Eine Sklavin aus Pisa - Andreas M - E-Book

Eine Sklavin aus Pisa E-Book

Andreas M

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Beschreibung

Fast acht Jahre sind vergangen, seit Andreas aus Japan nach Deutschland zurückgekehrt ist. Er ist mittlerweile alleinerziehender Vater seiner sechsjährigen Tochter Eva. Nach dem plötzlichen Krebstod seiner Frau Nathalie hat er sich vom Leben sehr weit zurückgezogen und sich auch beruflich zurückgenommen. Nur noch zu wenigen Freunden pflegt er den Kontakt. Seine Bedürfnisse und Neigungen hat er ebenfalls vollkommen zurückgestellt, um vor allem für sein Kind da zu sein. Als ein langjähriger Freund ihn bittet, doch unbedingt mit ihm eine Woche nach Italien zu fahren, um dort im geneigten, kleinen Kreis ein paar besondere Tage zu verbringen, willigt er nur widerstrebend ein. Die Reise läßt sich nicht gut an. Andreas wird in der norditalienischen Landschaft mit schmerzhaften Erinnerungen konfrontiert, denen er sich kaum entziehen kann. Und auch das als frivol und ausgelassen gedachte Treffen, zu dem er ohnehin mit gemischten Gefühlen angereist war, verläuft zunächst anders als erwartet. Doch im Laufe der Tage, die er in zunehmend vertrauter Runde verbringt, begreift Andreas, daß man die Vergangenheit nicht zurückholen kann - und daß man gerade deshalb das Glück manchmal genau da findet, wo man es am wenigsten erwartet. Auf seiner Rückreise nimmt er zwar viele offene Fragen mit sich, doch zugleich auch neue Zuversicht. Seine Zweifel sind der Gewissheit gewichen, daß das Leben schön ist, daß es sich lohnt, darauf zu vertrauen, und daß sich auf offene Fragen zur rechten Zeit schon Antworten finden werden. Eine Frau begleitet ihn, die vielleicht seine Gefährtin werden mag. Und er hat in Italien einen Freund gefunden, dessen Einfluß auf sein Leben noch weit größer sein würde, als er es sich zu diesem Zeitpunk vorstellen kann. *** Sie wolle mit ihm kommen, nach Deutschland, für eine Weile, zum Probieren. Schauen, was kommt. Arbeiten könne sie im Moment schließlich überall, hatte sie nur gemeint. Und privat habe sie im Moment sowieso keine Lust, in Pisa zu sein. Den Grund dafür wollte sie ihm nicht nennen. „Später,“ hatte sie gesagt, als beide auf der Piazza San Caterina einträchtig nebeneinander saßen und die Pizza kauten, die sie in dem kleinen Geschäft gleich gegenüber besorgt hatte. Später würde sie es ihm erzählen. Aber nicht im Moment. „Es tut noch zu weh,“ sagte sie leise, schloß die Augen und schüttelte dabei den Kopf, so als wolle sie Bilder, eine schlimme Erinnerung einfach abschütteln. Er war nicht weiter in sie gedrungen ...

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Veröffentlichungsjahr: 2016

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Niemandsland Trilogie

Teil 2: „Eine Sklavin aus Pisa“

 

von

 

Andreas Marckwardt

 

 

Copyright (c) Dezember 2012 by Andreas Marckwardt

E-Book

 

 

 

Niemandsland Trilogie:

Teil 1: „Taifun – Ein Brief an meine Frau“

=> Teil 2: „Eine Sklavin aus Pisa“

Teil 3: „Niemandsland“

 

Eine Sklavin aus Pisa ©2023 Andreas Marckwardt, All rights reserved

Weitergabe, Veröffentlichung, Abdruck, Vervielfältigung oder die elektronische Speicherung bzw. Verarbeitung in elektronischen Datenbanken (auch auszugsweise) bedürfen der ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung des Autors.

