Ein Leben in zwei Welten - J. Reuben Silverbird - E-Book

Ein Leben in zwei Welten E-Book

J. Reuben Silverbird

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

J. Reuben Silverbird erzählt seine sehr persönliche Geschichte und gewährt einen einmaligen Einblick in das Leben eines Nedni Apache/Cherokee (Original Native of America). Seine faszinierenden und lebendigen Erinnerungen verbinden sich mit inspirierender Weisheit. Er behandelt Themen wie den Genozid an seinem Volk, Glaube, Mythen und Spiritualität seines Volkes ebenso wie die Hoffnung für eine neue Ära der Politik in den USA - die Hindernisse, Herausforderungen und die Arbeit und Leistungen von Barack Obama als President der Vereingten Staaten. Seine Erzählungen über seine Eltern werden Sie berühren - Sie zum Lachen und Weinen bringen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 581

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ein Leben in ZWEI WELTEN
Anmerkung des Übersetzers
Impressum
O – SI – YO / YA A -TEH
Besonderer Dank
Die Geburt eines „Wunderkindes“, Nahe der Route 66
Juana
Dunkelheit wird Licht
Zeuge der Tragödie meiner Mutter mit sechs Jahren
Vision „2012-2013“
Eine realistische Betrachtung meiner Zukunft
Der größte Clown in meinem Leben
Mein Zelt
Ausbildung auf Wanderschaft
Verlassen der Sprache der Nedhni Apachen, um Englisch zu können
Lehrer
Die Hüter der Worte der Weisheit
Jeder Mensch ist ein Wunderwerk
Big Apple (New York)
Wiedererlernen zu Lernen
Definition von Spiritualität
Auf der Suche nach Spiritualität
Der Tod von William Henry Harrison (90 Tage US Präsident) – Der Fluch des Tecumseh
Zwei Welten in meinen Augen
Gefiederte und Vierbeinige Freunde
Molly, die blinde Taube
Silverbirds Restaurant
Religion vs Nativen Glauben
Namen der Feste der Hopi
Navajo Weg
Glaubensansichten der Cherokee
Gebete die vom Herzen kommen
Amerika
Regierung und Religion
Alkohol, Drogen, Fettleibigkeit und Selbstmord
Am Anfang
Fehlender Stolz und Geschichte
Familien und Beziehungen
Verbessern von Beziehungen
Die Kräfte und Mächte des Lebens
Die Macht der Selbstheilung
Nachrichten und Kommentare
Warum ich in Österreich bin
Abschließende Gedanken
Widmung
"Der heilige Kreis des Lebens"

J. Reuben Silverbird

Ein Leben in ZWEI WELTEN

Aus dem Englischen von Stefan Ladinig

Geschenke fürs Leben …

www.lebensgeschenke-verlag.de

Anmerkung des Übersetzers

Im englischen Original bezeichnet der Autor das Volk seiner Herkunft als Natives oder Original Natives. In unserer Sprache würden wir Indianer sagen. Da diese Bezeichnung jedoch vom Autor gemieden wird, habe ich abwechselnd den Ausdruck „Eingeborene, Ureinwohner oder Ureinwohner Amerikas“ gewählt, ähnlich wie die Aborigines, die ja auch als Ureinwohner Australiens bezeichnet werden. Des Weiteren habe ich oft den Begriff „Original Native oder nur Native“ ins Deutsche übernommen, da es ein Ziel des Autors ist, diesen Begriff bekannt zu machen.

Ich habe mich bemüht, dem Stil des Autors gerecht zu werden und dem englischen Original, so gut dies trotz der unterschiedlichen Sprachen möglich ist, sehr nahe zu kommen. In manchen Fällen, in denen die englische Sprache eine direkte Übersetzung nicht zulässt, finden sich weitere Anmerkungen.

Impressum

Besuchen Sie uns im Internet:

www.lebensgeschenke-verlag.com oder

auf FACEBOOK:

www.facebook.com/lebensgeschenke

© 2011 Lebensgeschenke-Verlag

www.lebensgeschenke-verlag.com

Layout: Atelier Irene Brischnik, www.brischnik.at

Alle Fotos: © J. Reuben Silverbird

Fotos Buchrücken: © Erwin Gabriel & Irene Gabriel – www.erwingabriel.com Bild des Autors (Cover): © www.voka.at

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Urhebers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN 978-3-902689-11-5

„Es ist mit Sicherheit eine etwas andere, historisch bildende und aufschlussreiche Geschichte, geschrieben direkt aus dem Herzen eines Nedni Apachen. Ich kann dieses Buch nur sehr empfehlen.“

Udo Grube HORIZON & Herausgeber von Filmen wie „Bleep“ & „The Secret“

„J. Reuben Silverbird ist ein inspirierender Reisender zwischen den Welten. Seine Musik berührt nicht nur mein Herz, sondern seine Geschichten nehmen mich auch mit auf eine Reise, die mir Einblicke in den religiösen Glauben und die Traditionen der Original Natives gewähren.“

Catharina Roland, Regisseurin und Produzentin, www.awakeinthedream.net

„Ideen sind der wichtigste Schatz der Menschheit und viele verschiedene Kulturen haben viele unterschiedliche Vorstellungen entwickelt. Dies ist der Grund, warum es wichtig ist, die verschiedenen Kulturen am Leben zu erhalten. Nichts ist dümmer als andere Kulturen, ihre Bräuche, ihre Lebensstile und ihre Möglichkeiten, die Welt nachhaltig zu verändern, zu verlieren oder zu zerstören.

Neben dem am Leben erhalten der Kulturen ist es von ebenso großer Bedeutung, der Menschheit die verschiedenen Regeln, sowie die Denk-, und Lebensweisen anderer Kulturen näherzubringen. Dies ist jedoch nicht leicht und kann leider auch nicht aktiv erlernt werden. Es ist jedoch sehr hilfreich, in eine andere Kultur einzutauchen, um diese näher kennenzulernen. Wenn sich dadurch eine bestimmte Kultur in einer anderen wieder erkennt, dann werden nicht nur die offensichtlichen Unterschiede sondern auch die spezifischen Annahmen und Vorstellungen beider Kulturen offensichtlich. Hierdurch gewinnen beide Kulturen an Potential ihre eigene Kultur zu verstehen und automatisch das Verständnis für andere Kulturen zu verbessern.

Dies sind die zwei Hauptgründe, warum die Aktivitäten und dieses Buch von Herrn Silverbird von so enormer Wichtigkeit sind. Silverbird’s Arbeit ist davon gezeichnet eine Kultur, durch die Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses verschiedener Kulturen, am Leben zu erhalten. Heute laufen viele Kulturen Gefahr, durch die Globalisierung und Verwestlichung, verloren zu gehen. Obwohl die Globalisierung positiv gesehen wird, muss sie doch in einer Art und Weise vollzogen werden, die die emotionale und intellektuelle Kommunikation zwischen verschiedenen Kulturen möglich macht, um eine friedliche Welt für alle Völker schaffen zu können. Dies ist ein weiterer Grund für die Wichtigkeit dieses Buches.

Aus diesem Grund gratuliere ich dem Autor nicht nur sondern wünsche ihm, dass viele Menschen sein Buch lesen. Es könnte helfen, die Denkweisen vieler Menschen zu verändern, und so eine Welt ohne Rassismus, Ausbeutung und Krieg entstehen zu lassen.“

Fritz Wallner, Prof. für Philosophie

Vorsitzender der Abteilung für interkulturelle Philosophie an der Universität Wien

„Auch wenn die Kraft der Musik nur auf wenigen Seiten ausdrücklich erwähnt wird, spielt sie doch eine wesentliche Rolle in Reuben‘s Leben. Schon als kleiner Junge begann er Musik zu komponieren und Texte zu Schreiben und hat auch bis ins reife Alter von über 80 Jahren nicht damit aufgehört. Sein Herz schlägt Zeit seines Lebens schon für nur eine Mission; zu unterhalten und zu begeistern. Mit seiner Musik versucht er aber auch seine Hörer zu mehr Verständnis zu erziehen und in ihnen Gedanken zu wecken. Die Musik und seine spirituelle Kraft ließen ihn viele verschiedene Orte, Bühnen, Theater und Fernsehstudios sehen. Sie half ihm viele Türen und Herzen zu öffnen und erlaubte es ihm Menschen mit Melodien, Harmonien und Rhythmen zu inspirieren und sie in einen Zustand des allgemeinen Wohlbefindens zu versetzen. Mit dieser Art der geistigen Kraft wurde er zum Boten des tiefsinnigen Lebens eines Apachen in den USA indem er seine Erfahrungen und seine Werte mit Europa und dem Rest der Well teilt. Mit großer Hingabe versucht er uns unermüdlich an die wichtigen Dinge im Leben zu erinnern: Uns um unsere Familien zu kümmern und unser Volk in Einklang mit Mutter Erde zu bringen, unsere Kinder und Jugendlichen zu erziehen und sie auf den richtigen Weg zu führen und der Welt Frieden zu schenken.

