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Zwei Jahre lang hatte sie widerstehen können, doch nun ist Angelika rückfällig geworden und hat an einem Nachmittag das gesamte, bescheidene Erbe ihres Vaters verspielt. Wütend, verzweifelt und enttäuscht entschließt sich ihr Mann Friedrich zu einer drastischen Maßnahme: Nach zwanzig Jahren Ehe setzt er seine Frau kurzerhand vor die Tür. Er gibt ihr auf den Tag genau fünf Jahre Zeit, die verspielte Summe wieder zu verdienen; das entspricht gerade seiner Sparleistung als Leitendem Angestellten. Schafft Angelika es nicht, wären sie für immer geschiedene Leute. Doch sie war zu lange aus dem Beruf, als daß sie an ihre frühere Karriere anknüpfen könnte. Die Angebote, die man ihr nun macht, sind keine Angebote, sondern Schläge ins Gesicht. In ihrer Not versucht Angelika das Unerhörte: Sie will sich als Escort verdingen und sich so das Geld auf eine Weise verschaffen, die unter normalen Umständen für sie undenkbar gewesen wäre. Doch zu ihrer grenzenlosen Enttäuschung mißlingt das Vorstellungsgespräch völlig, sie würde diesen Job niemals leisten können. Statt dessen macht man ihr einen Vorschlag, der noch abenteuerlicher klingt. In den kommenden Wochen wird Angelika mehr als einmal an ihre Grenzen geführt. Und dann muß sie eine Entscheidung treffen, nach der ihr Leben nie wieder das sein wird, was es einmal war. *** „Nimm Platz!“ sagte er zu Angelika. Hilflos schaute sie sich um. „So wie Charlotte bitte!“ Dabei tippte er der Knienden mit der Spitze der Reitgerte sanft auf die Schulter, die darauf sofort ein heftiger Schauer durchlief. Mit hochrotem Kopf ließ Angelika sich auf die Knie sinken, dann auf ihre Fersen. Es kostete sie große Überwindung, vor den beiden ihre Schenkel zu öffnen. Automatisch senkte sie ihren Blick, um seinem auszuweichen. „Sehr schön,“ sagte er nur. „Allerdings solltest du dich rasieren. Das,“ er wies mit der Spitze der Gerte auf ihre Scham, „sieht weder besonders schön aus, noch in irgendeiner Weise elegant. Du kennst die Geschichte der O?“ fragte er. Angelika nickte. „Film oder Buch?“ Ich wußte es, dachte sie. Sollte dies die einzige Möglichkeit für sie sein, sich aus ihrer Not zu befreien? Niemals, dachte sie. Das könnte ich nie! Ihr Puls raste, ihr Atem ging schnell. „Beides,“ antwortete sie leise. Und in die entstehende Pause hinein rief sie schnell: „Beides, Monsieur!“ „Gut. Damit weißt du schon im Wesentlichen, was dieses Haus genau nicht ist. „Wie bitte?“ entfuhr es ihr. „Aber die Frauen, die Peitschen ..."
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Zwei Jahre
Eine erotische SM-Geschichteüber das Spiel um sich selbst
von
Andreas Marckwardt
Copyright (c) Oktober 2012 by Andreas Marckwardt
E-Book
Zwei Jahre ©2012 Andreas Marckwardt, All rights reserved
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Umschlagbild © 2012 Andreas Marckwardt
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Rev05_2023_09_13 (letzte Überarbeitung)
Impressum:
Zwei Jahre © Copyright by
Andreas Marckwardtc/o Block ServicesStuttgarter Str. 10670736 [email protected] Rechte vorbehalten.Tag der Veröffentlichung: 03-Okt-2012
Bitte erlaubt mir an dieser Stelle einen Hinweis in eigener Sache.
Wer eBooks unabhängiger Autoren „kostenfrei“ herunterlädt schädigt nicht Amazon oder Thalia oder sonst einen großen Verleger, sondern er schädigt vor allem und unmittelbar den Autor. Er nimmt fremdes Eigentum zum eigenen Nutzen an sich und macht sich dadurch im besten Sinne des Wortes zum Dieb.
