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Marianne ist die Besitzerin und Chefin eines kleinen Hotelbetriebs in einem Hochtal der Kitzbühler Alpen. Unterstützt von ihrer zwar schon selbst verheirateten, aber in manchen Dingen doch noch recht jugendhaften Tochter leitet sie den Betrieb mit viel Charme, aber auch mit resoluter Hand. Doch die früh verwitwete, taff auftretende Frau sehnt sich insgeheim nach Liebe. Geschmeichelt durch die Werbung eines jüngeren und äußerst attraktiven Mannes läßt sie sich auf ein erotisches Abenteuer ein – und gerät unversehens in die Fänge ihrer schlimmsten Feindin und deren Partner. Und eines Mannes, dessen berechnende Bosheit sie in den folgenden Wochen immer tiefer hineintreibt in einen Alptraum aus Unterwerfung, Erniedrigung und Schmerz. Bis sie schließlich kurz davor ist, den Verstand zu verlieren. Wäre da nicht ein Hotelgast, dessen ruhige und undurchdringliche Art sie anzieht und zugleich immer wieder zweifeln läßt. Er kennt ihre Lage und verspricht zu helfen. Was ihn nicht davon abhält, sich ihrer auf beinahe die gleiche, erniedrigende Weise zu bemächtigen wie ihre Peiniger und deren besonderen „Gäste“. Doch sie hat keine andere Wahl, als ihrem einzigen Verbündeten zu vertrauen und sich von ihm über Grenzen und Abgründe führen zu lassen, von denen vor ihrem Martyrium nicht einmal vermutet hätte, daß es sie gibt … *** … Marianne hörte ihm regungslos zu. „Aus dem gleichen Grund, aus dem Svenja mich bewundert, hält dieser Gunther mich für einen romantischen Idioten. Für den bin ich genauso ein Mittel zum Zweck wie du auch.“ „Warum tust du es dann?“ „Weil ich nur so an ihn herankomme. Es gibt nur einen Weg, eine Erpressung zu beenden.“ „Welchen?“ „Verdorbene Ware!“ „Verdorbene Ware?“ Sie richtete sich auf. „Was meinst du damit?“ Er schüttelte den Kopf. „Es ist besser für dich, wenn wir auch darüber nicht reden. Noch nicht. Du mußt mir bitte vertrauen.“ „Sonst kann ich nichts tun?“ Sie atmete heftig aus. „Nein. Du bist tatsächlich in der Rolle der Sklavin gefangen.“ Marianne schüttelte den Kopf. „Wir leben im 21. Jahrhundert.“ „Das erspart dir das Baumwollfeld.“ Er kam ihrem versuchten Einwand gleich zuvor: „Erzähle mir nicht, das wäre dir lieber. Erstens versuchst du mit deiner Entscheidung, genau das zu vermeiden …“ „Das ist nicht wahr!“ rief sie empört und richtete sich auf. „Dann kündige!“ Rudolf hockte sich in den Schneidersitz. „Das kann ich nicht!“ rief sie verzweifelt. „Dann füge dich!“ „Das will ich nicht!“ Sie schloß die Augen in hilflosem Schmerz …
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Mariannes Tränen
Eine erotische SM-Geschichte
um Erpressung und Liebe
von
Andreas Marckwardt
Copyright (c) April 2020 by Andreas Marckwardt
E-Book
Mariannes Tränen ©2020 Andreas Marckwardt, All rights reserved
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Umschlagbild © 2013 Sir Alexander und Sklavin B.
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Rev05_2023_Sep_13, (letzte Überarbeitung)
Impressum:
Titel: © Copyright by
Andreas Marckwardtc/o Block ServicesStuttgarter Str. 10670736 [email protected] Rechte vorbehalten.Tag der Veröffentlichung: 19.08.2013
Bitte erlaubt mir an dieser Stelle einen Hinweis in eigener Sache.
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Wer eBooks unabhängiger Autoren auf so genannten „Piratenplattformen“ zum kostenfreien Download anbietet, schädigt ebenfalls nicht Amazon oder Thalia oder sonst einen großen Verleger, sondern vor allem und unmittelbar den Autor. Er ist ganz sicher kein Kämpfer für die Freiheit des Wortes, schon gar nicht für die Freiheit der Autoren, sondern schlicht und ergreifend ein Dieb und Hehler, der sein Geschäft mit gestohlenen Gütern betreibt und so die Urheber der Werke um die Früchte ihrer Arbeit betrügt. Weil er selbst nicht fähig ist, mit Kreativität und Anstrengung ein eigenes Werk zustande zu bringen.
Du gibst 9 Euro aus für „einen doppelten, entkoffeinierten Mokkachino ohne Zucker mit fettarmer, laktosefreier Milch,“ der binnen Sekunden aus einer Patrone gepreßt und dir liebevoll und stilecht in einem Pappbecher vor die Nase geknallt wird, auf den immerhin dein Name gekritzelt wurde? Aber die gleichen 9 Euro für ein Buch, dessen Autor sich mehr als ein Jahr Arbeit damit gemacht hat, sind dir zu viel? Hoffentlich nicht!
Denn, um ein altes Sprichwort abzuwandeln:„Charakter ist eine Zier, doch es geht auch ohne ihr.“
Allen anderen wünscht der Autor ein ungetrübtes Lesevergnügen an einem ehrlich verfaßten und genau so ehrlich erworbenen Buch! :-)
Andreas Marckwardt
Inhalt
Ein mißglücktes Vorspiel
Ein unerwarteter Besuch
Erpreßt!
Warten ...
Peinliches Vorspiel
Unbeholfener Auftakt
Das Versprechen des Fremden
Schmerzvolle Hilfe
Der Trost des Fremden
Hilflos
Erste Hilfe
Der erste Tango
Aufgefangen
Dressurstunde
Der Abgrund
Verdorbene Ware
Der Bürgermeister
Mariannes tapfere Kinder
Der Vertrag
Zwang und Hingabe
Zwei Herren und ein Jüngling
Die Befreiung
Nackte Wölfe
Offene Rechnungen
Frei und unfrei
Ende einer Freundschaft
Geständnisse
Epilog
Ich danke -
Weitere Bücher von Andreas Marckwardt
Originaltitelseite
„Es ist nicht gut, daß der Mensch alleine ist. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm ebenbürtig ist.“
– Genesis, 2-18
Es war einmal, in einem Hochtal in Tirol ...
„Morgen, Lukas!“
„Guten Morgen, Frau Heumader!“
„War was?“ Sie kam zu ihm hinter den Tresen der Rezeption, warf ihre Schlüssel auf den Schreibtisch und stützte eine Hand auf seine Schulter, während sie sich vorbeugte und einen Blick auf das Journal am Bildschirm warf.
„Nichts Besonderes,“ antwortete Lukas. „Mecker von den Riedmüllers auf eins-sechzehn. Gestern, viertel nach acht. Konnten irgendeins von ihren Piefke-Programmen nicht gucken. So ‘n dämlichen Alt-Oma-Quiz. Konnte ich ihnen aber nicht richten; der Sender ist scheint’s gar nicht auf Kabel geschaltet.“
Sie schubste ihn an der Schulter, während sie sich aufrichtete. „Lukas! Eine andere Ausdrucksweise bitte, ja? Wenn dich die Gäste hören!“
„Jawohl, Chefin!“ rief Lukas keck und fuhr sich mit der Hand durch die Gel-gestärkte Haartolle.
„Sonst war nichts?“
„Melde gehorsamst: Das Nein, Frau Chefin!“ Lukas knallte hingefläzt, wie er da saß, unter dem Schreibtisch die Hacken zusammen.
„Dummer Junge! Wie weit ist Elsa?“
„Frühstück läuft. Schmeißt sie alleine. Die Grobleitnerin hat’s hoam g‘schickt. Acht senile Bettflüchtlinge – die schafft‘s allein.“
„Aua!“ rief er gleich darauf mit gespielter Empörung. Marianne hatte ihm spielerisch einen Klaps in den Nacken verpaßt. „Lehrlinge verhauen ist verboten!“ beschwerte er sich. „Und Nachtschicht gleich sowieso …,“ maulte er leise hinterher.
„Beschwer dich nicht!“ entgegnete sie leise. „Geht nun mal nicht anders. Aber I woaß scho‘, was‘ moanst.“
„Saure Gurken. Mit Essig,“ kommentierte er altklug.
Es war die erste Oktoberwoche. Die Sommersaison in diesem Jahr war nicht gut verlaufen. Sie hatten kaum den Umsatz des Vorjahrs einstellen können; dabei hätte der Heumaderhof eine Umsatzsteigerung dringend gebrauchen können. Die Kosten für die Renovierung des Wellness-Bereichs im vergangenen Jahr drückten schwer auf die Bilanz, und die staatliche Förderung dafür war mager ausgefallen, viel magerer als Marianne es sich erhofft hatte. Am 20. würden sie schließen. Fast zwei Monate Ferien bedeutete das, bis dann um die Weihnacht der Ski-Zirkus anlaufen würde. Und dieses Jahr wäre es richtiger Urlaub. Keine großen Renovierungen, keine Handwerker, die es zu beaufsichtigen galt, kein Baulärm – einfach nur Urlaub. Wahrscheinlich würde sie für ein, zwei Wochen in den Süden fahren. Nach Andalusien vielleicht, denn diesen Landstrich hatte sie in ihr Herz geschlossen. Besonders liebte sie den Wind, wie er nur dort so stark und stetig vom Meer herauf wehte. Acht Gäste hatte sie noch, vier ältliche Paare aus Deutschland. Rentner, die sich die Hauptsaison nicht leisten konnten oder wollten, und denen das kühle Wetter um diese Jahreszeit gerade recht war.
„Kann ich jetzt endlich heimgehen, Chefin? Bin hundemüde,“ beschwerte sich Lukas.