Dieses Buch sollte von allen Politikern und Lehrenden gelesen werden, die sich für die Erziehung der zukünftigen Generation verantwortlich zeigen. Es wird ihre innere Einstellung gegenüber der Natur, der Seelen, des Respekts, der Liebe und des Kriegs in Frage stellen und sie zwingen ihre Standpunkte neu zu überdenken. Weiters möchte ich auch Musikern, die sich das Öffnen der Herzen ihrer Zuhörer durch ihre Harmonien zur Aufgabe gemacht haben, dieses Buch ans Herz legen.“

Dr. Friedrich Horak Univ. Prof., Vorsitzender des Allergiezentrums Wien West. Abgeordneter der UEMS, Klinischer Experte für EMEA und Pharmig

O – SI – YO / YA A -TEH

(Cherokee / Apache)

HELLO / GREETINGS

(Englische Übersetzung)

Im historischen und traditionellen Glauben der Original Natives heißt es:

„Man kann nur das bestätigen und beschreiben, was aus eigenem Herzen und Geist kommt, und nicht das, was eine andere lebende Person erlebt hat.“ Aus diesem Grund handelt es sich bei den Memoiren in diesem Buch um meine eigenen, aus meinem Herzen und Geist.

Die Schönheit Arizonas

Besonderer Dank

Als ich schlussendlich in Australien landete, hatte ich unerwartet eine Woche Freizeit, die ich mit meiner Freundin Marga Kocka verbrachte. Aber auch sie stellte mir ihren Computer zur Verfügung, um weiter an diesem Buch zu arbeiten. Renate Leyacker-Schatzl war eine große Hilfe und stand dem deutschen Übersetzer Stefan Ladinig, der unzählbare Stunden mit akribischer Genauigkeit, Hingabe und Einsatz damit verbrachte, der deutschen Übersetzung die Emotionen und Gefühle des Originals zu vermitteln, mit Rat und Tat zur Seite. Meine eigenen Gedanken niederzuschreiben, dann noch zu verbessern und abzuändern, war nicht einfach. Auch die Auswahl und Positionierung der Fotos stellte sich als schwierig heraus, wollten doch die Fotos zu den verschiedenen Geschichten passend zugeordnet werden. All die Landschaftsaufnahmen aus Arizona und auch die der anderen Gebiete habe ich selbst gemacht. Das Layout wurde meisterhaft gestaltet von Irene Brischnik (www.brischnik.at). Mit ergänzenden Grafiken von Bernhard Tucek (www.it-fachwerk.at). Abschließend möchte ich sagen, dass ich alle finalen Entscheidungen über den Inhalt des Buches oder über die Positionierung der Fotos selbst getroffen habe, Es würde nicht der Wahrheit entsprechen, wenn ich sage würde, dass es sich bei diesem Buch um ein einfaches Projekt handle. Zuallererst musste ich abwägen was auf mich zukommen würde, wenn ich entschiede, mein Leben der breiten Öffentlichkeit zu öffnen. Ich wusste, dass ich tief in den Archiven meines Kopfes graben werden müsse, wo die Erzählungen und Geschichten aufbewahrt worden waren. Als ich schlussendlich zu schreiben begann merkte ich, dass diese dort schon so viele Jahre abgelegt waren, dass ich manchmal das Gefühl hatte, mich durch einen Tunnel mit uralten Spinnennetzen zu kämpfen, um die staubige Bibliothek meines Gehirns zu erreichen.

Wenn eine Person sich entscheidet ein Buch zu schreiben, dann gibt es immer wieder Hindernisse und Momente, in denen sie glaubt, nicht weiter zu kommen. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum es so lange dauert, ein Buch zu vollenden. Das Gefühl des Alleinseins ist immer präsent, wenn man über persönliche Dinge schreibt, die man nur selbst beschreiben kann. Das Umfeld, in dem man schreibt, kann oft einen großen Unterschied machen. Entweder ist es ein Segen oder ein Hindernis. Ich wusste schon im Vorhinein, dass ich sowohl schöne Momente, die mich zum Lachen bringen, als auch Momente, die mit schmerzhaften und emotionalen Emotionen verbunden sind, durchleben würde. Als ich versuchte, mich an die frühesten Stunden meines Lebens zu erinnern, erschienen sie mir fast wie antiquierte Geschichten. Da ich für den Großteil meines Lebens ein ungewöhnlich zurückhaltender Mensch war, der Dinge gerne für sich behielt, wusste ich, dass es nicht leicht sein würde, den Tresor zu öffnen, der so viele der ergreifenden und wertvollen Geschichten enthielt. Manche der Geschichten hielt ich für so privat, dass ich nicht wusste ob ich sie überhaupt mit jemandem auf der Welt teilen wollte. Vielleicht waren es die vielen Freunde, die mich weiter antrieben und mir Inspiration und Mut zum Weiterschreiben gaben, vor allem in den schwersten Momenten, in denen es an Kreativität mangelte. Natürlich wusste ich, dass der Enthusiasmus vieler nur blanke Neugier war, und sie mehr über mich und meine innersten und verstecktesten Gedanken erfahren wollten. Ich war mir darüber hinaus auch immer bewusst, dass der endgültige Erfolg und die Kraft des Manuskripts ganz alleine darauf beruhen würden, was ich als Autor zu sagen habe. Jedes Mal, wenn ich daran dachte, bekam ich Gänsehaut am ganzen Körper, denn genau davor hatte ich die größte Angst. Des Weiteren muss ich sagen, dass es auch viele Menschen gab, die mir einfach helfen wollten, egal in welcher Form. Einigen von ihnen möchte ich an dieser Stelle danken. Als ich auf dem Weg von Europa nach Australien war, um dort einer beruflichen Verpflichtung nachzukommen, plante ich einen kurzen Urlaub im Hause meiner Freunde Makai und Michael Sagona, in der Wüste Kaliforniens. Doch anstatt dort 14 Tage Urlaub zu machen, fand ich mich an 12 dieser Tage an ihrem Computer wieder, um stundenlang über Skype zu telefonieren, um die, wie ich damals glaubte, letzten Änderungen am Buch durchzugeben.

Egal ob diese gut, schlecht oder unwichtig waren.

Ich glaube fest daran, dass es die spirituelle Energie meiner Eltern war, die zu allen Zeiten dieses Buchprojekts meine treibende Kraft und Wegweiser darstellte.

Walk in beauty,

J Reuben Silverbird

Die alte Route 66

Die Geburt eines „Wunderkindes“, Nahe der Route 66

Ich habe noch nie einen Ureinwohner Amerikas getroffen, der in den 1930er Jahren im Mutterleib auf dem Weg nach Hollywood war, und dessen junger Vater einen Ford T auf der berühmten Route 66 durch Arizona auf dem Weg nach Kalifornien fuhr. Die meisten der Ureinwohner Amerikas versuchten noch immer verzweifelt sich anzupassen, nachdem sie systematisch dazu veranlasst oder offensichtlich gezwungen worden waren, an einem Ort zu leben, den die Regierung“ Reservat“ nannte. 8 Jahre später schien es so, als würde Adolf Hitler ähnliche Methoden für seine Konzentrationslager anwenden. Natürlich wählte dieser einen passenderen Namen. Reservat klang doch eher so als müsste man Bedenken haben, dort einzutreten (Anm. d. Übersetzers: Reservation und to have reservations – ein Wortspiel im Englischen – Reservat und seine Bedenken haben).

Unsere Geschichte spielt sich dagegen weit weg von diesem Thema ab. Sie hat viel mehr mit den beiden Verliebten zu tun, die die Straße entlang fuhren und nur einen einzigen Gedanken im Kopf hatten: Die Sicherheit ihres ungeborenen Kindes. Und dieses Kind war ich, im Bauch meiner Mutter. Hier folgt jetzt, was ich für eine der schönsten Geschichten über die Geburt eines Kindes halte. Ich habe diese Geschichte viele Male gehört, das erste Mal im Alter von zwei Jahren. Ich könnte sie nie vergessen, selbst wenn ich es versuchen würde. Ich konnte den Geschichtenerzähler nicht sehen, aber ich konnte dessen tiefe Liebe zu mir spüren. Es war die Geschichte, wie ich zur Welt kam, einschließlich all der unüblichen Umstände an dem Ort, wo ich geboren wurde, die meine Mutter immer so sanft, ergreifend und fürsorglich erklärte.

Die Geschichte begann mit zwei fröhlichen Ureinwohnern, die singend in Richtung Kalifornien fuhren. Ich kann mich an keine Zeit erinnern, zu der sie beim Auto fahren nicht gesungen hätten. Da waren sie auf ihrem Weg, zwei junge verliebte Leute, die nur vom allmächtigen Schöpfer geführt wurden. Der jedoch plant manchmal überraschende, ja humorvolle Abenteuer für uns, ohne sich darum zu kümmern, uns auch nur die leiseste Vorahnung haben zu lassen. Und jetzt war er gerade dabei, so ein gigantisches aber auch lustiges Ereignis zu veranstalten.

