Eine Familie für Schneeflocke - Jana Frey - E-Book

Eine Familie für Schneeflocke E-Book

Jana Frey

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Beschreibung

Matilda kann es nicht glauben: In einem Wanderzirkus findet sie ein krankes Pony und niemand kümmert sich um das arme Tier. Natürlich kann sie die Stute nicht ihrem Schicksal überlassen! Zusammen mit ihren Freunden heckt sie einen Rettungsplan aus, um Geld für den Kauf von Schneeflocke zu sammeln. Schneeflocke hat alle Herzen im Sturm erobert. Doch bevor Matilda auf ihr reiten kann, muss sie erst ein Problem lösen: Die Stute hat fürchterliche Angst vor dem Sattel. So sehr, dass sie sogar die Flucht ergreift und davonläuft. Matilda und ihre Freunde müssen sie schnell wiederfinden, bevor etwas Schlimmes passiert! Zwei rührende Pferde-Geschichten in einem eBook! In den beiden Einzelbänden "Schneeflocke - Ein Pony in Gefahr" und "Schneeflocke - Ein Pony hält alle auf Trab" erlebt Matilda auf dem Lindenhof spannende Abenteuer mit der Stute Schneeflocke, die sie aus einem Wanderzirkus gerettet hat.

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Schneeflocke - Ein Pony in Gefahr

Sultan wird verkauft

„Ich schwöre es dir, Matilda“, sagte Linnea. „Das alles klappt nur, weil wir geerbt haben. Der Großonkel vom Patenonkel von meinem Papa ist gestorben. In seinem Testament stand, dass wir sein ganzes Geld erben sollen. Bestimmt wegen der Sache mit dem Glasauge …“

„Glasauge?“, wiederholte Matilda verwirrt.

In ihrem Kopf drehte sich alles. Linneas Eltern hatten eine Menge Geld geerbt und würden für Linnea Sultan kaufen, das schönste Pferd des ganzen Reiterhofes!

Schon seit Wochen wussten Matilda und Linnea und alle anderen Kinder des Reitstalls, dass Sultan zum Verkauf stand. Aber niemals hätte Matilda sich träumen lassen, dass ausgerechnet Linnea ihn bekommen würde.

„Der Großonkel vom Patenonkel von meinem Papa hieß Onkel Gustav“, begann Linnea zu erzählen, „und war damals, als die Glasaugengeschichte passierte, noch gar nicht alt. Aber er hatte ein Glasauge, für das er sich fürchterlich schämte. Sein Glasauge bewahrte er nachts in einem Glas mit Wasser im Badezimmer auf. Und eines Abends, als mein Papa, der mit seinem Patenonkel zu Besuch gekommen war, zur Toilette musste, schaute ihn das Auge mal wieder traurig und einsam und ratlos aus dem Glas heraus an. Mein Papa nahm es ein bisschen heraus, weil es ihm leidtat. Und dann hatte er plötzlich eine Idee. Nur ein paar Häuser weiter wohnte die Frau, in die Onkel Gustav verliebt war. Aber er liebte sie nur heimlich, weil er sich ja so für sein Glasauge schämte. Doch an diesem Abend sollte sich alles ändern. Mein Papa nahm das traurige Glasauge und trug es ins Nachbarhaus. Er erklärte der Frau die ganze Angelegenheit und überreichte ihr das Auge. Und am nächsten Tag besuchte die Frau zusammen mit dem Auge Onkel Gustav, der gerade dabei war, das ganze Haus auseinanderzunehmen auf der Suche nach seinem verschwundenen Glasauge. Tja, und dann haben sie gelacht und Kuchen gegessen und ein paar Monate später geheiratet. Und Onkel Gustav hat die Glasaugensache anscheinend nie vergessen, und darum hat er meinem Papa zum Dank sein ganzes Geld vererbt.“

„Hast du es gut“, murmelte Matilda und lehnte sich fassungslos gegen ihr Bücherregal, in dem alle ihre Pferdebücher standen. „Ich glaube, in meiner Familie gibt es niemanden, der ein Glasauge hat“, fügte sie nachdenklich hinzu.

Matildas Mutter hatte einen kleinen Bioladen und rote Ringellocken. Ihr Vater war Bäcker und arbeitete nachts und schlief am Tag. Dann gab es noch Kalle und Lasse, ihre beiden jüngeren Brüder. Kalle las den ganzen Tag Bücher über das Weltall oder Meeressäugetiere oder Vulkane, obwohl er erst acht war. Lasse war vier und sang überall und immerzu einen Durcheinandermix seiner Kindergartenlieder. Keiner wusste, warum.

