Ein Tango zu viel - Gudrun Leyendecker - E-Book

Ein Tango zu viel E-Book

Gudrun Leyendecker

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Beschreibung

Der Roman "Ein Tango zu viel" hat viele Facetten. Die Witwe des verstorbenen Künstlers Moro Rossini veranstaltet ein Sommerfest im Schloss von Sankt Augustine. Auch Sara ist eingeladen, aber sie hat schlechte Laune, weil sie unter Liebeskummer leidet. Sie versucht, einige der Veranstaltungen zu boykottieren, will aber beim Tanzwettbewerb unbedingt den ersten Preis gewinnen. Doch da begegnet sie Hanna, einer kranken jungen Frau, die das Leben aus einer ganz anderen Sicht sieht. Turbulente Zustände im Schloss sind vorprogrammiert.

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Der Roman

EIN TANGO ZU VIEL hat viele Facetten.

Die Witwe des verstorbenen Künstlers Moro Rossini veranstaltet ein Sommerfest im Schloss von Sankt Augustine. Auch Sara nimmt teil, aber sie hat schlechte Laune, weil sie unter Liebeskummer leidet. Sie möchte die Veranstaltung boykottieren, aber sie will beim Tanzwettbewerb auch unbedingt den ersten Preis gewinnen. Doch da begegnet sie Hanna, einer kranken jungen Frau, die das Leben aus einer ganz anderen Sicht sieht. Turbulente Zustände im Schloss sind vorprogrammiert.

Gudrun Leyendecker ist seit 1995 Buchautorin. Sie wurde 1948 in Bonn geboren.

Siehe Wikipedia.

Sie veröffentlichte bisher über 65 Bücher, unter anderem Sachbücher, Kriminalromane, Liebesromane, und Satire. Leyendecker schreibt auch als Ghostwriterin für namhafte Regisseure. Sie ist Mitglied in schriftstellerischen Verbänden und in einem italienischen Kulturverein. Erfahrungen für ihre Tätigkeit sammelte sie auch in ihrer Jahrzehntelangen Tätigkeit als Lebensberaterin.

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

1. Kapitel

Roberto holte die duftenden Pizzabrötchen aus dem Ofen und sah die ältere Dame fragend an. „Meinst du, die Menge reicht?“ fragte er die Schlossherrin.

„Ganz bestimmt“, antwortete Adelaide. „Heute kommen die drei Damen, die sich zum Tanzwettbewerb angemeldet haben. Carla und ich, wir haben vorhin schon die Zimmer vorgerichtet. Unser Gärtner hat frische Blumensträuße gestiftet, und dein Kollege Gianni hat köstliche Pralinen hergestellt, die sicherlich Anklang finden werden. Und deine speziellen italienischen Kochkünste sind bisher immer ausnahmslos gelobt worden.“

Der junge Koch freute sich. Sorgsam füllte er einen Brotkorb mit dem frischen Gebäck. „Für uns ist das nichts Besonderes, aber ihr seid wirklich dankbare Genießer. Sind die drei Damen Freundinnen?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, sie kennen sich überhaupt nicht. Und ich glaube, sie werden echte Konkurrentinnen sein. Das habe ich ihren Bewerbungen entnommen.“

Er sah sie aufmerksam an. „Wer sind sie? Weißt du etwas über sie?“

„Noch nicht viel. Stella, die 22-jährige Fachverkäuferin, ist von Kind an schon eine ehrgeizige Ballettratte gewesen. Als junges Mädchen hat sie einige Preise gewonnen.“

„Die hat bestimmt Chancen auf einen Gewinn“, vermutete Roberto.

Adelaide viertelte frische, gewaschene Tomaten, die dunkelrot glänzten. „Das glaube ich auch. Sara arbeitet in einer Zahnarztpraxis und hat schon einmal in einer Fernsehshow bei Standardtänzen einen Preis gewonnen. Da sie sich auch für Kunst interessiert, ist ihr der Pokal meines verstorbenen Mannes Moro ungeheuer begehrenswert. Sie schrieb in ihrer Bewerbung, dass sie für diese Trophäe schon einen Platz in ihrer Vitrine freigeräumt hat.“

„Dann ist auch sie sehr ehrgeizig“, bemerkte der Koch. „Und wer ist die dritte junge Dame?“