Natürlich beschloss der Schöpfer, dass ich meinen Debüt-Auftritt nahe abseits der Route 66 haben sollte, aber nicht genau dort, wo es meine Eltern geplant hatten. Ihrem Plan nach sollte ich inmitten des Glanzes der Lichter Hollywoods auf die Welt kommen. Eltern fantasieren bisweilen darüber, dass ihre Kinder in Schlössern und grandiosen Orten zur Welt kommen sollten Und in einigen wenigen Stunden hätte ich vermutlich auch ihren Wünschen entsprochen, wäre da nicht der so laut knurrende Magen meiner Mutter gewesen. Ihr Kind in einer Stadt zur Welt zu bringen, die in der ganzen Gegend bei Filmbegeisterten als „Tinsel Town“ („Flitterstadt“) bekannt war, war nicht nur der Wunsch meiner Mutter sondern auch der meines Vaters, dessen Liebe zum Film, wie ich manchmal den Eindruck hatte, eng mit der blinden Liebe für seine junge hochschwangere Frau konkurrierte. Wäre es nach meiner Mutter gegangen, hätte sie mich alleine auf die Welt gebracht. Sie hatte mit der Erzählung der Geschichte immer etwas früher begonnen, als es eigentlich passiert ist.

Es war in den frühen Morgenstunden eines ganz normalen Tages im Juli im Staate Kalifornien, als meine Eltern weiterfuhren. Meine Mutter, Florinda, wies ab und zu Joe an, mit seiner rechten Hand sanft ihren Bauch zu berühren und sagte: „Sing mit uns“. Er glaubte, wenn er ihren Bauch berührte oder sehr nahe daran war, könnte er telepathisch Gedanken an mich übertragen. Sie freute sich über seine Berührung, ermahnte ihn aber gleichzeitig auch, mit beiden Händen das Lenkrad zu halten. Sie hatte endlich ihren jungen, gut aussehenden, eingeborenen Ehemann überzeugt, nach Hollywood zu fahren, und er war ganz aufgeregt und enthusiastisch, mit der Absicht, der nächste große Charakterdarsteller in der Filmszene zu werden. Die junge Mutter, die sehr hungrig war, hoffte, dass sie bald ankommen würden, um essen zu können, da sie Nahrung für zwei brauchte. Joe allerdings machte sich darüber weniger Gedanken. Er war zu aufgeregt, da sie fast an ihrem Ziel angekommen waren.

Ab und zu erzählte er zwischen seinen Liedern von seinem Freund, einem Schauspielkollegen, der in Hollywood lebte und für gewöhnlich einen Clown darstellte. Inzwischen kam er gut als Statist zurecht, der alles spielte, angefangen von einem Ureinwohner, der vom Pferd fällt, Tot stellen bis der Regisseur „cut“ schreit, bis hin zu einem Darsteller in einer Menschenmenge. Er war ein leuchtendes Beispiel dafür, wie man über Nacht erfolgreich werden kann. Sobald du irgendwo ein Talent zum Schauspielen hast, kannst du dir auch ein sehr gutes Leben machen. Joe war wirklich ein toller und einfühlsamer Schauspieler mit einem unschlagbaren Timing. Ich glaube, dass viele Sänger und Musiker diesen speziellen Rhythmus im Blut haben und sie so automatisch eine Fähigkeit besitzen, an der andere Schauspieler hart arbeiten müssen. Seine Vergangenheit als Tänzer sowie als Musiker brachten weitere große Vorteile mit sich.

Er war sehr aufgeregt, während er unseren schwarzen Ford T fuhr. Ich sage „unser“, weil ich auch im Auto war – noch nicht ganz bereit, meinen persönlichen Auftritt zu machen, aber kurz davor. Glücklich fuhren er und seine Frau entlang dieser berühmten Straße, die zu dieser Zeit durch ganz Neu Mexiko und Arizona führte, um dann an der Küste Kaliforniens zu enden. Zu dieser Zeit, als Flugreisen eher die Ausnahme waren, war diese Straße der einzige Weg nach Hollywood. Diese Straße war so bekannt, dass um 1940 ein eigenes Lied über sie geschrieben und aufgenommen wurde, das – wie könnte es anders sein? – „Route 66“ genannt wurde. Dieses Lied wurde allbekannt zu dieser Zeit in Amerika, und ich war sehr nahe dran, da hineingeboren zu werden. Wie dem auch sei, Joe fuhr entlang der Straße weiter, denn sie hatten sich entschieden, nicht zu essen bis sie Hollywood erreicht hatten. Aber seine hübsche Frau wurde immer hungriger als sie auf die Orangenhaine blickte, die die Route 66 auf beiden Seiten säumten. Auch ich hatte meine eigenen Pläne, die wahrscheinlich durch das Hungergefühl meiner Mutter ausgelöst wurden. Die junge Florinda konnte es einfach nicht mehr aushalten und setzte sich plötzlich auf, zeigte auf die Orangenhaine und sagte: „Ich will ein paar Orangen.“ Joe, der wie immer ein sehr liebender und entgegenkommender Ehemann war, stoppte das Auto sofort am Straßenrand, sah sich um, stieg aus, nahm seinen Hut ab, pflückte ungefähr ein Dutzend Orangen, ging zum Auto zurück und fuhr weiter, während Florinda eine nach der anderen verzehrte. Zwar fütterte sie Joe mit der einen oder anderen Orange, jedoch verschlang sie alle anderen. Eine Idee, die mir im Bauch meiner Mutter natürlich nicht so gut gefiel. Als wir uns der Stadtgrenze einer kleinen, ländlichen, kalifornischen

Stadt mit dem Namen „Placentia“ näherten, begann ich Anzeichen der Aufregung in ihrem Bauch zu zeigen, die vielleicht mit den kalifornischen Orangen zu tun hatten, die sie ganz aufgegessen hatte. Mein Vater saß nervös hinter dem Lenkrad und steuerte das Auto an den Straßenrand. Er sah meine Mutter an als sie ganz ruhig diese drei Worte sagte, die andere schwangere Frauen gerne herausschreien. „Es ist so weit“, sagte sie. Sein Gesichtsausdruck war nicht annähernd so freundlich wie das Straßenschild, auf dem „Willkommen in Placentia“ stand.

Mein Vater verließ die Hauptstraße, fuhr ein kurzes Stück und erblickte einen Tennisplatz mit Umkleidekabinen, in denen noch Licht brannte, als meine Mutter das Gesicht verzerrte und sagte, sie könne nicht mehr weiter. Er stieg schnell aus, rannte zu den Kabinen, klopfte an die Tür, wartete kurz und als niemand antwortete, drehte er den Knopf um und die Tür war offen. Mein Vater ließ meine Mutter in dieser Umkleidekabine zurück, während er sich aufmachte einen Arzt zu finden, was sich in einer unbekannten Stadt um 3:30 in der Früh als nicht so einfach herausstellte. So wurde eine ziemlich große Tennis-Umkleidekabine mit einem rechteckigen Tisch, die am 27. Juli 1930 um halb vier morgens offen war, zu meinem Geburtsort.

Als mir erzählt wurde, dass ich in einer Tennisumkleidekabine geboren worden war, war mir klar, dass dies der Grund für meine besondere Vorliebe für Tennis gewesen sein musste. Von allen Sportarten habe ich eine Vorliebe für Tennis und bin diesem Sport total verfallen. Für mich ist das der einzige Sport, den ich respektiere und von dem ich wirklich sagen kann, dass ich ihn mit voller Inbrunst liebe. Ich werde nie vergessen, dass ich im Jahre 1978 Augenzeuge von Jimmy Connors Sieg bei den US Open in Flushing Meadows werden durfte. Er war aber nicht der einige Tennisspieler, den ich über all die Jahre bewunderte. Nehmen wir Andre Agassi und Steffi Graf zum Beispiel. Zwei Größen des Sports, die mittlerweile unzählige humanitäre Organisationen unterstützen und sich für sie einsetzen. Kim Clijsters entschied sich für ihre Familie und kehrte dem Tenniszirkus den Rücken, nur um im Jahr 2009 ihr Comeback bei den US Open zu geben, das ihr das zweite Mal den Titel bescherte. Fragen Sie mich nicht warum, aber Roger Federer ist und bleibt einer meiner Helden des modernen Tennis. Auch Michael Changs Karriere verfolgte ich mit großem Interesse, denn auch er wurde in Placentia geboren und erreichte als Tennisspieler einen gewissen Bekanntheitsgrad. Immerhin war auch ich kurz davor, Teil der Gesellschaft Placentias zu werden. Aber nun zurück zu meiner Mutter in der Tennisumkleidekabine.

Die junge Dame, eine starke und geduldige Frau und diejenige, von der ich in den darauf folgen-

den Jahren so viel lernen sollte, brachte mich an diesem Tag allein zur Welt. Der Arzt, der mit meinem Vater eine halbe Stunde später ankam, konnte sich nicht vorstellen, wie sie das ganz alleine geschafft hatte. Die Antwort ist einfach: Die meisten jungen Mädchen der Ureinwohner waren mit dem Wunder der Geburt vertraut. Es war nicht seltsam für sie, ihre Kinder allein zur Welt zu bringen, manchmal auf der Flucht, wie meistens in der Zeit, als sie von den Truppen der amerikanischen Regierung verfolgt wurden. Das, was einer weißen Frau bisweilen wie eine schwere Aufgabe vorkommt, war für die Ureinwohner nur ein Teil des Lebens. Der TennisUmkleideraum war sogar wie ein luxuriöses Spital, verglichen mit dem, was Apachen gewohnt waren. Alles Notwendige war da: fließendes Wasser, Handtücher, ein Geburtstisch und sogar elektrisches Licht, das von einer überdimensional großen und hellen Glühbirne mit dicken Drähten ausging. Eine vom Typ der Dreißigerjahre, die an der Decke hingen und starkes Licht spendeten, als mich meine Mutter auf die Welt brachte. Ich wurde als perfektes Kind geboren,

jedoch stellte es sich schon bald heraus, dass ich nicht sehen konnte. Unsere Leute betrachten jedes Kind, das mit einem physischen Defizit auf die Welt kommt, als „Wunderkind“. Zu diesen zählte jetzt auch ich, denn ich kam blind auf diese Welt.

