Elemente der Kosmologie - Harry Eilenstein - E-Book

Elemente der Kosmologie E-Book

Harry Eilenstein

0,0

Beschreibung

Die Reihe Die achtzigbändige Reihe "Die Götter der Germanen" stellt die Gottheiten und jeden Aspekt der Religion der Germanen anhand der schriftlichen Überlieferung und der archäologischen Funde detailliert dar. Dabei werden zu jeder Gottheit und zu jedem Thema außer den germanischen Quellen auch die Zusammenhänge zu den anderen indogermanischen Religionen dargestellt und, wenn möglich, deren Wurzeln in der Jungsteinzeit und Altsteinzeit. Das Buch Die "mythologische Geographie" der Germanen besteht aus der Erde in der Mitte ("Midgard"), aus der Wasserunterwelt unter ihr, aus dem Himmel mit dem Götter-Wohnort ("Asgard") über der Erde, und aus dem Meer, das Midgard umgibt. Ganz außen am Rand der Welt liegt das Utgard-Jenseits. Der Raum zwischen Erde und Himmel ist vom Wind erfüllt. Das Götterheim Asgard ist aus der Überlieferung mit vielen Details bekannt. Zwei weitere Elemente prägen das Weltbild der Germanen: das Jenseits-Eis im Norden ("Niflheim") und das Feuer-Diesseits im Süden ("Muspelheim"), die durch den Abgrund "Ginnungagap" voneinander getrennt sind. Dieses Weltbild lässt sich zu einem großen Teil bis in die späte Altsteinzeit zurückverfolgen. So ist bereits in Göbekli Tepe der warme, helle Süden das Diesseits und der kalte, dunkle Norden das Jenseits. Dieselbe Symbolik findet sich auch bei den Chinesen: das helle Süd-Diesseits ist das Yang und das kalte Nord-Jenseits ist das Yin. Auch die Aufteilung der Welt in Erdgöttin und Himmelsvater ist weltweit verbreitet.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 533

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Bücher von Harry Eilenstein

Astrologie

Astrologie (496 S.)Photo-Astrologie (428 S.)Horoskop und Seele (120 S.)

Magie

Handbuch für Zauberlehrlinge (408 S.)Tarot (104 S.)Physik und Magie (184 S.)Die Magie-Formel (156 S.)Krafttiere – Tiergöttinnen – Tiertänze (112 S.)Schwitzhütten (524 S.)

Meditation

Der Lebenskraftkörper (230 S.)Die Chakren (100 S.)Das Chakren-System mit den Nebenchakren (296 S.)Meditation (140 S.)Drachenfeuer (124 S.)Reinkarnation (156 S.)

Kabbala

Kursus der praktischen Kabbala (150 S.)Eltern der Erde (450 S.)Blüten des Lebensbaumes: Die Struktur des kabbalistischen Lebensbaumes (370 S.)Der kabbalistische Lebensbaum als Forschungshilfsmittel (580 S.)Der kabbalistische Lebensbaum als spirituelle Landkarte (520 S.)

Religion allgemein

Muttergöttin und Schamanen (168 S.)Göbekli Tepe (472 S.)Totempfähle (440 S.)Christus (60 S.)Dakini (80 S.)Vajra (76 S.)

Ägypten

Hathor und Re 1: Götter und Mythen im Alten Ägypten (432 S.)Hathor und Re 2: Die altägyptische Religion – Ursprünge, Kult und Magie (396 S.)Isis (508 S.)

Indogermanen

Die Entwicklung der indogermanischen Religionen (700 S.)Wurzeln und Zweige der indogermanischen Religion (224 S.)

Germanen

Die Götter der Germanen (Band 1 – 80)Odin (300 S.)

Kelten

Cernunnos (690 S.)Der Kessel von Gundestrup (220 S.)Der Chiemsee-Kessel (76)

Psychologie

Über die Freude (100 S.)Das Geheimnis des inneren Friedens (252 S.)Das Beziehungsmandala (52 S.)Gefühle und ihre Verwandlungen (404 S.)einsgerichtet (140 S.)Liebe und Eigenständigkeit (216 S.)Von innerer Fülle zu äußerem Gedeihen (52 S.)Die Symbolik der Krankheiten (76 S.)

Kunst

Herz des Tanzes – Tanz des Herzens (160 S.)

Drama

König Athelstan (104 S.)

Kontakt:www.HarryEilenstein.de / [email protected]

Die Themen der einzelnen Bände der Reihe „Die Götter der Germanen“

Die Entwicklung der germanischen ReligionLexikon der germanischen ReligionDer ursprüngliche Göttervater TyrTyr in der Unterwelt: der Schmied WielandTyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 1Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 2Tyr in der Unterwelt: der ZwergenkönigDer Himmelswächter HeimdallDer Sommergott BaldurDer Meeresgott: Ägir, Hler und NjördDer Eibengott UllrDie Zwillingsgötter AlcisDer neue Göttervater Odin Teil 1Der neue Göttervater Odin Teil 2Der Fruchtbarkeitsgott FreyrDer Chaos-Gott LokiDer Donnergott ThorDer Priestergott HönirDie GöttersöhneDie unbekannteren GötterDie Göttermutter FriggDie Liebesgöttin: Freya und MenglödDie ErdgöttinnenDie Korngöttin SifDie Apfel-Göttin IdunDie Hügelgrab-Jenseitsgöttin HelDie Meeres-Jenseitsgöttin RanDie unbekannteren JenseitsgöttinnenDie unbekannteren GöttinnenDie NornenDie WalkürenDie ZwergeDer Urriese YmirDie RiesenDie RiesinnenMythologische WesenMythologische Priester und PriesterinnenSigurd/SiegfriedHelden und GöttersöhneDie Symbolik der Vögel und InsektenDie Symbolik der Schlangen, Drachen und UngeheuerDie Symbolik der HerdentiereDie Symbolik der RaubtiereDie Symbolik der Wassertiere und sonstigen TiereDie Symbolik der PflanzenDie Symbolik der FarbenDie Symbolik der ZahlenDie Symbolik von Sonne, Mond und SternenDas JenseitsSeelenvogel, Utiseta und EinweihungWiederzeugung und WiedergeburtElemente der KosmologieDer WeltenbaumDie Symbolik der Himmelsrichtungen und der JahreszeitenMythologische MotiveDer TempelDie Einrichtung des TempelsPriesterin – Seherin – Zauberin – HexePriester – Seher – ZaubererRituelle Kleidung und SchmuckSkalden und Skaldinnen62 Kriegerinnen und Ekstase-KriegerDie Symbolik der KörperteileMagie und RitualGestaltwandlungenMagische WaffenMagische Werkzeuge und GegenständeZaubersprücheGöttermetZaubertränkeTräume, Omen und OrakelRunenSozial-religiöse RitualeWeisheiten und SprichworteKenningarRätselDie vollständige Edda des Snorri SturlusonFrühe SkaldenliederMythologische SagasHymnen an die germanischen Götter

Inhaltsverzeichnis

Themenverzeichnis

I Erde

I 1. Die Erde in der germanischen Überlieferung

Die Germanen hatten keine spezielle Mythe über die Entstehung der Erde, die ihr eine Sonderstellung oder einen besonderen Charakter geben würde. Sie wurde zusammen mit dem Meer, dem Himmel und allen Lebewesen von den Asen aus der Leiche des Urriesen Ymir erschaffen (siehe dazu „Ymir“ in Band 33).

I 1. a) Die Namen der Erde

Die Erde wurde mit verschiedenen Namen bezeichnet. Neben der Bezeichnung als Göttin (siehe Abschnitt „I 1. b)“) gab es auch verschiedene Begriffe für die Erde, die entweder gar nicht oder nicht immer mit einer Göttin assoziiert worden sind:

I 1. b) Die Erdgöttin

Die Germanen hatte mehrere Erdgöttin bzw. benannten die Erdgöttin mit mehreren Namen: Jörd, Hlodyn, Rindr, Fiörgyn und Gyma. Evtl. wurde sie auch „die Gepflügte genannt“ – es läßt sich allerdings nicht sicher sagen, ob die Erde in diesem Fall personifiziert gedacht worden ist oder nicht. Schließlich ist noch Sif eine Erdgöttin, da ihr Haar das Getreide ist (das schließlich auf der Erde wächst).

I 1. c) Kenningar und Heitis

In den Umschreibungen für „Erde“ finden sich noch einige weitere Namen und Qualitäten der Erde.