„Das ist Hanna. Eine Therapeutin hat ihr geraten, mit dem Tanzen anzufangen.“

Er sah sie erstaunt an. „Hat sie eine Behinderung? Dann wäre sie den anderen gegenüber im Nachteil.“

Die Schlossherrin sammelte die Tomaten ein und garnierte sie auf einer großen Platte. „Nein, soviel ich weiß, ist sie körperlich gesund. Aber sie scheint in depressiven Stimmungen zu sein, und deswegen hat ihr eine Ärztin das Tanzen verordnet. Alle drei Frauen sollen sehr apart sein, wir können uns also auch auf angenehme Gäste gefasst machen.“

Gianni hob die Augenbrauen „Oh, das wird unserem neuen Fotografen Jens gefallen. Er sucht gerade nach hübschen neuen Modellen für seine Fotos.“ Aber wie sieht es mit den Tanzpartnern aus? Bringen die Mädels die gleich mit?“

Adelaide griff nach der Petersilie und garnierte sie zwischen den Tomatenstücken. „Für Hanna und Stella haben wir zwei tanzwütige Brüder eingeladen, die sich schon sehr auf diesen Spaß freuen. Nur bei Sara ist etwas schiefgelaufen. Sie wollte sich ihren eigenen Tanzpartner selbst mitbringen. Aber sie hat ihm vor vier Wochen die Freundschaft gekündigt, und so haben wir hier in Sankt Augustine nach einem Ersatz gesucht. So kurzfristig war das natürlich nicht leicht, aber wir haben dann Lennart gefunden, der bei unserem Tierarzt im Gutshof arbeitet. Denn Kevin, Saras Freund kommt zwar hierher und wird an dem Tanzkurs teilnehmen, aber sie will natürlich unter den Umständen nicht mit ihm tanzen.“

„Das kann man ja auch verstehen. Dann haben wir also drei Frauen und vier Männer, das kann interessant werden, aber die Namen, die kann ich jetzt nicht alle behalten.“

Adelaide lachte. „Nein, ich selbst muss mir auch noch Mühe damit geben. Du wirst sie alle nacheinander hier kennenlernen und kannst dir ein Bild von ihnen machen. Sie werden viel im Tanzsaal proben, und ich freue mich schon, dass wir dabei zuschauen dürfen.“

Die Küchentür öffnete sich, und Carla, die junge Haushälterin trat herein. Sie sah sich um, entdeckte die frischen Pizzabrötchen und bediente sich. „Die duften besonders lecker“, fand sie. „Damit muss ich unbedingt meine Laune wieder aufbessern. Diese Sara scheint ja eine ziemliche Zicke zu sein.“

Adelaide sah die junge Frau erstaunt an. „Wirklich? Sie hatte mir eine so nette Bewerbung geschrieben. Hat ihr das Zimmer nicht gefallen? Oder was war los?“

Carla knabberte an dem Gebäck. „Über die anstrengende Fahrt hat sie zuerst gejammert. Natürlich habe ich ihr das ganze Gepäck abgenommen und sie betont langsam in ihr Zimmer geführt. Aber dort hat sie dann erst einmal alles umgestellt. Sogar das Bett war nicht am richtigen Platz, und ich hatte Mühe, es mit ihr an einen richtigen Platz zu schieben. Aber das gestattete sie mir auch erst, nachdem sie sich versichert hatte, dass ein bestimmter Kevin sein Zimmer in einer anderen Etage hat.“

Adelaide lächelte. „Dieser Kevin, das ist der Exfreund, und sie hat sich gewünscht, dass sie ihm hier so wenig wie möglich begegnet. Aber ganz so, wie sie sich das vorstellt, wird es sich nicht einrichten lassen, denn sie haben sich beide für den Tanzwettbewerb angemeldet.“

Die junge Frau kaute genüsslich auf dem Brötchen herum. „Es geht nichts über ein frisch gebackenes Stück Brot und Wasser, eigentlich braucht der Mensch gar nicht mehr“, behauptete sie. „Dann werden wir wohl mit ihr noch eine ganze Menge Probleme haben.“

„Du solltest bei deiner Ernährung die Vitamine nicht vergessen“, mahnte Roberto. „Es sind doch nur ein paar Tage. Die werden wir schon mit ihr aushalten. Ich werde sie mit einer Panna Cotta und Cassata-Eis verwöhnen. Das hat bisher immer geholfen, wenn jemand schlechte Laune hatte.“