„Und deine Omas?“, erkundigte sich Linnea und kraulte Frau Findus unter dem flauschigen, rotweiß gestreiften Kinn. Frau Findus schnurrte sofort begeistert los und sprang auf Linneas Schoß.

„Die sind beide zusammen in Afrika auf einer Safaritour“, sagte Matilda und zeigte auf eine Fotopostkarte, die gestern erst mit der Post aus Afrika gekommen war und auf der Matildas Omas sonnengebräunt und sehr vergnügt in die Kamera winkten. Von einem Kamel aus!

„Zu erben gibt es bei uns also ganz sicher nichts“, sagte Matilda und sank betrübt in sich zusammen. Linnea bekam Sultan! Und für Matilda würde es im nächsten Monat wahrscheinlich nicht einmal für eine neue Reitkarte reichen. Schließlich hatte Mama erst heute Morgen gesagt, dass das Geld zurzeit mal wieder ziemlich knapp sei und die ganze Familie dringend etwas sparsamer sein müsse.

Matilda schwieg und starrte die Wände in ihrem Zimmer an. Aber wohin sie auch schaute, überall hingen Pferdebilder und Pferdeposter, und immerzu war sie gezwungen, an Sultan zu denken.

„Stell dir mal vor, Matilda, was gewesen wäre, wenn mein Papa das Auge damals nicht aus dem Glas genommen hätte … Dann hätte Onkel Gustav vielleicht nie geheiratet, meine Eltern hätten kein Geld geerbt und ich würde Sultan jetzt nicht bekommen!“

Matilda nickte stumm.

Und im Nebenzimmer sang Lasse gerade mit viel Getöse „Oh du lieber Augustin, alles ist hin, hin, hin!“

Er wusste ja gar nicht, wie recht er damit hatte!

Und zum ersten Mal, seit sie und Linnea beste Freundinnen waren, war Matilda froh, als Linnea nach Hause musste.

Der Haushalts-Snoopy

„Ein Pferd kaufen? Du machst wohl Witze, Matilda“, sagte Mama nur und schnitt kleine Bio-Tofu-Würfel für den Gemüseauflauf, den es zum Mittagessen geben würde.

„Alle haben ein Tier, nur ich nicht!“, protestierte Matilda. „Kalle hat Frau Findus, Lasse hat seinen Goldfisch Herrn Playmobil und Linnea bekommt Sultan!“

„Du kannst gerne zwei Beine von Frau Findus abhaben, Matilda“, sagte Kalle freundlich und schaute zerstreut aus seinem Meeressäugetiere-Buch auf. „Wale teilen auch alles“, fügte er erklärend hinzu. „Futter und so. Ich wünschte, ich könnte einen Wal haben.“

„Und ich will eine Frau Playmobil für meinen Herrn Playmobil“, rief Lasse und streute seinem dicken, trägen Goldfisch liebevoll ein paar Futterflocken in sein Aquarium. „Guten Tag, sagt der Fisch und macht blubb, blubb, blubb“, sang er leise dazu und winkte seinem Fisch lächelnd zu.

Und Herr Playmobil schien mit einer seiner goldenen Flossen sachte zurückzuwinken, während er eilig die bunten Futterflocken futterte.

Währenddessen erzählte Matilda ihrer Mutter die Glasaugengeschichte.

„Können wir nicht auch etwas erben?“, fragte sie zum Schluss hoffnungsvoll.

Mama machte ein bekümmertes Gesicht. „Ich fürchte, nein“, sagte sie vorsichtig.

Aber das war noch nicht alles. Nein, es kam noch viel, viel schlimmer!

„Matilda, wegen der Reitkarte …“, sagte Mama nämlich, ließ die Tofu-Würfel eilig in die Pfanne purzeln und legte dann das Schneidebrettchen zur Seite, um Matilda einen mitfühlenden Blick zuzuwerfen.

Matilda schaute schnell zur Seite, aber ihr Bauch krampfte sich vor Kummer zusammen. Sie ahnte, was jetzt kommen würde. Nein, sie wusste es!

Schließlich war es erst ein paar Stunden her, dass Mama mit besorgter Miene im Haushalts-Snoopy das Haushaltsgeld nachgezählt hatte.

