Taifun - Andreas M - E-Book

Taifun E-Book

Andreas M

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Beschreibung

Andreas ist Ende dreißig und als Abteilungsleiter in die Japanische Niederlassung seiner Firma entsandt, um den defizitären Bereich zu sanieren. Die Position zwischen den Kulturen, hausinterne Probleme, intrigante Mitarbeiter und sein Perfektionismus überfordern ihn zusehends. Er vernachlässigt seine Ehe, in der SM immer ein wichtiger Bestandteil war. Als seine Frau nach heftigem Streit nach Deutschland abreist, stürzt er in eine tiefe Krise. Nur seine Japanische Assistentin Rika scheint noch zu ihm zu halten. Eine dringende Arbeit hindert Andreas und Rika daran, rechtzeitig vor einem aufziehenden Taifun das Büro zu verlassen. Der Versuch, durch den wütenden Sturm den Heimweg antreten, scheitert aussichtslos. Beide landen völlig durchnäßt in Rikas kleiner Wohnung unweit des Büros. Andreas ist schockiert, als Rika ihm dort eröffnet, sie wisse um seine Neigungen. Nach anfänglichem Widerstand läßt er sich treiben, und beide geraten in einen Sturm hemmungsloser Leidenschaften. Erst im Auge dieses Taifuns gewinnt Andreas die Kontrolle zurück. Doch nun nimmt das Abenteuer erst recht eine für beide völlig unerwartete Wendung... *** ... Auch sie hatte den inneren Kampf aufgegeben und ergab sich in ihr Schicksal. Sie zitterte kaum merklich. Sie war, wie fast alle Japanerinnen, eher flachbrüstig und mit wenig ausgeprägtem Po. Ihre Scham war sauber rasiert, was sie noch nackter und ausgelieferter erscheinen ließ. Sie hielt ihre Knie geschlossen und wirkte dadurch vollkommen unschuldig, nachgerade keusch. Den Kopf hielt sie unverändert gesenkt, wodurch ihr Haar, das sie einer glatten Pagenfrisur trug, seitlich in ihr Gesicht fiel. Ihr Nacken war entblößt. Ich trat hinter sie und war überwältigt: Rikas Rücken war bedeckt von einer großen Tätowierung. Eine Frau, kniend in der japanischen Art, vor einem Mann in einer prächtigen Rüstung, welcher sein Schwert mit beiden Händen hoch erhoben grimmig über sie hinweg blickte. Die Frau senkte den Blick vor diesem bedrohlich wirkenden Herrn. Der kostbare Kimono lag geöffnet um die Hüften drapiert, ihr Oberkörper war entblößt, der Rücken tätowiert. Ein Spiegel im Spiegel. Rika war ein Meisterwerk. Jeder Mann, dem Rika ihren Rücken zeigen würde, müßte sofort verstehen. Sie würde nie mehr einem Mann anders gehören können, als auf diese Weise. Ich strich ehrfürchtig mit den Fingerspitzen über dieses lebende Kunstwerk und Rika erschauerte. Auf ihrer seidenen Haut glänzten winzige Schweißperlen. Ich nahm das Halsband …

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Veröffentlichungsjahr: 2016

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Niemandsland Trilogie

Teil 1: „Taifun – Ein Brief an meine Frau“

 

von

 

Andreas Marckwardt

 

 

Copyright (c) Oktober 2011 by Andreas M.

E-Book

 

 

 

Niemandsland Trilogie:

=> Teil 1: „Taifun – Ein Brief an meine Frau“

Teil 2: „Eine Sklavin aus Pisa“

Teil 3: „Niemandsland“

 

Taifun, Ein Brief an meine Frau ©2011 Andreas M., All rights reservedWeitergabe, Veröffentlichung, Abdruck, Vervielfältigung oder die elektronische Speicherung bzw. Verarbeitung in elektronischen Datenbanken (auch auszugsweise) bedürfen der ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung des Autors.