„Bei der nicht“, orakelte die junge Frau düster. „Wer nach zwei Minuten Aufenthalt im Schloss schon mehrere Möbelstücke verrückt hat, der kann in ein paar Tagen ein ganzes Schloss auf den Kopf stellen.“

„Dein Mann Bernhard wird bestimmt auf sie aufpassen“, vermutete die Schlossherrin. „Im Moment gibt es für ihn im Garten nicht so viel zu tun, außer dem Bewässern natürlich, denn die Kunststudenten, die ihre Sommerferien hier verbringen, sind froh, dass sie ihm in den Gewächshäusern etwas zur Hand gehen können.“

Carla rollte die Augen. „Er kann es nicht so gut mit Frauen, die so überdreht sind. Jedes Mal, wenn wir eine Zicke hier im Schloss hatten, ist er zu den Rosen gegangen und hat sich dort mit den duftenden Schönheiten getröstet.“

Adelaide lächelte nachsichtig. „Wir werden die paar Tage schon überleben. Ich erinnere mich an einige kapriziöse Gäste, die wir hier im Schloss schon beherbergt haben, aber bisher haben wir immer einen guten Einfluss auf sie gehabt.“

Carla stöhnte. „Ich bin gespannt, was du gleich sagst. Sie wollte sich nur kurz frisch machen und dann zu uns in die Küche kommen. Also, wenn du irgendetwas noch zur Stärkung brauchst, liebe Ada, dann kümmere dich sofort darum! Wer weiß, wie lange diese Küche hier noch ein so friedliches Paradies ist?“

2.Kapitel

In diesem Augenblick klopfte es. Auf ein mehrstimmiges „Herein“ öffnete sich die Tür, und eine junge Frau trat mit energischen Schritten in die Küche. Ihr rotes, schulterlanges Haar leuchtete in auffälligem Kontrast zu ihrem türkisgrünen, sommerlichen Hosenanzug.

Adelaide eilte auf den Gast zu. „Herzlich willkommen, Sara! Du kannst es dir zuerst einmal bequem machen, und wir werden dich verwöhnen.“

Sara begrüßte sie und die beiden anderen Anwesenden mit einem kühlen „Hallo“ und einem festen Händedruck.

„Wir sagen hier alle Du zueinander“, erklärte ihr Roberto.

„Von mir aus“, brummelte Sara. „Macht euch keine Umstände! Ein Kaffee ohne Zucker reicht mir. Ich nehme ihn immer schwarz, denn ich möchte niemals solche Zähne bekommen wie die Patienten in unserer Praxis.“

Adelaide hob die Augenbrauen. „Wir hatten dir Pralinen ins Zimmer gestellt, eine Art Betthupferl. Möchtest du stattdessen lieber mehr Obst haben?“ Sie nahm eine Tasse aus dem Schrank und stellte sie unter den Kaffeeautomaten.

„Ach, mach dir darüber mal jetzt keine Gedanken! Die werde ich schon irgendwie los. Was mir dagegen ganz wichtig ist, kann ich euch in wenigen Worten mitteilen.“

„Du kannst uns mit allen Problemen kontaktieren“, versprach ihr Carla. „Wir sind hier ein gutes Team im Schloss.“ Sara stöhnte. „Es geht mir um Kevin. Wie euch Adelaide bestimmt schon mitgeteilt habt, möchte ich ihn so wenig wie möglich sehen. Er ist mein Exfreund, und wir sind nicht im Guten auseinandergegangen. Nun habe ich gehört, dass man hier in der Küche oder bei schönem Wetter draußen auf der Terrasse die Mahlzeiten gemeinsam einnimmt. Ich habe aber nicht die geringste Lust, mir bei seinem Anblick den Appetit verderben zu lassen.“

Adelaide überlegte. „Bei uns werden alle Gäste gleich behandelt. Wenn Kevin mag, kann er wie du auch mit uns gemeinsam essen, oder natürlich auch in seinem eigenen Zimmer, sollte er den Wunsch dazu haben. Selbst ein Picknick im Garten ist jedem erlaubt. Ich kann dir nur anbieten, dass du dich an unseren langen Tischen weit entfernt von ihm hinsetzt, sodass ihr euch nicht unbedingt in die Augen sehen müsst. Ist dir damit schon geholfen?“

