Elfenjäger - Dennis L. McKiernan - E-Book

Elfenjäger E-Book

Dennis L. McKiernan

4,8
7,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Elfen sind zurück – das große Finale der Mithgar-Saga

Vor langer Zeit, als Elfen, Zwerge und Menschen noch friedlich miteinander lebten, kreuzte ein mächtiges Schiff die Meere von Mithgar. Unter dem Banner des Elfenfürsten Aravan ist die Mannschaft auf der Suche nach der geheimnisvollen Stadt aus Jade. Auf die Abenteurer warten jedoch nicht nur unermessliche Reichtümer, sondern auch tödliche Gefahren…

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 560

Bewertungen
4,8 (18 Bewertungen)
15
3
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

DAS BUCHDER AUTORWidmungEin Teil von MithgarVorwortAnmerkungen des Autors - Ereignisse in den letzten Jahren der Fünften Epoche1. Kapitel - KALTER ZORN2. Kapitel - AUSBILDUNG3. Kapitel - DIE ÖFFNUNG DER WEGE4. Kapitel - WOLF UND FALKE5. Kapitel - VADARIACopyright

DAS BUCH

In Mithgar erzählt man sich die uralte Legende von einer Stadt aus Jade, verborgen in den Tiefen eines Dschungels. Keiner glaubt, dass diese Stadt tatsächlich existiert, denn noch kein Einziger ist erfolgreich von der Suche danach zurückgekehrt. Nach dem Ende des fünften Zeitalters und der Vernichtung des bösen Erzmagiers Gyphon dämmert langsam eine neue, friedliche Zeit herauf, und so beschließt der Elf Aravan, sich mit einer Schar von verwegenen Abenteurern auf die Suche nach der verschollenen Stadt zu machen. Zusammen mit seiner Geliebten, der Seherin Aylis, sticht Aravan auf seinem legendären Schiff Eroean in See. Doch böse Mächte schmieden erneut finstere Rachepläne, und die Gefährten ahnen, dass nicht alle von diesem Abenteuer lebend zurückkehren werden …

Dennis L. McKiernans MITHGAR-Romane:

Bd. 1: Zwergenkrieger

Bd. 2: Zwergenzorn

Bd. 3: Zwergenmacht

Bd. 4: Elfenzauber

Bd. 5: Elfenkrieger

Bd. 6: Elfenschiffe

Bd. 7: Elfensturm

Bd. 8: Magiermacht

Bd. 9: Magierschwur

Bd. 10: Magierkrieg

Bd. 11: Magierlicht

Bd. 12: Drachenbann

Bd. 13: Drachenmacht

Bd. 14: Drachenbund

Bd. 15: Drachenkrieg

Bd. 16: Halblingsblut

Bd. 17: Halblingszorn

Bd. 18: Halblingsbund

Bd. 19: Elfenjäger

DER AUTOR

Dennis L. McKiernan, geboren 1932 in Missouri, lebt mit seiner Familie in Ohio. Mit seinen Romanen aus der magischen Welt Mithgar gehört er zu den erfolgreichsten Fantasy-Autoren der Gegenwart.

Mehr über Dennis L. McKiernan und Mithgar auf:

http://home.att.net/~dlmck/

Für Martha Lee McKiernan, das Herz meiner Welt

Ein Teil von Mithgar

Vorwort

Als ich damals die Mithgar-Reihe begann, wusste ich noch nichts über Aravan und sein Elfenschiff, die Eroean. Ich schrieb Zwergenzorn, Zwergenmacht sowie Halblingsblut, Halblingszorn und Halblingsbund, ohne auch nur die geringste Ahnung von diesem herrlichen Schiff zu haben. Dann schrieb ich Zwergenkrieger, dem die Tales of Mithgar folgten, und in diesem Band, in der letzten Geschichte mit dem Titel »When Iron Bells Ring«, tauchte der Name Aravan zum ersten Mal auf. Allerdings auch nicht viel mehr als der Name dieses Elfs.

Doch dann schrieb ich Drachenbann und Drachenmacht, und da war er: Aravan, ein wichtiges Mitglied bei der Suche nach Baron Stoke. Hier erfuhren wir zum ersten Mal etwas von der Eroean und einer nicht näher erläuterten Tragödie in Aravans Vergangenheit sowie von dem Verschwinden dieses prachtvollen Schiffes. Was geschehen war, blieb ungesagt … aber in Aravans Augen schimmerte unterdrückte Trauer, und sein Schiff war verschwunden.

Als ich weiter in die Geschichte von Mithgar zurückging und Elfenschiffe sowie Elfensturm schrieb, gingen wir zum ersten Mal auf eine Seereise mit dem Elfenschiff, mit ihrer Mannschaft von vierzig Menschen und vierzig Zwergen, einem Pysk und zwei Magiern. Und wir segelten fast durch die ganze Welt. Hier erfuhren wir auch den Grund für Aravans tiefen Gram und wohin die Eroean gesegelt war, als sie vom Antlitz der Welt verschwand.

Als ich entdeckte, wo die Eroean war, wurde mir klar, dass Aravan auf ihr während des Winterkrieges gesegelt war, einem Krieg, der im Mittelpunkt der Geschichte steht, die ich in Halblingsblut, Halblingszorn und Halblingsbund erzählte. Als die drei Bände neu aufgelegt wurden, fügte ich einen Absatz ein, in dem von Aravans Mission während dieses kriegerischen Konflikts erzählt wurde.

Doch nach Elfenschiffe und Elfensturm segelten wir drei weitere Mithgar-Romane lang nicht mehr auf dem Elfenschiff, weder in Elfenzauber und Elfenkrieger, noch in Magiermacht und Magierschwur. In Drachenbund und Drachenkrieg jedoch gingen wir erneut an Bord dieses Schiffs, und dann wieder in Red Slippers – More Tales of Mithgar.

Wir haben also nur in einer knappen Handvoll Büchern über Mithgar tatsächlich Zeit mit der Mannschaft auf den Decks der Eroean zugebracht.

In diesem Buch nun wird dieser Mangel endlich behoben, denn ein unerzähltes Abenteuer in der verlorenen Stadt aus Jade wurde bereits im ersten Kapitel der Red Slippers erwähnt, und viele von euch Lesern haben mich bestürmt, diese Geschichte zu erzählen, weil ihr erneut auf dem schnellsten Schiff der Welt über die Meere von Mithgar segeln wolltet, zusammen mit seinem Elfenkapitän, der Magira und der Mannschaft aus vierzig Menschen und vierzig Zwergen sowie ihren Kundschaftern, einer fuchsreitenden Pysk und zwei Wurrlingen. Also setzt die Segel, achtet auf den Wind, und wir stechen in See.

Oh, und natürlich gute Reise, meine Freunde. Euch allen eine gute Reise.

Dennis L. McKiernan

Tucson, 2008

Anmerkungen des Autors

Ereignisse in den letzten Jahren der Fünften Epoche

Im Jahr 5E 1009 träumten in den Waldsenken drei Wurrlinge denselben Traum – oder war es eine geisterhafte Erscheinung? Wie auch immer, sie sahen jedenfalls das Gespenst von Aurion Rotauge, der ihnen erzählte, dass er ein vor langer Zeit abgelegtes Gelübde erfüllte. Rotauge verlangte, dass die Wurrling-Kompanie des Hochkönigs erneut zusammengerufen wurde, wie damals im Winterkrieg, denn ein großer Sturm aus dem Osten stünde bevor, und der gjeenische Heller würde bald erneut an den Grenzen dieses kleinen Landes auftauchen und die Kompanie an die Seite des Hochkönigs rufen.

