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Beschreibung

Die Farbe war ihm so vertraut. Dieses Schimmern und das Funkeln. Auch das Gefühl, dass sie ihm vermittelten, war vertraut und doch befremdlich. Sie sahen ihn und sahen ihn nicht. Diese Augen! Diese unergründlichen, wachen, klaren Augen. Wie blaues Glas, hinter welchen Geheimnisse lagen, vor denen er sich fast fürchtete und von denen er unbedingt wissen wollte. Addin träumte oft von ihnen. Er wusste nicht warum das so war oder was das bedeuten könnte. Er kannte niemanden, der so einen Blick hatte. Doch der Traum kehrte immer wieder und wenn Addin erwachte, hatte er manchmal das Verlangen, zu weinen. Als Addin allerdings einen waghalsigen Entschluss fasste und dabei eine kleine goldene Lampe mehr und mehr an Bedeutung gewann, musste er feststellen, dass diese blauen Augen nicht nur in seinen Träumen existierten.

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Ein Hauch von Zimt

 

 

 

Esther, Schwesterherz,

das ist für Dich!

____________________________________

 

Aladdin

 

 

 

 

 

 

 

 

            

 

 

 

Herausgeber: FoxArt Verlag

Postfach 43, 90560 Markt Heroldsberg,

[email protected]

 

© 2019 Melisande Arven

Alle Rechte vorbehalten.

 

 

 

Kapitelverzeichnis:

 

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Epilog

 

Aus den Orakelschriften des Lilienhauses:

 

Eine,

die mit den Himmelaugen,

wird Glück und Wohlstand bringen.

Ihre Anmut entspringt ihrer Seele,

doch hüte man sich vor ihrem wachen Geist,

der schärfer ist als ein zweischneidiges Schwert

und ihrem Blick, der die Geheimnisse jenseits

dieser Welt durchdringt.

 

 

Ihr Name sei: Nazira

Drei Männer bahnten sich ihren Weg durch die überfüllte Straße. Sie hatten es nicht eilig, aber sie schienen dennoch ein Ziel zu haben. Sie waren in weite Gewänder gehüllt und jeder von ihnen trug einen Lederbeutel um die Schulter und hatte einen Stab in der Hand.

Ihre Sandalen waren über und über voller Staub und Sand, sodass das Leder fast nicht von der Haut zu unterscheiden war. Seite an Seite schritten sie die Straße entlang. Sie sprachen wenig. Sie waren erschöpft.       

Doch plötzlich wurde der Mann der ganz rechts ging, herum gerissen. An seinem Brustbeutel hing ein zappelndes Gewicht, welches sich eigentlich davon machen wollte, aber stolperte und der Länge nach auf den Boden schlug.

Der große Mann reagierte trotz seiner Müdigkeit schnell. Er packte das dreckige ‚Gewicht‘ zu seinen Füßen und zog es nach oben. Zwei trotzige Augen blitzten ihm entgegen.

„Na, mein Kleiner, das muss wehgetan haben.“ Der Reisende lächelte breit. Seine Worte hatten Akzent.

Der schmutzige Junge in seinem Griff starrte ihm bissig ins Gesicht. Der Reisende zog väterlich an dem kleinen Ohr.

„Wenn du Hunger hast, dann komm mit uns! Wir haben mehr als nur ein bisschen Brot und Münzen.“

Kapitel 1

 

 

Das Kaiserreich Partas lag im Süden am Fuße der roten Berge, ein Land wie ein pulsierender, lüsterner Blutsauger, das sich seit Jahrhunderten nicht mit den eigenen Grenzen zufrieden gab.

Ein Großteil der Länder rund um das Roverische Meer war durch militärische Kunst und unsagbare Brutalität von den Parta unterworfen worden.

Unter dieser Herrschaft wurden Königreiche in Provinzen verwandelt, die es galt wie Kühe zu melken. Darunter befand sich das Land Nechoda am Rande der Wüste Isuan. So wie das Blut vieler Opfer in seine Erde gesickert war, konnte sich das unterworfene Reich nicht dem Geist seiner Besatzer entziehen, der sich wie ein schwarzer Schatten über das Land legte und die Herzen der Menschen veränderte.

Misstrauen, Eigennutz, Lüge und Intrigen keimten in den Städten wie ein Geschwür. Die Parta verehrten unheimliche und grausame Kriegsgötter, die Menschenopfer verlangten und keine andere Religion neben der ihren wurde in den Provinzen geduldet.

Die einst freie Welt an den Küsten des Meeres huldigte dem partaischen Kaiser wie ein willenloser, gepeitschter Sklave, nahm wie gelähmt ungekannte Grausamkeiten hin und klatschte in seiner Angst auch noch Beifall.

Dieser Lebensweise müde blühte neues und längst vergessenes Gedankengut wie eine seltene Blume in den Herzen einiger Menschen auf. Sie schlossen sich in Gemeinschaften zusammen, teilten ihr Gut und unterstützten einander wie Großfamilien in Achtung und Liebe. Die Moral, das Wohl anderer über sein eigenes zu stellen und jemandem mit Güte zu begegnen, auch wenn daraus ein Nachteil entstand, war dem partaischen Volk so willkommen wie eine Klapperschlange im eigenen Bett.

Man nannte diese Querschläger spöttisch Gutmenschen und später änderte man ihre Bezeichnung in ein Wort, das ihr Todesurteil unterschrieb, wenn sie sich als solche entlarven ließen:

-Vergeber-

Die Großstädte tobten, Partas tobte.

Wer Macht hatte, sah in der unbegreiflichen Lebensweise und in der Kompromisslosigkeit dieser Gesinnung eine Bedrohung. Die Beharrlichkeit der Vergeber wurde als Volksverhetzung und Halsstarrigkeit ausgelegt und doch folgten immer mehr Menschen den Geboten, selbst Feinden die Tür zu öffnen.

Aufgrund von Verfolgung verließen Ströme von Flüchtlingen die Städte und trugen ihre Botschaft durch die Länder. Unbeschreibliche Gräueltaten wurden verübt, Menschen um Land und Leben gebracht.

Hier in Naippa, der Hauptstadt von Nechoda, ging es so zu wie überall in den partaischen Provinzen. Die Stadt lag am Fuß des Vulkanes Bun, der die Landschaft prägte und regelmäßig in Asche hüllte. Naippa selbst war im Norden von Salzseen und Sümpfen umgeben und die Parta hielten die Bevölkerung an, diese in Akkordarbeit zu drainieren.

Das Augenmerk der Besatzer lag wegen des immensen Reichtums der Hauptstadt auf der Region, durch welche die größte Handelsstraße lief und den Osten mit dem Westen verband.

Die Metropole Naippa schloss ihre Tore nicht, bis die Sonne sich neigte und bot für Reisende den bestmöglichsten Komfort. Bequeme Herbergen, beheizte Bäder, Trinkhäuser, Theater, Wechselstuben und Bordelle. Naippa war eine Stadt, die man immer wieder besuchte, wenn man die Möglichkeit dazu hatte.

Der emsige Strom von Menschen, der sich durch die Straßen schlängelte, brach nur in der Mittagshitze und während der Sperrstunde ab.

Die Händler und Bauern hatten ihre Buden seit neuestem in das östliche Viertel gezwängt, seit die Parta ihre Wasserspeicher im Süden der Stadt bauten. Die Haupteingänge und die Tore waren voll gestopfter denn je, weil ganze Kolonnen von Steintransporten unbedingt ihre Lieferungen pünktlich auf die Baustellen schaffen mussten. Trotzdem wurde genauso schön gebrüllt wie damals im Süden und Kaufen, Klauen, Streiten und Tratschen konnte man hier bestens.

Hiko bahnte sich stur den Weg durch das Gedränge und sah weder nach links noch nach rechts. Wer ihm entgegen kam zwang sich an ihm vorbei oder rumpelte gegen seinen Bauch. Hiko ging trotzdem unbeirrt weiter. Er ließ sich Zeit, hatte aber trotzdem ein Ziel. Ganz der Kenner sämtlicher Gassen und ohne Furcht sich in dem heillosen Gewirr zu verlieren traute er sich in das enge Labyrinth hinein. Ein Haus sah aus wie das andere.

Die Sonne kletterte den Himmel hinauf und ließ jede Behausung in einem gelblich weißen Ton erstrahlen, der fast den Dreck auf den Straßen vergessen ließ. Hiko stieg kleine Treppen auf und ab, lief durch Rinnsale, die quer über die Straße sabberten und steckte weiterhin Bauchhiebe ein. Manchmal wollte er aber doch pflichtvergessen stehenbleiben, um ein bisschen von herabhängenden Palmzweigen oder Feigenästen zu naschen.

Doch der drahtige Junge auf seinem Rücken zeigte ihm mit einem Schenkeldruck schon, wo es lang ging. Er hatte die Hände nicht frei. Ein Dutzend kleine Amphoren hielt er umschlungen und auch am derben Sattel hingen Behälter und Körbe, die mit allerlei Zeugs vollgestopft waren.

Hiko nahm seinen Weg wieder auf und schaukelte weiter. Der Junge saß sicher wie ein kleiner König auf dem treuen Esel, als hätte er nie etwas anderes getan. Seine huschenden wachen Augen schienen jede Kleinigkeit der Umgebung abzuschätzen. Er war interessiert an allen Gesichtern, die ihm entgegen kamen, jede Veränderung in den Straßen schien er sich genau zu merken. Und doch bewegten sich nur die schwarzen Pupillen.