Der Haushalts-Snoopy war ein dicker, hohler Porzellanhund, der ganz oben auf dem Küchenschrank stand und in dem Mama und Papa immer das Haushaltsgeld aufbewahrten.

„Es kam viel zusammen in der letzten Zeit“, fuhr Mama fort und verscheuchte Frau Findus, die zur Küchentür hereingekommen war und ihren Kopf neugierig schnuppernd Richtung Herd vorstreckte. „Wir haben zwei Bankraten für das Haus bezahlen müssen und die Miete für den Bioladen ist auch gestiegen.“

Matilda saß reglos da.

„Mit einer neuen Reitkarte müssen wir diesmal noch ein Weilchen warten, Matilda. Der Haushalts-Snoopy ist so gut wie leer und hundert Euro für eine Monatskarte sind eben ganz schön viel. Das verstehst du doch, oder?“

„Nein, nein, nein“, flüsterte Matilda und sprang so wild auf, dass der Stuhl, auf dem sie gesessen hatte, mit lautem Gepolter umstürzte. Verzweifelt stürzte Matilda in ihr Zimmer und verriegelte die Tür hinter sich.

„Ich hasse, hasse alles!“, schluchzte sie und verkroch sich weinend unter ihrer Pferde-Glückshufe-Bettdecke.

„Matilda!“, rief Mama den ganzen Nachmittag immer wieder und klopfte an die verschlossene Tür.

Aber Matilda rührte sich nicht.

„Matilda, du kannst wirklich ein Stück von Frau Findus abhaben“, rief Kalle.

Aber Matilda gab keinen Ton von sich.

„Komm, gib mir deine Hände, tanz mit mir im Kreise, spring mal wild herum“, sang Lasse aufmunternd und hopste vor Matildas Tür auf und ab.

Aber Matilda gab niemandem die Hände, tanzte mit niemandem im Kreis und sprang auch nicht wild herum.

Sie lag einfach nur in ihrem Bett und weinte und fühlte sich krank vor Traurigkeit.

Pferdealarm

Außer Mama und Papa, Kalle und Lasse, ihren beiden Omas, Frau Findus und Herrn Playmobil, Linnea und den Kindern in Matildas Klasse gab es in Matildas Leben noch Friedrich.

Friedrich wohnte in dem Haus, in dem der kleine Bioladen von Matildas Mutter war. Er kam ziemlich oft in den Laden.

Friedrich hatte nämlich das Pech, ziemlich gut Geige spielen zu können, und darum hatten sich seine Eltern in den Kopf gesetzt, dass er unbedingt einmal berühmt werden müsse. Aus diesem Grund zwangen sie ihn, immerzu zu üben und zu üben und zu üben.

Aber manchmal floh Friedrich.

Dann wog er eine Weile Weizen für Matildas Mutter ab oder er sortierte Bio-Ketchup und Bio-Mayonnaise und Bio-Knäckebrot in die Regale ein.

Oder er schrieb Preisschilder oder reparierte die alte Getreidemühle, wenn sie mal wieder klemmte.

„Was ist denn heute mit Matilda los?“, fragte Friedrich einige Tage später.

Es waren Osterferien, und darum waren Matilda und ihre Brüder und Herr Playmobil mit in den Laden gekommen.

Matilda saß still und stumm auf der Kellertreppe im Hof und starrte die bröckeligen Backsteine der Hauswand an.

Die ganzen letzten Nächte hatte sie nur von Sultan geträumt.

„Alles war ein Irrtum!“, hatte ein netter, kleiner, uralter Mann im Traum zu ihr gesagt. Es war ganz sicher der Großonkel vom Patenonkel von Linneas Vater gewesen. Sein himmelblaues Glasauge funkelte vergnügt. „Nicht Linnea, sondern Matilda soll das Pferd bekommen!“, rief er anschließend wunderbarerweise und lächelte Matilda freundlich zu. „Bitte schön, da hast du es, verehrtes Fräulein …“

Aber immer genau dann, wenn Matilda glücklich nach Sultans Halfter greifen wollte, war sie mit einem Ruck aufgewacht, und ihre Hand griff ins Leere.

„Es herrscht Pferdealarm“, flüsterte Kalle Friedrich zu. „Wegen Linnea und Sultan und dem Glasauge von Linneas Urgroßonkel.“

Und dann erzählte er Friedrich die ganze Geschichte.

Zwischendurch öffnete sich hoch oben über Matildas Kopf, im vierten Stock, immer wieder ein knarrendes Küchenfenster.

