Ein Jahr mit einem Narzissten - Katrin Roth - E-Book

Ein Jahr mit einem Narzissten E-Book

Katrin Roth

0,0

Beschreibung

Wer bei Christian Grey und seinen 50 Facetten immer noch das Leuchten in den Augen hat und glaubt, mit solch einem scheinbar verführerischen Mann endlich wahre Liebe finden zu können, wird wahrscheinlich sehr schockiert sein herauszufinden, was wirklich hinter den 50 Facetten steckt. Katrin Roth war überzeugt davon, das Glück ihres Lebens gefunden zu haben – bis eines Tages das böse Erwachen kommt: im Zustand großer Angst und Verzweiflung findet sie heraus, was wirklich hinter der Maske ihres dominanten Partners steckt und versteht, dass Dominanz in ihrer Reinform nichts anderes ist als eine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Der Weg zu dieser Erkenntnis ist schwer und führt durch tiefen Schmerz und bösartige Manipulationen bis hin zu Selbstmordgedanken. Anstatt sich aber völlig aufzugeben und sich von diesem vermeintlich starken Mann besiegen zu lassen, entschließt sie sich endlich ihren eigenen Dämonen zu stellen. Dabei begibt sie sich auf eine spannende und schmerzhafte Suche zu sich selbst. Diese wahre Geschichte erzählt nicht nur von einem Beziehungsdrama und BDSM – Machtspielen, sondern beschreibt was es überhaupt bedeutet lebendig zu sein.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 591

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Katrin Roth

Ein Jahr mit einem Narzissten

Die Wahrheit hinter den Fifty Shades

Autobiografie

Impressum

Softcoverversion Ausgabe Januar 2018

Texte: Copyright© 2017 by Katrin Roth

Titel: Copyright©Der Titel Ein Jahr mit einem Narzissten Die Wahrheit hinter den Fifty Shades ist bei Lektoren.ch unter Hinweis auf

§ 5 Abs. 3 MarkenG in allen Schreibweisen und Darstellungsformen geschützt und im Online-Titelschutz-Anzeiger veröffentlicht worden. Das Manuskript, einschließlich all seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrovervielfältigungen und die Einspeicherung und die Verarbeitung in elektronische Systeme.Coverdesign:Copyright© by Katrin Roth

Copyright© Katrin Roth - Alle Rechte vorbehalten

Inhalt

Inhalt

Teil 1 - Das Beziehungsdrama

Prolog

Vor dem Anfang

Die neue Beziehung

Die Beziehung entwickelt sich

Die Erwartungen

Psychopathen

Der Swinger Club

Die Party

Devotion definiert

Sex

Zukunftspläne

Veränderungen

Weicher Kern

Du gehörst mir!

Die ersten Vorfälle

Ex-Mann

Unglaubliche Dreistigkeit

Seine Freunde und meine

Die Krankheit

Bud Spencer und sexuelle Dystonie

Die Mutter

Erkältung und Niereninsuffizienz

Ein Leben zusammen

Der Alltag und der Krebs

Nach der OP

Der Tod - Es geht bergab

Selbstmordgedanken

Der Unfall

Die Wohnung

Der Abflug

Teil 2 - Die Trennung und das Leben danach

Heiligabend

Der Abschluss

Silvester

Das neue Jahr

Der erste Schritt - die Vergangenheit

Die spontane Aktion

Liebe und Beziehungen

Dating, Sex und Liebe

Lebensziele

Abschlussworte

Danksagung

Inhalt

Wer bei Christian Grey und seinen 50 Facetten immer noch das Leuchten in den Augen hat und glaubt, mit solch einem scheinbar verführerischen Mann endlich wahre Liebe finden zu können, wird wahrscheinlich sehr schockiert sein herauszufinden, was wirklich hinter den 50 Facetten steckt. Katrin Roth war überzeugt davon, das Glück ihres Lebens gefunden zu haben bis eines Tages das böse Erwachen kommt: im Zustand großer Angst und Verzweiflung findet sie heraus, was wirklich hinter der Maske ihres dominanten Partners steckt und versteht, dass Dominanz in ihrer Reinform nichts anderes ist als eine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Der Weg zu dieser Erkenntnis ist schwer und führt durch tiefen Schmerz und bösartige Manipulationen bis hin zu Selbstmordgedanken ...

»Sich die Wahrheit über sich selbst eizugestehen, ist das Erschreckendste und Befreiendste zugleich.«

(K.H)

Teil 1 - Das Beziehungsdrama

Prolog

Als ob es ein unwirklicher Albtraum gewesen wäre, welcher vor langer Zeit einmal der Realität entsprungen war, erinnere ich mich an dieses dramatische Ereignis. Plötzlich befand ich mich im fünften Stock der großen Einkaufspassage. Wie ich hierhergekommen war, wusste ich nicht. Meine Wahrnehmung fühlte sich an, als ob sie in eine Trance versetzt sei. Es fühlte sich an, als ob ich neben mir stünde und nicht mehr in meinem eigenen Körper steckte. Eine Art Schwebezustand, welcher sich angenehm, aber auch beängstigend zugleich in mir ausbreitete.Eine fremde Kraft arbeitete in mir und trieb mich voran. Sie drängte mich immer näher an das Geländer. Alles fühlte sich so offen und frei an. Durch die großen hohen Fensterwände, welche helles Licht hereinströmten ließen, wurde dieses Gefühl von Freiheit und Grenzenlosigkeit nochmals verstärkt.Plötzlich berührte meine Hand die kalte metallene Geländerstange. Dieses beängstigend angenehme Gefühl, welches die absolute Kontrolle über mich gewonnen hatte, nahm mich für einen Augenblick vollkommen ein. Langsam trieb mich die Kraft immer näher an das Geländer. Mein Kopf war einfach nur leer und frei. Es herrschte eine wunderbare Stille und unendliche Ruhe in mir, bis plötzlich die Gedanken der Verzweiflung, welche einen Ausweg suchten, wiederkehrten. Stimmen fingen an durcheinander zu schreien und gegeneinander anzukämpfen. Sie holten mich für einen kurzen Moment wieder in die Realität zurück. Dann formte sich das Gedankenchaos langsam zu einem einzigen zielstrebigen Entschluss. Die in mir arbeitende Kraft wollte mich über das Geländer ziehen. Eine Stimme in mir schrie: »Spring! Lass los!« Ich konnte mich nur schwer widersetzen. Es wäre so leicht gewesen mich einfach über das Geländer fallenzulassen. Alles in mir schrie danach, das Gefühl des freien Falls zu spüren. Es würde schnell gehen. Jeder Schmerz, alle Angst und das Gefühl der Sinnlosigkeit und der Leere wären innerhalb eines kurzen Augenblickes für immer ausgelöscht. Der Kampf gegen mich selbst schien in dem Moment endlos. Die Zeit stand still. Panik überkam mich plötzlich. Mir wurde furchtbar schwindelig. Ich durfte es nicht zulassen die Kontrolle über mich und mein Leben komplett zu verlieren. Zur gleichen Zeit wollte ich nicht mehr kämpfen, sondern einfach nur loslassen. Ich wäre endlich für immer frei.