Ansonsten saß der Junge stocksteif, seine Fracht eng umschlungen. Er trug ein dunkles Gewand und hatte das ganze Gesicht mit einem Tuch umhüllt, so dass nur die Augen herausschauten. Seine Hände waren braun, groß und sichtlich an harte Arbeit gewöhnt.

Er ließ Hiko noch ein paar Häuserfronten weiter wackeln, dann befahl er dem Tier stehen zu bleiben. Der Junge streckte den Fuß aus und trommelte gegen die Holztür, sprang ab und balancierte die Amphoren mit einiger Anstrengung zwischen den Ellenbogen.

„Wer ist da?“, meldete sich eine weibliche Stimme hinter dem Tor.

„Addin“, brummte der Junge und stupste Hikos Nase mit dem Knie an, damit er sich nicht schon wieder auf den Weg zur nahen Palme machte. „Mach auf, verdammt nochmal, es ist heiß hier draußen.“

„Fluche wiederholt auf diese Weise und du bleibst draußen bis du zu Asche verbrannt bist, das verspreche ich dir, Bürschlein.“ Das Holztörchen knirschte und öffnete sich schließlich. Eine kräftige Person hinter dichtem Schleier erschien und packte sofort mit ihren kräftigen Armen nach der teuren Fracht.

„Du hättest Rahib mitnehmen sollen! Er hätte dir tragen helfen können“, meinte die Frau.

„Ach nee, er hat mit dem Geschäft zu tun. Ich werde mich doch nicht mit seiner Mutter anlegen“, erwiderte Addin und schob den Esel in den Hof.

„Gibt es Neuigkeiten?“ Die Frau ging dicht vor ihm, ihr langer Umhang schleifte über den Lehmboden.

„Ja.“ Addin hob den Sattel samt den daran hängenden Kostbarkeiten von dem Lasttier.

Sie befanden sich im Hof eines kleinen Anwesens, das wie fast alle Gebäude ineinander geschachtelt irgendwie in diese Straße hinein gebaut worden war. Mehrere weiße Würfel mit Fensterschlitzen, Flachdächern und Holzarkaden waren auf engstem Raum wie ein U angeordnet. Palmen und andere wilde Sträucher hatten tatsächlich Platz zum Wachsen gefunden. Es roch nach Gewürzen, Mokka und Tieren. Rote Tücher wehten auf einer Leine zwischen den Mauern.

Ein Stallbursche kam angespurtet und nahm den Esel bei den Zügeln. Er grinste Addin an. Dieser erwiderte dieses Zähneblecken, aber es war hinter dem schwarzen Tuch nicht zu sehen. Die Frau drehte sich nach ihrer Frage zu dem Ankömmling.

„Du solltest endlich lernen nicht so einsilbig zu sein, Addin! Es ist ermüdend dir alles aus der Nase ziehen zu müssen.“

Addin erwiderte nichts. Er folgte nur der Frau, die sich wieder in Bewegung setzte. Sie gingen in das Hauptgebäude. Dort war es kühl und schummrig. Ein paar Mädchen schleppten Kübel vorbei. Addin versuchte wegen ihres Gegackers nicht genervt die Augen zu verdrehen.

„Wo sind die Gäste?“, fragte er.

„Auf dem Dach unter dem Sonnensegel. Halt!“ Gala schnappte ihn am Kragen. „Erst trägst du mir die Sachen in die Küche, bevor du zu ihnen rennst!“

Addin gehorchte ohne Widerworte knurrend.

„Hast du alles bekommen?“, fragte Gala.

„Ja, Wein, Brote und Rosinen so viel du willst. Kann ich jetzt gehen?“

„Noch eines!“ Gala hob den Zeigefinger. „Du machst dich, mein Kleiner. Aber neben Lukei, dem Arzt, sind auch noch Silan und Tilan hier. Ich will, nein, verlange, dass du dich so gut benimmst, wie du kannst, verstanden?“

„Ja doch!“ Addin machte keinen Hehl mehr aus deiner Ungeduld.

„Dann spring hinauf!“

Schon war Addin verschwunden. Im Laufen riss er sich das Tuch vom Kopf. Ein langer, schwarzer Haarschopf kam zum Vorschein. Nass vom Schweiß klebten ihm die Strähnen am Hals und an der Stirn. Sein Gesicht war dreckverschmiert und er zeigte ein breites ungesehenes Grinsen, weil Gala ihn nicht zum Waschen gezwungen hatte.

Keinen Augenblick später stand er auf dem Dach in der prallen Sonne, immer noch mit dem meterlangen Tuch kämpfend und wurde von den Männern bemerkt.

„Addin!“ Silan, der Älteste von ihnen saß unter dem Sonnensegel und streckte den Arm in seine Richtung aus.

Er hatte seine blaue Tunika neben sich gelegt und saß wie die anderen Herren nur im Untergewand da. Addin warf den schwarzen Stoff hinter sich, ergriff die dargebotene Hand des Mannes und begrüßte ihn respektvoll mit dem Bruderkuss. Silan war ein sehr gebildeter und ernster Mensch, der schon in jedem Winkel der Welt gewesen zu sein schien. Addin würde ihm niemals eine Antwort versagen, wenn er ihn etwas fragte.

„Setz dich her! Ich glaube, du brauchst unbedingt was zu trinken. Bist ganz schön durchgeschwitzt.“

„Riecht man’s?“ fragte Addin worauf alle zu lachen anfingen.

Silan füllte einen Becher mit Wasser, während sich Addin setzte und von den Datteln naschte.

„Gibt es Neuigkeiten?“, fragte Lukei, der Arzt, während Addin den Becher nahm und nickte.

„Es hat sich bestätigt. Der neue Statthalter wird Anfang Herbst erwartet. Es heißt, dass er vorher in der Gegend von Ebaul im Amt gewesen sein soll.“

Silan tauschte einen Blick mit seinem Bruder Tilan, der neben Addin saß. Der trug einen gepflegten schwarzen Bart und sein Alter ließ sich in keinem Fall schätzen. Er war Addin von allen am liebsten, weil er so viel lachte.

„Sollte uns nicht überraschen“, kommentierte er den besorgten Blick.

„Nein“, knurrte Silan und kraulte sich im Nacken. Immer wenn er das tat, schwieg er für eine ganze Weile.

„Ist der Mann euch bekannt?“, fragte Addin.

„Persönlich zum Glück nicht.“ Tilan lächelte bitter. „Aber in Ebaul sind wir schon gewesen. Dort lebt es sich nicht gut dank der harten Hand der Obrigkeit.“

„Wo lebt es sich schon gut?“, nuschelte Addin frech, während er sich noch mehr Datteln in den Mund steckte.

„Dein Hang zur Nüchternheit lässt einen vergessen wie alt du bist“, schnaubte Lukei.

„Lasst mich lieber wissen, ob ich euch helfen kann! Silan hat doch gesagt, dass wir aus Naippa abhauen sollten, ehe der neue Statthalter kommt.“ Er sah Silan an. „Wolltest du nicht deswegen die berühmteste Frau aus dem Turm der Blüten anheuern?“

„Das war nur eine Idee. Wir könnten uns nicht mal eine halbe Stunde mit dieser Dame leisten“, seufzte der Mann. „Nicht einmal, wenn wir ihre Dienste gar nicht in Anspruch nehmen wollten.“

„Solltest du wirklich mit dem Jungen diese Art von Gespräch führen?“ Lukei schüttelte den Kopf.

„Keine Sorge, ich weiß doch, dass die Frauen aus dem Turm der Blüten Huren sind“, sagte Addin unverblümt und zwang sich, nicht zu grinsen.

„Und wieder hörst du dich an wie ein Veteran.“ Der Arzt ließ die Schultern hängen. „Kinder dürfen in dieser Zeit einfach nicht normal sein, scheint mir.“

„Bis zum Herbst dauert es noch eine Weile“, mischte sich Tilan ein.“Lasst uns nicht klein beigeben! Uns fällt schon etwas ein.“

„Ich dachte, die Eunuchen aus dem Turm würden den Kontakt zu der Frau herstellen. Wie war noch ihr Name?“

„Nazira. Und die Eunuchen können uns nicht helfen.“

„Warum?“ Addin verschränkte hartnäckig die Arme.

Jetzt benahm er sich kindlich und neugierig und er sah, dass Lukei anfing zu lächeln. Deshalb bekam er aber auch keine erwachsene Antwort sondern Tilan wuschelte ihm durch die schwarzen Haare.

„Wer hat die Sachen für das Abendessen besorgt?“

„Ich.“ Addin trank seinen Becher leer. „Auf dem Rückweg.“

„Du bist manchmal eben doch ein braver Junge!“ lobte Tilan.

Addin zog grummelnd die Schultern an. Er mochte es, wenn diese gebildeten Herren ihn in ihrem Kreis duldeten. Aber es machte ihn auch seltsam verlegen. Er sah zur Residenz des Stadthalters hinüber, welche in der flimmernden Luft wie ein Traumgebilde wirkte.

Der Herr dieses Prunkbaus war ein dicker, arbeitsscheuer Parta, der nur in das Treiben der Bevölkerung eingreifen würde, wenn das Essen auf seiner Tafel ausblieb. Bisher war die Gemeinschaft, welcher Silan vorstand, nicht mehr in Gefahr gewesen als Anhänger derselben Gesinnung in anderen Gegenden. Verachtung, Hass und Verfolgung waren allgegenwärtig.