Die Theorie meiner Mutter bezüglich meiner Blindheit war die, dass ich neugierig meine neugeborenen Augen öffnete und vermutlich das helle Licht der Lampe mich erblinden ließ. Diese Erklärung war besser als jene, die der Arzt zu bieten hatte; denn meine Mutter hatte zumindest eine Vermutung. Der Arzt konnte nichts machen und nichts erklären, sondern nur einen Spezialisten in Beverly Hills empfehlen, den er kannte. Meine Eltern brachen am nächsten Morgen auf und mieteten eine Unterkunft für einen Monat. Meine Mutter vereinbarte einen Termin mit diesem Spezialisten, während sich mein Vater auf die Suche nach seinem Freund George machte. Wie der Zufall es so wollte, war dieser jedoch vor einer Woche zu Dreharbeiten aufgebrochen und dort nicht erreichbar. Er hatte jedoch meinem Vater bei seiner Freundin einen Brief mit Anweisungen für seinen Agenten hinterlassen. Seine Freundin wohnte zum Glück im gleichen Motel, in dem sich meine Eltern eingemietet hatten, nur ein paar Türen weiter.

Meine Mutter hatte eine Schwester in Hollywood, die in vielen kleinen Rollen bei Filmen, wie Graf Dracula mit Bela Lugosi, mitspielte. Doch sie war zu diesem Zeitpunkt nirgendwo auffindbar. Später haben meine Eltern erfahren, dass sie gerade auf dem Weg nach Europa war, auf einem Schiff, mit einem Regisseur, der irgendeine Art Werbung für sie machte Sie war so jung und hübsch, aber auch etwas zu spontan und unbeständig. So wie viele ehrgeizige junge Mädchen, die nach Hollywood kamen, um ihren aufgehenden Stern zu finden, fanden sie stattdessen nur eine Enttäuschung nach der anderen. Viele von den jungen, aufstrebenden Schauspielerinnen fanden sich jedoch leider nur auf den Sofas der Regisseure wieder. Ich gebe nur die Gerüchte wieder, die damals über Agenten, Manager und Regisseure in Hollywood verbreitet wurden, und diese haben sich sicher bis heute nicht verändert. Aber um eines klarzustellen: Ich habe nie solche Gerüchte über meiner Tante Mattie gehört. Ich traf sie erst, als ich 21 wurde. Ich war gerade beim Militär und in der Nähe von San Francisco stationiert, wo sie mit meinem weißen Onkel Rocky lebte. Ich beziehe mich auf die weiße Hautfarbe meines Onkels nur als Hinweis, und nicht, weil ich einen Unterschied darstellen will, denn es gibt wegen der Hautfarbe keine Unterschiede für mich in meinem Herzen.

Viele Jahre später hat sie mir ein Foto gegeben, das ein Fotograph auf der Reise gemacht hat, auf der sie sich befunden hat, als meine Mutter versuchte, sie zu kontaktieren. Die Werbeleute der Filmgesellschaft, mit der sie unterwegs war, wollten ein außergewöhnliches Werbefoto, und so hat sie einen der Vorhänge auf dem Schiff genommen und sich darin eingewickelt. Das Ergebnis war eine schöne junge Frau mit langen schwarzen Haaren, die bis zu ihren Knien reichten, eingehüllt in einen Vorhang. Dieses Foto war damals in vielen Zeitungen in Hollywood erschienen. Sie war eine sehr attraktive Frau mit der Figur eines Models, die in Hollywood damals sehr viele Leute kannte. Dennoch bin ich mir sicher, dass dieser Umstand meinem Vater nicht geholfen hätte. Mein Vater war jung und zuvorkommend und hätte eine Vielzahl von Rollen übernehmen können, doch sobald ihn der Vermittler fragte, welche Abstammung er hätte und er mit „Mexikanischer Apache“ antwortete, hatte er keine Chance mehr. Agenten neigen dazu, die Schauspieler in verschiedene Kategorien einzustufen. Und wenn du zu dieser Zeit eben gerade ein Ureinwohner

warst, dann wurdest du zu einem primitiven, skalpierenden Indianer, der nur die Wörter „How“, Ugh“ und „Kimo sabe“ zu sagen hatte. Mein Vater wollte nichts damit zu tun haben, von dem er der Meinung war, dass es die Ehre seines Volkes herabsetzte oder verletzte. Er wollte schauspielern, aber Hollywood war damals noch nicht so weit, um dies einem Ureinwohner auch zu gestatten. Er war mit den Regeln der Filmbranche nicht so vertraut und wusste nicht, dass viele Stars ihre Karriere mit kleinen Statistenrollen begonnen hatten und nur langsam, manchmal auch durch politische Freundschaften und deren Hilfe, größere Nebenrollen erhielten. Nur wenige Auserwählte waren von Anfang an dazu bestimmt, Stars zu werden. Ich glaube, der Schöpfer hatte andere Pläne mit ihm.

Er kam jeden Tag nach Hause, nachdem er auf der Suche nach irgendeiner Arbeit durch die Straßen gestapft war, um Essen auf den Tisch zu bringen und um den sehr teuren Augenspezialisten aus Beverly Hills bezahlen zu können, der, obwohl er sehr mitfühlend mit meinen Eltern war, weil er sie mochte, mit seiner Rechnung weit über ihrem finanziellen Rahmen lag. Der Arzt gab meinen Eltern keine Hoffnung, dass ich jemals sehen können würde.

Der Agent teilte meinem Vater mit, dass es eine Statistenrolle gäbe, die nicht nur bedeutete, ein Pferd zu reiten, sondern auch zu fallen und sich tot zu stellen. Mein Vater war ein großer Charakterdarsteller und hatte das Gefühl, es ginge einen Schritt rückwärts, wenn er etwas tun müsse, was seiner Meinung nach nichts mit Schauspielerei zu tun hatte. Lon Chaney war einer der Idole meines Vaters. Er war mindestens genauso gut, doch es war nur Platz für einen Lon Chaney in Hollywood. Und die Tatsache, ein Ureinwohner zu sein, machte es nicht leichter. Er war ganz gegen die Art und Weise, wie Hollywood zu diesem Zeitpunkt die Ureinwohner Amerikas darstellte. Er ahnte, dass die Würde und der Stolz seines Volkes ständigen und dauerhaften Schaden von den Lügen und den schlecht recherchierten Drehbüchern davontragen würde, die von so vielen Autoren und Regisseuren Hollywoods schlampig erstellt wurden. Es fühlte sich beinahe so an als wäre die Film-Industrie ein weiterer Goldrausch in Kalifornien. Jeder, ob er nun Schauspieler war oder gar nichts mit der Szene zu tun hatte, strömte nach Kalifornien, um sich ohne Skrupel ihren Teil des Goldes zu sichern. Die Filmstudios hatten sich einen enormen Reichtum auf Kosten der Ureinwohner Amerikas angehäuft, ohne auch nur einen von ihnen in den meisten ihrer Filme mitspielen zu lassen.

Eines Tages kam mein Vater nach Hause und erzählte meiner Mutter, der Agent hätte ihm eine

Statistenrolle in einem Film namens „Der letzte Mohikaner“ angeboten, aber er hätte sich alle Haare abscheren lassen müssen. Mein Vater überlegte nicht einmal eine Sekunde und ging nicht einmal zum Vorsprechen. Ironischerweise ging die Rolle an einen unbekannten Schauspieler mit dem Namen Anthony Quinn, der wegen dieses Films der Schwiegersohn von Cecile B. Demille wurde. Inzwischen wurde die Abneigung meines Vaters gegen Hollywood von Tag zu Tag größer. Immer mehr fühlte er sich fehl am Platz, wie ein Fisch an Land. Alles was er wollte war eine einfach Ausrede, um nach Hause, nach Santa Fe in Neu Mexiko, zurückgehen zu können. Aber er wusste nicht, wie er das meiner Mutter sagen sollte. In der Zwischenzeit brachte mich meine Mutter zu einem weiteren Augenspezialisten, doch auch dieser konnte nicht mehr sagen, als die anderen davor. Es schien, als ob es keine Hoffnung für mich geben würde. Das Geld neigte sich dem Ende zu und Hollywood war damals kein freundlicher Ort, also mussten meine Eltern eine Entscheidung fällen. Meine Eltern hatten niemanden, an den sie sich wenden konnten und ihre Finanzen standen schlecht, also begann sich Verzweiflung in beiden Gesichtern zu zeigen, wenn sie sich nach jedem langen Tag ansahen.

Nach sechs Monaten in der „Stadt der Stars“ kam mein Vater eines Tages heim und meine Mutter traf die Entscheidung für ihn. Sie schaute in sein trauriges Gesicht und sagte: „Lass uns heimgehen, Liebling“. Er nahm sie in die Arme und antwortete: „Danke, meine Liebe“.