1. Erschaffung der Erde in dem Urabgrund Ginnungagap

2. die Erdgöttin oder ein Teil von ihr

3. Art der Erde

Erde

Grund

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Boden

zwei verschiedene

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Boden

altnordische Worte

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Erdboden

Übersetzung unsicher

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Erde

vermutlich eine Erdgöttin

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Lehm

anonym

Alwis-Lied

Erde

Sand

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Schlamm

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Humus

Snorri Sturluson

Thulur

4. Erdoberfläche

Erde

Jörmun-Grund

gewaltig großer Erdboden

anonym

Odins Rabenzauber

Erde

Fläche

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Ebene

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Weite

Übersetzung unsicher

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Land

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Rund

Rund/Rand (Horizont)

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Gebiet

(„fif“) Übersetzung sehr unsicher

Snorri Sturluson

Thulur

5. Art der Erdoberfläche

Erde

Sand-Ebene

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Senke

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

kleines Tal

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Tal

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Wölbung

oder: 'Höhle'

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Hügel

Snorri Sturluson

Thulur

Erde Erde

steiler Hügel Hang

Snorri Sturluson Snorri Sturluson

Thulur Thulur

Erde

(Land-)Zunge

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Feld

Snorri Sturluson anonym

Thulur Alwis-Lied

Erde

Acker

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Gepflügte

evtl. eine Erdgöttin

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Weg

anonym

Alwis-Lied

6. Die mit Pflanzen Bewachsene

Erde

All-grün

anonym

Alwis-Lied

Erde

Wiese

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Heide

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Esche(-nland)

„das, worauf die Weltesche steht“; evtl. eine Erdgöttin „(Welt-)Esche“

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Wachstum

„Ort, an dem die Pflanzen wachsen“

anonym

Alwis-Lied

7. Ort der Menschen

Erde

Halt-Gebende

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Boden der Sohlen

anonym

Trideilur-Runa

Erde

Begräbnis-Platz

Übersetzung sehr unsicher

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Rund-Hügel

vermutlich Hügelgrab ('holl')

Snorri Sturluson

Thulur

Erde

Rund-Hügel

vermutlich Hügelgrab ('hvall')

Snorri Sturluson

Thulur

I 1. d) Hattatal

Die Worte „Stein-gestützte Erde“ in der folgenden Strophe aus dem Hattatal, die ein Segensspruch ist, spielt darauf an, daß der Humus der Erde (Fleisch des Urriesen Ymir) auf den Felsen der Erde (Knochen des Ymir) liegt:

Möge sich der König

und der Jarl

sich eines hohen Alters

und einer Halle voller Schätze erfreuen.

Möge eher die Erde,

die Stein-gestützte,

im Meer versinken,

als des Herrschers Ruhm versinkt.

I 1. e) Der Seherin Ausspruch

Beim Ragnarök versinkt die Erde im Wasser und anschließend taucht sie wieder aus den Fluten auf. Eine solche Flut hat es auch in sehr früher Zeit gegeben – bei ihr sind fast alle Riesen ertrunken.

Diese zyklischen Überflutungen könnten ein ferner Nachhall der frühen Mythen der Indogermanen sein, die noch aus Mesopotamien stammen, wo der Ackerbau durch die großen alljährlichen Überschwemmungen geprägt war.

Da seh ich auftauchen zum andernmale

Aus dem Wasser die Erde und wieder grünen.

Die Fluten fallen, darüber fliegt der Aar,

Der auf dem Felsen nach Fischen weidet.

I 1. f) Landnahme-Buch

Die Priester nahmen bei ihrer Auswanderung um ca. 900 n.Chr. von Norwegen nach Island außer dem Holz ihres Tempels auch ein Teil der Erde, auf der der Tempel gestanden hat, mit.

I 1. g) Egil-Saga

In dieser Saga, deren Handlungen in den Jahrzehnten vor und nach 950 n.Chr. stattfinden, wird die „heilige Erde“ unter dem Tempel betont.

I 1. h) Sigdrifa-Lied

Die Walküre Sigdrifa ruft in den folgenden Versen zweimal die Erde an – die Erdgöttin hat also auch im Kult der Germanen eine Bedeutung gehabt.

Der Beschreibung des Charakters der Erdgöttin in den folgenden Versen nach zu urteilen, paßt sie besser zu den friedlichen Wanen als zu den kriegerischen Asen. Sie wird in den beiden Strophen mit Frieden, Ernährung, Fruchtbarkeit, Sprache, Weisheit und Heilung, aber auch mit dem Sieg assoziiert – wobei der zu den anderen Qualitäten kaum dazupassende Sieg eine spätere Zutat in diesen Versen könnte.

Sigurd setzte sich nieder und frug nach ihrem Namen. Da nahm sie ein Horn voll Met und gab ihm den Minnetrank.

Sigdrifa:

„Heil Dir Tag, Heil euch Tagessöhnen,

Heil Dir Nacht und nährende Erde:

Mit unzorngen Augen schaut auf uns

Und gebt uns Sitzenden Sieg.

Heil euch Asen, Heil euch Asinnen,

Heil Dir, fruchtbares Feld!

Wort und Weisheit gewährt uns edlen zwein

Und immerdar heilende Hände!“

I 1. i) Völsungen-Saga

In dieser Saga ist die „Kraft der Erde“ eine der Zutaten eines Zaubertrankes.

Sie wählten Geschenke für ihre Schwester (Gudrun) aus und sprachen sanft zu ihr, aber sie glaubte nichts davon.

Da reichte ihr Gunnar einen Trunk, den sie trinken mußte, in den giftige Dinge gemischt worden waren. Und danach hatte sie keine Erinnerung mehr an die Dinge, die der König (Gunnar) ihr angetan hatte.

In diesen Trank war die Macht der Erde und des Meeres mit dem Blut ihres Sohnes vermischt worden. Und in das Trinkhorn waren alle Runen geritzt und mit Blut gerötet worden, so wie es hier gesagt wird:

Gudrun:

„Auf dem Antlitz des Hornes

waren alle Arten von Runen

geritzt und gerötet –

wie sollte ich sie richtig lesen können?

Der Heidekraut-Fisch

des Landes der Haddinge,

ungeschnittene Weizen-Ähren

und wilde Dinge waren darin.

In dieses Ale war

viel Übles gemischt:

Blut von allen Hölzern

und braungebrannte Eicheln,

der schwarze Tau der Herde,

die Innereien der den Göttern geweihten Tiere,

und die feuchte Leber des Schweines,

denn dies sind all die Übel, die töten.“

Im Hyndla-Lied wird beschrieben, daß Heimdall die Kraft der Erde, des Meeres und der Sonne erhielt. Grimhilds Trank scheint mithilfe eines ganz ähnlichen Zaubers hergestellt worden zu sein. Vermutlich rief man beim Mischen der Zutaten des Trankes die Kraft der Erde, des Meeres und der Sonne in diesen Trank hinein.

Die „Heide“ ist das Jenseits – das Ödland, auf dem die Hügelgräber standen. Der „Heidekraut-Fisch“ ist die Schlange in einem Hügelgrab, d.h. der Totengeist in diesem Hügelgrab. Da der Vergessenheits-Trank eine Analogie zu dem „Vergessen“ („Bewußtlosigkeit“) beim Tod ist, ist die Schlange eine wesentliche Zutat bei diesem Zaubertrank.

Die Harze („Blut von Hölzern“) könnten ursprünglich beim Ritual verbranntes Räucherwerk gewesen sein – das ist jedoch unsicher.

Die Tier-Innereien stammen sicherlich aus der damals üblichen Orakel-Methode mithilfe der Eingeweide der Opfertiere. Die feuchte, d.h. frische Leber des Schweines gehört vermutlich mit zu dieser Symbolik. Die Leber wurde zudem als Sitz der Lebenskraft angesehen.

Die gebrannten Eicheln könnten durch den Brauch, aus gerösteten und dann gemahlenen Eicheln eine Art Malzkaffee herzustellen, angeregt worden sein – dies wäre dann eine harmlosere Zutat. Es wäre jedoch auch denkbar, daß sie aufgrund der Assoziation zu dem Weltenbaum, den man auch als Eiche auffaßte, in dieses Rezept gelangt sind.

Möglicherweise gehören auch die Weizenähren zu diesen eher kulinarischen Zutaten des Zaubertrankes, da man zwar nicht aus Weizen, aber aus Gerste Malz herstellen kann. Vielleicht enthielten die Ähren jedoch auch die Kraft der Erde – darauf könnte die Brauanleitung, nach der die Ähren nicht geschnitten werden dürfen, also vermutlich gepflückt werden müssen, hinweisen.