 

Umschlagbild © 2023 Andreas Marckwardt und Sklavin kyra, All rights reserved

Weitergabe, Veröffentlichung, Abdruck, Vervielfältigung oder die elektronische Speicherung bzw. Verarbeitung in elektronischen Datenbanken (auch in abgeänderter Form oder Farbgebung) bedürfen der ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung des Künstlers und seines Modells.

 

Rev03_2023_Sep_14 (letzte Überarbeitung)

 

Impressum:

Eine Sklavin aus Pisa © Copyright by

Andreas Marckwardtc/o Block ServicesStuttgarter Str. 10670736 [email protected] Rechte vorbehalten.Tag der Veröffentlichung: 15-Dez-2012

 

Bitte erlaubt mir an dieser Stelle einen Hinweis in eigener Sache.

Wer eBooks unabhängiger Autoren „kostenfrei“ herunterlädt schädigt nicht Amazon oder Thalia oder sonst einen großen Verleger, sondern er schädigt vor allem und unmittelbar den Autor. Er nimmt fremdes Eigentum zum eigenen Nutzen an sich und macht sich dadurch im besten Sinne des Wortes zum Dieb.

Wer eBooks unabhängiger Autoren auf so genannten „Piratenplattformen“ zum kostenfreien Download anbietet, schädigt ebenfalls nicht Amazon oder Thalia oder sonst einen großen Verleger, sondern vor allem und unmittelbar den Autor. Er ist ganz sicher kein Kämpfer für die Freiheit des Wortes, schon gar nicht für die Freiheit der Autoren, sondern schlicht und ergreifend ein Dieb und Hehler, der sein Geschäft mit gestohlenen Gütern betreibt und so die Urheber der Werke um die Früchte ihrer Arbeit betrügt. Weil er selbst nicht fähig ist, mit Kreativität und Anstrengung ein eigenes Werk zustande zu bringen.

Du gibst 9 Euro aus für „einen doppelten, entkoffeinierten Mokkachino ohne Zucker mit fettarmer, laktosefreier Milch,“ der binnen Sekunden aus einer Patrone gepreßt und dir liebevoll und stilecht in einem Pappbecher vor die Nase geknallt wird, auf den immerhin dein Name gekritzelt wurde? Aber die gleichen 9 Euro für ein Buch, dessen Autor sich mehr als ein Jahr Arbeit damit gemacht hat, sind dir zu viel? Hoffentlich nicht!

Denn, um ein altes Sprichwort abzuwandeln:„Charakter ist eine Zier, doch es geht auch ohne ihr.“

Allen anderen wünscht der Autor ein ungetrübtes Lesevergnügen an einem ehrlich verfaßten und genau so ehrlich erworbenen Buch! :-)

Andreas Marckwardt

 

Inhalt

Es ist wie Fahrrad fahren

In die Alpe Apuani

Mi chiamano „Gianni“

Nach zwölf Jahren – Monika

Objects in the Rear View Mirror May Appear Closer Than They Are

Kontrolle ist gut – Vertrauen ist besser

Si vive bene!

Ein leicht perverses Frühstück

Gewitter zieht auf

Kochen ist Männersache

Valentina

Eine Sklavin aus Pisa

Weitere Bücher von Andreas Marckwardt

 

Sei Herrin meines Hauses

meiner Gärten

und gebiete mir

als Deinem Schildherrn

Deinem Ritter

 

Sei meine Schwester Du

Erfreue mich mit Dir

mit Deiner Gegenwart

und treibe Scherz mit mir

als Deinem Bruder

 

Sei Dienerin

Sei Eigentum

vertraue folge und gehorche mir

als Deinem Lehnsherrn

 

Sei die Geringste unter meinen Füßen

und liebe Deinen König

 

 

– Andreas Marckwardt, 2012

 

 

 

Nathalie

 

 

 

Es ist wie Fahrrad fahren

“Jetzt komm schon! Laß dich nicht noch länger bitten! Glaub mir, es wird dir gut tun. Du kannst dich doch schließlich nicht ewig vergraben!“