Ohne ein weiteres Wort packten sie am nächsten Tag ihre Sachen, machten sich auf der Route 66 auf den Rückweg durch Arizona und kamen zwei Tage später in Santa Fe, Neu Mexiko, an. Sofort dachten sie sich einen Plan aus, mich zu den heißen Quellen zu bringen, die unser Volk immer für heilig und heilend hielt. Sie lenkten jeden meiner Schritte. In der damaligen Zeit wurden mehrere Warmwasserquellen bei Tierra Amarilla, Neu Mexiko (eine kleine Stadt, die umgangssprachlich TA genannt wurde) für medizinisch wertvoll und heilend befunden. Ureinwohner kamen aus kilometerweiter Entfernung, um dieses Wasser mit nach Hause zu nehmen, das für heilig gehalten wurde. Meine Eltern blieben tagelang mit mir bei diesen Quellen, beteten und wuschen meine Augen zwei bis vier Mal täglich mit dem warmen Wasser von diesen natürlichen, heißen Quellen. Ein Freund des Navajo Stammes schlug mir eine Segnungs-Zeremonie („A Blessing Way Ceremony“) vor, und führte diese dann auch für mich durch. Ihre Gebete, die von Herzen und voll ihres Glaubens waren, waren allgegenwärtig. Ihre positive Energie umhüllte mich und gab mir das Gefühl, sicher zu sein. Sie kamen oft zu den Quellen und verblieben dort für einige Tage. Wir waren so oft dort, dass ich mir die Umgebung schon eingeprägt hatte, obwohl ich nicht sehen konnte. Ich fühlte innerlich, wie dieser Ort aussah. Meistens waren wir alleine, außer wenn andere Familien kamen, um Wasser zu holen. An ein Paar erinnere ich mich besonders gut. Sie kamen mit einem Wagen und während sich der Mann mit meinem Vater unterhielt, schöpfte seine Frau Wasser aus der Quelle. Ich war sehr fasziniert von den Geräuschen, die das Pferd machte und so hatte ich viele Fragen, die ich meinen Eltern über dieses sanfte Tier stellen konnte.

Juana

Mein Vater baute ein kleines Tipi für mich, um mich vor der Sonne und vor wilden Tieren, wie Schlangen und Insekten, zu schützen. Hauptsächlich jedoch sollte es mich davon abhalten davonzulaufen. Dieses Tipi war auch mein Schlafplatz. Wenn ich nicht gerade von meinem Vater überall, wo wir hingingen, getragen wurde, so erinnere ich mich, den Rest der Zeit, den wir an der Quelle verweilten, in dem kleinen Tipi verbracht zu haben. Ich baute eine starke Verbindung zu dem Zelt und zu einem kleinen Wolf auf, den meine Eltern hatten, der mir sehr zugetan war und nie von meiner Seite wich. Dies war mein eigenes Zelt, das auch zu einem

faszinierenden Teil meines Lebens zählte. Zelte wurden so etwas wie meine zweite Heimat.

Ich war immer ein tiefsinniger Denker, sowohl in meinen jungen Jahren, als auch in meinem späteren Leben. Jetzt erkenne ich, dass dies von meinem Training in den frühen Lebensjahren herrührt. Während ich in dem Tipi saß, fand ich, dass mich diese entspannte Atmosphäre, die mich umgab, nicht nur zum Denken veranlasste, sondern mich auch klarer denken ließ. Ich brachte mir selbst bei, über mehrere Dinge gleichzeitig nachzudenken, einfach dadurch, dass ich über sie nachdachte und ihnen einen eigenen Platz gab. Ich wusste, wann wir an den heißen Quellen waren. Ich kannte das Geräusch, das das Wasser machte, wenn es nach oben schoss und dann zur Mutter Erde zurückkehrte. Ich kreierte verschiedene musikalische Rhythmen in meinem Kopf, die mit dem Auf und Ab des Wassers harmonierten. Ich stellte mir die heißen Quellen als musikalisches Wasser vor, das einzigartige und verschiedene Rhythmen hervorbrachte, jedes Mal wenn sie aufs Neue fielen, aber dennoch im allgemeinen Fluss des gesamten herabkommenden Wassers blieben. Ich entwickelte eine außergewöhnliche Vorstellungskraft.

Wir haben so viel Zeit an den Quellen verbracht, dass ich sogar dann, wenn wir nicht dort waren, ihren friedlichen Ruf vernehmen konnte. Nichts verzaubert mich heutzutage mehr, als neben einem Wasserstrom zu sitzen oder spazieren zu gehen und stehen zu bleiben, um von dem kristallklaren Wasser zu trinken. Es gibt noch einige Plätze in Amerika, von denen man sicher sein kann, dass das Wasser auch sauber genug zum Trinken ist. Ich erinnere mich, dass ich lernte, noch viele andere Geräusche voneinander zu unterscheiden.

Die Tatsache, dass ich nichts sah, hatte ich nie richtig wahrgenommen. Statt darüber nachzudenken, habe ich meine innere spirituelle Verbindung mit mir selbst gestärkt: Die Energie meiner inneren Fähigkeiten, oder Aura, wurde stärker. Ich lernte zu fühlen, ohne die Dinge zu berühren. Weil ich nicht sehen konnte, fühlte ich die Empfindung von etwas oder jemandem, der mir nahe kam. Nachdem ich blind geboren worden war, war das nicht eigenartig für mich, denn all das entwickelte sich instinktiv.

Eines Tages kam mein Vater ganz aufgeregt zu mir, und ich konnte sofort seine Begeisterung spüren. Ich glaube, er wusste damals schon, wie sehr ich die Musik liebte. Er konnte sehen, wie sehr mich schon in diesem Alter jegliche Musik erstrahlen ließ. Was er mir mitbrachte, sollte von jenem Moment an, und für viele Jahre danach, mein engster Verbündeter sein. Es war die aufregendste Sache für mich, weil ich in dem Moment, in dem ich es hörte, vor Begeisterung strahlte. Nicht nur meine Ohren vernahmen dessen Pracht, sondern auch mein ganzer Körper.

Es war ein wunderschöner Klang, wie ich ihn noch nie zuvor gehört hatte. Nachdem es eine Weile gespielt hatte, erklärte mir mein Vater, dass es eine neue Musikbox war. Er beschrieb sie mir als Maschine, die übergroße und schwere runde Platten abspielte und „Victrola“ genannt wurde. Es war nicht nur einzigartig sondern auch ein Weg für mich, um klassische Musik kennen und lieben zu lernen. Damals kannte ich den Unterschied zwischen klassischer und Pop Musik nicht. Ich liebte einfach alles, was mit Musik zu tun hatte. Mein Vater erklärte mir den ganzen Ablauf und brachte mir anschließend bei, wie ich die Victrola zu bedienen hatte. Es erfüllte mich mit Stolz, dass er so viel Vertrauen zu mir hatte.

Keiner von meiner Familie sprach zu mir von oben herab, so wie es manche Eltern mit ihren Kindern machen. Schon allein deshalb hatte ich das Gefühl, älter zu sein als ich zu diesem Zeitpunkt war. Wenn ich wuchs, dann wurde ich aufgrund dieses Gefühls des Vertrauens nicht nur physisch stärker, sondern auch geistig. Die erste Musik war eine Oper namens „Carmen“, die ich immer und immer wieder spielte, den ganzen Tag lang.

Bis zum heutigen Tag habe ich das Gefühl, dass die Präsentation dieses Instruments in meinem Leben nicht nur meine Liebe zur Musik verstärkt hat, sondern dass es auch wie ein Heilungsprozess in mir wirkte. Ich war immer der festen Überzeugung, dass es mir enorm in der Wiedererlangung meiner Sehkraft geholfen hat. Ich glaubte, dass Musik uns von innen her träumen lässt. Weil ich vom Moment meiner Geburt an von der Welt des Lichts ausgeschlossen war, nahm Musik ihren Platz ein. Die Musik half mir, die Lücke durch spirituelle Heilung zu schließen und ersetzte die Dunkelheit in meinem Leben. Sie half mir, meine Vorstellungskraft zu entwickeln und Bilder mit jedem anderen Ton entstehen zu lassen. So zwang sie mich beinahe, meine Augen zu öffnen und zu sehen. Mein Leben hindurch ist sie wie das ungelöste Mysterium meines Lebens geblieben.

Weil die Musik geradewegs durch die Ohren zu den Gehirnzellen kommt, und durch jeden einzelnen deiner Körperteile fließt und diese beeinflusst, kann sie so überwältigend sein, dass sie all deine Sinne mit positiver spiritueller Energie erfüllt.

Musik hat die kraftvolle Fähigkeit, uns an zurückliegende Ereignisse zu erinnern: Sie kann eine Träne oder ein Lächeln auf unserem Gesicht erscheinen lassen, während sie mit unseren Ohren und unserem empfänglichen Geist interagiert. Ich bin weder Wissenschaftler noch bin ich Doktor der Medizin, aber ich habe viel Vertrauen in die heilende Kraft der Musik. Ich weiß, dass es funktioniert, denn die Musik war ein enger und heilender Partner in meinem Leben. Ich war ein sehr neugieriges Kind und hatte immer eine Million Fragen, zum Beispiel, wie die Musik aus dieser Box kommen konnte.