„Ist Kathrin schon da?“
Lukas schüttelte den Kopf und raffte sich aus dem Stuhl. Er streckte sich, gähnte und rieb sich dabei den Nacken. „Nö. Heute noch nicht gesehen. Die junge Frau Gruberin kommt bestimmt mal wieder erst über der Zeit.“
Marianne legte die Stirn in Falten und stöhnte verärgert. „Dann muß ich dich leider bitten, noch so lange hier zu warten, bis ich meine Runde gemacht habe.“ Lukas grunzte verächtlich durch die Nase.
„Bitte, Lukas! Ich weiß!“
„Ja-ja,“ brummelte er mißmutig. „Ist ja schon gut. Aber jedesmal, wenn die gnädige Frau Juniorchefin nachts auf der Piste versumpft, muß ich hier nachsitzen. Bin ja nur der Lehrbub …“
„Lukas, bitte!“
„Ist ja schon gut, Chefin. Ich bleib ja da.“
„Damit wenigstens ein Mann im Haus ist … in derer ganzen Weiberwirtschaft!“ schob er augenblicklich grinsend hinterher mit einer Geste, die wohl eine ritterliche Verbeugung sein sollte.
„Du und a Mo‘?Na, da woart’st aber noch a Oizerl!“ Marianne versuchte ein Lachen, aber der Ärger war ihr trotzdem anzusehen. Eigentlich hätte ihre Tochter längst hier sein und die Rezeption übernehmen sollen. Wahrscheinlich war sie noch nicht einmal aus dem Haus gegangen, sondern saß noch mit ihrem Mann am Frühstückstisch, drüben im Gruberhof, und hatte nicht die geringste Eile. Fußläufig waren es ja nur fünf Minuten, aus denen bei Kathrins Zeitrechnung aber nicht selten mal eine halbe Stunde Verspätung wurde.
„Dauert ja ned lang. Ist doch nur noch Küche und Restaurant.“
„Ja-ja, baßt scho‘!“ stöhnte Lukas und fläzte sich wieder auf den Stuhl, während Marianne sich auf ihre allmorgendliche Runde machte. Normalerweise würde sie diese mit einem Blick in den Pferdestall und in das Schlafhaus des Saisonpersonals beenden. Aber die Rösser waren schon im Winterquartier, unten in Nieder-Tannau, wo sie leichter zu versorgen waren. Der Stall war längst leer und von Alois, dem alten Stallknecht, blitzblank gefegt worden, bevor er sich in den Winterurlaub verabschiedet hatte. Bis April würde er nur alle zwei, drei Wochen einmal aus dem Tal hochkommen, um nach dem Rechten zu schauen, das Lederzeug gefettet zu halten und hier und da ein paar kleinere Reparaturen zu erledigen. Schweigend, ohne zu sagen, wann er kam und wann er ging; das war seine Art. Die ruhige Zeit brach an. Sobald die wenigen Gäste zu ihren Morgenspaziergängen aufgebrochen wären, würde das Haus fast leer sein. Und in zwei Wochen würden sie dann ganz schließen.
Sie begrüßte Elsa, eine große, hagere Frau mit hartem Gesicht und harten Händen. Elsa gehörte wie Alois zum lebenden Inventar des Hauses. Die Touristen und ihre Art waren den beiden zwar zutiefst suspekt. Aber sie hielten treu zu Marianne und waren auch bei ihr geblieben, nachdem der junge Herr Max vor drei Jahren so tragisch ums Leben gekommen war. Wortkarg und arbeitsam hatten sie in der schlimmen Zeit Restaurant und Reitstall am Laufen gehalten. Selbst der alte Herr Josef war wiedergekommen, trotzdem er längst Pensionist war, und hatte Rezeption und Zimmerbetrieb geführt. Weil die Frau Marianne nach dem schweren Verlust doch wochenlang wie gelähmt gewesen war. Vollkommen hilflos war sie vor dem großen Betrieb gestanden und hatte in ihrem Schmerz nicht mehr aus noch ein gewußt. Keine einzige Entscheidung hatte sie treffen mögen ohne ihren Max. Und die junge Frau Kathrin war ihr erst recht keine große Hilfe gewesen mit ihren damals gerade mal 19 Jahren. Kathrin war ja auch getroffen, und das gleich doppelt: Mit dem Papa hatte sie bei dem Autounfall zugleich auch den Schwiegervater verloren, den Vater vom jungen Herrn Konrad. Und das so kurz nach der Hochzeit! Keine drei Wochen war es her gewesen, daß sie die junge Frau Gruberin geworden war. Eine Hochzeit in Weiß an einem strahlenden Sommertag, und alle waren sie so glücklich gewesen. Die Brauteltern kannten sich seit sie alle vier gemeinsam die Schule besucht hatten. Wobei Marianne allerdings die mit Abstand jüngste der vier gewesen war, eingeschult als die anderen schon beinahe ihren Abschluß machten. Nun hatten ihre Kinder geheiratet. Sie würden einmal die beiden Hotelbetriebe übernehmen und zusammenführen.
Und dann war der entsetzliche Unfall passiert. Mitten in der Nacht waren die beiden Männer auf dem Heimweg von Nieder-Tannau vom Weg abgekommen und in die Schlucht gestürzt. Das Auto hatte es regelrecht zerrissen, und die beiden Männer hatte man erst nach längerem Suchen in der Böschung gefunden. Beide waren sie an den Felsen zerschmettert worden. Man hatte noch nicht einmal mehr feststellen können, wer von den beiden den Wagen gelenkt hatte, so grausig hatte es da ausgeschaut. Es war eine schlimme Zeit gewesen. Da war es schon wichtig gewesen, daß die noch so junge Witwe sich auf ihr erfahrenes Personal hatte verlassen können.
Marianne fand Küche und Frühstücksbuffet wie immer in tadellosem Zustand. Jede noch so leise Kritik hätte Elsa auch zutiefst getroffen, und dagegen gab es in ihrer Welt nur ein Mittel: Fleiß und ein strenges Regiment mit den Küchenmädchen. Alles war pikobello gerichtet. Nur die Saftpresse am Buffet hatte Elsa nicht bestückt, sondern abgedeckt gelassen. Sie mochte das neumodische Ding eh nicht, weil es widerliche Geräusche machte, ab und zu klemmte und dann laut piepste. Elsa empfand es als Beleidigung, sich von einer Maschine durch Pfeifen rufen zu lassen, sie sei ja kein Hund. Und eine Karaffe mit gutem Orangensaft aus der Tüte sei gut genug und mache viel weniger Arbeit. Die Gäste schienen damit zufrieden. Elsa war effizient, das liebten die Deutschen Besucher ganz besonders. Selbst das Paar aus Norddeutschland hatte das Malheur mit dem Fernsehprogramm längst verziehen, und beide genossen den vorzüglichen, österreichischen Kaffee, den ihnen Elsa gebracht hatte. Obwohl sie Marianne bei ihrer Runde und dem kurzen Gespräch lachend darauf hinwiesen, daß die Verständigung mit der Frau Elsa immer etwas schwierig sei. Denn die weigerte sich hartnäckig, etwas anderes als ihren harten Hochtal-Dialekt zu sprechen. Marianne verstand es auch diesmal, mit ihrem Charme und einem Lächeln ihre Gäste für sich einzunehmen. Sie wußte ganz genau, was sie an Alois und Elsa hatte, ihren beiden Felsen in der Brandung. Die beiden und der alte Herr Josef waren die einzigen im Personal, von denen sie geduzt wurde. So war es schon zu Mariannes Kindertagen gewesen, dabei war es geblieben, und sie ließ es sich gerne gefallen.
Als sie von ihrer Runde zurückkehrte, fand sie die Rezeption unbesetzt. Dafür lag eine modische Damenhandtasche auf dem Schreibtisch, und die Tür zum Büro stand halboffen. Marianne fand ihre Tochter Kathrin im Ledersessel, die hochhackigen Pumps auf dem Schreibtisch und ihren Tablet-Computer im Schoß. „Moin Mama,“ nuschelte sie gelangweilt, ohne ihre Lektüre zu unterbrechen.
„Ah! Auch schon da!“ Marianne klang gereizt.
„Ach Mama! Ist doch eh nix mehr los hier.“ Kathrin warf ihren Tablet auf den Schreibtisch, streckte die Arme hoch, gähnte und räkelte sich dabei in den Chefsessel ihrer Mutter. Unter dem dünnen, hautengen Stoff ihres Kleidchens zeichneten sich ihre Rippen ab. Und auch ihre kleinen festen Brüste, wie Marianne mit kritischem Blick bemerkte. Dem selbstverständlich nicht entging, daß ihre Tochter mal wieder keine Unterwäsche trug.
„Ich habe dir schon hundertmal gesagt, du sollst dich weniger freizügig anziehen, wenn du hier arbeitest. Du verschreckst mir noch die Kundschaft, wenn du hier immer so knapp rumläufst.“
„Ach was!“ Kathrin sah an sich herunter, zupfte an ihrem Kleidchen und sprang dann auf, um ihrer Mutter um den Hals zu fallen. „Komm, sei lieb, ja?“ Sie küßte sie auf die Wangen und lächelte sie dann an. „Zu dir paßt das Dirndl grade noch, aber an mir sieht so was einfach nur doof aus.“
Marianne machte Anstalten, ihre Tochter wegzuschieben, aber die ließ sie nicht aus. „Erstaunlich, wie verschieden wir doch sind,“ sagte sie und lächelte ihre Mutter an. Und es stimmte. Dafür, daß sie Mutter und Tochter waren, hatten sie äußerlich wenig gemein. Beide waren zwar gleich groß. Aber während Kathrin aus großen, wasserblauen Augen in einem Kindergesicht mit blasser Haut und voller Sommersprossen in die Welt schaute, umrahmt von einer Flut beinahe hüftlanger, aschblonder Haare fein wie Seide, hatte ihre Mutter einen durch und durch dunklen Teint. Ihre Augen waren wie Ebenholz, und sie trug das dichte, Palisander-glänzende Haar auf Kinnlänge geschnitten, was ihren eleganten, schmalen Hals betonte. Und wo die Tochter trotz ihrer zierlichen Gestalt weich und feminin wirkte, sah man bei der Mutter auf den ersten Blick, daß sie drahtig war, sportlich und durchtrainiert. Marianne liebte die Bewegung, liebte es, sich auf dem Tennisplatz zu verausgaben, bis sie dampfte und der Schweiß in Strömen an ihr herablief. Und im Winter war sie eine begeisterte Abfahrtläuferin. Kathrin dagegen wußte von Sport nur, daß man mit Skitouristen einen Haufen Geld verdienen konnte. Mit dem Konzept an sich konnte sie nichts anfangen.