Der „schwarze Tau der Herde“ ist die Asche vom Feuer. Sie ist wohl aufgrund der Symbolik des Feuers als Jenseitstor eine Zutat dieses Trankes.

Das abwertende Urteil („denn dies sind all die Übel, die töten.“) ist vermutlich erst unter christlichem Einfluß entstanden. Vielleicht sind sie jedoch auch eine Erinnerung daran, daß dieser Zaubertrank aus der Jenseitssymbolik abgeleitet worden ist.

I 1. j) Hyndla-Lied

Im Hyndla-Lied wird über Heimdalls ungewöhnliche Geburt und über seinen Charakter berichtet. In diesem Zusammenhang erscheint wieder die „Macht der Erde“.

Geboren ward einer am Anfang der Tage,

Ein Wunder der Stärke, göttlichen Stamms.

Neune gebaren ihn, der Frieden verlieh'n hat,

Der Riesentöchter am Erdenrand.

Gialp gebar ihn, Greip gebar ihn,

Ihn gebar Eistia und Angeyja,

Ulfrun gebar ihn und Eyrgiafa,

Imd und Atla, und Jarnsaxa.

Dem Sohn mehrte die Erde die Macht,

Windkalte See und Sonnenstrahlen.

Vieles erwähnt ich, mehr noch weiß ich;

Wißt und bewahrt es: wollt ihr noch mehr?

Die „neun Riesentöchter“, die den Heimdall gebaren, sind die Töchter der Riesin und Meeresgöttin Ran. Er wurde nicht nur von Riesinnen geboren, sondern auch im Riesenland Utgard „am Erdenrand“ geboren – Heimdall ist also in jeder Hinsicht ein „Kind des Jenseits“.

Die neun Riesinnen, die hier aufgezählt werden, sind nicht immer dieselben, aber es sind stets Riesinnen und sie werden meistens als die Töchter der Ran aufgefaßt. Da die Zahl „9“ eine Art Adjektiv mit der Bedeutung „zum Jenseits gehörend“ gewesen ist, sind die neun Schwestern die Jenseitsgöttin.

Heimdall wird als von „göttlichem Stamm“ bezeichnet – sein Vater und auch Heimdall selber sollten folglich Asen sein.

Heimdall muß zudem einer der allerersten Götter sein, da er „am Anfang der Tage“ geboren wurde.

Die Aussage „der Frieden verliehn'n hat“, ist ein Charakterzug, der zu einem Priestergott passen würde und wieder Ähnlichkeit mit Baldur hat.

Seine Bezeichnung als „ein Wunder an Stärke“ läßt hingegen eher an Thor denken – man könnte vermuten, daß Heimdall nicht nur ein reiner, heller und strahlender Priester-Gott gewesen ist, sondern auch noch die Kraft besaß, diese Qualitäten in der Welt zu verwirklichen. Heimdall erinnert ein wenig an den griechischen Sonnengott Apollon.

Diese große Macht scheint Heimdall von seinen Müttern, d.h. von den Riesinnen der See und den Riesinnen der Erde erhalten zu haben – und erstaunlicherweise auch von den ansonsten unbekannten Riesinnen der Sonne. Dieser Zusammenhang mit der Sonne könnte auch Heimdalls „goldenen Zähne“ erklären, die möglicherweise ein Symbol für die Sonne gewesen sind. Zu einem solchen „sonnigen Gott“ oder vielleicht sogar „Sonnengott“ würde auch der Name „Goldmähne“ des Pferdes des Heimdall gut passen.

Diese vermutete Verbindung zwischen Heimdall und der Sonne findet sich auch bei dem griechischen Apollon sowie allgemein bei den Göttervätern der Indogermanen (Zeus, Jupiter, Papaios, Dagda, Nuada, Tyr, Deus …).

Wenn man Heimdall als einen Beinamen des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr auffaßt, erklären sich viele Bilder und Worte in diesen Strophen:

Der Sonnengott-Göttervater Tyr-Heimdall wird von der neunfachen Jenseitsgöttin, die auch als „Riesin“ bezeichnet worden ist, jeden Morgen, d.h. am „Anfang des Tages“ (wieder-)geboren – am „Rand der Erde“, also am Horizont, an dem die Sonne erscheint. Die Jenseitsgöttin ist auch die Erdgöttin, da die Sonne an jedem Morgen wieder aus der Erde aufsteigt. Als Kriegsgott ist er ein „Wunder an Stärke“ und er bringt durch seine Stärke den Frieden.

Die Erdgöttin wird in diesen Versen als die Wiedergeburts-Mutter des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr-Heimdall beschrieben.

I 1. k) Personennamen

Es gab zwei mit „Erde“ gebildete Personennamen: den Männername „Fuldarr“, der „Erd-Heer“ bedeutet, und der Frauenname „Jardbjörg“, der die Bedeutung „Erde-Helferin“ hat.

I 1. l) Zusammenfassung

Die Erde ist am Anfang durch die Asen aus dem Urriesen Ymir erschaffen worden, dessen Knochen zu den Felsen und dessen Fleisch zu dem Humus wurden.

Die Erde wurde ihrer geographischen Lage nach als „Midgard“, d.h. als „umhegter Bereich in der Mitte“ bezeichnet – die Erde lag als große Insel in der Mitte des Weltmeeres.

Die Erde wurde ihrer mythologischen Lage nach als „Eskja“, d.h. „Eschenland“ bezeichnet, womit „das, rings um die Weltesche liegt“ gemeint ist.

Schließlich wurde die Erde ihrer Größe nach als „Jörmungrund“, d.h. „Großer Grund“ oder „Gewaltiger Erdboden“ benannt. Diese Bezeichnung stammt wahrscheinlich wie alle mit „jörmun“ oder „fimbul“ gebildeten Begriffe noch aus der Zeit vor 500 n.Chr., in der noch die Mythen des ehemaligen Göttervaters Tyr die Weltanschauung der Germanen geprägt haben und alle wichtigen Elemente in diesen Mythen mit diesen beiden Begriffen kombiniert worden sind, um sie als Teile des mythologischen Weltbildes zu kennzeichnen.

Möglicherweise ist „Jörmungrund“ damals als Erdgöttin angesehen worden. Die bekanntesten Namen für die germanische Erdgöttin waren Jörd, Rindr, Hlodyn, Fiörgyn und Gyma.

Auch Sif war eine Erdgöttin, da das Getreide als ihr Haar angesehen wurde. Mit diesem Motiv sind die Bezeichnungen der Erdgöttin als „Gebende“, „Grünende“ und „Wachsende“ verwandt.

Durch die Auffassung der Erde als einer Göttin konnte man die Erdoberfläche auch als das Gesicht oder den Rücken der Erdgöttin bezeichnen, von ihrem Schoß sprechen und die Erde insgesamt als „Hals“ der Erdgöttin ansehen, der von dem Weltmeer wie von einem Halsreif geschmückt wurde.

Die zyklische Überflutung der Erde (Erschaffung der Erde, Tod der Riesen, Ragnarök) stammt möglicherweise noch aus den Mythen über die Überschwemmungen durch die großen Flüsse Euphat und Tigris, die den Jahreslauf prägten und die ein wichtiges Element in den Mythen der Vorfahren der Indogermanen in Mesopotamien gewesen sind.

In einem Zauberspruch wird die „Macht der Erde“ angerufen, die auch der Gott Tyr-Heimdall bei seiner Geburt erhält – der Sonnengott-Göttervater Tyr-Heimdall wird an jedem Morgen von der Erd- und Jenseitsgöttin wiedergeboren.

Diese Macht der Erde wird in Sigdrifas Anrufung näher als „Frieden, Ernährung, Fruchtbarkeit, Sprache, Weisheit und Heilung“ beschrieben. Der Frauenname „Jardbjörg“, der „Erd-Helferin“ oder „schützende Erde“ bedeutet, bestätigt diesen friedlichen Charakter der Erdgöttin.

Die Erde, auf der ein Tempel stand bzw. gestanden hat, wurde als heilig betrachtet und deshalb bei Auswanderungen des öfteren mitgenommen.

Die Erde wurde vor allem als eine Göttin angesehen, die durch ihre „Macht der Erde“ die Fruchtbarkeit, das Wachstum, die Ernährung, die Sprache, die Weisheit, den Frieden und die Heilung gefördert hat.

Siehe dazu auch den Band 23 über die Erdgöttinnen.