Die Nachricht verbreitete sich rasch, und die Wurrlinge strömten zusammen, um sich der Sache anzuschließen. Unter den Freiwilligen befanden sich auch zwei Bokker, Binkton Windrow und Pipper Willowbank, die sich von ihrem Onkel Arley fortschlichen, um sich im Dorf Rood dem dortigen Dorngänger Hauptmann anzuschließen. Der Hauptmann schickte sie jedoch wieder weg, denn Pipper Willowbank war erst dreizehn Sommer alt, und Binkton Windrow nur drei Monde älter. Wütend und enttäuscht begaben sie sich erneut in die Obhut ihres Onkels, der sie für ihre zukünftigen Berufe ausbildete.

Die Vergangenheit eben dieses Onkel Arley jedoch war von Geheimnissen umgeben; er sprach nur selten davon, obwohl die Fertigkeiten, die er seine Neffen lehrte, ihnen in vielerlei Hinsicht sehr zustattenkommen sollten.

Wie dem auch sei, Pipper Willowbank und Binkton Windrow beschlossen, wegzulaufen und sich der Kompanie des Königs anzuschließen, sobald sie sich in Marsch gesetzt hatte.

In ebendiesem Jahr 5E 1009 erhob sich im Osten, wie von Rotauges Erscheinung vorhergesagt, eine fürchterliche Bedrohung für das Reich des Hochkönigs: Es war Kutsen Yong, der Drachenkönig, der mit seiner Goldenen Horde alles vernichten wollte. Unter sein Banner scharten sich die uralten Feinde des Hochkönigs: die Lakh von Hyree, die Chabbaner, die Rover von Kistan und die Fäuste von Rakka, allesamt Südländer. Aber der schrecklichste Gegner des Heeres des Hochkönigs waren weder die Südländer noch die Goldene Horde, sondern die Drachen, die sich dem Zepter des Drachenkönigs beugen mussten. Nichts konnte der Macht der Drachen widerstehen, nichts, außer den Göttern, bei denen andere Kräfte am Werk waren.

Der gjeenische Heller erreichte schließlich den Dornenwall, und die Wurrling Kompanie des Königs setzte sich in Marsch, um sich seinem Hauptheer an den Gestaden des Argon anzuschließen. Binkton und Pipper trafen ihre Vorbereitungen, um ihnen zu folgen. Doch ein gewaltiger Schneesturm vereitelte ihre Bemühungen, denn er schnitt die Waldsenken vollkommen von der Außenwelt ab, und als im Frühling des Jahres 5E 1010 das Eis taute, war der Drachenstein Krieg bereits zu Ende.

Dennoch, das Ende des Krieges bedeutete nicht das Ende der Dinge, die getan werden mussten, denn ein Unmögliches Kind namens Bair schickte sich an, ebendiese Götter herauszufordern, damit sie aufhörten, sich in das Schicksal von Menschen, Elfen, Zwergen und Magiern und allen anderen Lebewesen einzumischen.

Aravan, Aylis und andere gerieten in die Nachwehen der Ereignisse, die Bair ausgelöst hatte, und später sollten auch Binkton Windrow und Pipper Willowbank darin verwickelt werden.

Dies ist ihre Geschichte.

»Nervös? Ich? Pah! Ich meine, was kann letztlich schon schiefgehen?«

Binkton Windrow

Frühherbst 6E6

1. Kapitel

KALTER ZORN

Finstere Absichten

(Spätherbst, 5E1010)

In einem hohen Turm tief im Grimmwall, der lang gestreckten und übel beleumundeten Gebirgskette, die sich quer durch einen großen Teil von Mithgar erstreckt, saß ein Schwarzer Hexer in seinem grausigen Refugium und sann auf Vergeltung. Seit dem Ende des Drachenstein Krieges war der Bann aufgehoben, und die Wege zwischen den Ebenen waren wieder freigegeben worden, obwohl die meisten dieser Übergänge jetzt von Elfen und Menschen und sogar von Magiern bewacht wurden, um zu verhindern, dass die Brut von Neddra in die Hohe und Mittlere Ebene eindringen konnte. Aber keines dieser Dinge beschäftigte die finsteren Gedanken von Nunde. Seine Wut richtete sich ausschließlich auf den üblen Dolh, den widerlichen Elf, der den Gott des Schwarzen Hexers niedergemetzelt und damit alle Pläne Nundes vereitelt hatte.

Er erinnerte sich noch sehr gut an diesen Tag, als Gyphons lautloser Todesschrei über die Ebenen kreischte; er hatte Nunde und alle anderen Schwarzen Hexer vor Qual auf die Knie gezwungen. Der unerträgliche Schmerz hatte alle Drik, Ghok, Oghi und Vulpen sowie alle anderen finsteren Geschöpfe gleichermaßen in Mitleidenschaft gezogen, kurz, alle Kreaturen des Dunklen Gottes.

Wie er Vergeltung üben, wie er Wiedergutmachung erlangen konnte, darauf konzentrierte Nunde alle seine Gedanken. Aravan muss sterben, das ist gewiss. Nur wie ist die Frage; er ist von treuen und mächtigen Bundesgenossen umringt, und es wird nicht leicht sein, ihn niederzustrecken. Oh, sicher, es gibt natürlich Möglichkeiten, die Dolh einfach umzubringen, aber das steht hier nicht zur Debatte; denn Qualen, Gram und unerträgliche Verzweiflung sollen Aravan überwältigen, bevor er einen grauenvollen Tod erleidet. Also muss man ihn erst all dessen berauben, was ihm kostbar ist, und dies auf eine angemessene, oder wie andere sagen würden, unaussprechliche Art und Weise zu bewerkstelligen, muss dem Verscheiden des Dolhs vorausgehen.

Wie jedoch dieses bewirken, wie erreichen, was unbedingt getan werden musste, das und eben das war die Frage, war das Problem, was den Nekromanten in jenen langen Nächten beschäftigte.

Gewiss, ich könnte eine Armee von Neddra nach Mithgar führen, aber wo läge das Vergnügen darin? Keine Finesse, kein eiserner Geschmack kalter Rache im Mund? Pah! Da die Wege zwischen den Ebenen jetzt offen sind, ist es nicht mehr so wie einst, als ich Zehntausende in Neddra abschlachtete, um genug Feuer zu sammeln, damit ich eine Rotte Chûn und andere hinüber in den Tempel des Ödwaldes bringen konnte, trotz der Spaltung. Ah, wie köstlich war die Fassungslosigkeit auf den Gesichtern jener, die sich mühten, den Wald von Gyphons Handlangern zu befreien. Sie wussten nicht, dass etwas mithgarisches Blut in meinen Adern fließt, zusammen mit dem aus Neddra und aus Vadaria. Und keiner wusste, dass ich diese Rotte in mein Feuer hüllen konnte, da meine Aura durch den Tod all jener, die ich niedermetzelte, ungeheuer ausgedehnt war. Was haben wir für ein wundervolles Massaker unter jenen Menschen und Elfen veranstaltet! Wären nicht Aravans verfluchter Kristallspeer und Riathas verwünschtes Schwert aus Sternensilber gewesen, hätten wir sie alle dahingemeuchelt, bevor Silberblatt und die anderen eintrafen. Dann hätten wir diese ebenfalls töten können. Aber nachdem Aravan und Riatha alle Gûk, ihre Hèlrösser und die Vulpen niedergestreckt hatten, konnte der Rest meiner Chûn ihnen nicht mehr standhalten, und ich musste fliehen. Dabei wäre Riathas Schwert beinahe noch mein Untergang geworden. Nunde hämmerte die Faust auf die Lehne seines dunklen Stuhls. Ein weiterer Grund, Vergeltung an Aravan zu üben, und an allen, die er liebt.