Andreas hatte die Hände in den Hosentaschen und bohrte mit den Schuhspitzen im Kiesweg. „Erstens vergrabe ich mich nicht.“ Seine Stimme hatte einen leicht gekränkten Unterton. „Ich habe die Kleine, vergeßt das bitte nicht dauernd.“ Er holte tief Luft. Michael wollte etwas Beschwichtigendes entgegnen, aber Andreas hob die Hand und kam ihm zuvor. „Doch, doch,“ sagte er leise und schaute endlich auf. „Doch, Michael. Ich weiß, es ist nicht böse gemeint von euch. Aber jemand ohne Kind und Rind vergißt so was schon mal ganz einfach.“

„Papa! Kommst du endlich?“ rief eine Mädchenstimme vom Hof, gerade so, als wollte sie Andreas‘ Bemerkung von eben unterstreichen.

Der lächelte müde und hob schicksalsergeben die Schultern. „Ja, Evchen!“ rief er laut. „Ich komme ja gleich!“

Michael schmunzelte.

Andreas Blick wanderte in die Ferne und es schien für einen Moment, als würde er träumen. „Und zweitens,“ wandte er sich wieder an seinen Freund, „zweitens - ja, du hast vermutlich sogar recht. Ich weiß nicht mehr, wie es geht. Ich bin zu lange aus der Übung. Ganz ehrlich,“ kam er einem Einwand Michaels zuvor, „ganz ehrlich, ich wüßte einfach nicht mehr, wie…“

Michael wischte die Bedenken mit einem warmen Lachen beiseite. „Aber Andreas, red’ doch bitte nicht so einen Unsinn! Mensch, das war doch bloß so im Spaß daher gesagt. Du weißt doch, Frauen sind wie…“ Er sah sich um und fuhr dann leise fort. „Das ist wie Fahrrad fahren, Andreas. Das verlernt man doch nicht!“ Er lächelte, und in seinen Augen blitzte es spitzbübisch. „Komm! Nimm dir ein paar Tage frei! Ist doch bloß ein verlängertes Wochenende. Bringst Evchen zu ihren Großeltern. Die freuen sich doch, wenn sie das Kind mal ein paar Tage bei sich haben dürfen. Und ihr gefällt es sicher auch gut. Und dann setzt du dich in dein Auto und kommst einfach!“

Andreas lachte unsicher, schüttelte den Kopf und rieb sich das Kinn. „Mensch, ich kenn’ den Typen doch gar nicht! Was, wenn er gar nicht einverstanden ist? Oder wir uns ganz einfach nicht riechen können?“

Michael winkte ab. „Papperlapapp! Gianni ist einverstanden! Das weiß ich! Du wirst sehen! Und leiden könnt ihr euch auch, da bin ich mir sicher!“

Andreas blies einen Schwall Luft durch die zusammengepreßten Lippen. „Und wo ist das überhaupt?“

Doch Michael wollte auch diese Ausrede nicht gelten lassen. „Ach, Andreas, die paar Kilometerchen, du meine Güte!“ Er hob beschwörend beide Hände. „Bei dem, was du im Jahr runter reitest, ist das doch bloß ’n Tagesausflug!“

Andreas begann wieder, mit den Schuhspitzen im Kies zu spielen.

„Papa! Nun komm endlich!“ hörten sie erneut die quengelnde Mädchenstimme.

Andreas lachte leise in sich hinein. „Siehst du? Ich weiß einfach nicht recht. Was, wenn ich das Fahrradfahren nun doch verlernt habe? Dann gehe ich dort unten mit etwas Glück gut essen. Ich mag ja die toskanische Küche. Aber deswegen fährt man nicht gleich dort hin, oder?“ Beide lachten.

„Mit anderen Worten, du traust dich nicht.“ Michael lächelte mild und Andreas nickte, den Blick auf die Schuhspitzen geheftet.