Addin kannte Leid seit frühester Kindheit. Über die Jahre war er abgestumpft und es hatte ihm nichts mehr ausgemacht, andere in Not zu sehen und schon gar nicht hätte er einen Finger für sie krumm gemacht. Bis er die Brüder Silan und Tilan kennengelernt hatte.

Eigentlich wollte er die Hände über die Ohren pressen, wenn die Männer sich über wachsende Bedrohungen unterhielten. Er gab es nicht gerne zu, aber er würde es nicht ertragen, wenn seinen Mentoren etwas zustoßen würde.

Seufzend legte er sich unter das Sonnensegel. Er war müde und schirmte die Augen mit seinem Arm ab. Der heiße Wind bauschte den Stoff über ihm und ließ die Sonnenstrahlen tanzen. Addin hörte, dass Gala irgendetwas in den Hof rief. Seine Lider wurden immer schwerer. Die Gesprächsfetzen der Männer neben ihm rissen ab. Er schlief ein.

 

Die Farbe war ihm so vertraut. Dieses Schimmern und das Funkeln. Auch das Gefühl, das sie ihm vermittelten, war vertraut und doch befremdlich. Sie sahen ihn und sahen ihn nicht.

Diese Augen!

Diese unergründlichen, wachen, klaren Augen.

Wie blaues Glas, hinter dem Geheimnisse lagen, vor denen er sich fast fürchtete und von denen er unbedingt wissen wollte.

 

Addin träumte oft von ihnen. Er wusste nicht, warum das so war oder was das bedeuten könnte. Er kannte niemanden, der so einen stechenden Blick hatte, der an die Farbe des Himmels erinnerte. Doch der Traum kehrte immer wieder und wenn Addin erwachte, hatte er manchmal das Verlangen, zu weinen.

      Jade rupfte sich den dünnen Schleier vom Haar. Dabei sprangen etliche Nadeln aus ihrer Frisur und landeten mit leisem Klirren auf dem Boden.

Jade beachtete es nicht. Sie sank auf einen Korbstuhl und wischte sich die Stirn mit dem Handrücken trocken.

„Verflucht sei diese Hitze!“, brummte sie leise.

Ihr stand das Wasser zwischen den Fingern und den Zehen. Die Schweißperlen rannen langsam und kitzelnd den Bauch hinunter. Jade schloss die Augen.

Im Garten sangen immer noch die Mädchen unter den Mandelbäumen. Eine einfache und heitere Melodie. Aber sie schmerzte Jade fast in den Ohren. Sie lehnte sich gegen die geschwungene Rückenlehne des Stuhles. Ihr Atem ging stoßweise und kam ihr selbst wie kochend heißer Dampf vor, der ihren Lungen nur mit Mühe entwich.

Jade öffnete die Augenlider gerade so weit, dass sie ihre Haarnadeln auf dem Boden schimmern sah. Sie schlüpfte aus ihren Pantoffeln und drückte die Fußsohle gegen den kühlen Boden.

Warum fühlte sie sich so krank?

Jade zurrte sich die Kordeln ihrer kurzen Jacke auf und riss sich das Kleidungsstück vom Körper. Kleine rote Fusseln vom Stoff klebten an ihrer nassen Haut. Trotz ihrer unerklärlichen Schwäche machte sie sich die Mühe, mit spitzen Fingern die kleinen Dinger abzupicken.

Vielleicht wäre es keine schlechte Idee ein Bad zu nehmen. Jade strich sich über die Arme. Sie fühlten sich glitschig an. Schließlich stemmte sie sich an der Stuhllehne nach oben.

Ein Windstoß erfasste soeben die leichten Vorhänge und blähte sie auf, aber die Bö erreichte nicht Jades geplagte Haut.

Seufzend tunkte sie die Finger in den Wasserbehälter, der auf dem Tisch in der Nähe stand und sprengte kleine Tropfen in ihren Nacken und die Armbeugen. Sie hörte, dass die Mädchen aus dem Garten kamen. Ihr Lachen klang so weit weg, als käme es aus einem Tunnel.

Jades Beine wurden taub. Sie spürte, dass ihr schweres Haar an ihren Schulterblättern klebte. Sie spürte den schwachen Windhauch durch die Tür.

Aber den Sturz bemerkte sie nicht mehr. Wie ein Stein fiel sie auf den Fußboden.

Kurz nach Mitternacht war die Versammlung beendet und der Hof leerte sich. Addin brauchte sich nicht die Mühe zu machen, die Esel wieder in den Stall zu führen. Sie waren schon so zickig geworden, weil man sie nicht an ihr Futter ließ, dass sie von selbst in den Stall liefen.

Ein Junge winkte Addin an der Tür und half einer Frau, die sich schwer auf ihn stützte. Addin wedelte grüßend mit dem Arm und schnitt eine Grimasse. Sein Freund Rahib hatte nicht viel Zeit, mit ihm um die Häuser zu ziehen. Seit der Vater gestorben war, brauchte ihn seine Mutter umso mehr und ihr krankes Bein schien mit jedem Tag schmerzhafter zu werden. Addin nahm sich vor, am nächsten Tag bei ihrem Geschäft vorbeizuschauen.

Während die Tiere versorgt wurden, rief Silan nach ihm.

„Geh und hilf dem Orangenhändler, Junge! Er hat uns wieder viel zu viel mitgebracht.“

Der Orangenhändler war ein Mann, der immer verlockende Köstlichkeiten auftreiben konnte. Als Addin auf dessen hochgewachsene Gestalt zueilte, wunderte er sich einmal mehr, warum ihm dieser Name immer noch anhing, denn er verkaufte schon seit zehn Jahren keine Zitrusfrüchte mehr. In seinem Laden konnte man überhaupt nichts Essbares erwerben. Er handelte mit Edelsteinen und Stoffen und war ein wohlhabender Unternehmer mit vielen Besitztümern. Und trotzdem redete jeder von ihm nur als von dem Orangenhändler.

Addin rief ihn an und der reiche Händler drehte sich um. Seine Art sich zu bewegen erinnerte Addin immer an einen Soldaten. Er hatte eine gewisse Körperspannung und neigte stets erst leicht den Kopf, wenn er angesprochen wurde, bevor er sich komplett seinem Gegenüber zuwandte. Sonst machte der Mann einen ungefährlichen, fast dummen Eindruck auf Addin. Er war freundlich und mit wenigen Worten leicht zu überreden, sich aus seinem Geldbeutel Münzen abschwatzen zu lassen.

Obwohl Addin sich allmählich an die Großzügigkeit der Gemeinschaft gewöhnte, fand er diese Einstellung immer noch bekloppt. Schließlich hatte der Orangenhändler für seinen Wohlstand hart gearbeitet.

Doch Galas Haus war dankbar für die Gaben, welche der Händler regelmäßig spendete. Heute hatte er Feigen und sogar Fleisch gebracht.

„Für euch Jungen habe ich auch was Besonderes. Hier, nimm! Das sind Honigwaben!“ Der Orangenhändler wuschelte Addin lachend durch die Haare.

Während dieser seinen Schopf wieder glatt strich, fiel sein Blick auf eine Ledermappe, die sich der Mann unter den Arm geklemmt hatte. Addin konnte nichts daran ändern, dass er immer erschnüffelte, wenn Sachen einen Wert hatten oder Leute an Gegenständen hingen, durch die sie erpressbar waren. Er reagierte instinktiv darauf und durchschaute schnell die Schwächen seines Gegenübers. So hatte er auf der Straße überlebt und in einem Haufen voll tugendhafter Menschen plagte ihn ein nicht gerade kleiner Gewissenskonflikt. Vor allem, weil Silan ein ebenso scharfes Gespür dafür hatte, wenn Addin wieder auf Abwegen war und seine Finger schneller reagierten als sein Verstand.

Den Orangenhändler kümmerte beides nicht. Er hatte Addins Blick bemerkt und reichte ihm die Mappe.

„Das war eigentlich für Silan. Aber er kann es jetzt nicht mehr gebrauchen.“

Zum ersten Mal, seit er ihn kannte, sah der Mann wirklich niedergeschlagen aus.

„Darf ich fragen, was drin ist?“

„Nun, im Grunde ist es kein Geheimnis. Es sind die Pläne vom Lilienhaus und dem Turm der Blüten.“

Addin wog den Ledereinband in der Hand. Schwer war er nicht.

„Wenn sie keiner mehr braucht, darf ich sie behalten?“

„Was willst du denn damit anfangen?“

„Weiß ich noch nicht. Aber kann ich sie haben?“

Der Orangenhändler überlegte einen Moment. Dann nickte er.

„Nimm sie! Es schadet keinem, wenn du sie hast.“

Addin grinste, vergaß sich zu bedanken und schwänzelte Honigwaben schmausend in Silans Studierzimmer.

„Setz dich, Addin! Ich will nur Licht machen. Dann können wir noch etwas plaudern“, rief sein Mentor und hantierte am Schreibtisch herum.

Addin zog eine Grimasse. Er wollte jetzt nicht über belanglose Dinge reden.

Demonstrativ rollte er die Pläne vor sich aus.

„Der Grundriss des Turms ist größer als ich dachte. Von außen sieht man das gar nicht.“ Silan stellte sich neben Addin und seufzte.