I 2. Die Erde in der indogermanischen Überlieferung

Die Erde und die Erdgöttin sind bei den Indogermanen weitgehend identisch, da die Erde als der Leib der Erdgöttin aufgefaßt worden ist.

Die folgende Tabelle zeigt den Stammbaum der Indogermanen. Die Namen für die gemeinsamen Vorfahren der verschiedenen Völker wie „Tocharo-Romanen“ sind künstliche Bezeichnungen, da nicht bekannt ist, wie sich die betreffenden Völker selber genannt haben. Die Differenzierung dieser Völker fand in etwa zwischen 2800 v.Chr. und 1800 v.Chr. statt.

Im Folgenden sind nur die Völker aufgeführt, von denen etwas über das hier betrachtete Thema bekannt ist.

I 2. a) Kelten

Litavis oder Litauis, die im Neuwalisischen als Llydaw und im Altirischen als Letha erscheint, wurde von den Kelten im heutigen Frankreich und auf den britischen Inseln verehrt. Ihr Name bedeutet „die weit Ausgebreitete“. Dieser Name leitet sich von dem Namen „Plth-hiwi“ der indogermanischen Erdgöttin ab. Litavis ist somit recht sicher der älteste keltische Name der Erdgöttin.

Großbritannien und Irland wurden in alten Texten auch „Letavia“ genannt, was „Land der Göttin Letavis“ bedeutet – analog zu Skandinavien, das „Land der Göttin Skadi“ bedeutet.

Sie wurde in gallisch-römischer Zeit zusammen mit Mars Cicollui („Mars Breit-Brust“) verehrt, der der erste Anführer der Fomoire (Riesen) gewesen ist und daher dem germanischen Tyr als Riese in der Unterwelt entspricht. Sowohl Mars als auch Tyr sind der Göttervater als Schwertgott gewesen. Mars Cicollui entspricht daher auch dem Gott Nuada („Wasser-Gott“), also dem Göttervater Dagda („Tag/Sonnen-Gott“) in der nächtlichen bzw. winterlichen Wasserunterwelt, in der auch die Fomoire-Riesen leben.

Aericura ist eine Erd- und Unterweltsgöttin, die mehrfach zusammen mit dem römischen Göttervater („dis pater“) erscheint. Sie wird daher die Erdgöttin als Jenseitsgöttin sein, die am Morgen den Sonnengott-Göttervater wiedergebiert. Für diese Deutung spricht auch der Hund oder Wolf, von dem sie begleitet wird. Der Korb mit Äpfeln und die Kornähre, die Aericura in ihren Armen trägt, kennzeichnet sie auch als Fruchtbarkeitsgöttin – darin gleicht sie der germanischen Apfelgöttin Idun und der germanischen Korngöttin Sif.

Der Name „Aericura“ entspricht dem der griechischen Hera und bedeutet „Herrin“.

Onuava ist eine eher unbekannte keltische Erd- und Fruchtbarkeitsgöttin aus Frankreich.

Die drei Matronen, die von ca. 70 n.Chr. bis 450 n.Chr. am Niederrhein von den dort lebenden Kelten, Germanen und Römern verehrt worden sind, waren Fruchtbarkeits- und Muttergöttinnen, die um die verschiedensten Dinge gebeten wurden.

Wie schon ihr Name zeigt, der schlicht „Mütter“ bedeutet, waren sie keine speziellen Erdgöttinnen, sondern wurden nur unter anderem auch für um Fruchtbarkeit für die Felder und um Fülle angerufen.

I 2. b) Römer

Der Name der Göttin Ops oder Opis bedeutet „Fülle“. Sie war eine Erd-, Unterwelts- und Fruchtbarkeitsgöttin, die des öfteren mit der griechischen Rhea gleichgesetzt wurde. Daher wurde Rheas Mann Kronos auch als Gatte der Opis angesehen.

Die Göttin Tellus („Erde“) wurde auch „Terra mater“, also „Erdmutter“ genannt. Im frühen römischen Reich wurde die Erde „Terra“ noch deutlich von der Erdgöttin „Tellus“ unterschieden.

Tellus entspricht der griechischen Gaia. Sie war wie die meisten Erdgöttinnen sowohl eine Jenseits- als auch eine Fruchtbarkeits- und Geburtsgöttin. Sie wurde oft der Ceres gleichgesetzt. Die Feste der Tellus bezogen sich vor allem auf die Fruchtbarkeit der Felder.

Sie wurde z.T. zusammen mit Jupiter verehrt, weshalb die Erdgöttin wohl auch bei den Römern als die Wiedergeburts-Mutter des Sonnengott-Göttervaters (Römer: Jupiter) angesehen worden sein wird.

Als ihr Mann erscheinen Jupiter und Uranos – sie sind die römischen Entsprechungen zu Zeus und Kronos, also zu dem alten Göttervater als Riese im Jenseits (Uranos, Kronos, Nuada, Thiazi) und zu dem jungen, wiedergeborenen Göttervater im Diesseits (Zeus, Jupiter, Dagda, Tyr).

Sowohl Opis als auch Tellus/Terra entsprechen somit in ihrer Mythologie der keltischen Erdgöttin Litavis-Aericura.

Das Kuhopfer im Kult der Tellus könnte auf das Rinder-Opfer im Wiederzeugungs- und Wiedergeburtsritual des Sonnengott-Göttervaters zurückgehen, in dem die Göttin als Kuh und der Gott als Stier erscheinen.

I 2. c) Etrusker

Die Etrusker gehören zwar nicht zu den Indogermanen, aber ihre Mythologie gleich in vielen Punkten der Mythologie der Indogermanen.

Die etruskische Erdgöttin wurde „Cel“ genannt. Sie entspricht der römischen Tellus und der griechischen Erdgöttin Gaia bzw. der Korngöttin Ceres (Germanen: Sif).

Sie ist die Mutter der Riesen, d.h. vermutlich insbesondere des Sonnengott-Göttervaters als Riese, der von ihr am Morgen wiedergeboren wird. Einer der etruskischen Riesen hieß „Ceslan“, was „Sohn der Cel“ bedeutet. Dies entspricht genau dem griechischen „Gigant“, was „Sohn der Gaia“ bedeutet.

Cel, die auch „Cel Ati“, also „Mutter Erde“ genannt wurde, war auch eine Fruchtbarkeitsgöttin.

Die etruskische Cel entspricht somit den römischen, keltischen und griechischen Erdgöttinnen.

I 2. d) Germanen

Die Erde wurde ihrer geographischen Lage nach als „Midgard“, d.h. als „umhegter Bereich in der Mitte“ bezeichnet – die Erde lag als große Insel in der Mitte des Weltmeeres.

Die Erde ihrer Größe nach auch als „Jörmungrund“, d.h. „großer Grund“ benannt. Diese Bezeichnung stammt wahrscheinlich wie alle mit „jörmun“ oder „fimbul“ gebildeten Begriffe noch aus der Zeit vor 500 n.Chr., in der noch die Mythen des ehemaligen Göttervaters Tyr die Weltanschauung der Germanen geprägt haben.

Möglicherweise ist „Jörmungrund“ damals als Erdgöttin angesehen worden. Die bekanntesten Namen für die germanische Erdgöttin waren Jörd, Rindr, Hlodyn, Fiörgyn und Gyma.

Auch Sif war eine Erdgöttin, da das Getreide als ihr Haar angesehen wurde. Mit diesem Motiv sind die Bezeichnungen der Erdgöttin als „Gebende“, „Grüne“, und „Wachsende“ verwandt. Sif entspricht u.a. der Ceres.

Die Erde wurde vor allem als eine Göttin angesehen, die durch ihre „Macht der Erde“ die Fruchtbarkeit, das Wachstum, die Ernährung, die Sprache, die Weisheit, den Frieden und die Heilung gefördert hat und die an jedem Morgen die Sonne (wieder-)gebiert.

I 2. e) Slawen

Der Name der Göttin Mat Zemlya bedeutet „Mutter Erde“. Sie wurde auch „Mat Syra Zemlya“ genannt, was „Mutter der feuchten Erde“ bedeutet. Sie ist im Mittelalter eine der wichtigsten slawischen Göttinnen gewesen.

I 2. f) Balten

Dieselbe Erdgöttin wird bei den Balten „Mara Zeme“ genannt, was auch hier „Mutter Erde“ bedeutet. Sie wurde als Urmutter („Mara“), die Erde und als Göttin der Fruchtbarkeit und der Fülle verehrt.