Sara sah die Schlossherrin missmutig an. „Das muss ich mir noch überlegen. Möglicherweise esse ich dann lieber in meinem eigenen Zimmer. Und wie ist das dann bei den Tanzproben? Keiner kann von mir verlangen, dass ich mit ihm auch nur einen Schritt wage.“

Die ältere Dame beruhigte sie. „Nein, das musst du auch nicht. Wir haben einen neuen Tanzpartner für dich gefunden. Er ist etwa in deinem Alter und arbeitet bei unserem Tierarzt. Er hat hier in der Gegend schon einige Preise bei Tanzwettbewerben gewonnen. Aber vielleicht wollt ihr auch untereinander tauschen. Wir haben die Paare nur nach der Größe ausgesucht und nach dem ersten optischen Eindruck. Da gibt es auch noch die beiden Brüder Jannik und Martin, die wir für Hanna und Stella vorgesehen haben.“ Sie reichte der jungen Frau den Kaffee.

Sara blickte triumphierend in die Runde. „Ich werde mir schon den Richtigen aussuchen, da werde ich mich jetzt noch nicht festlegen. Wann beginnen wir mit der ersten Probe?“

Die ältere Dame blieb unbeirrt freundlich. „Jens, der Fotograf ist auch der Tanzlehrer und Trainer und ist auch für die Musik zuständig. Er hat sich schon heute Abend zur Verfügung gestellt, falls ihr alle von eurer Anreise nicht zu angestrengt seid.“

„Auf keinen Fall!“ behauptete die junge Frau. „Ich will siegen, und deswegen werde ich jede freie Minute lang üben. Von mir aus kann es jetzt gleich losgehen.“

„Das wird nicht gehen“, meinte Carla bedauernd. „Es wird schon noch etwa zwei Stunden dauern, bis alle Teilnehmer des Wettbewerbs hier eingetroffen sind.“

„Und vielleicht wollen sich die andern auch erst noch ausruhen“, vermutete Roberto.

Sara hob den Kopf. „Wenn ihnen etwas an dem Tanzwettbewerb liegt, dann werden sie sich schon zusammennehmen.“

In diesem Moment öffnete sich die Küchentür und eine junge Frau stürmte herein.

„Da bin ich!“ rief sie munter und begann, die Anwesenden zu umarmen. „Ich bin Stella“, stellte sie sich vor.

Roberto riss die Augen auf. „Und ich dachte, du wärst Marilyn Monroe oder vielleicht ihre Urenkelin. Du siehst genauso aus wie dieses sexy Persönchen.“

Carla stimmte ihm zu. „Du hast dieselbe helle Haarfarbe, dieselbe kurze Lockenfrisur und sogar ihre tolle Figur. Da kommt man ja bald in Versuchung zu fragen: Ist das alles echt?“

Stella lachte. „An mir ist alles echt, und meine Großmutter stammt übrigens aus Amerika. Vielleicht bin ich um ein paar Ecken rum wirklich mit Marilyn verwandt.“

Sara sah ihre Konkurrentin misstrauisch an. „Und kannst du auch so gut tanzen wie Marilyn?“ „Keine Ahnung? Ich habe von ihr leider noch nicht allzu viele Filme geschaut. Ich bin lieber selber aktiv und verbessere meine eigene Kondition. Und die letzte Zeit habe ich mich extrem viel mit dem besonderen Tanz Tango beschäftigt. Um ihn geht es doch hier, wenn ich richtig informiert bin, oder?“

Die Schlossherrin nickte. „Richtig. Und zwar nicht um den Tango Argentino sondern um den internationalen Standard-Tanz, den man in allen einfachen Tanzstunden lernt. Ihr müsst euch also nicht das Rückgrat verrenken“, versuchte sie mit einem Scherz die etwas gespannte Situation aufzulockern.

