicht des Humanismus auf die bisherigen Gesellschaften ist, dass immer weniger Menschen den Eindruck haben, dass ihre Gesellschaft jedenfalls einigermaßen logisch und gerecht ist, zumindest das Beste was man machen kann, und somit der gesellschaftliche Zusammenhalt, der Sozialvertrag und die psychische Gesundheit des Einzelnen in selbstgewählter privater Isolation geschädigt werden.

Ein stabiles Gesellschaftssystem kann nur auf einer Menschheit basieren, die sich aus freien Stücken und aus egoistischem (Eigen-)Interesse zu dieser bekennt. Auch ein globales „Gutmenschentum“ aus zwanghaft altruistisch konditionierten Menschen wird nicht funktionieren, sondern unsere Soziale Abhängigkeit muss vielmehr allgemein überwunden und abgelegt werden. Wenn jeder sich nur blind und taub dem Willen der anderen unterordnet, wo ist dann noch ein (Freier) Wille? Wer bestimmt und spürt dann noch, was er selbst will? Vielmehr muss jeder Neue Mensch seine eigenen Bedürfnisse und dabei seine aggressiven Anteile oder Schattenseiten voll zulassen, spüren und anerkennen – aber dann eben auch vollständig kultivieren. Er ist genauso fähig, abweisend, kalt, aggressiv und grausam zu sein, wie er geduldig, verständnisvoll, liebevoll, bescheiden und freigiebig agieren kann. Er entscheidet sich nur deshalb für die letzteren Alternativen, weil er intellektuell versteht, dass dies für ihn selbst das Beste ist und weil er gleichzeitig emotional gelassen genug ist, um sich genau danach richten zu können oder zu wollen, was das Vernünftigste ist.

3.1.7.3 Kleine Kerngruppen und Staaten versus globale Gemeinschaft.

Innerhalb der allgemeinen innerartlichen Konkurrenz schafft der Alte Mensch sich, egal wie groß das „Reich“, dem er angehört, auch sein mag, Kerngruppen von einzelnen bis zu ein paar Dutzend „Mitmenschen“, in denen die Konkurrenz zwar nicht ganz aufgehoben, aber doch erheblich reduziert ist und so durchaus schon eher einer Kooperation ähnelt und für uns in der Kälte und Erbarmungslosigkeit der allgemeinen Konkurrenz immer wieder Grund zu berechtigter (?) Hoffnung für die ach so verkommene menschliche Rasse darstellen. Fast nur innerhalb dieser Kerngruppen kommunizieren wir selbstständig und offen und zeigen eine gewisse selbstbestimmte Kooperation. Seit der Steinzeit haben wir die Größe dieser Kerngruppe und damit unseren eigenen Kooperationsradius nicht nennenswert erweitern können. Diese Kerngruppen bestanden früher aus Stammesgemeinschaften, Langhausbewohner oder Dorfgemeinschatten und umfassen heute – mehr oder weniger stark betont – Familienangehörige, Freunde, Nachbarn, Gleichgesinnte und Arbeitskollegen, mit denen es uns möglich ist, mit weniger strengen Regeln, aber auch nicht völlig ohne Regulierungen, einigermaßen kooperativ zusammenzuleben oder zusammenzuarbeiten.

Die Erlebnisse und Verhältnisse in diesen unseren Kerngruppen sind es letztlich, die uns von einem besseren Leben träumen lassen, weil wir uns fragen, wieso es nicht immer und überall so gesittet, vernünftig, harmonisch und altruistisch zugehen kann, wie dies zumindest oberflächlich gesehen in unseren Kerngruppen bereits zu sein scheint.

Wir haben eine persönliche Beziehung zu den Mitgliedern unserer Kerngruppen und können deshalb auf hohem Niveau und relativ (wenn auch fast nie ganz) offen kommunizieren. Der Alte Mensch ist bisher nicht in der Lage, kooperative Kerngruppen zu bilden, deren Größe über fünf enge Freunde oder Verbündete, maximal ca. 500 Bekannte und vielleicht 1.500 Leute, die man „vom Sehen kennt“, hinausgeht. Ansatzweise echte Kooperation geschieht bisher fast ausschließlich unter engsten Verbündeten in unseren Kerngruppen und auch hier bisher nicht in vollem Umfang und nur innerhalb eines umfassenden, insgesamt stark regulierten Gesellschaftslebens und dessen mehr oder weniger traditionellen Moral und Ethik. Alle Entscheidungen und Kooperationen, die über diesen engsten Kern hinausgehen, werden immer unpersönlicher, offener konkurrenzorientiert und deshalb immer mehr durch gesetzliche Strukturen und Institution festgelegt und ausgeführt. Je größer die kooperierenden Menschenmassen also werden, desto weniger sind wir als Alte Menschen in der Lage, uns innerhalb dieser Großgruppen zumindest einigermaßen kognitiv und emotional selbstständig zu orientieren, vernünftig zu verhalten und zu entscheiden. Deshalb ignorieren wir (spätestens) in allen Gesellschaften, die in ihrer Größe eine Dorfgemeinschaft überschreiten, den Großteil aller Mitmenschen in unserer Großgruppe, die nicht zu unserer Kerngruppe gehören, oder weisen sie im Alltag sogar explizit ab, weil wir alle schlicht unfähig sind, so viele und unterschiedliche Beziehungen psychisch zu verarbeiten.