„Es stimmt,“ sagte Marianne und strich ihrer Tochter behutsam eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Und mit einem Hauch von Wehmut in den Augen fügte sie leise hinzu: „Du kommst schon arg nach meinem Max.“
„Ach Mama!“ Kathrin zog ihre Mutter eng an sich und vergrub das feine Gesichtchen in ihrer Halsbeuge. „Wir schaffen das schon, wir zwei Frauen!“
„Entschuldigen Sie bitte!“
Erschrocken drehten die beiden Frauen ihre Köpfe zur Bürotür, als sie die fremde Männerstimme hörten.
„Ja bitte, was kann ich für sie tun?“ fragte Marianne über ihre Schulter, während sie sich von Kathrin losmachte, die um sie herum den Fremden neugierig beäugte.
„Entschuldigen Sie bitte!“ wiederholte er ruhig. „Es war nicht meine Absicht, Sie zu erschrecken. Ich hatte mehrfach gerufen.“
„Ähm … das hier ist das Büro …“ Marianne klang bewußt abweisend. „Kommen sie bitte mit nach vorne?“ Aber er gab die Tür nicht gleich frei. Ein großer Mann, fast eins-neunzig. Massig wirkte er, mit breiten Schultern und Bauchansatz. Das halblang geschnittene Haar und der Vollbart verliehen ihm im Gegenlicht einen beinahe bedrohlichen Ausdruck. Regungslos stand er im Türrahmen und besah sich für ein paar Sekunden die beiden Frauen. Dann drehte er sich wortlos um und ließ sie stehen. Als Marianne aus dem Büro kam, stand er vor dem Tresen und blätterte in einem Prospekt.
„Rudolf Stadler. Ich habe für eine Woche reserviert,“ sagte er ohne aufzuschauen. Vor ihm auf dem Tresen lagen ein Reisepaß und eine Kreditkarte.
„Äh … ja …,“ sagte Marianne und schaute auf den Monitor mit dem Belegungsplan. „Das wäre Zimmer …“
„314“ ergänzte er ihren Satz. „Möchten sie die Buchungsbestätigung sehen?“ Er schob den Prospekt zurück in die Auslage und schaute sie an. Marianne fielen seine Hände auf. Sorgfältig manikürt waren sie, sehnig. Und die Art, wie er sie ruhig auf dem Tresen ablegte, wirkte seltsam. Lautlos, aber zum Zupacken gespannt. Wie eine Katze, dachte sie spontan.
„Nein, natürlich nicht.“ Mit einer hastigen Bewegung schob sie ihm den Meldebogen vor und reichte ihm einen Stift dazu. „Selbstverständlich ist alles für Sie vorbereitet, Herr Stadler. Eine Woche, mit Nutzung des Wellness-Bereichs, Zimmer 314, bitte sehr. Ich bräuchte nur noch Ihre Daten.“
„Bitte!“ Mit den Fingerspitzen schob er ihr seinen Paß zu und begann, den Meldebogen auszufüllen. Seine Paßnummer wußte er auswendig, das war ungewöhnlich. Er schrieb schnell und flüssig, druckte alles in Kapitälchen, wie sie aus den Augenwinkeln heraus bemerkte, während sie seinen Reisepaß fotokopierte. Sehr regelmäßig sah das aus, beinahe wie aus der Maschine. Dann drehte er das Blatt zu ihr und legte den Stift darauf. Er berührt Dinge so spärlich, als ob sie heiß wären oder schmutzig, ging es ihr durch den Kopf. „Sie haben WLAN?“ fragte er.
„Aber ja. Selbstverständlich kostenlos.“
Sie richtete ihm seine Unterlagen, erklärte ihm die Tannau-Karte, die im Hotelpreis inbegriffen war und mit der er alle lokalen Seilbahnen, diverse Museen und das Hallenbad der Nachbargemeinde nutzen konnte, nannte ihm die Öffnungs- und Dienstzeiten, wies ihn etwas zu demonstrativ auf die Parkmöglichkeiten am Hotel hin – sein Wagen stand direkt vorm Eingang – und überreichte ihm die Schlüssel. Herr Stadler hörte aufmerksam zu, aber ihr fiel auf, wie reglos er dabei stand. Anders als es die Gäste normalerweise taten, spielte er während ihrer Ausführungen nicht mit den Unterlagen, schaute sich nicht um, tat überhaupt so, als wären Bewegungen oder Gesten zu kostbar, um sie zu verschwenden. Ohne den Kopf zu bewegen, wechselte sein Blick abwechselnd zwischen ihrem Gesicht und den Händen, mit denen sie ihm alles darlegte. Nach seinem Paß war er gerade fünfzig Jahre alt.
Mit einem einfachen „Ich danke Ihnen, Gnä’Frau!“ und ohne ein Lächeln oder eine sonstige Gefühlsregung zu verraten, nahm er schließlich alles an sich. Eine einzige flüssige Bewegung seiner Hände. Sie sah keinen Ehering daran. „Ich parke den Wagen später.“ Damit hob er seine Tasche auf und ging zum Treppenhaus. Man hört ihn nicht, dachte sie. Wie macht er das bloß. Aber da war er schon um die Ecke verschwunden.
„Seltsamer Mensch,“ sagte Kathrin aus der Bürotür, von wo sie die ganze Zeit zugesehen hatte. „Irgendwie schräg. Aber auch irgendwie sexy, muß ich schon sagen.“
„Kathrin!“ tadelte sie ihre Mutter.
„Ach, tu doch nicht so. Dir würde es auch mal wieder gut tun, wenn dich einer flachlegt.“ Auf ihren hochhackigen Schuhen tänzelte sie um den Schreibtisch herum und blieb neben ihrer Mutter stehen. Sie hatte sie mit dieser Bemerkung provozieren wollen, aber Marianne sagte nichts, sondern schaute nur nachdenklich aus dem Fenster auf den Vorplatz. „Oder hast du etwa …?“ fragte Kathrin vergnügt und schubste ihre Mutter.
„Ach, laß mich!“ Mit einer ärgerlichen Geste schob sie ihre Tochter zur Seite. „Mir ist gerade wirklich nicht nach kindischem Geschwätz.“ Es klang gallig, wie sie das sagte.
„Ooooh!“ machte Kathrin geziert und rollte neugierig die Augen: „Kenne ich ihn etwa?“
Und ob du ihn kennst, dachte Marianne.
„Du machst vielleicht ein Gesicht - war wohl nicht so toll, was?“
Ganz und gar nicht war es das. Eine Pleite war’s. Einfach nur eine peinliche Pleite. Mit einer ärgerlichen Geste warf sich Marianne das Haar aus dem Gesicht und setzte sich an den Schreibtisch. „Sieh zu, daß die Zimmer gemacht werden. Und heute bitte bevor es die Zehn durch ist.“
Kathrin stöhnte. „Oh Mann, wie geil!“
„Laß Elsa nicht alles alleine machen. Die Zimmer sind dein Job. Ist doch nur noch für zwei Wochen,“ fügte sie hinzu.
„Oui, Madame!“ Kathrin spielte das Dienstmädchen. Sie machte einen graziösen Knicks und wandte sich zum Gehen. Aber ihre Mutter reagierte nicht. Sie starrte nur auf den Bildschirm vor ihr, als ob es dahinter noch etwas anderes zu sehen gäbe als einen Zimmerbelegungsplan. Kathrin zuckte mit den Schultern, seufzte und ging davon, um die Zimmer zu richten.
Nein, Marianne hatte es sich anders vorgestellt. Nach Max hatte sie zwar ein paar flüchtige Affären gehabt, aber da war es ihr nicht um Sex gegangen. Da hatte sie nur einfach nochmal jemanden in ihrer Nähe spüren wollen. Mit Walter dagegen … Er hatte ihr vom ersten Moment an gefallen. Mit ihm könnte es vielleicht mehr werden, hatte sie gehofft. Und er war schön. Er war ein schöner Mann, und sie begehrte ihn. Nach drei Jahren begehrte sie zum ersten Mal wieder einen Mann. Sie hatte ihn beim Tennis getroffen. Ein Mann, der sein Geld ohne weiteres auch als Model verdienen könnte. Doch er war Buchhalter. Finanzdirektor eines Freizeitunternehmens, wie er sagte. Groß war er, dunkle Haare, blaue Augen, athletisch und durchtrainiert, mit breiten Schultern und einem echten Sixpack am Bauch. Ein Lächeln wie ein Filmstar. Und einen hinreißenden Dreitagebart. Für eine Saison würde er hier in Hoch-Tannau bleiben, für irgendein Projekt seines Chefs.