Wer eBooks unabhängiger Autoren auf so genannten „Piratenplattformen“ zum kostenfreien Download anbietet, schädigt ebenfalls nicht Amazon oder Thalia oder sonst einen großen Verleger, sondern vor allem und unmittelbar den Autor. Er ist ganz sicher kein Kämpfer für die Freiheit des Wortes, schon gar nicht für die Freiheit der Autoren, sondern schlicht und ergreifend ein Dieb und Hehler, der sein Geschäft mit gestohlenen Gütern betreibt und so die Urheber der Werke um die Früchte ihrer Arbeit betrügt. Weil er selbst nicht fähig ist, mit Kreativität und Anstrengung ein eigenes Werk zustande zu bringen.
Du gibst 9 Euro aus für „einen doppelten, entkoffeinierten Mokkachino ohne Zucker mit fettarmer, laktosefreier Milch,“ der binnen Sekunden aus einer Patrone gepreßt und dir liebevoll und stilecht in einem Pappbecher vor die Nase geknallt wird, auf den immerhin dein Name gekritzelt wurde? Aber die gleichen 9 Euro für ein Buch, dessen Autor sich mehr als ein Jahr Arbeit damit gemacht hat, sind dir zu viel? Hoffentlich nicht!
Denn, um ein altes Sprichwort abzuwandeln:„Charakter ist eine Zier, doch es geht auch ohne ihr.“
Allen anderen wünscht der Autor ein ungetrübtes Lesevergnügen an einem ehrlich verfaßten und genau so ehrlich erworbenen Buch! :-)
Andreas Marckwardt
Inhalt
Les jeux sont faits
Rien ne va plus
Faites vos jeux!
Angelikas Einsatz
Angelique
Samtene Nacht
Café-théâtre
Rouge, Impair – Manque
Wenn Ihr mich wollt
In deiner Hand
Weitere Bücher von Andreas Marckwardt
Originaltitelbild
Gott hat das Weib nicht aus des Mannes Kopf geschaffen,
daß sie ihm nicht befehle,
noch aus seinen Füßen,
daß sie nicht seine Sklavin sei,
sondern aus seiner Seite,
daß sie seinem Herzen nahe sei.
Talmud
Es war einmal, im Südwesten Deutschlands ...
„Und? Wieviel?“
„Achtzigtausend.“ Die Antwort kam leise, fast unhörbar.
„Also alles!“
Angelika nickte nur.
„Oh je!“ Friedrich stützte die Stirn in seine Hand und schwieg. Für gut eine Minute herrscht Schweigen. Dann stand er auf, streckte sich und atmete tief durch.
„Wie konntest du nur!“ sagte er leise. „Wie konntest du das tun!“ Er schüttelte den Kopf. Dabei schob er den Unterkiefer vor. Und für einen kurzen Moment sah es für Angelika aus, als kämpfe er mit den Tränen. Sie selbst sagte nichts. Sie hätte auch nicht gewußt, was. Alles in ihr war taub und leer, sie hatte das Gefühl zu schweben.
„Warum? Nach so langer Zeit, warum?“ Seine Stimme war belegt.
„Ich weiß nicht,“ antwortete sie tonlos. „Ich konnte nicht aufhören. Es tut mir leid, ich wollte nur ...“
„Nein!“ fiel er ihr ins Wort. Sein Gesicht verhärtete Sicht. „Nein, komm mir nicht damit!“
„Friedrich, bitte ...!“
Doch er schüttelte nur den Kopf. „Nein!“ wiederholte er schroff. „Mir tut es leid. Daß ich dir vertraut habe, tut mir leid. Daß ich so dumm war, nochmal auf dich hereinzufallen, das tut mir leid.“ Er atmete ein, hielt die Luft an, und durch seinen Oberkörper lief ein Zittern, bevor er langsam die Luft zwischen seinen gespannten Lippen entweichen ließ.