Man konnte mich nicht stoppen – ich wollte jedes Detail erfahren: Wer diese schöne Musik spielte und warum ich sie so deutlich hören konnte. Ich wollte unbedingt wissen, warum sie mich so berührte, meinen Geist höher schweben ließ, mir so viel Freude brachte, dass ich unentwegt lächeln musste und mich dennoch manchmal zu bestimmten Zeiten melancholisch bis traurig werden ließ.

Wie auch immer, traurige Gefühle waren kein großer Bestandteil meines Lebens. Daher waren sie nicht von Dauer, sondern nur wie ein verblassender Schatten. Mein Vater nahm sich die Zeit, um mir zu erklären, wie Edison das Aufnahmeverfahren erfunden hatte. Dadurch lernte ich sehr früh Erfinder und ihre Erfindungen zu schätzen. Bis zum heutigen Tag höre ich klassische Musik gerne. Es erstaunt mich völlig, wie ein einziger Mensch so viele Musiker dirigieren kann. Wenn er gut ist, kommt immer eine musikalische Höchstleistung zustande. Wenn mich jemand fragt, welches mein Lieblingsinstrument ist, brauche ich nicht zweimal zu überlegen: das Cello. Einer meiner Lieblingscellisten war Pablo Casals aus Puerto Rico. (Später, als junger Mann, hatte ich die Ehre in San Juan während eines von Casals Festivals aufzutreten) Einem einfühlsamen Cellisten zuzuhören kann mich zum Weinen als auch zum Lachen bringen. Allerdings muss ich ehrlich zugeben, dass jede gute Melodie oder auch schöne Texte denselben Effekt haben können.

Mit drei Jahren fühlte ich mich sehr selbständig, weil meine liebenden Eltern mein Gehirn mit den Antworten zu meinen Fragen weiterentwickelt hatten, was mir ein starkes Gefühl des Selbstbewusstseins gegeben hat. Ich konnte ihre Gegenwart spüren, sobald sie sich mir näherten. Ich lernte das Geräusch ihrer Schritte zu unterscheiden, sodass ich wusste, ob es mein Vater oder meine Mutter war. Sie über die verschiedenen Dinge des Lebens um sie herum sprechen zu hören, machte mich neugierig, und daher wollte ich alles wissen. Über Dinge, wie die verschiedenen Farben, wie der Mond aussieht, die Sonne und die Sterne, den Unterschied zwischen Licht und Dunkelheit und zwischen Fröhlichkeit und Trauer.

Ein paar Wochen vor meinem vierten Geburtstag hörte ich, wie meine Mutter mit jemandem über die Möglichkeit sprach, aus seinem eigenen Körper herauszutreten, um sich selbst als zweite Person betrachten zu können. Später fragte ich meine Mutter danach. Für einige Wochen war ich ungemein hartnäckig und ließ nicht locker, bis meine Mutter eines Tages nachgab und mich in alle Details dieser Prozedur einweihte. Zuerst war ich etwas verwirrt, hatte diese doch mit spezieller Energie oder Kraft zu tun, die es einem möglich machen sollte sich selbst zu duplizieren. Sie sagte mir aber auch, dass in meinem Fall die Replik genauso wie ich sein könnte. Sollte allerdings der Wunsch zu sehen, die spirituelle Energie und der Glaube stark genug sein, würde die Möglichkeit bestehen, dass die andere Person sehen kann. Ich wiederholte: „Sie meinen, wenn mein spiritueller Glaube stark genug ist könnte die zweite Person, oder besser gesagt ich, mich sehen? Er könnte für mich die Farben sehen?“ Sie erklärte mir das so genau, so lebendig und so glaubhaft, dass ich begann, vor allem wenn ich ganz alleine war, immer mehr darüber nachzudenken.

Ich stellte ihr viele Fragen dazu und begann dann langsam, mit dieser etwas Furcht einflößenden, aber faszinierenden Idee zu experimentieren, die große Konzentration vom wichtigsten und machtvollsten Teil meines Körpers verlangte… dem Gehirn.

Ich beachtete das damals nie so recht, aber ich dachte wie ein größeres Kind und nicht wie jemand in meinem Alter von dreieinhalb Jahren. Ich glaube, in meinen Gedanken habe ich mir nie viel daraus gemacht. Alles, was ich wusste, war, dass ich kurz davor stand, diese Herausforderung anzunehmen. Ich hatte genug Zeit, um genau darüber nachzudenken und letztendlich zu versuchen, in eine Trance zu fallen, die es mir möglich machen würde, diese Leistung zu vollbringen, nachdem ich schon so viel Zeit damit verbracht hatte, die Art des tiefen Denkens und der Geduld zu üben. Ich wiederholte eines der liebsten Sprichwörter meiner Mutter immer wieder für mich:

„Es gibt keine Probleme, nur Lösungen“.

Zuerst schien es ewig zu dauern. Es bedurfte an Zuwendung und Konzentration, um meine eigene unorthodoxe Technik zu entwickeln. Trotz meiner Jugend zeigte ich schon die Anzeichen der Selbständigkeit, die mir halfen, mein Meisterwerk zu vollbringen. Ich muss zugeben, dass ich manchmal die Geduld mit mir selbst verlor, doch dann wurde es immer einfacher. Ich fand heraus, dass ich in einen Zustand tiefer meditativer Trance und Sammlung fallen konnte, wenn ich mich direkt auf die Mitte meiner Stirn und das dritte Auge konzentrierte, so wie es mir meine Mutter gesagt hatte. Zuerst merkte ich, dass sich starke Kopfschmerzen in mir ausbreiteten. Ich hatte kaum Angst gekannt, aber diese sonderbare Empfindung verursachte so viel Schmerz, dass ich nicht wusste, ob ich wirklich das Endergebnis erfahren wollte, auf das ich aus war und mich am anderen Ende des Tunnels erwartete.

Mein mich beschützendes Haustier Juana war immer an meiner Seite. Wenn ich mich bewegte, machte sie netterweise das gleiche, so als ob sie jede meiner Bewegungen nachahmen würde. Sie war nicht wirklich ein Haustier, sondern viel eher mein Freund, mit dem ich mich sehr leicht unterhalten konnte, sie war immer da und ich fand ihre Sinne sehr auf mich abgestimmt. So, wie wenn man mit jemandem zusammen ist und einander versteht, ohne ein Wort sagen zu müssen. So war die Kraft der Kommunikation zwischen meinem Freund und mir. Daraus lernte ich die unermessliche Freundschaft, die man mit etwas haben kann, dass die Menschen gewöhnlich

„Tierwelt“ nennen. Ich wage sogar zu behaupten, dass ich mit ihr auf irgendeine Art stärker verbunden war als mit meinen Eltern. Ihre Zuwendung war instinktiv und das, was die Verbindung zu meinen Eltern stärker machte, war die überwältigende Liebe und Fürsorge.

Ihre Fähigkeit, mit der Sprache zu kommunizieren, war wichtig für mich. Aber mit Juana brauchte ich nicht zu sprechen: Sie verstand meine Gesten. Und so lernte ich und glaube, dass zwei Menschen, die sich gegenseitig verstehen, nicht zu sprechen brauchen und ihre Gefühle verbal ausdrücken müssen, sondern dass sie das ganz einfach mit ihren Augen und der Berührung tun können.

Juana war meine treue und enge Wolfskumpanin, die nie einen Laut von sich gab, immer so still wie die Ruhe selbst. Sie stand jedes Mal plötzlich auf und verließ das Zelt, wenn ich begann, meine Gabe zu üben, meinen Geist in tiefe Meditation zu führen. Dass sie meine Seite verließ, jedes Mal wenn ich begann, in Trance zu fallen, störte mich, weil ich sie nicht nur für meine engste Vertraute hielt, sondern auch, weil ich das Gefühl hatte, dass sie ahnte, dass das, was ich zu tun versuchte, vermutlich gegen die Gesetze der Natur verstoßen könnte und nichts Alltägliches sondern etwas Paranormales war, das mit der okkulten Welt zu tun hatte. Obwohl ich auch das Gefühl hatte, dass die Wellenfrequenz meines Experiments vielleicht zu viel für ihre feinen und empfindlichen Ohren war. Wie dem auch sei, ich wusste und spürte, dass sie verstand, dass das, was ich tat, Teil meiner Bestimmung war und nicht geändert werden konnte.

Unser Verhältnis war ähnlich dem von Geschwistern. Wir kommunizierten großartig miteinander mit unserem eingebauten sechsten Sinn, den manche als Instinkt bezeichnen. Als Juana eines Tages aufstand und ging, sagte plötzlich irgendetwas in mir „stopp“ und ich begann, an mir selbst zu zweifeln. Ich spürte am ganzen Körper eine Hitze, so heiß wie Feuer, und begann übermäßig zu schwitzen. Doch mein Geist kehrte mit starker positiver Energie zurück, die mich auf dem Weg zu meinem Ziel weitermachen ließ. Unter Anwendung starker Willenskraft und indem ich alles andere aus meinem Geist verbannte, machte ich langsam weiter, bis ich in der Lage war, die Kopfschmerzen auszublenden und mein Ziel zu erreichen. Diese Kopfschmerzen schienen meinen Übergang von der Seite der totalen Finsternis zur anderen Seite, wo mich ein Lichtstrahl erwartete, zu blockieren. Zuerst war es nur ein Flackern von Licht.