Er hatte einen Gegner beim Tennis gesucht – und sie hatte ihn geschlagen. Das hatte ihr gefallen: Sie schlug ihn zu Null beim Tennis, und er lächelte, blieb höflich und charmant, bewahrte Haltung. So ging das mehrere Male. Und gestern – gestern hatte er sie vor dem Spiel auf etwas zu trinken eingeladen. Und während sie bei Bitter-Lemon und Mineralwasser zusammen saßen, begann er ganz unverhohlen, mit ihr zu flirten. Natürlich hatte ihr das geschmeichelt. Immerhin war er um einiges jünger als sie, vielleicht Mitte dreißig, und sie war schon vierundvierzig. Und dann machte er aus heiterem Himmel diesen seltsamen Vorschlag mit der Wette.
„Welcher Teufel hat mich geritten, darauf einzugehen?“ fragte sie sich laut und schüttelte den Kopf. Ein Match über drei Sätze, und der Gewinner würde mit dem Verlierer einen ganzen Abend lang machen können, was immer er wollte. Sein Eine-Million-Dollar-Lächeln hatte sie entwaffnet, und sie hatte eingewilligt. Was konnte schon passieren? Die Vorstellung, einen Abend lang mit diesem Adonis machen zu können, wonach immer ihr der Sinn stand, hatte ihr gefallen. Es hatte ihr geschmeichelt, daß er sich ihr so ausliefern wollte. Schließlich würde sie ihn auch heute wieder in Grund und Boden spielen, soviel war klar.
Doch auf dem Platz hatte sie schon nach wenigen Aufschlägen gemerkt, wie verbissen er versuchte, das Match zu gewinnen. Eigentlich hatte er keine Chance, sie zu schlagen; seine Technik war nicht gut genug. Aber er lief nach jedem noch so hoffnungslosen Ball, und es war unverkennbar, daß er dieses Spiel um jeden Preis für sich entscheiden wollte. Begehrte er sie so sehr? Wollte er sie so sehr für einen Abend als gefügige Gespielin gewinnen? Auch der Gedanke hatte ihrem Ego gefallen.
„Welcher Teufel hat mich geritten, darauf einzugehen?“ fragte sie sich erneut und vergrub das Gesicht in ihren Händen. Mitten im zweiten Satz hatte sie dann aus einer Laune heraus beschlossen, absichtlich zu verlieren. Am Ende war es ja nur ein Spiel, und es gefiel ihr, daß ein so schöner und attraktiver Mann sie so unbedingt erobern wollte. Schließlich hatte er das Match mit zwei zu eins nach Sätzen gewonnen. Für einen kurzen Moment glaubte sie, in seinem Gesicht Erleichterung zu sehen, und nicht den Triumph oder die Freude, mit der sie gerechnet hätte. Doch es währte nur einen Augenblick: Da war es wieder, dieses unwiderstehliche Eine-Million-Dollar-Lächeln. Und doch klang es fast ein wenig schüchtern, als er sie am Netz gefragt hatte: „Heute abend gehören Sie mir?“ Und sie hatte das Schulmädchen gespielt, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, und mit kokettem Augenaufschlag bejaht. „Wie versprochen: Heute Abend werde ich ganz brav sein und Sie dürfen alles mit mir tun, was Sie wollen.“
Er war bezaubernd gewesen, galant, charmant, durch und durch Kavalier der alten Schule. Den ganzen Abend hindurch hatte er sie hofiert, als er sie in die Glocke in Nieder-Tannau zum Essen ausführte. Ein sehr nobles Restaurant. Er hatte noch nicht einmal dulden wollen, daß sie auch nur das Wort an den Ober richtete; das sei seine Sache, schließlich gehöre sie heute abend ihm allein. Und sie hatte sich diese ritterliche Entmündigung nur zu gerne gefallen lassen, hatte sich in seiner Gesellschaft mehr und mehr entspannt und sich schließlich fallenlassen. Er hatte ihr die Wagentür offen gehalten. Sie war ihm auf sein Zimmer gefolgt. Dort hatte er sie nach allen Regeln der Kunst verführt. Nach drei Jahren hatte sie zum ersten Mal wieder einen Höhepunkt gehabt, den sie sich nicht selbst beigebracht hatte. Unter seinen kundigen Händen war sie buchstäblich zerflossen.
„Ich möchte, daß du etwas nur für mich tust,“ hatte er dann schüchtern gefragt. „Schließlich gehörst du ja mir für heute abend?“ Und sie hatte ihn beseelt angelächelt und genickt. „Bitte erschrecke nicht, aber ich möchte das wirklich sehr gerne …“ Er hatte so verlegen gewirkt wie ein Pennäler beim ersten Kuß.
„Was immer du willst,“ sie hatte zärtlich seine Schultern geküßt. „Alles, was du willst – so war die Vereinbarung.“
Und dann hatte Walter wie aus dem Nichts ein Halsband hervorgezaubert. Ein veritables Hundehalsband aus schwarzem Leder mit einem Ring daran, um eine Führleine einzuhängen. „Würdest du das bitte für mich tragen?“ Er schaute sie an, und in seinem Blick lag ein schmerzliches Flehen.
Sie schluckte, fühlte wie ihr Herz schneller schlug. Das war wirklich unerhört. Und zugleich fühlte sie das Schmelzen in ihrem Unterleib, das er sie an diesem Abend schon mehrfach hatte spüren lassen. Also nickte sie, und lies sich von ihm das Band um den Hals legen. Es fühlte sich warm an, roch nach rohem Leder, erinnerte sie an den Geruch der Sattelkammer. Walter stand auf, ging zum Nachttisch, öffnete die Schublade und zog eine starke Leine hervor, auch sie aus schwarzem Leder. Widerspruchslos ließ sie zu, daß er sie anleinte und durch sanften Zug dazu brachte, erst vom Bett aufzustehen, vor ihn zu treten und dann auf dem weichen Teppich niederzuknien. Es war klar, was er von ihr wollte. Sein hoch aufragendes Geschlecht verriet es ihr überdeutlich.
Und sie wollte es auch, war gierig darauf, ihn zu schmecken. Er hatte sie mit seiner Männlichkeit an diesem Abend schon mehrfach gepfählt, aber ohne in ihr zu kommen. Und sie wollte jetzt, daß er sich in ihr ergab, wollte ihn genauso in einem Höhepunkt zerfließen lassen, wie er es mehrere Male mit ihr getan hatte. Was schert mich diese Leine? Hauptsache, es törnt ihn an! So wie es mich antörnt, ihn zu blasen, daß die Engel neidisch werden. Und sie hatte ihn empfangen, als sei er ein leibhaftiger Gott, als sei er der Adonis der antiken Sage. Es war wie ein Rausch, der sie erfüllte. Sein Glied war groß, und sie liebte den Geschmack, genoß seine Wärme, die seidene Härte, wie es ihren Gaumen ausfüllte und wie seine Spitze sich immer wieder tief vorschob ihn ihren Rachen. Sie hörte sein Stöhnen, und es hatte sie noch mehr angespornt. Sie hatte seine Hand auf ihrem Kopf gespürt, in ihrem Haar, hatte zugelassen, daß er sie dirigierte. Sie war darauf gefaßt gewesen, daß er ihren Kopf halten und sie dazu nötigen würde, seinen heißen Samen zu schlucken. Sie wollte, daß er so in ihr kam, wollte ihn schmecken, wollte ihn fühlen lassen, wie sehr sie ihn begehrte.
Doch dann hatte er sich plötzlich zurückgezogen, ihren Kopf nach hinten gezwungen und eine Unmenge Sperma quer über ihr Gesicht gespritzt. Sie hatte zwar den Mund geöffnet gehalten, aber das war ihm offenbar egal gewesen. Und sie hatte sich von ihm verraten gefühlt. Betrogen um den Preis ihrer Hingabe. Kaum daß er gekommen war, hatte er die Leine achtlos fallen gelassen und war ohne ein Wort oder eine Geste ins Badezimmer verschwunden. Zuerst hatte sie noch auf Knien gewartet. Dann hatte sie die Dusche rauschen gehört. Sie war aufgestanden um nachzusehen. Tatsächlich: Er stand da und duschte. Ihre Blicke kreuzten sich, eine Frage lag in ihrem, doch nur Gleichgültigkeit in seinem. Nach ein paar Sekunden drehte er sich achtlos um zur Brause, wandte ihr den Rücken zu – nein, zeigte ihr die Schulter – nur um zuerst sein Gesicht und dann sein Gemächt einzuseifen.
Das war zuviel gewesen. Mit einiger Mühe hatte sie sich von diesem blöden Halsband befreit, war in ihre Kleider geschlüpft und hatte beinahe fluchtartig sein Zimmer verlassen. Sie war einem selbstverliebten Gecken auf den Leim gegangen. Ihm lag nichts an ihr. Er hatte sie erobert und benutzt, nun warf er sie weg.
Benutzt hatte sie sich gefühlt. Benutzt und gedemütigt. Aber was sie noch mehr beunruhigt hatte: Sie war zugleich erregt gewesen. Noch am selben Abend, gleich nachdem sie in ihre Wohnung zurückgekehrt war und geduscht hatte, war trotz aller Verbitterung die Lust in ihr erneut so übermächtig geworden, daß sie Hand an sich gelegt und sich Befriedigung verschafft hatte. Und nun ärgerten sie die Bilder, die sie dabei vor ihrem geistigen Auge gehabt hatte. Unerhörte Bilder von sich selbst, in Ketten, diesem wunderschönen Mann ausgeliefert. Diesem wunderschönen …
„Arschloch!“ sagte sie laut.
„Ich hoffe, du meinst damit nicht mich!“
Erschrocken schaute Marianne auf. Am Tresen stand Svenja, die Schwiegermutter ihrer Tochter. Max und Svenjas Mann waren engste Freunde gewesen seit Kindertagen. Und bis vor drei Jahren hatten auch die Ehefrauen der beiden ein gutes und inniges Verhältnis zueinander gepflegt. Bis zu jenem schlimmen Tag, als beide ihre Männer hatten beerdigen müssen. Und es noch auf dem Friedhof zu einer häßlichen Szene gekommen war.