„Friedrich, bitte ...“ versuchte es Angelika erneut. Aber er hob beide Hände wie zur Abwehr. „Verschone mich! Ich will es nicht hören!“
Angelika schwieg. Hätte sie sich wenigstens elend gefühlt. Doch in diesem Moment fühlte sie nichts, einfach nur gar nichts. Wie hätte sie es ihm erklären wollen? Das beklommene, beinahe lustvolle Kribbeln im Unterleib beim Betreten des Ortes, den es gar nicht geben durfte. Wie die Hitze beschreiben, die ihr Gesicht rötete bei dem Bewußtsein, etwas Verbotenes zu tun, etwas Unanständiges. Das Bangen bei den ersten, kleinen Verlusten. Da waren ihre Einsätze noch gering. Sie hatte sich fest vorgenommen, nicht über zehn zu gehen und bei tausend spätestens auszusteigen. Die Euphorie bei den ersten Gewinnen. Sie hätte ihm unmöglich die Gier beschreiben können, die sie in dem Moment befiel, den Rausch, das Ignorieren der Verluste, die immer gewagteren Einsätze, ihr Alleinsein mit der Kugel – „Faites vos jeux!“ – die diffuse Angst beim Geräusch ihres Rollens im Cylindre – „Rien ne va plus!“ – die Steigerung der Anspannung bis zur Unerträglichkeit, wenn die Kugel zum ersten Mal die drehende Scheibe streifte.
Wenn ihr Einsatz vom Rateau weggefegt wurde, nahm sie es nicht wahr, wollte es nicht wahr haben. Sie fühlte nur die Eifersucht, wenn Jetons auf eine Zahl geschoben wurden, auf die sie nicht gesetzt hatte. Wie eine Ertrinkende einen spärlichen Tropfen Wasser nahm sie jeden noch so bescheidenen Gewinn mit zitternden Händen und der Gewißheit entgegen, nun wäre es endlich so weit, nun würde sich das Blatt wenden, ihr Blatt, für sie.
Das Blatt wendete sich nicht.
„Wie bist du überhaupt reingekommen? Ich dachte, du seist gesperrt?“ hörte sie Friedrich fragen. Der Zorn in seinem Ausdruck schien einer bleiernen Müdigkeit gewichen.
„Nicht in N ...“ Und nach einer kurzen Pause: „In Frankreich nehmen sie es nicht so genau, wenn man bar einlöst.“
„Mit anderen Worten: Nicht eingecheckt?“
Angelika nickte.
„Gut zu wissen,“ sagte er gallig. „Spare ich mir wenigstens den Anwalt.“
Er ließ sich in einen Sessel fallen, faßte sich mit einer Hand in den Nacken und schaute zur Zimmerdecke. „Achtzigtausend,“ sagte er leise. „Ich brauche fünf Jahre, um so viel Geld zu sparen. Dein Vater hat ein halbes Leben dafür geschuftet, dir das zu hinterlassen. Er ist noch nicht kalt, und du hast alles verdaddelt!“
Angelika schloß die Augen. „Ich fühle mich auch schlecht, deswegen.“
„Lüg mich nicht an!“ kam es ärgerlich. „Du fühlst dich nicht schlecht. Nicht schlecht genug jedenfalls. Das Ganze geht dir doch am Arsch vorbei!“
„Das ist nicht wahr!“
„Ach, red‘ doch keinen Scheiß! Ich habe gerade erst drei Jahre lang Schulden abgestottert, weil du dich nicht in der Gewalt hattest. Mit dem Geld von Herbert wäre die Hütte bezahlt gewesen. Wir hätten nicht mehr jeden Pfennig umdrehen müssen. Vielleicht mal verreisen, etwas weiter als Österreich oder Camping in Italien. Mal etwas gönnen mit meinen fast fünfzig Jahren. Weißt du, in fünf Jahren brauchen wir das Geld sowieso nicht mehr, um mit der Familie mal eine schöne Reise zu machen. Dann ist Nina endlich so alt, daß sie nicht mehr mit uns wegfahren will. Ist sie ja jetzt schon. Aber das ist dir ja offenbar scheißegal! Du spielst lieber einen Nachmittag lang die Schöne und Reiche und läßt mich dann fünf Jahre dafür arbeiten!“ Er zog die Brille ab, warf sie auf den Tisch vor ihm und rieb sich angestrengt die Augen. „Wofür mache ich das alles eigentlich?“
Angelika wußte keine Antwort. Er hatte recht. Sie fühlte gar nichts. Seltsam unberührt sah sie, wie Friedrich versuchte, seine Fassung wieder zu gewinnen, die Situation irgendwie in den Griff zu bekommen.