Nach langem Versuchen geschah es dann endlich! Genau als ich anfing zu zweifeln, brach ich durch und fand mich auf der anderen Seite wieder. Ich befand mich unter einem glänzenden blauen Strahl, der sich aber schnell zu einer weichen, weißen Wolke aus Licht wandelte. Es sah fast so aus als ob ich aus dem Flugzeugfenster auf die unter mir vorbeiziehenden Wolken schaute. Das flackernde Licht begann langsam zu einem Bild zu werden und als dieses Bild klarer wurde, sah ich, dass es ein alleine dasitzendes, sich nicht bewegendes, kleines Kind war. Zuerst war ich erstaunt und fragte mich, ob das ich sein könnte, doch bei genauerer Betrachtung wusste ich instinktiv, dass ich es sein musste.

Ich konnte mich von außerhalb meines Selbst sehen. Im Angesicht einer Gefahr habe ich nie die Nerven verloren. Obwohl das hier nicht gefährlich war, war es dennoch so beeindruckend anders für mein junges Leben, dass es mich entsetzlich durchrüttelte, erschreckte und meine Gefühle komplett durcheinander brachte. Stell dir einmal vor, jemanden zu sehen, obwohl du in deinem ganzen Leben noch nie gesehen hast!

Ich weiß, dass es für jemanden, der mit all seinen Fähigkeiten geboren wurde, nicht leicht vorstellbar ist. Was ich hier zum ersten Mal in meiner Kindheit bezeugen durfte, war ein aktuelles Bild: ein Bild von mir. Aber der erstaunlichste Teil von dem ganzen ist, dass ich dieses Bild, das vor mir entstanden ist, nicht mit den Augen sah, sondern mit dem kraftvollsten Wunder überhaupt… meinem Geist.

Die ersten Male wusste ich nicht, ob es für mich richtig oder falsch war, das zu tun, aber nachdem ich mich schnell erholte, war ich erstaunt über das, was ich getan hatte. Die Energie fühlte sich nicht negativ an. Es dauerte nicht allzu lange an, ich vermute, weil ich das nicht wirklich wollte, oder hauptsächlich, weil ich nicht ganz daran glaubte, dass ich in der Lage sein würde, solche Wunder in die Tat umzusetzen, nur, indem ich mich selbst dazu brachte, mit der Gedankenkraft meines Geistes Grenzen zu überschreiten. Ich hatte es schon zuvor versucht, doch diesmal habe ich mir selbst erlaubt, genau diesen einen Moment länger durchzuhalten, der mich näher zu meinem erwählten Ziel brachte.

In meinem fieberhaften Zustand fragte ich mich, was ich denn gerade getan hatte, ob das wirklich ich war, den ich da gesehen hatte. Am Anfang wirkte es so, als ob ich aus einer großen Entfernung schauen würde, doch dann bewegte ich mich näher hin und bekam eine Nahaufnahme wie durch ein Vergrößerungsglas von mir, wie ich mit geschlossenen Augen dasaß. Ich brauchte meine ganze Konzentration und jedes bisschen Energie, das ich in mir aufbieten konnte, um das zu vollbringen. Danach fühlte ich mich völlig erschöpft. Kurz darauf war meine Mutter neben mir, ich lag auf dem Boden und sie wischte den Schweiß von meiner Stirn und sagte: „Oh nein, Fieber“. Dann wollte sie wissen, was los war und ich sagte nichts, weil ich nicht wusste, wie ich ihr das eben Erlebte erklären sollte. So blieb ich für eine Weile am Boden sitzen und klammerte mich an meine Mutter. Für sehr lange Zeit konnte ich nicht darüber sprechen, doch eines Tages gestand ich es ihr. Ich erzählte ihr, dass ich das geschafft hatte, von dem sie meinte, dass ich in der Lage sei, es zu tun und beinahe weinend meinte ich: „Mutti, ich hab’s geschafft! Ich hab gesehen, wie ich ausschaue.“ Ganz aufgeregt fuhr ich fort, ihr von meinem außergewöhnlichen Erlebnis zu erzählen. Ich konnte nicht aufhören, davon zu reden. Ich sagte, ich hätte die Farben und alles gesehen, von dem sie sagte, ich könne es sehen. Aber ich meinte auch, dass es nicht sehr lange angedauert hätte und ich nicht ganz glücklich darüber war. Sprachlos hörte sie mir sehr genau zu, drückte mich fest an ihre Brust und umarmte mich.

Dieses bleibende Erlebnis lehrte mich eine sehr wichtige Lektion in diesem frühen Zeitpunkt meines Lebens: Wir sind in der Lage, so außergewöhnliche und unglaubliche Wunder zu erschaffen, wenn wir unserem Gehirn erlauben, über die Leistung hinaus zu funktionieren, die es normalerweise zu erbringen gewohnt ist. Das Ausbildungssystem bringt den Großteil der Bevölkerung dazu, zu glauben, dass wir nicht mehr als zehn Prozent seiner Leistung zu verwenden brauchen. Für mich ist das Denken wohl die unterschätzteste unserer wertvollen Fähigkeiten.

Kurz vor meinem vierten Geburtstag arrangierten sie eine Reinigungs-Zeremonie für mich. Das war ebenfalls ein erstaunliches Abenteuer für meinen Geist. Ich konnte einige neue Empfindungen spüren, die ich nie zuvor erlebt hatte. Ich fühlte, dass so etwas wie eine Erneuerung in meinem Inneren stattfand. Das einzige, das mir gesagt wurde, war, es würde sehr heiß sein, und das war es auch. Ich wurde gebeten, über die Gedanken zu sprechen, die ich gerade hatte. Ich tat es, aber ich konnte keinen großen Sinn dabei entdecken und mich auch nachher nicht mehr erinnern, was ich gesagt hatte, abgesehen davon, dass ich dabei ganz nass wurde.

Es war ungefähr sechs Monate später, ich war viereinhalb Jahre alt, als ich durch das Wunder des Gebets und Glaubens, einer Segnung und fast durchgehend heißem Wasser der Quellen in Neu Mexico, und einer Reinigungs-Zeremonie, die sie mit großer Überzeugung und gewaltiger Ehrfurcht durchgeführt hatten, ein verschwommenes Bild sah, das plötzlich scharf wurde und das engelsgleiche Gesicht meiner Mutter mit ihren Sommersprossen auf der Wange und ihren lachenden Augen zeigte. Sie war absolut schön. Sie war in mein Tipi gekommen und sagte: “Ich habe deine geliebten Maiskolben hier!“ Ich sah zum ersten Mal auf mein Lieblingsgericht, und auch heute noch ist Mais, den die Eingeborenen als eines der „Heiligen Schwestern Getreide“ bezeichnen, eines meiner liebsten Nahrungsmittel.

Ich langte mit ängstlicher Neugier hinauf und berührte den reizenden Schönheitsfleck auf ihrer Wange. Sie lächelte, sah sanft hinauf und dankte dem Schöpfer. Dann, nicht fähig sich auch noch eine Sekunde länger zu halten, rief sie mit sanfter aber gut hörbarer Stimme: „Joseph, komm her, er kann sehen, er kann sehen!“

Ich sah also zum ersten Mal, wer mein liebender Vater war. Er hatte das angenehmste Lächeln und war genau so, wie ich ihn mir in meiner Vorstellung ausgemalt hatte. Ich drehte mich um und fragte: „Wo ist Juana?“ Sie war nirgends auffindbar. Lange Zeit danach habe ich mich noch gefragt, ob sie einfach da war, um sicher zu gehen, dass es mir gut geht. Oder war sie ein Schutzengel, der mir geschickt wurde, um mich zu lehren, zu leiten und mich vor jeglichen Gefahren und vor mir selbst zu beschützen? Ich vermisste ihre stille Präsenz, die mich für sehr lange Zeit umgab.

Am nächsten Tag brachten sie mich zu einem Augenarzt, um prüfen zu lassen, ob ich Brillen brauchte, und der Arzt sagte nein. Ich hatte eine vollständige Sehkraft. Von diesem Tag an segnete mich der Schöpfer mit perfektem Sehvermögen. Ich hatte so viel über die Dinge gelernt, die ich nie gesehen hatte, und jetzt konnte ich sie genießen und mit dem vergleichen, was ich mir in meiner Zeit der Dunkelheit vorgestellt hatte.

Dunkelheit wird Licht

Aus den Schatten der Dunkelheit herauszukommen war kein einfacher Prozess für mich. Wo völlige Dunkelheit geherrscht hatte, war jetzt Licht: Es war, als wäre ich ganz neu geboren. Ich fühlte mich so, als ob ich eine völlig neue Welt sehen würde. Das Augenlicht half mir, meine noch immer wachsende spirituelle Kraft noch zu steigern aber ich brauchte lange, um mich an diese neue Welt mit meinen Augen zu gewöhnen. Ich würde nicht mehr ganz so viel nachdenken müssen. Allerdings konnte ich diese plötzliche Veränderung auch nicht so einfach akzeptieren. Vielleicht wäre es anders gewesen, wäre diese Veränderung langsam aber stetig eingetreten. Obwohl ich es sehr aufregend fand, war ich doch noch etwas langsam und vorsichtig, was mich manchmal sehr unsicher machte. Ich wurde mir eigenartiger Fähigkeiten bewusst, die andere Kinder nicht hatten: Meine Gedanken waren mehr auf die von Erwachsenen abgestimmt. Ich konnte die Gedanken anderer Erwachsener sehen oder lesen, während sie sprachen oder nur in meine Richtung schauten. Ich konnte allerdings noch immer in völliger Dunkelheit fühlen und mich zurechtfinden.