„Jep! Du hast schon recht. Ich trau mich nicht.“

Beide schwiegen eine Weile, aber Michael konnte Andreas am geschlossenen Mund ansehen, wie der nachdenklich mit der Zunge in seinen Zahnreihen spielte. „Komm, gib dir einen Ruck! Du wirst es nicht bereuen, glaub mir!“ Michael faßte seinen Freund bei der Schulter und schüttelte ihn sanft.

Der schloß die Augen, schüttelte den Kopf und lachte dann. „Du mußt mir aber genau erklären, wohin ich fahren muß. Du kennst mich. Ich bin Weltmeister im Verfahren. Und fragen kann ich auch nicht. Ich kann kein Italienisch. Na ja - nicht richtig.“

„Na endlich!“ Michael atmete auf. „Heißt das, du kommst?“

Andreas zögerte einen Moment, atmete tief durch und nickte dann ohne aufzuschauen.

Michael strahlte übers ganze Gesicht und klopfte ihm fest auf die Schulter. „Toll! Sehr gut! Hervorragend! Kerstin wird sich unheimlich freuen. Und Gianni und die anderen auch!“

Andreas sah ihn skeptisch an. „Ich weiß immer noch nicht, ob das wirklich gut ist.“

Michael hakte ihn unter und zog ihn sanft in Richtung des Wagens. „Ach, du bist und bleibst ein alter Grübler! Machst dir einfach viel zu viele Gedanken!“ Er klang ein wenig euphorisch. „Glaub’ mir, es wird dir gefallen. Mehr als das. Gianni hat mir versprochen, noch ein Mädchen mitzubringen. Und diese Monika, von der ich dir erzählt habe, die deine Geschichten so toll findet - keine Ahnung, warum,“ er lächelte süffisant und stieß Andreas mit dem Ellenbogen in die Rippen, „also die ist auch ganz wild darauf, mitzukommen.“

Andreas schob ihn von sich weg. „Läster‘ du nur! Aber was soll’s. Wenn ich wirklich nicht wollte, hättest du mich sowieso nicht überreden können. Folglich will ich’s vermutlich doch.“

Michael lachte schallend. „Oh Mann! Ich hab’ das jetzt einfach nicht gehört!“ rief er aus und raufte sich spielerisch resignierend die Haare. „Weißt du eigentlich, was du bist? Ein wirrköpfiger, alternder Philosoph!“ Und leise fügte er hinzu: „Und ein perverser dazu! Äh!“ Er verzog in gespielter Verachtung das Gesicht. „Ist ja widerlich!“

Er klopfte Andreas zum Abschied auf den Rücken. „Ciao, Bello!“ rief er ihm nach.

Andreas hob nur lachend die Hand zum Gruß, winkte ab und ging, ohne sich umzudrehen zu seinem Wagen, wo ein blondes Mädchen ungeduldig mit beiden Händen am Türgriff zerrte.

„Papa! Jetzt komm endlich!“ nörgelte sie laut und fragte dann beim Einsteigen: „Papa, was ist ein Philosoph?“

Michael bekam nur noch einen Teil der Antwort zu hören: „Das ist einer, der den ganzen Tag dumm daher redet, und dafür mit etwas Glück auch noch viel…“ Dann fiel die Autotür ins Schloß. Er winkte den beiden beim Davonfahren nach und ging nachdenklich zurück zum Haus.

