EIN KIND DER SCHWERELOSIGKEIT - Clemens Berger - E-Book

EIN KIND DER SCHWERELOSIGKEIT E-Book

Clemens Berger

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Beschreibung

Kunst in der Schwerelosigkeit. Das ist noch nie dagewesen! Während einer Reihe von Parabelflügen sollen vier Künstler kreativ werden. Die politisch engagierte Maria Dos Santos will mit einer schwebenden Installation Kritik am Umgang der Polizei mit den Rettern von Flüchtlingen üben, der Dichter Sonntag will in der Schwerelosigkeit ein spontanes Gedicht verlesen, während der Portraitmaler Reich seine Pläne noch geheim hält. Der exzentrische Pariser Künstler Boris Vermont schließlich schockt mit seiner Idee alle. Er will in der Schwerelosigkeit ein Kind zeugen. Die Reaktionen der Kuratorin, der wissenschaftlichen Leiterin und der anderen Künstler reichen von amüsiertem Interesse bis hin zu Entrüstung. Ist sowas überhaupt möglich? Ist das noch Kunst, oder nur sinnlose Provokation? Und überhaupt, welche Frau würde sich dazu bereit erklären? Vermonts Freundin Lucille jedenfalls weigert sich, Teil seines Kunstprojektes zu werden. Durch eine Zeitungsannonce findet er schließlich Isabelle, die von seinem Vorhaben fasziniert scheint. Doch während sich die Künstler auf die Erfahrung der Schwerelosigkeit vorbereiten wird deutlich, dass Vermont, von seiner Idee des "Kunstwerks Zeugung" geblendet, weder seine eigenen Vatergefühle, noch das Schicksal des Kindes mit einkalkuliert hat.

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Seitenzahl: 58

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PERSONEN

BORIS VERMONT, Künstler

LUCILLE, seine Freundin

MARTIN ANDREAS REICH, Künstler

MARÍA DOS SANTOS, Künstlerin

KASIMIR SONNTAG, Dichter

MIA SIMON, Kuratorin

FRAU DOKTOR HEINRICH, Wissenschaftlerin

ISABELLE COURTOIS, eine Frau Ende Dreißig

NOEMIE, ihre Freundin

EINE KELLNERIN

E I N S

Eins

Vermont und Lucille schlafen auf der Couch. Auf dem Boden Weinflaschen und Kokainspuren. Es ist dunkel, als der Wecker läutet.

LUCILLE Mein Gott Boris Stell das Höllending ab

VERMONTküsst sie Wie schön es war Sein Engelchen Bereits um fünfe in der Früh

nimmt das Mobiltelefon, stellt den Wecker ab, steht auf, macht Herman Düne an, My Home Is Nowhere Without You

LUCILLE Ich bin nur schön Wenn ich genügend Schlaf bekomme Darum heißt es auch Schönheitsschlaf Stell das Höllending ab

VERMONT Genauso fühle ich mich

singt mit

And when the sun rose up this morning My baby looked at me and smiled

Singt weiter, sie zieht sich die Decke übers Gesicht.

LUCILLE Du bist ein Einzelkind

VERMONT Aber ich fühle mich Als hätte meine Mutter gesagt Mein Bruder sei ihr Lieblingskind

LUCILLE Du bist das Lieblingskind deiner Mutter Lieblinger geht es nicht

VERMONT Ich werde schweben Engelchen Ich werde schwerelos sein Mir wird der Boden unter den Füßen entzogen Ich werde an einem Ort sein An dem die Gesetze Denen wir von Geburt an unterworfen sind Außer Kraft gesetzt sind Heute Nacht

LUCILLE Es ist noch Nacht

VERMONT Im Traum Bis gerade eben Schwebte ich Leicht wie eine Feder Kopfüber kopfunter Kein Oben Kein Unten In einem blauen Anzug Ich konnte es sehen Aber spüren konnte ich es nicht

wie ein Kommentator

Sein gemartertes Gehirn musste die Bilder Die er gesehen hatte Ersetzt haben Andere Köpfe durch seinen Kopf Andere Körper durch

LUCILLE Lass mich schlafen Boris Ich beneide selten jemanden Aber darum beneide ich dich

VERMONT Vielleicht fällt mir etwas ein Vielleicht kann ich dich hineinreklamieren

LUCILLE Du bist spät

VERMONTküsst sie, greift nach seinem MobiltelefonUnd Boris Vermont rief ein Taxi Das ihn zur Gare de L'Est fuhr Wo er in einen TGV Richtung Bordeaux stieg Er war voller Vorfreude

LUCILLE Und vergaß dabei Seine Flugangst

Zwei

Empfang. Vermont und Mia Simon im Vordergrund, Dos Santos und Reich, sich unterhaltend, im Hintergrund. Eine Kellnerin trifft Vorbereitungen und hört immer wieder mit.