„Scheinbar gibt der Organgenhändler nicht so schnell auf wie ich.“ Er tippte auf die Zeichnung. „Hier ist der Garten, siehst du. Der gesamte Gebäudekomplex umschließt diese Grünanlage. Sie gehört zu der größten Herberge in Naippa. Dem Lilienhaus. Dort ist die Mauer zum Hauptgebäude und dahinter der verbotene Turm der Blüten.“

Addin ließ nachdenklich seinen Blick darüber gehen. Die Aufzeichnungen waren gut nachzuvollziehen, auch wenn er nicht viel vom Plänelesen verstand.

„Man sagt, dieser Garten ist wie von einer Festung umschlossen. Niemand kommt hinein, der das nicht darf. Die Frauen im Turm haben keine Ahnung von dem Leben hier draußen. Man sagt, sie sind elegant, fett und schön. Warum hast du angenommen, diese Nazira würde uns helfen?“ Addin verschränkte die Arme. „Ich meine, du musst dir nur die Eunuchen ansehen! Die sind auch nur aufgeblasene Arsch…“

„Hör mal, Addin!“, seufzte Silan und richtete sich auf. „Die Eunuchen mögen eingebildet und wortkarg sein, aber sie sind treue Mitglieder unserer Gemeinschaft geworden. Ich habe mein ganzes Leben lang darum gekämpft, damit unsere Botschaft dieses Land und die Gesellschaft verändert. In jeden Winkel unserer Welt möchte ich sie tragen. Selbst hinter die dicken Mauern des Lilienhauses hat sie es geschafft und die harten Herzen der Eunuchen berührt.“ Silan tippte Addin auf die Schulter. „Du solltest die Leute nicht immer so forsch verurteilen! Weißt du, was es bedeutet, ein Eunuch zu sein?“

„Klar, denen wurde der...“

„Addin! Das hab ich nicht gemeint! Das sind wieder nur die äußeren Merkmale. Kannst du dir nicht vorstellen, was so eine Prozedur aus einem Mann macht? Was der Schmerz, die traumatische Erfahrung und Demütigung in einem Menschen anrichtet? Der Stolz ist alles, was den Eunuchen geblieben ist. Es ist nicht verwunderlich, dass sie ihn so pflegen.“

Addin zog die Augenbrauen zusammen.

„Es ist nicht gut, sich die Schicksale anderer Menschen aufzuladen. Das macht dich langsam“, brummte er.

Silan musste lachen.

„Wohin, mein kleiner Addin, willst du denn ständig rennen? Mir scheint, nach all der Zeit die du jetzt bei uns bist, hast du dich nicht eine Sekunde entspannt.“ Silan zeigte auf die Pläne. „Dass du die hier angeschleppt hast, ist der beste Beweis dafür, dass du Hummeln im Hintern hast.“

„Ich verstehe ja nicht viel von alledem, aber dass du die Frau aus dem Turm nicht mehr sprechen kannst, kann nur eines bedeuten: die Eunuchen haben dich fallen lassen. Wie kann ich da gut von ihnen denken?“ Addin verzog das Gesicht.

Silan setzte sich auf den Boden und bedeutete Addin es ihm gleichzutun.

„Ich habe den Eunuchen gar nichts von unserem Plan erzählt.“

„Was? Warum?“

„Egal was du von ihnen hältst, der Eunuch Mor hat mir schon vor Wochen eine Warnung geschickt. Er kann den Turm der Blüten nicht mehr einfach so verlassen. Und Dakar und Roschen auch nicht. Den Grund hat er mir nicht genannt, aber anscheinend haben sie Aufmerksamkeit erregt. Du weißt, was das bedeutet. Ich kann verstehen, dass sie sich schützen wollen. Das ist nur menschlich. Wir tun im Grunde das gleiche. Wir halten uns bedeckt! Mehr als sonst, weil wir müssen. Du weißt, in unserer Gemeinschaft gibt es viele Frauen und viele kleine Kinder. Nicht auszudenken, wenn…“ Silan kratzte sich im Nacken.

Addin nickte. Er starrte wie gebannt auf die Pläne. Irgendetwas in seinem Bauch schmerzte. Dieses Gefühl kannte er erst, seit Tilan ihn hier aufgenommen hatte. Addin mochte dieses quälende Ziehen nicht, aber es veranlasste ihn, sich zu wünschen, dass Silan nicht so viele Sorgen hätte.

„Was auch passiert, du kannst dich auf mich verlassen“, sagte er leise.

„Ich weiß, du umtriebiger kleiner Strolch.“ Silan gab ihm eine Lampe. „Geh jetzt schlafen!“

Addin faltete die Pläne zusammen und warf dabei einen letzten Blick auf den Turm.

„Silan?“

„Hmm?“

„Diese Frau? Diese Nazira? Warum hast du geglaubt, dass sie uns nützlich sein könnte?“

Silan schien bei der Frage einzusinken. Doch er straffte sich wieder und sah aus dem Fenster hinaus in die Nacht.

„Es gibt einen Kaufmann mit dem Namen Decin Vocon. Ich bin ihm vor einigen Jahren begegnet. Naja, eigentlich sind es schon Jahrzehnte. Er war schon damals gerissen und tüchtig gewesen. Heute ist er gerissen, tüchtig und reich. Er kommt jedes Jahr nach Naippa und steigt im Lilienhaus ab.“ Silan richtete den Blick auf Addin. „Er ist ein sehr, sehr seltsamer Mensch. Man sagt von ihm, er ist krank gewesen und lässt niemanden mehr zu sich. Die Kommunikation mit seinen Angestellten und Geschäftspartnern läuft nur über seinen Leibdiener. Es heißt, er kriegt Anfälle und Panikattacken wenn ihm andere Menschen zu nahe kommen. Aber…!“ Silan reckte den Zeigefinger in die Höhe. „Was Nazira angeht…“

„Lass mich raten, gegen ihre Gesellschaft hat er nichts.“ Addin verdrehte die Augen und Silan seufzte, weil er bestimmt an Lukei dachte, der Addins verlorene Naivität bedauerte.

„Renn doch einfach ins Lilienhaus rein, wenn dieser Kaufmann Decin soundso da ist und tritt seine Tür ein!“, schlug Addin vor.

„Das sollte ich lieber nicht versuchen, wenn ich unsere Gemeinschaft beschützen will“, sagte Silan sanft. „Schon gar nicht, wenn ich einen Gefallen von Decin Vocon erbitten möchte.“

„Mal angenommen, er würde dir zuhören, was soll er denn tun?“

„Wenn ich die Familien unserer Gemeinschaft in Sicherheit bringen will, ist es nicht damit getan, sie einfach aus Naippa rauszubringen. Sollte es uns also gestattet sein die Stadt zu verlassen, wartet das wilde Sumpfland auf uns und die Höhlen, in denen es von Räubern wimmelt. Ohne Schutz würden die Frauen und Kinder keinen Tag dort überleben. Decin Vocon allerdings reist mit einer überaus gut bewachten Karawane, denn er hat eine Menge Güter zu schützen.“

Addin schnippte mit den Fingern.      

„Du willst unsere Leute als Sklaven getarnt mit der Karawane aus Naippa schmuggeln!“

„Das wollte ich.“ Silan drückte Addins schnippende Hand nach unten. Sein Mund war ein grimmiger Strich und Addin hatte schon Angst, er würde wieder unangenehm schweigsam werden. „Wir haben nichts, das wir Vocon anbieten können, uns diesen Gefallen zu tun. Warum sollte er? Nur weil wir uns vor Jahren einmal begegnet sind und ein paar Gläser Mokka zusammen getrunken haben? Es war lediglich eine dumme Idee und nur der Orangenhändler war erstaunlich enthusiastisch deswegen.“

„Naaa gut.“ Addin befreite seine Hand. „Wie lautet deine nächste Idee?“

Silan schüttelte den Kopf und damit war er jetzt wirklich schweigsam geworden.

Addin starrte auf seinen Haaransatz und dachte sich, dass es möglich wäre, ihn und Silan und vielleicht noch den Arzt und Gala irgendwo sicher unterzubringen. Er kannte in Naippa viele versteckte Ecken. Aber eine ganze Gemeinschaft mit wuselnden, schreienden Kleinkindern? Das war unmöglich.

Außerdem war es nicht unbedingt Silans Stärke, verborgen und unauffällig zu sein. Er musste ständig von seinen Überzeugungen reden und versuchte andere zu ermutigen sich nicht dem Hass der Parta zu ergeben. Er hielt sich nur in letzter Zeit zurück, um die Familien zu beschützen. Aber Addin sah, dass er sehr darunter litt.

„Darf ich noch was fragen, Silan?“

„Sicher.“

„Du sagst immer, dass Gott jedem Gaben gegeben hat. Meine ist es, überall lautlos hinzukommen und alles beschaffen zu können was ich will.“

„Das ist manchmal so nützlich wie auch bedenklich“, lachte Silan. „Aber warum erwähnst du das?“

„Ich frage mich nur, ob es einen Grund gibt, dass ich zu eurer Gemeinschaft gekommen bin. Zuvor war ich niemals zu etwas nütze.“

„Addin, du warst mutterseelenallein und ausgehungert. Wir haben dich nicht in unserer Mitte willkommen geheißen, weil wir uns daraus einen Vorteil versprechen.“

Addin schaffte es zu grinsen, um seine wahren Gedanken zu verbergen. Ihm wurde mehr und mehr klar, wie sehr er an diesen seltsamen Menschen hing. Er würde sich für sie wahrscheinlich in Stücke reißen lassen. Er krallte seine Finger um die Pläne und sein Entschluss wuchs mit jedem Herzschlag mehr. Es war Zeit, dass er wieder zu einem flinken Schatten wurde. Er war im vergangenen Jahr, das er in Galas Haus verbracht hatte eingerostet und faul geworden. Es wurde höchste Zeit, diesen Umstand zu ändern, fand Addin.