 

Umschlagbild © 2011 Midori Hanako, All rights reserved

Weitergabe, Veröffentlichung, Abdruck, Vervielfältigung oder die elektronische Speicherung bzw. Verarbeitung in elektronischen Datenbanken (auch in abgeänderter Form oder Farbgebung) bedürfen der ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung der Künstlerin.

 

Rev04_2023_Sep_14 (letzte Überarbeitung)

 

Impressum:

Taifun – Ein Brief an meine Frau © Copyright byAndreas Marckwardtc/o Block ServicesStuttgarter Str. 10670736 [email protected] Rechte vorbehalten.Tag der Veröffentlichung: 23.10.2011

 

Inhalt

Vorwort

Die Ruhe vor dem Sturm

Großer Regen - Flut

Sturm

Im Auge des Taifuns sieht man die Sterne

Blauer Himmel

Weitere Bücher von Andreas Marckwardt

 

 

前書き

Vorwort

Im Bahnhof von Tokio-Shinagawa gibt es im Untergeschoß einen Supermarkt und gleich daneben ein kleines italienisches Restaurant. Eines Abends beobachtete ich dort eine ältere, japanische Dame, die sich Spaghetti ai Funghi bestellt hatte. Nun hantierte sie zögernd und sichtlich ratlos mit Gabel und Löffel herum und versuchte, sich von Nachbartischen die Technik abzuschauen. Schließlich schob sie kopfschüttelnd und sichtlich verärgert das offenbar gänzlich ungeeignete Besteck zur Seite und erbat sich vom Kellner ein Paar Eßstäbchen. Ein gelegentliches, lautes Schlürfen und ein verzückter Gesichtsausdruck verrieten alsbald ungestörten Genuß.

Mädchen: „Hat Gott dich angemalt?"

Maure: (lachend) „Ja, Gott hat mich schwarz gemacht.“

Mädchen: „Warum hat er das getan?"

Maure: „Wisse, Gott liebt die wunderbare Vielfalt.“

So oft ich an das kleine italienische Restaurant im Bahnhof von Shinagawa denke, fällt mir zugleich dieses Filmzitat ein. Und jeder von uns trägt mit seiner ganz eigenen Einfalt ein Stück dazu bei.

 

 

Andreas Marckwardt

im Februar 2002

 

Die Ruhe vor dem Sturm

Ich lehnte mich an das Geländer der Balustrade, zündete mir eine Zigarette an, blickte ziellos ins Foyer des Firmengebäudes und blies ärgerlich den Rauch durch die Zähne. Nicht zu fassen, dachte ich. So kurz vor Schluß ändern die das halbe Konzept. Wie zum Kuckuck soll ich das nun dem Kunden beibringen? Ich würde den Fehler zugeben und mich entschuldigen müssen, aufwendig und persönlich. Sie würden mich piesacken, und ich würde dafür um Verzeihung bitten. Natürlich würde sich der Ärger des Kunden auf mich richten. Es war meine Aufgabe, meiner Firma die Interessen des Kunden zu vermitteln. Und so etwas wurde hierzulande persönlich gesehen. Die Ingenieure auf Kundenseite waren mit unseren Prüfmethoden von Anfang an nicht einverstanden gewesen. Unsere Methode war einfach zu anders, zu indirekt und ungewohnt. Die würden selbstverständlich meine persönliche Glaubwürdigkeit anzweifeln. Auf spezifisch japanische Art, zwar offen, aber gerade noch verdeckt genug, damit niemand sein Gesicht verlöre. Schließlich hatte ich lange und aufwendig die Vorteile des Verfahrens geschildert, hatte um Vertrauen in unsere Fähigkeiten geworben. Dabei hatte ich die ganze Zeit im Kopf, daß wir die große Erfahrung mit dieser Methode ja auch noch nicht hatten. Das neue Verfahren war zu schlau, zu elegant, zu implizit für den Geschmack meiner Gesprächspartner, und nach zwei Jahren in Japan mußte ich ihnen innerlich manchmal beipflichten. Wenn ich das auch nicht äußern konnte, nicht einmal andeutungsweise. Man hätte mich sofort für illoyal und damit für unzuverlässig gehalten. Wäre ich bloß früher informiert gewesen. Gerade vor zehn Minuten, und viel zu spät, hatte die deutsche Seite zugeben müssen, daß es erste Zweifel an der Prüfabdeckung zwar schon sehr viel früher gegeben habe, der betroffene Sachbearbeiter sich aber offenbar nicht habe durchsetzen können. Der eigentliche Fehler sei dann eher zufällig entdeckt worden, nachdem man sich endlich dazu durchgerungen habe, die Sache einmal selbst und vom Ergebnis her auf Herz und Nieren zu prüfen. Des Kaisers neue Kleider. Eine alte deutsche Krankheit. Schönwettermanager, dachte ich ärgerlich, Flipchart-Illusionisten und Overhead-Zauberer, und blies den Rauch durch die Zähne.