Ihr Name ist vermutlich sowohl mit dem der christlichen „Maria“ als auch mit dem der indischen Totengöttin „Mara“ verwandt.

Sie erscheint oft als Kuh, was auf das sehr alte Motiv der Muttergöttin als Kuh zurückgehen wird (Germanen: Audhumbla). Die Muttergöttin nahm diese Gestalt u.a. bei der Wiederzeugung des Sonnengott-Göttervaters und der darauf folgenden Wiedergeburt dieses Gottes an, aber die Kuh war auch ein allgemeines Symbol für Fruchtbarkeit und Fülle.

Mara Zeme war wie die slawische Göttin Mat Syra Zemya auch die Göttin des Wassers, was vermutlich die Wasserunterwelt miteingeschlossen hat.

Mara erscheint in einer Vielzahl von Göttinnen, die alle Aspekte ihres Wesens darstellen wie Velu Mate („Seelen-Mutter“), Meza Mate („Wald-Mutter“) oder Juras Mate („Meer-Mutter“). Mara ist wie die germanischen Nornen auch die Schicksalsgöttin, was ihre Auffassung als Jenseitsgöttin bestätigt, da das Bestimmen des Schicksals stets in der Hand der Jenseits- und Todesgöttin liegt, da man das Schicksal vor allem als die Festlegung des Todeszeitpunktes aufgefaßt hat.

Die Göttin Mara Zeme wurde auch „Zemyna“, d.h. „Erde“ genannt. Sie wurde als die Mutter aller Dinge, insbesondere der Pflanzen angesehen. Ihr Tier war wie bei der germanischen Göttin Freya das Schwein.

Als Erdgöttin ist sie auch die „Mutter im Jenseits“. Ihr wurden Trankopfer dargebracht.

Sie wurde, wie es bei den Indogermanen sehr häufig vorkommt, als Frau des Donnergottes Perun angesehen.

Der lithauische Teil des Baltikums hat seinen Namen vermutlich von der Göttin „Litavis“ erhalten, die auch von den Kelten verehrt worden ist. Da ihr Name „die Breite“ bedeutet und die Erde bezeichnet hat, wird dieses Wort im Baltischen ursprünglich auch die Erdgöttin bezeichnet haben, bis diese dann nur noch „Mara Zeme“ genannt wurde, während das ältere „Lativis“ nur noch für die Erde und das Land selber benutzt worden ist.

Die Form „Litavis“ entspricht dabei dem lithauischen Namen „Lituva“ für Lithauen, während das deutsche „Lithauen“ der Variante „Lithauis“ des keltischen Göttinnen-Namens entspricht.

I 2. g) Hethiter

Bei den Hethitern ist die Erdgöttin, die einst die Mutter des Sonnengottes gewesen ist, bereits selber zur Sonne geworden – ein Vorgang, der sich bei mehreren indogermanischen Völkern einschließlich der Germanen („die Sonne“) beobachten läßt.

Die hethitische Sonnengöttin von Arianna ist jedoch stets auch eine Erd- und Unterweltsgöttin geblieben. Ihr Name, der „Quellen-Mutter“ („Ari-anna“) bedeutet, weist auf den Eingang zur Unterwelt hin, der auch bei den meisten anderen indogermanischen Völkern eine Quelle ist – wie z.B. die Quelle der Nornen unter der Weltesche Yggdrasil bei den Germanen.

Arianna war die wichtigste hethitische Unterweltsgöttin und wurde in vielen Texten auch als die wichtigste Göttin überhaupt angesehen.

Als ihr Mann erscheinen drei verschiedene Götter: Der Wettergott Teshub, der Donnergott Tarhunna („Thor“) und der Fruchtbarkeitsgott Telepinu, der in jedem Winter in die Unterwelt ging. Der Wettergott Teshub und der Donnergott Tarhunna erscheinen hier vermutlich als Himmelsgötter, während der Fruchtbarkeitsgott Telepinu hier wegen seiner Jenseitsreise auftritt. Es ist somit gut denkbar, daß der Ursprung dieser drei Verbindungen die Wiedergeburt des Sonnengott-Göttervaters durch die Erd- und Jenseitsgöttin gewesen ist.

Zu dieser Deutung paßt auch, daß der König als Schützling des Göttervaters Shiun (= Tyr, Dagda, Zeus, Jupiter) auch der Hohepriester der Arianna gewesen ist, da Shiun der hethitische Sonnengott-Göttervater gewesen ist, der in den früheren Mythen vermutlich von Arianna wiedergeboren worden ist.

Das „heilige Bett“ im Tempel der Arianna, in dem der König übernachtete, könnte evtl. aus einem Wiederzeugungs-Ritual stammen – aber das ist unsicher.

I 2. h) Lyder

Bei den Lydern kann man am ehesten noch die Muttergöttin Kybele als Erdgöttin auffassen, auch wenn sie eher eine Wiedergeburtsgöttin gewesen ist, was allerdings eine wesentliche Funktion der Erdgöttin war.

I 2. i) Perser

Einer der sechs „göttlichen Funken“ („Amesha Spentas“) wurde im Laufe der Zeit als Göttin aufgefaßt, die eng mit der Erde assoziiert worden ist. Vermutlich haben sich hier die abstrakten Konzepte des Zoroastrismus mit einer alten Vorstellung über die Erdgöttin verbunden. Der Name dieser zoroastrischen Göttin lautet Spenta Armati, d.h. „Heilige Verehrung“.

Die Erde erscheint mehrfach im Zend-Avesta, in dem sie als Göttin aufgefaßt worden ist:

Zend-Avesta, Sirohzah 1, Zemyad:

An die fruchtbare Erde,

an diese Orte, an diese Felder;

an den Berg Ushi-darena,

der von Mazda erschaffen worden ist,

der Sitz der heiligen Glückseligkeit;

an alle Berge,

die von Mazda erschaffen worden sind,

die der Sitz der heiligen Glückseligkeit sind –

voller Glück.

„Mazda“ ist „Ahura Mazda“, der oberste Gott.

Zend-Avesta, Yasna 38:

Und nun verehren wir diese Erde, die uns trägt,

zusammen mit Deinen Frauen, o Ahura Mazda!

Mit den Frauen des Ahura Mazda sind die Flüsse gemeint.

Zend-Avesta, Fargad 1:

Ahura Mazda rede zu Spitama Zarathustra und sprach: „Ich habe ein jegliches Land mit seinen Bewohnern erschaffen, obwohl noch kein Zauber in ihm lag. Habe ich nicht ein jedes Land seinen Bewohnern lieb gemacht, obwohl noch kein Zauber in ihm lag?“

Mit dem Zauber ist vermutlich die Lebenskraft gemeint.

I 2. j) Inder

In den alten Veden der Inder erscheint ausschließlich Prithivi als Erdgöttin. Daher können alle jüngeren Erdgöttinnen als Aspekte der Prithivi angesehen werden.

Der Name „Prithivi“ bedeutet „die Weite“ (indogermanisch: „Plthiwi“). Ihr Name ist sowohl im Hindhuismus als auch im Buddhismus auch die Bezeichnung für die Erde als der Ort, auf dem die Menschen leben.

Sie war als „Prithivi Mater“ („Erd-Mutter“) der Gegenpol zu „Dhyaus Pita“ („Himmels/Sonnen-Vater“). Beide zusammen wurden als „Dhyavaprithivi“ bezeichnet – dieses Wort ist wie „Augen“, „Arme“, „Beine“ u.a. ein Dual (Zweizahl), was zeigt, daß man sie organische Einheit betrachtet hat – sonst hätte man eine normale Plural-Endung verwendet.

Die Erdgöttin und der Himmelsgott wurden als ein Paar, als Mann und Frau angesehen. Im Rig-Veda erscheint Prithivi fast immer zusammen mit Dhyaus (Germanen: Tyr).

Die wichtigsten Kinder der Prithivi waren der Sonnengott Surya, der Donnergott Indra und der Feuergott Agni.

Surya ist die Sonne, die jeden Morgen von der Erdgöttin wiedergeboren wird – die Sonne ist bei den Indern wie z.B. auch bei den Griechen teilweise von dem Göttervater unterschieden worden (Griechen: Zeus und Apollon).

Indra hat Himmel und Erde voneinander getrennt und dadurch die Welt, wie sie heute ist, erschaffen. Der Regen- und Donenrgott Indra hat in der indischen Mythologie spätestens um ca. 1500 v.Chr. Dhyaus als Göttervater abgesetzt – so wie bei den Germanen der Donnergott Thor zusammen mit Odin um 500 n.Chr. den Tyr als nordgermanischen Göttervater abgesetzt hat.