Als der Morgen am östlichen Himmel graute, erhob sich Nunde von seinem Stuhl an dem schmalen Fenster, das kaum mehr als ein Schlitz in der Wand war, und bereitete sich darauf vor, in sein Schlafquartier hinabzusteigen. Allerdings musste er nicht mehr vor dem Tageslicht flüchten; dank Bair, diesem närrischen Jüngling, diesem verfluchten Reiter zwischen den Ebenen, waren jetzt nicht nur die Wege des Dazwischen offen. Auch Adons Bann war aufgehoben. Dem Schwarzen Hexer und seinesgleichen drohte in der Sonne nicht mehr der Brennende Tod.

Nein; Nunde war stattdessen aufgrund der Macht eingefahrener Gewohnheiten, verfestigt im Laufe vieler Jahrtausende, eine Kreatur der Dunkelheit, so wie alle seine Handlanger und alle Wesen von Neddra.

Nunde stieg die steinerne schattige Treppe in sein von Fackeln beleuchtetes Quartier hinab, wo er in einen rastlosen Schlaf fiel. In seinem Verstand brannten immer noch die Gedanken an Vergeltung, wie sie es seit Wochen taten, seit er die Kunde erhalten hatte, dass es Aravan gewesen war, der mit einem silbernen Schwert, der Klinge des Morgengrauens, Gyphon tötete.

Aber als die Sonne an diesem Tag aufging, schob Nunde diese Gedanken beiseite und ruhte, denn bei Anbruch der Dämmerung am nächsten Abend würde er die lange Reise zum Übergang nach Neddra antreten, um sich mit einer kleinen Konklave Schwarzer Hexer zu treffen. Dort würde er, falls seine List Früchte trug, diese Konklave unter seine Knute zwingen. Schließlich plante er, den Hexern ihre Macht zu entreißen und sie für sich selbst zu nutzen.

Aravan konnte warten.

2. Kapitel

AUSBILDUNG

Die Waldsenken

(Spätherbst, 5E1010)

Es war ein stürmischer Tag in den Waldsenken; die hohen Kiefern neigten sich im Wind, und das hohe Gras der angrenzenden Felder wogte in goldenen Wellen. Ein älterer Bokker stand am Waldrand. Sein Umhang wehte im Wind. Hinter ihm saß ein gefesselter Jungbokker, dessen Hand- und Fußgelenke in Ketten geschlagen waren. Aber der Ältere achtete nicht auf den jungen Bokker am Boden, der sich wiederum keine allzu großen Sorgen um sein Schicksal zu machen schien. Stattdessen blickten beide Wurrlinge zu einem Seil hinauf, das zwischen zwei schaukelnden Kiefern gespannt war und im Rhythmus ihrer Bewegungen abwechselnd erschlaffte und sich spannte.

»Komm schon, Pip, los«, presste der schwarzhaarige Jungbokker zwischen den Zähnen hervor. »Du schaffst es.« Doch seine besorgte Miene strafte seine Worte Lügen.

Der ältere Bokker stand regungslos da, während er flüsterte: »Warte noch, Wurro, warte auf den richtigen Moment.«

Die Bäume richteten sich wieder auf, das Seil spannte sich, und in diesem Augenblick sprang ein blonder Jungbokker aus der rechten Kiefer und rannte auf das Seil. Er hastete über den Abgrund, doch kurz bevor er die andere Kiefer erreichte, trat er daneben, hielt inne und schwankte gefährlich auf dem Seil. Gleichzeitig traf eine Windbö den Wurrling und die Kiefern. Noch während der Bokker fiel, erschlaffte das Seil und schwang zur Seite. Er griff hastig danach, verfehlte es jedoch, stürzte in die Tiefe und … landete in dem Netz kurz über dem Boden.

»Rattenkot!«, fluchte der in Eisen geschlagene Wurrling. Er seufzte und machte sich dann mit einem Dietrich an dem Schloss seiner linken Fußfessel zu schaffen.

Der Ältere ging langsam über das Feld zu dem Netz, in dem der blonde Bokker auf dem Rücken lag und zu dem schwankenden Tau hinaufblickte.

»Und, Junge?«

»Ich hätte es fast geschafft, Onkel Arley, wenn ich nicht diesen einen blöden Fehltritt getan hätte.«

»Du hättest, wenn du nicht hättest, ganz recht.«

Der Bokker drehte sich um, krabbelte an den Rand des Netzes, packte ihn, schwang sich mit einem Purzelbaum herunter und landete mit den Füßen auf dem Boden.

»Das ist keine leichte Aufgabe, Pipper«, sagte der ältere Bokker. »Aber du musst sie bewältigen, denn es könnte der Tag kommen, wo du kein Netz unter dir hast.«

Pipper nickte und seufzte. »Ich versuche es noch einmal«, sagte er.

Onkel Arley knurrte zustimmend.

»Wie macht sich Bink?«, erkundigte sich Pipper.

»Weiß ich nicht.« Arley warf einen Blick auf den in Ketten geschlagenen jungen Bokker. »Er hat erst angefangen, nachdem du abgestürzt bist. Binkton macht sich Sorgen um dich, weißt du.«

»Weiß ich. Und ich mache mir Sorgen um Bink. Ich meine, diese Sache mit den Ketten und den Messern und der Aufgabe, die Kettenglieder zu zerbrechen … Huh, ich bekomme jetzt schon eine Gänsehaut, wenn ich nur daran denke.«

Arley lächelte, drehte sich um und ging zu Binkton, während Pipper zu der Kiefer lief und sich anschickte, hinaufzuklettern.

Onkel Arley lächelte noch, als er langsam zu Binkton schlenderte. Die beiden Jungbokker hatten noch viel zu lernen, aber dennoch machten Pipper, der jetzt vierzehn Sommer zählte, und Binkton, der drei Monde älter war, gute Fortschritte. Sie würden bald die Berufe meistern, die Arley ihnen zugedacht hatte. Natürlich konnte er nicht hoffen, dass sie in seine Fußstapfen traten, oh nein, das war viel zu gefährlich. Dennoch, sie waren begabt, und ihre Fertigkeiten würden sich immer weiter entwickeln. Sie hatten beide geschickte Hände, vor allem Binkton, und sie waren sehr beweglich, besonders Pipper. Zudem konnten sie außergewöhnlich gut mit Schleuder sowie Pfeil und Bogen umgehen. Erst letztes Jahr hatten sie versucht, sich heimlich der Kompanie des Königs anzuschließen, und es wäre ihnen vielleicht sogar gelungen, wegzulaufen, wenn dieser Schneesturm nicht gewesen wäre.

Als Arley Binkton erreichte, hatte dieser es geschafft, seine Fußfesseln abzustreifen und arbeitete gerade an der Fessel an seinem linken Handgelenk. Vielleicht konnte Binkton sich in einem Jahr im Handumdrehen aller Fesseln entledigen, aber selbst jetzt war er schon für seine jungen Jahre sehr geschickt.

Arley nickte dem dunkelhaarigen Bokker zu, drehte sich um und blickte wieder zu den schwankenden Kiefern hinüber und zu dem Seil, das dazwischen gespannt war.

3. Kapitel

DIE ÖFFNUNG DER WEGE

Ardental

(Mittsommer bis Mitte Herbst, 5E1010)

Drei Monate nach dem Ende des Drachenstein Krieges und vier Tage nach seiner Rückkehr in den Elfenstützpunkt von Ardental schickte sich ein junger Mann, ein großer, schlaksiger Jüngling, der bereits mehr als einen Meter neunzig maß, an, einen anderen Gott herauszufordern. Der Name dieses Jünglings war Bair, Sohn einer Elfe und eines Baeron, Riatha und Urus. Bair war kein gewöhnliches Wesen, denn er war das Unmögliche Kind, der Reiter der Morgendämmerung, der Reiter zwischen den Ebenen. Und wie sein Vater war auch Bair ein Gestaltwandler; nur verwandelte er sich in einen Draega, einen Silberwolf, statt in einen Bären.