Vor dem Anfang

Einige Monate zuvor hatte ich mich von meinem letzten Freund getrennt. Die Beziehung war nicht das gewesen, was die meisten unter einer normalen Beziehung verstehen würden. Um es genauer zu sagen, sie war vor allem in sexueller Hinsicht, laut der Norm unserer Gesellschaft, ganz und gar nicht moralisch korrekt gewesen. Ich hatte mir diesen Mann nach meinen ganz speziell entwickelten Kriterien ausgesucht. Diese Kriterien waren meiner damaligen Meinung nach der sicherste Weg zu meiner persönlichen Erfüllung im Hinblick auf Partnersuche und Beziehung. Dominant sollte er sein. Dies bedeutete für mich ein sehr selbstbewusstes und starkes Auftreten sowie Durchsetzungsvermögen und Willensstärke. Ein Mann mit klaren Zielen, der genau weiß, was er will. Einen gewissen Grad an Bildung und Intelligenz sollte er haben, einen festen Stand im Leben sowie beruflichen Erfolg. Ein Mann mit körperlichen Attributen, die für mich wahre Stärke und Männlichkeit ausstrahlten, wie zum Beispiel eine angemessene Körpergröße. Ich hatte einmal einen Partner gehabt, der einen Kopf kleiner als ich war. Er hatte mir nie das Gefühl des Beschützers vermitteln können, nach dem ich mich mein Leben lang gesehnt hatte. Eine tiefe Stimme war ein weiteres Merkmal, auf das ich achtete - hohe Stimmen verband ich mit Weiblichkeit und somit Schwäche. Zudem sollte er eine kräftige Statur haben, die Stärke ausstrahlt. Mittlerweile suchte ich auch gezielt nach älteren Männern. Ich hatte festgestellt, dass die meisten Männer in meiner Altersgruppe Erwartungen und Vorstellungen haben, welche sich gewaltig von meinen unterscheiden. Themen wie Familiengründung, Hochzeit und Ehe hatte ich zum Beispiel schon lange für mich abgehakt. Männer Anfang dreißig wollten aber genau das, was ich nicht bereit war zu geben. Auch hatte ich das Gefühl, dass die meisten nicht mit meinen Lebenserfahrungen und den dadurch entwickelten Werten und meiner Lebensanschauung mithalten konnten. Was das Thema Sex betraf, waren mir Männer in meinem Alter einfach zu unerfahren und konnten mir nicht die Reife und das Einfühlungsvermögen entgegenbringen, nach denen ich suchte. Ich brauchte erfahrene Männer, die nicht nur auf Rumfummelei und schnelle Nummern aus waren. Nach meiner gescheiterten Ehe und der darauffolgenden chaotischen Wiederfindungsphase, hatte mir eine flüchtige Affäre erklärt, dass ich sexuell ›devot‹ ausgerichtet bin. Der Begriff und dessen Bedeutung sagten mir zu dem Zeitpunkt nicht viel. Ich hatte noch nie einen Schwerpunkt auf mein Sexleben gelegt und mir folglich auch noch nie ernsthafte Gedanken über meine sexuelle Ausrichtung oder bestimmte Vorlieben gemacht. Auf die Frage hin, was mich denn sexuell am meisten erregt, erklärte ich, dass ich mich einfach immer meinem Partner und seinen Wünschen anpasse. Genau dieses unterwürfige Verhalten sei devotes Verhalten, lernte ich. Meine Affäre erklärte mir, dass ich einen dominanten Partner bräuchte, welcher mich führen und leiten würde. Bei den Worten kam mir sofort der ganze Fifty Shades Mist in den Kopf: Das kann ja wohl nicht dein Ernst sein!, dachte ich und machte mich ein wenig lächerlich über ihn. »Quatsch, von so einem Kinderkram rede ich doch nicht. Wahre Devotion und Dominanz sind viel mehr als ein bloßes Spiel. Was du von Natur aus bist, kann man nicht lernen«, verdeutlichte er mir. Devotion sei in meinem tiefsten Inneren verankert und wenn ich sie ausleben würde, fände ich nicht nur wahre Erfüllung in meinem Sexleben, sondern auch in meiner Beziehung und in mir selbst.Nach seiner Enthüllung über die angebliche Natur meines Wesens, machte ich mir sehr viele Gedanken über die Beziehungen aus meiner Vergangenheit. Auf einmal wurde mir klar, dass ich unbewusster Weise schon immer überwiegend dominante Männer ausgewählt und dann auch automatisch die unterwürfige Rolle eingenommen hatte. Das starke Selbstbewusstsein und die Bestimmtheit waren es, welche diese Ex-Partner so interessant und anziehend für mich gemacht hatten. Um es genauer zu sagen: einfach unwiderstehlich erregend.»Er hat Recht«, schlussfolgerte ich, »anscheinend bin ich wirklich devot und kann nur mit einem dominanten Partner glücklich werden.« Zu diesem Zeitpunkt hätte ich niemals erahnt, auf welch dramatische Art und Weise diese Erkenntnis mein weiteres Leben beeinflussen würde.Wer ich wirklich bin oder wie ich sein sollte, beschäftigte mich schon seit meiner Kindheit. Ich hatte immer das Gefühl gehabt, dass etwas nicht mit mir stimmte, dass ich irgendwie anders sein sollte, da ich nirgends dazu zu passen schien.

Viele definieren sich durch ihre Zugehörigkeit zu einer Religion, ihrem Beruf, Familie oder Sport. Man weiß dann, was von der gesellschaftlichen Rolle erwartet wird und wo man hingehört. Das gibt Sicherheit. Eben dieses Gefühl der Zugehörigkeit hatte mir immer gefehlt. Ich passte einfach nicht.Meine neugewonnene Erkenntnis über mein scheinbar ›wahres Ich‹änderte nun alles. Sie war wie ein Wegweiser, der mir nun eine gewisse Sicherheit in Hinblick auf meine Bestimmung in meinem Leben gab. Zu verstehen, dass ich aus meinem tiefsten Inneren heraus devot bin, verlieh mir Halt. Endlich konnte ich mein Leben besser verstehen und wusste zudem auch, welche sexuelle Rolle für mich bestimmt war. Die Weichen für mein neues Leben waren gestellt.

Nachdem die besagte Affäre beendet war, machte ich mich gezielt auf die Suche nach einem dominanten Partner, der mein passendes Gegenstück verkörpern würde. Als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern und dazu voll ausgelastet mit einem Haupt- und einem Nebenjob, war ich zeitlich so eingeschränkt, dass Dating in Bars oder auf Partys für mich unmöglich war. Hinzu kam ein weiteres Problem: Woher würde ich wissen, dass ein Mann, der mir optisch gefiel, dominant war oder nicht? Männern, welche mir auf der Straße begegneten, stand immerhin nicht auf der Stirn geschrieben, wie sie sexuell ausgerichtet sind. Ich suchte also nach Dating-Plattformen und als auch dort klar wurde, dass aus den Profilen nicht die benötigten Informationen hervorgingen, fand ich eine Webseite, welche Partnersuche gezielt nach sexuellen Ausrichtungen möglich machte. Über diese Webseite war es ein Leichtes, schnell neue Kontakte zu knüpfen. Ich tauchte in eine komplett neue Welt ein, in der sich Menschen zu befinden schienen, die so waren wie ich. Hier wurde ich verstanden, ohne mich für meine sexuellen Vorlieben rechtfertigen zu müssen. Mein bisheriges Sexleben kam mir auf einmal ausnehmend langweilig und spießig vor. Die meisten Dinge, die dort geboten wurden, hätte ich mir nicht einmal in meinen wildesten Träumen vorstellen können. Hier konnte man an regelrechten Sexorgien teilnehmen, ohne sich für irgendetwas schämen zu müssen. Viele der zur Auswahl stehenden Spielarten wie zum Beispiel Fisting, Fußerotik und Squirting musste ich erst einmal nachlesen. Bondage kannte ich, aber hatte es selbst noch nie ausprobiert. Anderes wie Dreier, Vierer, Frivoles Ausgehen und Strip hatte ich auch noch nicht selbst ausprobiert. Bei der Auswahl an Spielarten interessierte mich natürlich am meisten SM und BDSM, denn danach suchte ich ja. Seit meiner Jugend war ich eher reserviert und vorsichtig gewesen und hatte vor allem beim Sex vieles abgelehnt, weil es meinen damaligen Werten und Vorstellungen vom richtigen sexuellen Verhalten nicht entsprach und ich schlichtweg zu großen Ekel empfunden hatte. In anderen Bereichen meines Lebens, paradoxerweise, war ich recht offen und abenteuerlich gewesen. Zum Beispiel reiste ich nach meinem Abitur spontan alleine ins Ausland, weshalb mich zu der Zeit alle für komplett verrückt erklärten. Noch verblüffter waren alle, als ich verkündete, dass ich für meine damalige große Liebe für immer dortbleiben würde. Für immer blieb ich zwar nicht, aber immerhin neun Jahre. Dass meine Auswanderung eine Flucht vor mir selbst war, ist mir heute bewusst. Eine Flucht, die mein Leben am Ende nur noch verschlimmert hatte, anstatt Probleme, die ich schon seit meiner Kindheit mit mir trug, zu lösen und mich vor mir selbst zu retten. Nun stand ich kurz vor meinem dreißigsten Geburtstag. Ein neuer Lebensabschnitt. Laut meiner Mutter war ich jetzt schon fast eine Oma. Danke für die aufmunternden Worte!, dachte ich vorwurfsvoll. Von der Gesellschaft sei ich nun so gut wie abgeschrieben und als Frau würde der Wert meiner Attraktivität in eine niedrigere Preisklasse rutschen. Ich fasste einen Entschluss: Ab jetzt würde in meinem Leben alles anders laufen - besser! Es gab noch so vieles, was ich nicht gesehen oder erlebt hatte. So vieles, was ich ausprobieren wollte - sowohl sexuell als auch in anderen Lebensbereichen. Bereichernde Erfahrungen und Erlebnisse verpassen, nur weil ich zu viel Angst oder Vorurteile habe, würde mir nicht mehr passieren. Von jetzt an bist du allem Neuen und Unbekannten gegenüber komplett offen - ohne Ausnahme!, schwor ich mir. Fast ohne Ausnahmen, korrigierte ich schnell. Von nun an lebte ich ganz nach dem Motto: »Probieren geht über Studieren.« Und einen Rückzieher machen war nicht erlaubt! Über die Webseite lernte ich meinen nächsten Freund kennen, welcher die passende sexuelle Ausrichtung zu haben schien. Er war bedeutend älter als ich. Auf seinem Profilbild war er auf einer Kommode sitzend und mit einer Gerte neben sich liegend abgebildet. Okay, dachte ich beeindruckt, aussagekräftiges Bild, aber wer weiß, wie er wirklich ist.Vor unserem ersten Treffen hatten wir häufiger telefoniert. Gegen meinen Wunsch rief er mich jeden Abend an und drängte sich mir regelrecht auf. Ehrlich gesagt war mir das alles schon vor unserem ersten Treffen zu viel gewesen. Kann er kein ›Nein‹ akzeptieren?,fragte ich mich anfangs verärgert, aber hatte mich nie getraut ihn darauf anzusprechen, denn ich wollte nicht unhöflich erscheinen. Meine Meinung zu äußern, wenn mir etwas nicht gefiel, lag nicht in meiner Natur. Er erklärte mir, dass er eine wirklich devote Frau suche und quetschte mich förmlich über meine bisherigen Erfahrungen aus. Teilweise war es mir fast wie ein Verhör vorgekommen. Er wollte alles genauestens wissen, vor allem, wo meine Grenzen lagen und wie ich mit Schmerz umgehen könne. Mit meinen Antworten war ich sehr vorsichtig gewesen, da ich im SM Bereich noch keine Erfahrungen gesammelt hatte und nun befürchtete, dass ich für ihn nicht erfahren genug sein würde. Bei unseren Gesprächen überkam mich immer mehr das Gefühl, als versuche er sich für seine Neigungen zu rechtfertigen, indem er mir erklärte, dass er Frauen eigentlich nichts Böses tun wolle.»Ich bin kein Schwein, ich will Frauen nicht wehtun. Ich bin einfach so und schäme mich auch nicht mehr für mein Verhalten. Meine Vorlieben lebe ich in der Öffentlichkeit aus- ist mir egal, was andere denken«, erklärte er. Okay ..., wenigstens ist er offen und ehrlich, dachte ich. Trotzdem konnte ich zu all dem, was er mir erzählte, keine Stellung nehmen und keinen Bezug herstellen, da ich noch keinerlei Erfahrungen im SM-Bereich gesammelt hatte.Bei unserem allerersten Treffen war ich zunächst eher abgeneigt, ja, sogar recht angeekelt von seiner arroganten Art. Er kam in einem protzigen Auto vorgefahren. Nach seiner Aufforderung stieg ich widerwillig ein. Was machst du hier eigentlich!?, fragte ich mich kopfschüttelnd.Auf der Straße benahm er sich absolut proletenhaft und auf dem Parkplatz belegte er dreist den Behindertenparkplatz.Während unseres gemeinsamen Essens redete er ständig auf mich ein, nahm meine Hand gegen meinen Willen und sagte mir, dass er nur mich wolle. Dabei fiel mir auf, dass er gleichzeitig die blonde Bedienung mit seinen Blicken verfolgte, was mich doch etwas verärgerte. Durch unsere vorangegangenen Telefonate kannte ich seine ungefähren Absichten, auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, was genau er mit mir vorhatte. Er erzählte mir kurz von seiner Ex-Frau, die sein dominantes Verhalten immer verachtet und abgelehnt hatte. Seine sexuellen Vorlieben waren scheinbar der Grund für das Ende seiner Ehe gewesen. Später zeigte er mir Bilder von seiner letzten Gespielin, die sich ihm mehrere Jahre völlig unterworfen hatte.Warum zeigst du mir Bilder von dieser Frau? Glaubst du, ich werde eifersüchtig? Und warum genau willst du gerade mich?, dachte ich schnippisch. Komplimente machen Männer doch nur, um eine Frau ins Bett zu kriegen.Ich war nicht von ihm überzeugt, wohl aber beeindruckt von seiner Art nicht lockerzulassen und mich um jeden Preis haben zu wollen. Er erklärte mir immer wieder, was für ein Gentleman er sei und dass er mich immer gut behandeln würde. Am Ende unseres gemeinsamen Abendessens stellte er mich vor die Wahl: »Entweder ich bringe dich wieder zu dir nach Hause und du musst mich nie wiedersehen oder du kommst mit zu mir.« Er warnte mich, dass, wenn ich erst einmal in sein Reich eingetreten wäre, es kein Zurück mehr für mich gäbe. Ich würde ihm gehören und es würde ganz klar nur noch nach seinen Regeln laufen. Mit dem was passieren würde müsse ich dann klarkommen.»Auch wenn du dann noch so laut schreist, das ist mir egal«, sagte er mit kalter, strenger Stimme. Ich glaubte ihm nicht. Gerade die Schmerzen, so hatte er mir erklärt, die er Frauen zufüge und die Unterwerfung seien es, die ihn am meisten erregten. Obwohl mein Bauchgefühl ganz laut Nein! schrie, überwog meine Neugier auf das Neue und Unbekannte. Gegen meine Intuition entschied ich mich mit ihm zu gehen. Ich konnte meinen Schwur mir gegenüber nicht gleich bei der ersten Probe brechen und zudem konnte ich der Verlockung auf ein Abenteuer nicht widerstehen. Bevor ich seine Wohnung betrat, warnte er mich nochmals, dass, sobald die Tür hinter mir zufallen würde, ich ihm bedingungslos zu seinem Vergnügen zur Verfügung stünde. Ein leicht mulmiges Gefühl hatte ich in mir verspürt, obwohl ich zur selben Zeit seine Worte nicht wirklich ernstnahm und dachte: Was soll denn schon Schlimmes passieren? Langsam schritt ich durch seine Wohnungstür und stieg die Treppe zu seinem Wohnzimmer empor. Oben angekommen schaute ich mich vorsichtig um. Von der Treppe aus konnte man direkt in die Küche sehen, in deren Mitte ein Springbock stand. Sehr bizarr! Was er wohl damit macht?, wunderte ich mich. Zu meiner Rechten erspähte ich unter der Esszimmerdecke einen großen Metallhaken.