„Obwohl, es würde zu dir passen. Vulgär warst du ja schon immer.“ Svenja stolzierte um den Tresen herum zum Schreibtisch und baute sich vor Marianne auf. Groß war sie, bestimmt einen Kopf größer als Marianne. Sie hatte schon immer ausgesehen wie aus der Penthouse geschlüpft: Strohblonde Mähne, trotzdem sie einige Jahre älter war als Marianne, dazu eine Figur wie eine Barbie-Puppe und Beine wie Tranchiermesser. In der Hand hielt sie eine Aktentasche. Sie hat sich offenbar doch den Busen vergrößern lassen, schoß es Marianne durch den Kopf. Und nennt mich vulgär.
„Hör zu,“ Marianne war ungehalten. „Wenn du wieder mal hier bist wegen der Ohrfeige – es tut mir leid! Es tut mir wirklich, wirklich leid, ich habe mich entschuldigt, aber ich habe offen gestanden keine Lust, das Thema nach drei Jahren noch …“
„Kein Mensch interessiert sich für deine Entschuldigungen,“ unterbrach sie Svenja. „Und worauf du Lust zu haben hast, Mädchen, wird sich noch zeigen!“
„Also gut.“ Marianne lehnte sich zurück. „Warum bist du hier?“
Svenja stolzierte an ihr vorbei zum Büro. „Komm mit!“ sagte sie knapp. „Ich habe dir etwas zu zeigen.“
Marianne fand Svenja vor ihrem Bürotisch stehend. „Bitte, nimm Platz!“ Sie wies ihr einen Stuhl. „Darf ich dir etwas anbieten?“
„Nein, danke, jetzt nicht. Bedienen wirst du mich heute abend.“
Marianne ließ sich in ihren Drehsessel nieder. „Ich denke nicht …“
„Denke nicht!“ unterbrach sie Svenja. „Und widersprich mir nicht!“ Und in den Moment hinein, in dem Marianne noch empört den Mund offen hatte, schob sie nach: „Beides steht dir nicht zu – nicht mehr. Sieh her!“ Aus ihrer Mappe zog sie ein paar Bögen Papier und warf sie vor Marianne auf den Tisch. „Sagt dir das etwas?“
Marianne rührte sich nicht und starrte Svenja bloß an.
„Nur zu! Schau es dir ruhig an. Weißt du, was das ist?“
Marianne griff nach den Papieren. Das waren Abrechnungen. Restaurations-Abrechnungen des Heumaderhofs für die Monate April bis Juni. Alle Tageseinnahmen, getrennt nach ‚registriert‘ und ‚frei‘, daneben alle Ausgaben, die einzelnen Position säuberlich aufgeführt, und zu den Beschaffungen jeweils vermerkt, wo sie getätigt wurden. Auch hier wieder getrennt nach ‚registriert‘ und ‚frei‘. Das waren die inoffiziellen Abrechnungen, die Kathrin regelmäßig machte. Die befanden sich nur in ihrer Wohnung, niemals im Büro. Aus guten Gründen.
„Wie … wie um alles in der Welt bist du … wie hast du …“
„Wie die in meine Hände gekommen sind? Oh – ich habe da meine Quellen.“ Svenja lächelte zuckersüß.
„Du hast … du bist in ihre Wohnung …“ Marianne rang nach Worten. „Du hast ihre Wohnung …“
Svenja lachte nur. „Stimmt, Mädchen. Gut erkannt. Wenn du deine nuttige Tochter schon unter meinem Dach leben läßt, solltest du wenigstens vorsichtig sein mit dem, was du ihr anvertraust. Aber ich habe noch mehr! Schau mal das hier!“ Wieder griff sie in ihre Aktentasche und zog Dokumente hervor. „Schau her, was ich hier noch Feines habe …“
Marianne nahm ihr die Unterlagen mit zitternden Händen ab.
„Richtig!“ jauchzte Svenja. „Deine Steuerunterlagen zur Restauration. Und du wirst es nicht glauben: Die Zahlen passen doch tatsächlich zusammen. Na ja,“ fügte sie mit geschürztem Mund hinzu. „Zumindest ein Teil der Zahlen paßt. Der Rest …“ Sie pfiff ein paar Töne und sah dabei gespielt zur Zimmerdecke.
„Wie …“ Marianne schluckte. „Wie kommst du an meine Steuerunterlagen?“
„Aber Mädchen, dreimal darfst du raten – ich kenne eben die richtigen Leute.“ Und leise fügte sie hinzu: „Du glaubst gar nicht, was man mit dem richtigen Versprechen zur richtigen Zeit erreichen kann.“
„Was für … was für ein Versprechen?“
„Das? Ooch, das wirst du dann schon früh genug merken. Du spielst nämlich eine Hauptrolle beim Einlösen.“ Svenja grinste boshaft.
„Ich? Beim Einlösen? Was einlösen?“ Marianne schüttelte verständnislos den Kopf.
„Darüber zerbrich dir mal nicht dein Köpfchen. Du weißt doch – nicht denken!“ Sie zwinkerte ihr zu.
Marianne versuchte, die Beherrschung wiederzugewinnen. „Aber Svenja, was willst du denn damit? Mal ehrlich – das macht doch jeder. Und das weiß auch jeder. Willst du mich etwa damit in Schwierigkeiten bringen?“
Svenja lachte hell auf. „Damit? Nein, doch nicht damit. Jedenfalls nicht nur damit. Schau mal, was ich hier noch habe …“ Wieder griff sie in ihre Aktentasche. „Das sind Bauabrechnungen von der Renovierung deines …“ Sie zupfte sich geziert an der Bluse. „Wellness-Bereichs.“ Spöttisch fügte sie hinzu: „Was du in deinem … Etablissement halt so unter Wellness verstehst.“
Ungläubig studierte Marianne die Unterlagen. Wie um alles in der Welt hatte Svenja das alles in die Hände bekommen?
„Handwerkerabrechnungen, Materialkosten – alles da. Dazu deine Bankunterlagen mit den Überweisungen dazu. Und dann noch der Subventionsantrag beim BMWFJ. Von dir höchst selbst unterschrieben. Und da sind doch tatsächlich ganz andere Rechnungen beigefügt.“ Svenja stützte sich mit beiden Händen auf den Schreibtisch und spitzte die Lippen. „Da warst du aber ein ganz unartiges Mädchen, du! Das ist ja Subventionsbetrug …“
Marianne lief es eiskalt über den Rücken. In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken viel zu schnell, als das sie hätte klar denken können. Wenn diese Papier in die falschen Hände gerieten, dann … ja dann …
„Was … was willst du von mir, Svenja?“ Sie holte tief Luft. „Willst du mich erpressen? Mit … mit dem hier? Diese Kosmetik betreibt doch jeder.“ Sie überlegte kurz und glaubte einen Weg gefunden zu haben, wieder die Oberhand zu gewinnen. Betont lässig lehnte sie sich zurück in ihren Chefsessel, warf die Unterlagen scheinbar achtlos auf den Tisch und schlug die Beine übereinander. „Gesetzt den Fall, du hetzt mir die Steuer auf den Hals. Die prüfen doch als erstes alle Handwerker und auch die Märkte, in denen ich die Sachen kaufe, die am Register vorbeigehen. Du kaufst dort übrigens auch …,“ fügte sie hinzu, und sie sprach dabei langsam und leise. „Ich bräuchte dort nur ein einziges Wort zu sagen, wer uns den Ärger eingebrockt hat. Du würdest uns beide in Schwierigkeiten bringen. Und eine ganze Reihe weiterer Unternehmer im Tal dazu. Danach würde dir doch keiner mehr auch nur einen tropfenden Wasserhahn richten. Ist es das, was du willst?“
Svenja lachte amüsiert. Sie begann, langsam vor dem Schreibtisch auf und abzugehen. Dabei spielte sie versonnen mit einem Ohrgehänge. „Es stimmt, was du sagst. Anfangs hatte ich tatsächlich vor, dir mit den Unterlagen Ärger zu bereiten. Aber glaubst du etwa, ich wäre so dumm, dir in dem Fall unter die Nase zu reiben, wer dich angeschwärzt hat?“ Sie baute sich vor dem Schreibtisch auf und blitzte Marianne an. „Nein, Mädchen, so billig kommst du mir nicht davon. Mit dir habe ich etwas ganz besonderes vor.“ Sie sprach leise und drohend. „Eine Lektion, die du dein Leben lang nicht mehr vergessen wirst. Und weißt du, wer mich darauf gebracht hat?“ Doch sie wartete die Frage gar nicht erst ab. „Da kommst du von selbst ja doch nie drauf. Hier!“ Sie griff erneut in ihre Aktenmappe. Mit triumphierender Geste zog sie eine DVD-Hülle hervor. „Hier habe ich etwas Nettes, etwas wirklich Nettes! Sehr anregend!“ Sie zwinkerte und warf die Hülle vor Marianne auf den Schreibtisch. Dann richtete sie sich auf. Das Lächeln war von ihrem Gesicht verschwunden. Streng wirkte sie auf einmal, herrisch und unnahbar.
„Du wirst dir das anschauen. Heute abend um Punkt neun Uhr erwartest du mich. Welches ist dein bestes Zimmer?“
„312 …,“ antwortete Marianne mechanisch und viel zu verblüfft, um anders reagieren zu können.
„Gut, dann 312. Punkt neun Uhr. Du wirst ein paar Canapés richten und wirst mir Champagner servieren. Aber einen ordentlichen! Sei lieber nicht billig mit mir. Und dann, mein Täubchen, werden wir beide uns mal ernsthaft über deine Vergangenheit unterhalten.“ Mit maliziösem Lächeln fügte sie leise hinzu: „Und über deine Zukunft. Deine sehr konkrete Zukunft.“ Kaum daß sie ausgeredet hatte, machte sie auf dem Absatz kehrt und ließ eine völlig überrumpelte Marianne im Büro zurück.