Er war zwar noch ein Jüngling, hatte jedoch bereits eine bewegte Vergangenheit, denn er und ein Elf namens Aravan hatten das lang verschollene Silberne Schwert aus den Tiefen der Schwarzen Feste am Nexus von Neddra geborgen. Gemeinsam hatten sie mit dieser Waffe nicht nur Mithgar gerettet, sondern die ganze Schöpfung; um das zu bewerkstelligen, hatten sie mit dieser Klinge des Morgengrauens den Gott Gyphon töten müssen.

Bair erhob sich mitten in der Nacht von seinem Lager und bereitete sich auf die Mission vor, die er sich vorgenommen hatte. Als er aus seiner Kammer trat, roch er den Duft frisch aufgekochten Tees.

»Möchtest du eine Tasse mit mir trinken?«, fragte Riatha aus dem Schatten. Sie schob sich ihr goldblondes Haar aus den Augen, die von einem so blassen Grau waren, dass sie beinahe silbern wirkten, und sah zu ihrem Sohn hoch. Die schlanke Elfe erschien mit ihren ein Meter fünfundsechzig neben ihm beinahe winzig.

Bair nickte, setzte sich hin, und sie goss ihm eine Schale Tee ein. Als der Jüngling das irdene Gefäß nahm, fuhr Riatha fort: »Du bist gekleidet wie für eine Reise, und mir scheint, als hätte ich in deinen Augen ein Funkeln gesehen, das noch vom Krieg herrührt.«

Bair nickte. »Ythir, die Mission, auf die ich mit Aravan gegangen bin, ist noch nicht erfüllt. Es gibt noch etwas, das getan werden muss, und das genauso wichtig oder vielleicht noch wichtiger ist als das, was wir bisher vollbracht haben.«

Riatha hob fragend eine Braue. »Ich muss mit Adon sprechen«, fuhr Bair fort.

Die Elfe riss ihre silberfarbenen Augen auf. »Du willst mit …«

»Adon, Ythir. Mit Adon, ja.«

Riatha holte tief Luft und atmete beherrscht aus. »Über …?«, erkundigte sie sich dann ruhig.

»Über Durloks Stab, den schwarzen Schaft, über Kristallopyr und den Drachenstein. Über Prophezeiungen, Wahrsagungen und Reden. Über einen Steinkreis und ein Schutzamulett und einen Kristall mit einem eingravierten Falken darin. Über Artefakte der Macht, die vor langer Zeit geschaffen wurden, und deren Bestimmungen sich erst in unseren Tagen auswirken. Über eine Debatte, die vor langer Zeit geführt wurde, und in der es um freie Entscheidung und Kontrolle ging. Und über das, was Rotklaue zu Dalavar bezüglich Adons sagte; der Drache nannte Ihn ›Adon der Ebenen-Scheider‹. Über all das und mehr muss ich mit Ihm sprechen.«

Riatha hob fragend beide Hände. »Aber warum?«

»Um Ihn ins Gebet zu nehmen!«

Jetzt sprang die Elfe auf. »Was?«

»Um Ihn ins Gebet zu nehmen«, wiederholte Bair. »Verstehst du das denn nicht, Ythir? Rotklaue hatte recht, aber nur teilweise.« Bair streckte eine Hand aus, um Riathas Einspruch zuvorzukommen. »Hör mich zuerst an, Ythir. Ganz gleich, welche Absichten Adon hatte, wir alle, alle Elfen, die Verborgenen, die Wurrlinge, Baeron, Zwerge, Menschen, Drachen, Magier, Utruni und sogar die Brut, wir alle wurden nur als Spielsteine in einem gewaltigen Tokko-Spiel von jenen benutzt, die wir Götter nennen. Es wird Zeit, dass dies aufhört.«

»Aber Bair, du kannst doch nicht ernsthaft glauben …«

»Genau das tue ich, Ythir, genau das glaube ich. Hör zu, wenn Adon und Gyphon diese Angelegenheit vor langer Zeit direkt miteinander geklärt hätten, wenn nötig durch einen Kampf auf Leben und Tod, wären wir nicht die ganze Zeit als bloße Figuren in diesem langen Spiel hin und her geschoben worden.«

Riatha runzelte nachdenklich die Stirn und setzte sich wieder hin. Sie trank einen Schluck Tee, bevor sie sprach. »Was du sagst, entspricht teilweise der Wahrheit, aber lass mich dich Folgendes fragen: Wäre es zu einem Kampf auf Leben und Tod gekommen, und Adon hätte verloren, was wäre dann wohl aus der Welt unter Gyphons Knute geworden? «

Bair sah sie erstaunt an. Offenbar hatte er so weit nicht gedacht. »Vielleicht, mein Junge«, sagte Urus, der in der Tür zum Nebenraum stand, »vielleicht waren all die Dinge, die du genannt hast, all das, was du und Aravan, wir und viele andere taten, in unserer Zeit und in der Vergangenheit, vielleicht war genau das Adons und Gyphons Kampf auf Leben und Tod. Möglicherweise konnte Adon Gyphon nur dadurch besiegen, dass er uns benutzte.«

Bair drehte sich zu seinem Vater um. Wie alle Baeron war auch Urus ein Hüne von Mann, gut zwei Meter groß, muskulös und fast einhundertdreißig Kilo schwer. Wie die Kreatur, in die er sich zu Zeiten verwandelte, hatte er braunes Haar, das an den Spitzen bereits ergraut war, und bernsteingelbe Augen.

Während Riatha eine dritte Schale Tee vollschenkte und für Urus auf den kleinen Tisch stellte, dachte Bair konzentriert nach. »Trotzdem, Da«, meinte er schließlich, »muss ich mit Adon sprechen, denn ich bin der Einzige, der das vermag und zurückkehren kann.«

»Und was genau willst du zu Ihm sagen?«, wollte Urus wissen.

»Nur dies: Es wurden Dinge getan, die jetzt rückgängig gemacht werden müssen; die Spaltung der Ebenen ist eines davon.«

Riatha rang nach Luft. »Oh, Bair!«, stieß sie dann hervor, »wenn die Wege zwischen den Ebenen wieder frei wären, dann könnten wir … wir könnten sofort wieder …« Tränen traten ihr in die Augen.

Urus nahm ihre Hand und streichelte sie. »Mir scheint, sie möchte, dass du es versuchst.«

Bair nickte. »Ich werde Aravan bitten, mich zu begleiten«, erklärte er. »Denn wie ich bereits sagte, ist dies nur eine Fortführung derselben Mission, auf die wir uns in der Vergangenheit begeben haben, und die er schon weit länger verfolgt als ich.«

Bair und Aravan waren fast drei Monate unterwegs. Elar und kelan reisten zum Eichenkreis im Weitimholz, um von dort ins Dazwischen zu gehen, Aravan, in Gestalt eines schwarzen Falken, wurde von Bair hinübergetragen. Als sie zurückkehrten, begleitete sie eine Schar Elfenkrieger, unter ihnen Daro und Rein, Riathas Eltern, denn die Wege zwischen den Ebenen waren wieder passierbar …

»Was?« Riatha sah Bair verwirrt an.