Die Zimmer, soweit ich sehen konnte, waren ordentlich, geschmackvoll und modern eingerichtet und vermittelten ein heimisches, gemütliches Gefühl.

Er trat vor mich und musterte mich kurz.

»Zieh dich aus!«, befahl er dann plötzlich streng. Als ich ihn zögernd und leicht verwirrt anguckte, schlug er mir mit seiner flachen Hand sofort ins Gesicht. Vor Überraschung und dem Schmerz, welchersofort in meine Wange schoss, war ich wie gelähmt. »Muss ich es nochmal sagen?«, fragte er forsch. Nun war klar, dass er es wirklich ernst meinte. Perplex schaute ich ihn an und gehorchte dann schnell. Es mir mehr als unangenehm gewesen, mich völlig vor ihm zu entkleiden.

Ich sollte meine Augen schließen und er verband sie mit einem schwarzen Tuch.

»Siehst du etwas?«, fragte er testend.

»Nein.« Alles war absolut dunkel. Plötzlich wurde mir sehr kalt und ich fing vor Nervosität an zu zittern.

»Warte hier!«

Ich stand eine scheinbar endlos lange Zeit auf derselben Stelle und wartete.

Wo ist er? Was macht er bloß?, fragte ich mich leicht verängstigt.

Auf einmal konnte ich hören entfernte Geräusche aus einem Nachbarzimmer hören. Eine Schublade wurde geöffnet und wieder geschlossen. Dann hörte ich Schritte - er kam zurück.

Mit seinen Händen ergriff er meine Handgelenke, zog meine Arme hoch zu sich und legte mir Lederhandschellen an. Dann befestigte er dieselben an meinen Fußgelenken. Die Schellen waren recht eng geschnallt und fühlten sich schwer und kalt an.

Da ich keine Vorstellung hatte, was nun passieren würde, fragte ich mich ständig, was er wohl vorhatte. Er zog mich ein paar Schritte zur Seite, wobei ich fast gestolpert wäre. Das metallene Geräusch von Ketten war zu hören, welche er an den Schellen an meinen Händen und Füßen anbrachte. Mit einem Ruck zog er meine Arme an der Kette hoch und befestigte diese an dem Metallhaken. Meine Füße kettete er so zusammen, dass ich trotzdem noch etwas Bewegungsfreiheit hatte.

»Mach die Beine breit!«, befahl er kalt.

Mit einem Mal fühlte ich mich in meiner Freiheit stark eingeschränkt und in meiner Sicherheit bedroht. Eine leichte Panik stieg in mir auf. Ich konnte spüren, dass er sich von mir entfernte und hörte, wie er sich leise durch den Raum bewegte. Dann vernahm ich abermals Geräusche von einer Tür und von Schubladen, die geöffnet und geschlossen wurden. Leise näherte er sich mir wieder. Ich vernahm ein klickendes Geräusch, wie das einer metallenen Spange, die geöffnet wird und spürte dann einen starken Schmerz in meinen Brustwarzen. Ich musste mich zusammenreißen nicht laut aufzuschreien. Zum Glück waren meine Brüste nach dem Stillen von drei Kindern ziemlich abgehärtet, sodass der Schmerz schnell erträglicher wurde.

»Du scheinst ziemlich schmerzresistent zu sein«, bemerkte er beeindruckt. Dann spürte ich den gleichen stechenden Schmerz an meinen Schamlippen. Dieser Schmerz war viel schlimmer zu ertragen. Außerdem wurde ein Gewicht angebracht, welches meine Schamlippen herunterzog. Der Schmerz wurde so intensiv, dass ich auf meine Unterlippe beißen musste, um einen Aufschrei zu unterdrücken.

»Kreise mit den Hüften!«, vernahm ich seine gefühlskalte Stimme, »Und wehe, das Gewicht hält an!«

Eine unendlich lange Zeit war es dann erdrückend still gewesen. Ich fragte mich, was er wohl tat. Sieht er mich einfach an? Wird er bei dem Anblick geil? Befriedigt er sich selbst?- solche und andere Gedanken schossen mir durch den Kopf.

»Das machst du gut!«, lobte er mich mit ruhiger Stimme.