Himmel und Erde entsprechen in der alten indischen Mythologie somit Niflheim und Muspelheim in der germanischen Mythologie.

Wenn die indische Erdgöttin als Kuh erscheint, wurde sie „Prithu“ („Weite, Große, Wichtige, Fülle“) genannt. Diese Erdgöttin-Kuh ist sehr wahrscheinlich mit der germanischen Urkuh Audhumbla identisch.

Als „Ibu Pertiwi“ („Mutter Erde“) ist die indische Erdgöttin auch die Verkörperung Indonesiens – so wie Litavis/Lithauis die Verkörperung von Lithauen und Großbritannien gewesen ist und Skadi die Verkörperung von Skandinavien und so, wie auch Terra/Tellus die Erdgöttin der Römer und zugleich die Verkörperung des Landes gewesen ist. In allen sechs Fällen (Indien, Indonesien, Lithauen, Großbritaniien, Skandinavien, Italien) ist die Erde zugleich die Erdgöttin und auch das Land – die drei im heutigen Sprachgefühl vorhandenen unterschiedlichen Auffassungen der Erde waren damals noch identisch: die Erde als Substanz, die Erde als Ort (Land) und die Erde als Göttin.

Das keltische „Lithausis“, das baltische „Litavis“, das indische „Prithivi“ und das indonesische „Ibu Perthiwi“ (das eine Weiterbildung des indischen „Prithivi“ ist) sind allesamt Ableitungen von dem indogermanischen Namen „Plthivi“ der Erdgöttin.

Die indische Erdgöttin Prithivi hatte viele Beinamen, die ihren Charakter beschreiben: Erde, stillende Mutter, Ernährerin, All-Nährerin, Geburtsort, Pflanzen-Mutter, Mutterleib der Waldbäume und der Kräuter, Schoß der Welt, All-Erschafferin, All-Quelle, Erhalterin, Beständige, Geduldige, Feste, All-Erhalterin, All-Tragende, Juwelen-Reiche, Juwelen-Tragende und Juwelen-Enthaltende.

Die Göttin Bhumi oder Bhuma-Devi ist eine der indischen Erdgöttinnen. Sie war die Gattin des Eber-gestaltigen Varaha, der einer der Avatare des Vishnu ist (siehe Freyr). Sie wurde auch mit der Fruchtbarkeit (Granatapfel in der Hand) und mit der Wiedergeburt (Lotus in der Hand) verbunden (siehe die Apfelgöttin Idun).

Die Göttin Diti ist eine weitere Erdgöttin. Ihr Mann ist der Wildnis- und Jagdgott Rudra, der manchmal als Sohn der Erdgöttin Bhumi angesehen wird. Sie hatte viele Kinder.

Rig-Veda 5, 84:

Wahrlich, so ist es: Du trägst den Druck der Berge, o Erde, die Du den Boden erquickest,

Du Flußreiche, durch Deine Macht, Du Mächtige.

Lobgesänge an Dich hallen allnächtlich wider, Du Wandelbare,

die Du den Erguß des Himmels fortschleuderst wie der Hengst die treibende Brunst, Du Silberglänzende.

Du hältst selber die Bäume mit Stärke fest im Boden,

wenn Deiner Wolken Blitze blitzen, und die Regengüsse des Himmels regnen.

Rig-Veda 1, 159:

Ich verehre Himmel und Erde an den Festen mit großen Opfergaben.

Rig-Veda 1, 160:

Diese, Himmel und Erde, spenden allen Wohlstand, sie sind die Erhalter des Landes, die Heiligen und Weisen,

die beiden edlen Gefäße: zwischen diesen beiden Gottheiten reist die glänzende Sonne in der ihr bestimmten Weise.

Weit-geräumiges Paar, mächtiges, das nie wankende, der Vater und die Mutter, die alle Wesen beschützen:

Die beiden Welt-Hälften, die beseelten, die schönen, denn der Vater hat sie in stattliche Formen gekleidet.

Rig-Veda 1, 191:

Der Himmel ist Dein Vater, die Erde Deine Mutter, Soma Dein Bruder, Aditi Deine Schwester.

Rig-Veda 2, 32:

Nehmt diese Rede von mir, eurem Verehrer, o ihr Himmel und Erde, mit der ich Lohn erlangen will, gnädig auf.

Rig-Veda 1, 22:

Mögen Himmel und Erde, dieses mächtige Paar, unsere Opfer für uns mit Tau benetzen und uns reichlich mit Nahrung speisen!

Rig-Veda 1, 185:

Welche von diesen beiden ist die frühere, welche die spätere? Wie sind sie entstanden, ihr Seher? Wer weiß es genau?

Alles tragen sie selbst, was einen Name hat. Die beiden Tageshälften drehen sich wie Räder.

Die beiden tragen, obwohl selber unbewegt und fußlos, ihre zahlreichen Nachkommen, die sich bewegen und Füße haben.

Wie euren eigenen Sohn auf der Brust seiner Eltern – so bewahrt uns, Himmel und Erde, vor schrecklicher Gefahr!

Die Gabe der Aditi rufe ich, die Fehlerlose, Himmlische, Todlose, Verehrungswürdige.

Erschafft diese, ihr beiden Welten, für den Sänger, der euch lobt! Himmel und Erde, bewahrt uns vor schrecklicher Gefahr!

Mögen wir den beiden Welten, die kein Leid ertragen müssen, den Eltern der Götter, die beide gnädig inmitten der Götter helfen, nahe sein,

während sich Tag und Nacht abwechseln. Himmel und Erde, bewahrt uns vor schrecklicher Gefahr!

Die zusammen leben, die jungen, deren Glieder sich aneinander schmiegen, Zwillings-Geschwister, die an der Brust ihrer Eltern liegen,

die gemeinsam den Nabel der Welt küssen. Himmel und Erde, bewahrt uns vor schrecklicher Gefahr!

Die beiden breiten, hohen Wohnstätten rufe ich in rechter Weise an, die beiden Eltern von allem, mit dem Schutz des Gottes,

die schön anzusehen sind und die den Nektar bereiten. Himmel und Erde, bewahrt uns vor schrecklicher Gefahr!

Den (beiden) Weiten, Breiten, Geräumigen, Fernbegrenzten spreche ich, mich verbeugend, bei diesem Opfer eine Bitte aus,

dem gesegneten Paar, dem siegreichen, dem allerhaltenden. Himmel und Erde, bewahrt uns vor schrecklicher Gefahr!

Wenn wir irgend ein Unrecht getan haben, sei es den Göttern oder einem Freund oder dem Hausherren,

so möge diese Verse ihnen eine Abbitte sein. Himmel und Erde, bewahrt uns vor schrecklicher Gefahr!

Mögen diese beiden Freunde der Menschen, die segnen, die mich beschützen, mir mit Gunst und Hilfe beistehen.

Bereichere den Mann, der freigiebiger als der Gottlose ist! Himmel und Erde, bewahrt uns vor schrecklicher Gefahr!

Mit Verständnis begabt, habe ich diese Wahrheit ausgesprochen, damit alle sie hören – an Erde und Himmel gerichtet.

Seid mit uns, bewahrt uns vor Tadel und Unheil! Himmel und Erde, bewahrt uns vor schrecklicher Gefahr!

Möge sich dies mein Gebet erfüllen, o Himmel und Erde, mit dem ich zu euch, Vater und Mutter, spreche!

Seid uns die nächsten der Götter mit eurer Hilfe. Mögen wir stärkende Speisen in großer Fülle finden!

In diesem Text sind Erde und Himmel die Urzwillinge, von denen alle Götter abstammen – wie von dem griechischem Urgötterpaar Gaia (Erde) und Uranos (Himmel).

I 2. k) Armenier

Die persische Erdgöttin Spenta Armati findet sich in der armenischen Mythologie, die zum großen Teil auf die Perser zurückgeht, unter dem Namen „Sandaramet“ wieder.

I 2. l) Skythen

Die skythische Göttin Api („Wasser“) wurde von Herodot der Gaia gleichgesetzt. Api wird daher eine Erdgöttin gewesen sein, die zugleich entweder auch die Flüsse oder die Wasserunterwelt verkörpert hat – das ist ein weitverbreitetes Motiv, da man unter der Erde einen großen Ozean vermutet hat, aus dem die Quellen emporsprudeln und aus dem die Wolken emporsteigen. So ist z.B. auch die indische Prthivi ist eng mit den Flüssen assoziiert worden.