Durch die Glasfront der Eingangshalle konnte ich sehen, wie sehr sich der Himmel über der Stadt schon verdunkelt hatte. Erste Windböen rüttelten an den Scheiben. Ein Taifun war angekündigt, der elfte in diesem Herbst. Und dieser würde die Hauptinsel frontal treffen. Nur 930 Hektopascal Luftdruck im Zentrum, wenn ich die Nachrichten richtig verstanden hatte. Es würde also ein sehr heftiger Sturm werden. Oo-Ame war gemeldet, großer Regen. Ich hatte niemals vorher etwas erlebt, was einer Sintflut derart nahe kam.

Einige Büromädchen drückten sich verschüchtert in der Eingangshalle unter der Balustrade herum und tuschelten. Sie waren besorgt. Der Sha-chou, der Präsident, hatte noch keine Durchsage gemacht, also konnten sie nicht früher nach Hause. Alter Pingel, dachte ich. Warum läßt er sie nicht früher gehen? Man läßt sie sowieso kaum etwas anderes tun als Tee servieren und Kopien eintüten. Ich war gereizt. Draußen war es schon derart schwül, daß die Wände schwitzten. Die Luft war drückend und lähmte das Hirn. Wirre, absurde Schatten krochen mir heimlich in den Schädel, machten sich dort breit und sabotierten gehässig meine Gedanken und Gefühle. Und ich machte mir Sorgen um die Mädchen.

 

***

 

„Taihen wa, ne?“ - „Es ist sehr schlimm, nicht?“

Ich blickte mich um und Rika lächelte mich etwas zögerlich an.

„Ja,“ antwortete ich, „das Wetter wird schlechter. Der Sturm kommt bald.“

„Hai, kore mo taihen, ne?“ - „Ja, auch das ist sehr schlimm, nicht wahr?“

Sie hatte die Telefonkonferenz gemeint. Ich war zwar halbwegs ruhig und beherrscht geblieben, was mich einige Mühe gekostet hatte, hatte die Stimme nicht erhoben, aber sie ahnte wohl, was in mir vorgegangen war.

„So desu, ne.“ - „Nicht wahr.“ Ich ließ sie wissen, daß ich verstand.

Rika sprach eigentlich sehr gut Deutsch. Viel besser als ich mit meinem Überlebens-Japanisch. Sie machte dabei kleine, bezaubernde Fehler. Der Unterschied in unserer Denkweise war weitaus größer als ich vor meiner Abreise nach Japan je geglaubt hätte, und ihr eigenwilliges Deutsch erinnerte mich regelmäßig daran. Ohne daß sie das wissen konnte, war ich ihr im Grunde sehr dankbar dafür, denn es half mir, diese Menschen etwas besser zu verstehen.

„Atashi, ne, vor dem Sturm ich bin ängstlich.“

Ich mochte es sehr, wenn sie die weibliche Form des „ich“ benutzte. Sie war sich vielleicht nicht sicher, ob ich über meinen Ärger mit ihr reden wollte. Wir Deutsche hatten zuweilen diese Unart.

„Es wird dieses Mal sehr streng, vielleicht,“ sagte sie.

„Sie sollten nach Hause gehen. Sie wohnen nicht weit.“

Sie lachte und blickte mich warm, aber auch ein bißchen spöttisch an.