Mit einem unguten Gefühl nahm Marianne die DVD-Hülle. Eine silberne Scheibe, ohne Beschriftung. Mit einem Mal verspürte sie Angst. Ein Gefühl ähnlich dem, wie sie es von den Prüfungen während ihrer Ausbildung kannte. Ein seltsames, schmelzendes Gefühl im Unterleib, während der Moment, vor dem man sich fürchtet, unausweichlich näher rückt. Ihre Hände waren kalt, und der Puls ging schnell. Sie wurde erpreßt, so etwas hatte sie noch nie erlebt. Was hatte Svenja vor? Warum tat sie das? Und – was war auf dieser DVD? Das Kribbeln im Bauch verstärkte sich. Schließlich gab sie sich einen Ruck, drehte den Sessel um ging zu dem Fernseher, der im Büro stand. Normalerweise um sich auf den Nachtwachen die Langeweile zu vertreiben. Mit klopfendem Herzen ließ sie die Scheibe in das Abspielgerät gleiten.
Auf dem Bett liegt eine Frau, nackt bis auf ein Halsband. Aus dem Off kommt ein Mann. In der Hand hält er eine Hundeleine. Er hakt sie ein in das Halsband der Frau. Sie küßt seine Hände. Man hört nichts, der Film ist ohne Ton. Der Mann zieht an der Leine. Die Frau folgt dem Zug, erhebt sich, steigt vom Bett. Er zieht sie näher zu sich, näher zur Kamera. Man sieht die beiden nur von den Knien bis zur Brust. Er zwingt sie durch Zug an der Leine, vor ihm niederzuknien. Sie schaut ergeben zu ihm auf, küßt sein hoch aufgerichtetes Glied, führt die geöffneten Lippen an seine Eichel und läßt das Glied langsam in ihren Mund gleiten. Sie beginnt, ihn zu blasen. Zuerst langsam, flach, dann immer tiefer. Er faßt in ihr Haar, zwingt ihr seinen Penis immer tiefer in den Hals. Tränen steigen ihr in die Augen, die Adern an ihrem Hals treten hervor. Doch sie läßt nicht von ihm ab. Zwischendurch blickt sie auf zu ihm, so als suche sie sein Gesicht. Ihr Blick ist voller Hingabe, ergeben, lüstern, unterwürfig. Er stößt immer heftiger in ihren Mund, führt ihren Kopf mit starker Hand. Sie kämpft mit der Größe seines Geschlechts, doch sie läßt es zu, wie er in ihren Mund stößt, wie er ihr Gesicht pfählt. Plötzlich reißt er sie zurück, weg von seinem zuckenden Glied, hält das Gesicht der Frau in die Kamera – und spritzt seinen Samen darüber, immer und immer wieder. Sie hält den Mund geöffnet, versucht, die Ladungen zu erhaschen, die sich über ihr Gesicht verteilen. Doch er läßt es nicht zu. Er läßt die Leine fallen und geht ins Off. Marianne bleibt zurück. In ihren Augen steht Enttäuschung.
Schnitt.
Atemlos starrte Marianne auf den Monitor. Scham stieg in ihr hoch. Eine trockene Hitze befiel ihr Gesicht. Und doch war der Schweiß auf ihrer Stirn kalt. Ihr Verstand hatte aufgehört zu arbeiten, während sie die Bilder sah. Kein Gedanke, der ihr durch den Kopf ging, noch nicht einmal Panik, die sie befiel – einfach nur gar nichts. Die Gedanken standen einfach still. Da war nur Scham. Und Wut, hilflose Wut. Vor ihren Augen flimmerte es, das Büro erschien ihr nicht real und ganz weit weg.
„Entschuldigen Sie bitte!“
Wie durch einen Nebel drang die Stimme zu ihr vor. Sie sprang auf, wirbelte herum, die Fernbedienung fiel zu Boden. Fassungslos starrte sie auf den Mann in der Tür.
„Entschuldigen Sie bitte!“ wiederholte er ruhig. „Ich hatte nicht die Absicht, Sie zu erschrecken.“
„Das ist … das … Büro,“ stammelte sie. Sie machte einen Schritt auf ihn zu und trat dabei auf die Fernbedienung. Sie bückte sich, hob sie auf, legte sie auf den Rand des Sessels, von wo sie gleich wieder zu Boden fiel. Sie richtete sich auf, hielt eine Hand vor ihre Stirn, drückte dagegen. Ein heftiges Zittern durchlief sie.
„Ich weiß. Ich hatte mehrfach gerufen.“ Er stand immer noch reglos in der Tür und betrachtete sie.
„Wie lange sind Sie … haben Sie …“ Mit schreckgeweiteten Augen sah sie ihn an.
„Ihr WLAN möchte ein Paßwort,“ entgegnete er ruhig.
Marianne stand da wie festgewachsen.
„Das Paßwort?“ hakte er leise nach.
Sie schüttelte den Kopf und machte einen Schritt auf ihn zu. „Wenn sie das WLAN nutzen möchten … Sie brauchen … Sie brauchen dazu ein Paßwort,“ sagte sie kopflos.
„Richtig.“ Er rührte sich nicht.
„Ich … ich komme!“
Wortlos drehte er sich um und ging aus der Tür. Sie folgte ihm. Mit fahrigen Bewegungen kramte sie den Codegenerator vor. Sie zog eine Schublade auf, stierte einen kurzen Moment auf die verstreuten Dinge darin, schloß sie wieder. „Ich weiß nicht … ich … die …,“ stammelte sie.
„Sie schalten das Gerät ein, geben ihren Master-Key ein, berechnen mir eine Woche, und das Gerät druckt den Code,“ sagte er ruhig. „Solange der Betrag nicht nächste Woche auf der Rechnung erscheint, ist alles in Ordnung.“
„Ja, sicher doch … ich weiß … bitte … Entschuldigen Sie …“ Mit zitternden Händen gab sie ihr Geburtsjahr ein, das war der Master-Key. „Bitte … den Betrag, den … Sie brauchen das nicht zu bezahlen … WLAN ist … es ist selbstverständlich kostenlos.“ Als sie ihm den Zettel mit den Zugangsdaten reichte, mußte sie sich am Tresen festhalten. Sie sah ihn fragend an. „Wie lange … haben Sie etwas …“ Die Frage blieb ungestellt.
Sein Gesicht zeigte keine Regung. Aber er sah ihr für ein paar Sekunden in die Augen, als denke er intensiv nach. Dann machte er kehrt und ging davon. „Verbindlichen Dank,“ sagte er, schon im Gehen, mit der gleichen, ruhigen Stimme wie sonst auch.
Hilflos sank Marianne auf den Stuhl am Schreibtisch und starrte durch den Monitor mit dem Zimmerbelegungsplan hindurch. Ich muß die DVD aus dem Gerät nehmen und verstecken, ging es ihr durch den Kopf. Doch sie fühlte sich wie gelähmt. Es gab nichts, was sie tun konnte. Käme dieser Film an die Öffentlichkeit – sie wäre augenblicklich vernichtet. Das Gespött der ganzen Au. Und mit ihr die Familie, der Betrieb, ihre Tochter. Kathrin! Tränen schossen ihr in die Augen. Tränen der Enttäuschung und der Wut. „Du verlogenes Schwein,“ rief sie leise. „Du hast mich nicht benutzt, du hast mich hintergangen.“ Ein bleierner Druck legte sich auf ihre Brust. Sie war Svenja ausgeliefert. Damit war sie erpreßbar. Dagegen waren die anderen Dinge wirklich nur Kinderkram. Damit konnte Svenja sie sehr wohl vernichten. Marianne war ihr wehrlos ausgeliefert. Was konnte sie tun? Mühsam richtete sie sich auf und nahm schwankend den Weg ins Büro. Sie wiederstand der Versuchung, die DVD gleich noch einmal abzuspielen, nahm statt dessen die Scheibe aus dem Schacht und stand plötzlich ratlos da. Schon die einfache Frage, ob sie die Scheibe zuerst in die Hülle tun oder die Fernbedienung aufheben sollte, überforderte in dieser Minute ihren Verstand. Was konnte sie tun?
Nichts!
Die Erkenntnis schnürte ihr die Kehle zu. Sie konnte nichts tun. „Reiß dich zusammen!“ schalt sie sich laut. Wie in Trance beobachtete sie ihre Hände, wie sie die Fernbedienung aufhoben und auf den Tisch legten, die DVD in die Hülle schoben, die Kombination des Safes wählten und das schändliche Dokument erst einmal wegschlossen. Es sind die gleichen Hände, die in der Aufnahme sein Glied umfaßten, dachte sie, und der Gedanke versetzte ihr einen Stich. Sie war in dem Moment so verliebt gewesen in diesen schönen, starken Mann – wie hatte er ihr das bloß antun können? Kopfschüttelnd sank sie auf den Stuhl, vergrub ihr Gesicht in Händen und begann zu weinen. Leise, damenhaft weinte sie. Oh Gott, was kann ich nur tun? Eine tiefe Verzweiflung bemächtigte sich ihrer. Sie konnte nichts tun. Sie würde gehorchen müssen und Svenja um neun Uhr empfangen. Mit Canapés und Champagner, so wie sie es verlangt hatte. Dann würde sie abwarten müssen, wie Svenja über sie entschied. Allein die Vorstellung war bereits entwürdigend. In ihrem Unterleib spürte sie die Angst. Das war keine Prüfung, das würde ein Urteil werden.