Arschloch!, dachte ich. Mein Körper zitterte immer mehr und das Gefühl der Kälte breitet sich weiter in mir aus. Ich versuchte mich innerlich zu beruhigen. So schlimm ist es ja gar nicht, redete ich mir ein. In meiner einsamen Dunkelheit versank ich kurz in meine Gedankenwelt, aus der ich schnell wieder wachgerissen wurde, als mich ein brennender Schlag von hinten traf.

Etwas schmales Hartes schnitt in meinen Oberschenkel. Vor Schreck schrie ich auf. Dann strich es an meinem Innenschenkel entlang. Noch ein Schlag. Es war ein brennender kurzer Hieb, welcher einen heißen Schmerz auf meinem Bein hinterließ. Anfangs ließ er noch längere Pausen zwischen den Hieben, aber schlug dann immer schneller und heftiger zu.

»Der Schmerz ist zu viel!«, schrie es in mir.

Ich hatte mich nicht wehren können und meine Schreie, welche ich nun nicht mehr unterdrücken konnte, ließen ihn kalt.

Obwohl ich keine Lust mehr auf dieses Spiel hatte, erregte es mich doch auf ungewohnte und auch zugleich abstoßendeArt und Weise.

Es erschien mir wie eine Ewigkeit vor ihm nackt und immer noch in derselben Pose stehen zu müssen. Ich merkte wie meine Kraft langsam schwand.

Nach einer Weile löste er die Ketten und das Gewicht, welches immer noch unter mir hing.

»Dreh dich um!« Ich konnte seinen Atem in meinem Nacken spüren, welcher mir Gänsehaut bereitete.

Plötzlich fasste er mir in den Schritt, wobei ich überrascht zusammenzuckte.

»Schön feucht bist du«, sagte er mit ruhiger, scheinbar zufriedener, Stimme.

Ich hatte gehofft, er würde mich länger berühren, mich anfassen und mir dabei ein Stück Sicherheit und das Gefühl von Nähe geben, aber das tat er nicht. Stattdessen konnte ich etwas Kaltes auf meiner Haut spüren. Ich schreckte zusammen. Meine Vorahnung ließ mich erraten, was nun passieren würde. Es strich über meinen Po. Stille. Plötzlich ein Hieb, so stark, stechend und schmerzhaft, dass mir die Luft wegblieb.

Ich schrie laut auf.

»Sei leise!«, fuhr er mich schroff an.

Ich versuchte mich schnell wieder zu fangen und seinem Befehl zu gehorchen. Zur selben Zeit wollte ich Stärke zeigen. Der nächste Hieb kam, welcher in seiner Intensität noch schlimmer zu sein schien als der Erste. Zwischen den Hieben machte er kurze Pausen, was den Schmerz in seiner Intensität noch weiter ausreifen ließ. Meine Gedanken waren für einen Moment komplett ausgeschaltet. Das Einzige, was ich in dieser schwarzen Leere spüren konnte, war unendlich qualvollerpochender Schmerz, welcher mich völlig betäubte.

Beim sechsten Hieb waren die Schmerzen so stark geworden, dass ich lieber gestorben wäre, als noch mehr davon aushalten zu müssen. Innerlich betete ich, dass es endlich zu Ende sein möge. Er hörte auf. Es war, als hätte er genau abschätzen können, wie viel ich ertragen konnte. Er nahm alle Ketten ab, packte mich an meinem Hals und drückte mich runter auf den Boden. Dort band er meine Hände und meine Füße wieder so zusammen, dass ich alleine nicht mehr hätte aufstehen können.

»Bleib genauso!«

Seine Schritte entfernten sich. Für einen Moment atmete ich erleichtert auf. Als er wiederkam, konnte ich einen merkwürdigen unangenehmen Geruch wahrnehmen. Dann spürte ich, wie er mir mit einem kalten nassen Lappen über meinen Körper und mein Gesicht wischte. Es stank fürchterlich. Der Geruch war so stark, dass mir schlagartig schlecht wurde. Plötzlich konnte ich den schneidenden aufdringlichen Duftzuordnen - es war Urin! Ich versuchte meinen Würgereiz zu unterdrücken.

»Ich will, dass du meinen Geruch annimmst«, flüsterte er mir zu.

»Du gehörst jetzt mir!«

Dann stopfte er mir den ganzen Lappen in meinen Mund und befahl ihn auszusaugen und die Flüssigkeit zu schlucken. Ich weigerte mich, versuchte zu schreien und diesen Lappen auszuspucken. Es ging nicht.

»Schluck!«, vernahm ich in seinem Befehlston. Ich schreckte zusammen. Das war endgültig zu viel! Ich schüttelte meinen Kopf und bekam daraufhin direkt einen Hieb auf meinen Rücken. »Schluck!«, zischte er noch einmal. Diesmal folgte ich seiner Forderung, um weitere Hiebe zu vermeiden. »So ist es brav«, lobte er mich dann. Ich kann gar nicht sagen, welches Gefühl in diesem Moment in mir überwog: meine Übelkeit, die Abscheu dem gegenüber, was ich gerade ertragen musste oder die Wut gegenüber der Person, die mir dies angetan hatte. Er hörte auf, löste mich von allen Fesseln und zog mich zu sich hoch. Mir war furchtbar kalt, ich zitterte und hatte absolut keine Kraft mehr. Endlich nahm er mir die Augenbinde ab. Am liebsten wäre ich sofort in sein Badezimmer gestürzt, um mich zu duschen und mich von diesem Gestank zu befreien. Verärgert blieb ich aber still stehen und sagte kein Wort. Unschuldig schaute er mich an, nahm mich in seinen Arm und drückte mich fest an sich. Obwohl ich ihn gerade unsagbar hasste, war das schlagartige Gefühl von Geborgenheit sehr schön und befreiend gewesen.

»Bist du jetzt böse auf mich?«, fragte er mich mit sanfter Stimme.

»Nein«, sagte ich, obwohl es ganz laut, »Oh ja und wie ich dich hasse und wütend auf dich bin!«, in mir schrie.

»Mir ist schlecht«, hängte ich leise an, »und mir tut alles weh«.

»Das tut mir leid«, beteuerte er und fragte mich, warum ich denn nichts gesagt hätte.Wirklich beschweren hätte ich mich nicht können, musste ich mir eingestehen, denn ich hatte mir ja alles selber eingebrockt und er hatte mich vorab gewarnt. Zudem hatte er auch gedroht, dass es kein›Safeword‹oder Stopp geben und nur nach seinen Regeln gehen würde.

»Ich kann das nicht«, sagte ich dann langsam. »Das mit den Schmerzen kann ich nicht, tut mir leid.«

»Komm her«, er drückte mich wieder fester an sich. »Ich will dir doch nicht wehtun. Warum hast du denn nicht geschrien oder mir zwischendurch irgendein Zeichen gegeben?«, fragte er mit ruhiger Stimme.

Sehr witzig. Er hatte absichtlich jeden meiner Hilfeschreie mit Schlägen verstummen lassen.

»Ich möchte, dass du mir vertraust. Wir werden uns langsam herantasten und deine Grenzen immer mehr erweitern. Du warst gerade eben doch ganz schön erregt, oder? Da war ja eine richtige Pfütze unter dir auf dem Boden.« Er schaute mir in die Augen und grinste mich an. »Ich werde deine Lust immer mehr steigern. Du wirst die Schmerzen bald lieben lernen und danach verlangen, von mir geschlagen zu werden«, versprach er.

Das bezweifle ich stark, dachte ich und schüttelte dabei abgeneigt mit dem Kopf.

Obwohl sich anfangs alles so ekelig angefühlt hatte und ich mich ihm nur voller Abscheu und Widerwillen hingab, kam es am Ende doch so, wie er es vorausgesagt hatte. Er schaffte es, mich mit seiner charmanten Art immer wieder um den Finger zu wickeln und letztendlich die Oberhand zu behalten.

Wir blieben circa drei Monate zusammen. Zurückblickend kann man die Beziehung wohl eine ›Zweckbeziehung‹ nennen. Ich bekam seine scheinbare Zuwendung und ließ mich im Gegenzug von ihm benutzen und gehorchte. Zudem gab er mir Halt und ich fühlte mich nicht einsam. Im Laufe der ersten Wochen hatte er mich in seine Vorlieben eingeweiht und mir gezeigt, wie ich mich ihm gegenüber und in seiner Gegenwart verhalten solle. »Du wirst mich nur mit ›Mein Herr‹ ansprechen, dich immer für alles bedanken und wenn ich es verlange, meine Füße küssen. Zudem wirst du von nun an deinen Kopf in meiner Gegenwart gesenkt halten und mir niemals direkt in die Augen gucken, bis ich es dir erlaube.« Bald stellte er immer absurdere Regeln auf, welche ich unmöglich einhalten konnte. Zum Beispiel durfte ich bestimmte Wörter nicht mehr benutzen, welche sich in meinem alltäglichen Wortgebrauch verfestigt hatten. Die Bestrafung bei Verstoß dieser Regeln fiel meist in Form von Schlägen aus. Ich widersprach nicht und spielte sein Spiel mit. Hätte ich keinen Gehorsam gezeigt, wäre die Beziehung wahrscheinlich sehr schnell beendet gewesen. Mein Verlangen nach Schmerz und die dadurch neu gewonnene Lust wurden mit der Zeit immer größer. Es war wie eine unerklärliche Hass-Liebe. Ich fühlte mich schlecht und ausgenutzt, schmutzig und oft beschämt, aber doch zugleich auch lebendig und sehr erregt.