I 2. k) Griechen

Die griechische Erdgöttin trug den Namen Gaia, der „Erde, Land“ bedeutet. Der Kern dieses Wortes ist „ga“ für „Erde“, das auch in der Form „da“ vorkommt und sich als „de“ in „Demeter“ findet, deren Name „Erd-Mutter“ („De-mater“) bedeutet.

Gaia wird einst die Mutter des Sonnengott-Göttervaters (Zeus) gewesen sein, da die Riesen, deren König der Sonnengott-Göttervater im Jenseits ist, von den Griechen „Gigantes“, d.h. „Söhne der Erde“ genannt wurden (der Sonnengott-Göttervater Dhyaus der Indogermanen wurde oft als Riese angesehen).

Gaia war die Allmutter – die Mutter der Erde, des Himmels, der Götter und der Titanen (Giganten, Riesen).

In einer anderen, alten Version, waren die Erdgöttin Gaia und der Himmelsgott Uranos die Eltern der olympischen Götter.

Gaia hatte auch zusammen mit Pontus („Meer“) Kinder sowie mit dem Meeresgott Poseidon („Gatte der Erde“), mit dem Meeresgott Oceanus („Ausgebreiteter“), mit dem Unterweltsgott Tartarus, mit dem Göttervater Zeus und mit dem Schmiedegott Hephaistos. Alle diese Götter sind Formen des Sonnengott-Göttervaters: Zeus ist der Göttervater, Hephaistos ist der Göttervater im Jenseits als Schmied und die Meeresgötter sind der Sonnengott-Göttervater in der Wasserunterwelt.

Gaia war auch die Jenseits-, Toten- und Orakelgöttin. Als Erdgöttin war sie auch die Göttin der Gräber in der Erde. Als Jenseitsgöttin war sie mit dem Todeszeitpunkt assoziiert, wodurch sie zur Nornen-gleichen Orakelgöttin wurde.

Ihr ältestes Kultzentrum ist ein Erdspalt in Athen, der vermutlich als Eingang in die Unterwelt angesehen wurde und eine Orakelstätte gewesen ist. Auch das Orakel von Delphi, in dem die Seherin über einer Felsspalte saß, ist ursprünglich der Gaia geweiht gewesen.

Gaia wurde manchmal auch als Mutter, die von den Nahrungspflanzen umgeben ist, dargestellt. Sie war die „Geberin der Geschenke“.

Hesiod:

„Sie (Gaia) lag bei Uranos und gebar den tief-strudelnden Oceanus, Coeus, und Crius und Hyperion und Iapetus, Theia und Rhea, Themis und Mnemosyne und die goldgekrönte Phoebe sowie die liebliche Tethys. Nach ihnen wurde Cronos geboren, der gerissene, jüngste und allerschrecklichste ihrer Kinder – und er haßte seinen starken Vater.“

Zeus ist der wiedergeborene Kronos und Kronos ist der wiedergeborene Uranos. Die ursprünglich zyklische Wiedergeburt des Sonnengott-Göttervaters ist bei den Indogermanen zu der Ermordung des Vaters durch den Sohn umgedeutet geworden.

Homerische Hymnen – An die Erde, die Mutter aller Dinge:

Ich will über die gutgegründete Erde singen,

die Mutter von allen, dem ältesten Wesen.

Sie nährt alle Geschöpfe in der Welt,

alle, die auf dem guten Land einhergehen,

und alle, die auf den Pfaden des Meeres sind,

und alle, die fliegen: all diese werden von ihren Vorräten gespeist.

Durch Dich, o Königin, werden die Menschen mit Kindern und mit Ernten gesegnet,

und Dir steht es zu, den sterblichen Menschen das zu geben,

was sie zum Leben brauchen und auch, es ihnen wieder zu nehmen.

Glücklich ist der Mensch, den zu ehren Dir gefällt!

Er hat alle Dinge in Fülle: sein fruchtbares Land ist mit Korn beladen,

seine Weiden sind mit Vieh bedeckt, und sein Haus ist mit guten Dingen gefüllt.

Solche Männer herrschen in rechter Weise in ihren Städten der schönen Frauen:

Große Reichtümer und Wohlstand folgen ihnen:

ihre Söhne erfreuen sich immer-frischen Glückes,

und ihre Töchter, die mit Blumenkränzen geschmückt sind,

spielen und springen fröhlich über die weichen Blüten auf dem Feld.

So ergeht es denen, die Du ehrst, o Heilige Göttin, Geist der Fülle!

Heil Dir, Mutter der Götter, Frau des sternenübersäten Himmels,

gewähre mir freigiebig für dieses mein Lied das, was das Herz erfreut!

Und ich werde mich Deiner erinnern und Dir ein weiteres Lied dichten.

I 2. l) Indogermanen

Der Name „Plthivi mater“ der indogermanischen Erdgöttin bedeutet wörtlich „Mutter der Breite“, d.h. „Erd-Mutter“.

Sie ist die Erde und auch das Land, in dem die Indogermanen wohtnen. Als Erde ist sie auch der Grabhügel, das Grab und die Göttin im Totenreich unter der Erde. Daher ist sie auch die Göttin der Wiedergeburt – insbesondere die Wiedergeburts-Mutter des Sonnengott-Göttervaters Dhyaus (Germanen: Tyr). Das Hügelgrab ist der Schwangerschafts-Bauch der Erdgöttin, mit der sich der Tote wiedergezeugt hat und von der er dann im Jenseits wiedergeboren wird.

Als Jenseitsgöttin bestimmte sie auch den Todeszeitpunkt, wodurch sie auch zur Orakelgöttin geworden ist (Germanen: Nornen).

I 3. Die Erde bei den nostratischen Völkern

„Nostratisch“ ist die rekonstruierte Sprache der früh-jungsteinzeitlichen Völker in Mesopotamien in der Zeit von ca. 10500 v.Chr. bis 8500 v.Chr., also die Sprache der Erbauer der Tempel von Göbekli Tepe und Nevali Cori, des Tempelturmes von Jericho usw. Die von ihnen abstammenden Völker haben nicht nur miteinander verwandte Sprachen, sondern auch ähnliche Mythologien, die ihre gemeinsame Wurzel in der Weltanschauung der Menschen in der frühen Jungsteinzeit am Euphrat und Tigris haben.

Auch bei diesen Völkern ist die Erde die Urgöttin und der Himmel der Urvater. Dieses indogermanische Motiv reicht also bis mindestens zu den Bewohnern von Göbekli Tepe zurück.

I 3. a) Sumer

Die Erdgöttin Ki („Erde“) ist zusammen mit ihrem Bruder und Mann An („Himmel“) das Urgötterpaar. Sie ist die Mutter der Götter.

Shala war die Korngöttin der Sumerer – sie wurde zwar von der Erdgöttin Ki unterschieden, aber sie ist letztlich ein Aspekt der Erdgöttin (ähnlich wie die germanische Korngöttin Sif).

I 3. b) Akkad

Die akkadische Erdgöttin Kishar entspricht der sumerischen Göttin Ki. Auch zu ihr gehört der Himmelsgott, der in Akkad „Anshar“ genannt worden ist.

Ninhursaga („Frau des heiligen Berges“) ist eine akkadische Erdgöttin. Ihr Symbol ist ein Omega, das ihren Schoß und daher auch den Eingang in die Unterwelt darstellt. Dieses sehr alte Symbol findet sich auch in dem germanischen Hügelgrab von Kivik (siehe „Omega“ in Band 55).

Sie ist die Muttergöttin und die Göttin der Berge. Da die Berge der Schwangerschafts-Bauch der Erdgöttin sind, ist sie auch eine Göttin der Unterwelt und der Wiedergeburt. Ninhursaga ist die Frau des Schöpfergottes Enki.

I 3. c) Syrien

Liluri ist die syrische Berggöttin – der Berg ist der Schwangerschafts-Bauch der Erdgöttin. Ihr Mann ist der Wettergott Manuzi.

I 3. d) Ägypten

In den ägyptischen Texten ist die Erde ein Gott („Geb“) und der Himmel eine Göttin („Nut“).

I 3. e) Arabien

Der Name der arabischen Göttin Latan, die in späterer Zeit Al-Lat genannt worden ist, bedeutet „Gerstenmehl“ – sie ist offensichtlich eine Korngöttin und daher sehr wahrscheinlich auch eine Erdgöttin. Sie entspricht somit der germanischen Erd- und Korngöttin Sif.