„Friedrich, ich weiß, dass du dich da unten irgendwo versteckst!“, schimpfte Friedrichs Mutter dann hinunter. „Und ich werde dir einen Eimer eiskaltes Wasser über den Kopf kippen, wenn du nicht gleich deine Fingerübungen zu Ende machst. Außerdem sitzt das H-Moll-Konzert noch nicht, und die Variationen zur dritten Geigenlage hast du heute noch überhaupt nicht geübt.“

„Los, verschwinden wir“, flüsterte Friedrich düster.

„Okay“, sagte Kalle und krabbelte aus dem knitterblättrigen Busch, in dem er sich mit Friedrich vorsichtshalber verkrochen hatte.

„Auf der Gemeindewiese ist Jahrmarkt“, flüsterte Friedrich weiter und vermied es, in die Nähe des heimatlichen Küchenfensters zu kommen. „Matilda, kommst du auch mit?“

Aber Matilda saß weiter stocksteif da und starrte auf die Backsteinhauswand, als gäbe es dort etwas ungemein Interessantes zu sehen.

Genau in diesem Moment kam Lasse in den Hof getrottet. In der einen Hand hielt er das tragbare Ladentelefon und mit der anderen Hand hielt er sein Goldfischglas an sich gepresst, in dem Herr Playmobil vor sich hin paddelte und neugierig nach draußen blinzelte.

„Linnea ist am Telefon, Matilda!“, rief Lasse und stellte Herrn Playmobil in die Frühlingssonne. „Sie fragt, ob du jetzt gleich mit zum Reitstall kommst. Ihr Papa will heute alles wegen Sultan klären, und …“

Da sprang Matilda auf und rannte davon. Sie wollte nichts, überhaupt nichts mehr über Linnea und Sultan hören!

„Wir gehen zum Jahrmarkt und haben jetzt leider keine Zeit zum Pferdekaufen“, erklärte Friedrich Lasse freundlich und sauste ebenfalls davon. Kalle folgte ihm dicht auf den Fersen.

„Friedrich, ich habe dich gesehen!“, rief Friedrichs Mutter prompt von oben. „Na warte, bis du nach Hause kommst …“

Und dann winkte sie den Flüchtenden mit Friedrichs Geigenbogen drohend hinterher.

„Es gibt Lieder übers Lachen, ha ha ha, und auch Lieder übers Schimpfen, na na na. Nur das eine Lied, das gibt’s noch nicht, und das ist das Lied über mich“, sang Lasse ihr tröstend vor.

Aber Friedrichs Mutter hatte gar nicht richtig zugehört und schlug einfach nur ärgerlich das Küchenfenster zu.

Schneeflocke

Der Jahrmarkt war klein.

„Zwei Karussells, eine Schießbude, eine Losbude, drei Würstchenbuden und ein Autoskooter“, zählte Friedrich und schaute sich um.

„Und ein Geigenspieler“, fügte Kalle hinzu und zeigte auf einen alten Mann mit einer roten Nelke im Knopfloch, der unter einer Linde stand und auf einer alten schäbigen Geige spielte.

„Puh“, machte Friedrich und verzog das Gesicht.

„Aber er verdient nicht schlecht“, sagte Kalle, nachdem er einen prüfenden Blick in die kleine Blechdose geworfen hatte, die der alte Mann vor seinen Notenständer gestellt hatte.

Matilda schaute traurig vor sich hin. Jetzt war Linnea sicher schon auf dem Reiterhof angekommen. Zusammen mit ihrem Vater, dem Glasaugenretter. Matilda konnte es genau vor sich sehen. Bestimmt ging Linnea gerade zu Sultan in den Stall hinein und streichelte seine warme, weiche, glänzende Flanke. Und Sultan schnaubte leise und beschnupperte Linneas Reiterhosentaschen nach Pferdezucker. Ob er ahnte, dass er bald ihr gehören würde?

Die Welt war ungerecht! Immerhin war es Matilda gewesen, die zuerst auf Sultan geritten war. Damals, vor zwei Jahren, als sie und Linnea angefangen hatten zu reiten.

„Sultan ist mein Lieblingspferd“, hatte Matilda Linnea erklärt.

„Meins nicht“, hatte Linnea damals geantwortet. „Ich mag Sally lieber. Sultan ist mir viel zu störrisch!“

Matilda schluckte. Eigentlich müsste sie Sultan bekommen und nicht Linnea.