»Ich sagte, Ythir, dass auch die Wege von und nach Neddra wieder offen sind und der Bann aufgehoben wurde.«

»Aber warum?«

»Verstehst du das denn nicht, Ythir? Jede Einmischung unterläuft die freie Entscheidung, den freien Willen, und zwar nicht nur unseren, sondern den aller.«

Bair sah zu dem schwarzhaarigen Elf, der an der Wand lehnte. Wie alle Lian war auch er schlank, aber mit seinen ein Meter achtzig größer als die meisten seiner Art. »Hilf mir doch weiter, kelan«, bat Bair.

»Seine Argumente waren sehr wohl überlegt«, meinte Aravan, während er Riatha mit seinen saphirblauen Augen musterte. »Am Ende hat er nicht nur Adon überzeugt, sondern auch alle, die sonst noch an dem Gespräch teilnahmen: Lian, Dylvana und die Götter.«

Riatha wandte sich an Urus. »Aber der Brut die Freiheit zu lassen, ihre Willkür auszuleben …?«

»Vielleicht sind sie ohne Gyphon und Seine Handlanger, die sie antreiben, weniger geneigt, ihre Missetaten zu begehen«, vermutete Urus.

»Außerdem hat Bair für diesen Fall ebenfalls einen Plan«, warf Aravan grinsend ein. »Und zwar einen, den ich aus ganzem Herzen unterstütze.«

»Was für einen Plan?«, erkundigte sich Faeril, eine Damman der Wurrlinge, die sich seit Bairs Geburt wie eine liebende Tante um ihn kümmerte. »Was für einen Plan?«

Bair fuhr mit den Fingern durch sein langes silberblondes Haar. »Ganz einfach, Amicula Faeril …«

4. Kapitel

WOLF UND FALKE

Nexus

(Spätherbst und Frühwinter, 5E1010)

Der Draega, der ponygroße Silberwolf, rannte durch das herbstlich gelbe Gras und durch kleine Wälder mit braunblättrigen Bäumen über die Hügel Adonars. Hoch über ihm flog unter dem azurblauen Himmel ein schwarzer Falke. Um den Hals des Wolfs baumelte an einer Kette ein steinerner Ring, in dem ein schwarzer Stein schimmerte. Auch am Hals des Falken hoch oben in der Luft glitzerte etwas, das sich von seinem nachtschwarzen Gefieder wie Silber abhob, obwohl es stattdessen ein Kristall war. Ein kleiner blauer Stein an einem Lederband ruhte neben dem Kristall. Und wo immer der Draega auch hinlief, der Falke folgte ihm, denn, so schien es jedenfalls, sie reisten zusammen.

Der Wolf bahnte sich den Weg durch die Wälder, zwischen riesigen, bemoosten Bäumen hindurch, lief platschend durch murmelnde Rinnsale, während der Falke über ihm auf dem kühlen Wind ritt, der über das Land fegte. Sie verlangsamten ihre Geschwindigkeit nicht, Werst um Werst um Werst, bis der Abend in die Nacht überging. Dann kreischte der Falke einmal schrill auf und schwenkte nach links ab. Der Draega am Boden blieb stehen und beobachtete den dunklen Vogel.

Der Falke schwebte über einem Waldrand, schwenkte scharf nach rechts ab, segelte hinab und landete schließlich hoch oben in einer Eiche, deren braune, trockene Blätter in dem Wind raschelten, der den Winter ankündigte. Der Silberwolf trottete zu dem mächtigen Baum, auf den sich der Vogel niedergelassen hatte, und als der Draega ihn erreichte, erhob sich der Falke erneut in die Luft.

Nachdem der Wolf seinen Durst an einem kleinen murmelnden Bach gestillt hatte, legte er sich hechelnd und mit aufmerksam aufgerichteten Lauschern unter die Eiche und sah zu, wie der Vogel über dem hohen Gras auf dem Feld hin und her flog. Im nächsten Moment stürzte sich der Falke herab, die Flügel angelegt, allein mit den Spitzen steuernd. Unmittelbar über dem Grund breitete er die Flügel wieder aus, streckte die krallenbewehrten Füße aus und verschwand im Gras.

Der Draega sprang auf und eilte zu der Stelle, wo der Falke ein fettes Kaninchen erlegt hatte. Der Wolf bellte leise, doch der Falke rührte sich nicht. Seine wilden Augen glühten. Beim zweiten Bellen jedoch ließ der Vogel seine Beute los und erhob sich erneut in die Luft.

Der Draega packte das Kaninchen und lief zur Eiche am Fluss zurück. Er kam dort an, als der Falke gerade zur Landung ansetzte. Der Wolf ließ das Kaninchen fallen, und aus einem platinfarbenen Lichtblitz und einer dunklen Wolke tauchten Aravan und Bair auf: Aravan aus dem Licht, Bair aus dem Dunkel.

Erst ein Jahr zuvor hatte Aravan mit dem gestaltwandelnden Bair und einem geflügelten Phael namens Ala, einem der Verborgenen, und einem mächtigen Wesen, das die Phael den Wächter nannten, gelernt, die dem Kristall innewohnende Macht zu beschwören, die Macht des Kristalls mit dem Falken darin, der jetzt an der Kette hing, die Aravan um den Hals trug.

Vor mehr als vierundzwanzig Jahren hatte Riatha Faeril diesen Kristall geschenkt und der Damman die seherische Kraft des Steins erklärt. Als Faeril ihn bekam, war noch kein Falke darin gewesen. Die Damman hatte sich im Sehen versucht, ebendiesen Kristall dafür benutzend, und als sie schließlich Erfolg hatte, wäre es fast ihr Untergang gewesen. Viel später traf sie innerhalb eines Kreises aus Kandraholz auf das Orakel Dodona, und dieser nahm ihren Geist mit in den durchsichtigen Stein. Dodona zeigte ihr viele Dinge und erklärte ihr auch, dass es ihr möglich war, in dem Kristall alle Formen anzunehmen. Damals sagte Faeril, dass sie schon immer hatte so fliegen wollen wie ein Falke, und sich unvermittelt in einen solchen Vogel verwandelt, was sie ebenfalls beinahe das Leben gekostet hätte. Doch Dodona hatte sie davor bewahrt, auf immer ein wildes Tier zu bleiben. Als Faeril schließlich in sich selbst zurückkehrte, war die Gestalt eines Falken in ihrem Kristall zurückgeblieben.

Nach ihrer Rückkehr nach Ardental befestigte Faeril den Kristall an einer Platinkette und schenkte ihn Bair zum Geburtstag.

Auf seiner Expedition mit Aravan, bei der sie den gelbäugigen Mörder Ydral suchten, hatte Bair den Kristall mit in das Jangdi-Gebirge genommen, wo der Wächter, die Phael und Bair zusammen mit Aravan daran gearbeitet hatten, den Elf zu lehren, die Kraft dieses Artefakts der Macht zu meistern, die es ihm erlaubte, die Gestalt eines schwarzen Falken anzunehmen.

Und als schwarzer Falke und Draega war es ihnen gelungen, Ydral schließlich zur Strecke zu bringen, der sich in einer von der Brut verseuchten schwarzen Feste in Neddra verkrochen hatte, einer Bastion, die an einem Nexus von vier Übergängen des Dazwischen lag. Genauer gesagt verbanden drei dieser Übergänge Neddra mit Mithgar, Adonar und Vadaria; wohin der vierte Übergang führte, wussten sie nicht. Vielleicht zu der Welt der Verborgenen, nach Feyer, oder zur Drachenwelt Kelgor, oder irgendwo ganz anders hin. Aber damals waren nur die Blutwege offen, und Bair konnte trotz seines steinernen Ringes den Übergang nicht bewerkstelligen, denn er hatte nicht das Blut in den Adern, das es ihm erlaubt hätte.