„Oh Mann, ich fühle mich gerade so was von vorgeführt, ich könnte dich ...“ Er ließ den Satz unvollendet. Statt dessen sagte er nur leise: „Am liebsten würde ich dir eine reinhauen, daß du nicht mehr aufstehst.“
„Dann tu’s doch,“ hörte Angelika sich sagen.
Aber Friedrich schüttelte nur den Kopf. „Nein, so einfach mache ich es dir nicht. Diesmal nicht.“ Und nach einer kurzen Pause: „Ich denke ja gar nicht daran!“ Er schwieg eine Weile, dachte nach. „Weißt du,“ fuhr er schließlich fort, „es ist noch nicht mal so sehr das Geld. Doch,“ korrigierte er sich, „es ist auch das Geld. Schließlich kostet es mich meine Lebenszeit. Gut acht Jahre wird es mich am Ende gekostet haben. Ein Sechstel meines Lebens – bisher; wer weiß, was noch kommt.“
„Es kommt nichts mehr. Garantiert nicht! Glaub mir ...“
Doch er fiel ihr barsch ins Wort. „Ich hör‘ ja wohl nicht recht! Du sprichst von ‚Glauben‘? Ausgerechnet du? Dir glaube ich doch kein Wort mehr!“
„Friedrich, ich ...“
„Nein!“ wischte er ihren kraftlosen Einwand beiseite. „Weißt du, das ist es, was mich noch vor dem Geld am meisten trifft: Daß du mich hintergangen hast, das ärgert mich zur Weißglut. Daß du mir null, aber wirklich null vertraut hast! Warum bist du nicht zu mir gekommen, als es dich wieder in den Fingern gejuckt hat? Warum hast du nicht gesagt ‚Friedrich, verwahre das Geld für mich, das Erbe von Papa, weil ich glaube, ich habe mich nicht mehr in der Gewalt‘? Mit einem Funken Vertrauen wäre das nicht passiert! Warum bist du nicht zu mir gekommen, als noch Zeit war? Warum?“ Er ballte hilflos die Fäuste. „Wir hätten auch das in den Griff bekommen. So wie damals. Ein paar Monate den Zugang zum Geld gesperrt, die Spielbank informiert ... aber du bist ja sogar extra über die Grenze gefahren. Mit Absicht. Wie eine Kriminelle hast du mich hintergangen. Ich könnte Kotzen!“ Seine Faust fuhr auf den Couchtisch.
Angelika zuckte zusammen, als er endlich laut wurde. Sie war bei seinen Vorhaltungen dazu übergegangen, nervös an ihren Fingernägeln zu kauen. Schließlich betrachtete sie mit gespitzten Lippen und vorgeschobenem Unterkiefer ihre Fingerkuppen. „Ich brauche keinen Aufpasser. Du bist nicht mein Vater!“ sagte sie trotzig.
„Nein, der ist tot. Und das wofür er ein Leben lang geschuftet hat seit heute auch.“
„Hör auf, mich wie ein unmündiges Kind zu behandeln!“ schrie Angelika.