Meine Sensitivität und Wahrnehmung waren erstaunlich. Es war beinahe so, als hätte ich einen nicht näher erklärbaren sechsten Sinn, der mich führte und mir half, die ganze Zeit einen Schritt weiter vorauszusehen. Ich beschloss, nicht darüber zu sprechen, weil es mir sowieso schon schwer genug fiel, mich mit Kindern meines Alters zu umgeben. Ich wusste, dass meine Gedanken und meine Psyche viel weiter entwickelt waren als ihre. Ich zog mich immer mehr zurück. Ich bin mir sicher, dass genau aus diesem Grund viele dachten, ich wäre unnahbar.

Meine Konditionierung war nicht leicht zu erklären, daher ignorierte ich es und hielt es vor meiner Umwelt geheim. Ich konnte verstehen, dass sie keine Schuld für mein Anderssein traf. Ich hatte gelernt, hinter andere Leute zu sehen, während ich in meiner Welt der Dunkelheit war. Auf diese Art und Weise hatte ich auch gelernt, meinem Alter voraus zu sein und erstaunliche Dinge zustande zu bringen, indem ich das benutzte, was die Menschen seit langer Zeit vergessen hatten. Ich hatte die Fähigkeit wiederbelebt, meinen Geist in ein Reich endloser spiritueller Energie auszubreiten, die davon kommt, dass man den Geist benutzt und trainiert. Wenn wir gewisse traditionelle Übungen der Meditation und des Gebets lernen, sind wir fähig, weiter zu kommen als zu dem, was von der Menschheit als normal gesehen wird.

Jetzt, da ich sehen konnte, wurde ich auch ausgesprochen still, und das hat, für mich unbewusst, meine Energie gestärkt. Diese neue Welt der Aktivität war schockierend auf eine Art und Weise, denn sie war ganz und gar nicht das, was ich erwartet hatte. Ich weiß nicht, welcher Art meine Erwartungen waren, aber es schien sich so viel weiter zu bewegen, ohne einen Gedanken an Entspannung. Natürlich, wenn man das mit der heutigen Welt vergleicht, war es friedlich und ruhig. Ich nahm all das auf, was ich viereinhalb Jahre lang versäumt hatte.

Was ich noch störender empfand war, dass ich spüren konnte, wenn jemand über mich sprach. Es war kein gutes Gefühl, weil ich auch das Negative genauso wie das Positive wahrnehmen konnte und ich das Negative noch viel stärker fühlte als das Positive. Es war überhaupt kein gutes Gefühl. Lange Zeit wollte ich mich von dieser Fähigkeit trennen, die ich erworben hatte oder die ich sogar noch weiter zu entwickeln lernte. Es schaffte eine sehr einsame Sphäre für mich, denn ich konnte in einen Raum gehen, dort jemanden treffen und wusste dessen wahre Gefühle oder Urteile über mich. Ich wollte diese Gabe loswerden, aber je mehr ich das versuchte, umso stärker schien sie zu werden.

Diese Kraft lebt stärker denn je in mir, bis heute. Ich war in der Lage, Geschäftsleuten von bevorstehenden Zwischenfällen zu berichten oder ihre Gedanken zu lesen und ich fühlte mich teilweise beschämt, wenn ich das tat. Ich reflektiere diese Fähigkeit als spirituelle Gedankenwellen, denn sie haben keine Grenzen. Ich kann sagen, was ein Freund gerade jetzt denkt, auch wenn er sich auf der anderen Seite des Ozeans befindet. Ja, ich glaube, das ist ein Wunder, so wie jeder einzelne von uns ein Wunder ist. Wir haben eine grenzenlose Welt von Körper und Geist, innere Fähigkeiten, die wir zu trainieren verweigern. Wir sind durch unsere Intelligenz zu selbstgefällig geworden, um diese Fähigkeiten zu benützen. Das ist nur eines der größeren Probleme der Menschen in der heutigen Welt. Wir sind zu konditioniert innerhalb der Regeln unserer antiquarischen Ausbildungssysteme, sodass wir die Kräfte, die wir besitzen, nicht verstehen.

Wir haben vergessen, dass alles Materielle auf dieser Erde die Erfindung des menschlichen Geistes ist. Mehr und mehr wenden wir uns selbst von diesen wundervollen Gaben ab, die einige als übernatürliche Fähigkeiten bezeichnen würden. Jedoch besitzen wir alle diese Fähigkeiten und haben auch das Können und die Kraft, diese anzuwenden. Bis heute glaube ich nicht, dass meine Fähigkeiten so etwas Außergewöhnliches sind, denn ich glaube, die menschliche Rasse hat mehr Macht, als die Mehrheit der Menschheit anwendet.

Einer der größten Beiträge, der mir dazu verhalf, einen kleinen Anteil dieser zusätzlichen Fähigkeit zu haben, war für mich die wahre und gebende Liebe in meinem jungen Leben. Es muss wahre Liebe vom Herzen sein, genau so wie ich sie von meinen Eltern empfand. Dadurch, dass ich nicht sehen konnte, war der einzige Weg ihre Energie zu fühlen, die direkte Verbindung zu ihren Herzen und Seelen. Die Energie, von der ich spreche, ist spirituell. Sie beginnt sich schon im Säuglingsalter zu entwickeln und verbreitet sich so gleichmäßig in unserem Körper, dass sie sehr schwer wahrzunehmen und zu finden ist. Wenn man älter wird beginnt man sie nicht nur zu erkennen, sondern sie wahrzunehmen und zu akzeptieren. Es wird leichter, die Unterschiede zwischen richtig und falsch, negativ und positiv, gut und böse und auch Liebe und Respekt zu erkennen. Ich war gesegnet mit ihren Lehren über Liebe und Respekt. Natürlich haben auch die Gene einen gewissen Einfluss.

Meine Eltern trugen sicherlich enorm dazu bei, was aus mir in meinem Leben geworden ist. Hätte ich nicht diese, für viele anormale, frühe Kindheit durchlebt, wäre ich vermutlich für all das, was in den darauf folgenden Jahren passieren sollte, nicht stark genug gewesen. Damals wusste ich es noch nicht, aber durch das Wunder, sehen zu können, sollte ich nur eineinhalb Jahre später, im Alter von sechs Jahren, mehr Schmerz zu sehen und zu fühlen bekommen, als ich mir jemals vorzustellen gewagt hatte.

Zeuge der Tragödie meiner Mutter mit sechs Jahren

Frauen und Liebe war nie ein einfaches Thema, was die männlichen Mitglieder meiner Familie betrifft. Ich verstehe, dass die Frauen sich in meinen Vater verliebten, da er sehr charismatisch und einfach zum Liebhaben war; doch er hatte nur eine Liebe in seinem Leben und das war meine Mutter. Als junger, heranwachsender Bub war ich sehr stolz auf die Liebe meiner Eltern. Seine Hingabe für meine Mutter war vollkommen und daher hatte ich ein sehr gesundes Familienleben durch ihre Liebe füreinander. Ich glaube sehr stark daran, dass die aufrichtige Liebe, die Eltern füreinander in der Gegenwart ihrer Kinder zeigen, besser ist, als ein tausendmal gesagtes „Ich liebe dich“.

Man konnte seine Liebe für sie in allem sehen, was er machte, sei es auf oder abseits der Bühne Die eigenen Charakterdarstellungen meines Vaters waren einzigartig, doch zu diesem frühen Zeitpunkt fand ich seine Marionetten, welche ich nur „kleine Leute“ nannte, da ich mich mit ihnen assoziieren konnte. Diese zwei Marionetten, mit denen ich aufwuchs, und zu denen ich sprach, waren wie meine Freunde. Ich war ihr Pfleger und war verantwortlich dafür, ihre Schnüre zu entwirren, damit mein Vater mit ihnen auf ihrer eigenen kleinen Bühne, die er auf die große Bühne für Menschen stellte, ohne Probleme auftreten konnte. Einer von ihnen hieß Mr. Bell, der Clown, der dem Publikum einen seiner „Hinfall-Tricks“ demonstrieren wollte, ihn aber komischerweise nie auszuführen schaffte. Ich würde sagen, dass der Grund für sein Scheitern wahrscheinlich die an ihm befestigten Schnüre waren. Aber das ist natürlich ein guter, alter, amerikanischer Scherz. Der gesamte Dialog baute darauf auf, dass er den Salto vorwärts, den er immer versuchte, einfach nicht schaffte. Es war ungemein komisch. Der andere war der junge Mr. Jackson, ein junger schwarzer Mann, der den Blues sang. Einer seiner Scherze hatte damit zu tun, dass mein Vater ihn fragte, ob er denn aus dem Süden käme und er darauf antwortete:

„Nein, mein Herr, ich komme von südlich der Grenze.“