Sie waren seit langen Jahren Freunde. Und er hätte beim besten Willen nicht mehr sagen können, wie oft sie in vertrauter Viererrunde das zelebriert hatten, was sie einen „Herrenabend“ nannten. Und sich gemeinsam an Anblick und Gehorsam ihrer Frauen erfreut hatten. Das Verständnis und die Zuneigung in diesem Kleeblatt waren tief genug, um zuweilen dem Freund die eigene Frau anzuvertrauen. Um mit ihr zu „spielen“. Übungen in Demut und Gehorsam; auch Züchtigungen, wenn sich ein Anlaß dazu bot. Sie genossen es zuzusehen, wie die eigene Frau unter der Hand des Freundes stöhnte – oder unter seiner Peitsche jammerte und weinte. Weiter waren sie jedoch nie gegangen. Den klassischen Partnertausch hatte keiner der Vier je gewollt; sie hatten einfach nicht das Bedürfnis danach. Sicher, die Mädchen tauschten hin und wieder auch mal einen verstohlenen Kuß oder eine flüchtige Zärtlichkeit aus. Michael und sein Freund duldeten es. Nicht selten geschah es ja auch, während eine von beiden sich gerade der Peitsche oder dem Stock ihres Herrn darbieten mußte, während die andere sie tröstete – und zugleich darauf wartete, sich es an ihr war, sich vor den Augen der Freunde der Strenge und den Befehlen ihres Geliebten anzuvertrauen. Oder wenn sie beide nebeneinander angeleint das über sich ergehen lassen mußten, was ihre Herren „Dressur“ nannten. Sinnlose, demütigende Befehle, die sie ausführen mußten. „Unterstützt“ von den Reitgerten ihrer Herren, während die Erniedrigung ihnen eine schamvolle, trockene Hitze in die Gesichter trieb. Und manchmal auch ein paar Tränen.

 

Und dann, auf einmal, war Nathalie nicht mehr dagewesen.

 

Keiner hatte Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten, sich auch nur mit dem Gedanken vertraut zu machen. Geschweige denn mit der Tatsache und ihrer Endgültigkeit. Am allerwenigsten sein Freund. Über Nacht schien Andreas ein anderer Mensch geworden zu sein. Sicher, er war auch vorher noch nie ein leichter Geist gewesen. Den Hang zum Grübeln, Abwägen und Entwickeln komplexer Gedankengebilde hatte er schon immer gehabt, und er hatte sich dabei auch immer wieder mal komplett verstiegen. Aber auch das war immer ein Teil dessen gewesen, was ihre Freundschaft ausmachte. Eben daß Andreas den Schwierigkeiten und Widersprüchen der selbstgewählten Lebensweise ungern aus dem Weg ging. Er wollte sich vor den eigenen, unbequemen An- und Einsichten, den schwarzen Eingeständnissen nicht einfach davonstehlen in die Welt des skurrilen Scheins. Die bizarren Selbstinszenierungen hatte er stets als vordergründig bezeichnet, als nervös oder lächerlich, als litten die Betroffenen unter einer unheilbaren Panik.  

Doch trotz aller Nachdenklichkeit und auch einer gewissen Steifheit war er immer doch auch begeisterungsfähig und spontan gewesen; allzeit zu einer Schandtat bereit und immer mit von der Partie, wenn es darum ging, Pferde zu stehlen oder sonst etwas Verrücktes anzustellen.

Nie war Nathalie dabei von seiner Seite gewichen. Obwohl sie eher die Ruhige, Mäßigende von den beiden gewesen war - was hin und wieder auch schon mal Unheil verhindert hatte. Seit sie nicht mehr bei ihm war, schien Andreas diesen Part um so mehr übernommen zu haben. Seine dauernde, übertriebene Vernunft hatte schon fast etwas Sauertöpfisches angenommen. Einige von den alten Freunden hatten sich deswegen mehr und mehr von ihm zurückgezogen. Anders als Michael konnten sie nicht nachvollziehen, was in Andreas vorging, und welche unausgesprochene Sorge ihn tatsächlich umtrieb: Der unbedingte Wille und die Entschlossenheit, dem kleinen Evchen zumindest den Vater zu erhalten. Selbst Michael hatte eine Weile gebraucht, bis er das seltsame Verhalten seines Freundes verstand. Wieso der notorische Raucher zu jeder Gelegenheit sich von einem Tag auf den anderen das Rauchen abgewöhnt hatte. Er trank keinen Alkohol mehr. Sogar dem kleinen Wohlstands- und Genußbauch war er plötzlich mit einem Fitneßprogramm und gesunder Ernährung zu Leibe gerückt. Das alles stand dem Freund ja zugegeben auch ganz gut an. Nur daß aus seinen Augen zugleich der freudestrahlende, begeisterte kleine Junge gewichen war, den es da immer auch gegeben hatte, das gefiel Michael und Kerstin überhaupt nicht. Es schien ihnen einfach unnatürlich, paßte nicht zu Andreas, und deswegen gaben die beiden den Versuch nicht auf, ihn wiederzufinden. Ihnen war, als müßten sie ihn aus einer Starre aufwecken, einem unnatürlichen Schlaf, der schon viel zu lange andauerte.