„Ah, daher weht der Wind!“ höhnte er zurück. „Nein, natürlich nicht. Du bist ja kein Kind, das mal gerade eben das Familiensilber ausgibt für buchstäblich nichts. Du bist eine gleichberechtigte Frau. Wer hat dir den Stuß eingeflüstert? Eine deiner super-emanzipierten Freundinnen vielleicht? Laß mich raten – Simone? Nein, die nicht. Margot? War es Margot? Diese hysterische Ziege?“
Angelika verbiß sich regelrecht in ihre Finger. Wütend blitzte sie ihn an.
„Oh mein Gott,“ stöhnte er. „Margot! Dieser menschliche Trümmerhaufen in Weiberkleidern! Sieht nicht nur aus wie ein vollgeschissener Strumpf, sondern benimmt sich auch so. Warum gehst du eigentlich nicht zu ihr und verlangst dein Geld zurück? Warum kommst du zu mir? Auf einmal! Sag ihr doch einfach, ihr kleines Experiment mit der Gleichberechtigung hätte halt leider nicht so ganz funktioniert.“ Er grunzte abfällig. „Aber vermutlich wird sie dir noch weismachen, daß es ja gerade der Gipfel der Gleichberechtigung sei, daß du dein Vermögen doch besser verspielst, bevor dein Schwanzträger sich alles unter den Nagel reißt. Jetzt hör‘ gefälligst auf mit dieser blöden Nägelbeisserei, oder ich haudir eine runter!“
Erschrocken zog Angelika ihre Fingerspitzen aus dem Mund.
„Diese hirnlose Kuh!“ zischte Friedrich. „Wenn ich die noch einmal sehe, erwürge ich sie. Die betritt mir dieses Haus nie mehr! Hörst Du? Nie mehr! Hast du mich verstanden?“ Angelika nickte.
„Selbst noch nie etwas auf die Beine gestellt. Seit Jahren von ihrem Ex leben und auf der faulen, fetten Haut liegen. Aber Gott spielen wollen mit dem Leben anderer Leute. Wie ich so etwas hasse!“ Er stützte seine Stirn in die Rechte und rieb sie, als wolle er einen hämmernden Schmerz vertreiben.
Angelika sagte nichts. Was hätte sie auch sagen wollen? Er hatte ja recht. Es war Trotz gewesen. Dummer, törichter Trotz. Und sie hatte an einem Nachmittag das komplette Erbe ihres Vaters verspielt, das er sich über die Jahre seiner Arbeit in der Fabrik buchstäblich vom Mund abgespart hatte. Damit sie es einmal besser haben solle als er, der nach dem Krieg bei Null hatte anfangen müssen. Ohne Besitz, ohne Ausbildung, ohne Perspektive. Mit nichts als einer gestohlenen Jugend.
„Nun gut! Sei’s drum!“ sagte Friedrich nach einer schier endlosen Zeit des Nachdenkens. „Es ist, wie es ist. Aber diesmal muß du selbst zusehen, wie du damit klar kommst.“
„Was meinst du damit?“
„Wenn schon gleichberechtigt, dann richtig. Du gehst!“ sagte er mit kalter Stimme.
„Wie gehen?“ fragte sie erschrocken.
„Du gehst. Du verläßt das Haus. Ich werfe dich raus. Das meine ich mit gehen.“
„Das kannst du nicht tun!“
„Und ob ich das kann, Mädchen. Ich hab’s eben durchkalkuliert. Statt der monatlichen Sparleistung kann ich mir locker eine Zugehfrau leisten und für Nina die Nachmittagsbetreuung in der Schule. Kommt mich in fünf Jahren auch nicht teurer als für deinen Unsinn mein Geld zu sparen. Nur fühle ich mich dabei nicht länger so an der Nase herumgeführt, und mir kommt's eigentlich nur noch darauf an. Du für deinen Teil kannst zusehen, wo du die Achtzigtausend auftreibst. Wie ist mir egal. Aber bevor sie nicht auf dem Tisch des Hauses liegen, neben einer vom Notar beglaubigten Vollmacht, mit der du das Verfügungsrecht über jeden einzelnen Cent aufgibst und mir überträgst, brauchst du hier nicht mehr anzukommen.“
Angelika wurde heiß und kalt. „Aber ... das kannst du nicht tun!“ rief sie.