„Aber es ist noch Arbeit. Und ich wohne nicht weit.“

Natürlich. Wie dumm von mir.

„Danke. Später bringe ich Sie nach Hause. Der Sturm wird sehr stark sein.“

Sie schien etwas zu zögern. „Aber der Weg stimmt nicht.“

„Kein Problem. Ich bin zu schwer für den Sturm,“ lachte ich.

„Es wird bald Regen sein.“

„No problem, I'm waterproof.“

Ihr Gesicht hellte sich auf und sie lächelte mich an. „Es ist noch Arbeit, jedoch…“

„Ja. Fangen wir an, sonst wird es zu spät.“

„Ja, Ihre Frau wird Sorge haben.“

„Ach nein, sie ist in Deutschland.“

„Ach so ist das.“

Sie blickte mich zurückhaltend an, aber ich wollte die Frage nicht beantworten.

 

***

 

Die nächsten fünf Stunden verbrachten wir mit intensiver Arbeit im Büro. Rika konnte mich immer wieder in Erstaunen versetzen. Ihre Art blieb ruhig, sanft, ja fast etwas kindhaft, egal wie anstrengend die Arbeit war. Sie ertrug meine manchmal so unwirsche Art mit einer Milde, die mich geradezu zwang, mich zusammenzunehmen. Es war ein mühseliges Stück Arbeit, alle Datenblätter gemäß den neuen Vorgaben zu ändern und eine komplett überarbeitete Kundendokumentation zu erstellen. Rika ließ sich nichts anmerken und blieb die ganze Zeit freundlich und konzentriert. Also fluchte ich nur leise und innerlich. Daß der Sturm mittlerweile bedrohlich und böse geworden war, nahm ich erst wahr, als ich den grünen Tee genoß, den Rika zwischendurch wie beiläufig zubereitet hatte. Sie machte das mit einer Anmut, die nur jahrelange Übung verleihen konnte.

Wir saßen nebeneinander und tranken schweigend den heißen, bitteren Tee, während wir darauf warteten, daß der Drucker das Ergebnis unserer Arbeit zu Papier brachte. Sie blickte mich etwas verlegen an, als ich mir eine Zigarette anzündete. In den Büros war Rauchverbot. „Ein Präsident soll sich um wichtige Dinge kümmern,“ sagte ich kalt. Sie senkte den Blick. „Verzeihung.“ Mir war nicht entgangen, wie aufmerksam sie meine vielen, kleinen Regelverstöße und Eigenmächtigkeiten jeweils registrierte. Ich antwortete ihr nicht und wir schwiegen beide. Das Büro war längst leer bis auf uns zwei, denn ich hatte die anderen schon vor Stunden nach Hause geschickt. Sollten sie heute ruhig vor dem Chef aufhören. Nur das Fauchen des Druckers war zu hören und der Taifun, wie er manchmal das Gebäude anzupacken schien, vernehmlich empört über den offenkundigen Mangel an menschlichem Respekt. Gelegentlich klingelte ein einzelnes Telefon. Zu dieser späten Stunde vermutlich ein hochbezahlter Deutscher, der vergessen hatte, daß die Welt dann doch keine Scheibe ist.

 

***

 

„Entschuldigen sie bitte, Rika-san“. Ich zog den Rauch tief in meine Lunge und atmete dann langsam aus. Ich begann, mich langsam zu entspannen. „Toki-doki, boku wa kawat’te iru yo.“ – „Ich bin manchmal schon seltsam.“ Sie blickte mich nicht an. So als schiene sie zu ahnen, daß ich mit den Gedanken woanders war. Ich dachte an meine Frau, an die Streitereien, die wir in jüngerer Zeit hatten. An ihre Unzufriedenheit darüber, daß ich abends immer so spät nach Hause kam, müde, erschöpft und häufig gereizt. Unser Sexleben war fast eingeschlafen. Ich hatte nicht mehr die Kraft und den Mut für unsere Spiele, die wir früher immer so lustvoll ausgestaltet hatten.