Immer wieder ließ ich mich auf Dinge ein, die ich mir nicht einmal in meinen wildesten Fantasien hätte vorstellen können und mir vor allem nie hätte träumen lassen, sie wirklich auszuleben.

Indem ich mir selbst beibrachte, immer größere Schmerzen zu ertragen, wollte ich mir selbst beweisen, dass ich stark war und ich meinen Körper und meine Gefühle unter Kontrolle hatte. Ich ließ mich demütigen, auch wenn ich es verabscheute, aber konnte zugleich meinen Stolz nicht besiegen und wollte keine Schwäche zeigen.

Gefallen wollte ich ihm, so wie all meinen Ex-Partnern in meinen vorherigen Beziehungen. Im Gegenzug sollte er nur mich lieben, mich begehren. Ich wollte wertvoll und unersetzbar für ihn sein. Durch meinen Gehorsam versuchte ich dies zu erzwingen.

Unsere Beziehung lief so eine Zeit lang gut, mit anfangs täglichem Kontakt und Telefonaten. Nach ein paar Wochen wurde dies allerdings stetig weniger und das Gefühl, dass ich für ihn plötzlich zur Nebensache geworden war, breitete sich in mir aus.

Nach seiner anfangs überschwänglichen und fast erdrückenden Zuwendung und Aufmerksamkeit kam auf einmal, scheinbar grundlos, fast gar nichts mehr von ihm. Er war ständig am Arbeiten und schickte mir oft Bilder von irgendwelchen Meetings, die er mit Geschäftsleuten führte. Diese Alibibilder ließen mein Misstrauen nur noch mehr wachsen. Ab und zu, wenn ich dann mal in seiner Wohnung war, bemerkte ich, dass diverse Utensilien, wie Gerte und Seile, nicht an ihrem normalen Platz lagen. Mein schlechtes Bauchgefühl meldete sich: »Hier stimmt doch etwas nicht!«, davon war ich überzeugt. Jedes Mal, wenn ich ihn misstrauisch darauf ansprach, fragte er empört, was ich ihm unterstellen würde.

»Da war meine Putzfrau wohl wieder einmal schlampig«, lautete seine faule Ausrede.

Es dauerte eine ganze Zeit, bis ich bereit war mich von ihm zu lösen. Ich mochte ihn und wollte ihn nicht verlieren, andererseits wollte ich aber nicht länger als Sexspielzeug und bloßer Zeitvertreib dienen.

Irgendwie hatte er es geschafft, mich emotional komplett abhängig von ihm zu machen. Letztendlich half mir meine Überzeugung von seiner Unehrlichkeit mir gegenüber, den Schritt der Trennung zu gehen. Er hatte andere Frauen neben mir, das wusste ich, auch wenn ich keine konkreten Beweise hatte. Der Gedanke, dass er mich belog und hinterging, stimmte mich sehr traurig. Er hatte mein Vertrauen, welches ich ihm bedingungslos geschenkt hatte, verraten.

Das letzte Mal, als wir uns auf meine Bitte hin trafen, tat er so, als ob er nicht wüsste, worauf ich anspielte. Dennoch verrieten ihn seine grinsenden Augen. Er schien fast traurig, als ich ihm sagte, dass ich mich trennen will.

»Du kannst mich doch nicht einfach verlassen!« warf er mir vor.

Und ob ich das kann!, dachte ich höhnisch. Ich hatte ihm meine Befürchtungen hinsichtlich seiner Affären offenbaren wollen, aber entschloss mich es nicht zu tun, da ich wusste, dass er mir die Wahrheit sowieso nicht sagen würde.

»Ich kann und will eine Beziehung so nicht - ich brauche mehr«, erklärte ich knapp.

»Wir können doch erst einmal eine Pause machen, uns beiden Zeit geben und dann weitersehen?«, schlug er fragend vor.

Pause machen, dachte ich, wie alt sind wir denn? Wenn man mit jemandem zusammen sein will, dann tut man alles dafür, um das möglich zu machen. ›Pause machen‹ bedeutete für mich ›hinhalten‹. Ich fragte mich langsam, ob er vielleicht gerade zwischen einer anderen Frau und mir abwägte. Falls es mit der anderen nicht klappen würde, hätte er immer noch mich auf der Warmhalteplatte. So einen Scheiß mache ich nicht mit!, dachte ich entschlossen.

»Ich will keine Pause«, brachte ich mit selbstsicheren Worten hervor, »und wenn ich mich einmal getrennt habe, dann ist das auch meine endgültige Entscheidung.« Das ist wirklich so, das hatte ich mir schon früher geschworen. Aus Erfahrung habe ich gelernt, dass es beim zweiten Anlauf mit dem Ex-Partner sowieso nichts wird, da die alten Probleme meist weiterhin bestehen bleiben. Also stellte ich mir die Regel auf, dass eine Trennung ein wirklich endgültiger Schlussstrich für mich bedeutet.

»Bringst du mich jetzt bitte zurück zum Bahnhof?«, bat ich ihn nach einer Weile des Schweigens. Er nickte wiederwillig. Während der kurzen Fahrt in seinem Auto guckte er mich immer wieder mit traurigem Blick an.Das kannst du dir sparen, damit kriegst du mich nicht wieder rum!

»Du wirst schon ohne mich klarkommen«, sagte ich überzeugt und selbstbewusst. Innerlich empfand ich dabei ein kleines Triumphgefühl. Endlich setzte ich einmal meinen Willen durch. In gewisser Weise war ich auch froh, mit meiner Entscheidung endlich die Probleme, die negativen Gedanken und die Eifersucht, welche mich die letzten Wochen über gequält hatten, gelöst zu haben. Ich gab ihm einen flüchtigen Abschiedskuss und stieg aus. Auf dem Weg über den Bürgersteig hin zum Bahnhofseingang drehte ich mich nicht um.

Das war das letzte Mal, dass ich ihn sah.

Die neue Beziehung

Diese sich danach einstellende Leere des Alleinseins plagte mich von Tag zu Tag und wurde über die nächsten Wochen und Monate fast unerträglich. Ich empfand ein unbefriedigendes Gefühl der Einsamkeit und Unzufriedenheit in mir, welches ich mir nicht erklären konnte. Eigentlich hätte ich doch glücklich und zufrieden sein müssen. Mir ging es gut, ich hatte meine Kinder und einen neuen Job, der mich auf neue Art und Weise herausforderte. Dieser Job war mein rettender Absprung gewesen, da er mir die nötige finanzielle Unabhängigkeit brachte, die mir endlich den Umzug in meine erste eigene Wohnung ermöglichte, weg von meinen Eltern. Der Umzug in die Großstadt würde mir viele neue Möglichkeiten eröffnen.

Von der Hilfe meiner Eltern, die unsere erste Anlaufstelle nach der Trennung meines Mannes und unserem Rückzug von Neuseeland nach Deutschland gewesen waren, konnte ich mich nun auch endlich lösen.

Trotz der Freude verspürte ich zur gleichen Zeit eine riesengroße Angst. Ich war noch nie zuvor als Alleinerziehende komplett auf mich selbst gestellt gewesen, in einer Stadt, die ich nicht kannte und in einem Land, in welchem ich seit gut neun Jahren nicht mehr gelebt hatte. Meine Mutter war der Überzeugung, dass ich das alleine sowieso nicht schaffen würde und es sicherer für mich und meine Kinder sei, bei ihnen zu bleiben. Vielen Dank für die aufmunternden und ermutigenden Worte, dachte ich sauer. Ich hatte oft das Gefühl, dass meine Mutter alles nur pessimistisch und negativ sehen konnte, was mich sehr verärgerte. Man muss auch mal was wagen, sonst kommt man im Leben ja gar nicht voran!, versuchet ich mich selbst zu ermutigen. Das Leben bei meinen Eltern war extrem anstrengend und belastend geworden - für alle Betroffenen. Dort zu bleiben war absolut keine Option gewesen.

Dieses Gefühl, dass ich zur Selbstständigkeit unfähig bin, welches mir meine Eltern schon seit meiner Jugend vermittelten, machte mich wütend. Mein automatischer Trotz, den ich über die Jahre entwickelt hatte, setzte sofort ein. Ich würde mir selbst und allen anderen, die an mir und meiner Fähigkeit mein Leben alleine meistern zu können zweifelten, beweisen, dass ich es alleine doch schaffen würde - und zwar erfolgreich!

Meine erste Arbeitsstelle hier in Deutschland im Krankenhaus, musste ich wegen eines Burn Outs aufgeben. Die Ärztin riet mir damals, im Rahmen der Diagnose, erst einmal zu mir selbst zu kommen und mich deshalb auch von Männern fernzuhalten, um jeglichen Stress zu vermeiden.

»Tun Sie nichts, was Sie nervlich zu sehr belasten könnte«, riet sie mir besorgt.

Meine kurze berufliche Pause hatte mir zwar etwas Kraft und Erholung gebracht, war aber mit diesem unerwarteten Arbeitsangebot als Lehrkraft in der Erwachsenenbildung schnell zu Ende gegangen. In gewisser Weise war ich froh darüber gewesen, weil ich es jeden Tag alleine zu Hause mit meinen Kindern nicht aushielt. Ich war unausgelastet und vermisste den sozialen Kontakt zu anderen Menschen. Endlich konnte ich auch wieder als Lehrerin arbeiten, denn als solche war ich immerhin qualifiziert. Nur, dass ich nun keine Kinder, sondern Erwachsene unterrichtete.