Ungeachtet dessen, wohin dieser vierte Übergang führte, war die Schwarze Feste das Ziel von Bairs und Aravans neuester Mission, denn sie kontrollierte die wichtigen Übergänge des Dazwischen, die der Brut erlaubte, in die Ebenen der Freien Völker einzudringen.

Bair und Aravan waren nach Adonar zurückgekehrt, um sich zu überzeugen, dass alles bereit war, um die letzte Phase von Bairs Plan einzuleiten. Die Heerschar der Elfen hatte sich bereits erwartungsvoll versammelt, und so wurde der Befehl gegeben, ins Dazwischen zu marschieren. Und jetzt reisten die beiden der Armee voraus, um sich zu überzeugen, dass noch mächtigere Bundesgenossen sich ebenfalls bereit gemacht hatten.

Aravan hatte das Kaninchen mit wenigen geschickten Schnitten ausgenommen und war dabei, es auf einem kleinen Feuer zu rösten.

»Kelan«, fragte ihn Bair, »wie weit ist es noch bis zum Übergang ins Dazwischen, was denkst du?«

»Dreißig Werst, nehme ich an«, antwortete Aravan.

»Dann dürften wir morgen gegen Mittag dort ankommen, richtig?«

»Aye, elar. Würdest du so schnell laufen, wie ich fliege, wäre es schon am Vormittag.«

»Ah«, meinte Bair grinsend. »Du hast es nur eilig, zu Aylis zu kommen, deucht mich.«

Aravan lachte. »Da hast du ganz recht.«

Sie saßen eine Weile schweigend da und sahen zu, wie das Kaninchen über dem Feuer briet. Bair erinnerte sich an seine letzte Begegnung mit Aylis und an die Strategie, die sie vorgeschlagen hatte. Alamar hatte sie bereitwillig akzeptiert, aber er wollte, dass ein anderer Seher den Plan durchführte. Davon jedoch wollte Aylis nichts wissen. Sie sagte, es wäre ihr Plan, also wäre sie auch diejenige, die ihn umsetzte. »Ich bin froh und traurig zugleich«, meinte Bair schließlich, »dass sie sich entschieden hat, mit uns in die Schlacht zu ziehen.«

»Ich ebenfalls«, antwortete Aravan. Dann fuhr er seufzend fort: »Nicht dass einer von uns es hätte verhindern können. Sie ist manchmal ziemlich leichtsinnig, weißt du? Das ist eines der Dinge, die ich an ihr liebe und gleichzeitig am meisten fürchte.«

Das Fett des Kaninchens tropfte zischend in die Flammen, deshalb drehte Bair den Spieß langsam um. Dann warf er einen Blick zu Aravan hinüber. »Ihr Plan hat mich überrascht. «

»Aye«, meinte Aravan. »Aber so werden wir in Erfahrung bringen, mit wem wir es zu tun bekommen, und außerdem finden wir vielleicht auch heraus, wann die beste Zeit für einen Angriff ist.«

Bair nickte und drehte weiter an dem Spieß. »Bevor Aylis ihren Vorschlag gemacht hat, habe ich immer geglaubt, dass ein Seher dadurch hilfreich wäre, dass er in die Vergangenheit blickt, herausfindet, wann Wachwechsel sind oder Wachposten am wahrscheinlichsten unachtsam werden, oder in die Zukunft sehen und uns sagen könnte, wann wir am besten angriffen.«

Aravan nickte. »Man hat mir gesagt, dass die Kunst der Sicht sehr schwierig ist und viele Gabelungen bereithält, die man sondieren muss.«

»Gabelungen?«

»Punkte der Entscheidung«, erwiderte Aravan. »Wenn wir uns für einen Weg entscheiden, bewirken wir dieses, und die Entscheidung für einen anderen Weg verursacht jenes. Mit jeder Person, die in die Angelegenheit verwickelt ist, wächst auch die Zahl der Möglichkeiten. Bei dem Abenteuer, das vor uns liegt, und an dem Hunderte und Aberhunderte beteiligt sind, ist die Zahl der Möglichkeiten unabsehbar, jedenfalls glaube ich das.«

»Ah, ich verstehe«, meinte Bair.

Kurz nach Mittag, während es in Adonar schneite, überquerte Bair das Dazwischen mit Valké auf der Schulter, Aravans Falkengestalt. Bair trug den Elf in dieser Gestalt, um dessen Weg nach Neddra zu vereinfachen; denn die beste Zeit für den Übergang in diese Welt war Mitternacht, so wie die beste Zeit, diese Ebene zu verlassen, die Mittagszeit war. Musste Aravan den Übergang zu einer anderen Zeit versuchen, wäre es schwierig für ihn geworden; aber der Steinring um Bairs Hals schien dem Jungen den Weg irgendwie zu vereinfachen, ganz gleich, ob es Tag oder Nacht war. Deshalb hatte sich Aravan in den Falken verwandelt und umhüllt von Bairs Aura, sein Feuer in dem Kristall versiegelt. Der Jüngling trug den Falken und das Artefakt der Macht scheinbar mühelos von der Hohen Ebene zur Unteren.

Neddras blutrote Sonne spendete nur wenig Licht, verdeckt von den ockerfarbenen Wolken. Auch in dieser Welt schneite es, aber die Flocken hatten eine gelblich-braune Färbung, als sie aus dem widerlichen schwefeligen Himmel fielen.

Bair warf Valké in die ätzende Luft und verwandelte sich in der Dunkelheit in Jäger, seine Gestalt als Silberwolf. Dann rasten Draega und Falke in einem weiten Bogen nach Nordosten, zum Übergang in die Magierwelt von Vadaria.

Sie sorgten dafür, dass sie von der Schwarzen Feste nicht gesehen werden konnten, dieser Bastion, die einen Werst und eine Meile entfernt im Tal vom westlichen Übergang entfernt lag. Valké blieb stumm, während er hoch über dem Silberwolf flog, denn er konnte keinen Verfolger erkennen, keine Vulgs, keine Ghûls auf ihren Hèlrössern oder Rukhs, Hlöks oder Trolle. Also brauchte er den Wolf nicht zu warnen.

Die Feste selbst stand auf einem steilen Hügel in einem langen Tal, das von hohen Klippen umsäumt war. Die Festung war in etwa quadratisch, von einer äußeren, etwa sieben Meter hohen Mauer umgeben, die auf jeder Seite ungefähr hundert Meter lang und an ihrer Spitze fünf Meter dick war. Über ihre gesamte Länge verliefen Türme, im Abstand von etwa fünfzehn Metern. Im Süden stand über einem Tor mitten in der Mauer ein Vorwerk, im Norden ebenfalls, wenngleich ein kleineres. Von beiden verlief eine gewundene Straße zum Haupttor der inneren Festung. Eine ebensolche Straße führte vom gegenüberliegenden hinteren Tor zu dem Haupttor. Zwischen dem äußeren Bollwerk und der inneren Feste lag ein Stück freies Gelände, eine mörderische Ebene für jeden, der den Weg den Hügel hinauf erobert und die äußere Mauer überwunden hatte.

Innerhalb dieses Bollwerks stand die Schwarze Feste: Sie war gut zwanzig Meter hoch und ebenfalls quadratisch gebaut, maß siebzig Meter in der Länge und hatte einen großen Innenhof, der von großen und kleinen Türmen und einer gewaltigen Mauer geschützt wurde.

Im Hof gab es geräumige Stallungen, in denen die schuppigen Hèlrösser rastlos herumtrampelten, und auf die Anwesenheit von Ghûls im Burgfried hindeuteten.