      Rahib klopfte Addin auf den Rücken und zeigte vorsichtig in die dunkle Straße. Addin nickte, obwohl er den Schatten schon gesehen hatte, ehe der sich traute aus seiner Nische zu lugen. Rahib wollte gerade neben ihn auf den Sims klettern, doch Addin hob schnell warnend die Hand und sein Freund duckte sich sofort.

„Ist da noch einer?“ flüsterte er.

„Nein. Bis jetzt sehe ich nur einen“, raunte Addin zurück. „Aber er wird bald seinen Standort wechseln.“

„Sie haben uns also doch wieder gefunden“, meinte Rahib enttäuscht.

„Eins muss man ihnen lassen…“ Addin bettete sein Kinn auf den Armen. „Sie sind gut in dem, was sie tun.“

„Das Lob kannst du dir sonst wohin stecken. Ich wünschte, sie wären die letzten Stümper!“ Rahib legte sich flach auf den Boden. „Mutter würde es niemals schaffen zu rennen, wenn es drauf ankommt. Und eines Tages wird es das, das weißt du genau.“

Addin drehte sich zu dem Jungen um. Rahibs langes Haar kräuselte sich im Mondlicht auf dem Steinboden wie kleine schwarze Schlangen. Addin war nicht mehr alleine, seit er Silan und Tilan getroffen hatte. Die Gemeinschaft war zu seinem Zuhause geworden. Trotzdem gab es wenige, die er als seine Freunde bezeichnete.

Doch dieser schmächtige Kerl auf dem Boden war genauso zäh und frech wie er. Rahib sagte immer, was er dachte und scherte sich nicht um die Meinung anderer. In seiner Nähe fühlte sich Addin wohl. Rahib war einer der wenigen, dessen Gefühle und Ängste er zu verstehen versuchte.

Addin richtete sich ein wenig auf.

„Wollen wir ihn ein bisschen ärgern?“

Rahib rollte sich herum.

„Willst du ihn mit Steinen bewerfen?“

„Nee, das wäre zu auffällig.“

„Was dann?“ Rahib begann zu grinsen.

„Sieh zu und lerne!“ Addin drückte sich lautlos vom Sims weg und huschte ins Haus hinunter.

Es rührte sich nichts mehr in den Räumen. Selbst Gala schien im Bett zu liegen. Addin lief in die Küche, fischte ein großes Stück Lammfleisch aus dem Fass, welches die Mädchen am Abend mit Salz gefüllt hatten. Addin schlug es in ein Tuch ein und wusch sich die Hände. Dann ging er auf das Flachdach zurück und sprang ohne Vorwarnung auf das von der Straßenseite abgewandte Nachbarhaus.

Wie ein Geist hopste er gekonnt über Mauervorsprünge und Klüften zwischen den Gebäuden. Der ungebetene Gast in der Straße stand fünfzig Schritte von Galas Haus entfernt in einem Eck, das von einer Zeder beschirmt wurde. Die Krone des Baumes wies Addin die Richtung, während er sich geräuschlos über Umwege näherte und schließlich direkt hinter dem Versteck des Mannes die Straße erreichte.

Addin streckte den Kopf über den Rand des Daches und vergewisserte sich, dass der Spitzel immer noch da stand. Wie viel Geld musste Hauptmann Norba diesem Pack zahlen, dass es auf sich nahm, stundenlang an einer Stelle zu verharren? Für heute Nacht würde das Addin auf jeden Fall ändern.

Er glitt geschmeidig wie eine Katze über den Rand, hielt sich mit einer Hand fest, stieß sich mit der anderen an der Hauswand ab und gab sich damit genug Schub, um rückwärts auf dem kleinen Balkon zu landen, ohne sich die Nase an der porösen Fassade aufzureißen. Vom Balkon aus war es ein Leichtes für ihn auf die schmale Straße hinunter zu springen und sich sofort im Schutz des Eingangs zu verbergen.

Der Mann bei der Zeder hatte nicht einen Laut gehört, denn er blieb, wo er war und rührte keinen Finger. Addin zog das Bündel unter seinem Hemd hervor und pirschte sich an die Hauswand gepresst immer näher heran. Das Mondlicht tauchte die Straße in ein blaues Licht und nicht weit entfernt, auf Höhe von Galas Tor, flackerte eine Straßenfackel.

Addin ließ den Spitzel nicht aus den Augen. Er gab auf jede Regung acht. Auf die Haltung seiner Schultern, die Position seiner Arme und Füße. Hätte der Mann etwas gehört, würde er seinen Stand verändern, um für Angriffe die Balance halten zu können und die Hände in die Nähe seiner Waffen bringen, den Kopf leicht neigen, um Geräusche hinter sich besser wahrnehmen zu können. Aber der Vermummte machte keine Anzeichen, dass Addin sich verraten hatte.

Vorsichtig wickelte dieser das Fleisch aus dem Tuch und zog es den Boden entlang. Langsam und sorgfältig, um ja keinen Stein zu lockern und ins Rollen zu bringen. Addin schlich sich bis auf eine Armlänge an den Kleidersaum des nächtlichen Beobachters heran und schob das Fleisch schließlich zwischen dessen Füße. Das war mit Sicherheit ein Wagnis. Der Kerl durfte jetzt bloß keinen Schritt zu Seite machen.

Addin zog schnell die Hand zurück und duckte sich wieder in die unbeleuchtete Straße. Dabei achtete er darauf, dass das Tuch über den Boden schliff. Diesmal hangelte er sich nicht wieder die Fassade hinauf, sondern ging immer weiter die schmale Gasse zurück, bis er ein breites Tor erreicht hatte. Kaum war er dort angekommen, schnaufte es schon unheilvoll hinter dem Holzverschlag und ein warnendes Knurren erklang.

Addin positionierte das Tuch vor dem Tor und klopfte.

„Na los, ihr Köter! Jetzt zeigt, dass ihr hungrig seid!“ Das wilde Gebell setzte ein, als Addin auf den Torpfosten sprang, von oben den Bolzen aus der Tür zog und in Richtung von Galas Anwesen davonrannte. Das Tor platzte auf und zwei riesige schwarze Hunde jagten auf die Straße. Addin flog regelrecht die Straße zurück, nahm Anlauf, sprang auf einen Karren, warf sich von dort gegen einen Mauersims, packte das Balkongeländer, auf dem er vorhin gelandet war und sah die glänzenden Rücken der Wachhunde unter sich vorbei schnellen, immer auf den schwarzen Schatten zuhaltend, der jetzt nicht mehr regungslos an der Zeder lehnte. Seine Schreie gellten durch die Nacht, eilige Schritte hallten in der Gasse wider und die Hunde stritten sich schließlich knurrend um ein bestimmtes Stück Lammfleisch.

Als Addin keuchend bei Rahib auf dem Dach eintraf, war dessen breites Lachen die beste Belohnung für die ganze Mühe. Er kniete sich zu ihm auf den Boden.

„Hör mal, Rahib! Ich muss dir was anvertrauen. Versprich mir, dass du keinem was davon sagst!“

Addin war in Naippa geboren worden. Er kannte die Straßen und Winkel wie seine Westentasche. Niemals war er woanders gewesen und, bis er Silan und seinen Bruder getroffen hatte, hatte er kein einziges Mal den Wunsch gehabt, wegzugehen.

Er drängte sich durch die ihm vertrauten Straßen und fragte sich, ob die großgewachsenen Männer, denen er seit einiger Zeit folgte, den Wunsch hegten von hier wegzukommen. Sie zeigten es nicht, doch sie waren nicht von hier und ihre Heimat lag wahrscheinlich in Trümmern oder war unerreichbar weit weg.

Addin achtete darauf, Abstand zu ihnen zu halten. Verlieren konnte er sie in dem Gedränge nicht. Die hellen Gewänder waren auch auf größere Distanz gut auszumachen und auch wenn die beiden heute Kapuzen trugen und man ihre rasierten Köpfe nicht sehen konnte, stachen sie aus der Menge hervor. Sie gingen langsam und waren sehr wahrscheinlich auf dem Weg zurück zum Turm der Blüten.

Addin bedauerte, dass er in den beiden Eunuchen Dakar und Roschen vor sich hatte. Mor wäre ihm lieber gewesen. Mit dem konnte man einigermaßen umgehen.

Silan wäre bestimmt nicht sehr erfreut, wenn er von Addins Versuchen, etwas aus den Eunuchen herauszukriegen, erfahren würde. Doch Addin war gut darin, Menschen zu lesen. Er wollte die Möglichkeit nicht verstreichen lassen, mit den unnahbaren Schnöseln zu sprechen. Er fing an schneller zu laufen und konnte den hellen Stoff ihrer Gewänder fast berühren, als die Eunuchen den Platz der Sonnen erreicht hatten.