Tragischer- und realistischerweise sind wir aber selbst in unseren Kerngruppen und engsten Beziehungen im Alten Leben eigentlich grundlegend isoliert, wie es auch Yalom als grundlegende, aber meist verdrängte existenzielle Wahrheit und Einsicht etwa in seinem Buch Die Liebe und ihr Henker auf Seite → beschreibt: „Die existenzielle Isolation, eine dritte Grundtatsache des Lebens, bezieht sich auf die unüberbrückbare Kluft zwischen dem Ich und dem anderen, eine Kluft, die auch in intensivsten zwischenmenschlichen Beziehungen nicht zu überwinden ist.“ Wir kennen und verstehen eigentlich niemanden ganz (selbst uns selber nicht), auch beste Freunde und Partner nicht, und wir akzeptieren niemanden wirklich vollkommen, so wie er ist, und mit allen seinen, doch eigentlich ganz „normalen“ menschlichen Schwächen.

Zum einen tun wir das deshalb nicht, weil wir uns selbst gar nicht ganz kennen und wir uns selbst nicht ganz mögen und noch weniger voll akzeptieren, wie wir sind. Wie sollten wir unseren Nächsten lieben wie uns selbst, wenn uns dies bei uns selbst nicht einmal gelingt? Ich denke, dass wir, solange wir als Alte Menschen selbst noch so dysfunktional sind, schon deshalb andere Menschen nie ganz akzeptieren können, wie sie sind, weil wir sie dann höher bewerten müssten als uns selbst. Zum anderen nehmen wir uns gegenseitig alle nicht völlig an, weil wir durch unsere individuelle Gestörtheit so individuell unterschiedlich und unterschiedlich neurotisch sind. Jeder muss seine eigenen Überzeugungen und Einstellungen innerlich und äußerlich verteidigen, um nicht verrückt zu werden. Keiner kann einem anderen ganz zustimmen, weil wir alle irre sind und dabei alle wieder ein wenig anderes irren. In jeder Paartherapie zum Beispiel geht es (auch) darum, dass man wieder untereinander Entfernung und Spannung zulassen muss, dass man den anderen nie ganz verstehen oder verändern können wird und dass man deshalb nie wirklich völlig verschmelzen werde, auch wenn dies ja an der einen oder anderen Stelle immer wieder als „infantiler Wunsch“ aufkommt. Solange man sich beiderseitig einbildet, dass man in völliger Harmonie lebt, ist ja alles okay, aber wenn man dies wirklich schwarz auf weiß verlangt – wie es ein postmoderner Mensch nun einmal tut –, wird man an seinen Paarbeziehungen scheitern. Es ist einfach nicht möglich.

Selbst in innigsten Beziehungen ist es somit notwendig, dass man nicht alles miteinander teilt, nicht alles offenbart und dies nicht vom anderen erwartet und verlangt. Wir sind zu verschieden (zumal als „Mann“ und „Frau“), um ganz mit einem anderen Alten Menschen zu verschmelzen. Wenn das, was die anderen tun und wir von ihnen akzeptieren müssen, wenigstens (aus unserer Sicht) „vernünftig“ wäre, könnte man es ja akzeptieren, aber bei zum Teil so klar neurotischem Verhalten, wie wir es bisher oft zeigen, meinen wir, dies erst recht nicht tun zu können. Doch diese Rationalisierungen sind nur Ausreden, um unsere generelle Unfähigkeit zu echter Nähe und Verbundenheit zu verdecken. Leider sind aber die bisherigen Ansichten darüber, was vernünftig ist, recht windschief, sodass man vor allem das für vernünftig erklärt, was man selbst ungefähr macht, denkt und fühlt – was als Alte Menschen bei jedem Einzelnen leider wieder stark limitiert und pervertiert ist.

In Utopia werden wir in einer globalen Interessensgemeinschaft leben, basisdemokratisch über alles, was verhandelt werden muss, abstimmen und in vollständiger Kooperation mit allen anderen Menschen vereint sein. Die Neue Menschheit stellt eine einzige „Kerngruppe“ dar, in der jetzt wirkliche Kooperation herrschen wird und die Beziehungen jedes Einzelnen zu jedem (!) anderen Menschen wird ungefähr gleich stark oder schwach sein. „Nahestehende“ Menschen werden schlicht diejenigen sein, die ein wenig mehr Bedeutung besitzen, weil man mit ihnen gelebt hat, aber die besonderen „persönlichen“ Beziehungen werden keine „Exklusivität“ mehr besitzen. Möglich wird dies sein, indem wir die bisherige wahnhafte Individualität transzendieren und als Neue Menschen nahezu identisch mit jedem anderen Menschen sein werden.