Ungeachtet des Rates der Ärztin war ich ein paar Abenteuer mit Männern eingegangen. Die Sex-Freundschaften hatten mir einen kurzen Kick gegeben und etwas Abwechslung in mein Leben gebracht, aber sie erfüllten mich nicht. Mir fehlten die dauerhafte Zuwendung und Nähe. Ich fühlte mich einsam und sehnte mich nach einer festen Beziehung.

Als ich eines Tages meine E-Mails sortierte, stolperte ich über einen alten Kontakt, den ich über die Internetseite gefunden hatte, über welche ich auch meinen letzten Ex-Partner kennengelernt hatte.

Mit diesem Kontakt hatte ich ein paar Mal kurz geschrieben und versucht ein Date zu arrangieren. Da es damals bei uns beiden zeitlich nie gepasst hatte, war der Kontakt irgendwann eingeschlafen. Sein Profil und die darin aufgelisteten Interessen reizten mich immer noch. Er schien auch dominanter Natur zu sein und suchte eine devote Frau. Nachdem ich sichergestellt hatte, dass sein Profil immer noch aktiv war, schrieb ich ihn an. Wir vereinbarten ein spontanes Treffen abends nach seiner Arbeit in einem Café, welches sich um die Ecke seiner Arbeitsstelle befand. Bis zu dem Treffen gab es keinen weiteren Informationsaustausch. Nur ein Bild hatte er mir von sich geschickt, auf welchem man ihn entspannt auf einem Sofa sitzen sah. Sieht ganz attraktiv und sympathisch aus, dachte ich bei der Betrachtung des Bildes. Aber, erst einmal abwarten wie er real so drauf ist, entschloss ich mich dann. Ich würde ihn einfach ganz ungezwungen treffen und dann entscheiden, ob tiefergehendes Interesse besteht oder nicht. Bei zu viel Geschreibe mit einer fremden Person kann schnell ein falsches Bild entstehen und die Erwartungen können sich so hochschrauben, dass man bei der realen Begegnung am Ende enttäuscht ist. Zudem werden persönliche Informationen teils überspitzt oder so zurechtgebogen, dass nicht mal die Hälfte davon auf die reale Person zutrifft. Deswegen war mir mittlerweile ein schnelles privates Treffen lieber, als langes Schreiben.

Ich wartete vor der Tür des Cafés auf ihn. Obwohl es sehr kalt war, trug ich einen kurzen Rock, Strapse, meine Lieblingsbluse und Pumps. Durch meinen Ex-Partner und all das, was ich durch ihn über Devotion gelernt hatte - wie sich eine devote Frau zu kleiden und zu präsentieren hat - wusste ich, dass er ein solches Auftreten wahrscheinlich zu schätzen wissen würde und vielleicht sogar erwartete. Ich wollte ihm gefallen und ihn auch ein wenig scharfmachen.

Ein sehr großer stattlicher, mit einer braunen Schirmmütze und Schal winterlich gekleideter, Mann kam auf mich zu.

»Entschuldige die Verspätung«, brachte er etwas gestresst hervor. Ich lächelte ihn an: »Kein Problem.«

Er öffnete mir die Tür und wir betraten zusammen das Café. Im ersten Augenblick machte er einen eher zurückhaltenden Eindruck auf mich.

»Was möchtest du trinken?«, fragte er, wobei er auf mich herabsah. Durch seine Größe strahlte er eine unheimliche Präsenz aus. Mir fiel auf, dass seine Körperhaltung sehr gerade und standhaft war. Sein Kinn hielt er etwas höher, wodurch er einen leicht arroganten Eindruck auf mich machte.

Er bestellte zwei Cappuccino für uns.

In dem Café schien er sich gut auszukennen und wies mir den Weg an. Am Ende des langen Raumes führte eine Treppe zu einer Sitzecke im ersten Stock. Dort fanden wir einen ruhigen Platz. Während er seine Jacke ablegte musterte ich ihn mit unauffälligen Blicken und bemerkte, dass seine Figur nicht ganz so sportlich war, wie auf dem Bild, welches er mir geschickt hatte. Aha, dachte ich anmaßend, wieder mal die irreführende Nummer des nicht aktuellen Bildes. Es lag auch auf der Hand, dass er nicht der Mann war, dessen Oberkörper man auf seinem Profilbild hatte sehen können. Die Anatomie stimmte überhaupt nicht.

Wir setzten uns an einen kleinen runden Tisch. Er nahm gegenüber von mir Platz und faltete sachlich seine Hände. Mir fiel auf, dass diese sehr gepflegt waren.

Nun, da ich ihn etwas besser auf Augenhöhe betrachten konnte, war ich unentschieden, ob ich ihn attraktiv fand oder nicht. Sehr sympathisch sah er schon aus, mit seinem perfekt getrimmten Dreitagebart, welcher die kurz rasierten Haare auf seinem Kopf komplimentierte und seinen großen freundlichen Augen, die Vertrauenswürdigkeit und Wärme ausstrahlten. Wäre er mir auf der Straße begegnet, hätte ich ihm allerdings aufgrund seines Aussehens eher weniger Beachtung geschenkt. Aufgefallen wäre er mir vorrangig wegen seiner beachtlichen Körpergröße.

An unser genaues Gespräch kann ich mich nicht mehr erinnern, nur an Eindrücke, Gefühle und Brocken von Informationen. In unserem Austausch über Privates kam heraus, dass die Altersangabe, die in seinem Profil stand, nicht seinem wirklichen Alter entsprach. Es bestand ein Unterschied von fünf Jahren, die er sich jünger gemacht hatte. Seine Erklärung für die falsche Angabe lautete, dass er Angst habe, Patienten könnten ihn über sein Profil auf dieser unkonventionellen Webseite wiedererkennen. Verständlich, dachte ich, wobei man sich in dem Falle fragen könnte: »Was suchen die Patienten auf der Webseite?«. Ich konnte seine Erklärung nachvollziehen. Ich würde auch nicht wollen, dass mich einer meiner Arbeitskollegen oder gar Schüler auf dieser Webseite erkennt. Das wäre mir mehr als unangenehm und peinlich gewesen!

Das Schlüsselwort ›Patient‹ löste meine nächste Frage aus: »Was machst du eigentlich beruflich?« Seine Antwort kam etwas zögernd. Er sagte, er sei Arzt, aber die Sorte Arzt, vor der die meisten Menschen Angst hätten. Das könnte jeder Arzt sein!, lachte ich in mich hinein. Meine erste Annahme war Zahnarzt. Vor dem hätte ich am meisten Angst, überlegte ich, fand aber, dass er irgendwie nicht wie ein Zahnarzt aussah. Dann erklärte er, dass er die ›Verrückten‹ heile. Jetzt war mein Interesse geweckt. Psychologie hatte mich schon immer sehr interessiert und mit Aspekten davon, vor allem was die Entwicklung und das Lernverhalten von Kindern betraf, hatte ich mich bereits in meinem Studium intensiv beschäftigt.

»Sehr interessant!«, bemerkte ich.

Im weiteren Gespräch stellte sich heraus, dass er einen meiner Berufe, nämlich die Fotografie, als Hobby teilte. Wir schienen also, zumindest was die Interessen betraf, einiges gemeinsam zu haben. Das ist ja schon mal keine schlechte Basis für eine potentielle Partnerschaft, lautete mein Fazit.

Plötzlich fiel mir auf, dass er einen Ring trug. Ich versuchte mich daran zu erinnern, was genau in seinem Profil gestanden hatte. Ich war mir sicher, dass in seinem Status ›Single‹ angegeben war. Vielleicht noch eine falsche Angabe? Ich zeigte auf den Ring: »Du bist verheiratet?«.

»Nein, ich war verheiratet, aber bin schon seit ein paar Jahren geschieden. Ich trage den Ring schon länger, sozusagen alibimäßig«, erklärte er. Ein Stein fiel mir vom Herzen. Auf einen verheirateten Mann hätte ich mich niemals eingelassen.

»Warum alibimäßig?«, wollte ich sofort wissen.

Er machte eine Andeutung, dass er sich vor möglichen Annäherungsversuchen von weiblichen Patienten schützen wolle. Seine Erklärung hörte sich plausibel an.Ich trage immerhin gelegentlich auch einen Ring an meinem rechten Ringfinger, überlegte ich.

Ich fragte ihn, wie es mit Ex-Beziehungen bei ihm aussah.

»Ich hatte ein paar. Manche dauerten nur wenige Wochen und andere einige Monate bis Jahre«, erklärte er knapp. Normalerweise hätte ich mir nach solch einer Aussage ernsthafte Gedanken machen müssen, ob dieser Mensch überhaupt beziehungsfähig ist, aber ich wusste ja, dass er schon eine sehr lange Ehe hinter sich gebracht hatte.

»Was suchst du denn jetzt genau?«, fragte ich und erklärte, dass ich persönlich eher eine feste Beziehung anstrebte, wenn es denn passte.

»Ich möchte auch eine feste Beziehung, Liebschaften sind mir zu oberflächlich«, antwortete er. Seine Antwort erfreute mich. Wir schienen zumindest schon einmal dasselbe Ziel zu verfolgen.