Das Menschengewühl lief dort auseinander und verstreute sich auf den bunten Steinen, die ein Mosaik von vielen kleinen, weißen Himmelskörpern formten. Der Platz bildete das Zentrum des edlen Viertels im Osten der Stadt. Reisende mit gut gefülltem Geldbeutel hielten sich hier auf. Der üppige Eingang des Lilienhauses stach sofort ins Auge und der Strom an Gästen, welche die breiten Treppenstufen zur Herberge hinauf und hinunter stiegen, riss nur zu nachtschlafender Zeit ab.

Addin musste die Eunuchen ansprechen, ehe sie ebenfalls die Treppen erreichten. Er zog sein schwarzes Tuch herunter, welches er immer über Mund und Nase trug, wenn er Galas Anwesen verließ. Sein Gesicht zu verhüllen war eine Angewohnheit aus den Zeiten seines Straßenlebens. Eine stadtbekannte Visage zu haben und zudem noch geschickte Langfinger, war nicht besonders günstig.

Mit zwei großen Schritten überholte Addin den rechten Eunuch und stieß einen leisen Ruf der Überraschung aus.

„Ohh, Roschen und Dakar! Ich habe euch eine Ewigkeit nicht gesehen!“

Wie erwartet löste der Gruß bei den Angesprochenen keinen Freudentaumel aus, aber immerhin blieben sie stehen und neigten die Köpfe.

„Was bringt dich hierher, Addin?“, fragte Roschen, während er seine Kapuze richtete.

Es hätte eine beiläufige Handlung sein können, aber Addin beobachtete ihn genau. Roschen übersah kurz den Platz, ehe er Addin ins Gesicht schaute. Außerdem wirkte er angespannt und auch um den Sitz der Kopfbedeckung kümmerte er sich nur, um sich vor Blicken zu schützen.

„Ich habe Botengänge erledigt“, grinste Addin ungezwungen. „Und ihr? Man sieht euch bei den Versammlungen gar nicht mehr? Habt ihr so viel zu tun?“

„Im Turm sind viele Frauen an einem Fieber erkrankt. Wir haben in der Tat kaum eine freie Minute.“ Dakar machte einen Schritt auf Addin zu. „Vielleicht könntet ihr auch um Heilung für die Frauen bitten. Es ist derzeit schwer, einen guten Arzt zu finden.“

„Wart ihr deswegen unterwegs?“, forschte Addin und stellte fest, dass die Eunuchen keine Taschen trugen. Sie hatten also kein Geld dabei gehabt, um bei einem guten Heilkundigen vorsprechen zu können. „Ich wette, Janus der Krever hütet den Turm zwar wie seinen Augapfel, aber Geld für eine Behandlung wird er erst rausrücken, wenn einer der Frauen der Kopf abfällt, oder?“, mutmaßte Addin frech und machte sich auf eine heftige Reaktion gefasst.

Doch Roschen und Dakar verzogen nur die Münder. Addin hob sich das schwarze Tuch wieder bis unter die Augen.

„Ihr wisst, dass Lukei Arzt ist! Und er ist nicht auf seinen Vorteil aus“, sagte er, ohne den bitteren Ton in seiner Stimme unterdrücken zu können. „Falls ihr euren Stolz runterschluckt und ihn um Hilfe bitten kommt, macht euch die Mühe, ihn, Silan und Tilan nicht noch mehr zu beunruhigen!“

Die Eunuchen trollten sich wortlos davon. Addin sah ihnen düster hinterher. Die Frauen waren also krank. Obwohl sie wie seltene Blumen in ihrem Gefängnis gehalten wurden, waren sie im Grunde nicht mehr als Besitztümer. Janus kümmerte sich nur um sie, weil sie ihm Geld einbrachten. Addin fragte sich, ob die kostbarste und schönste von ihnen auch unter den Kranken war. Würde das den Krever nicht nervös machen, wenn Nazira das Geschäft nicht mehr belebte?

Addin schnalzte abschätzig mit der Zunge. Im Grunde war das egal. Die Frau spielte keine Rolle mehr für die Durchführung seines eigenen Plans. Er verließ sich lieber auf sich selbst. So wie immer.

      Draußen vor den Toren des Lilienhauses galt der sagenumwobene ‚Turm der Blüten‘ als ein Hort der Schönsten der Schönen, unerreichbar für gewöhnliche Bürger ohne schweren Geldbeutel. Eine Quelle für wilde Fantasien und Männerträume.

Ein kurzer Blick hätte genügt, um diese Illusion zu zerstören. Der Turm der Blüten war ein Hühnerstall. Die Hackordnung musste täglich neu geklärt werden, was weniger mit duftenden Blumen als mit blutigen Nasen und wüsten Kratzattacken zu tun hatte. Was blieb den Frauen sonst übrig, wenn die Gunst eines Mannes Geld, bessere Kleidung und Zugang zu Informationen bedeutete? Wenn auch abgeschottet von der Außenwelt, an Neuigkeiten war schon zu kommen und nichts war dem Turm der Blüten lieber, als ein hübscher, kleiner Skandal! Obwohl das Frauenhaus unzählige Zimmer, Gänge, und einen großen Park hatte, glich es dennoch einem Bienenstock, dessen emsige Bewohner niemals zur Ruhe kamen. Kein Raum war hier vom bunten Treiben abgeschottet. Alles war offen und zugänglich.

Man dachte sich Geschichten aus, setzte Gerüchte in die Welt, tat alles um nicht Opfer eines Gerüchtes zu werden und beteiligte sich rege an der Tauschbörse, durch welche Schmuck, Kleidungsstücke und Schuhe fast täglich den Besitzer wechselten. Hier drinnen hatten sich die Frauen ihr eigenes Reich aufgebaut. Männer hatten absolut keinen Zutritt. Die Eunuchen waren die Verbindung zur Außenwelt. Manche waren bestechlich. Manche nicht. Doch jeder von ihnen war zittrig und extrem angespannt, nachdem ein Ausnahmezustand eingetreten war.

Ein Arzt musste kommen!

Er wurde besser bewacht als der Präfekt, wenn er durch die Straßen der Stadt ritt. Jedem seiner Schritte folgten dutzende Augenpaare. Seine Bewegungen ließen die Eunuchen zusammenzucken und die Fäuste ballen.

Jade konnte kaum den Kopf heben. Sie war tief verschleiert und konnte ohnehin schlecht sehen. Ihr Kopf fühlte sich immer noch an wie aufgeblasen.

Plötzlich fühlte sie eine Hand auf der Schulter.

„Jade! Tu was er sagt!“, raunte es neben ihr.

Sie schüttelte sich.

„Was denn?“, lallte Jade und sah zu der Person neben sich auf.

Mor stand bei ihr und tippte leicht gegen ihren Arm.

„Der Arzt muss dir in den Hals sehen können.“

„Hals?“ Jade dehnte das Wort ratlos auseinander.

„Du musst den Schleier heben!“ Da sie ihn nur stumm anschaute, half ihr der Eunuch dabei und tätschelte ihr aufmunternd die Wange.

Mor war ein großer Mann mit schwarzer Haut. So schwarz, dass es manchmal schwer fiel, seine Gesichtszüge zu erkennen. Aber wie Sterne in der Nacht blitzten seine Zähne, wenn er lächelte. Da er es selten tat, war es ein Moment, den Jade liebte.

Der Arzt begutachtete ihren Rachen und Jade versuchte ihm dabei nicht in die Augen zu sehen. Seine Hände erschienen ihr riesig und sein Bartwuchs irritierte sie dermaßen, dass sie wie hypnotisiert darauf starrte. Im Turm hatte niemand Haare im Gesicht!

Jade spürte, dass Mor ihr ein Fläschchen reichte und den Schleier zurück über ihr Gesicht zog. Anscheinend war die Visite vorbei. Der Arzt wurde regelrecht hinaus gescheucht und Jade rollte sich auf das Bett und schnaufte tief durch.

„Trink deine Medizin! Ich werde später nach dir sehen.“

Mor zog den Vorhang zu. Jade schloss die Augen. Sie musste dabei sofort eingeschlafen sein, denn als sie die Lider wieder öffnete, leuchtete die Abendsonne herein.

Müde griff sie nach dem Fläschchen, das auf die Matratze gekullert war.

Schwerfällig richtete sie sich auf und zog ein mürrisches Gesicht. Jeder ihrer Arme schien mehr zu wiegen als ein Felsen. Und sie zitterten. Mor hatte ihr anscheinend die Oberbekleidung ausgezogen. Jade musterte ihren braunen Bauch, auf dem sich Schweißperlen sammelten. Auch den goldenen Ring aus ihrem Nabel hatte der Eunuch entfernt.

Jade stöhnte, ließ sich wieder zurückfallen und öffnete die kleine Flasche. Da war gar nichts zum Trinken drin! Jade kniff ein Auge zu und linste mit dem anderen in den Flaschenhals. Mit dem kleinen Finger ertastete sie einen Gegenstand. Als sie die Flasche umdrehte fielen ein gerollter Zettel, ein versiegeltes Briefchen und ein Ring in ihren Schoß. Neugierig faltete ihn Jade auseinander und begann zu lesen.

„Nazira,

ich weiß, wir wollten unsere Leben leben, wie es das Schicksal uns aufgezwungen hat, ohne damit zu hadern und ohne klein beizugeben. Bitte vergib mir, dass ich dieses Versprechen breche!“

 

Jade hielt zu Tode erschrocken den Atem an. Was sollte das?

Nazira?

Jade schielte auf die Flasche in ihrem Schoß.

Was sollte das? Jades Herzschlag pochte spürbar bis zu ihren Schläfen.