Herodot berichtet, daß die Araber nur zwei Gottheiten verehrt haben: die Göttin Alilat und den Gott Orotalt.

Möglicherweise hat Orotalt auch einen Beinamen getragen, der eine männliche Form von „Alilat“ gewesen, woraus dann später „Allah“ entstanden ist. Al-Lat wurde auch als Tochter Allahs angesehen.

Latan wurde um Schutz und Wohlstand angerufen.

I 4. Die Erde bei den borealischen Völkern

„Borealisch“ ist die rekonstruierte Sprache des Homo sapiens in der Zeit, als er vor 50.000 Jahren Eurasien besiedelt hat, nachdem er von Afrika aus eingewandert ist. Um 30.000 v.Chr. hat der Homo sapiens dann von Ostasien aus auch Australien besiedelt, um 14.000 v.Chr. auch Amerika sowie etwas später dann die Inseln im Pazifik („Südsee“).

Auch bei diesen Völkern finden sich Mutter Erde und Vater Himmel. Dieses Motiv scheint daher schon mindestens 50.000 Jahre alt zu sein.

I 4. a) Ugrier

Bei den Ugriern, zu denen u.a. die ungarischen Völker gehören, heißt die Erdgöttin „Khaltesh-Anki“.

I 4. b) Basken

Amalur („Mutter Erde“) ist die baskische Erdgöttin, die die Mutter der Sonne und des Mondes ist.

I 4. c) Sibirien

Der Name „Aisyt“ der Muttergöttin der Yakut bedeutet „Mutter der Geburten“. Sie ist eng mit Weltenbaum verbunden. Aisyt ist die Tochter der Toprak-Ana („Erd-Mutter“) und des Gok-Tengri („Himmels-Vater“).

Hier findet sich dasselbe Urgötter-Paar wie bei den Indogermanen: Erdmutter und Himmelsvater.

I 4. d) Mongolei

Der Name der mongolisch-türkischen Göttin Etugen Eke bedeutet „Mutter Erde“. Sie wurde mit dem heiligen Berg assoziiert, der bei vielen Völkern als der Schwangerschafts-Bauch der Erde aufgefaßt worden ist (siehe den Band 49a über die Hügelgräber).

Sie ist die Frau des Kök Tengri („Vater Himmel“).

I 4. e) Nordwestkanada

Asintmah ist die Erdgöttin und die Naturgöttin der Athabasken. Sie ist zudem die erste Frau, also eine Urgöttin.

I 4. f) USA

Atira ist die Erdgöttin und Korngöttin der Pawnees, die in Oklahoma in der südlichen Prärie leben. Sie ist die Frau des Schöpfergottes Tirawa.

I 4. g) Mittelamerika

Die aztekische Göttin Coatlicue ist die Mutter der Götter, der Sonne, des Mondes und der Sterne.

Ihr Name bedeutet „Schlangen-Kleid“. Da die Schlangen die Geister der Toten in der Erde sind, ist Coatlicue auch eine Erd- und Jenseitsgöttin. Da die Jenseitsgöttin die Toten bei ihrer Ankunft in der Unterwelt wiedergebiert, ist Coatlicue auch die Beschützerin der Geburten im Diesseits.

Sie wird auch „Mutter der Götter“, „Schlangenfrau“ und „Unsere Großmutter“ genannt.

I 4. h) Südamerika

Der Name der Göttin Pachamama bedeutet „Erd-Mutter“. Sie wird von den Quetchuas („Inkas“) und anderen Anden-Völkern verehrt und um Fruchtbarkeit und gute Ernten angerufen. Sie ist auch die Göttin der Berge – die Symbolik der Schwitzhütten, Hügelgräber, Pyramiden und Berge ist hier dieselbe wie in Eurasien: der schwangere Bauch von Mutter Erde.

I 4. i) Cook-Inseln

In der Südsee ist die Erdgöttin Papa ist die Tochter der Urgöttin Varima-te-takere. Sie wurde zusammen mit ihrem Zwilling, dem Himmelsgott Vatea geboren, der auch ihr Mann ist.

I 4. j) Südsee

Bei den Maori heißt die Erdmutter „Papatuanuku“. Sie liegt in ständiger Umarmung mit dem Himmelsvater Ranginui.

I 4. k) Hawaii

Dieselbe Göttin wie auf den Cook-Inseln wird auch auf Hawaii verehrt, wo sie Papahaumoku genannt wird. Auch hier ist sie die Frau des Himmelsvaters Wakea.

Pele ist die Göttin der Vulkane – die hawaiianische Variante der Berggöttin, also der schwangeren Erdgöttin.

I 5. Die Erde bei den afrikanischen Völkern

Auch in Afrika selber, also auf dem Kontinent, auf dem sich der Homo erectus zu dem Homo sapiens weiterentwickelt hat, wird die Erde als Göttin und der Himmel als Gott betrachtet.

Da sich diese Symbolik auf allen Kontinenten einschließlich Afrikas, wo der Homo sapiens vor 150.000 Jahren entstanden ist, findet, ist es denkbar, daß die Auffassung der Welt als einer Erdgöttin und eines Himmelsgottes, die miteinander vereint sind, noch bis vor den Homo sapiens zurückreicht. Auch die archaische Symbolik dieses Urpaares spricht für ein sehr hohes Alter dieses Motivs.

Mutter Erde und Vater Himmel als die beiden Ureltern werden sehr wahrscheinlich auch das Urbild der Geborgenheit der damaligen Menschen gewesen sein. Die Vereinigung der beiden ist zudem ein Symbol für die eigene Erzeugung und für die eigene Geburt sowie für die Erzeugung und die Geburt des Lebens allgemein. Ein noch archaischeres Motiv ist eigentlich nicht möglich …

I 5. a) Ghana

Asase Ya ist die Erdgöttin des Ashanti-Volkes in Ghana in Westafrika. Sie ist die Frau des Himmelsgottes Nyame. Sie ist die Mutter vieler Gottheiten.

I 5. b) Nigeria

Die Göttin Ala („Erde“) ist die oberste Gottheit der Igbo in Nigeria. Sie gibt allen Wesen die Fruchtbarkeit und sie trägt als Jenseitsgöttin die Toten in ihrem Bauch. Ihr Mann ist der Himmelsgott Amadioha.

II Midgard

II 1. Midgard in der germanischen Überlieferung

Midgard ist die Erde und das Diesseits.

II 1. a) Der Name „Midgard“

Midgard bedeutet „geschützter Ort in der Mitte“ oder kürzer gesagt „Mitte-Heim“. Die heute bekannteste Übersetzung von „Midgard“ ist sicherlich Tolkiens „Mittelerde“.

II 1. b) Beowulf-Epos

In dieser ältesten erhaltenen Erwähnung des Begriffes „Midgard“ wird mit ihm ganz allgemein die Welt der Menschen bezeichnet.

Da merkte der Schafhirte der Greueltaten, / daß in Midgard

Er vormals nimmer / gefunden hatte,

Im Erdenrunde, / bei anderem Manne

Eine festere Faust; / nun befiel sein Herz

Beklemmende Furcht, / doch er konnte nicht fort.

II 1. c) Odins Rabenzauber

Auch in diesem Lied ist Midgard die Erde, auf der die Menschen leben.

Aus dem Osten, / aus dem Eliwagar

kommt ein Dorn aus dem Feld / der reifkalten Riesen,

mit dem Dain / jede Nacht

alle Menschen / des ruhmreichen Midgard schlägt.

Dies Strophe beschreibt das Untergehen der Sonne am Abend, d.h. den Tod des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr am Abend, der als die Ursache für den Schlaf der Menschen angesehen wird.

II 1. d) Hyndla-Lied

In diesem Lied ist Midgard ebenfalls die Menschenwelt.

Die Reihen der Ahnen rechne nun her

Und die entsprungnen Geschlechter der Fürsten.

Welche sind Skiöldunge? Welche sind Skilfinge?

Welche sind Ödlinge? Welche sind Ynglinge?

Welche sind Wölfinge? Welche sind Wölsunge?

Wer stammt von Freien? Wer stammt von Hersen

Unter den Männern, die Midgard bewohnen?

… … …

Daher die Skiöldunge, daher die Skilfinge,

Daher die Ödlinge, daher die Ynglinge,

Daher die Wölfinge, daher die Wölsunge,

Daher die Freien, daher die Hersen,

Die Blüte der Männer, die Midgard bewohnen.