Im Grunde hatte Nathalie Recht: Ich setzte die falschen Prioritäten. Seit ich die Leitung des Büros übernommen hatte, war ich wie besessen von dem Ehrgeiz, innerhalb der drei Jahre, die mir zur Verfügung stehen sollten, wieder schwarze Zahlen zu schreiben. Und ich war fast am Ziel. Dafür verlangte ich mir und den Mitarbeitern fast übermenschliche Anstrengungen ab, und nicht wenige waren unzufrieden. Sie konnten nicht verstehen, daß sich auf einmal alles ändern sollte. Sie verstanden es als Kritik an ihrer bisherigen Arbeit, und meine Versuche, das zu verneinen, klangen unglaubwürdig, waren es im Grunde auch. Ich fühlte mich einsam und isoliert, und nun war meine Frau nach Deutschland geflogen. Allein, um nachzudenken, wie sie sagte. Von Japan hatte ich bisher kaum etwas gesehen, geschweige denn genossen. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, herzukommen.

Ich bemerkte, wie Rika leise den Kopf schüttelte. Sie würde mich niemals offen kritisieren, aber ich glaubte zu wissen, was sie dachte. Bei ihr hatte ich das Gefühl, daß sie bedingungslos loyal war. Als sie bei uns anfing, gab es eine gewisse Aufregung. Sie war gerade 31 Jahre alt und damit nach japanischen Maßstäben eigentlich schon viel zu alt, um noch unverheiratet zu sein, aber ganz sicher zu jung, um an anderen, älteren, männlichen Kollegen vorbei Referentin des Chefs zu werden. Zudem kam sie von außen. Wie konnte man ihrer Loyalität sicher sein? Es gab böse Worte von ein paar älteren Japanern, die sie zum Büro-Mädchen machen wollten, und ich reagierte darauf sehr ruppig. Schließlich hatte ich sie als Wirtschaftsingenieurin mit guten Sprachkenntnissen nicht eingestellt, damit sie älteren, erfahrenen Männern den Tee am Schreibtisch servierte. Einer drehte durch und hatte in einem Moment, als er sich unbeobachtet fühlte versucht, sie zu befingern. Ich war darüber hinzugekommen und wurde fuchsteufelswild. Der Mensch wurde sofort und diskret versetzt. Ich hatte ihr Stillschweigen versprochen und mich daran gehalten. Nicht einmal das Personalbüro oder der Präsident haben etwas Genaues erfahren. Es war ein ziemlicher Eiertanz. Gleichwohl hatte ich das unbestimmte Gefühl, daß Rika mich für undiszipliniert und unbeherrscht hielt. Sah sie mich doch manchmal sehr lange an und schien dabei angestrengt nachzudenken, was sie jedoch sofort hinter einem undurchsichtigen Lächeln verbarg, sobald ich ihren Blick erwiderte.

Sie stand auf, um den Stapel Papier vom Drucker zu nehmen.

„Lassen Sie’s gut sein. Es ist schon spät. Wir machen am Montag weiter.“

„Hai.“ Sie verbeugte sich leicht. Ich stand auf und beobachtete sie, wie sie mit leichter Geste das Teebesteck wegräumte.

„Kawamoto-san, sie sollten Ihre Jacke im Büro lassen. Sie wird sonst schmutzig,“ sagte ich und bot Ihr mein Regencape an. Erschreckt blickte sie durchs Fenster nach draußen.

„Aber was werden Sie anziehen?“

„Kein Problem. Ich habe immer ein frisches Hemd im Schreibtisch.“ Rika lächelte erleichtert als ich ein Hemd aus einer Schublade zog und in eine Plastiktüte steckte. Es war noch verpackt in einer Plastikhülle vom Bügelservice, würde also nicht naß werden. Die Sommer in Tokyo machten gelegentlich einen Hemdenwechsel nötig. Dieses wollte ich anziehen, sobald ich den Bahnhof erreicht hatte. Die Klimaanlagen der Tokyoter S-Bahnen kannten nur einen Betriebszustand, nämlich eiskalt. Egal bei welchem Wetter. Das konnte man mit nassem Hemd einfach nicht ertragen, ohne sich eine Lungenentzündung zu holen.