Zwei äußere und zwei innere Türme standen auf einem kleinen, engen Hof und bewachten den Durchgang in die Schwarze Feste mit großen Toren und Fallgittern. An der nördlichen Mauer der Bastion bewachten vier eng zusammenstehende Türme den Hintereingang.

Mit den Türmen an jeder Ecke der Hauptfestung und den Türmen in der Mitte der äußeren Mauern konnten die Verteidiger wirkungsvoll sämtliche Angreifer zurückschlagen, die versuchen sollten, diesen Stützpunkt einzunehmen.

Außerdem wurden die Zinnen der Hauptfeste sehr gut bewacht. Hlöks und kleine Rotten von Rukhs waren auf jedem Turm stationiert und gingen häufig Patrouille.

All dies sah Valké, als er hoch über Jäger dahinsegelte.

Der Draega lief vier Werst und eine Meile, schlug einen großen Bogen um die Schwarze Feste bis in die Anhöhen im Norden. Er rannte hinauf, begleitet von dem Falken über ihm. Schließlich kam der Wolf an einen ziemlich steilen Hang, den er ebenfalls bezwang, und an den sich eine runde Ebene anschloss. Vor ihm erhob sich dann eine blanke Felswand, die sich bis zu den Seiten erstreckte und das kleine Plateau in ihre ungeheuren Arme zu schließen schien. Jäger lief auf die Mitte der Wand zu, während Valké in weiten Spiralen von oben herabsank. Dunkelheit umhüllte den Draega, eine Dunkelheit, aus der Bair trat.

Der Jüngling streckte den Arm aus, und Valké landete auf dem gepolsterten Lederärmel.

Bair sah nach Süden, wo einen Werst und eine Meile entfernt die Schwarze Feste stand, mitten im Schnittpunkt der vier Übergänge ins Dazwischen, im Nexus. Denn in gleicher Entfernung nach Norden, Westen, Süden und Osten lagen die Übergänge nach Vadaria, Adonar, Mithgar und einem ihnen bislang unbekannten Land.

Bair hob Valké auf sein Schulterpolster. Dann umfasste er den Ring, der jetzt an seiner linken Hand saß, begann zu rezitieren, schritt aus, drehte sich um, hielt inne, sang, glitt weiter, während Valké von seiner Schulter auf die ferne Bastion starrte. Wut glomm in den schwarzen Augen des Raubvogels …

… dann waren sie aus Neddra verschwunden, und nur der gelblich-braune Schnee, der vom ockerfarbenen Himmel fiel, war Zeuge.

5. Kapitel

VADARIA

Nexus

(Ende Herbst und Anfang Winter, 5E1010)

Immer noch die Schritte des Ritus tanzend und die Anrufung singend, tauchten Bair und Valké auf einem Felsplateau auf, das nahezu identisch war mit dem, auf dem sie Neddra verlassen hatten. Doch statt des ockerfarbenen Himmels von Neddra war die Luft hier klar und duftete schwach nach dem Kiefernwald im Tal unter ihnen. Gipfel und Hügelkämme um sie herum waren von Schnee bedeckt, und das Weiß funkelte im Licht der strahlenden Sonne.

Valké schwang sich in den azurblauen Himmel, während eine dunkle Wolke Bair umhüllte, aus der einen Herzschlag später Jäger sprang. Der Draega rannte den Hang hinab und durch das Tal, strebte einer fernen Anhöhe zu, während unter seinen Läufen Schnee aufstob. Valké folgte ihm wachsam. Sie wollten zu einer Berghütte, in der eine Seherin lebte, Aylis, Aravans Geliebte.

Hier hatte sich eine Gruppe von Magiern versammelt, welche die Ankunft eines Falken und eines Draega erwarteten. Einige ruhten vor ihren Zelten, andere schlenderten über die Hänge, und vier saßen an einem Eichentisch vor der spitzgiebligen Kate. Aber alle ohne Ausnahme suchten den Himmel nach einem schwarzen Raubvogel ab.

In dem Moment trat Aylis mit einem Tablett, auf dem dampfende Becher standen, aus der Hütte. Sie war gertenschlank und trug braune Lederkleidung. Ihr hellbraunes Haar fiel ihr bis zu den Schultern, und in dem hellen, wärmenden Sonnenlicht schienen kupferne Strähnen darin aufzublitzen. Ihre helle Haut war makellos bis auf einige wenige Sommersprossen auf ihren Wangen. In ihren grünen Augen tanzten goldene Pünktchen. Für eine Magira war sie groß, maß beinahe einen Meter achtzig. Sie setzte das Tablett auf dem Tisch ab.

Dort saßen Alamar, Dalor und Branwen. Sie alle waren an dem Übergang des Dazwischen gewesen, als Bair und Aravan am Wintertag genau vor einem Jahr hierhergekommen waren. Valké hatte eine lebensgefährliche Verletzung davongetragen. Dalor, dem Heiler, war es gelungen, den Vogel zu retten. Branwen, die Weise, hatte herausgefunden, wie sie den bewusstlosen Falken wieder in einen Elf zurückverwandeln konnte, und dann erst hatte Dalor Aravan endgültig heilen können.

»Ein Silberwolf, ein Draega, sagt Ihr?«, fragte der Vierte am Tisch, ein ernster Magus, als Aylis die Becher verteilte. »Der Junge ist ein Gestaltwandler?«

»Aravan ebenfalls, Zauberer Cadir«, antwortete Aylis. »Obwohl er es nicht wie Bair von Geburt an war.«

»Wildmagie bei dem einen und ein Artefakt der Macht bei dem anderen«, erläuterte Dalor, der kleine korpulente Magier, während er Aylis einen Becher abnahm.

»Ich weiß nicht, warum wir auf sie warten müssen«, meinte der dunkelhaarige Alamar. Seine grünen Augen funkelten gereizt. »Wir sind versammelt und bereit zuzuschlagen, also sollten wir einfach beginnen.«

»Vater«, widersprach Aylis, »Bairs Plan ist sehr gut durchdacht. «

»Sie hat recht«, meinte Branwen, während sie einen Löffel Honig in ihrem Tee verrührte.

»Pah!«, fuhr Alamar hoch. »Ich allein könnte diese Feste vernichten.« Er deutete auf die Magier, die am Hang lagerten. »Ein Dutzend von uns könnte das allein schaffen.«

»Ah, und wenn es darin von Schwarzen Hexern wimmelt?«, warf Dalor ein. »Wer soll dann die Brut bekämpfen, während wir mit unseresgleichen kämpfen?«

»Schwarze Hexer sind nicht unseresgleichen«, knurrte Alamar. »Außerdem könnten wir, wenn es dazu kommt, einfach die Feste vernichten, wie ich schon sagte.«

Aylis seufzte. »Vater, unser Ziel ist es nicht, die Feste zu vernichten, sondern sie möglichst intakt zu erobern.«

»Das weiß ich, Tochter!«, fuhr Alamar hoch. »Ich sage ja nur, dass wir es tun könnten! Ich glaube, dass wir die Hilfe der Elfen nicht benötigen, um diese Bastion unversehrt zu erobern.« Er grinste. »Immerhin werde ich ihr Befehlshaber, wenn wir sie in den Händen haben.«

»Ko-Befehlshaber«, erwiderte Cadir. »Oder irre ich mich, was diesen Hauptmann der Elfen angeht? Wie war noch mal gleich sein Name …?«

»Hauptmann Arandor, glaube ich«, sagte Branwen.

»Richtig«, bestätigte Aylis. »Arandor hat sich bereit erklärt, Ko-Befehlshaber der Schwarzen Feste zu werden.«

»Hauptmann der Wache, meinst du«, erwiderte Alamar.