„Und ob ich das kann. Das – oder wir reden mit dem Psychiater: Spielsüchtig. Oder ich zeige dich an. Wir leben in einer Zugewinngemeinschaft. Die Achtzigtausend gehörten zur Hälfte mir. Da läßt sich bestimmt Untreue, Betrug oder etwas anderes draus stricken – was weiß ich. Ist mir auch egal. Ich suche mir ganz einfach einen Rechtsverdreher, der dich fertigmacht. Das ist es mir wert. Und dazu einen Psycho, der dich einweist. Ist mir mindestens genauso egal.“ Er holte kurz Luft und strich sich übers Kinn. “Das sind deine Optionen: Ich mache dich fertig – oder du gehst. Du hast die Wahl.“
Angelika starrte ihn an. In ihren Augen stand die nackte Angst. Aber Friedrich blieb unbarmherzig. „Und Nina erfährt von mir alles. Die ganze Wahrheit! Über jeden einzelnen Euro. Und warum wir seit Jahren sparen müssen, obwohl ihr Vater doch so gut verdient. Warum sie keinen Reitunterricht nehmen konnte. Und den Schüleraustausch nicht mitmachen durfte. Jeden einzelnen, verdammten, verdaddelten Euro werde ich ihr stecken. Besser, sie verachtet dich, als daß sie noch länger über ihren geizigen Vater schimpft.“
„Nein!“ schrie Angelika auf. „Das kannst du nicht tun!“
„Kann ich nicht?“ fragte er lakonisch. „Willst du mich etwa daran hindern?“
„Aber Friedrich – ich bin deine Frau! Wir lieben uns doch! Ich dich, und du mich!“
„Oooh, jaaaa ...“ kam es gedehnt. „Natürlich! Das Hohelied der Liebe!“ höhnte er. „Auf dem Ticket fährst du seit beinahe zwanzig Jahren. Und ich Idiot lasse mich von dir deswegen nach Strich und Faden verarschen?“ Er schüttelte den Kopf, als sie etwas einwenden wollte. „Nein!“ Er ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen. „Schluß, aus und vorbei! Es stimmt,“ sagte er, hob die Schultern und sein Blick ging ins Nichts, gerade so als spräche er zu sich selbst und nicht zu ihr. Er atmete tief durch und ließ die Schultern wieder sinken. „Es stimmt: Ich liebe dich tatsächlich. Immer noch. Wie seltsam. Eigentlich kaum zu glauben. Aber was soll’s. Werde ich mich eben entlieben.“
Angelikas Kiefer klappte herunter.
„Ja! Nun schau nicht so. Es wird mich ein paar schlaflose Nächte kosten, vielleicht ein paar Hunderter in einem Bordell – falls der Druck zu hoch wird und ich das Flirten völlig verlernt habe. Ich werde schon Wege finden. Verlaß dich besser drauf. Du kennst mich.“
In Angelikas Kopf tobten die Gedanken, drehten sich und wirbelten immer schneller. Sein Tonfall ließ keinen Zweifel. Mit einem Mal fühlte sie sich in die Enge getrieben, fand keinen Ausweg mehr. Das Haus verlassen – aber wo sollte sie hingehen? Ihre Freundinnen vielleicht? Sie wußte genau, daß die eigentlich nichts taugten. Was sollte sie bloß tun.
„Wann ...“ fragte sie zögernd, doch er unterbrach sie gleich. „Keine Angst, du brauchst heute nacht nicht unter der Brücke zu schlafen. Ich gebe dir drei Monate. Dann bist du ausgezogen.“ Sie starrte ihn ungläubig an. Damit hätte sie nie gerechnet. Irgendwie war sie davon ausgegangen, daß er ihr verzeihen würde. So wie er es immer getan hatte.