Das Thema Sex, Dominanz und Devotion war nur kurz zur Sprache gekommen. Alles war eher sachlich und distanziert besprochen worden. Ich erzählte ihm von meiner Ehe und dass mein Sexleben während dieses Lebensabschnittes so gut wie abgeebbt war und offenbarte ihm, dass ich lange Zeit überhaupt nicht gewusst hatte, was ich denn genau wollte und brauchte.

»Und jetzt weißt du es?«, fragte er gespannt.

»Ja, ganz sicher. Devot war ich schon immer, nur war mir eben nicht bewusst, dass man das so nennt«, erklärte ich selbstbewusst und etwas stolz. Ich erwähnte meine letzte Beziehung und wie ich dadurch gelernt hatte, dass mich Dominanz zwar unheimlich anturnt, aber dass ich diesen Quatsch mit irgendwelchen Regeln nicht noch einmal mitmachen würde. Wir waren uns beide einig, dass wahre Dominanz keine Regeln brauchte.

»Ich finde so etwas auch völlig unangebracht«, bekräftigte er. »Das sind immer diese ›Möchtegern-Doms‹«, fuhr er sachlich fort. Bei ihm gäbe es keine in Worte gefassten Regeln, da eine wirklich devote Frau ihm das, was er brauchte, aus Liebe heraus freiwillig geben würde, konkretisierte er. Diese neue Definition der Devotion hörte sich für mich wunderschön und romantisch an. So sollte es doch eigentlich in jeder Beziehung sein, dachte ich, dass der Partner aus Liebe und Wohlwollen heraus bereit ist zu geben.

Er sprach von einem Beziehungsmodell, welches auf vollstem Vertrauen und bedingungsloser Hingabe basiert. Seine Erläuterungen deckten sich mit meiner Vorstellung einer glücklichen und erfüllten Beziehung. Ich hatte nicht nur das Gefühl, dass er mich verstand, sondern auch, dass er wirklich ein Mann war, der mir genau das geben konnte, wonach ich schon mein ganzes Leben lang gesucht hatte. Dies erfreute mich.Die Art und Weise, wie er redete war die ganze Zeit über sehr ruhig, sachlich und gelassen gewesen. Solch ein Verhalten war ich nicht gewohnt von Männern. Die meisten schienen oft so unentspannt, redeten viel zu viel und dann auch ausschließlich nur über sich selbst. Ich merkte, wie sich seine Ruhe auf mich übertrug, was ich als sehr angenehm empfand und verlor langsam meine innere Nervosität und Aufgeregtheit.Diesmal war ich diejenige gewesen, die wie ein Wasserfall sprach. Du redest dich schon wieder um Kopf und Kragen!, warnte ich mich.

Beim ersten Treffen redete ich oft zu viel, um meinen inneren Drang mich selbst zu erklären - ja rechtfertigen zu müssen - zu befriedigen. Was er jetzt wohl über mich denkt?, fragte ich mich nervös. Ein leicht mulmiges Gefühl stieg in mir auf. Nachdem ich nun wusste, was er beruflich machte, fühlte ich mich durchschaut. Wahrscheinlich hatte er mich bereits komplett analysiert.

»Keine Angst, ich analysiere nicht gleich jeden und bleibe erst einmal neutral«, versicherte er mir.

Was für ein Quatsch – jeder macht sich automatisch ein Bild von seinem Gegenüber. Das kann man doch nicht einfach abschalten, dachte ich skeptisch. Schnell beruhigte mich jedoch der Gedanken, dass er auch nur ein Mensch ist und sicherlich ebenso seine Schwächen und Fehler hatte wie jeder.

Unser Gespräch war, meiner Ansicht nach, alles in allem sehr angenehm, zugleich aber auch recht unspektakulär verlaufen.

Als wir nach knapp über zwei Stunden auseinandergingen, hätte ich nicht sagen können, dass er mich total umgehauen hatte.

Es folgten ein paar Tage Funkstille. Dann erhielt ich unerwartet eine Nachricht von ihm: »Sehen wir uns nochmal?« Hätte er sich nicht gemeldet, wäre von meiner Seite her wahrscheinlich nichts mehr gekommen. Ich hatte nicht das große Bedürfnis empfunden, ihn unbedingt wiedersehen zu müssen. Das Gefühl ihm gegenüber war eher gleichgültiger und neutraler Natur gewesen. Trotzdem freute ich mich über seine Nachricht und fühlte mich geschmeichelt, da offensichtlich Interesse seinerseits bestand, weshalb meine Antwort »Ja gerne!« lautete.

Unser zweites Date war zeitlich sehr begrenzt gewesen. Er hatte sich eine Stunde über Mittag zwischen seinen Arbeitsterminen freihalten können.

Es war ein schöner Frühlingstag, an dem wir uns wiedersahen. Kalt war es noch, aber die Sonne schien und die Temperatur war zumindest etwas gestiegen, weshalb wir beschlossen einen kleinen Spaziergang zu machen - beide mit einem ›To Go‹Kaffee in der Hand. Noch eine Gemeinsamkeit, wie wir feststellten –wir waren beide leidenschaftliche Kaffeetrinker.

Er schien dieses Mal fröhlicher gestimmt und nicht ganz so müde wie bei unserem ersten Treffen. Am Anfang unseres Spazierganges bemerkte er beiläufig, dass er noch nie zuvor solch eine Art von Date gehabt hatte.

»Wie meinst du das?«, fragte ich interessiert. Bei seinen vorherigen Dates war es wohl immer recht schnell zur Sache gegangen, berichtete er mir.

»Im Café hast du sehr sexy ausgesehen. Am liebsten hätte ich dich dort auf der Stelle genommen«, grinste er mich an. Seine Worte verblüfften mich. Innerlich freute ich mich über das Kompliment und merkte, wie meine Wangen heiß wurden. Während unseres Café-Dates hatte er keine Komplimente oder Bemerkungenhinsichtlich meines Aussehens gemacht. Die Vorstellung von ihm genommen zu werden, erregte mich etwas. Mein früheres Ich hätte niemals solche Unterhaltungen geführt. Meinem früheren Ichwäre es viel zu peinlich gewesen, auch nur das Wort Sex auszusprechen. Aber mittlerweile, vor allem nach meiner letzten Beziehung, war fast jede Scham von mir gewichen und ich hatte keine Hemmungen mehr über intime Details zu reden. Sex hat doch sowieso jeder, warum also nicht offen darüber sprechen?

»Ich hätte dir im Café unter dem Tisch einen geblasen«, führte ich diese Fantasie fort.

»Oh ja – das hätte mir gut gefallen. Ich hätte dir schön in den Mund abgespritzt!« Sein Grinsen wurde immer breiter. Seine plötzliche Direktheit überraschte mich positiv. Im Café hatte er so sachlich und spießig korrekt gewirkt.

Unser immer langsam werdender Spaziergang kam zum endgültigen Stillstand. Mit seiner rechten Hand fuhr er an meinen Nacken, zog mich ruckartig an sich und küsste mich. Es war ein inniger fordernder Kuss. Nicht der beste, den ich je gehabt hatte - ich mochte eher langsamere, innige und leidenschaftliche Küsse – aber gut genug. Manchmal frage ich mich, ob man von der Art und Weise, wie jemand küsst, auf dessen Persönlichkeit schließen kann. Die Kategorisierung könnte dann etwa so aussehen: Langsam und innig – vielleicht ein romantischer, eher weich und zart besaiteter Charakter; schnell und fordernd – ein selbstbewusst- und stark auftretender Charakter. Wer weiß, dachte ich, den Gedanken beiseiteschiebend.

Ab dem zweiten Date schrieben wir uns regelmäßig jeden Tag. Ich hatte auf einmal ein ganz anderes Bild von ihm. Seine Art und Offenheit reizten mich sehr und der Umgang mit ihm war mir schnell vertraut geworden. Er war anders als die meisten Männer, denen ich bis jetzt begegnet war – nicht so verklemmt und aufgesetzt.

Die Meinung, dass man sich Zeit lassen sollte, wenn man jemanden gerade erst kennengelernt hat, vertrete ich nicht. Was ist denn falsch daran einer Person sofort persönliche Fragen zu stellen, wenn sie mich sehr interessiert? Und was ist falsch daran viel Zeit mit der Person verbringen zu wollen? Nur so lernt man sich doch überhaupt kennen.

»Ich möchte gerne alles über dich wissen«, teilte ich ihm neugierig, aber zugleich etwas verlegen, mit.

»Frag einfach. Wenn ich etwas nicht beantworten möchte, werde ich es dir schon sagen«, ermutigte er mich. Dass er nicht gerne über seine Kindheit und Jugend sprach, lernte ich schnell. Alle anderen Fragen beantwortete er sofort und seine Einstellungen und Ansichten schienen immer perfekt mit meinen übereinzustimmen.

Wir hatten unser Kennenlernen in ein Spiel verwandelt. Ich mochte dieses Spiel und er ließ sich gerne darauf ein. Jeder durfte insgesamt drei Fragen pro Tag an den anderen stellen. Wir schrieben uns überwiegend per Handy. Ich hatte mich in der Vergangenheit oft zu schnell auf Männer eingelassen, obwohl ich gar nichts über sie wusste. Das wollte ich nun ändern.