Und nun setzten sie ihre Hoffnungen auf den Himmel über Italien. Ein langes Wochenende des Dolce Fare Niente im Landhaus eines Freundes, einer Urlaubsbekanntschaft eigentlich, die den Sommer des Kennenlernens überdauert hatte, und aus der eine enge, tiefe Freundschaft erwachsen war. Gianni hatte sie eingeladen „um zu gemeinsam godere di l’ubbidienza von die schöne Fraue,“ wie er in seinem ebenso lustigen wie manchmal kaum zu verstehenden Kauderwelsch geschrieben hatte. Und sie sollten Andreas mitbringen, „den Freund mit die schwere Gedanke von der Michael hat erzählt, und wo solche storie strane schreibt, mit so lange Sätze wo nicht kann verstehe arme Italiano.“ Michael gab es sich selbst nur ungern zu. Aber in dem Moment, als er die Haustür hinter sich schloß und langsam in den Keller hinabstieg, wo seine Frau ihn schon erwarten würde, teilte er doch ein wenig Andreas' Skepsis, ob das wohl gut gehen würde.

 

In die Alpe Apuani

„Geld regiert die Welt!“ Sagt man. Was für ein Blödsinn! Von wegen Geld - es sind die Hormone! Der Trieb ist es, und nur der, dachte Andreas. Für kein Geld der Welt würde ein erwachsener und als durchaus vernünftig geltender Mann eine solche Eselei begehen, wie er es gerade tat. Er war doch schon am Vortag losgefahren mit dem Gedanken, sich in Massa ein Hotel zu suchen - als Fluchtpunkt, für alle Fälle. Aber dann war er wieder mal später losgekommen als geplant, und eine Baustelle am St. Gotthard hatte ihn ewig lange aufgehalten. Als die Sonne unterging, war er noch mitten im Tessin. Und dann ging es irgendwann nicht mehr weiter: Er konnte am Steuer kaum noch die Augen aufhalten. Schließlich hatte er kurz vor Lugano als einziger und erkennbar nur widerwillig akzeptierter Gast ein schäbiges, vollkommen überteuertes, kleines Hotel gefunden und war nach einem mäßig schlechten Abendessen todmüde ins Bett gefallen. Doch so müde er auch war, hatte er trotzdem kaum Schlaf gefunden. Wilde Gedanken, wirre Bilder in seinem Kopf hatten ihn von einer Seite des Lagers auf die andere getrieben und ihn immer wieder aus seinem dämmernden Halbschlaf schrecken lassen.