Es amüsierte mich, wie ihr Hals leicht errötete, während ich ihr in das Cape half. Dies war eine ungewöhnliche Geste in Japan. Ein Taxi war jetzt nicht mehr zu bekommen. Wir würden also laufen müssen. „Binden Sie Ihre Haare zusammen“ sagte ich bestimmt, „wir werden keinen Regenschirm benutzen können. Der Wind.“ Sie angelte ein Gummi aus ihrer Tasche und band ihre Haare zu einem kleinen Pferdeschwanz. Als sich die äußere Tür des Windfanges öffnete, erschraken wir beide über die Wucht, die der Taifun mittlerweile hatte. Es goß in Strömen, der Wind war gewalttätig, und es war unerträglich warm. Ich legte den Arm um sie. Sie erstarrte kurz, verstand dann aber, daß es notwendig sein würde. „Wir werden sowieso naß sein,“ rief ich ihr zu, „also gehen wir langsam.“ Sie nickte und versuchte, sich ihre Furcht nicht anmerken zu lassen. Ich steckte meine Brille in die Brusttasche meines Hemdes und wir traten mit eingezogenen Köpfen hinaus in das tobende Unwetter, begleitet vom besorgten Blick des Torwächters.

Es verschlug mir den Atem. Der Regen peitschte mir ins Gesicht und nur mit Mühe konnte ich die Augen gerade so weit öffnen, daß ich sah, wo ich hintrat. Mir brach der Schweiß hervor, aber der Regen sorgte sowieso in Bruchteilen einer Sekunde dafür, daß ich naß war bis auf die Haut. Das Wasser konnte längst nicht mehr ablaufen und stand mittlerweile knöcheltief auf dem Vorplatz. Ich packte Rika fester, hatte selbst Schwierigkeiten, vom Wind nicht umgeworfen zu werden. Langsam arbeiteten wir uns vorwärts, während sie sich fest an mich klammerte.

 

***

 

Ich war benommen und rappelte mich nur langsam wieder hoch. Das Knie und die Rippen taten mir weh. Ich hatte den herabfallenden Ast erst bemerkt als er mich am Rücken streifte. Rika lag halb unter mir. Als ich in Deckung ging hatte ich sie instinktiv nach unten gedrückt. Sie saß im Wasser, hielt sich die rechte Hand und verzog das Gesicht. Ich hob sie auf und trug sie auf den letzten Metern mehr, als daß sie ging. Sie deutete auf ihre Handtasche und ich verstand, daß sie die Schlüssel meinte. Erst als uns der Wind in den Genkan hinein und die Tür hinter uns zugedrückt hatte, sah ich, daß sie blutete. Ihre rechte Handkante war aufgeschürft. Es war jedoch halb so schlimm, und sie beruhigte sich sofort. Auch ich war ein wenig lädiert. Das Hemd war über dem Rücken zerrissen und die Hose am Knie ein bißchen aufgeschürft, aber außer ein paar leichten Prellungen, die ich ertastete, war wohl nicht viel passiert. Wir sahen uns an und lachten. „Tai-hfuu ist schwerer, vielleicht,“ sagte sie schelmisch. Ich blickte an uns beiden herunter. Wir sahen aus wie begossene Pudel. Und wie ziemlich schmutzige dazu.

„Sie können nicht gehen,“ sagte sie bestimmt. „Und Sie müssen trocknen. Ich gebe Ihnen das Handtuch und Sie ausziehen nasse Kleider.“ Sie schlüpfte aus ihren Schuhen, streifte das Cape ab, warf es in den Genkan, zog ihre Kniestrümpfe aus und warf sie dazu, sprang leichtfüßig in das japanische Zimmer hinter der ersten Schiebetür, um nach wenigen Sekunden mit einem großen Frotteetuch und einer Yukata zurückzukommen. „Hier ist Badezimmer,“ deutete sie auf eine Tür. „Machen Sie bitte schnell.“ Aus ihrem Rock tropfte es auf die Dielen.