Nazira!!

Wieso war diese Nachricht in ihrem Medizinfläschchen? Jade versteifte die Finger, damit das Schriftstück nicht so wackelte. Sie las weiter.

 

„Ich erbitte deine Hilfe, Nazira!

Mir ist bewusst, dass ich nahezu Unmögliches von dir verlange, doch das Leben von vielen unschuldigen Menschen ist in Gefahr, darunter unmündige Kinder. Ihnen drohen Verfolgung und Tod. Auch wenn du es dir nicht vorstellen kannst, du hast die Möglichkeit zu ihrer Rettung beizutragen. Menschen, die mir alles bedeuten.“

 

Jade starrte auf die Zeilen, als hätte man ihr einen Schlag versetzt. Ohne es zu bemerken, biss sie die Lippen zusammen.

Eine Botschaft!

Eine Botschaft von außerhalb des Turms! Am unmöglichsten Ort. Hier! Und in ihren Händen! Was hatte Nazira getan? Wie konnte sie Kontakt zu Leuten außerhalb der Mauer haben?

 

„Mir ist zu Ohren gekommen, dass der Händler Decin Vocon wieder anreisen wird. Du wirst es nicht mögen, wenn ich das so unverblümt erwähne, aber ich weiß, dass er sich gerne und ausschließlich deiner Gesellschaft erfreut.

Ich bitte dich inständig, ihm den beiliegenden Brief zu geben. Sorge dafür, dass er ihn liest! Wenn ich könnte, würde ich dich auf Knien darum anflehen. Um unserer gemeinsamen Vergangenheit willen, bitte tu mir diesen Gefallen!

Anbei findest du meinen Siegelring. Er soll die Gewähr dafür sein, dass es ohne Zweifel ich bin, der dir schreibt.

Nazira, du bist bestimmt immer noch die schönste Frau unter der Sonne, ich wünschte, ich könnte dich sehen.

Möge Gott mit dir sein! Vernichte sofort dieses Schriftstück!

 

In ewiger Verbundenheit

Skalme

 

Jade blickte verstohlen um sich. Es war niemand in ihrem Zimmer. Krankheit galt als Fluch oder Unglück. Niemand würde sich ihr ohne Grund nähern.

Die kleine Rolle bebte in ihren Händen So etwas hätte sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen können. So etwas Absurdes! Wer auch immer diese Botschaft verfasst hatte, er musste komplett verrückt sein. Oder absolut verzweifelt. Wusste dieser Skalme nicht, was er da verlangte?

Und er verlangte es nicht von ihr, sondern von der beliebtesten Frau im Turm! Diese würde ihr Leben wagen müssen, um diesen Vorschlägen Folge leisten zu können.

Jade las nochmals die Anschrift.

‚Nazira‘.

Nein, sie hatte sich nicht verlesen. Aber warum hatte der Arzt ihr diese Flasche gegeben? Das Wagnis war doch viel zu groß, dass sie Alarm schlagen und den Inhalt des Schreibens bekannt geben würde. Wie konnte der Arzt davon ausgehen, dass Jade die Botschaft an Nazira weitergab? Nazira hatte das gestrige Mittagessen ausfallen lassen, weil auch sie sich nicht wohlfühlte. Viele Frauen im Turm der Blüten waren krank und mussten das Bett hüten. Jade war es noch übler als zuvor. Die Brust fühlte sich an, wie mit hundert Ziegelsteinen beladen.

Der Brief war in einer sehr vertrauten Art geschrieben worden. Wer immer dieser Skalme auch war, Nazira hatte ihn offensichtlich gut gekannt, bevor sie in den Turm ziehen musste.

Jade hob den Ring ein wenig ins Licht. Ein blauer Stein funkelte ihr entgegen. Dies hier wäre genügend Stoff, um das Frauenhaus für Monate zu unterhalten. Der Herr würde Nazira die Haare scheren. Ihr die Nase abschneiden, die Zunge spalten, die Augen ausstechen. Vielleicht die Fingernägel abreißen und sie schließlich aufhängen wie einen sterbenden Fisch am Haken.

Jade bekam Gänsehaut bei dem Gedanken daran. Sie war verblüfft über den Aufwand, welchen der Unbekannte betrieben hatte, nur um die Dinge in die Wege zu leiten. Sprach das nicht für die Wichtigkeit der Bitte?

Doch was konnte man schon von hier ausrichten?

Jade kniff die Lippen zusammen, als sie sich kurz entschlossen aus dem Kissenlager wälzte. Mit heftigem Schwindelgefühl kam sie auf die Beine, die Botschaft fest in der Faust zusammengepresst. Unsicher tappte sie auf das Kohlenbecken zu, welches in der Ecke stand.

Das Briefchen war nicht für sie. Sie konnte es doch nicht einfach vernichten? Wenn sie es tat und niemand darauf reagierte, was würde dann passieren? Würde der Fremde es ein zweites Mal versuchen? Jade konnte doch nicht einfach die Botschaft Nazira in die Hand drücken. Andererseits war es unmöglich länger im Besitz dieser gefährlichen Information zu bleiben. Sie warf sie ins Feuer.

Dann nahm sie das Arzneifläschchen und den versiegelten Brief vom Bettlaken. Das Fläschchen stellte sie neben sich auf den kleinen Tisch, damit Mor später annehmen würde, sie habe den Inhalt brav ausgetrunken. Aber was machte sie jetzt mit dem Brief und dem Ring. Jade sah suchend umher. Wo konnte sie diese Dinge am besten verstecken? Der Turm war kein Ort, um Geheimnisse zu hüten. Je mehr man es versuchte, desto verdächtiger machte man sich und niemand hatte dafür ein besseres Gespür als die Eunuchen. Die waren wie Hunde. Jades Blick fiel schließlich auf einen Gegenstand, den sie als einziges in diesem verflixten Gefängnis als ihren Besitz betrachtete. Sie ging darauf zu und nahm die kleine Öllampe in die Hand. Sie sah aus wie ein langgezogener goldener Schuh. An einem Ende schwang sich ein zierlicher Henkel in einem Bogen, auf der anderen Seite mündete sie in einem dünnen Schnabel, auf dem das Feuer tanzte, wenn man den Docht anzündete.

Jade fuhr über die feinen Gravuren, die am oberen Rand eingearbeitet worden waren. Mit dieser Lampe verband sie schwermütige Gefühle. Sie wusste bis heute nicht warum.

Entschlossen nahm sie den kleinen Deckel ab und schüttete das Öl in einen Blumentopf. Nachdem sie den Innenraum des Gefäßes zügig ausgewischt hatte, stopfte Jade den Brief und den Ring durch die Öffnung und stülpte den Deckel wieder darauf. Kritisch begutachtete sie ihr Werk und schnappte sich schließlich eine Kerze vom Tisch. Sie hielt diese über das Feuer und ließ das Wachs schmelzen. Ein paar Tropfen träufelte sie auf den Rand der Lampenöffnung und presste den Deckel wieder fest darauf. Das sollte halten.

Anschließend sank Jade erschöpft auf das Bett. Sie war immer noch ganz wacklig auf den Beinen. Sie schnaubte bei der Erinnerung an den Inhalt des Briefes, der jetzt schon zu Asche verbrannt war.

Decin Vocon also!

Ausgerechnet!

Wie und warum sollte dieser Krüppel helfen können? Warum sollte sich Nazira erweichen lassen als Fürsprecherin für einen Haufen Fremde aufzutreten? Aber der Absender, dieser Skalme, war immerhin jemand, den sie kannte. Würde sie es für ihn tun? Jade zog die Augenbrauen zusammen. Sie hatte oft das Gefühl, das Leben machte um sie einen großen Bogen und alle Wunder dieser Welt durften andere genießen, aber nicht sie. Selbst in dieser verzwickten Situation ging es im Grunde nicht um ihre Person. Läge hier keine Verwechslung vor, wäre auch diese seltsame, gefährliche und auch faszinierende Angelegenheit an ihr vorbei gegangen.

„Komm jetzt runter da, du kleiner Halunke! Oder willst du, dass ich dich pflücke wie eine reife Feige?“ Galas unmissverständlicher Befehlston hallte durch den Hof.

Addin hing an einem Seil an der Hauswand. Er hatte sich das Ende um den Knöchel gewickelt und keuchte vor Anstrengung. Er sah auf die dicke Frau hinunter.

„Das würde ich gerne sehen“, brachte er ächzend hervor.

Er sah, wie Gala einen hochroten Kopf bekam. Das war eigentlich ein Grund für immer dort oben hängen zu bleiben. Er nahm vorsichtig die Hände vom Seil und war zufrieden, dass er einen Weg gefunden hatte sich freihändig zu halten.

„Wie lange habe ich gebraucht?“, fragte er.

„Wofür? Was soll das? Komm jetzt runter, ich habe Arbeit für dich!“

„Wirst du mir eins überziehen, wenn ich in Reichweite bin?“

„Das kommt darauf an“, knirschte Gala und verschränkte die Arme.

„Sag schnell! Mir tut alles weh.“

„An der Wand hängen wie ein Affe! Dir bekommt wohl die Hitze nicht. Na schön, wenn du jetzt ohne Umschweife auf den Boden springst, werde ich dir nichts tun.“

Addin legte den Kopf schief.

„Du weißt, dass Lügen eine Sünde ist“, murmelte er misstrauisch.