Junge, geschmeidige Mädchenkörper, warm und lebendig, auf die er jedes Recht hatte. Aber warum? Sie standen ihm zur Verfügung, mußten ihm zur Verfügung stehen. Sie hatten keine Möglichkeit der Verweigerung, und es machte ihn rasend, daß er nicht wußte, wieso. Schöne, feingeschnittene Gesichter, auf die er nach Lust und Laune wie in einem unwirklichen Rausch Schmerz, Tränen, Hingabe oder Lust zaubern konnte. Der Anblick ausgelieferter Frauen ließ ihn keine Ruhe finden. Wie sie vor ihm auf Knien lagen, angekettet zum Zeichen ihres minderen, wehrlosen Standes. Wie sie Mund, Schoß und Lenden seiner Gier zum Dienst anbieten mußten. Die verbotenen Wünsche bohrten sich wie Fieberträume durch seine Gedanken, krochen in die verborgenen Winkel seines Kopfes und von da hinunter zu seinen Lenden, spielten gehässig grinsend mit den Leidenschaften, die ihn trieben. Er wollte es sich nicht eingestehen, aber die Vorstellung, nach so langer Zeit endlich wieder eine Frau besitzen zu können, eine gehorsame, verfügbare, warme, lebendige Frau, versetzte ihn in ungeheure Erregung.

Nur daß es nicht die wohlige Vorfreude war, die er von früher kannte. Wenn er zum Beispiel auf dem Heimweg von einer seiner vielen Geschäftsreisen war und wußte, wie sie ihn zu Hause erwarten würde. Nackt bis auf die Fesseln und Halsband würde sie vor ihm niederknien, um ihn zu begrüßen, in ihrem Blick trüge sie dabei Furcht und Freude zugleich. Zu ihr hinab beugen würde er sich, in den Ring des derben Bandes fassen, daß den schmalen, zarten Hals umschloß, den sie weit nach hinten biegen würde, um ihren Mund gehorsam seinem fordernden Kuß darzubieten. Nein, es war nicht die Vorfreude auf den Gebrauch der Geliebten, auf das Spiel mit ihrem Körper und mit ihren Gefühlen, nicht das erregende Vorauseilen seiner Gedanken im Wissen um die Lust ihrer Offenheit und Hingabe. Es waren wirre, nervöse Bilder, und sie quälten ihn. Szenen wie aus billigen, schlecht gemachten Pornofilmen, unsensibel und lächerlich bis ins Groteske. Irgendwann in den frühen Morgenstunden hatte er dann, von Müdigkeit und seiner betäubten Phantasie getrieben, dem gierigen Verlangen nachgegeben und sich ein oder zwei Male selbst befriedigt. Bevor er endlich in einen unruhigen Schlaf gefallen war.

Die aufgehende Sonne und ein vorbeifahrender Güterzug auf der benachbarten Bahnstrecke hatten ihn zeitig wieder aufstehen lassen. Auf seinen üblichen Morgenlauf hatte er verzichtet. Er kenne die Gegend nicht, hatte er sich eingeredet. Statt dessen hatte er Schweiß und Elend der Nacht mit kaltem Wasser von sich abgeduscht. Unfreiwillig, denn auf seine sorgfältig vorgebrachte Beschwerde „Nella mia camera non c’è l’aqua calda,“ reagierte die Wirtin nur mit einem mürrischen, uninteressierten Achselzucken. Also war er sehr früh und mit nicht mehr als einer Tasse Kaffee als Frühstück aufgebrochen in Richtung Mailand, und von da weiter zur Emigliana. Kurz vor Mittag war er bereits bei Parma gewesen. Das Wetter war schön und er hatte spontan beschlossen, einen kleinen Abstecher zu machen. Also war er an der Autostrada in Richtung La Spézia vorbeigefahren, hatte statt dessen die Abfahrt nach Parma genommen und nach kurzem Suchen die Staatsstraße 62 nach Norden wiedergefunden. Unterwegs hatte sich endlich auch der Hunger bemerkbar gemacht, und er hatte kurzerhand vor einer kleinen Bar gehalten, die „Tavola calda“ versprach, warme Küche. Nun saß er nach umständlicher, aber auch sehr erheiternder und von allen Anwesenden lautstark unterstützter Bestellung an einem kleinen Tisch, zu dem ihn die Signora des Hauses bugsiert und ihm kurzerhand eine Portion Tagliatelle, ein Töpfchen Parmesan, ein Körbchen Brot und eine große Flasche Wasser vorgesetzt hatte.

---ENDE DER LESEPROBE---