VERMONT Flugangst Als hätte ich Flugangst Als hätte ich vor irgendetwas Angst Außer vor mir selbst Manchmal

MIA SIMON Was sagtest du

VERMONT Dass dieser Sonntag wahrscheinlich Flugangst hat Weil er nicht auftaucht

MIA SIMON Vielleicht wollte er das Security Briefing schwänzen

VERMONT Was für ein Wort Security Briefing Lachhaft eigentlich Aber aufregend Überhaupt all diese Worte Schwerelosigkeit Security Briefing Free Floating Area Scopolamin Mikrogravität Orange Engel 2G Verheißungsvoll

SONNTAGtritt ein Einen wunderschönen Abend Die Dame

küsst Mia Simon auf die Wangen

Der Herr

streckt Vermont die Hand entgegen

MIA SIMON Wir fürchteten schon Du kämst nicht mehr

SONNTAG Rechtzeitig zum Empfang Wo ist der Champagner

VERMONTdeutet auf die KellnerinDie Schöne wird ihn bald reichen

zu Sonntag

Du bist also unser Poet

SONNTAG Und du unser Anarchist

MIA SIMON Er

SONNTAG Der Provokateur Der Schwierige Der Kunstrebell

lacht

Hast nicht du mir erzählt Er habe in Venedig Eine Auster aus Plastik aufstellen lassen In die sich die Biennalebesucher Für die Biennaledauer Einschließen lassen konnten Jeder eine kleine Perle Jeder ein zartes zuckendes Stück Fleisch Eingeschlossen in Boris Vermonts Welt

DOS SANTOSkommt mit Reich hinzuAbgesehen von einem verirrten Kunststudenten Ließ sich niemand einschließen

VERMONT María Mein Sonnenschein Ich könnte mich nicht entsinnen Dass man dich zur Biennale eingeladen hätte

DOS SANTOSIch habe nicht mit den Richtigen geschlafen

REICH Betäubung des Brechzentrums Ich habe noch nie in meinem Leben Sicherheitsanweisungen für einen Flug gelauscht Spätestens als dieser Sauerstoffhelm präsentiert wurde Der fünfundzwanzig Minuten Versorgung garantieren soll War es so weit

VERMONT Meister Sie werden so betäubt und glücklich sein Dass Ihnen nicht einmal einfallen wird Was Angst bedeutet

DOS SANTOS Ich habe nachgelesen Ich hätte nicht nachlesen sollen Scopolamin wurde von der CIA Als Wahrheitsserum eingesetzt In Lateinamerika machte man damit Menschen gefügig

schüttelt sich

Scopolamin schaltet den eigenen Willen aus Ich will meinen eigenen Willen nicht

VERMONT Manchmal ist das von Vorteil Als Toxologe wusste Boris Vermont Wovon er sprach

DOS SANTOS In Europa bekommt man dieses Wahrheitsserum gar nicht

MIA SIMON Manchmal denke ich Wir könnten das gebrauchen

REICH Die Wahrheit ist Ich habe nichts verstanden Abgesehen davon Dass die Japaner Roboter testen Die in ein paar Jahren Auf einen Asteroiden geschickt werden

DOS SANTOS Einsammeln von Weltraummüll Das nenne ich ein Projekt

MIA SIMON Mittels Fangnetzen Ein monströser Weltraumkescher

VERMONT Was können wir dem entgegensetzen

SONNTAG Unsere Poesie

REICH Kein Alkohol Am Abend vor dem Flug Äußerst prosaisch

VERMONT Das ist eine Empfehlung

MIA SIMON Da wäre ich nicht so sicher

DOS SANTOS Ich will das nicht injiziert bekommen

VERMONT Nur ein kleiner Stich Sonnenschein Nur ein kleiner Stich

Frau Doktor Heinrich tritt ein. Die Kellnerin reicht Weingläser. Als sie an Vermont vorüber ist, sieht er ihr lange nach. Sie bemerkt seinen Blick und sieht in fragend an.

VERMONT Ich habe ein Auge auf Sie geworfen

lacht

Was ich mit dem anderen anfangen soll Weiß ich noch nicht

FRAU HEINRICHnickt in die Runde, breitet die Arme ausHerzlich Willkommen Es ist mir eine Ehre und eine Freude Sie zur Vorbereitung unserer Fünfundzwanzigsten Parabelflugkampagne Begrüßen zu dürfen Die diesmal unter dem Motto Schwerelose Kunst Kunst der Schwerelosigkeit steht Unser Grundgesetz garantiert Wie Sie wissen Die Freiheit von Kunst Forschung und Wissenschaft Sie müssen frei sein Sie müssen geschützt und respektiert werden Sie sind die zarten Pflanzen Die so etwas wie Fortschritt überhaupt erst ermöglichen In dieser Freiheit Unter diesem Schutz Mit diesem Respekt Treffen wir hier und heute aufeinander

Applaus

DOS SANTOS Wie oft haben Sie das schon gemacht

FRAU HEINRICH In ein gewöhnliches Flugzeug Meine Damen und Herren Steige ich gar nicht mehr In einem gewöhnlichen Flugzeug Will ich die Fenster aufreißen Und hinausspringen

Lachen

DOS SANTOS Wie ist das mit dem Wahrheits

Mia Simon stößt sie an

FRAU HEINRICH Unsere Wenn ich so vereinnahmend sein darf Künstler Werden während der Schwerelosigkeit