»Und Ko-Befehlshaber, Vater«, verbesserte Aylis ihn.

»Ja, sicher, aber verstehst du …«

»Falke!«, schrie jemand. Dalor und Branwen drehten sich um. Der dunkle Vogel hoch über ihnen glitt in einer Spirale langsam hinab.

Obwohl Aylis wusste, dass Valkés Sehvermögen unvergleichlich scharf war, und er sie in jeder Menge ausfindig machen konnte, wollte sie sich von den anderen absondern, um es ihm etwas leichter zu machen, sie zu erspähen. Also stand sie vom Tisch auf und schritt gelassen zur Schwelle ihrer Kate. Dort blieb sie wartend stehen, während ihr Herz voller Freude hämmerte.

»Draega!«, rief jemand anders. Ein großer Silberwolf stürmte aus dem Kiefernwald heraus und rannte zur Hütte. Der Schnee flog nur so unter seinen Läufen.

Doch der Falke erreichte die Kate als Erster, und noch während er landete, umhüllte ihn ein silbernes Licht, aus dem Aravan trat. Er nahm Aylis in die Arme und küsste sie lange und innig.

Einige der Magier lachten, während andere applaudierten. Alamar schnaubte. »Dieses Herumgeschmuse!«, meinte er.

Der Draega rannte ebenfalls zur Schwelle, und aus einer dunklen Wolke trat Bair. Er wartete, bis Aravan und Aylis voneinander ließen. Dann umarmte auch Bair die Seherin und küsste sie auf die Wange.

Währenddessen ließ Aravan den Blick seiner dunkelblauen Augen über die Versammelten gleiten. Er blieb schließlich an Alamar haften, der am Tisch vor der Kate Tee trank und mit Dalor, Branwen und einem Magus zusammensaß, den Aravan nicht kannte. Der Elf nickte ihnen zu, drehte sich zu Bair herum und sagte: »Alamar sitzt dort drüben.«

Lächelnd trat Bair von Aylis zurück und ging zu dem Magus, um mit ihm zu sprechen. Elf und Seherin folgten ihm. Als sie den Tisch erreichten, blieb Bair einen Augenblick stehen, betrachtete die Versammelten auf den Hängen und drehte sich schließlich zu Alamar herum. »Wie es scheint, sind die Magier bereit.«

Alamar sah zu dem Sechzehnjährigen hoch, dessen Plan sie umsetzen wollten. »Natürlich, du Dreikäsehoch. Immerhin bin ich ihr Anführer.«

»Immer noch schlecht gelaunt, wie ich sehe«, erwiderte Bair.

Dalor und Branwen johlten, Aylis kicherte und Aravan grinste. Nur Cadir sah den Jungen staunend an.

Alamar sprang auf die Füße. »Nun hör mal zu, Jüngelchen. Nur weil du dich erfolgreich mit einem Gott angelegt hast …«

»Mit zwei Göttern, alter Mann«, warf Bair ein.

Jetzt konnte Alamar sich nicht länger verstellen und stimmte in das Gelächter der anderen ein, als er den Jungen umarmte.

Branwen stand ebenfalls auf und umarmte Aravan und Bair, während Dalor grüßend die Hand hob. Dann stellte Alamar ihnen Cadir, den Zauberer vor. »Sollten wir eine Vereinigung benötigen, wird Cadir unser Fokus sein.«

Erneut ließ Bair den Blick über die versammelten Magier gleiten. »Es scheinen nur fünfzig von Euch zu sein. Ist das genug?«

»Hier haben sich sieben Neunen versammelt, mein Junge«, erwiderte Alamar, »und das ist ganz bestimmt genug.«

»Und welcher Art ist ihre Magie …?«, wollte Bair wissen.

Alamar deutete auf die Versammlung. »In jeder der Neunen befinden sich drei von uns, die Feuer oder Blitze schleudern, Wind und andere Elemente beherrschen können; ein Zauberer, der alles Mögliche zu zerstören vermag; ein Seher, der dorthin blickt, wohin niemand schauen kann und die Befehle der Feinde abfängt; einer, der das Licht und die Geräusche beeinflussen kann, um uns zu verbergen oder den Feind zu verängstigen, bis er den Verstand verliert, vorausgesetzt, die Brut hat Verstand; zwei können alle Bestien zurückschlagen, die die Feinde gegen uns schicken, Hèlrösser und dergleichen, vielleicht sogar Trolle, denn sie ähneln in ihrem Verstand den Tieren; ein Heiler, aus Gründen, die sich selbst erklären; und in einer der Neunen befindet sich statt einer Weisen ein Alchimist.«

»Ein Alchemist?«, fragte Bair.

»Mein Junge, man kann nicht wissen, was einen in einer Schwarzen Feste erwartet, schon gar nicht in der in Neddra.«

»Nun, dann möchte ich jeden der sieben Neunen kennenlernen, denn ich möchte ihnen allen meine Dankbarkeit dafür aussprechen, dass sie sich unserer Sache angeschlossen haben.«

»Junge«, meinte Alamar, »es ist schon genug, dass du für uns einen Weg gefunden hast, wie wir ungehindert über die Ebenen reisen können.« Der Magus deutete in die Richtung, aus der Valké und Jäger gekommen waren. »Und da der Weg nur durch Neddra führt, scheint es angemessen, wenn wir den Nexus kontrollieren.«

»Mit unseren Verbündeten, den Elfen und jedem, der sich sonst noch zu uns gesellt«, meinte Aylis und drückte Aravans Arm.

»Ja, Tochter, gewiss«, knurrte Alamar gereizt. »Mit unseren Verbündeten.«

»Wo wir von den Elfen sprechen«, mischte sich Cadir ein. »Sind sie bereits unterwegs?«

Bair nickte. »Hauptmann Arandor führt sie an. Zu der Kompanie gehören auch Vanidar Silberblatt, Loric, Phais, Tillaron Eisenjäger, Ancinda Einbaum, Ellisan, Inarion, Gildor Goldzweig und sein Vater, Talarin …«

Bair zählte sämtliche Elfen auf, während er mit Alamar und Cadir den Hang hinabschritt, damit ihn die beiden Magier den Mitgliedern der sieben Neunen vorstellten.

Aravan drehte sich zu Aylis herum. »Ich wünschte, ich hätte auch daran gedacht, die Drimma zu fragen, denn sie sind unvergleichliche Kämpfer, wie du ja auf der Eroean miterlebt hast.«

Aylis sah Aravan strahlend an. »Oh, Aravan, es waren wahrhaftig herrliche Tage, als ich mit dir auf diesem Schiff gesegelt bin.«

»Aye, das waren sie, wenngleich sie in einer Tragödie endeten und ich dich für immer verloren glaubte.«

Aylis nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände. »Oh, mein Liebster, das tut mir so leid. Aber trotzdem, so leicht wirst du mich nicht los.«

»Ich werde dich …? Niemals!« Er küsste sie lange und zärtlich, ohne darauf zu achten, wer vielleicht zusah.

Schließlich beendeten sie den Kuss und rangen nach Luft. »Trotzdem«, meinte Aylis, »ich würde sofort erneut mit dir über diese unermesslichen Ozeane segeln.«

Titel der amerikanischen Originalausgabe

CITY OF JADE

Deutsche Übersetzung von Wolfgang Thon

Deutsche Erstausgabe 12/2009 Redaktion: Angela Schilling

Copyright © 2008 by Dennis L. McKiernan

Copyright © 2009 der deutschen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlagillustration: Arndt Drechsler Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München Satz: C. Schaber Datentechnik, Wels

eISBN 978-3-641-08095-2

www.heyne-magische-bestseller.de

www.randomhouse.de

Leseprobe