Friedrich stand auf und zog sein Hemd glatt. „Du schläfst ab sofort im Gästezimmer. Hier will ich dich nicht mehr sehen. Du weißt, wann Nina und ich morgens aufstehen. Du wirst dich in den Zeiten nicht blicken lassen. Ich werde Nina irgendeine Geschichte erzählen, sie wird es verstehen. Für die drei Monate bekommst du ein Taschengeld, die Konten werde ich sperren, alle Vollmachten annullieren.“ Er verkündete es wie ein Richter einen Urteilsspruch verliest. „Du hast genau drei Monate Zeit, dir einen anderen Platz zu suchen. An diesem Tag werde ich Nina reinen Wein einschenken über uns. Und danach – hör mir gut zu! – danach gebe ich dir auf den Tag genau fünf Jahre Zeit, das Geld wieder aufzutreiben. Schaffst du es nicht, sind wir geschiedene Leute. Es gibt keine andere Option. Versuche in der Zeit irgendwelche Tricks – nun, du weißt ja jetzt, was die Konsequenzen sein werden.“
Angelika erhob sich wie in Zeitlupe. Sie wollte etwas sagen, öffnete den Mund, aber er ließ es nicht zu. „Geh!“ sagte er nur. „Geh mir aus den Augen! Ich will dich nicht mehr sehen! Geh!“
„Aber ich bin Akademikerin,“ protestierte Angelika. „Diplomierte Biologin. Summa cum Laude! Wozu habe ich das denn studiert?“
„Das System berücksichtigt aber nur die letzten sieben Jahre,“ entgegnete die Sachbearbeiterin kühl. „Haben Sie in den vergangenen sieben Jahren erwerbstätig gearbeitet oder nicht?“
„Davor habe ich gearbeitet. In einem großen Forschungslabor.“
„Das kann ich hier aber nicht eingeben,“ wiederholte die Sachbearbeitern und wirkte genervt. „Wenn sie in den zurückliegenden sieben Jahren keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sind, dann zählt das nicht.“
„Ja aber die Ausbildung ...“ wiederholte Angelika zaghaft.
„Nein,“ kam es ungehalten. „Haben Sie in den zurückliegenden sieben Jahren nun gearbeitet oder nicht? Also nein. Dann kann ich ihnen nur Tätigkeiten anbieten, für die keine berufliche Qualifikation erforderlich ist. Alles andere darf ich nicht, so sind die Bestimmungen.“
„Also Putzfrau und Aushilfe im Supermarkt?“
Die Sachbearbeiterin nickte und zupfte sich gelangweilt ihre Bluse zurecht. „Es steht ihnen immer noch frei, sich direkt bei einem Unternehmen zu bewerben. Wir können Ihnen dabei aber nicht behilflich sein, wenn Sie unsere Vermittlungsangebote zurückweisen oder nicht ernsthaft befolgen,“ leierte sie ihren Text herunter.
„Kann ich wenigstens Arbeitslosengeld beantragen?“
„Sie sind verheiratet?“
„Ja.“
„Leben Sie von ihrem Mann dauerhaft getrennt?“
Angelika zögerte. „Nein.“
„Dann sind Sie nicht hilfebedürftig. Tut mir leid.“ Die Sachbearbeiterin schaute auf ihren Bildschirm und schwieg.
„Geben Sie her,“ sagte Angelika, und es klang bitter.