„Es kommt ja sicherlich noch auf unsere Tanzpartner an“, vermutete Sara mit unheilverkündendem Blick. „Ich hoffe, dass sie einigermaßen fit sind. Ansonsten können wir uns anstrengen, wie wir wollen und bringen doch nichts Gescheites auf die Bühne.“

Stella lächelte. „Wenn sie die Schritte beherrschen, werden wir sie schon mitreißen. Übrigens duftet es hier wahnsinnig gut. Sind das die frischen Pizzabrötchen, die diesen appetitlichen Duft verbreiten?“

„Du kannst dich gern bedienen“, forderte sie Roberto auf. „Du hast sicher Hunger nach der langen Reise.

„Na klar!“ Stella griff nach einem der kleinen Brötchen. „Ich komme gerade aus der ehemaligen Bundeshauptstadt, das sind schon ein paar Kilometer Fahrt gewesen.“

„Du solltest lieber auf deine Figur achten!“ riet ihr Sara. „Ein paar Pfund zu viel hast du ja schon.“

„Aber die sind an den richtigen Stellen“, fand Roberto und lachte. „Ein paar Kalorien schaden dir nicht, die hast du schnell wieder abgetanzt. Macht ihr eigentlich bei den anderen Festivitäten auch mit? Oder übt ihr Tag und Nacht?“ wandte er sich an die beiden Kandidatinnen.

„Ich habe bereits genug geübt“, teilte Stella den Anwesenden mit. „Was gibt es denn sonst noch für Events?“

„Die Musiker unter den Studenten veranstalten ihren eigenen kleinen Wettbewerb, bei dem der beste Künstler ebenfalls einen Pokal erhält. Und die Bildhauer und Maler, sowie der Fotograf Jens stellen sich allen zur Verfügung, um Karikaturen und Fotos herzustellen, kostenlos natürlich, denn jeder will zu dem Fest irgendetwas beitragen. Roberto, Gianni und Carla geben in der Küche ihr Bestes.“

„Mein Mann Bernhard, der viele Stunden am Tag den Gärtner des Schlosses spielt, er wird euer Mundschenk sein und zaubert den besten Wein aus dem Keller, außerdem spielt er fantastisch Klarinette. Damit, aber nicht nur damit, hat er vor einiger Zeit mein Herz gewonnen.“

„Dann muss ich ihn also schon von meiner Kandidatenliste streichen“, meinte Stella grinsend.

„Wieso das?“ erkundigte sich Carla. „Von welcher Liste willst du ihn streichen?“

„Von der Liste heiratsfähiger junger Männer. Es gibt zwei Gelegenheiten, bei denen man ideal auf Partnersuche gehen kann: ein Sommerfest und einen Tango-Tanz.“

Sara protestierte. „Wir sind hier nicht auf Partnerschaftssuche. Und unsere Tänze hier haben nichts mit dem anrüchigen Tango von früher zu tun.“

Stella lachte sie aus. „Ein Tango ist immer etwas sehr Sinnliches. Weißt du denn nicht, dass dieser Tanz einmal von dem Papst Pius X verboten wurde?“

Stella winkte ab. „Und weißt du denn nicht, dass daraufhin eine Tänzerin zu ihm in den Vatikan kam und ihm einen Tango vortanzte? Daraufhin hat Papst Pius X den Tango wieder erlaubt. So schnell geht das. Und was von den Päpsten erlaubt ist, kann unmöglich etwas Verbotenes sein.“

„Es kommt eben sehr darauf an, wie man sich bewegt. Ein Tango Tanz kann sehr graziös und zugleich sportlich aussehen. Aber er kann auch ziemlich ordinär aussehen, wenn man es darauf anlegt.“

Stella schüttelte den Kopf. „Nur wer keinen Kunstverstand hat oder eine schlechte Fantasie, der sieht in diesem ausdrucksvollen Tanz etwas Anrüchiges. Ich weiß gar nicht, warum du hier überhaupt mitmachst, wenn du solche Vorurteile hast?“

„Es kommt eben ganz darauf an, wie man ihn tanzt. Und ich habe doch Augen im Kopf, so wie du dich jetzt schon bewegst, ohne einen einzigen Tanzschritt gemacht zu haben, so wirst du dich auch beim Tango ausdrücken.“