Ich war verblüfft über ihre direkte Art, kannte ich sie doch sonst nur wesentlich zurückhaltender. Die Dusche tat mir gut. Ich trocknete mich ab und wickelte mich in die Yukata. Was soll’s, dachte ich, extreme Zeiten erfordern extreme Maßnahmen. Kaum daß ich die Tür geöffnet hatte, kam Rika ins Bad. Sie zögerte kurz, sah mich verlegen an und schlüpfte dann rasch an mir vorbei. Ich ging in das vordere Tatamizimmer, schaltete den Fernseher ein und betrachtete mir ihre Wohnung.

Hinter dem Eingang links war das Bad. Daneben eine kleine Küche und dahinter ein Arbeitszimmer, beides im westlichen Stil. In der rechten Hälfte der Wohnung waren zwei Wa-shitsu, japanische Zimmer. Zwischen dem westlichen und dem japanischen Teil der Wohnung war ein enger, kleiner Flur. Die Schiebetüren zum hinteren Zimmer waren geschlossen. Das vordere Zimmer war mit relativ neuen Tatami-Matten ausgelegt, wie mir das noch frische Schilfgrün verriet. Nach ein, zwei Jahren würden sie eine goldgelbe Färbung annehmen. Die Wände trugen den üblichen olivfarbenen Putz, durchbrochen von den Tragbalken, die mit ihrem hellen Holz die eigentliche Statik des Hauses bildeten. Die beiden japanischen Zimmer waren verbunden durch wunderschöne, dezent bemalte Schiebetüren. Die zum Boden reichenden Fenster nach draußen waren kaschiert durch papierbespannte japanische Türen, hinter denen der Sturm die heruntergelassenen Rolläden klappern lies. Die Klimaanlage rauschte sanft, und nur das schwache Nachtlicht brannte. Es war zwar schwül, aber einigermaßen erträglich. Doch jedesmal, wenn der hölzerne Körper des kleinen Hauses von einer starken Böe angepackt wurde, erzitterte es und schien zu schwanken.

Im Fernseher lief ununterbrochen die Berichterstattung über den Taifun. Er lag jetzt östlich der Izu-Halbinsel und hielt auf die Bucht von Tokyo zu. Mein Blick streifte weiter durch die Wohnung. Sie war ein ordentliches Mädchen mit Geschmack. Ihre Wohnung war vergleichsweise leer, gar nicht so wie die meisten anderen Wohnungen, die ich in Japan gesehen hatte, nicht so vollgestopft bis unter die Decke. An einer Wand stand eine niedrige Kommode. Offenbar eine jener handpolierten Lackarbeiten mit feinen, dezenten Goldintarsien, wie man sie in dieser Perfektion wohl nirgendwo sonst auf der Welt finden kann. Es gab den kleinen Fernseher, einen niedrigen, japanischen Tisch und zwei Sitzkissen. Ansonsten war das Zimmer leer. Mein Blick richtete sich auf die Nische, den Toko-no-ma. Ein Kalligramm schmückte die Wand mit seinen japanischen Schriftzeichen und einem goldenen Rand, darunter war ein Blumengesteck aufgehängt. Ob Rika wohl Ikebana beherrschte? Vermutlich. Mir war auch schon früh aufgefallen, daß sie im Gegensatz zu ihren Kollegen nie ein Wörterbuch brauchte, um Zeichen nachzuschlagen. Und ihre Notizen machte sie immer von Hand, ohne den Computer. Auch war ihre Art immer sehr zurückhaltend und formell. Sie mußte also aus gutem Hause stammen und eine hervorragende Ausbildung genossen haben, zu der dann sicher auch das kunstfertige Blumenarrangement gehörte.

Ich versuchte zerstreut, das Kalligramm zu entziffern. Mir waren längst nicht alle der fast zweitausend japanischen Schriftzeichen bekannt. Zudem hatte ich normalerweise große Probleme damit, künstlerische, mit dem Fude, dem japanischen Pinsel, schwungvoll auf Reispapier gebrachte Zeichen überhaupt zu erkennen.

---ENDE DER LESEPROBE---