»Was spendet dir Trost?«, lautete eine meiner ersten Fragen.

»Trost spendet mir im Moment leider niemand. Alle in meiner Umgebung sind nicht stark und verständnisvoll genug, aber es kommen auch wieder bessere Zeiten«, erklärte er. Seine Antwort hatte etwas Trauriges und klang in gewisser Weise bemitleidenswert. Genau diesen Eindruck hatte er mir auch bei unserem ersten Treffen im Café vermittelt.

Nun kam seine Frage: »Wie devot bist du und was gefällt dir daran devot zu sein?« Gute Frage, überlegte ich. »Ich ordne mich meinem Partner gerne unter und erteile ungerne Befehle. Mir ist es wichtig meinem Partner zu gefallen und ihn zufriedenzustellen. Gerade beim Sex mag ich es, wenn mein Partner dominant ist – das macht mich an. Was mir daran gefällt? Dass ich mich fallen lassen kann. Devotion bedeutet für mich Freiheit- so kann ich mich fallen lassen. Ich hoffe, dass macht Sinn?«, erklärte ich kurz.

»Sehr gut!« Meine Antwort schien ihn zu erfreuen.

»Und was ist deine tiefste devot-masochistische Fantasie?« Bei der Frage kam ich etwas ins Schwitzen. Sollte ich dies ehrlich beantworten? »Vergewaltigt zu werden, aber von einem geilen Typen«, schrieb ich nach langem Zögern und hoffte, dass er mich nach dieser Antwort nicht für völlig verrückt erklären würde.

»Ist das ein Traum oder reale Fantasie, also, ein aktueller Wunsch?«, hakte er nach.

»Es war ursprünglich ein Traum, aber der hat sich mittlerweile zu einem Wunsch entwickelt«, gestand ich.

Das hört sich irgendwie falsch und brutal an, dachte ich beschämt. Wobei – Wünsche und Träume sind so ein Thema. Was in der Fantasie passiert und was man dann in der Realität umsetzt, sieht oftmals ganz anders aus. In der Realität fühlt sich alles anders an und spielt sich meist abweichend von den eigenen Vorstellungen ab.

»Ein schönes Spiel. Ich bin gespannt, was du mir die nächsten Tage noch so alles von dir verraten wirst«, schrieb er und fuhr fort, »Ich hätte dich jetzt gerne bei mir. Ich stelle mir gerade vor, was ich mit dir machen würde, wenn du, auch mit deinen Kindern, mir gehören würdest. Wieich den Tag für dich planen würde und was ich mit dir täglich anstellen würde.«

»Freut mich zu hören, dass du dir darüber Gedanken machst!«, antwortete ich mit leichten Schmetterlingsgefühlen im Bauch. Endlich ein Mann, der sich konkret seine Zukunft zusammen mit mir und meinen Kindern vorstellen konnte. Nicht so eine Romanze, die langsam vor sich hinvegetierte, nach dem Motto »Lassen wir es einfach mal laufen und gucken, was sich daraus entwickelt« und am Ende verläuft sich alles, weil sich beide Parteien der Beziehung nicht verpflichtet genug fühlen.

Die oberflächliche und unverbindliche Einstellung vieler, vor allem was das Thema Partnerschaft anging, nervte mich gewaltig! Mir war dabei bewusst, dass ich ihn gerade erst kennengelernt hatte, aber man hat ja oft automatisch diverse Vorstellungen und Erwartungen, was die Zukunft mit einem neuen Partner anbelangt.

»Erzähl mir mehr von deinen Vorstellungen«, bat ich ihn.

Ich befand mich gerade auf der Arbeit. Meine Schüler schrieben einen Test und ich war kurz vor dem Einschlafen vor Langeweile. Ein junger Mann spielte direkt vor dem Fenster wunderschöne, leichte und fließende Musik auf einem Klavier, welches er mitten auf der Fußgängerzone aufgebaut hatte. Die bittersüße Melodie ließ meine Gedanken wandern, wobei ich in romantischen Vorstellungen versank. Ich dachte an ihn.

Meine Vorfreude auf das Arbeitsende und unser baldiges Treffen war groß. Sie verlieh mir neue Kraft und Motivation, die letzten Stunden auch noch durchzuhalten.

Unsere Treffen machten meinen gewöhnlichen Alltagstrott und mein Leben auf eine spannende Art und Weise wieder lebendig. Wir hatten uns schon einige Male unter der Woche, meist zwischen oder nach unserer Arbeit, getroffen.

»Ich wünschte, es wäre schon halb sieben«, schrieb ich ihm.

»Ja, das will ich von dir hören. Ich freue mich auch schon sehr auf dich! Meine Gedanken zu dem, was du gefragt hattest: Ich sehe dich nackt bei mir zu Hause, wenn die Kleinen im Kindergarten oder in der Schule sind. Du kümmerst dich darum, dass es mir gut geht und danach kommt dann dein Alltag für dich.«

»Die Vorstellung gefällt mir sehr!«, freute ich mich.

Ich träumte schon immer von einem Partner, der nur mich wollte. Dessen sexuelle Bedürfnisse und Fantasien nur ich erfüllen konnte. Eine erotische und leidenschaftliche Beziehung, in der wir beide eins sein würden. »Deine Wünsche würde ich dir liebend gerne erfüllen und dich eventuell zwischendurch auf deiner Arbeit besuchen«, schrieb ich.

»Und mir Essen bringen«, führte er meinen Satz fort, »Und ich brauche meinen Mittagsfick. Oder wenn ich dich bei meinen Telefonkonferenzen dabeihabe, will ich deinen Mund an meinem Schwanz«, veranschaulichte er mir seine erotischen Vorstellungen.

»Es freut mich wirklich sehr, dass du dir zumindest vorstellen kannst, mit der Situation und meinen Kindern klarzukommen.«

»Klar! Ich bin Realist und kein Möchtegern Dom-Sad-Kerl«, bekundete er. »Außerdem mag ich deine Kleinen. Sie gehören zu dir und deinem Leben. Ich will dich entspannt und ich will dich ganz für mich, wenn deine Süßen nicht im Mittelpunkt stehen.«

Seine Worte hörten sich perfekt und glaubwürdig an. Dass ich Kinder habe, kann ich nun mal nicht ändern. Die meisten Männer kamen damit nicht klar. Liebschaften waren okay, aber feste Beziehungen – niemals! Alleinerziehende zu sein ist wirklich in jeglicher Hinsicht eine Herausforderung. Das musste ich leider immer wieder feststellen.

»Ich will dich, verstehst du? Ich will, dass du nur mir gehörst!«

Bedeutet das, dass er so schnell eine feste Beziehung möchte?, wunderte ich mich, aber traute mich nicht direkt nachzufragen.

Das erste Mal, als er uns besuchte, war er mit einem Blumenstrauß gekommen und führte uns zum Mittagessen aus. Solch eine Art von Aufmerksamkeit kannte ich gar nicht. Ich freute mich sehr über seine Bemühung mich zu beeindrucken. Auch bei meinen Kindern hatte er einen guten Eindruck hinterlassen. Für einen Augenblick fühlte sich alles wie eine richtige kleine, glückliche und harmonische Familie an. Eigenwillig übernahm er die vorbildliche Vaterrolle und kümmerte sich darum, dass es uns allen gut ging. Meine Kinder benahmen sich zum Glück gut. Nur meine Jüngste stellte wie immer ihre Forderungen. Ich machte mir Sorgen, dass ihr leicht aufmüpfiges Benehmen vielleicht seine Entscheidung, eine feste Beziehung mit mir eingehen zu wollen, ändern könnte.

»Benimm dich«, bat ich sie und fühlte mich dabei etwas angespannt.

»Die Kleine ist ja eine richtige Diva«, bemerkte er grinsend, »das gefällt mir. Sie wird später im Leben weit kommen!«

»Mein Ziel ist es eigentlich nicht, sie zu einer kleinen Diva zu erziehen«, widersprach ich sofort. Ich mochte solch ein aufmüpfiges Benehmen nicht.

Bei unserem ersten Date hatte er mir erzählt, dass er Kinder sehr liebe und sich schon immer welche gewünscht hatte - am liebsten Mädchen. Er und seine damalige Frau hatten wohl sehr lange probiert ein Kind zu zeugen, allerdings ohne Erfolg. Ich empfand deswegen Mitleid mit ihm, da ich genau wusste, wie sich der unerfüllte Kinderwunsch anfühlt. Meine allererste Schwangerschaft war nach drei Monaten unerwartet in einer ›verpassten Abtreibung‹ geendet. Bei der zweiten Ultraschalluntersuchung hatte mir die Ärztin kurz und kalt mittgeteilt, dass sie keinen Herzschlag feststellen könne und war dann einfach aus dem Untersuchungsraum gestürmt. In diesem Moment war die Welt über mir zusammengebrochen und all mein Glück innerhalb von Sekunden vollkommen zerstört. Ich fiel in eine schwere Depression und zu allem Überfluss musste ich auch noch einer OP unterziehen, um den toten Fötus ausschaben zu lassen und somit mögliche Infektionen in meiner Gebärmutter zu verhindern. Aber das Allerschlimmste war, dass ich die nächsten Monate das Schwangerschaftsglück meinerFreundin hatte miterleben müssen, die zum gleichen Zeitpunkt wie ich schwanger geworden war.