Adelaide griff ein. „Kinder! Fangt nicht an, euch zu streiten. Wir alle lieben das Tanzen und wir freuen uns auf die Proben und die Darbietungen. Tango ist ein sehr geschmeidiger Tanz, und selbst die Musik dazu schmeichelt sich ins Ohr. Wir freuen uns alle sehr darauf und glauben, dass jeder von euch eine eigene Ausdrucksweise hat. Ihr dürft aber jetzt erst einmal alle Carla helfen, das Geschirr für das Essen auf die Terrasse zu tragen. Denn wenn ihr nachher vollzählig seid und alle Kandidaten im Schloss eingetroffen sind, dann wollen wir gemeinsam draußen in harmonischer Runde all die Leckereien genießen, die unsere Köche hier gezaubert haben.“

Sara rümpfte die Nase. „Ich habe noch etwas in meinem Zimmer zu erledigen. Von mir aus könnt ihr schon einmal damit anfangen, ich stoße dann später dazu.“ Sie drehte sich herum und eilte aus der Küche.

3.Kapitel

„Was ist denn mit ihr los?“ erkundigte sich Stella.

„Sie hat Liebeskummer“, erklärte die Schlossherrin. „Und deswegen scheint sie schlecht gelaunt zu sein. Ihr Tanzpartner, das war Kevin, der auch gleich hier sein wird. Offensichtlich haben sie sich nicht im Guten getrennt, denn sie scheint noch sehr wütend und enttäuscht zu sein. Glücklicherweise haben wir dann noch einen Ersatzpartner gefunden, damit sie wenigstens nicht mit ihm tanzen muss.“

„Ja, das ist wirklich hart“, meinte Stella verständnisvoll. „Einem Ex hier immer wieder zu begegnen, der alle unguten Gefühle aufwirbelt, das ist schon ein Hammer. Konntet ihr ihn nicht wieder ausladen?“

Die Schlossherrin schüttelte den Kopf. „Leider hatte der Buchungsvertrag da eine Lücke. Wir fanden keinen plausiblen Grund, seine Buchung stornieren zu können.“

Stella stutzte. „Weiß er denn auch, dass seine Ex hier mittanzt?“

Carla nickte. „Ja, aber er schrieb uns, dass es ihn nicht im Geringsten stört, weil er mit ihr schon lange abgeschlossen hätte.“

„Das klingt ziemlich brutal“, meinte Roberto. „Und es kann noch Komplikationen geben.“

Stella rollte die Augen. „Das fürchte ich auch, Sara scheint nicht kompromissbereit zu sein, und wie es mir scheint, lässt sie auch ihre Launen momentan überall heraus.“

„Ich werde sie ein bisschen einspannen“, überlegte Carla, dann ist sie abgelenkt. Aber wir lassen uns jedenfalls die Laune nicht verderben. Ich freue mich auf das Sommerfest, und alle haben bereits mit so viel Vorfreude geplant.“

In diesem Augenblick öffnete sich erneut die Küchentür und der Gärtner Bernhard brachte junge zwei Männer herein, die sich nacheinander vorstellten.

„Ich bin Jannik“, stellte sich der größere der beiden mit einem fröhlichen Lächeln vor und schüttelte seine blonde Mähne. „Von Beruf bin ich Schornsteinfeger, und mein Hobby ist das Boot fahren. Ich besitze ein kleines Kajütboot, das im Hafen von Wittentine liegt. Also, wenn ihr mich nicht auf dem Dach findet, dann irgendwo stromabwärts oder stromaufwärts.“

Stella sah ihn interessiert an. „Donnerwetter! Dann haben wir jetzt verdammt viel Glück mit einem Schornsteinfeger unter uns. Darf ich dich gleich als Tanzpartner auswählen? Damit sehen dann meine Chancen für einen Gewinn schon ziemlich gut aus.“

Jannik freute sich. „Ich habe nichts dagegen. Aber vielleicht überlegst du dir das doch noch einmal, denn wenn ich auch schwindelfrei bin und nicht seekrank werde, so ist mein Bruder doch der bessere Tänzer.“

Der etwas kleinere junge Mann mit pechschwarzen Haaren stellte sich ebenfalls vor. „Ich bin Goldschmied von Beruf und heiße Martin. Und weil ich deswegen so viele Stunden am Tag sitze, habe ich mir einen Ausgleichssport gesucht. Am frühen Morgen jogge ich morgens am Fluss entlang und winke meinem Bruder zu, wenn er gerade mit seinem Schiffchen vorbeikommt. Abends stelle ich mich als Partner in einer Tanzschule zur Verfügung. Sie gehört der Mutter meiner alten Schulfreundin, da bin ich ein gerngesehener Gast.“