„Mama, was ist denn passiert?“ Marianne schaute auf und in das besorgte Gesicht ihrer Tochter. Mit einer raschen Bewegung strich sie sich die Tränen von den Wangen.
„Nichts … es ist … nichts!“ sagte sie stockend und versuchte ein Lächeln.
„Komm, mach mir doch nichts vor. Irgendwas ist passiert.“
Aber Marianne schüttelte nur den Kopf. Was hätte sie ihrer Tochter sagen sollen? Deine Mutter wird erpreßt mit einem Video, auf dem sie angeleint einem Mann einen bläst?
Sie schüttelte den Kopf. „Es ist nichts. Laß mich bitte.“
Aber so schnell wollte Kathrin nicht aufgeben. Sie ging vor ihrer Mutter in die Hocke, nahm deren Hand und schaute zu ihr auf. „Hat er dich … verletzt?“ fragte sie besorgt?
„Nein, nein!“ Marianne sah zu dem schwarzen Bildschirm. „Nein, das ist es nicht.“ Doch, das hat er. Verletzt und enttäuscht hat er mich. Verraten. Und dort habe ich es mitansehen müssen.
„Mama! Bitte, nun sag doch!“
Marianne schüttelte nur den Kopf. „Laß nur Kathrin, ich komme damit schon klar.“ Wenn ich nur wüßte, wie.
„Sind die Zimmer gemacht?“ Sie holte tief Luft und versuchte, sich zu konzentrieren.
„Aber ja doch – Mama, bitte!“
„Nein, Kathrin. Laß mich bitte. Ich regele das. Wir müssen uns um die Gäste kümmern. Die Wäsche muß weg. Und das Mittagessen muß gerichtet werden.“ Sie stand auf und verließ das Büro. „Nun komm schon, Kathrin!“ rief sie ungehalten von draußen.
Kathrin schüttelte ungläubig den Kopf und seufzte. So kannte sie ihre Mutter nicht. Irgend etwas war passiert. Und es mußte etwas ziemlich Schlimmes gewesen sein, so wie es sie mitgenommen hatte. Nachdenklich folgte sie ihrer Mutter.
Den Rest des Vormittags erlebte Marianne wie unter einer Glasglocke. Einerseits funktionierte sie wie immer. So wie sie die letzten drei Jahre zu funktionieren gelernt hatte. Sie wies das Küchenpersonal an und die Bedienungen, kümmerte sich darum, daß die Wäsche verpackt war zum Abholen, und erledigte zwischendurch immer wieder Schreibkram. Aber an diesem Tag war es, als wäre sie zwei Personen: Einerseits die geübte Chefin eines mittelständischen Familienhotels, andererseits kreisten ihre Gedanken unablässig um eine einzige Frage. Was konnte sie tun? Unablässig schaute sie auf die Uhr und rechnete die Stunden aus, die sie noch würde warten müssen. Doch gerade heute krochen die Zeiger mit bleigrauer Langsamkeit über das Ziffernblatt. Es war zermürbend, so wenig tun zu können.
Endlich war Mittag, das Restaurant füllte sich mit den Gästen zum Mittagstisch. Sie nahm die Bestellungen auf, brachte die Getränke, und Elsa servierte das Tagesmenu. Die übliche Betriebsamkeit des Mittagsgeschäfts lenkte sie endlich ein wenig von ihren schweren Gedanken ab. Es gelang ihr sogar dann und wann ein Lächeln, wenn sie kurz mit den Gästen plauderte.
„Servus, Frau Marianne,“ hörte sie es hinter sich.
„Ja Grüß Gott, der Herr Bürgermeister! Wie üblich?“ Sie begrüßte ihn mit Handschlag und geleitete ihn untergehakt an seinen angestammten Platz.
„Was haben Sie denn heute Leckeres für uns gekocht?“ fragte er und ließ sich schwerfällig auf die Bank nieder. Josef Steiner hatte einen gestandenen Bauch. Er war ein Gemütsmensch, der die Behaglichkeit liebte. Anzug und Krawatte, seine Amtskleidung, paßten eigentlich gar nicht zu ihm.
„Wir haben heute ein Hirschgulasch mit Preiselbeeren und Spätzle, oder einen pochierten Pangasius mit Petersilienkartoffeln, oder Kasspatzen mit Zwiebeln.“
„Ach je,“ Josef Steiner wog bedächtig den Kopf. „Pangasius … nicht gerade ein überwältigender Fisch …“
„Tja,“ Marianne lächelte ihn an und hob die Schultern. „So sind die Zeiten. Man muß schau’n, wo man bleibt!“
„Ich weiß, ich weiß.“ Er winkte ab. „Die Gemeinde ist auch mal wieder dermaßen klamm,“ brummelte er und besah sich dabei die Tageskarte. „Diese Grödeljochbahn,“ schimpfte er mißmutig, „eine einzige vermaledeite Schnapsidee!“ Er legte die Karte beiseite. „Bringen’s mir doch bitt’schön das Hirschgulasch und ein alkoholfreies Weizen.“ Er lächelte sie an. „Und dann setzten Sie sich einen Moment zu mir her, ja?“
„Aber sicher doch,“ sagte sie lächelnd und eilte zur Theke.
„So, bitte sehr, ein alkoholfreies Weizen. Wohl bekomm’s!“
„Aaah, recht vielen Dank! Da, setzen’s eahne hea!“ Er wies ihr den Platz neben sich auf der Bank und nahm ihre Hand. „Wie geht’s Ihnen heut‘, liebe Frau Marianne?“ fragte er. „Sie schau‘n mir doch ned bedrückt aus?“
Marianne durchfuhr es wie ein Stich. Für eine Sekunde konnte sie an nichts anderes mehr denken als an Svenja, an heute abend. Doch sie nahm sich zusammen, lächelte ihn an und atmete tief durch. „Ja mei, die Zeiten sind halt wie sie sind. Der Umsatz heuer …“ Schicksalsergeben hob sie die Schultern.
„Ich weiß, was Sie meinen. Alle Wirtsleut klagen. Die Sommersaison war gar nicht gut, mit der Krise und dann auch noch all dem Regen.“ Er rieb sich das Kinn.
„Und wie schaut’s bei Ihnen aus, Josef? Was macht die Firma?“ Josef Steiner war zugleich der Inhaber des größten Bauunternehmens in der Au.
„Ach Gott … die Firma …“ Er winkte ab und nahm einen Schluck Weizenbier. „Wenn’s nur die Firma wäre … die wäre mein geringstes Problem.“
„Die Anneliese?“ fragte Marianne leise und mit besorgter Miene.
Josef Steiner nickte traurig in sein Bier. „Die Anneliese!“ bestätigte er mit einem bitteren Zug um den Mund. Er stellte das Glas ab. „Die Anneliese,“ sagte er leise, nickte mehrmals und schob seinen Kopf dann ganz nah zu ihr, „die ist in Kitzbühl, verjuxt mein Geld mit irgendwelchen Gigolos, und ich renne durchs Dorf mit einem Geweih, so groß wie ein Kronleuchter.“ Er tippte sich mit einem vielsagenden Blick an die Stirn, lachte dabei leise und bitter, ließ schließlich den Kopf hängen und schaute sie von der Seite an. „Und jeder weiß es! Jeder!“
„Oh je!“ Marianne überlegte, was sie ihm sagen sollte. „Josef, lassen Sie den Kopf nicht hängen. Wer weiß …“
Er richtete sich abrupt auf. „Ich weiß,“ sagte er bestimmt. „Die Sache wird beendet. Es hat ja doch keinen Sinn.“ Er überlegte einen Moment. „Sie war halt viel zu jung für mich.“ Als er sie ansah, lag Wehmut in seinem Blick.
„Ach Marianne,“ seufzte er, „warum erlauben Sie mir nicht, Sie ein einziges Mal zum Essen auszuführen? Oder in die Oper? Ich habe Sie schon so oft darum gefragt.“
Doch Marianne schaute ihn nur an, schüttelte sanft den Kopf und lächelte dabei mild. „Nein, Josef,“ sagte sie. „Sie wissen doch, ich schätze Sie wirklich sehr. Aber mehr …“ Sie legte behutsam seine Hand zurück auf den Tisch und deckte sie mir ihrer. „Mehr is‘ halt ned!“
„Schade, schade!“ Josef Steiner nickte und seufzte dabei schicksalsergeben. „Hach … ich weiß ja … ich weiß ja … und da kommt auch schon die Elsa mit dem Essen!“
Marianne sprang auf. „Trotzdem – lassen Sie’s sich schmecken.“ Sie lächelte ihn an und wandte sich zum Gehen. Er schaute ihr versonnen nach, und sein Blick ruhte auf ihren Hüften. Wofür ihn Elsas hellwache Augen sogleich tadelnd anblitzten.
Marianne mochte ihn, auch wenn er sich in der Ratssitzung zuweilen sehr aufbrausend und herrisch aufführte. Aber er war ein guter Bürgermeister, der sich für die Hotellerie und die vielen anderen Tourismus-Betriebe einsetzte, wo er nur konnte. Und er tat es mit erstaunlichem Geschick. Daß seine späte Ehe mit der viel jüngeren Frau nur so kurz gehalten hatte, tat ihr leid für ihn. Auch wenn damals jeder in der Gemeinde wußte, daß dieses junge Ding den alten Hirsch nur wegen seines Geldes heiratete. Jeder – außer ihm offenbar. Auch daß er ihr immer wieder Avancen machte, nahm Marianne ihm nicht übel. Sie wußte, daß er schon lange ein Auge auf sie geworfen hatte. Doch so gepflegt er sich gehalten hatte, trotzdem er bis Mitte fünfzig Junggeselle geblieben war und davon zwanzig Jahre allein gelebt hatte, so gepflegt und diszipliniert benahm er sich auch ihr gegenüber. Sie wollte ihn nicht, und er verstand es, auch einen Korb mit Charme zu respektieren. Er war ihr deshalb niemals gram geworden.