So eine Pleite. Angelika saß im Café und besah sich das Treiben auf der Straße. Von dem spärlichen Taschengeld, das Friedrich ihr gelassen hatte, gönnte sie sich einen Cappuccino. Viel zu teuer, schalt sie sich, kaum daß sie ihn bestellt hatte. Du kannst dir so etwas nicht mehr leisten. Achtzigtausend Euro! Die Tränen schossen ihr in die Augen. Wie sollte sie bloß so viel Geld aufbringen in nur fünf Jahren? Sie hatte es ausgerechnet. Selbst wenn sie mit nur tausend Euro im Monat über die Runden kommen wollte, bräuchte sie doch eine Anstellung, die ihr monatlich mindestens viertausend Brutto einbrächte. Und was man ihr anbot, waren Jobs auf Basis Geringverdiener. Selbst mit sechzehn Stunden Arbeit am Tag würde sie die Summe nie aufbringen können. Sie schlug die Zeitung auf. Im Gegensatz zum Cappuccino war die Zeitung kein Luxus, aber auch da war sie wieder zwei Euro losgeworden. Mit einem Mal wurde ihr bewußt, daß sie arm war. Richtig arm. Und sie hatte es sich selbst zuzuschreiben. Die Buchstaben tanzten vor ihren Augen. Mit fahrigen Händen blätterte sie durch die Stellenanzeigen. Jung, dynamisch, Ausbildung gerade erst abgeschlossen, zügiges Studium, leistungsbereit, oder mindestens zehn Jahre Berufserfahrung, aber keinesfalls älter als fünfundvierzig, sie las die Floskeln und es widerhallte in ihrem Kopf wie ein Hohn: Du bist nichts! Nichts und Niemand. Nichts, gemessen an diesen Ansprüchen. Haushaltshilfen wurden gesucht, auf Basis „geringfügig entlohnter Beschäftigung“, steuerfrei und ohne Sozialabgaben. Sie war über Friedrich krankenversichert. Würde das weiter gelten? Minijobs haufenweise. Aushilfe an der Brötchentheke. Sie hatte sich erkundigt. Keine fünfzehnhundert im Monat. Es war hoffnungslos.
Sie blätterte weiter zu den Bekanntschafts-Gesuchen. Ältere Männer, die jüngere Frauen suchten. „Lieb, nett, häuslich,“ war gewünscht. Verläßlichkeit und Treue wurden dagegen gehalten. Nicht mal das würde sie bieten können, wenn man Friedrich fragte. „Aufgeschlossen für sinnliche Spiele!“ Sie schüttelte den Kopf. Wie armselig, dachte sie. Andere waren wirklich auf der Suche, schien es. Sehnten sich nach Zweisamkeit, wollten gerne ihr Leben teilen mit jemandem. Hatte sie ihr Leben mit Friedrich geteilt? Ja, redete sie sich ein – und glaubte zugleich nicht daran. „Junge Damen mit ansprechender Erscheinung und aufgeschlossenem Wesen gesucht. Escort-Service für solvente Herren in herausgehobener, sozialer Stellung…“ Ihr Blick fiel auf eine durchaus stilvoll gemachte Anzeige. Zuhälter, nichts als Zuhälter. „... bietet Hostessen als Messebegleitung ... Manager Reisebegleitung zu Geschäftsreisen und Geschäftsessen ... charmante Wochenendbegleitung, Reisebegleitung oder Urlaubsbegleitung ... Ob zu einer Party, einer Gala, einem Event, ob ins Kino, Theater, in die Oper, ins Musical, zum Sport oder zu einem Dinner ...“ Und selbstverständlich im Hotel aufs Zimmer, dachte sie. „...anspruchsvolle Gentlemen aus der oberen Gesellschaftsschicht,“ las sie weiter. „Honorar,“ stand da. Was die wohl verdienen, fragte sie sich. Nein, das käme nicht in Frage. Vorher würde sie Böden scheuern und Wäsche bügeln. So tief war sie noch nicht gesunken. Sie klappte die Zeitung zusammen und stand auf. Als sie nach ihrer Tasche griff, begegnete ihr der Blick eines Herrn am Nebentisch. Groß, schlank, in Anzug und Krawatte, eine gepflegte Erscheinung. Er lächelte ihr ohne jede Schüchternheit zu und nickte, wie zu einer angedeuteten Verbeugung. Angelika ignorierte ihn, wie es fast alle Frauen tun, wenn ein Fremder Kontakt sucht.