Carla staunte. „Da möchte ich mich tatsächlich auch noch einmal unter die Tanzenden mischen. Sie sah Bernhard, ihren Mann, fragend an. „Bei so viel Tanzwut sollten wir es auch noch einmal versuchen.“

Er hob die Augenbrauen. „Im Moment denke ich weniger an das Tanzen. Das macht sicherlich das heiße Wetter, und ich hatte heute draußen eine Menge zu tun. Aber ich verspreche dir auf jeden Fall, am Abend des Sommerfestes einen Tanz mit dir.“

Sie sah ihn mit freudiger Erwartung an. „Einen Tango?“

Er legte denn Arm um ihre Schultern und sah sie liebevoll an. „Dafür müsste ich tatsächlich noch etwas üben. Bist du auch mit weniger zufrieden.“

Sie lächelte. „Bin ich. Ich bin selbst nicht mehr so fit bei diesen extravaganten Tänzen. Vielleicht schauen wir einmal abends bei den Proben zu.“

Sie wandte sich an Stella. „Hast du etwas dagegen, wenn wir uns etwas bei euch abschauen?“

„Aber nein! Warum auch?! Zuschauer können mich immer motivieren, und ihr seid keine angemeldeten Konkurrenten. Jetzt sind wir doch schon eine ganz schöne Truppe zusammen. Wer fehlt denn jetzt noch?“ wandte sie sich an die Schlossherrin.

„Lennart fehlt“, antwortete Adelaide. „Er arbeitet bei den Schirmer Zwillingen auf dem Gutshof, und zwar in der Tierarztpraxis von Dr. Clemens Lang. Er studiert Medizin und macht gerade dort sein Praktikum. Er kümmert sich rührend um die Pferde dort und ist auch ein leidenschaftlicher Reiter. Er ist der Einzige der Wettbewerbsteilnehmer, der nicht hier wohnt, sondern nur zu den Proben kommt. Er hat eine ganze Menge Verehrerinnen, denn er sieht blendend aus. Im Augenblick sind im Gutshof ein paar Praktikantinnen, und die schwärmen alle für ihn. Er kommt heute etwas später, denn in der Tierarztpraxis kann man nicht so pünktlich Schluss machen.“

„Ich war neulich auch dort in der Tierarztpraxis und habe ihn kennengelernt“, berichtete Carla. „Wir hatten eine kleine verletzte Katze gefunden. Lennart hat sich ganz rührend um sie gekümmert. Sie hat Clemens nicht an sich herangelassen, aber bei Lennart war sie total zahm. Das hat mir gezeigt, dass er ein total empathischer Mensch ist. Und du hast recht, Adelaide, er sieht wahnsinnig gut aus.“

„Muss ich jetzt eifersüchtig sein?“ fragte Bernhard scherzend.

Sie lachte und sah ihn verliebt an. „Nein, denn du hast die Superlative für dich gepachtet. Es gibt keinen, der dich übertreffen kann.“

„Kommt mir denn einer gleich?“ griff er ihre Worte auf.

Sie küsste ihn flüchtig auf die Wange. „Nein. Du bist doch der King für mich.“

„Darf ich euer Tête-à-Tête jetzt einmal unterbrechen?“ mischte sich Stella amüsiert dazwischen.

„Natürlich. Was kann ich für dich tun?“ erkundigte sich Carla hilfsbereit.

„Nachdem du mir Lennart so großartig beschrieben hast, bin ich nicht sicher, ob ich mich nicht vorschnell für einen Tanzpartner entschieden habe. Hätte ich besser auf den hübschen Medizinstudenten warten sollen?“

„Du musst dich heute noch nicht entscheiden,“ riet ihr Carla. „Heute Abend probiert ihr das einfach einmal alle untereinander aus, und dann könnt ihr euch überlegen, wer mit wem tanzt.“

„Und wenn ihr nicht untereinander klarkommt, dann entscheidet das Los“, fügte Adelaide hinzu.

4. Kapitel

Die Gäste und die Bewohner des Schlosses probierten bereits von den appetitlich garnierten Vorspeisentellern, als ein weiterer junger Mann, von Adelaide begleitet, auf die Terrasse trat.