Der Nachmittag zog sich dann wieder schier endlos hin, und Marianne fühlte sich zunehmend elender. Zur Kaffeezeit kamen nur die acht Gäste – Kaffee und Kuchen waren immerhin im Übernachtungspreis inbegriffen. Doch die waren schnell bedient, und irgendwann hatte Marianne so viele Runden durch das Hotel gemacht, daß es auffiel. Sie schüttete an der Theke vor lauter Nervosität ein Mineralwasser nach dem anderen in sich hinein und mußte in Folge dauernd zur Toilette. Ihre Hände waren kalt und Angst kroch in ihrem Leib. Doch sie konnte nichts tun. Was normalerweise ein ruhiger Nachmittag gewesen wäre, mit ein wenig Büroarbeit, einem guten Buch oder auch einer Siesta zwischendurch, wurde so für sie zu einem bleiernen Alptraum.
Um acht Uhr, das Abendessen war beinahe vorüber und Kathrin hatte schon für den Abend die Theke in der Gastwirtschaft eröffnet, bat sie die Köchin, noch schnell vor ihrem Feierabend ein Dutzend Canapés zu richten. Als sie gleich darauf mit den Häppchen und einer Flasche Ruinart Blanc de Blancs zu Theke kam und Kathrin bat, ihr einen Kühler und zwei Gläser zu richten, rollte diese groß die Augen.
„Oh, ist da eine Versöhnung angesagt? Oder wird das eine Verführung?“ fragte sie schmunzelnd und lachte. War aber sogleich ernüchtert über das knapp und ernst vorgebrachte „Weder, noch! Und jetzt mach gefälligst und richte mir die Sachen!“ ihrer Mutter.
Marianne ging noch rasch in ihre Wohnung und zog sich um. Sie wollte Svenja nicht im Dirndl begegnen, sondern wählte Freizeitbekleidung. Jeans und Bluse. Dann eilte sie nach oben. Im dritten Stock angekommen lugte sie vorsichtig in den Flur. Jetzt einem Gast begegnen wollte sie auf keinen Fall. Zweiter und dritter Stock waren eigentlich nicht mehr belegt – bis auf diesen seltsamen Herrn Stadler, der ausdrücklich darauf bestanden hatte, im obersten Stock zu wohnen. Mit Blick über das Tal, wie er sagte. Mit dem Generalschlüssel verschaffte sie sich Zugang zu ihrem besten Zimmer. Sie betrat den Durchgang mit dem großen Kleiderschrank zur Linken, und rechts, getrennt voneinander, Bad und Toilette. Das überaus geräumige Wohn- und Schlafzimmer war vom Durchgang mit einem Vorhang abgetrennt, den sie beiseite schob und mit einer Schärpe festband. Schnell richtete sie alles her. Sie zog zwei Sessel zusammen, stellte ein rundes Beistelltischchen dazwischen, darauf richtete sie den Champagner, die beiden Gläser und das silberne Tablett mit den Canapés. Sie besah kurz ihr Werk und schaute dann auf die Uhr. Noch zehn Minuten, und ihr war übel. Rasch eilte sie ins Bad und warf sich eine Handvoll kaltes Wasser ins Gesicht. „Oh Gott!“ stöhnte sie in ein Handtuch. „Was mache ich hier?“ Ihre Gedanken rasten, doch sie fand keinen Ausweg. Sie mußte das jetzt durchstehen. „Haltung bewahren!“ versuchte sie sich selbst, Mut zu machen. „Haltung bewahren! Das ist das Mindeste!“ Noch ein Blick auf die Uhr. Sie zog die Zellophanfolie von den Canapés und arrangierte noch einmal mit nervösen Händen die Symbole der erzwungenen Gastlichkeit auf dem kleinen Tischchen.
Punkt neun Uhr klopfte es an der Tür.
„Guten Abend, Svenja! Bitte …,“ wollte sie sagen. Doch da war Svenja bereits grußlos an ihr vorbei stolziert. Und sie sah erschütternd aus. Die Mähne schien noch blonder im Kontrast zu dem hautengen, roten Kleid, den roten, hochhackigen Schuhen und der dazu abgestimmten, auffallend großen Handtasche. Selbst ihr Mund war korallenrot geschminkt. Lediglich die Seidenstrümpfe waren schwarz. Leise schloß Marianne die Tür. Als sie selbst ins Zimmer kam, stand Svenja im Raum und betrachtete sich die Vorbereitungen.
„Bitte, nimm Platz,“ sagte Marianne. Svenja ließ sich in einem Sessel nieder, nahm ein Champagnerglas und hielt es Marianne auffordernd hin. Diese nahm den Champagner aus dem Kühler und wollte einschenken, doch Svenja zog ihr Glas zurück.
„Zeig!“ Mehr sagte Svenja nicht. Marianne zeigte ihr das Etikett.
„Gut!“ Svenja hielt ihr Glas wieder hin, ließ es sich füllen, nippte kurz daran und stellte es wieder ab. Gerade als Marianne nach dem zweiten Glas greifen wollte, legte Svenja ihren Zeigefinger auf dessen Rand.
„Nein,“ sagte sie und schüttelte den Kopf. „Du nicht!“
Marianne stand für einen Moment reglos da und wußte nicht, wie sie auf diese Ungeheuerlichkeit reagieren sollte. Sie atmete tief durch und fühlte, wie sie beim Ausatmen zitterte. Mit einem „Na gut, dann eben nicht!“ stellte sie die Flasche wieder in den Kühler und wollte sich setzen.
„Nein,“ hörte sie Svenja sagen. „Du nicht!“
„Was?“ entfuhr es Marianne.
„Du bleibst stehen!“ Svenja sah sie aus ihrem Sessel heraus an.
Marianne fühlte eine unbekannte Hitze in ihr Gesicht steigen. War das eine gezielte Demütigung? Oder wollte Svenja sie nur provozieren? Für beinahe eine Minute geschah gar nichts. Die beiden fixierten einander, sagten aber kein Wort.
„Also gut,“ sagte Marianne schließlich, ohne Svenja aus den Augen zu lassen. Dabei stellte sie ein Bein vor und verschränkte demonstrativ die Arme vor ihrer Brust.
Svenja griff in aller Seelenruhe nach ihrem Glas, nippte erneut daran und stellte es wieder zurück. „Ich will,“ sagte sie leise, „daß du die Hände hinter dem Rücken verschränkst und Haltung annimmst, wenn ich mit dir rede.“
Marianne fühlte es in ihren Schläfen pochen. Wut stieg in ihr auf, ohnmächtige Wut. Ihr Atem ging heftig. Svenja wollte sie also demütigen. Aber was konnte sie tun? Was um alle in der Welt konnte sie tun? Nur mit großer Mühe gelang es ihr, ihre Lähmung zu überwinden, den Zorn herunterzuschlucken und wieder einigermaßen ihre Fassung zu gewinnen.
„Na gut,“ sagte sie schließlich, während sie die befohlene Haltung annahm. „Du willst mich also demütigen. Bitte, dann tue ich dir den Gefallen. Gut so?“
„Schon besser,“ sagte Svenja und lächelte boshaft. „Aber du bist mir noch zu frech. Vergiß nicht, Mädchen, ich habe dich in der Hand.“
„Na schön. Und was willst du von mir? Willst du Geld?“ fragte Marianne in dem Versuch, die Situation irgendwie in die Hand zu bekommen. „Du weißt, ich bin nicht flüssig. Und ja, ich hatte einen außergewöhnlichen Fick. Also was? Willst du mich gesellschaftlich erledigen? Willst du mich fertigmachen? Ist es das?“
Svenja musterte sie eine Weile, ohne etwas zu sagen. Und für einen kurzen Moment vermittelte sie Marianne den Eindruck, als wäre auch sie angespannt und unsicher. Doch anstatt die Frage zu beantworten, griff sie nach ihrer Tasche, zog eine DVD-Hülle heraus und hielt sie Marianne hin.
„Leg das ein!“
„Ich kenne das schon,“ sagte Marianne und ärgerte sich, weil sie die aufkommende Schamesröte in ihrem Gesicht zu spüren glaubte.
„Leg – das – ein!“ Svenja sprach es langsam und leise und kniff dabei die Augen zu engen Schlitzen zusammen, aus denen heraus sie Marianne fixierte.
Mit einem Stöhnen griff Marianne nach der DVD, schüttelte den Kopf und ging dann zum Abspielgerät. Nach einer Minute lief der Film. Wie erwartet zeigte er Marianne. Es waren vier Szenen, die zu einer Endlosschleife geschnitten waren: Marianne geht an einer Leine gezogen auf ihre Knie; Marianne wird ein Phallus so tief in den Mund gezwungen, daß ihr die Tränen in die Augen steigen; Marianne schaut unterwürfig auf zu ihrem Beschäler, sein Geschlecht tief in ihrem Mund; über Mariannes Gesicht spritzt Sperma, wieder und wieder. Mariannes Hals wurde trocken, während sie die ersten beiden Durchläufe der Sequenz betrachtete. Ja, das würde ihre Existenz zerstören. Ihre, und die ihrer Tochter.
„Komm hierher!“ hörte Marianne Svenja rufen. Diese hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, hinzusehen. Sie saß im Sessel und nippte erneut von dem teuren Champagner. Unwillkürlich nahm Marianne wieder Haltung an – und schämte sich sofort dafür.
„Also gut,“ sagte sie leise. „Du hast mich in der Hand.“ Sie holte tief Luft. „Und wie soll es jetzt weitergehen?“
Svenja ließ sich über eine Minute Zeit. Dann stellt sie ihr Glas ab.
„Ich habe einen bei dir gut. Und den zahlst du zurück.“