„Runter mit dir oder ich renne hinauf auf das Dach und löse den Pflock mit deinem Seil!“

Das war ein Argument. Addin wickelte seine Knöchel aus und ließ sich hinab gleiten. Wie versprochen holte Gala nicht aus. Sie sah nur kopfschüttelnd auf seine gepeinigte Haut.

„Was für Flausen hast du im Hirn?“ Die Hausherrin drehte sich um und ging voran ins Gebäude.

Addin folgte ihr. Er rieb sich die Hände und schimpfte. Er hatte zu viel Zeit gebraucht, um einen sicheren Halt zu bekommen. Er war wirklich aus der Form und wenn ihn ständig jemand unterbrach, konnte er nicht üben. Seit Tagen erklomm er Hauswände und Bäume, stählte seine Muskeln. Er musste auf alles vorbereitet sein. Er erledigte seine Hausarbeiten, bis er sich in einem günstigen Moment davonstehlen konnte.

Im roten Lichtschein der Abendsonne gingen er und Rahib an der Mauer des Lilienhauses entlang. Sie waren in dunkle Mäntel gehüllt und ihre Gesichter waren ernst. Addin ließ im Gehen seine Hand gegen den gelben Stein streichen. Sonst waren diese abendlichen Runden sehr spaßig für die Beiden.

Wenn es überhaupt möglich war, machte Rahib ein noch verdrießlicheres Gesicht als Addin. Die Jungen hatten während ihres Spazierganges kein einziges Wort gesprochen. Der Weg hatte sie unweigerlich hierher geführt. Rahib starrte die hohe Wand hinauf. Auch er berührte den Stein und seufzte so tief, dass Addin ihn ansah.

„Was ist, wenn diese Mauer dich verschlingt, Bruder?“

Addin schüttelte den Kopf. Er folgte Rahibs Blick. Der Sims brach sich im fahler werdenden Sonnenlicht und wirkte beinahe schwarz.

„Ich weiß nicht, was mich dahinter erwartet. Aber ich habe mich dafür entschieden. Vielleicht war es saudumm.“

Rahib stieß sich heftig von der Wand ab.

„Und wenn ich mit dir komme?“

„Du kannst deine Mutter nicht allein lassen“, brummte Addin. „Außerdem, du weißt nicht, wie das ist, sich zu verstecken.“

„Nur weil ich nicht so ein Straßenlümmel bin wie du, bin ich trotzdem mutig.“ Rahib kniff die Augen zusammen.

„Das weiß ich.“

Die Jungen gingen weiter. Der Boden knirschte unter ihren Sandalen, als wolle er sich über ihre zornigen Schritte beschweren. Rahib schnaufte einige Male, dann fasste er sich ein Herz.

„Ich hab es dir nie gesagt, Addin. Aber ich bewundere dich. Ich könnte niemals das tun, was du dir vorgenommen hast.“ Er legte Addin die Hand auf die Schulter. Dieser biss sich auf die Unterlippe.

„Am liebsten würde ich davonrennen. Ich liege nachts wach und kann nicht schlafen. Mit jedem Tag wird es schlimmer.“

Rahib zog die Lippen auseinander und stieß Addin die Faust gegen die Brust.

„Lass das! Meinen Helden will ich nicht heulen sehen.“

Addin musste lachen und knuffte zurück. Dann packte er Rahibs Arm.

„Was auch passiert, ob ich nun zurückkomme oder nicht und egal wie lange es dauert, vergiss mich nicht, mein Bruder.“

„Ich werde jeden Tag zu dieser Mauer gehen und für dich beten. Ich werde da sein und wachen. Darauf hast du mein Wort.“

Addin unterdrückte einen weiteren Seufzer. Er hatte sich fest vorgenommen, die Sache genauso anzugehen wie er das Leben auf der Straße gemeistert hatte. Er würde niemandem vertrauen, sich mit niemandem anfreunden. Er würde unsichtbar sein und im passenden Moment zuschlagen. Er musste sich der neuen Umgebung anpassen. Schlupfwinkel ergründen, Freund von Feind ausloten, die Regeln kennenlernen und Decin Vocon die Tür einrennen. Er war zäh. Er würde es schaffen!

Kapitel 2            

 

 

Um diese Jahreszeit waren die Temperaturen tagsüber nahezu unerträglich heiß. Die Nacht brachte die willkommene Abkühlung und so manches wurde erst unternommen, wenn die Sonne sich verabschiedet hatte.

In jener Nacht, als die Flammen wie grelle Zungen über den hellen Mauern des Turms der Blüten zuckten und der Rauch in schwarzen Schwaden in den Himmel stieg, lag eine Hitze in der Luft, die alles zu versengen drohte. Das lodernde Inferno produzierte nebenbei noch einen ungemeinen Lärm, fraß sich unerbittlich durch die alten Kostbarkeiten des Anwesens. Möbel, Kissen, Teppiche. Glas zersprang, Gold schmolz, Schmuck verglühte, Menschen starben.

Wie ein Feuerteufel wütete das Unglück durch die Gänge des Turms und die lächerliche Menge an Wasser und Sand, die zum Löschen angeschafft wurde, konnte nur verhindern, dass die Feuersbrunst in den letzten Flügel wallte. Das brennende Gebäude löschen konnte niemand. Völlig toll hatten sich Frauen, Kinder und Eunuchen in den Garten gerettet. Alles schrie, weinte, hustete. Wer es nicht nach draußen schaffte, für den kam jede Hilfe zu spät. Doch auch die Parkanlage wäre eine tödliche Falle geworden, hätte nicht der Wind schließlich zugelegt und verhindert, dass die lodernden Flammen Bäume und Sträucher erreichten.

Es war eine furchtbare Nacht. Der Besitzer und Herr des Lilienhauses hatte sich hinaus begeben und war trotz des Protestes seiner Leibwächter bis zum Turmgarten gelaufen. Auch er musste einsehen, dass er bei diesem Durcheinander kaum etwas hätte ausrichten können. Aber er hielt Stunden hinter der Mauer aus, ließ sich ständig Nachrichten bringen und nahm keinen Bissen zu sich.

In der Stadt war der Brand natürlich nicht unbemerkt geblieben. Zahlreiche Schaulustige hatten sich in den Straßen versammelt. Zuckend und wie ein hellrotes Band wippte der Kranz des Unheils über dem Gebäude.

Addin war es nicht gelungen in den Park zu laufen, an dem sich die Mauer zum Frauenhaus befand. Er stand in einem großen Fenster des Haupthauses der Herberge, hatte den Hals gereckt und sah atemlos zu, wie die Feuerzungen über den Turmzinnen tanzten. Der rote Schimmer malte zuckende Flecken auf seine Haut und er musste die Augen schürzen, denn das Licht war zu grell.

Mit ihm hatten sich noch viele andere Sklavenjungen in den Fensterrahmen gequetscht. Sie stellten Vermutungen an, wie es wohl zum Ausbruch des Feuers kommen konnte. Ein Einblick in den Frauengarten war nicht möglich und niemand konnte sagen, wie viele Frauen und Kinder gerettet werden würden.

Addin beteiligte sich nicht an den Gesprächen. Die Art, wie die Jungen miteinander sprachen, erinnerte ihn an ihn selbst, bevor er zu den Vergebern gekommen war. Seit er im Lilienhaus diente wurde ihm bewusst, dass er sich tatsächlich verändert hatte. Er besaß nicht mehr diese Gleichgültigkeit und den in den gnadenlosen Straßen von Naippa notwendigen Egoismus, um das Geschehen vor ihm so kalt zu kommentieren. Silan würde das als etwas Gutes bezeichnen. Aber dieser neu gewonnene weiche Kern in Addin war für sein jetziges Leben absolut hinderlich. Der Alltag in der Herberge setzte ihm mehr zu, als er gedacht hatte. Niemals fürchtete er den fiktiven Strick um den Hals mehr oder die Peitsche auf seinem Rücken.

Er war ein kleiner Dieb. Ein schneller, flinker Taschenmolch, ein geschickter Trickser und bis vor einem Jahr einer der besten Lügner, die es wohl je gegeben hatte. Es hatte zu seinem Leben gehört mit Selbigem zu spielen. Der Marktplatz, die Buden, die Geschäfte, alles das war seine Arena gewesen. Erwischt hatten sie ihn noch nie, sonst wäre sein Ende schnell gekommen. Die Strafe für Diebe war streng und das Alter spielte keine Rolle.

Jetzt hatte er sich freiwillig in die Sklaverei begeben. Er hatte sich an das Lilienhaus verkauft. Für Tilan. Für Silan und Lukei, den Arzt. Und für Rahib, seine Mutter, für Gala und für all die anderen. Das war auch ein Beweis dafür, dass er sich verändert hatte. Er bereute es zutiefst!

Während die anderen Sklavenjungen flüsterten, sah Addin, dass einige Männer die hohen Bäume nahe der Mauer fällten, um zu verhindern, dass das Feuer auf sie übergriff. Es hatte seit Monaten nicht geregnet. Alles war trocken wie Staub. Ein wahres Festmahl für den Brand. Keiner konnte sagen, wie lange er anhalten würde. Addin schauderte. Schreie drangen an sein Ohr, lautes Knacken, Prasseln und Rauschen. Nur der Himmel wusste, was den Flammen alles zum Opfer fiel. Die Nacht schien taghell. Die Palmen bebten im heißen Wind, als würden sie am liebsten davonlaufen.